in Ziegenhain 1947

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XX.
Entschließung
der Kulturpolitischen Konferenz
in Ziegenhain 1947
Vorbemerkung des Herausgebers
V:om 21. bis zum 23. August 1947 erörterten auf der Kulturpolitischen Ko nferenz in Ziegenhain mehr als 80 Sozialdemokraten, unter ihnen der stellverrne~
tende Parteivorsitzende Erich Ollenhauer, die geistigen Grundlagen des d:emokratischen Sozialismus, nachdem sich die kulturpolitischen Tagungen in
Bad Gandersheim,. Anfang Februar dieses Jahres, mit der herrschenden Ku,lturkrise und der politischen Schulung und in Erlangen, im Juni 19'47,. mit der
Geschkhte des Totalitarismus und Fragen der Erziehungsreform beschäftigt
hatten. Auf der Ziegenh.ainer Konferenz, zu der wiederum die von Arno Hen~
nig geleitete Sozialistische Kulturzentrale eingeladen hatteJ wurden vier ,ein'-·
führende Referate gehalten. Willi EicMer sprach über »Die Geschichte a,ls
Lehrmeisterin«, Gerhard Weisser über »Soziologie und Politik«, Arno Henni.g
über »Die naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse des letzten h.a,l,b,en
Jahrhund,erts<< und Guntram Prüfer zur Frage »Wie sehen wir heute den.
Menschen?«. Auf der Grundlage einer Resolution d.es SPD-Bezirks SüdWürttemberg und der in Ziegenhain geführten Debatte formulierte die R,edaktionskommission unter Carlo . Schmid eine grundsatzprogrammatische
Entschließung, die von den Teilnehmern der Konferenz einstimmig gebilli"gt
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Di'e Sozialdemokratie kämpft für die Demokratie und ihre Voraussetzung,
den Sozialismus, um des Menschen willen. Sie kämpft für die Verwirklichung der Gerechtigkeit auf allen Lebensgebieten und für die Gestaltung
des Volks]ebens im Geiste der Freiheit und Gemeinschaft unter Entfaltung
aller kulturellen Kräfte des einzelnen und der Gesamtheit.
Jn diesem Kampfe bedient sie sich der Erkenntnisse Karl Marx) und
seiner Schüler.
Diese Erkenntnisse wurden gewonnen im Zeitalter des Historismus. Sie
beanspruchen Wahrheit auf Grund einer vermeintlichen Zwangsläufigkeit
der historischen Entwicklung, in der das Proletariat lediglich bestimmt sei,
di,e Gesetze· des dialektischen Geschichtsprozesses vollstreckend zu erfüllen. Diese Gesetze sollten vorwiegend solche der ökonomischen Entwi,cklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse sdn.
Der Verlauf der Geschichte seit Karl Marx hat die Einseitigkeit einer
nur ökonomischen Betrachtung enthüllt. Die Erfahrungswissenschaften
vom Menschen und von der menschlichen Gesellschaft haben in steter
Verti,efung die Vielseitigkeit des menschlichen Verhaltens und damit des
geschichtlichen Prozesses durchsichtig gemacht. Der Aufdeckung der ökonomischen Bedingungen menschlichen Handelns und Denkens, vornehmlich im Zeitalter des Kapitalismus, durch Karl Marx sind umwälzende Enthüllungen der Triebkräfte der Geschichte gefolgt..
Die Sozialdemokratie muss ihre Erkenntnisse in dieser Richtung erweitern, um ihre politischen Ziele verwirklichen zu können. Die Ergebnisse
der marxistischen Methode sind ihr eine unverzichtbare Quelle politischer
Einskht,. sie sind ihr jedoch nicht alleinige und absolute Grundlage aller
Erkenntnis. Sie anerkennt die geistige Freiheit des Menschen und seine
sittliche Verantwortlichkeit als.gestaltende Faktoren auch des geschichtlichen Prozesses. Si e kämpft für ihre letzten politischen Ziele nicht allein in
Verfolgung der Tendenzen der ökonomischen Entwicklung oder aus
Gründen materieller Zweckmäßigkeit,. sondern um der Würde des M,enschen willen.
Kämpferisches Bewusstsein der unterdrückt,en Klassen, Wille zur
Menschlichkeit, religiöse und sittliche Verpflichtung vereinigen sich in de~
Sozial,demokratie zu einer gemeinsamen Kraft, die Welt zu v,erändern, zu
einem gemeinsamen Willen, der Idee des Menschen in der politischen und
ökonomischen Wirklichkeit des ganzen Menschengeschlechtes Gestalt zu
v,edeihen. In der Sozialdemokratischen Partei sollen alle ihre politische
Heimat finden, die von der Notwendigkeit einer sozialistischen Ges,ellschaftsordnung überzeugt sind.
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XX.
Entschließ,ung
der Kulturpolitischen Konferenz
in Ziegenhain 1947
Vorbemerkung des Herausgebers
Vom 21. bis zum 23. August 1947 erörterten auf der Kulturpolitischen Ko,nfe-
renz in Ziegenhain mehr als 80 Sozialdemokraten, unter ihnen der stellvertretende Parteivorsitzende Erich Ollenhauer, die geistigen Grundlagen des d:emokratischen Sozialismus, nachdem sich die kulturpolitischen. Tagun~en in
Bad Gandersheim, Anfang Februar dieses Jahres, mit der herrschenden KuJ:_
turkrise und der politischen Schulung und in Erlangen, im Juni 1947, mit der
Geschichte des Totalitarismus und Fragen der Erziehungsreform beschäftigt
hatten. Auf der Ziegenhainer Konferenz, zu der wiederum die von Arno Hennig geleitete Sozialistische Kulturzentrale eingeladen hatte, wurden vier einführende Referate gehalten. Willi Eichler sprach über »Die Geschi,cht~ a,fs
Lehrmeisterin«, Gerhard Weisser über »Soziologie und Politik«, Arno Hennig
über »Die naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse des letzten halb
Jahrhunderts« und Guntram Prüfer zur Frage »Wie sehen wir heute .d,en
Menschen?«. Auf der Grundlage einer Resolution des SPD-Bezirks SüdWürttemberg und der in Ziegenhain geführten Debatte formulierte die Rie:daktionskommission unter Carlo Schmid eine grundsatzprogrammatische
Entschließung, ,die von den Teilnehmern der Konferenz einstimmig gebiHigt
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Die Sozialdemokratie kämpft für die Demokratie und ihre Voraussetzung,
den Sozialismus, um des Menschen willen. Sie kämpft für die Verwirklichung der Gerechtigkeit auf allen Lebensgebieten und für die Gestaltung
des Volkslebens im Geiste der Freiheit und Gemeinschaft unter Entfaltung
aller kulturellen Kräfte des einzelnen und der Gesamtheit.
In diesem Kampfe bedient sie sich der Erkenntnisse Karl Marx' und
seiner Schüler.
Diese Erkenntnisse wurden gewonnen im Zeitalter des Historismus. Sie
beanspruchen Wahrheit auf Grund einer vermeintlichen Zwangsläufigkeit
der historischen Entwicklung, in der das Proletariat lediglich bestimmt sei,
die Ges·etze des dialektischen Geschichtsprozesses vollstreckend zu erfüllen. Diese Gesetze sollten vorwiegend solche der ökonomischen Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse sein.
Der Vedauf der Geschichte seit Karl Marx hat die Einseitigkeit einer
nur ökonomischen Betrachtung enthüllt. Die Erfahrungswissenschaften
vorn Menschen und von der menschlichen Gesellschaft haben in steter
Vertiefung die Vielseitigkeit des menschlichen Verhaltens und damit des
geschichtlichen Prozesses durchsichtig gemacht. Der Aufdeckung der ökonomischen Bedingungen menschlichen Handelns und Denkens, vornehmlkh im Zeitalter des Kapitalismus, durch Karl Marx sind umwälzende Enthüllungen der Triebkräfte der Geschichte gefolgt.
Die Sozialdemokratie muss ihre Erkenntnisse in dieser Richtung erweitern, um ihre politischen Ziele verwirklichen zu können. Di,e Ergebnisse
der marxistischen Methode sind ihr eine unverzichtbare Quelle politischer
Einsicht, si,e sind ihr jedoch nicht alleinige und absolute Grundlage aller
Erkenntnis. Sie anerkennt die geistige Freiheit des Menschen und seine
sittliche Verantwortlichkeit als. gestaltende Faktoren auch des geschichtlichen Prozesses. Sie kämpft für ihre letzt,en politischen Ziele nkht aUein in
Verfolgung. der Tendenzen der ökonomischen Ennvicklung oder aus
Gründen mat,erieller Zweckmäßigkeit, sondern um der Würde des Men-
S·chen willen .
Kämpferisches Bewusstsein der unterdrückten Klassen, Wille zur
Menschlichkeit, religiöse und sittliche Verpflichtung vereinigen sich in der
Sozialdernokrati,e zu einer gemeinsamen Kraft, die Wdt zu verändern,. zu
einem gemeinsamen Willen, der Idee des Menschen in der politischen und
ökonomischen Wirldichkeit des ganzen Menschengeschlechtes Gestalt zu
verleihen. In der Sozialdemokratischen Partei sollen alle ihre politische
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