Gesundheit! — Grüner Star

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Gesundheit | Grüner Star
Interview mit Dr. med. Aubin Balmer:
Gesundheit! — Grüner Star
Augenheilkunde — Das Glaukom, im Volksmund «grüner Star» genannt, ist eine fortschreitende Schädigung
des Sehnervs und hat eine unumkehrbare Verengung des Gesichtsfeldes zur Folge. Es sei denn, das Glaukom
wird rechtzeitig entdeckt … Bernard-Oliver Schneider (dt. Text Karin Gruber)
Das Übel schleicht
über Jahre hinweg
an – unsichtbar und
schmerzlos. Stück
um Stück verliert
das Auge, oftmals
im
Randbereich
des Gesichtsfeldes,
seine Fähigkeit, die
Umgebung wahrzunehmen, was bis zur
Erblindung führen kann. In der Schweiz
sind rund 150 000 Personen von dieser Krankheit betroffen. Zweifelsohne
handelt es sich hierbei jedoch bloss um
die Spitze des Eisbergs. Die Spezialisten
gehen davon aus, dass bloss einer von
zwei Betroffenen sich seiner Erkrankung
bewusst ist. Daher ist es wichtig, eine
möglichst umfassende Früherkennung
durchzuführen.
Frühzeitig
erkannt
kann das Glaukom nämlich medikamentös oder chirurgisch behandelt werden. Überblick mit Dr. Aubin Balmer,
Ophthalmologe in Sitten, Lehr- und
Forschungsbeauftragter an der Medizinischen Fakultät Lausanne.
Gibt es verschiedene Formen von Glaukomen?
Ja. Die weitaus häufigste Form ist das
chronische Offenwinkel-Glaukom. Wenn
man im Volksmund vom «grünen Star»
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spricht, ist meist dieses Glaukom gemeint. Das spektakulärste Glaukom ist
das glücklicherweise seltene akute Glaukom. Es zeichnet sich durch eine extreme Erhöhung des Augeninnendruckes
aus, der den normalen Druck um das
Drei- oder Vierfache übersteigt. Es führt
zu wahnsinnigen Schmerzen in den Augen und anderswo, begleitet von heftigem Brechreiz. Früher wurden daran
Erkrankte nach falscher Diagnose einer
Blinddarmoperation unterzogen.
Gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen
diesen verschiedenen Formen?
Im Grunde haben wir es mit einer Erkrankung des Sehnervs zu tun, dieses
Bündels von ungefähr einer Million
Nervenfasern, welche den hinteren Teil
des Auges, d.h. die Netzhaut, mit dem
Gehirn verbinden. Der Sehnerv kann
durch verschiedene Faktoren geschädigt
werden. Hauptgrund ist die Erhöhung
des Augeninnendruckes. Im Innern des
Auges wird vom Ziliarkörper eine Flüssigkeit produziert: das Augenkammerwasser, ein Derivat des Blutes. Dieses
Kammerwasser bewegt sich durch das
Auge, trägt dazu bei, ihm seine Form
zu geben, und transportiert Nährstoffe
für die Hornhaut und die Linse. Der Augeninnendruck ist jener Druck, der im
Augenkammerwasser herrscht. Wenn
die Menge produziertes Kammerwasser
die ausgeschiedene Menge übersteigt,
nimmt der Druck zu. Als Folge wird der
Sehnerv weniger gut mit Sauerstoff versorgt und kann vom Druck geschädigt
werden, was alles zu einer Nekrose (Absterben) der Nervenfasern führen kann.
Worin liegen die Ursachen dieser Krankheit?
Es gibt gewiss genetische Ursachen. Man
hat bereits einige Dutzend Gene identifizieren können, die mit dem Glaukom
in Zusammenhang stehen. Die genaue
Entstehung der Krankheit kennt man
hingegen noch nicht genau. Man weiss
aber, dass sie an einen verminderten
Abfluss von Augenkammerwasser gebunden ist.
Gibt es Risikofaktoren bzw. eine Veranlagung?
Bestimmt, z.B. Blutarmut, Schlafapnoe
(Atemstillstände während des Schlafs),
behandelter Bluthochdruck sowie Tabakkonsum, die alle die Sauerstoffzufuhr
im Blut reduzieren und damit auch die
Sauerstoffversorgung der Netzhaut und
des Sehnervs verringern. Einen grossen
Risikofaktor stellt erhöhter Augeninnendruck dar. Zu nennen sind auch Diabetes,
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ein Glaukom-Fall in der Familie, Kurzsichtigkeit und zu guter Letzt das Alter.
Gibt es Vorzeichen der Krankheit, z.B.
Sehstörungen?
Leider entwickelt sich das Glaukom
meist unbemerkt. Es kann also lange
Zeit vorhanden sein, ohne dass die Sicht
klar beeinträchtigt ist.
Befällt grüner Star beide Augen?
Oft. Glücklicherweise verläuft das Fortschreiten der Krankheit aber nicht immer synchron. Dies ermöglicht, die
völlige Erblindung im Falle einer späten
Diagnose zu verhindern.
Wie wird grüner Star behandelt?
In erster Linie gibt es medikamentöse
Behandlungen, die helfen, den Augeninnendruck zu reduzieren. Meist wird
das Medikament in Form von Tropfen
verabreicht. Leider haben zahlreiche
Patienten Mühe, ihre Behandlung einzuhalten. Daher muss man nach einigen Jahren zum nächsten Stadium
schreiten: zur Chirurgie. Dabei kann
ein Eingriff per Laser vorgenommen
werden, was voraussichtlich zu guten
Ergebnissen führt. Darüber hinaus gibt
es die klassische Mikrochirurgie. Einer
der möglichen Eingriffe besteht darin,
eine Art Mikroventil zu implantieren,
welches das Abfliessen von überflüssigem Augenkammerwasser ermöglicht.
Klassisch oder mit Laser werden diese
Operationen normalerweise ambulant
und ohne Vollnarkose durchgeführt.
Kann man Glaukomen vorbeugen?
Ja, auf erschreckend einfache Weise:
sich im Alter von ungefähr 40 Jahren
von einem Augenarzt untersuchen lassen bzw. noch jünger, wenn ein Risikofaktor wie Diabetes vorliegt. Diese
Kontrolle ist weder unangenehm noch
gefährlich. Der Arzt wird den Augeninnendruck messen und den allgemeinen
Gesundheitszustand der Netzhaut und
des Sehnervkopfes sowie den iridocornealen Winkel und das Gesichtsfeld
überprüfen.
Termin zu bekommen. Bleibt die Früherkennung, die Sie empfehlen, daher
nicht rein theoretisch?
Es ist wahr, dass es im Wallis nur wenige Ophthalmologen gibt und dass diese
keine neuen Patienten annehmen können. Die Früherkennung eines Glaukoms sollte aber genügend wichtig sein,
dass man sich dazu auch bis nach Lausanne oder Genf begeben kann.
Gibt es eine andere Möglichkeit, dem
grünen Star vorzubeugen?
Ich würde Ihnen gerne sagen, dass der
Verzehr von Karotten und Broccoli dabei hilft. Allerdings hat dies noch keine Studie bewiesen. Daher muss man
sich damit begnügen, dass ein gesunder
Lebensstil bei der Verminderung des
Risikos hilft: damit hätte man weniger
Cholesterin, weniger Bluthochdruck,
weniger Diabetes, weniger Schlafapnoe
usw. Ich habe kürzlich von einer Studie
erfahren, die zeigt, dass ein Erwachsener, der täglich 5 km läuft, das Risiko einer Makuladegeneration (Funktionsverlust des Punktes des schärfsten Sehens),
die an das Alter gebunden ist, um 40%
verringert. Gesund leben hat also auch
Auswirkungen auf unsere Augen …
In Zahlen
150 000 Kranke in der Schweiz
6000 im Wallis
Rund 3% der gesamten Bevölkerung
sind von grünem Star betroffen.
Man schätzt, dass heute rund 70 Millionen Menschen auf der Welt eine
glaukomatöse Schädigung haben. Bloss
die Hälfte davon ist sich dessen bewusst
(so auch in der Schweiz) und einzig eine
Minderheit kommt in den Genuss einer
passenden Behandlung. Sieben Mil-
lionen Patienten mit grünem Star sind
von Erblindung auf beiden Augen betroffen und diese Zahl nimmt stetig zu.
Die Zahl der Fälle verzehnfacht sich im
Alter zwischen 40 und 80 Jahren. Mit
65 kommen Glaukome bereits dreimal
häufiger vor als mit 40.
Welt-Glaukomtag
Im Zusammenhang mit dem WeltGlaukomtag vom 12. März 2009 führt
die Glaukomgruppe der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft dieses Jahr eine Informations- und Screeningkampagne durch.
Menschen ab 40 sollen für den grünen
Star sensibilisiert werden. Wer möchte, kann sich im gesamten Monat
März bei einem teilnehmenden Ophthalmologen kostenlos untersuchen
lassen. Eine in Apotheken, Praxen und
Kliniken aufliegende Broschüre wird
leicht verständlich über die Krankheit
informieren.
Nützliche Adresse
Schweizerische Gesellschaft für
Ophthalmologie
www.sog-sso.ch
Realisiert durch die Partner:
Departement für Gesundheit,
Sozialwesen und Energie
Dienststelle für Gesundheitswesen
In welchem Abstand sollte man sich erneut untersuchen lassen?
Wenn kein Risikofaktor vorliegt, alle
vier bis fünf Jahre. Ansonsten alle zwei
Jahre. Wenn man krank ist, natürlich
häufiger.
Eine heikle Frage, Herr Dr. Balmer: Es
ist nahezu unmöglich, bei Ihnen oder
einem Ihrer Kollegen im Wallis einen
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