Soziale Netzwerke

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Soziale Netzwerke
Markus de Brün & Thomas Klapdor
17.04.04
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
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2 Geschichte der Netzwerkanalyse
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3 Was ist soziales Kapital ?
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4 Womit befasst sich die Analyse sozialer Netzwerke ?
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5 Was bedeuten Zentralität, Prestige, Macht ?
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6 Wie werden Netzwerkdaten erhoben ?
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Quellenverzeichnis
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Einleitung
Soziale Netzwerke können zum Beispiel Freundschaften, Ratsuchung oder
die Teilnahme an Ereignissen sein. Man kann sie als Graphen darstellen.
Ziel der Analyse sozialer Netzwerke ist es, herauszufinden, wie sich die Einbettung eines Akteurs auf sein Handeln, bzw. das Handeln des Kollektivs,
in das er eingebunden ist, auswirkt.
Der erste Abschnitt stellt kurz die geschichtliche Entwicklung der Netzwerkanalyse dar.
Ein Kernbegriff der Netzwerkanalyse ist das soziale Kapital. Auf dieses wird
im 3.Kapitel eingegangen. Das 4.Kapitel geht auf die Analyse sozialer Netzwerke ein.
Im Anschluss daran werden im 5.Kapitel die schon im 4.Kapitel verwendeten Begriffe Zentralität, Prestige und Macht erläutert.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie Netzwerkdaten erhoben werden.
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Geschichte der Netzwerkanalyse
Die Geschichte der Sozialen Netzwerke lässt sich ganz gut erklären, wenn
man sich anschaut, wodurch Forscher motiviert wurden, Netzwerkanalyse
zu betreiben. Das netzwerkanalytische Denken begann um die Jahrhundertwende und wurde von Georg Simmel eingeleitet. Er war einer der Vorläufer
die sich näher mit dem Thema beschaftigten. Für ihn waren z.B. die Beziehungen in kleineren Gruppen wie Dyaden und Triaden interessant. Er setze
eben die Wechselwirkungen in den Vordergrund, und so sollte sich die Soziologie vor allem mit der Beziehung zwischen Individuen befassen. Simmel
betrachtete zudem auch die Bedeutung der Größe einer zu untersuchenden
Gruppe. Wie wirkt sich die Größe auf den Zusammenhalt eines Kollektivs
aus, welche Rolle spielt die Größe bei Fragen der Unter- und Überordnung.
Dieser erste formale Ansatz von Simmel wurde dann nach dem zweiten Weltkrieg von anderen Forschern wieder aufgefasst. Es dauerte aber noch einige
Jahre bis man wirklich von der Netzwerkanalyse, wie wir sie heute kennen,
sprechen konnte. Scott datiert die Entstehung der Netzwerkanalyse mit dem
Durchbruch der Harvard-Strukturalisten, aus ihr eine algebraische Analyse
von Rollen- und Positionsstrukturen gemacht zu haben. Dieser Durchbruch
wurde durch vielfältige Entwicklungen in der Psychologie, in der Sozialpsychologie, aus der strukturellen Antropologie nach vorne getrieben. Ihre
Konzepte und Methoden wurden z.B. auf Kleingruppen angewendet. Kommen wir nun auf die einzelnen Entwicklungslinien zu sprechen. Die sozialpsychologische Entwicklungslinie findet ihre Motivation mit dem BLick aufs
das Ganze, auf die Gestalt, die erst den einzelnen Elementen ihre Bedeutung
zuweist. So fand Wolfgang Köhler z.B. heraus, das Menschen und Affen Auf-
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gaben oder Probleme als gesamte Gestalt erfassen und auch unabhängig von
Verstärkungen lernen können. Aus verschiedenen Aspekten von Beziehungen
zwischen Elementen und Individuen resultierte dann das erste Soziogramm,
entwickelt von Jacob Moreno. Er nannte seine Methode Soziometrie, die
Messung von sozialen Beziehungen. Die Soziogramme waren allerdings nur
für kleinere Gruppen praktikabel. Sie sollten daher eher als Darstellung von
Strukturen dienen, als der Analyse dienen. Ein weiteres Interesse galt der
Frage, wie Personen ihre Einstellungen zu anderen Personen und Dingen
in eine kognitive Balance bringen. Hier wurden die positiven und negativen Beziehungen untersucht. Hier lag die Motivation herauszufinden, welche
Anordnung von positven und negativen Beziehungen zu einer kognitiven Balance führen, welche eben nicht. Ist dies nicht der Fall führt das zu kognitiven
Stress zwischen den Personen. Ein weiterer wesentlicher Durchbruch volzog
sich durch die Anwendung der mathematischen Graphentheorie auf das Balancesystem. Die Abbildung von Netzwerkstrukturen in Graphem und die
Analyse mit graphentheoretischen Modellen gehört heute zum Standardrepertoire der Netzwerkanalyse. Ein weiterer Schritt war die Analyse, wie sich
Informationen und Krankheiten in einem großen Netzwerk ausbreiten. Bei
den hier vorhanden großen Netzwerken, merkte man, das die traditionelle
Methode des Soziogramms sich als untauglich erwies. Es mussten neue statistische Methoden entwickelt werden. Hieraus entwickelten sich dann auch
die Begriffe ’weak ties’ und ’strong ties’. Nach der britischen Sozialanthropologie, Bestandteil der anthropologischen Entwicklungslinie galt es weniger den Prozessen in Kleingruppen als sich vielmehr dem Funktionieren von
größeren Einheiten wie Gemeinden, Organisationen, Dörfern oder Gesamtgesellschaften zu widmen. Hier spielt die Konfiguration von Beziehungen, die
aus Konflikten und Machtsuche resultieren eine Rolle. Es ging weniger um
Normen und Werte. Den Forschern lag es sehr an den persönlichen, direktten
Kontakten der einzelnen Individuen. Der Österreicher Siegfried Nadel sah
seine Motivation darin, die Bedeutung der Form einer sozialen Beziehung zu
erforschen. Für ihn war ein Netzwerk nicht einfach nur ein Schaubild von
Beziehungen, sondern er erkannte das Beziehungen miteinander verkettet
sind, und das dies bei den Individuen Auswirkung auf ihr Handeln hat. In
der amerikanische Gemeinde- und Industriesoziolgie entwickelten sich Forschungen, die sich mit den Netzwerken in Firmen, Städten, und Familien beschäftigten. Hier wurden Begriffe wie Gruppenorganisation, Leistungsniveau
einer Gruppe und auch der Begriff der Clique untersucht. Den Durchbruch
zur Netzwerkanalyse stellt die formalisierte Blockmodellanalyse dar. Hier
konnten nun endlich die Vorteile von Rechnersystemen genutzt werden, mit
denen man auch die Daten von großen Netzwerken analysieren und vor allem verarbeiten konnte. Es wurden z.B. graphentheoretische Modelle auf die
Analyse von Verwandschaftssysteme angewandt, und diese wurde zusätzlich
noch um algebraische Modelle der Gruppentheorie (Matrixalgebra) ergänzt.
In der heutigen Zeit wird die Netzwerkanalyse in den Gebieten Politik, Wirt3
schaft, Unternehmensführung, Gesellschaften, u.a. eingesetzt. Hier sind vor
allem die Kanadier und US-Amerikaner Vorreiter, bei denen es mittlerweile
auch institutionelle Einrichtungen gibt.
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Was ist soziales Kapital ?
Soziales Kapital ist ein Aspekt der Sozialstruktur, der individuellen oder
korporativen Akteuren einen breiteren Handlungsspielraum eröffnet. Es besitzt eine positive Konnotation und fehlendes oder negatives soziales Kapital
entspricht somit strukturellen Zwängen und Barrieren, die den Handlungsspielraum für Individuen oder Kollektive einschränken.
Die durch soziales Kapital vermittelten materiellen und immateriellen Ressourcen sind selbst wieder andere Kapitalien wie ökonomisches Kapital, Humankapital, Imformation, Macht oder gesellschaftliche und gruppenbezogene Werte wie Solidarität und Vertrauen. Es lassen sich sechs wesentliche
Ressourcen und Werte unterscheiden, die soziales Kapital vermitteln kann :
1. Familien- und Gruppensolidarität
Die Basis dieses Kapitals bilden die starken, engen und häufigen Beziehungen in kohäsiven, abgegrenzten Gruppen, die sogenannten strong
ties. Sie sind der Grund für den Zusammenhalt einer Gruppe und das
Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Aber sie haben auch Nachteile. Zum einen für das einzelne Individuum, das sich an die Normen
und Regeln der Gruppe halten muss, aber auch für die Gruppe als
solche, da sie durch die starke Aussenabgrenzung Modernisierungsprozesse verpassen. Desweiteren bergen sie die Gefahr der Polarisierung
verfeindeter Gruppen.
2. Vertrauen in die Geltung von Normen
Vertrauen in das rechtstreue Verhalten eines Kooperationspartners ermöglicht beispielsweise produktive und lukrative Kooperationen, die
man sonst aus Unsicherheit unterlassen hätte. So entsteht Verhaltenssicherheit im Umgang mit fremden Akteuren oder Gruppen.
3. Information
Informationskanäle sind eine weitere Art von Sozialkapital. Wer Zugang zu Informationen aus verschiedenen Quellen hat, dem eröffnen
sich günstige Gelegenheiten, zum Beispiel auf der Suche nach einem
neuen Arbeitsplatz.
4. Macht durch strukturelle Autonomie
Ein Akteur, der strukturelle Löcher, das sind fehlende Verbindungen in
der Sozialstrukur, überbrücken kann, besitzt strukturelle Autonomie.
Ein solcher sogenannter cutpoint kann als Makler zwischen zwei untereinander nicht verbundenen Gruppen Gewinne erzielen. Auch kann er
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untereinander nicht koordinationsfähige Akteure gegeneinander ausspielen. Allerdings kann sich das Ausbeuten struktureller Löcher auch
als nachteilig erweisen, da solche Akteure nur geringe Bindungen zu
den beteiligten Gruppen aufweisen und diese Gruppen ihn deswegen
ausschliessen oder sogar gegen ihn arbeiten könnten.
5. Selbstorganisationsfähigkeit von Kollektiven
Die Koordinationsfähigkeit einer Gruppe ist wichtig, um Ausbeutungsstrategieen eines Dritten zu begegnen. Es gibt Wettbewerb in Netzwerken aber nicht nur in der Form des gegeneinander Ausspielens, sondern
auch im Sinne des Mehr-Habens und Mehr-Seins. So wirkt sich zum
Beispiel der Besitz knapper und hochbewerteter Ressourcen auf das
Prestige aus. Netzwerkpositionen mit hohem Prestige und hoher Zentralität sind Ziele von Angeboten anderer Akteure.
6. Macht durch sozialen Einfluss
Macht kann man nicht nur durch strukturelle Autonomie erreichen.
So ist es für Jung-Manager im Gegensatz zu etablierten Managern
zum Beispiel sinnvoller, wenn sie starke Beziehungen zu einflussreichen
Personen in ihrem Unternehmen haben. Für einen beruflichen Aufstieg
brauchen sie sozialen Einfluss und keine strukturelle Autonomie.
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Womit befasst sich die Analyse sozialer Netzwerke ?
Die Netzwerkanalyse arbeitet auf drei verschiedenen Analyseebenen :
Dem einzelnen Akteur, der Teilgruppe und dem Gesamtnetzwerk.
Bei einzelnen Akteuren geht es um die Frage, wie zentral er ist, welches
Prestige er besitzt und welche Macht, bzw. welche strukturelle Autonomie
er genießt. Das 5.Kapitel widmet sich der Bedeutung sowie Verfahren und
Maßzahlen zu diesen Begriffen.
Sollen Teilgruppen betrachtet werden, so stellt sich zunächst die Frage, wie
man Gruppen in Netzwerken finden kann. Das Auffinden von Cliquen spielt
hierbei eine besondere Rolle. Hierzu dienen verschiedene Verfahren der Cliquenanalyse. Aber auch die Suche nach strukturell äquivalenten Positionen
mittels der Blockmodellanalyse, die strukturell ähnliche Akteure zusammengruppiert, ist ein wichtiger Teilbereich.
Untersucht werden auf den einzelnen Ebenen unterschiedliche Merkmale.
Bei den Individuen unterscheidet man zwische vier Merkmalstypen :
• Absolute Merkmale sind unabhängig von den Beziehungen des Akteurs
und somit in verschiedenen Kontexten konstant. Zu ihnen zählen z.B.
Alter und Geschlecht.
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• Relationale Merkmale kennzeichnen die Beziehung eines Elementes zu
einem anderen Element. Sie sind das wesentliche Erhebungsmerkmal
der Netzwerkanalyse und die Grundlage für Merkmale komplexerer
Art. Relationale Merkmale sind kontextabhängig.
• Komparative Merkmale beruhen auf einem Vergleich der Merkmalsausprägung der Elementes mit einem analogen Merkmal der Kollektivs. Hiermit wird also die Stellung des Individuums im Kollektiv untersucht.
• Kontextuelle Merkmale beruhen darauf, dass man ein Element dadurch
beschreibt, welche Eigenschaft das Kollektiv aufweist. Sie sind also im
Gegensatz zu komparativen Merkmalen für alle Individuen desselben
Kontextes gleich.
Bei Kollektiven unterscheidet man drei Merkmalstypen.
• Analytische Merkmale lassen sich aus den absoluten Merkmalen der
Induviduen berechnen. Beispiele sind Mittel- und Anteilswerte oder
Streuungs- und Konzentrationsmaße.
• Strukturelle Merkmale errechnen sich aus den relationalen Eigenschaften der Kollektivmitglieder. Sie sind das eigentliche Ziel der Netzwerkanalyse. Zum Beispiel kann man Cliquen oder Positionsstrukturen aus
den relationalen Daten herausfiltern.
• Globale Merkmale lassen sich nicht auf die Merkmale der Mitglieder
zurückführen. Beispiele sind Gebietsgrössen oder historisch bedingte
Eigenschaften.
Die kleinsten Kollektive sind die Dyaden. Sie bestehen nur aus zwei Elementen und der Beziehung zwischen ihnen. Untersucht werden kann hier,
ob eine Beziehung symmetrisch oder asymmetrisch ist und ob verschiedene Beziehungen unterschiedlich gewichtet werden. Die Triaden bestehen aus
drei Elementen und ihren Beziehungen zueinander. Sie werden häufig in der
Analyse von Kleingruppen in Hinblick auf Freundschaftswahlen oder Kooperation bei der Arbeit betrachtet.
Cliquen spielen eine zentrale Rolle in der Netzwerkanalyse. In ihnen besteht die Tendenz zum Ausgleich und zur Kompromissbildung. Um kohäsive
Teilgruppen in Netzwerken zu finden, bedient man sich den Verfahren der
Cliquenanalyse. Die Gruppenkohäsion kann auf unterschiedliche Arten definiert werden :
1. Gegenseitige, direkte Beziehungen
2. Nähe und Erreichbarkeit der Cliquenmitglieder
3. Häufigkeit der direkten Beziehungen
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4. Höhere Beziehungsdichte innerhalb der Clique im Vergleich zu ihrem
Umfeld
Vollständig verbundene Teilgruppen sind aber eher die Ausnahme, weswegen das Konzept der Clique zur n-Clique abgeschwächt wurde. Hierbei wird
gefordert, dass jedes Cliquenmitglied jedes andere über n Schritte erreichen
kann. Es kann jedoch der absurde Fall auftreten, dass n-Clique intern völlig
unverbunden ist, wenn alle Pfade zwischen den Akteuren über nicht Cliquenmitglieder laufen.
Dieses Problem wird in der soziometrischen n-Clique dadurch vermieden, indem zusätzlich gefordert wird, dass der Durchmesser der Clique nicht grösser
als n sein darf. Das impliziert, dass die Verbindungen zwischen Cliquenmitgliedern über andere Cliquenmitglieder laufen.
Eine weitere Gruppe von Cliquenkonzepten hält an der Forderung direkter
Beziehungen fest, fordert jedoch nur, dass ein Teil der Cliquenmitglieder direkte Beziehungen zueinander unterhalten muss. Zu diesem Konzept zählen
k-Plexe und k-Cores. Ein k-Plex ist ein maximaler Teilgraph mit n Akteuren, in denen jeder Akteur mit mindestens (n-k) Akteuren verbunden ist. In
einem k-Core kann ein Akteur mindestens k Akteure direkt erreichen. Das
Problem von n-Cliquen und k-Plexen, bzw. k-Cores ist, dass sie nur relativ kleine Gruppen auffinden, die sich häufig gegenseitig überlappen, da das
vierte Kriterium nicht überprüft wird.
Die Konzepte der sozialen Kreise, der k-zyklischen Blöcke und der F-Blöcke
zielen auf das vierte Kriterium, die Aussenabgrenzung, ab. Sie ermöglichen
das Auffinden von grösseren und teilweise disjunkten Cliquengebilden.
Im Gegensatz zu den Verfahren der Cliquenanalyse werden bei der Blockmodellanalyse mehrere Relationen betrachtet. Das Ziel ist, strukturell äquivalente Positionen in Sozialstrukturen zu finden. Dahinter steht der Gedanke,
dass strukturell ähnliche Akteure redundante Lieferanten von Informationen
sind. Bei der Blockmodellanalyse werden Akteure, die ähnliche eingehende
und ausgehende Beziehungsmuster haben, zusammengefasst.
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Was bedeuten Zentralität, Prestige, Macht ?
Zentralität
Ein Akteur ist zentral, wenn er an vielen Beziehungen im Netzwerk beteiligt
ist. Solche prominenten Akteure haben Zugang zu Kontrollmöglichkeiten
und Informationen. Zur Messung von Zentralität stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung :
Zum einen die degree-basierende Zentralität. Hier geht man davon aus, dass
die Akteure prominent sind, die viele direkte Beziehugen haben. Die zweite Möglichkeit ist das nähebasierende Zentralitätsmass. Es ergibt sich als
Kehrwert der Summe aller kürzesten Pfaddistanzen zu den anderen Ak7
teuren. Eine dritte Möglichkeit ist die betweenness-basierende Zentralität.
Hierbei wird geprüft, ob der Akteur häufig auf den kürzesten Verbindungen aller Akteurpaare liegt. Diese Masszahlen sind abhängig von der Grösse
des Netzwerkes. Sie werden normiert, indem sie auf die Grösse des maximal
möglichen Wertes bezogen werden.
Unter Zentralisierung von Netzwerken versteht man ein Mass, das (1) anzeigt, in welchem Masse der zentralste Akteur die Zentralität der restlichen
Akteure überschreitet und (2) auf den maximal möglichen Wert bezogen ist.
Die Zentralisierung lässt sich für alle vorgestellten Zentralitätsmaße berechnen. Sie gilt als Maß für die Problemlösungsfähigkeit einer Gruppe. Diese
ist um so grösser, je herausragender ein Akteur ist.
Prestige
Ein Akteur besitzt viel Prestige, wenn er von vielen Akteuren direkt oder
indirekt gewählt wird. Mit dem Prestigekonzept wird erfasst, wie stark Akteure Kontrolle über knappe Güter ausüben und inwiefern sie Autorität und
Achtung im Netzwerk besitzen. Auch hier stehen verschiedene Messverfahren zur Verfügung :
Das einfachste Maß ist die Summe der Indegree eines Akteurs. Das proximityPrestige hingegen betrachtet, wie die nähebasierende Zentralität auch, die
indirekten Beziehungen. Es betrachtet die Erreichbarkeit der anderen Akteure sowie die durchschnittliche Länge des dabei zurückgelegten Pfades. Die
Varianz des Proximity-Prestige um seinen Mittelwert kann als Maßzahl zur
Messung der Netzwerkhierarchisierung verwendet werden. Auch beim Rangprestige werden indirekte Beziehungen berücksichtigt. Allerdings kommt hier
noch eine Gewichtung hinzu. Jeder wählende Akteur trägt um so mehr zum
Prestige der Gewählten bei, je mehr Prestige er selbst besitzt.
Macht
Macht wird in der soziologischen Analyse zur Erklärung sozialer Ungleichheit herangezogen. Ein Akteur, der Macht hat, kann seine Interessen durchsetzen, oder andere Akteure dazu bewegen, in seinem Interesse zu handeln,
auch wenn diese das nicht wollen.
Unterschieden wird zwischen legitimer Macht, die ein Akteur hat, wenn er
in ein Informations- und Kommunikationsnetz positiv eingebunden ist und
struktureller Autonomie, die ein Akteur in negativ verbundenen Netzwerken
durch Verfügung über knappe Ressourcen erlangt.
In positiv verbundenen Einflussnetzwerken sind die Zahl der Aussenbeziehungen, aber auch Zentralität und Prestige, Indikatoren für Macht. Dagegen
wird in den negativ verbundenen Tauschnetzwerken das Fehlen von strukturellen Zwängen und die Ausbeutbarkeit struktureller Löcher zur Erklärung von Macht herangezogen. In Tauschnetzwerken ist es für einen Akteur
schlecht, wenn die mit ihm verbundenen Akteure über viele Kontakte ver-
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fügen, da dieser dann viele Alternativen zu ihm hat, also wählen kann.
Soziales Kapital in Form von struktureller Autonomie erschliesst sich einem
Akteur in einer Position, in der er als Brücke verschiedene Clustern enger
Beziehungen miteinander verbindet. Er überbrückt damit ein strukturelles
Loch. In dieser Position erhält er verschiedene Informationen. Ausserdem
bieten sich ihm, da er sich in der Position des lachenden Dritten“ befin”
det, unternehmerische Handlungsmöglichkeiten. So kann er zum Beispiel als
Kunde von zwei verschiedenen Händlern mit dem günstigen Angebot des
einen Händlers den anderen Händler zu einer Preissenkung bewegen.
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Wie werden Netzwerkdaten erhoben ?
Um an die Netzwerkdaten, die man haben möchte, zu gelangen, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Man kann kleinere Akteurgruppen
beispielsweise beobachten. Die Methode der Beobachtung lässt sich auch bei
nichtmenschlichen Akteuren, wie z.B. Affen, anwenden.
Eine weitere Quelle bieten statistische Datensammlungen wie Mitgliederverzeichnisse. So können beispielsweise Austauschbeziehungen zwischen Branchen aus Daten der Wirtschaftsstatistik abgeleitet werden.
Das wichtigste Erhebungsverfahren in der Soziologie ist jedoch die Befragung. Befragt werden zwar einzelne Akteure, der Untersuchungsgegenstand
hingegen sind auch ihre Beziehungen.
Ein wichtiges Instrument ist die Erhebung und Analyse Ego-zentrierter Netzwerke. Hierbei wird eine Person (Ego) im Interview dazu aufgefordert, Personen zu nennen (die Alteri), zu denen sie soziale Kontakte unterhält. Die
abgefragten Beziehungstypen bilden den Namensgenerator.
Anschliessend werden von Ego noch weitere Informationen zu den Alteri erfragt, also z.B. Alter und Geschlecht und insbesondere die Beziehungen der
Alteri zueinander. Dieses geschieht über den Namensinterpreter.
Da die Daten nur über einzelne Akteure erhoben werden, lassen sich Positionen und Rollenverteilungen nicht analysieren. Hierdurch ergeben sich auch
Gültigkeitsprobleme, da Ego die Beziehungen der Alteri nicht zwingend korrekt einschätzt.
Die Methode der Befragung ist stark von der Fähigkeit und Bereitschaft der
Befragten abhängig, die Fragen vollständig und korrekt zu beantworten.
Grundsätzlich besteht aber zunächst das Problem der Abgrenzung. Eine Totalerhebung ist nur für kleine Netzwerke praktikabel und deswegen muss
häufig eine Auswahl getroffen werden. Es muss dabei sichergestellt sein, dass
die zu untersuchende Struktur auch erfasst ist und nicht wesentliche Teile
vergessen wurden. Grundsätzlich sollte eher eine zu großzügige als eine zu
knappe Abgrenzung vorgenommen werden, da sich nicht relevante Akteure
auch später erkennen lassen, eine zu knappe Abgrenzung dagegen zu einem
verfälschten Bild der Struktur führen könnte.
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Mögliche Kriterien für die Abgrenzung sind zum Beispiel :
• Vereins- oder Gruppengrenzen (z.B.: nur Mitglieder)
• geographische Grenzen (Menschen im Bahnhof)
• die Teilnahme an einem bestimmten Ereigniss (Bundestagswahl)
• Eigenschaften der Akteure (Informatik-Studenten)
Bei der nomalistischen Methode der Abgrenzung legt der Forscher fest, wer
zum Netzwerk gehört, wohingegen bei der realistischen Methode die Akteure
zum Netzwerk gehören, die als dazugehörig betrachtet werden. Das lässt sich
zum Beispiel an Einladungslisten festmachen oder auch an der Meinung von
Akteuren, die definitiv zum Netzwerk gehören.
Es stellt sich auch die Frage, für welche Relationen das Netzwerk erhoben
wird und welche Form die Relationen haben. Sie können symmetrisch oder
asymmetrisch erhoben werden. Auch die Skalierung der Relationsintensität
muss vorher festgelegt werden. Ein Beziehungstyp kann binär (vorhanden
oder nicht) aber auch ordinär oder metrisch erhoben werden. Ein typisches
Beispiel wäre, wenn man die Akteure bittet, ihre vier engsten Freunde in
ihrer Reihenfolge anzugeben. Metrische Skalierungen sind möglich, wenn
man den Zeit- oder Ressourcenaufwand einer Beziehung erfassen kann (z.B.
Geldtransfer).
Die Erhebung von Netzwerkdaten ist eine aufwendige und kostspielige Angelegenheit. In der konventionellen Sozialforschung sind Stichproben ein leitungsfähiges Instrument, das beispielsweise in der Wahlforschung Anwendung findet. Im Allgemeinen ist eine zufällige Auswahl der Elemente aber
nicht für relationale Eigenschaften repräsentativ. Die geschätzte Dichte eines
Netzwerkes ist stark von der Wahl der Akteure abhängig. Die Stichprobentheorie für Netzwerkdaten ist noch in den Anfängen. Bisher kann man nur
für wenige Parameter von Stichproben auf das Gesamtnetzwerk schliessen.
Quellenverzeichnis
Dorothea Jansen - Einführung in die Netzwerkanalyse 2.Auflage
http://www.spiegel.de/
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