Warum arbeiten wir so wie wir arbeiten beim Video

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Warum arbeiten wir so wie wir arbeiten beim Video-HomeTraining®?
Vortrag anläßlich des Internationalen Video-Home-Trainings®-Kongresses in Krakau,
September 2000
von
Dipl.Päd. Hannelore Gens, Deutschland
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Freunde und Freundinnen im Video-Home-Training® ,
ich bin glücklich und fühle mich sehr geehrt, hier in dieser altehrwürdigen Universität von
Krakau, in der schon Kopernikus geforscht und gelehrt hat, meinen Vortrag halten zu dürfen.
Ich werde mein Bestes tun, um mich dieser Ehre würdig zu erweisen.
Ich werde Ihnen heute wahrscheinlich nicht viel Neues erzählen, bin aber überzeugt, daß Sie
von meinen Gedanken und Erfahrungen genauso fasziniert sein werden wie ich, als ich die
Zusammenhänge herausgefunden, weiter untersucht und für mich und meine
Ausbildungskandidaten in ein System gebracht habe. Dazu möchte ich mich auch bei den
vielen Video-Home-Trainern in Ausbildung bedanken, die mit mir diese Ideen erarbeitet und
mir ihr Videomaterial zur Verfügung gestellt haben.
Warum arbeiten wir so wie wir arbeiten beim Video-Home-Training® ?∗, so habe ich das
Thema genannt und vielleicht haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, was damit gemeint
sein könnte. Wir arbeiten doch schließlich gut und erfolgreich, wir wenden die Fähigkeiten
und Fertigkeiten an, die wir in unserer Ausbildung gelernt haben und unsere Klienten sind
glücklich, daß sie endlich einen Helfer gefunden haben, der optimistisch und lösungsorientiert
mit Ihnen arbeitet und bei Ihnen ein gutes Gefühl hinterläßt, wenn er geht. Also warum die
Frage nach dem „warum und wieso“ stellen? Es funktioniert doch auch so!
Nun, ich gehöre zu den Menschen, (und vielleicht sind hier im Saal noch ein paar, die ähnlich
denken) die gerne wissen möchten, warum sie etwas tun, auf welche Gesetzmäßigkeiten sie
sich in ihrem professionellen Handeln stützen können, um die intendierten Wirkungen gezielt
hervorzurufen. Auch brauche ich gute Argumente mir selbst und anderen gegenüber, um
hinter den methodischen Grundentscheidungen wie positiver Ansatz, Aktivierung statt
Kompensierung und dem empathischen Perspektivwechsel als Wachstumschance zu stehen.
Dies war bereits in meiner Ausbildung, die schon einige Jahre her ist, für mich ein Moment
der Unzufriedenheit (sorry, Ton, Du hast mich ausgebildet – und mich sehr aktiviert, dies hier
herauszufinden), es reichte mir nicht, die Basiskommunikation zu beherrschen, sie im Kontakt
mit den Eltern anzuwenden und auf den Videos die Wirkung meiner Kommunikation zu
verfolgen.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen:
Für die Rückschau (feed-back Situation) gibt es so etwas wie eine Faustformel. Sie lautet:
∗
im Folgenden beziehe ich mich nur auf die Rückschau, die Feed-back Situation
2
Erst die positiven Bilder, dann die Eltern, dann die Empfangsbestätigung durch den VideoHome-Trainer, danach der Austausch über die Szene mit der anschließenden positiven
Verstärkung entweder durch den Video-Home-Trainer oder die Wirkung der Bilder selbst, die
noch einmal hervorgehoben wird. Die Arbeit an der Szene wird mit dem gemeinsamen
Genießen abgeschlossen.
Meine Fragen dazu waren immer folgende:
¾ Warum eigentlich nur die positiven Bilder? Warum darf ich den Eltern nicht endlich mal
zeigen, was sie falsch machen? (Natürlich: Der Grundsatz des positiven Ansatzes, aber
warum? Eine Erfahrung? Oder steckt noch mehr dahinter?)
¾ Was mache ich, wenn ich keine positiven Szenen finde? (Natürlich, der Video-HomeTrainer findet immer etwas Positives, aber gibt es noch andere Möglichkeiten des
Einsatzes der Bilder, die unserem Ansatz folgen?)
¾ Warum zuerst das Bild und die Eltern? (Natürlich sage ich als Video-Home-Trainer, daß
wir hier dem Grundsatz der Aktivierung folgen – aber worauf basiert der Grundsatz,
auf Erfahrung?)
¾ Der Video-Home-Trainer gibt die Empfangsbestätigung und geht in den Austausch über
das Bild, warum? (Natürlich, das ist gute Basiskommunikation; aber ist das alles? Gibt es
noch spezielle Wirkungen, die den Lernprozeß der Eltern beeinflussen und festigen?)
¾ Die positive Verstärkung ist immer wichtig, aber welche Wirkungen ruft sie genau hervor,
was geht in den Eltern vor? (Natürlich, die Steigerung des Selbstwertgefühls, die
Motivation zur weiteren Mitarbeit, gibt’s da nicht noch etwas?)
¾ Das Genießen kennen wir aus der Mutter-Kind-Beziehung („Benjamin jauchzt vor
Freude“), es ist sicherlich ein wichtiges Moment im gemeinsamen Kontakt und stellt sich
auch bei Erwachsenen ein, wenn er gut verläuft. Aber welche Wirkung erziele ich damit?
(Natürlich, die emotionale Verankerung des Erarbeiteten, wir bewegen uns ja schließlich
nicht nur auf der kognitiven Ebene, aber was erleben die Eltern dabei, was passiert mit
ihrer Wahrnehmung, was ist da in ihrem Lernprozeß los?)
Vielleicht kommt Ihnen die eine oder andere Frage bekannt vor?!
Ich bin ihnen nachgegangen und habe auf Grund meiner Ausbildung als Erziehungswissenschaftlerin Verbindungen zu den Erkenntnissen der Wissenschaft vom Lernen und den daraus
ableitbaren Schritten zur Steuerung von Lernprozessen gezogen. Zuerst nur global (na klar,
positive Verstärkung, Lernen am Modell, das kennt doch jeder) als ich mich dann jedoch
intensiver mit ihnen beschäftigte, traf ich auf „alte Bekannte“ und mir wurde schlagartig klar,
daß wir die Lerngesetze detailliert und konsequent anwenden. Und mit ihren Aussagen
habe ich meine Fragen weitgehend beantwortet bekommen.
Ich möchte Ihnen meine Erkenntnisse nicht vorenthalten, deshalb dieser Vortrag.
Bevor ich jedoch zu meinen Verknüpfungen des Video-Home-Trainings® mit den klassischen
Lerntheorien komme, möchte ich noch etwas Grundsätzliches zum Verhältnis unserer
Methode zur Theorie sagen.
Ich glaube, daß unsere Gründerväter und – mütter folgende bekannte Szene im Kopf (und
vielleicht auch im Bild) hatten, als sie beschlossen, sich ausdrücklich von der Theorie
abzuwenden:
Das Team schaut sich eine Aufnahme der Familie an. Auf die Frage, was sie sähen, sagt
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der Systemiker
„Es ist sehr deutlich, das Kind ist der designierte Patient, die Mutter
überschreitet die Systemgrenze“
der Psychologe
„das Kind hat ein hyperaktives Syndrom und eine depressive
Verstimmung“,
der Sozialarbeiter
„es ist doch ganz klar, wir müssen die Familie besser in unser
Stadtteilprojekt einbinden“
der Lehrer
„wir sollten die Eltern nochmal zu einem Gespräch bitten und ihnen die
Verantwortung für ihr Kind verdeutlichen, bei dem Chaos kann es ja
keine guten Leistungen bringen“,
der Gruppenerzieher „ das Kind hat eine Beziehungsschwäche, vielleicht sollten wir es mal
in eine erlebnispädagogische Sondermaßnahme geben, damit sind auch
die Eltern entlastet“,
der Mentor
„ er ist eigentlich ein netter Junge, aber er hat eine ganz ambivalente
Beziehung zu seiner Mutter, die er immer auf die Erzieherinnen
überträgt, wir sollten die Mutter-Sohn-Beziehung nochmal in einem
Gespräch klären und den Psychologen hinzuziehen“,
der Bewegungstherapeut
„ genau die gleichen Machtkämpfe führt er mit mir auch immer auf, er
weigert sich oft, mitzumachen. Wir sollten ihn erstmal einzeln
behandeln, dann hat er kein Publikum“
....
Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, jeder Fachmann hat seine eigene Wahrnehmung der
Situation der Familie, wie sollen sie an einem Strang ziehen und dem Kind und seiner Familie
eine Entwicklungschance bieten?
Denn bei aller Unterschiedlichkeit der Sichtweisen haben alle Teammitglieder einiges
gemeinsam:
¾ Sie interpretieren das Verhalten von Kind und Eltern entsprechend ihrer Sichtweise,
haben fundierte Erklärungen für die von ihnen wahrgenommenen Phänomene und
finden sie richtig,
¾ Sie entwerfen Lösungs-und Behandlungsansätze, bevor sie sich ausgetauscht haben,
¾ Sie diagnostizieren problemorientiert oder sind bei ihren eigenen Erlebnissen,
¾ Sie konzentrieren sich auf das Kind, die Eltern spielen eine marginale Rolle,
¾ Sie sind in ihren Köpfen oder sonstwo, sie sind auf jeden Fall nicht am Bild und dem
konkret sichtbaren Geschehen!
So ist es verständlich, daß es in der Entwicklungsphase der Methode am besten war, alle
Theorie zu verbannen, damit sich die Fachkräfte auf die Bilder und die tatsächlichen
Geschehnisse konzentrieren konnten, sich also dem Reality-testing und der Bildanalyse nach
den Kriterien des Video-Home-Trainings® zuwenden konnten (wobei dies natürlich schon der
erste schwierige Schritt zu einem gemeinsamen Focus war, wie wir aus den Erfahrungen des
SaC und anderen Einrichtungen wissen, die das Video-Home-Training® als pädagogische
Grundausrichtung gewählt haben)
Die Frage ist, ob damit nicht „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“ wurde und ob es jetzt
nicht an der Zeit ist, zu einem aufgeklärten Verhältnis zur Theorie zu kommen.
Ich möchte dafür ein paar Gründe anführen:
1. Nachdem das Video-Home-Training® einen beachtlichen Bekanntheitsgrad erreicht hat,
ist es jetzt an der Zeit, es in die Hilfelandschaft einzubetten, Kriterien zur Vergleichbarkeit
und damit zur Entwicklung eines eigenen Profils zu erarbeiten. Hierzu müssen auch
theoretische Grundlagen herangezogen werden können.
2. Das Video-Home-Training® wird oft, vor allem bei uns in Deutschland, als eine theoriefeindliche Methode bezeichnet. Dies hat zur Folge, daß sie von anderen Fachkräften (vor
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allem in den zahlenden Behörden) und auch von Video-Home-Trainern (den Eindruck
habe ich manchmal) als nicht vollwertige Methode der Hilfe akzeptiert wird, es ist ihnen
„zu wenig“, was sie meinen, mit ihr erklären zu können.
Eine weitere Folge ist, daß das Video-Home-Training® mit anderen theoretischen
Ansätzen vermischt wird, was sich einer „nicht-reinen“ Fachsprache widerspiegelt und
sich auf das methodische Vorgehen auswirkt. Manchmal höre ich sogar die Meinung, daß
das Video-Home-Training® nur in Kombination mit anderen Methoden anwendbar sei und
damit ist nicht der Trajektplan gemeint!
Die Arbeit mit Video-Home-Training® erfordert eine Identifikation mit dem Ansatz und
trägt damit einen Teil zu persönlicher Identität und Statusbildung bei. Viele interessierte
Fachkräfte zögern, diesen Schritt zu gehen, da sie durch die von ihnen als Mangel
empfundene ausschließliche Praxisorientierung einen Statusverlust befürchten.
Paul Wels hat schon sehr früh darauf hingewiesen, daß die wissenschaftliche Erforschung
des Video-Home-Trainings® die Grundbedingung für eine breite Akzeptanz darstellt.
Theoriebildung verstellt nicht nur den Blick auf die Realität und verhindert Einfühlung,
sondern ist in der Lage, Erfahrungen zu bündeln, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und
in ein System zu bringen, sowie Wirkungen valide zu beschreiben.
Nicht zuletzt trägt eine tragfähige theoretische Verknüpfung mit wissenschaftlichen
Grundlagen zu einem Zuwachs an Professionalisierung der Video-Home-Trainer bei.
Der „Blick über den Zaun“ kann auch eine Bereicherung unserer Methode sein und ihre
Weiterentwicklung fördern. Ich verweise dazu auf den Aufsatz von Bas Vogelvang, den er
1998 an der VU Amsterdam verfaßt hat. Er hat dort die Frage bearbeitet, ob das VideoHome-Training® eine heilpädagogische Methode sei. Nachdem er fast alle Kriterien
positiv beantworten konnte, blieb eine Frage offen: Welches Bezugssystem verwendet der
Video-Home-Trainer, um die einfühlende Verbindung zwischen den Familienmitgliedern
(wieder-)herzustellen, woran orientiert er sich, wenn er z.B. benennt? Ich hatte danach die
Idee, das Konzept der Grundbedürfnisse (MASLOW u.a.) mit dem Video-HomeTraining® zu verbinden und es erweist sich als tragfähig.
Ich hoffe, daß ich deutlich machen konnte, was mein Anliegen ist:
Eine theoretische Verknüpfung soll nicht die Sicht auf die Realität versperren, sondern es, im
Gegenteil, erleichtern, sie zu erarbeiten, zu verstehen und konstruktiv zu verändern.
Wenn wir uns unserer Grundlagen und unserer Verbindungen mit anderen bewußt sind,
arbeiten wir besser!
Ich lade Sie ein, dies jetzt gemeinsam mit mir zu überprüfen.
Ich möchte Ihnen zuerst zwei Szenen zeigen, in der Dagmar, die Video-Home-Trainerin in
der Rückschau nach der vorhin genannten Faustformel arbeitet (es war ihre erste, bitte seien
Sie nicht zu kritisch, ich finde, sie macht es prima).
Die erste Szene:
Dagmar, die Video-Home-Trainerin und die Mutter sitzen über Eck und sehen beide auf den
Fernseher, Dagmar sagt:
„Ich möchte Sie jetzt einfach fragen ... beschreiben Sie doch mal, was sie sehen“
Mutter : Ich sehe Alexander (sie lacht)
Dagmar: Jaha, jaha, vielleicht schauen Sie sich mal richtig an, wir haben ja jetzt halbe Höhe
(sie meint Brustbilder), so alles...
Mutter: Das ist nicht so einfach ...
Dagmar: (nickt) Schauen Sie mal die Gesichter ...
Mutter: Ich freu‘ mich (beide lachen herzlich)
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Dagmar: Ja, schön! Und das ist gut, ja? Das kann man so richtig sehen ...
Mutter: Ja!
Dagmar: Das gefällt Ihnen...
Mutter: Ja!
Dagmar: Das ist schön!
Mutter: Ich seh‘ mich selten lachen
Dagmar: Ja, deshalb ... ich sag‘ ja... deshalb sieht man das dann besonders gern, das ist
schön! Ja, prima!... Was sehen Sie noch?
Mutter: Ich hab‘ lauter Müll auf dem Tisch stehen ...
Dagmar: (macht eine Einhalt gebietende Geste) Das lassen wir jetzt mal außer acht, was da
jetzt draufsteht... Sie haben gesagt, Sie lachen und Ihr Blick geht wohin?
Mutter: Zum Alexander ...
Dagmar: Zum Alexander, ja! Ja, richtig ... und was macht der Alexander?
Mutter: Er überlegt, wo er die Zahlen hintun soll ...
Dagmar: Ja...
Mutter: Er guckt so ein bißchen verbissen ... so, wo soll ich sie hinlegen ...
Dagmar: Ja, ... so wie: finde ich sie gleich ... aber Sie finden das dennoch schön (guckt sie
fragend an )
Mutter: Ja!
Dagmar: Ja, Ihr Gesichtsausdruck sagt das. (Beide lachen sich an) Was empfinden Sie, wenn
Sie den Alexander jetzt so sehen? Sie kennen ihn ja auch anders ...
Mutter: Jaha ...
Dagmar: Jetzt sehen Sie ihn da so sitzen ...
Mutter: Er ist konzentriert auf das Spiel ...
Dagmar: Ja! Ja ...Was meinen Sie warum das so ist (beide schauen sich an), woran könnte
das liegen?
Mutter: Daß er so konzentriert ist auf das Spiel ...
Dagmar: Hmm...
Mutter: (überlegt) Ja, ich könnt‘ ja jetzt sagen, weil jemand da ist ...
Dagmar: Ja, das ist immer die erste Antwort, das ist richtig, da haben Sie schon recht. Das ist
Grund Nummer eins ... wir gehen jetzt aber nur mal vom Bild aus, nur vom Bild, was Sie da
sehen ...
Mutter: (guckt auf das Bild, denkt eine Weile nach) Hm, weiß nicht ...
Dagmar: Spielen Sie öfter so mit Alexander?
Mutter: Das ist selten, weil Alexander eben nicht verlieren kann ... irgendwann eskaliert die
Situation, dann wird alles durch die Gegend geschmissen, eingepackt und „ ich spiel‘ nie
wieder mit Euch!“ (macht ein bedrücktes Gesicht) ...
Dagmar: Hm, aber hier war ja die Situation nicht, wußten Sie ja nicht, daß sie kommt, und
wir wissen ja vom Verlauf her, daß sie nicht gekommen ist, daß er nicht verloren hat, daß er
zumindest auch nicht gewonnen hat, er hat sogar am Ende des Spiels gesagt: „Wir haben
beide gewonnen“...
Mutter: Jaha ...
Dagmar: Ja, das hat er gesagt ... was meinen Sie, warum er da so konzentriert bleibt?
Mutter: Ich denk', er muß sich auch konzentrieren, in welche Reihe er die Zahlen da zu legen
hat ...
Dagmar: (nickt) hm ...
Mutter: (die Wichtigkeit für Alexander mimisch und stimmlich unterstreichend) ... und er ist
Spielleiter!
Dagmar: Ja! (beide lachen) das ist ganz wichtig! Für ihn auf alle Fälle (nickt ausdrücklich) ...
und was machen Sie dabei? Er ist Spielleiter, und was machen Sie? (weist mit der Hand auf
das Bild, guckt die Mutter an) schauen Sie sich an ...
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Mutter: Ich guck ihn an und freu‘ mich, wie er das macht ...
Dagmar: Ja, Sie freuen sich, daß er das macht, und wie geht es Ihnen in diesem Moment?
Mutter: Gut!
Dagmar: Gut, ja richtig ... Ihr Gesichtsausdruck ist freundlich, Sie lachen (unterstreicht ihre
Worte mit Gesten), Sie wenden sich ihm zu, Sie schauen ihn an und er akzeptiert das ...
Mutter: Hm ...(nickt heftig) er ist zufrieden!
Die zweite Szene 15 Minuten später:
Dagmar: Schauen Sie mal, da ist nochmal ein Bild, beschreiben Sie doch mal, was Sie sehen
...
Mutter: (beugt sich interessiert vor) Ich guck‘ den Alexander wieder an, beobachte genau,
was er macht ...
Dagmar: (zurückgelehnt, enthusiastisch nickend) Ja!
Mutter: Ich beobachte genau, was er macht, verfolge das ...
Dagmar: Ja! Ja!
Mutter: Wie so ... so überwachen, ob er das genau macht (lacht schüchtern) ...
Dagmar: Ja, aber empfinden Sie das als Überwachen oder ... weil Sie drin sind (unterstreicht
mit ihren Gesten, was sie meint) ...
Mutter: (lebhaft, übernimmt die Gestik) Na, ich verfolg‘ das Spiel, wie weit ist der
Alexander, wie weit bin ich ...
Dagmar: (gleichzeitig nickend) Ja!, Ja!
Mutter: ... wieviel Zahlen sind noch auf diesem anderen Blatt frei ...
Dagmar: (nickt zustimmend) Jaha, ja, ... was könnte denn, wenn wir es mal zusammenfassen,
was bräuchte der Alexander, was hat er hier gebraucht? Was Sie ihm hier eigentlich gegeben
haben ...
Mutter: (spontan) Zuwendung!
Dagmar: Ja, Zuwendung, (nickt zustimmend) was braucht er noch?
Mutter: Das Gespräch, würde ich sagen ...
Dagmar: (zustimmend nickend) Das Gespräch, ja ... und womit haben Sie alles am Laufen
gehalten?
Mutter: ... Daß ich ihn beachtet habe (lacht )...
Dagmar: Jawoll, daß Sie ihn beachtet haben, ganz, ganz toll!, hm ...
Mutter: (Guckt interessiert auf den Fernseher, nickt )
Dagmar: Sie gucken so hin, was sehen Sie noch?
Mutter: Tja, ...
Dagmar: Versetzen Sie sich mal in Alexanders Lage: Was spürt der Alexander, was könnte
er spüren?
Mutter: (spontan) ... daß es mir Spaß macht, mit ihm zu spielen ...
Dagmar: (nickt zustimmend) einmal das, jaha, ganz wichtig, und zum anderen? Was könnte
er noch denken? (unterstützt ihre Worte mit deutlicher Gestik)
Mutter: (schaut nachdenklich, suchend auf das Bild)
Dagmar: Schauen Sie das Bild an, wer ist da drauf?
Mutter: (lachend, Dagmar ansehend) Wir beide!
Dagmar: Ja, nur Sie beide! Ja!
Mutter: Ja, ach so, daß ich für den Alexander da bin und kein anderer, der Alexander steht
jetzt für mich im Mittelpunkt ...
Dagmar: (nachdrücklich nickend) Ja! ja! Glauben Sie, daß ihm das gut tut?
Mutter: Ja (nickt)
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Dagmar: Er steht im Mittelpunkt, er fühlt sich wohl, die Mutti hat Zeit für mich, nur für
mich!
Mutter: ja, ja (nachdrücklich nickend)
Dagmar: Ja?
Mutter: Ja!
Dagmar: Und, wir kennen es von der Aufnahme, er zieht es durch bis zum Schluß, ja?
Mutter: Hm, Ja!
Dagmar: Und das ist schön?
Mutter: Ja, das ist schön! (beide lachen und freuen sich miteinander)
Dagmar: Das finden Sie schön! (sieht sie freundlich an, unterstreicht dies mit Gestik)
Mutter: Na, das ist, wenn er eben merkt, es ist nicht bloß so, weil er eben spielen möchte ...
und dann ist er auch voll dabei ...
Dagmar: hmm ... (nickt ausdrücklich und zustimmend)
Mutter: ... daß ich mich jetzt nicht hinsetze und sage na gut, weil Du nun mal möchtest, da
spiele ich mit, damit ich dann meine Ruhe habe ...
Dagmar: ... und dann gelingt’s ... nicht wahr?
Mutter: Hm ... (nickt)
Dagmar: ... Und so weiß er, man sieht’s ... Sie haben es vorhin auch gesagt ... der Alexander
spürt, merkt, Sie merken es selber ... hier bin ich der Mittelpunkt, ich darf Spielmacher sein,
und die Mutti ist nur für mich da ...
Mutter: (nickt nachdenklich) Ja ...
Dagmar: Und Sie haben festgestellt: Sie gehen mit, mit den Augen, mit den Bewegungen,
mit der Körperhaltung ... Ihr Interesse bleibt immer bei ihm ...
Mutter: (schaut sie an, nickt) Hmm ...
Dagmar: ... Sie gehen ja nirgends woanders hin, im ganzen Film bleiben Sie bei ihm ...
Mutter: (lebhaft nickend) Hmm ...
Dagmar: Schön!
Mutter: (nickt) ja! (lacht, lehnt sich zufrieden zurück, entspannt sich)
Dagmar: Schön!
Mutter: Ja, schön! (beide sehen sich an, lachen und genießen den Moment).
Ich finde, es sind wunderbare Bilder, die die Effektivität unserer Arbeitsweise belegen.∗
Ich möchte Ihnen jetzt zeigen, warum das so ist.
Dazu beziehe ich mich auf drei klassische Lerntheorien, die Sie wahrscheinlich alle kennen:
¾ Das Operante Konditionieren (Verhaltenstheorie THORNDIKE, SKINNER)
¾ Das Lernen am Modell (BANDURA)
¾ Das Lernen durch Einsicht (WERTHEIMER; Berliner Schule)
Ich werde sie nacheinander darstellen und sie am Ende mit Bildausschnitten belegen.
Eine systematische Darstellung befindet sich auf der nächsten Seite.
∗
Leider lassen sich Dichte und Atmosphäre einer solchen Szene mit Worten nur unzulänglich darstellen, aber
das wissen wir alle!
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Theoretische Grundlagen der
Rückschausituation
Rückschau beim Video-HomeTraining®
Operantes
Konditionieren
Lernen am Modell
Lernen durch
Einsicht
THORNDIKE,
SKINNER
BANDURA
WERTHEIMER,
BERLINER SCHULE
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Das operante Konditonieren (THORNDIKE und SKINNER)
Diese auf der Verhaltenstheorie basierende Lerntheorie geht davon aus, daß Lernprozesse
durch die Konsequenzen von Verhalten (= operants) beeinflußt werden. Konsequenzen
können dabei grundsätzlich positiv oder negativ erfahren werden, wobei auch das Ausbleiben
jeglicher Konsequenz unter bestimmten Umständen eine negative Wirkung haben kann.
THORNDIKE hat bereits in den 30er Jahren das „Gesetz des Effekts“ formuliert:
„Verhaltensweisen, die belohnt werden, tendieren dazu, wiederholt zu werden, nicht
belohnte tendieren dazu, nicht wiederholt zu werden.“
oder auch:
„Die Konsequenz einer Handlung bestimmt deren Auftretenswahrscheinlichkeit in der
Zukunft“
Als Konsequenz können auftreten:
Angenehme oder unangenehme Gefühlszustände, hervorgerufen durch
•
•
•
Belohnungen oder Bestrafungen
Erfolge oder Mißerfolge
Ausbleiben jeglicher Konsequenz.
Kommt ein Mensch durch eine Konsequenz auf sein Verhalten in einen lustbetonten Zustand,
ist seine Motivation hoch, dieses Verhalten zu wiederholen. Wenn er eine unangenehme
Konsequenz erfährt und damit in einen unlustbetonten Zustand kommt, neigt er dazu, dieses
Verhalten nicht mehr zu zeigen.
Der Grund ist, daß jedes Individuum bestrebt ist, einen lustbetonten Zustand herbeizuführen
und aufrechtzuerhalten bzw. einen unlustbetonten Zustand und somit eine Bedürfnisspannung
zu vermeiden bzw. zu verringern.
Dabei bestehen folgende Gesetzmäßigkeiten:
Positive Verstärkung
S+
Negative Verstärkung S –
Aversiver Stimulus
S–
führt einen lustbetonten Zustand herbei oder erhält ihn
aufrecht
Konsequenz: Das Verhalten tritt in Zukunft öfter auf
beendet einen unlustbetonten Zustand durch Entfernung
eines aversiven Reizes
Konsequenz: Das verstärkte Verhalten tritt zukünftig öfter
auf.
soll z.B. durch Strafe einen unlustbetonten Zustand
hervorrufen, der mit dem Verhalten verknüpft wird.
Konsequenz: Das Verhalten tritt in Zukunft seltener auf
(obwohl es Unterschiede in der Kontingenz gibt.)
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Ausbleiben jeglicher Konsequenz/
Ignorieren =
Neutraler Stimulus
S±
soll den angestrebten lustbetonten Zustand durch den
Entzug von Verstärkern verhindern und einen
unlustbetonten Zustand aufrechterhalten.
Konsequenz: Das Verhalten tritt zukünftig seltener auf
bzw. wird in der bestehenden Situation beendet. Es
entstehen jedoch abhängig von der Situation
unterschiedliche Effekte.
In Bezug auf den Aufbau und das Festigen von neuem Verhalten hat SKINNER den Begriff
des „Shapings“ geprägt:
Das erwünschte Verhalten wird konsequent immer dann, wenn es auftritt, positiv oder
negativ verstärkt (S+ oder S– ), wobei gleichzeitig das unerwünschte, erfolglose Verhalten
unbeachtet bleibt, ignoriert wird (S±).
In der Festigungsphase kann zur Intervallverstärkung übergegangen werden, auch nehmen
die Prozesse der Selbstverstärkung zu.
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Positive Verstärkung
S+
negative Verstärkung
S-
aversiver Reiz
S-
neutraler Reiz
S±
führt einen lustbetonten Zustand des Lernenden durch den Erfolg
einer Handlung herbei bzw. erhält ihn aufrecht
Konsequenz: Das Verhalten tritt in Zukunft öfter auf
beendet einen unlustbetonten Zustand des Lernenden durch die
Entfernung eines aversiven Reizes
Konsequenz: Das dadurch verstärkte Verhalten tritt in Zukunft öfter auf
soll einen unlustbetonten Zustand herbeiführen, der mit dem
Verhalten verbunden wird
Konsequenz: Das Verhalten soll in Zukunft seltener auftreten
(obwohl dies von mehreren Faktoren abhängig ist)
Soll den erwarteten lustbetonten Zustand verhindern (durch Entzug
von Verstärkern) und einen unlustbetonten Zustand aufrecht erhalten.
Konsequenz: Das Verhalten soll in Zukunft seltener auftreten oder wird zumindest
in der gegenwärtigen Situation beendet. Die Effekte sind jedoch,
abhängig von der Situation, unterschiedlich.
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Wie kann die Theorie des operanten Konditionierens die Steuerung der Lernprozesse
beim Video-Home-Training®unterstützen?
Operantes Konditionieren
Video-Home-Training®
a) positive Verstärkung
- führt dazu, daß das verstärkte Verhalten häufiger gezeigt wird
- schafft eine positive Atmosphäre
loben, bestätigen, genießen, Herausarbeiten der Momente,
die Erfolge sichtbar machen
positive, entspannte Atmosphäre
b) negative Verstärkung
- führt dazu, daß das erfolgreiche Verhalten öfter gezeigt wird
- entlastet
Entlastung durch Nicht-Thematisieren des erfolglosen
Verhaltens
Suche nach neuen Lösungen
c) neutraler Reiz (= keine Reaktion)
- soll dazu führen, daß unerwünschtes Verhalten seltener auftritt
Nichtbeachten des „negativen“ Elternverhaltens
d) aversiver Reiz
- führt meistens zur Unterdrückung des unerwünschten
Verhaltens (Anpassung)
- negative Atmosphäre
a-d) Aufbau des Zielverhaltens durch „shaping“ = Verstärkung des
gewünschten Verhaltens ( und zwar am Anfang immer dann, wenn
es auftritt) und Nichtbeachtung des unerwünschten Verhaltens
Verzicht auf Problemvertiefung
Verzicht auf „Zeigen, was nicht gut geht“
Konsequentes Loben und Bestätigen des Zielverhaltens
Nichtbeachten des erfolglosen bzw. unangemessenen
Verhaltens. Entlastung geben, nach Lösungen suchen
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Das Lernen am Modell (modeling) von BANDURA
BANDURA schreibt 1979:
„Lernen wäre ein außerordentlich mühsames Geschäft ..., wenn die Menschen als einzige
Richtlinie für künftiges Tun nur die Auswirkungen ihres eigenen Handelns hätten. Zum Glück
werden die meisten menschlichen Verhaltensweisen durch die Beobachtung von Modellen
erlernt: Bei der Beobachtung anderer macht man sich eine Vorstellung davon, wie diese
Verhaltensweisen ausgeführt werden. Später dient diese kodierte Information dann als
Handlungsrichtlinie. Da Menschen am Beispiel anderer zumindest ungefähr lernen können,
was sie tun müssen, bevor sie die betreffende Verhaltensweise selbst ausgeführt haben,
bleiben ihnen überflüssige Fehler erspart.“
Menschen lernen komplexe Verhaltensweisen im sozialen, sprachlichen und motorischen
Bereich am Modell anderer Menschen, indem sie sie genau beobachten, diese Informationen
speichern und sie bei Bedarf abrufen. Das Ausführen dieses neuen Verhaltens bedarf jedoch
der Korrektur und Übung, damit es die Ziele des Lernenden erreichen hilft.
Welche Voraussetzungen brauchen Lernprozesse nach dem Prinzip des Lernens am Modell?
ANEIGNUNGSPHASE
a) Aufmerksamkeitsprozesse
Die gezielte und exakte Beobachtung wird unterstützt durch
• Eine attraktive Modellperson (erfolgreich, angesehen, kompetent), die auffallendes,
neuartiges, lebendiges Verhalten zeigt
• Eine positive emotionale Beziehung zwischen Modell und Beobachter
• Bestimmte Merkmale des Beobachters (erregt, unsicher, abhängig)
b) Gedächtnisprozesse
Beobachtetes Verhalten braucht nicht unmittelbar nachgeahmt zu werden; es kann auch erst
nach einem längeren Zeitraum offen gezeigt werden. In der Zwischenzeit wird das
beobachtete Verhalten im Gedächtnis gespeichert. BANDURA nennt das die „Symbolische
Repräsentation“.
Mit Hilfe von Bild- und Sprachsymbolen baut der Beobachter in seinem Gedächtnis einen
gedanklichen Vorstellungszusammenhang auf, den er bei Bedarf aktiviert.
Dies geschieht durch drei Prozesse der symbolischen Kodierung:
• Bilder bzw. bildhafte Vorstellung
• Sprachliche Inhalte
• Begriffliche Kennzeichnungen
AUSFÜHRUNGSPHASE
a) motorische Reproduktion
Das nachzuahmende Verhalten muß in seinen Abläufen (im weitesten Sinne) eingeübt
werden. Es muß durch Übung, Wiederholung und Korrektur aufgebaut werden. Nur selten
lassen sich die kognitiven Vorstellungen beim ersten Versuch in richtige Handlungen
umsetzen.
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b) Motivations- und Verstärkungsprozesse
Zum Zeigen des gelernten Verhaltens gehört der entsprechende positive Anreiz (Motivation).
Nur wenn das neue Verhalten eine positive Konsequenz verspricht, wird es gezeigt.
Andernfalls bleibt es nur latent vorhanden.
Zur Bedeutung der Verstärkung beim Lernen am Modell ist zu sagen, daß bei Verstärkung
sowohl des Modells als auch des Beobachters die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, daß das
beobachtete Verhalten ausgeführt bzw. aufrechterhalten wird.
Die Verstärkung bewirkt jedoch nicht den Lernprozeß allein, ansonsten lassen sich spontane
Nachahmungen, z.B. von Kleinkindern, nicht erklären. Das Modellverhalten wird auf Grund
kognitiver Lernprozesse erworben und gespeichert, bis eine Situation eintritt, die eine
Verstärkung verspricht.
Wie die Theorie des Lernens am Modell die Steuerung der Lernprozesse beim Video-HomeTraining unterstützt, kann der folgenden Übersicht entnommen werden:
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Phasen und Prozesse des Lernens am Modell
Aufmerksamkeitsprozesse
Aneignungsphase
Gedächtnisprozesse
Motorische
Reproduktionsprozesse
Ausführungsphase
Prozesse der Verstärkung
und Motivation
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Wie kann dieTheorie des Lernens am Modell die Steuerung der Lernprozesse beim Video-Home-Training®
unterstützen ?
Lernen am Modell
a) Aufmerksamkeitsprozesse
- differenzierte Beobachtung
- gefördert durch positive emotionale Beziehung zum Modell
- Eigenmotivation des Beobachters
Video-Home-Training®
- beschreiben, was man sieht, möglichst detailliert
- zeigen von positiven Bildern (Eltern sind ihr eigenes Modell)
- nutzen der hohen Motivation der Eltern: Sie wissen nicht mehr weiter
b) Gedächtnisprozesse
- Speichern
- symbolische Repräsentation durch sprachliche Beschreibung,
Begriffe, Bilder
- Aufbau eines Vorstellungszusammenhangs
- sprachliche Beschreibung dessen, was gesehen wird
- Präsentation von positiven, „speicherfähigen“ positiven
Bildern
- Anbieten von Begriffen (Video-Home-Trainings ® -Sprache )
- zeigen von Wirkungszusammenhängen in der Kommunikation
c) Reproduktion
- wenn Situation und Motivation entsprechend vorhanden sind
d) Verstärkung und Motivation
- Geduld: Eltern speichern erst viel und zeigen das
wirksame Verhalten, wenn sie es benötigen
- Übung
- Wiederholung
- Korrektur
- Eltern merken zusehends einen Erfolg
- Eltern werden vom Video-Home-Trainer® verstärkt
- Die Kraft der Bilder wird genutzt , das Modell hat selbst eine hohe
Wirkungskraft, die Verstärkung wirkt zusätzlich
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Das Lernen durch Einsicht (WERTHEIMER und KOFFKA)
Diese Lerntheorie stützt sich auf die Erkenntnisse der Gestaltpsychologie, die in den ersten
drei Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts von WERTHEIMER, KOFFKA u.a. entwickelt wurde.
Die „Berliner Schule“ entwickelte bei der Untersuchung der menschlichen Wahrnehmung
eine Reihe von Strukturierungsprinzipien, die unser Wahrnehmungsfeld ordnen. Dies
bedeutet, daß wir die Tendenz haben, „gute, geschlossene Gestalten“ und klare Strukturen
wahrzunehmen.
Die Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung wurden auf das problemlösende Verhalten von
Menschen und Primaten übertragen:
• Problem und Lösung
Ein Problem weist eine „schlechte Gestalt“ auf, die im Individuum einen
Spannungszustand erzeugt. Diese Spannung kann aufgelöst werden, wenn die schlechte
Gestalt in eine „gute Gestalt“ umgewandelt wird.
Die Lösung eines Problems besteht in der Umstrukturierung der defekten Struktur in eine
gute Struktur. Das Problem ist unklar, verwirrend und unüberschaubar, die Lösung klar,
einfach und überschaubar.
• Umstrukturierung und Einsicht
Durch Umstrukturierung setzt der Organismus die zusammenhanglosen Elemente der
Situation (= schlechte Gestalt) zueinander in Beziehung.
Durch den Prozeß der Einsicht werden die umstrukturierten und aufeinander bezogenen
Elemente plötzlich in ihrer Gesamtheit als sinnvolle Einheit (gute Gestalt) erfaßt. Dies
bewirkt ein AHA-Erlebnis und geht mit starken positiven Emotionen einher.
• Die gefundene Lösung kann, soweit sie eingeübt wird, auf eine Reihe weiterer, ähnlicher
Problemsituationen übertragen werden. Dies wird als Transfer bezeichnet.
• Menschen lösen also ihre Probleme durch denkerische und schöpferische Akte. Aus
diesen Denkprozessen erwächst neues, geändertes und zielgerichtetes Verhalten.
Lernen durch Einsicht kann deshalb folgendermaßen definiert werden:
„Lernen durch Einsicht meint den Prozeß, bei dem eine Person ein Problem denkend
umstrukturiert, neu organisiert und so Handlungsstrategien zu dessen Lösung
herausfindet. Als Ergebnis dieses Prozesses zeigt sich häufig eine Änderung des
Verhaltens“.
Unterstützend für das problemlösende Verhalten können folgende Faktoren sein, die der
professionelle Begleiter darstellt bzw. arrangiert:
•
•
•
Persönliche Transparenz
Aussagen über die eigenen Gedanken, Motive, Wünsche und Ängste
Anschaulichkeit und Logik der Darstellung
durch den Gebrauch von Modellen, Bildern und Skizzen,
die Aufgliederung in überschaubare Einheiten,
klare, verständliche Sprache
Geben von relevanten Informationen durch
Überschaubarkeit der Gesamtsituation,
Beseitigung von störendem Beiwerk, Wesentliches von Unwesentlichem trennen,
ins Blickfeld rücken von wichtigen Tatsachen und Zusammenhängen,
erklären von Wirkungszusammenhängen,
23
Lernen durch Einsicht
Problem
Schlechte Gestalt
Lösung
Umstrukturierung
Gute Gestalt
Einsicht
„Einsicht“
ist die Bezeichnung für das Erkennen und Verstehen eines Sachverhaltes, das Erfassen der UrsacheWirkungs-Zusammenhänge sowie der Sinn–und Bedeutungszusammenhänge in einer Situation.
Die Einsicht in die Zusammenhänge ermöglicht angepaßtes, zielgerichtetes Verhalten und führt oft zur
Veränderung des Verhaltens.
25
Prozesse des Lernens durch Einsicht
Persönliche Transparenz
der begleitenden Person
Suchen nach Alternativen
und Übung
Relevante Informationen
Grundsätze des Lernens
durch Einsicht
Einsicht in die innere
Situation des anderen
(Empathie)
Unterstützung beim
Finden von Lösungen
Klarheit und Logik der
Präsentation
26
•
•
•
Einsicht in die innere Situation des anderen (Empathie)
Einfühlung vermittelt dem Kontaktpartner das Gefühl, verstanden zu werden.
Dies ermutigt ihn, ebenfalls die Perspektive zu wechseln und so das Problem aus der
inneren Situation des anderen zu betrachten. Durch diese neue Sichtweise kann die
Wahrnehmung der Situation häufig umstrukturiert werden.
Dieser Perspektivwechsel wird unterstützt durch die Sprache der Annahme, die das
Verhalten, die Gefühle und die Bedürfnisse des anderen zustimmend benennt.
Unterstützung beim Finden von Lösungen
Der Problemlösende kommt eher zu einsichtigem Handeln, wenn ihm niemand die
Lösung abnimmt bzw. vorschlägt. Hilfen sind dagegen Denkanstöße, die die notwendigen
Vorkenntnisse aktualisieren oder die Skala der Lösungsvermutungen auf das Wesentliche
beschränken.
Alternatives Verhalten erarbeiten und üben.
Einsicht allein gewährleistet noch kein langfristiges, dauerhaftes Lernen. Die denkerisch
gefundenen Lösungen müssen geübt und angewendet werden. Dafür ist das Schaffen von
Anwendungsmöglichkeiten notwendig.
Wie die Theorie des Lernens durch Einsicht die Steuerung der Lernprozesse beim VideoHome-Training® unterstützt, kann der folgenden Übersicht entnommen werden:
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Wie kann die Theorie des Lernens durch Einsicht die Steuerung der Lernprozesse beim Video-Home-Training®
unterstützen?
Lernen durch Einsicht
Video-Home-Training®
1) Auftauchen eines Problems
- vor dem Video-Home-Training® ...
2) Probierverhalten
- Eltern versuchen, mit ihrem vorhandenen Mitteln das
Erziehungsproblem zu lösen, Gespräche mit Bekannten, Bücher
3) Schöpferische Pause
- Formulierung der Hilfebedürftigkeit
4) Umstrukturierung
- Trennung von Wesentlichem und Unwesentlichem
- relevante Informationen
- Einsicht in die innere Situation des anderen
- Einen Focus bei Analyse der Bilder herstellen: Die Hilfefrage
- Konzentration auf das Bild
- Information über Basiskommunikation , Entwicklung und
Grundbedürfnisse von Kindern bzw. Menschen allgemein
- Frage: „Was will, was braucht Dein Kind in diesem Moment?“
- Anschaulichkeit der Darstellung
- Bilder aus konkreten Erziehungssituationen, die positive
Zusammenhänge verdeutlichen
- klare, verständliche Sprache
- Abstimmung auf Sprache und Ausdrucksfähigkeit der Familie
- Benennen von Gefühlen und Bedürfnissen
- Aktivierende Fragen
5) Einsicht und Lösung
„AHA-Erlebnis“
- Lösungen werden selbständig von den Eltern entdeckt.
Äußere Anzeichen: Lachen, Erleichterung, Zurücklehnen
6) Anwendung
- Selbstgewählte Übungsaufgabe bis zur nächsten Aufnahme
- Verstärkung durch Gelingen
7) Transfer
- Üben an Bildern der Folgeaufnahmen
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Nach diesen theoretischen Ausführungen möchte ich die Aufnahme von vorhin noch einmal
zeigen und dabei die Elemente der Lerntheorien herausarbeiten:
Erste Szene
Dagmar: Ich möchte Sie jetzt einfach fragen ... beschreiben Sie doch mal, was sie sehen“
(Aufmerksamkeitsprozeß beim Lernen am Modell: Differenzierte Beobachtung und
sprachliche Bescheibung des Modells - Speicherprozesse)
Mutter : Ich sehe Alexander (sie lacht)
Dagmar: Jaha, jaha, vielleicht schauen Sie sich mal richtig an, wir haben ja jetzt halbe Höhe
(sie meint Brustbilder), so alles...
Mutter: Das ist nicht so einfach ...
Dagmar: (nickt) Schauen Sie mal die Gesichter ...
Mutter: Ich freu‘ mich (beide lachen herzlich)
(positive emotionale Beziehung zum Modell beim Lernen am Modell)
Dagmar: Ja, schön! Und das ist gut, ja? Das kann man so richtig sehen ...
Mutter: Ja!
Dagmar: Das gefällt Ihnen...
Mutter: Ja!
Dagmar: Das ist schön!
(Dreimal positive Verstärkung der Freude beim Betrachten des Bildes – operantes
Konditionieren)
Mutter: Ich seh‘ mich selten lachen
Dagmar: Ja, deshalb ... ich sag‘ ja... deshalb sieht man das dann besonders gern, das ist
schön! Ja, prima!... Was sehen Sie noch?
(Negative Verstärkung des Lachens und Entlastung in Bezug auf die unangenehme
Seltenheit des Lachens – operantes Konditionieren)
Mutter: Ich hab‘ lauter Müll auf dem Tisch stehen ...
Dagmar: (macht eine Einhalt gebietende Geste) Das lassen wir jetzt mal außer acht, was da
jetzt draufsteht... Sie haben gesagt, Sie lachen und Ihr Blick geht wohin?
(Unterstützung der Umstrukturierung beim Lernen durch Einsicht – Wesentliches von
Unwesentlichem getrennt)
Mutter: Zum Alexander ...
Dagmar: Zum Alexander, ja! Ja, richtig ... und was macht der Alexander?
Mutter: Er überlegt, wo er die Zahlen hintun soll ...
Dagmar: Ja...
Mutter: Er guckt so ein bißchen verbissen ... so, wo soll ich sie hinlegen ...
Dagmar: Ja, ... so wie: finde ich sie gleich ... aber Sie finden das dennoch schön (guckt sie
fragend an )
Mutter: Ja!
Dagmar: Ja, Ihr Gesichtsausdruck sagt das. (Beide lachen sich an)
(Positive Verstärkung eines schönen Bildes beim operanten Konditionieren)
Was empfinden Sie, wenn Sie den Alexander jetzt so sehen? Sie kennen ihn ja auch anders ...
Mutter: Jaha ...
Dagmar: Jetzt sehen Sie ihn da so sitzen ...
Mutter: Er ist konzentriert auf das Spiel ...
Dagmar: Ja! Ja ...Was meinen Sie warum das so ist (beide schauen sich an), woran könnte
das liegen?
(Herstellen von Wirkungszusammenhängen beim Lernen durch Einsicht)
Mutter: Daß er so konzentriert ist auf das Spiel ...
Dagmar: Hmm...
Mutter: (überlegt) Ja, ich könnt‘ ja jetzt sagen, weil jemand da ist ...
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Dagmar: Ja, das ist immer die erste Antwort, das ist richtig, da haben Sie schon recht. Das ist
Grund Nummer eins ... wir gehen jetzt aber nur mal vom Bild aus, nur vom Bild, was Sie da
sehen ...(Anschaulichkeit der Darstellung und Trennen von Wesentlichem und
Unwesentlichem beim Lernen durch Einsicht)
Mutter: (guckt auf das Bild, denkt eine Weile nach) Hm, weiß nicht ...
Dagmar: Spielen Sie öfter so mit Alexander?
Mutter: Das ist selten, weil Alexander eben nicht verlieren kann ... irgendwann eskaliert die
Situation, dann wird alles durch die Gegend geschmissen, eingepackt und „ ich spiel‘ nie
wieder mit Euch!“ (macht ein bedrücktes Gesicht) ...
Dagmar: Hm, aber hier war ja die Situation nicht, wußten Sie ja nicht, daß sie kommt, und
wir wissen ja vom Verlauf her, daß sie nicht gekommen ist, daß er nicht verloren hat, daß er
zumindest auch nicht gewonnen hat, er hat sogar am Ende des Spiels gesagt: „Wir haben
beide gewonnen“...
(Unterstützung der Umstrukturierung beim Lernen durch Einsicht – Wesentliches von
Unwesentlichem getrennt, Nichtbeachten des unerwünschten Verhaltens beim operanten
Konditionieren)
Mutter: Jaha ...
Dagmar: Ja, das hat er gesagt ... was meinen Sie, warum er da so konzentriert bleibt?
Mutter: Ich denk', er muß sich auch konzentrieren, in welche Reihe er die Zahlen da zu
legen hat ...
Dagmar: (nickt) hm ...
Mutter: (die Wichtigkeit für Alexander mimisch und stimmlich unterstreichend) ... und er ist
Spielleiter!
Dagmar: Ja! (beide lachen) das ist ganz wichtig! Für ihn auf alle Fälle (nickt ausdrücklich) ...
und was machen Sie dabei? Er ist Spielleiter, und was machen Sie? (weist mit der Hand auf
das Bild, guckt die Mutter an) schauen Sie sich an ...
Mutter: Ich guck ihn an und freu‘ mich, wie er das macht ...
(Aufbau eines Vorstellungszusammenhanges beim Lernen am Modell, AHA-Erlebnis der
Mutter, sie stellt die „gute Gestalt“ her – Lernen durch Einsicht)
Dagmar: Ja, Sie freuen sich, daß er das macht, und wie geht es Ihnen in diesem Moment?
Mutter: Gut!
Dagmar: Gut, ja richtig ... Ihr Gesichtsausdruck ist freundlich, Sie lachen (unterstreicht ihre
Worte mit Gesten), Sie wenden sich ihm zu, Sie schauen ihn an und er akzeptiert das ...
(Genießen des gefundenen Zusammenhangs beim Lernen durch Einsicht, Unterstützung
der Speicherprozesse beim Lernen am Modell durch Überreichen von Begriffen)
Mutter: Hm ...(nickt heftig) er ist zufrieden!
Die zweite Szene, 15 Minuten später:
Dagmar: Schauen Sie mal, da ist nochmal so ein Bild, beschreiben Sie doch mal, was Sie
sehen ...
(Differenziertes Beobachten im Rahmen der Aufmerksamkeitsprozesse des Lernens am
Modell)
Mutter: (beugt sich interessiert vor) Ich guck‘ den Alexander wieder an, beobachte genau,
was er macht ...
Dagmar: (zurückgelehnt, enthusiastisch nickend) Ja!
Mutter: Ich beobachte genau, was er macht, verfolge das ...
Dagmar: Ja! Ja!
(Sprachliche Beschreibung im Rahmen der Speicherprozesse des Lernens am Modell,
positive Verstärkung beim operanten Konditionieren)
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Mutter: Wie so ... so überwachen, ob er das genau macht (lacht schüchtern) ...
(Probierverhalten im Rahmen des Lernens durch Einsicht, Anwenden vorhandener
Möglichkeiten)
Dagmar: Ja, aber empfinden Sie das als Überwachen oder ... weil: Sie sind drin
(unterstreicht mit ihren Gesten, was sie meint) ...
(Relevante Informationen beim Umstrukturieren – Lernen durch Einsicht)
Mutter: (lebhaft, übernimmt die Gestik) Na, ich verfolg‘ das Spiel, wie weit ist der
Alexander, wie weit bin ich ...
Dagmar: (gleichzeitig nickend) Ja!, Ja!
Mutter: ... wieviel Zahlen sind noch auf diesem anderen Blatt frei ...
Dagmar: (nickt zustimmend) Jaha, ja, ... was könnte denn ... wenn wir es mal
zusammenfassen, was bräuchte der Alexander, was hat er hier gebraucht? Was Sie ihm hier
gegeben haben ...
Mutter: (spontan) Zuwendung!
Dagmar: Ja, Zuwendung, (nickt zustimmend) was braucht er noch?
Mutter: Das Gespräch, würde ich sagen ...
Dagmar: (zustimmend nickend) Das Gespräch, ja ... und womit haben Sie alles am Laufen
gehalten?
Mutter: ... Daß ich ihn beachtet habe (lacht )...
(Einsicht in die innere Situation des anderen beim Umstrukturieren und Anbahnen der
„guten Gestalt“– Lernen durch Einsicht)
Dagmar: Jawoll, daß Sie ihn beachtet haben, ganz, ganz toll!, hm ...
(positve Verstärkung des gefundenen Zusammenhangs – operantes Konditionieren)
Mutter: (Guckt interessiert auf den Fernseher, nickt )
Dagmar: Sie gucken so hin, was sehen Sie noch?
Mutter: Tja, ...
Dagmar: Versetzen Sie sich mal in Alexanders Lage: Was spürt der Alexander, was könnte
er spüren?
Mutter: (spontan) ... daß es mir Spaß macht, mit ihm zu spielen ...
Dagmar: (nickt zustimmend) einmal das, jaha, ganz wichtig, und zum anderen? Was könnte
er noch denken? (unterstützt ihre Worte mit deutlicher Gestik)
(Einsicht in die innere Situationen des anderen beim Umstrukturieren, aktivierende
Fragen – Lernen durch Einsicht)
Mutter: (schaut nachdenklich, suchend auf das Bild)
Dagmar: Schauen Sie das Bild an, wer ist da drauf?
Mutter: (lachend, Dagmar ansehend) Wir beide!
Dagmar: Ja, nur Sie beide! Ja!
(Anschaulichkeit der Darstellung, klare und verständliche Sprache beim Umstrukturieren
– Lernen durch Einsicht, Unterstützung der Speicherprozesse beim Lernen am Modell:
Präsentation von positiven speicherfähigen Bildern)
Mutter: Ja, ach so, daß ich für den Alexander da bin und kein anderer, der Alexander steht
jetzt für mich im Mittelpunkt ...
Dagmar: (nachdrücklich nickend) Ja! ja! Glauben Sie, daß ihm das gut tut?
Mutter: Ja (nickt)
Dagmar: Er steht im Mittelpunkt, er fühlt sich wohl, die Mutti hat Zeit für mich, nur für
mich!
Mutter: ja, ja (nachdrücklich nickend)
Dagmar: Ja?
Mutter: Ja!
Dagmar: Und, wir kennen es ja von der Aufnahme, er zieht es durch bis zum Schluß, ja?
Mutter: Hm, Ja!
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Dagmar: Und das ist schön?
Mutter: Ja, das ist schön! (beide lachen und freuen sich miteinander)
Dagmar: Das finden Sie schön! (sieht sie freundlich an, unterstreicht dies mit Gestik)
(AHA- Erlebnis beim Lernen durch Einsicht, Genießen der gefundenen Lösung)
Mutter: Na, das ist, wenn er eben merkt, es ist nicht bloß so, weil er eben spielen möchte ...
und dann ist er auch voll dabei ...
Dagmar: hmm ... (nickt ausdrücklich und zustimmend)
Mutter: ... daß ich mich jetzt nicht hinsetze und sage na gut, weil Du nun mal möchtest, da
spiele ich mit, damit ich dann meine Ruhe habe ...
Dagmar: ... und dann gelingt’s ... nicht wahr?
Mutter: Hm ... (nickt)
Dagmar: ... und so weiß er, man sieht’s ... Sie haben es vorhin auch gesagt ... der Alexander
spürt, merkt, Sie merken es selber ... hier bin ich der Mittelpunkt, ich darf Spielmacher sein,
und die Mutti ist nur für mich da ...
(Herstellung des Wirkungszusammenhanges beim Lernen am Modell und Lernen durch
Einsicht, positive Verstärkung durch das Bild einer gelungenen Situation – Operantes
Konditionieren))
Mutter: (nickt nachdenklich) Ja ...
Dagmar: Und Sie haben festgestellt, Sie gehen mit, mit den Augen, mit den Bewegungen,
mit der Körperhaltung ... Ihr Interesse bleibt immer bei ihm ...
(Überreichen speicherfähiger Begriffe beim Lernen am Modell)
Mutter: (schaut sie an, nickt) Hmm ...
Dagmar: ... Sie gehen ja nirgends woanders hin, im ganzen Film bleiben Sie bei ihm ...
Mutter: (lebhaft nickend) Hmm ...
Dagmar: Schön!
Mutter: (nickt) ja! (lacht, lehnt sich zufrieden zurück, entspannt sich)
Dagmar: Schön!
Mutter: Ja, schön! (beide sehen sich an, lachen und genießen den Moment der Lösung).
(Erleichterung, Zurücklehnen, Genießen der Entspannung durch die „gute Gestalt“ beim
Lernen durch Einsicht)
Abschließend komme ich noch einmal auf die anfangs gestellten Fragen zurück:
¾ Warum nur positive Bilder? Weil die Eltern sich selbst mögen müssen, wenn sie sich
selbst als Modell wählen sollen und weil sie durch die Bilder für gelungenes Verhalten
positiv verstärkt werden.
¾ Was mache ich, wenn ich keine positiven Bilder finde? Im Sinne des Lernens durch
Einsicht ist die Empathie, das Einnehmen der Perspektive des anderen, ein wesentlicher
Schritt zur Lösung des Problems. Deshalb fühle ich mich legitimiert, den Focus auf die
Gefühle und Bedürfnisse des anderen zu legen und dies die Eltern in der Feed-back
Situation am Bild üben zu lassen, selbst dann, wenn dieses Bild nicht eindeutig positiv ist.
¾ Warum zuerst das Bild und die Eltern? Im Sinne des Lernens am Modell werden damit die
Aufmerksamkeits- und Speicherprozesse in Gang gesetzt. Auch wird dadurch die Klarheit
der Situation gefördert.
¾ Warum Empfangsbestätigung und Austausch ? Der Video-Home-Trainer® hat hier die
Möglichkeit, den Prozeß des Umstrukturierens zu steuern, indem er selbst transparent ist
(benennt, was er tut und denkt), relevante Informationen gibt, Empathie aufbaut und
zusammen mit den Eltern alternative Möglichkeiten erarbeitet. Damit fördert er den
selbständigen Lösungsprozeß der Eltern.
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Der Austausch eröffnet darüberhinaus auch die Möglichkeit, die Speicherprozesse zu
festigen. (Begriffe, verbale Auseinandersetzung)
¾ Die Wichtigkeit der positiven und negativen Verstärkung sowie das Ignorieren des
erfolglosen Verhaltens erklärt sich aus dem Vorgehen des shapings, sie hilft den Eltern
auch, Entlastung von negativen Erwartungen und Befürchtungen zu bekommen.
¾ Das Genießen läßt sich herleiten aus dem plötzlichen Entstehen der „guten Gestalt“ , das
mit starken Gefühlen der Erleichterung und Freude einhergeht. Im Sinne der positiven
Verstärkung für diese Situation werden die Eltern sich öfter auf den Weg zu einer neuen
Lösung machen.
¾ Und: das Lachen öffnet die Synapsen im Gehirn, sodaß das Lernen besser gelingt - aber
das ist eine andere Theorie ....
Meine Damen und Herren, liebe Freunde, ich hoffe, Ihnen ein wenig den Blick für unser
methodisches Vorgehen geschärft zu haben und daß Sie wie ich demnächst Ihre methodischen
Schritte bewußt setzen, weil sie ihrer Wirkung sicher sind, wenn Sie mit Eltern eine Feedback Situation gestalten.
Ich danke Ihnen!
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