Biomechanik - Heimatseite von Peter Kämpf

Werbung
Biomechanik:
Was hält ein Mensch aus?
Peter Kämpf 2009
Physik
Newton: Kraft ist Masse × Beschleunigung,
also: F = m × a.
Im Erdschwerefeld wirkt die Schwerkraft auf jede
Masse: G = m × g.
Eine Kraft verrichtet Arbeit, wenn sie längs eines
Weges wirkt. Dabei ändert sich dessen Energie,
also: E = m × g × h.
Diese Lage-Energie wächst linear mit der Höhe.
Physik
Arbeit wird geleistet, wenn eine Kraft längs eines
Weges wirkt: A = F × s.
Ändert sich eine Größe längs dieses Weges, kann
die Arbeit durch Integration berechnet werden,
also: A = s=0∫s=1F(s) ds = m × s=0∫s=1a(s) ds.
Wird Arbeit an einem Körper verrichtet, ändert
sich dessen Energie: E = m × (½v12 - ½v02).
Diese Bewegungsenergie wächst mit dem Quadrat
der Geschwindigkeit!
Physik
Energie wird weder erzeugt noch vernichtet,
sondern nur umgewandelt.
Soll einem Körper Energie zu- oder abgeführt
werden, muß eine Kraft auf ihn wirken.
Diese Kraft muß umso größer sein, je weniger Zeit
sie hat, um auf den Körper einzuwirken, oder je
kürzer die Strecke ist, entlang der sie wirkt.
Diese Strecke wird oft Knautschzone genannt.
Ideale Knautschzonen
Spazierengehen (1,5 m/s): Ein Mensch (80kg ; 90W)
wird mit 1 g (785 N) gestoppt. Dies braucht 11,5 cm.
Laufen (8 m/s): 2560 W! Dies braucht schon 3,26 m.
Rennrad, bergab (15 m/s): 9 kW, braucht 11,5 m.
Autounfall (30 m/s): Viermal so lang = 46 m!
Freier Fall (60 m/s): Sechzehn mal so lang = 184 m!
Flugzeug fliegt gegen Berg (200 m/s): 2,04 km.
Astronaut trifft Satellit (16.000 m/s): 13045 km.
1g reicht also nicht!
Wenn weniger Weg zum Verzögern zur Verfügung
steht, muß die Beschleunigung höher ausfallen!
Nach wie vor nehmen wir ideale Bedingungen an:
Die Kraft wirkt konstant über die Strecke.
Die Einleitung der Kraft in den Körper ist gut
über dessen Oberfläche verteilt.
Also nochmal!
Reale Knautschzonen
Spazierengehen (1,5 m/s): Für 10 cm Knautschzone
reichen 11,3 m/s2 Verzögerung oder 1,15g.
Laufen (8 m/s): 10 cm bedeuten schon 320 m/s2.
Rennrad, bergab (15 m/s): Misthaufen (1m): 112 m/s2
Autounfall (30 m/s): Viermal so viel = 450 m/s2!
Freier Fall (60 m/s): Faktor 16, also 1800 m/s2!
Flugzeug fliegt gegen Berg (200 m/s): Wenn man
hinten sitzt, hätte man 40m Rumpf vor sich. Im
Idealfall müßte man nur 500m/s2 = 51g aushalten!
Kraftverlauf
Bisher wurde ein konstanter Verlauf entlang der
Knautschzone angenommen (Rechteck)
Realistisch ist ein Anstieg und/oder ein Abfallen zu
erwarten (Rampe, Dreieck)
Empirische Daten zeigen, daß die Richtung, die
Dauer und die Anstiegsrate der Kraft wesentlichen
Einfluß auf die physiologischen Folgen einer
Krafteinwirkung haben.
Eine erste systematische Auswertung wurde von
Eiband 1958 erstellt.
zum Versuchsablauf
Die Versuchsperson (meist
Dr. John Stapp) wurde auf
einen Sitz geschnallt.
Rumpf und alle Gliedmaßen
wurden mit tw. mehreren
Gurten festgebunden.
Der auf einem Raketen–
schlitten montierte Sitz
wurde erst beschleunigt,
dann abrupt gebremst.
Eiband-Kurve
Ergebnisse
Bis 0,1 Sek. Dauer sind hohe
Beschleunigungen ohne
Beeinträchtigung möglich:
Sitzend, in Bewegungs–
richtung bis 45 g
Nach oben 20 bis 25 g
Nach unten bis 15 g
Seitlich bis 40 g
Ergebnisse
Bei längerer Einwirkung
geht die tolerierte
Beschleunigung zurück.
Verschiedene Körperteile
haben verschiedene
Belastungsgrenzen
Wenn der Gurt nicht ordentlich sitzt, kann es zu
erheblichen Verletzungen
kommen.
Sekundärer Aufprall
Wenn Oberkörper, Arme
oder Beine nicht angeschnallt sind, werden sie
beim Aufprall herumgeschleudert.
Dabei können sie heftige
Verletzungen erleiden.
Mitunter wird der Aufprall
selbst überlebt, aber die
sekundären Verletzungen
sind tödlich!
Knautschzone
Es kommt nicht
auf die Geschwindigkeit
an, sondern die
Strecke, die zu
deren Abau zur
Verfügung
steht.
Beispiel: Das US-Militär stellte fest, daß der Pilot der J-3
meist bei einem Unfall umkam, der hinter ihm sitzende
Passagier dagegen mit geringen Verletzungen überlebte.
Freier Fall
Bislang waren die Opfer gut angeschnallt und die
Beschleunigung entsprechend orientiert.
Was passiert, wenn jemand ohne Rückhaltesystem
abrupt verzögert wird?
Die zunehmenden Geschwindigkeiten bei Auto und
Flugzeug regten die ersten Studien vor 80 Jahren
an (De Haven, 1942).
Bis heute sind wissenschaftliche Studien schwierig;
man behilft sich mit der Auswertung von Unfällen.
Maximale Sturzhöhen
Bei günstigen Umständen sind kurzzeitige Extrembeschleunigungen über 100g bis 200g überlebbar.
Fallhöhen von bis zu 30 m wurden ohne ernste
Verletzungen überstanden. Wichtig ist dabei der
Aufprall auf eine gleichförmige Fläche.
Bei größeren Höhen konnten einige Opfer zwar aus
eigener Kraft aufstehen, starben aber kurz darauf
an inneren Blutungen oder dem erlittenen Schock.
Knochenbrüche und Verletzungen der Organe wur–
den durch harte Objekte beim Aufprall verursacht.
Stürze aus Flugzeugen
Beim Fall beschleunigt der Körper zunächst mit der
Erdbeschleunigung v = √2gh.
Mit zunehmender Geschwindigkeit kommt die
Bremswirkung des Luftwiderstands dazu.
Abhängig von der Lage des Körpers und der Luftdichte stellt sich das Gleichgewicht bei einer Endgeschwindigkeit von mindestens 180 km/h ein.
Stürze aus mehrern tausend Metern wurden mit
Prellungen und Rippenbrüchen überlebt, wenn der
Boden weich genug war (verschneiter Tannenhang).
Einfluß der Größe
Die Widerstand erzeugende Stirnfläche vergrößert
sich mit dem Quadrat der Länge.
Das Volumen, und damit die Masse, vergrößert sich
mit der dritten Potenz der Länge.
Konsequenz: Bei kleinen Lebewesen ist die Endgeschwindigkeit so klein, daß sie einen Sturz aus
beliebiger Höhe überleben.
Besonders Große haben dagegen nach ein paar
Metern keine Chance mehr zu überleben.
Rekorde
Höchster unfreiwilliger Fall: I. M. Chisov, aus 6700
m. Mehrere belegte Fälle aus ca. 4000 - 6000 m.
Höchster freiwilliger Fall: Dana Kunze, aus 52,4 m,
auf Wasser.
Höchster freier Fall: Joseph Kittinger fiel über
26200 m, bevor er den Fallschirm auslöste.
Höchster überlebter Fall einer Katze: Voodoo fiel
aus dem 34. Stock in einen Busch.
Sturz auf feste Fläche
ISS = Injury Severity Score, zeigt gute Korrelation
mit der Überlebbarkeit, aber wenig mit der Höhe.
Sturz auf feste Fläche
ISS = Injury Severity Score, zeigt gute Korrelation
mit der Überlebbarkeit, aber wenig mit der Höhe.
Die Aufprall-Position und die Energieabsorption des
Untergrundes sind wichtige Faktoren. Das Alter
spielte eine geringere Rolle.
Bei Kindern unter 9 Jahren sind die Schädelknochen noch nicht so fest wie bei Erwachsenen,
und der überproportional große Kopf läßt diesen
zuerst auftreffen, was bei Fallhöhen über 4-5 m
zu Schädelbrüchen führte.
Heutiger Stand
Neuere Dummies sind statisch und dynamisch gute
Modelle des Körpers und gut instrumentiert.
Aber: Daten zu deren Auslegung kommen nach wie
vor aus Versuchen mit Menschen.
Freiwillige für Versuche sind meist junge Männer.
Leichen haben nicht das dynamische Verhalten
Lebender und sind meist von älteren Menschen.
Besonders für Kinder gibt es wenig Daten zur
Konstruktion guter Dummies.
Maßnahmen
Breite Gurte, die mindestens 5 Ankerpunkte haben.
Straffe Gurte ermöglichen einen gleichmäßigeren
Verlauf der Verzögerung.
Oberflächen im Greifraum sollten eine steife Polsterung haben, scharfe Kanten sind zu vermeiden.
Kollabierende Strukturen sollten sich vom Menschen
weg bewegen.
Aussteifungen der Struktur zur Verbesserung der
Energieaufnahme vorsehen!
Herunterladen