Ein Mensch ist so alt wie seine Gefäße

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Ein Mensch
ist so alt wie seine Gefäße
(OS)
Fallbeispiel 1
Fallbeispiel 2
Ein 35jähriger männlicher Patient bekommt bei geringsten Anstrengungen Herzschmerzen, und nach einer
kurzen Gehstrecke von ca. 100 m Wadenkrämpfe. Er
kann nicht schmerzfrei über eine Treppe in den zweiten Stock gehen. Der Patient ist seit zwei Jahren impotent. Die Gefäßuntersuchungen ergeben schwere arteriosklerotische Veränderungen in den Herzkranzgefäßen, sowie vollständige Verschlüsse in den Oberschenkelarterien. Es müssen eine Ballondehnung eines
Herzkranzgefäßes sowie eine Bypass-Operation am Bein
durchgeführt werden. Anschließend muß er regelmäßig
Medikamente zur Verhinderung von neuerlichen
Gefäßverschlüssen einnehmen. Für mindestens sechs
Monate kann er seinen Beruf nicht ausüben. Er gerät
dadurch in schwerste finanzielle und familiäre Schwierigkeiten.
Eine 21jährige Patientin bekommt plötzlich eine Lähmung des rechten Beines und kann nicht mehr sprechen. Sie ist kurzzeitig bewußtlos und muß intensivmedizinisch behandelt werden. Die Untersuchung des
Gehirns ergibt mehrere Thrombosen in kleinen Hirnarterien. Die Patientin bleibt sechs Wochen in stationärer
Behandlung und kann nach einem sechsmonatigen
Rehabilitationsaufenthalt selbständig gehen und mit
starker Behinderung sprechen. Die Ausübung ihres
Berufes ist für sie künftig nicht mehr möglich.
Vorgeschichte: Der Vater des Patienten hatte einen
Herzinfarkt erlitten, seinem Großvater mußte ein Bein
amputiert werden. Der Patient selbst raucht seit seinem
14. Lebensjahr täglich mindestens zehn Zigaretten.
Sportliche Aktivitäten wurden mit dem Eintritt in das
Berufsleben so gut wie eingestellt. Danach kam es zur
ständigen Gewichtszunahme, wobei derzeit ein Übergewicht von 25% besteht.
Beurteilung: Der Patient hatte von vornherein zwei
irreversible Risikofaktoren (männliches Geschlecht und
Erbanlage). Durch seine Lebensweise erwarb er sich
zusätzlich drei weitere Risikofaktoren (Nikotinkonsum,
körperliche Inaktivität, Übergewicht). Die Wahrscheinlichkeit, bei dieser Konstellation vor dem 40. Lebensjahr ein Gefäßereignis zu bekommen, liegt bei 60%.
Vorgeschichte: Die Patientin raucht seit ihrem
14. Lebensjahr durchschnittlich 15 Zigaretten täglich
und nimmt seit ca. einem halben Jahr die Pille ein. Ihre
Mutter hatte eine Beinvenenthrombose erlitten. Um
nicht übergewichtig zu werden, hat sie in den letzten
Jahren die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme stark
eingeschränkt.
Beurteilung: Die Patientin hat zwei irreversible Risikofaktoren für die Entstehung eines Blutgerinnsels (weibliches Geschlecht, Erbanlage). Zusätzlich erwarb sie sich
zwei neue, reversible Risikofaktoren (Nikotinkonsum,
Pilleneinnahme). Nach Ausschaltung der Risikofaktoren
und der Einnahme eines gerinnungshemmenden Medikamentes ist die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen
Thrombose sehr gering. Die Schädigungen im Gehirn
sind jedoch nicht mehr reversibel.
O
S
Wie in der Sekundarstufe sollen die Schüler anhand dieser Beispiele (wobei man zuerst die
Beurteilung wegläßt) in Gruppenarbeit versuchen, reversible und irreversible Risikofaktoren herauszufinden. Gleichzeitig kann man das Wissen über den Aufbau des Blutgefäßsystems auffrischen und vor allem auf den Unterschied im Bau des arteriellen und
venösen Gefäßsystems hinweisen.
Neben den vorgegebenen Risikofaktoren (Erbanlage, Geschlecht) gibt es eine Reihe von
schädigenden Einflüssen, die durch eine vernünftige Lebensweise verhindert werden können. So kann das Auftreten der krankhaften Veränderungen des Gefäßsystems (Arteriosklerose, Thrombose im Arteriensystem, Krampfadern und Venenthrombose) vermieden
oder zumindest eingeschränkt werden (siehe auch Sek-Stufe).
LEBENSREGELN ZUR ERHALTUNG GESUNDER GEFÄSSE
41
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Aufbau der
Arterienwand
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* Aus didaktischen Gründen sind Endothel und
Intima im Verhältnis zur Media und Adventitia
vergrößert dargestellt.
Die arteriosklerotischen
Veränderungen verlaufen
zunächst
jahrelang
stumm, bis
es zu schwerwiegenden
Komplikationen kommt
70
Schlaganfall
Herzinfarkt
„Raucherbein“
Aneurysma
der Bauchaorta
60
KLINISCHER GESICHTSKREIS
50
O
S
Alter in Jahren
40
Verkalkung
Komplikationen:
Blutungen, Geschwürbildung,
Thrombose, Aneurysma
30
Fibröse Plaques
20
„Fatty streaks“
10
Am gefährlichsten sind:
für das Gehirn – Bluthochdruck
für die Herzkranzgefäße – Fettstoffwechselstörung
für die Beinarterien – Nikotin
0
LEBENSREGELN ZUR ERHALTUNG GESUNDER GEFÄSSE
42
Rauchen
Bluthochdruck
Stress
Blutfette
Diabetes
Die Arteriosklerose
Sie ist die häufigste Ursache für einen
Gefäßverschluß.
Verletzung der
Arterienwand
Arterienwand
RISIKOFAKTOREN
Je mehr Risikofaktoren längerfristig einwirken
können, desto wahrscheinlicher wird es, daß
Zellen des Endothels zerstört werden.
Endothel
Subendotheliales
(innerste Zellschicht)
Bindegewebe
Glatte
Muskulatur
Wundverschluß
Arterienwand
Fibrin
Um die verletzte Stelle abzudichten,
bilden sich Verklumpungen aus Blutplättchen
und Fibrin.
Blutplättchen
Heilung mit Defekt
Arterienwand
Glatte Muskelzelle
Die Gefäßwand verdickt sich, weil glatte
Muskelzellen der Media zu wuchern
beginnen und in das Subendothel
einwandern. Auch Cholesterin und Kalk
werden eingelagert. Unter der wiedergebildeten Endothelschicht entsteht eine Plaque.
Cholesterin und Kalk
Arterienwand
Erneute Verletzung
der Arterienwand
Die Ablagerungen von Cholesterin und Kalk
und überschießendes Narbengewebe
verengen das Lumen der Arterie immer mehr,
bis es schließlich zu einem vollständigen
Gefäßverschluß kommt.
Narbengewebe mit Kalk- und
Cholesterinablagerungen
LEBENSREGELN ZUR ERHALTUNG GESUNDER GEFÄSSE
43
O
S
Zwei besonders wichtige Risikofaktoren für Arteriosklerose: Rauchen und Fettstoffwechselstörung
Rauchen
O
S
Beim Nikotinkonsum wird das Gefäßsystem auf zwei
Arten geschädigt. Erstens stimuliert Nikotin die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin aus der Nebenniere. Die Folge sind Stressreaktionen (Kontraktion der
Arterien, Zunahme der Herzfrequenz, Zunahme des
Blutdrucks, Zunahme des Blutflusses). Dies führt
zunächst zu einer verbesserten Versorgung des Gehirns
und damit zu einem subjektiven Wohlbefinden. Bei
chronischen Rauchern besteht dadurch jedoch eine permanente Stresssituation, wobei vor allem die Gefäßwand selbst nicht mehr ausreichend durchblutet wird.
Die Folge ist ein Absterben der Gefäßwandzellen und
die Ausbildung von Defekten in den Arterienwänden.
Außerdem entsteht ein starres Rohrsystem durch den
Verlust an elastischen Fasern, und die Blutdruckschwankungen können nicht mehr ausgeglichen werden. Erst nach sechs Stunden kann der Organismus das
Nikotin aus dem Blutkreislauf vollständig entfernen.
Zweitens ist vor allem das Kohlenmonoxid im Rauch
gefährlich. Bei Aktiv- und Passivrauchern kommt es zu
einer verringerten Sauerstoffversorgung der Gefäßwände, weil das Kohlenmonoxid den Sauerstoff von
den roten Blutkörperchen verdrängt. Es dauert ebenfalls
sechs Stunden, bis sämtliche rote Blutkörperchen wieder von Kohlenmonoxid befreit sind.
Das Risiko, an einer Arteriosklerose mit Herzinfarkt zu
erkranken, nimmt bei Nichtrauchern um 30% zu, wenn
sie mit Rauchern zusammenleben. Nichtraucher sind
wesentlich empfindlicher auf die Toxine im Rauch als
Raucher. Unter Passivrauchern gibt es daher zehnmal so
viele Todesfälle an Herzinfarkt als an Lungenkrebs.
Pharmakologische Aspekte der Nikotinaufnahme:
Bei niedrigen Dosen Nikotin werden über das zentralnervöse System Auswirkungen auf das Herz-KreislaufSystem bewirkt, bei höheren Dosen reagiert Nikotin
direkt am peripheren Nervensystem, und bei extrem
hohen Dosen kommt es zu einem Blutdruckabfall und
zur Abnahme der Herzfrequenz durch eine Blockade
der peripheren Nervenganglien.
Das Rauchen von sogenannten schwachen Zigaretten
vermindert das Risiko einer Arterioskleroseentstehung
im Vergleich zum Konsum von sogenannten starken
Zigaretten nicht. Durch Änderung der Rauchgewohnheiten (Zunahme der Zigarettenzahl, tiefere Inhalation,
längere Verweildauer des Rauches im Lungentrakt) werden gleiche Nikotinkonzentrationen im Blut erreicht
wie beim Rauchen von stärkeren Zigaretten.
chen werden zwei Fraktionen unterschieden, das HDLCholesterin übt eine Schutzwirkung auf das Gefäßendothel aus, das LDL-Cholesterin führt im Überschuß zu
einer Schädigung der Gefäßwand. Normalerweise
besteht ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen diesen
beiden Fraktionen (HDL-Cholesterin zu LDL-Cholesterin kleiner als 1 zu 3). Bei einer hohen Konzentration
von LDL-Cholesterin im zirkulierenden Blut kommt es
zu Ablagerungen in den Zellen der Arterienwand,
wodurch diese Zellen degenerieren und in weiterer Folge ein kalkhaltiges Narbengewebe bilden. LDL-Cholesterin wird vor allem durch eine ungünstige Ernährung
(gesteigerte Zufuhr von gesättigten Fettsäuren, wie sie
vor allem in den tierischen Fetten vorkommen) und
durch körperliche Inaktivität erhöht.
LDL = low density lipoprotein – HDL = high density lipoprotein
Als Blutdruck bezeichnet man den
Druck innerhalb der Blutgefäße.
Der obere, systolische Wert entsteht
während der Pumpleistung des
Herzens, der untere, diastolische
während der Ruhepause. Bei jungen
Erwachsenen liegen diese Werte am
Oberarm bei etwa 120 zu 80 mm Hg,
bei älteren Menschen höher.
Blutdruck in verschiedenen
Lebensaltern (systolischer Wert)
in mm Hg:
im 3. Lebensjahr 60
im 6. Lebensjahr 85
im 15. Lebensjahr bis 110
im 16.–30. Lebensjahr bis 120
im 30.–50. Lebensjahr bis 140
im 50.–60. Lebensjahr bis 155
über dem 60. Lebensjahr bis 170
später sollten Werte von 180 nicht
überschritten werden
Überhöhter Blutdruck kann jahrelang
unbemerkt bleiben. Nur in seltenen
Fällen, meist dann, wenn die Krankheit schon weit fortgeschritten ist,
merkt man Anzeichen wie Schwindelgefühl, Kopfweh oder Ohrensausen.
Deshalb wäre es wichtig, den Blutdruck auch schon in jungen Jahren
regelmäßig zu kontrollieren.
Methodisch-didaktische
Hinweise
Fettstoffwechselstörung
Blutdruckmessen in der Klasse
gemeinsam mit dem Schularzt
(Schüler können Blutdruckmeßgeräte
von zu Hause mitbringen!)
Die zwei wichtigsten Fettarten sind Cholesterin und
Triglyceride (Neutralfette), wobei vor allem dem ersteren bei der Entstehung der Arteriosklerose eine wesentliche Bedeutung zukommt. Cholesterin ist ein absolut
lebensnotwendiger Baustein für jede Zelle. Im wesentli-
LEBENSREGELN ZUR ERHALTUNG GESUNDER GEFÄSSE
Lehrausgang in eine Apotheke
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WIE
VERHALTE ICH MICH RICHTIG?
Jeder von uns hat aufgrund seines Geschlechtes bereits einen irreversiblen Risikofaktor für
die eine oder andere Gefäßerkrankung. Kommt dazu noch eine erbliche Disposition, ist es
besonders wichtig, reversible Risikofaktoren zu vermeiden.
Ausdauertraining
hat viele gute Seiten
✘
✘
✘
✘
✘
✘
vermehrte Durchblutung
bessere Sauerstoffversorgung
größeres Atemvolumen
Stärkung des Herzmuskels
Training der Gefäßelastizität
geringeres Verletzungsrisiko
Ausdauertraining stellt eine aerobe Belastung
des Körpers dar, d. h., der Sauerstoffbedarf kann
aus dem Blut gedeckt werden.
Gesunderhaltung der Arterien
Vermeidung einer Venenthrombose
✘ Aufrechterhaltung der Gefäßwandelastizität
körperliche Aktivität (Laufen, Wandern,
Schwimmen, Radfahren, Stiege statt Lift
benützen)s
✘ Aufrechterhaltung des Blutflusses
körperliche Aktivität
Vermeidung langer Ruhigstellung
Vermeidung von Tranquilizern
✘ Vermeidung von Dauerkontraktionen der
Arterienwände
kein Nikotin
kein Dauerstress
(einzelne Stressreaktionen sind günstig)
✘ Aufrechterhaltung der natürlichen Blutzusammensetzung
ausreichende und regelmäßige Flüssigkeitszufuhr
keine extreme Alkoholzufuhr
bei Einnahme von Hormonpräparaten ist
vorher eine Untersuchung des Blutgerinnungssystems notwendig
✘ Erhöhung des HDL-Cholesterins
körperliche Aktivität
ausgewogene Ernährung (siehe S. 61f)
wenig tierische Fette aufnehmen
✘ Aufrechterhaltung des Blutflusses
ausreichende regelmäßige Flüssigkeitszufuhr
keine großen Nahrungsmengen/Mahlzeit
(siehe S. 60)
LEBENSREGELN ZUR ERHALTUNG GESUNDER GEFÄSSE
✘ Aufrechterhaltung der Venenwandfunktion
keine extreme körperliche Betätigung
keine beengende Kleidung
extreme Sonnenbestrahlung einschränken
(Erschlaffung der Venenwände)
bei Krampfadern Schuhe mit etwas erhöhten
Absätzen tragen (stärkt die Wadenmuskulatur)
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