Der Gravitationstrichter - Institut für Experimentalphysik V

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07.11.2011
Der Gravitationstrichter
Uwe Czarnetzki
Institut für Plasma- und Atomphysik
Fakultät für Physik und Astronomie
Ruhr-Universität Bochum
Zur Veranschaulichung der Planetenbewegung wird häufig ein Gravitationstrichter
verwendet. Beliebt sind Gravitationstrichter auch in öffentlichen Räumen als
Spendentrichter/Geldsammler. Der Trichter ist so geformt, dass eine Kugel oder eine Münze,
die sich auf der Oberfläche des Trichters bewegt, eine potentielle Energie besitzt, die vom
Radius wie -1/r abhängt, d.h. identisch mit dem Gravitationspotential. Die Kugel/Münze wird
üblicherweise radial am Rande eingeführt und befindet sich daher anfänglich auf einer
Kreisbahn. Im Unterschied zur Planetenbewegung gibt es aber Reibung und letztendlich stürzt
der Körper in einer Spirale in den Trichter. Wie sich zeigen wird, gibt es aber auch aufgrund
der Zwangskräfte und der Bewegung in tatsächlich drei Dimensionen deutliche
Abweichungen von der Bewegungsgleichung eines Planeten.
Abb. 1: Beispiel eines großen Gravitationstrichters als Spendentrichter/Geldsammler mit
zwei Einwurfvorrichtungen für Münzen in radialer Richtung am Rande.
1.
Drehimpulsverlust durch Reibung
Zunächst sein ein Teilchen in einem echten Gravitationspotential betrachtet. Die rein
radiale gerichtete Gravitationskraft erhält den Drehimpuls L, da sie kein Drehmoment M
hervorruft.
r
dL r r r
=M =r ×F .
(1)
dt
r
Dies gilt nicht für die Reibungskraft Ff , die immer der Geschwindigkeit
entgegengerichtet ist. Damit hat die Reibungskraft auch eine Komponente einer zum Radius
r r
r
r
r
senkrechten Richtung ( v = r& = r& er + rϕ& eϕ + z& ez ). Häufig ist die Reibungskraft direkt
proportional zur Geschwindigkeit (Stokesche Reibung):
-1-
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r
r
r
Ff = − mν v = − mν r& .
(2)
r
v r
Dies vorausgesetzt folgt daraus mit der Definition des Drehimpulses L = m (r × r& ) :
r
r
dL
r r
= −ν m r × r& = −ν L .
dt
(
)
Die Lösung dieser Gleichung ergibt eine exponentielle Abnahme des Drehimpulses:
r r
L = L0 e −ν t .
(3)
(4)
Die Zeitkonstante des Drehimpulsverlustes ist durch die Frequenz für Impulsverlust ν
gegeben. Dieses Ergebnis wird nachfolgend noch von Bedeutung sein. Für andere
Geschwindigkeitsabhängigkeiten der Reibung nimmt der Drehimpuls ebenfalls ab; es ergibt
sich dann aber keine so einfache Lösung.
2.
Konzept zur Beschreibung der Bewegung im Gravitationstrichter
Reibung führt darüber hinaus zu Energieverlust. Aufgrund dieses reibungsbedingten
Energieverlustes kann die Bewegung des Teilchens im Gravitationstrichter nicht mit der
Energiegleichung beschrieben werden. Es muss die Newtonsche Bewegungsgleichung
verwendet werden. Dabei ist aber zu beachten, dass das Teilchen sich nicht frei im Raum
bewegt, sondern die Bewegung durch die Oberfläche beeinflusst ist. Die Oberfläche bewirkt
eine Zwangskraft, d.h. eine Kraft, die die Normalkomponente aller Kräfte auf die Oberfläche
genau kompensiert. Mit diesem Konzept ist sichergestellt, dass das Teilchen auf der
Oberfläche keine Beschleunigung in diese hinein erfährt, d.h. genau auf der Oberfläche
verbleibt. Die Kräfte in der Newton-Gleichung setzen sich also zusammen aus der
Gravitationskraft Fg, der Reibungskraft Ff und der Zwangskraft der Oberfläche Fo:
r
r r r
(5)
m &r& = Fg + Ff + Fo .
Die Oberfläche des Gravitationstrichters wird in Zylinderkoordinaten durch eine Funktion
z(r) beschrieben. Man beachte, dass die Funktion konkav sein muss, d.h. ∂ 2 z / ∂r 2 = z ' ' < 0 .
Weiterhin sei z (r → ∞) = 0 und z (r → 0) = 0 , d.h. es treten nur negative z-Werte auf.
Tatsächlich spielt sich die Bewegung aber bauartbedingt zwischen einem maximalen Radius
beim Start am äußeren Rand und einem minimalen Radius am Boden des Trichters ab.
Zunächst ist es aber darüber hinaus nicht weiter notwenig, die Funktion im Detail zu
spezifizieren. Dies soll erst an einem späteren Punkt der Rechnung passieren.
r
z
Abb. 2: Schema der Funktion z(r), die den Gravitationstrichter beschreibt.
-2-
07.11.2011
Die Schwerkraft zeigt in die negative z-Richtung:
r
r
Fg = − m g ez .
(6)
Die Reibungskraft wird hier entsprechend Gleichung (2) als proportional zur
Geschwindigkeit angenommen. Dies repräsentiert die Reibung des Teilchens mit der Luft.
3.
Bestimmung der Zwangskraft
Die Zwangskraft setzt sich aus drei Anteilen zusammen. Diese entstehen aus den Kräften,
die zum einen die Schwerkraft (a) und zum anderen die Zentrifugalkräfte aufgrund von
Bewegung in ϕ-Richtung (b) und z/r-Richtung (c) auf die Oberfläche ausüben. In den Fällen
(a) und (b) ergibt sich eine effektive Kraft des Teilchens in Richtung auf die Oberfläche. Im
Fall (c) zeigt die Kraft jedoch von der Oberfläche aufgrund ihrer konkaven Form weg. Dieser
Anteil reduziert also die von der Oberfläche aufzubringende Zwangskraft zur Kompensation
der Kräfte (a) und (b). Die generelle Vorgehensweise zur Bestimmung der Anteile der
Zwangskraft ist aber in allen Fällen gleich. Zunächst bestimmt man den in Richtung der
Oberflächennormalen zeigenden Anteil der jeweiligen Kraft (a) – (c). Der zugehörige Anteil
der Zwangskraft der Oberfläche hat dann das umgekehrte Vorzeichen. Schließlich sind noch
die lokalen Vektorkomponenten (r- und z-Richtung) der jeweiligen Anteile an der
Zwangskraft zu bestimmen.
r
z
ϑ
Abb. 3: Schema der Normalkraft (orange) und der Zwangskraft (grün) am Beispiel der
Schwerkraft (rot).
Man erkennt, dass sich die Vektoranteile der Zwangskraft (grüner Pfeil) aus der
Komponente in Richtung der Oberflächennormalen (oranger Pfeil) der jeweiligen Kraft wie
folgt ergeben:
r
r
r
Fo = − Fn (− sin(ϑ ) er + cos(ϑ ) ez ) .
(7)
Dabei gilt der folgende Zusammenhang mit der Ableitung z ' = dz / dr der die Oberfläche
beschreibenden Funktion z(r):
tan(ϑ ) = z ' ⇒ sin(ϑ ) =
z'
1+ z '2
und cos(ϑ ) =
Die drei Kräfte (a) – (c) und ihre Normalkomponenten sind:
-3-
1
1+ z ' 2
.
(8)
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r
r
r
r
⇒ Fan = − m g cos(ϑ ) en
Fa = − m g ez
r
r
r
r
Fb = m r ϕ& 2 er ⇒
Fbn = − m r ϕ& 2 sin(ϑ ) en .
r r
r
z' '
r& 2 + z& 2 r
r& 2en
en = − m
Fc = Fcn = −m
2
Rz
1+ z'
(9)
Im Fall (c) ist berücksichtigt worden, dass sich zum einen der lokale Krümmungsradius
(
)
3/ 2
/ z ' ' ergibt
der Kurve und damit der Bahn des Teilchens auf der Oberfläche als Rz = 1 + z '2
(Standardresultat der Differentialgeometrie, z.B. Bronstein) und zum anderen die
Geschwindigkeit in z-Richtung an die Geschwindigkeit in r-Richtung über z& = z ' r& gebunden
ist. Aus Gleichungen (7) – (9) ergibt sich schließlich die Zwangskraft der Oberfläche als:

r 
r
r
z' '
Fo =  m g cos(ϑ ) + m r ϕ& 2 sin(ϑ ) + m
r& 2  (− sin(ϑ ) er + cos(ϑ ) ez )
2


1+ z'


.
2
2
2 r
2
2 r
− g z '+ r ϕ& z ' + z ' ' z ' r& er + g + r ϕ& z '+ z ' ' r& ez
=m
1 + z '2
(
4.
)
(
)
(10)
Bewegungsgleichung eines Teilchens im Gravitationsrichter
Die Bewegungsgleichung des Teilchens ergibt sich nun durch Einsetzen der Gleichungen
(2), (6) und (10) in die Newton-Gleichung (5). Die einzelnen Richtungskomponenten (r, ϕ, z)
sind:
g z '+ r ϕ& 2 z '2 + z ' ' z ' r& 2
&r& − r ϕ& = −
−ν r&
1 + z '2
.
r ϕ&& + 2 r& ϕ& = − ν r ϕ&
2
&z& =
(11)
g + r ϕ& z '+ z ' ' r&
− g −ν z&
1 + z '2
2
2
Nach einigen einfachen algebraischen Umformungen und unter Berücksichtigung von
d (r 2 ϕ& ) / dt = r (r ϕ&& + 2 r& ϕ& ) erhält man:
(1 + z' )(&r& +ν r&) = − g z'+r ϕ& − z' ' z' r&
d (r ϕ& )
= −ν (r ϕ& )
dt
(1 + z' )(&z& +ν z& ) = − gz' + r ϕ& z'+ z' ' r&
2
2
2
2
2
2
2
2
.
(12)
2
Wie man leicht zeigt, lässt sich die dritte Gleichung (z-Richtung) über den Zusammenhang
zwischen z=z(r) in die erste Gleichung (r-Richtung) überführen. Sie enthält also wie erwartet
keine zusätzliche Information. Die zweite Gleichung (ϕ-Richtung) ergibt die bereits zuvor
gezeigte exponentielle Abnahme des Drehimpulses bzgl. der Rotation in ϕ-Richtung L
(Gleichungen (3) und (4)) aufgrund der zur Geschwindigkeit proportionalen Reibung. Die
Lösung dieser Gleichung kann also in die erste Gleichung (r-Richtung) eingesetzt werden, um
so dort die Winkelabhängigkeit zu entfernen. Damit reduzieren sich die
Bewegungsgleichungen schließlich zu folgenden Ausdrücken:
-4-
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2
−2ν t
L  e
1 + z ' (&r& +ν r& ) = − g z '+ 0 
− z ' ' z ' r& 2
3
m
r
 
.
−ν t
L0 e
ϕ& =
m r2
(
5.
2
)
(13)
Energieverlust durch Reibung
Nicht nur Drehimpuls sondern auch Energie geht durch Reibung verloren, d.h. sie wird in
Wärme umgewandelt (dissipiert). Man spricht daher auch von Impulsverlust, da tatsächlich
der gerichtete Impuls einer Bewegung verlorengeht. Dies lässt sich mit der nun gefundenen
Formulierung der Kräfte leicht untersuchen. Die Energie E(t) ergibt sich als Summe von
kinetischer und potentieller Energie:
E=
(
)
m r2
m
v + m φ g = r& 2 + r 2ϕ& 2 + z& 2 + m g z .
2
2
(14)
Durch Differenzieren der Energie nach der Zeit und unter erneuter Ausnutzung des
Zusammenhangs zwischen z und r sowie mit Gleichung (12) erhält man:
E& = −ν m v 2 ≤ 0 .
(15)
Ohne Reibung (ν = 0 ) bleibt also die Energie erhalten; im Falle von Reibung ist die Rate
jedoch immer negativ, d.h. die Energie nimmt monoton mit der Zeit ab. Die rechte Seite kann
auch durch das Doppelte der kinetischen Energie ausgedrückt werden. Hierin kommt erneut
zum Ausdruck, dass Reibungsverluste nur bei Bewegung auftreten.
Das Ergebnis ist aber kein Zufall. Differenziert man Gleichung (14) nach der Zeit so
ergibt sich:
r r
r r
r r
r r
E& = m v ⋅ v& + m φ&g = m v ⋅ v& + m ∇φ g ⋅ v = v& ⋅ m &r& − Fg .
(16)
r
r
Hier ist ausgenutzt worden, dass zum einen d / dt = d r / dt ⋅ ∇ = v ⋅ ∇ und zum anderen
r
Fg = − m ∇φ gilt. Nun lässt sich Gleichung (16) mit der Newton-Gleichung (5) kombinieren.
(
Dies ergibt:
(
)
)
r r r
r r
E& = v ⋅ F0 + F f = v ⋅ F f = −ν m v 2 .
(17)
Das Skalarprodukt zwischen der Geschwindigkeit und den Zwangskräften der Oberfläche
verschwindet, da beide Vektoren per Definition immer senkrecht aufeinander stehen. Das mit
Gleichung (15) gefundene Ergebnis musste also so herauskommen. Konservative Kräfte (die
sich aus einem Potential ergeben) und Zwangskräfte führen nicht zum Energieverlust. Dies
können nur die nicht konservativen Kräfte der Reibung (die Reibungskraft kann nicht aus
einem Potential durch Differenzieren gewonnen werden).
6.
Anfangsbedingungen und dimensionslose Koordinaten und Parameter
Das Teilchen bewege sich anfänglich auf einer Kreisbahn mit r (t = 0) = r0 . Entsprechend
gilt z (r0 ) = − z0 ( z0 > 0 ) sowie r&(t = 0) = 0 und &r&(t = 0) = 0 . Damit ergibt sich über Gleichung
(13):
-5-
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2
 L0 
3
  = g z0 ' r0 .
m
 
(18)
Setzt man Gleichung (18) in Gleichung (13) ein, so motiviert dies die Einführung
folgender dimensionsloser Koordinaten und Parameter:
g z0
r
z
z
→ r,
→ z, ν t → t , α =
> 0, β = 0 > 0 .
r0
z0
ν r0
r0
(19)
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden im Folgenden nach der Normierung weiterhin
die gleichen Bezeichnungen für r, z und t verwandt wie im unnormierten Fall. Damit
vereinfacht sich Gleichung (13) nach Division durch (r0 ν 2 ) zu:
(1 + β z' )(&r& + r&) = α
2
ϕ& = α
2
−ν t
e
, ϕ (0) = 0
r2
2

e −2 t 
 − z '+ 3  − β 2 z ' ' z ' r& 2 , r (0) = 0, r&(0) = 0
r 

.
(20)
Man beachte, dass der Parameter α ein Maß für die Reibung ist, d.h. für große Reibung
wird α klein und für schwache Reibung groß. β ist ein Maß für die Steilheit des Trichters am
Startpunkt. In der Regel wird β << 1 gegeben sein.
7.
Lösung der Bewegungsgleichung
Zur weiteren Bestimmung der Bewegung des Teilchens muss nun die die Oberfläche
beschreibende Kurve z(r) definiert werden. Nimmt man an, dass die Form einem
Gravitationspotential ( φg ∝ − 1 / r , Fg ∝ − 1 / r 2 ) entsprechen soll, so ergibt sich (in normierter
Darstellung):
1
z=− .
r
(21)
Damit folgt weiterhin β = tan(ϑ0 ) , wobei ϑ0 der Steigungswinkel des Trichters am
Startpunkt ist. Für kleine Winkel gilt näherungsweise β ≈ ϑ0 (in Radiant). Für diese
Oberfläche nimmt die Bewegungsgleichung nun folgende Form an:
2
 β2 
α 2  e −2 t 
2 r&
1+ 4  (&r& + r& ) = 2 
− 1 + 2 β 5 , r (0) = 0, r&(0) = 0
r  r
r
 r 

.
e −ν t
ϕ& = α 2 ,ϕ (0) = 0
r
(22)
Gleichung (20) besitzt allerdings für kein wie auch immer geartetes Potential eine
analytische Lösung. Die Gleichung muss also numerisch integriert werden. Man kann jedoch
für α >> 1 und β <<1 näherungsweise die nicht zu α proportionalen Teile der Gleichung
vernachlässigen und erhält dann die einfache Lösung:
z ' r 3 = e− 2 t ⇒ r = e− 2 t ⇒ ϕ =
-6-
α
(e
3
3t
)
−1 .
(23)
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Diese Näherung entspricht wie bei der Kreisbewegung der Balance zwischen
Zentrifugalkraft der Bewegung in ϕ-Richtung und Gravitationskraft. Allerdings ist hier
berücksichtigt, dass der Drehimpuls exponentiell abnimmt und entsprechend nimmt auch der
Radius ab. Durch Einsetzen kann weiterhin r(ϕ) ermittelt werden. Schließlich lassen sich
Winkelgeschwindigkeit und Energie bestimmen:
ϕ& = α e3 t , vϕ = r ϕ& = α et , E = − e2t .
(24)
Dabei ist auch die Energie auf den Betrag des Anfangswertes normiert worden
( E / E0 → E mit E0 = m r02 ν 2 α 2 / 2 ). Die Energie nimmt erwartungsgemäß ebenfalls
exponentiell ab, Winkelgeschwindigkeit und Kreisfrequenz nehmen aber exponentiell zu.
1.0
-2
0.8
-4
z
r
0.6
0.4
-6
0.2
-8
0.0
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
-10
t
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
t
Abb. 4: Radius und vertikale Position als Funktion der Zeit für α = 10, β = 0.1. Die blaue
Kurve gibt die exakte numerische Lösung an, die rote Kurve die analytische Näherung.
Natürlich kann man für endliche Werte von α nicht erwarten, dass diese Nährung das
Verhalten des Teilchens exakt wiedergibt. Einen genaueren Einblick erlaubt erst die
numerische Lösung. Die Normierung der Zeitskala legt eine Untersuchung im Bereich
0 ≤ t ≤ 1 nahe. Als Parameter werden zunächst α = 10 und β = 0.1 (entsprechend einem
anfänglichen Steigungswinkel des Trichters von 5.7 Grad) gewählt. Die Näherungslösung
beschreibt überraschend gut das generelle Verhalten, obwohl α noch nicht sonderlich groß ist.
Darüber hinaus ist aber ein oszillatorisches Verhalten zu erkennen. Dieses ergibt sich aus
einer in der Draufsicht elliptischen Bewegung des Teilchens. Die Ursache für das Auftreten
von Ellipsen ist leicht einzusehen. Durch Reibung nimmt die Geschwindigkeit des Teilchens
ab und es kann sich nicht mehr auf seiner Kreisbahn halten. Die Bewegung nach innen
vermittelt dem Teilchen zusätzlich zu seiner anfänglichen Bewegung in ϕ-Richtung nun auch
eine radiale Komponente der Geschwindigkeit. Damit kann die Bewegung aber nicht mehr
kreisförmig sein und es ergibt sich eine Ellipse. Aufgrund des weiteren Verlustes von Energie
und Drehimpuls werden die Ellipsen immer kleiner und das Teilchen stürzt in den Trichter.
Die Bewegung ist allerdings stark irregulär, da die Perioden der Oszillation mit der Zeit
abnehmen.
-7-
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1.0
1.0
0.8
0.5
r
y
0.6
0.0
0.4
-0.5
0.2
0.0
0
10
20
30
40
50
60
-1.0
- 1.0
j
- 0.5
0.0
x
0.5
1.0
Abb. 5: Radius als Funktion des Winkels und Bahnkurve in x,y-Darstellung (Draufsicht) für
α = 10, β = 0.1. Die blaue Kurve gibt die exakte numerische Lösung an, die rote Kurve die
analytische Näherung.
Die Bewegung erkennt man besonders deutlich in der dreidimensionalen Darstellung:
Abb. 6: Bahnkurve des Teilchens im Gravitationstrichter als Funktion der Zeit für
α = 10, β = 0.1.
Schließlich kann man noch die zeitliche Entwicklung der Energie betrachten.
Entsprechend Gleichung (15) muss die Ableitung, d.h. die Steigung, immer negativ sein. Die
Energie muss also monoton abnehmen. Dies ist in der Tat der Fall. Es ist bemerkenswert, wie
gut die analytische Näherung den exakten Verlauf beschreibt.
-8-
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0
E ê E0
-2
-4
-6
-8
-10
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
t
Abb. 7: Energie als Funktion der Zeit für α = 10, β = 0.1. Die blaue Kurve gibt die exakte
numerische Lösung an, die rote Kurve die analytische Näherung.
Bei sehr großen Werten von α, d.h. schwacher Reibung, nimmt die Amplitude der
Oszillation stark ab und die numerische Lösung nähert sich immer besser der analytischen
Näherung an. Auch die Bewegung entspricht dann einer einfachen sich immer mehr
zusammenziehenden Spirale. Nachfolgend ist die Lösung für α = 100 gezeigt.
1.0
0.8
r
0.6
0.4
0.2
0.0
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
t
Abb. 8: Radius als Funktion der Zeit und Bahnkurve im Gravitationstrichter für
α = 100, β = 0.1. Die blaue Kurve gibt die exakte numerische Lösung an, die rote Kurve die
analytische Näherung.
Erwartungsgemäß verliert die Näherung bei kleinen Werten von α, d.h. starker Reibung,
ihre Gültigkeit. Das Teilchen stürzt dann einfach in einer flachen Kurve in den Trichter.
-9-
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1.0
0.8
r
0.6
0.4
0.2
0.0
0.0
0.5
1.0
t
1.5
Abb. 9: Radius als Funktion der Zeit und Bahnkurve im Gravitationstrichter für
α = 1, β = 0.1. Die blaue Kurve gibt die exakte numerische Lösung an, die rote Kurve die
analytische Näherung.
8.
Mögliche Erweiterungen des Modells
Das Modell berücksichtigt soweit noch nicht die endliche Ausdehnung der Kugel. Es ist
vielmehr stillschweigend von einem mathematischen Massepunkt ausgegangen worden. Bei
endlicher Ausdehnung besitzt das Teilchen aufgrund seines Trägheitsmomentes auch innere
Energie, aus dem Abstand zwischen Auflagepunkt und Scherpunkt ergibt sich ein
Drehmoment und die innere Rotation des Teilchens ist mit der Bewegung entlang der
Oberfläche über die Rollbedingung gekoppelt.
Das Rollen des Teilchens über die Oberfläche bringt eine Rollreibung mit sich, die
proportional zur Normalkomponente der Kraft auf die Oberfläche ist, d.h. dem Betrag der
Zwangskraft. Natürlich ist auch diese Kraft der Geschwindigkeit entgegengerichtet. Aus
dieser Reibung, die an der Kontaktfläche zwischen Teilchen und Oberfläche auftritt, ergibt
sich ebenfalls ein Drehmoment.
Abschließend sei noch angemerkt, dass sich das Problem auch über den LagrangeFormalismus formulieren lässt. Damit ergibt sich zwar keine einfachere Form der
Gleichungen - im Gegenteil, das Ergebnis ist identisch –, doch lassen sich die Gleichungen
über einen wohl definierten Formalismus einfacher bestimmen.
9.
Zusammenfassung und Schussbemerkung
Man erkennt, dass sich ein scheinbar einfaches Problem bei näherer Betrachtung als
äußerst komplex erweisen kann. Der Graviationstricher verhält sich allgemein deutlich anders
als ein freies Teilchen im Gravitationspotential. Allerdings lässt sich zeigen, dass bei sehr
kleiner Reibung die Bewegung wiederum gut durch die klassische Bilanz der Kreisbahn aus
Gravitationskraft und Schwerkraft beschrieben ist. Bei mittlerer Reibung gibt diese Lösung
immerhin noch die mittlere Bahnkurve gut wieder. Über die Reibung ergibt sich ein
Drehmoment, das näherungsweise zu schräg im Trichter liegenden Ellipsenbahnen mit
irregulärem Zeitverhalten führt. Durch Einführung normierter Größen lassen sich die
verschiedenen in die Gleichung eingehenden Größen auf zwei dimensionslose Parameter
reduzieren. Das Modell ist trotz seiner Komplexität noch nicht vollständig. Möglichkeiten zu
seiner Erweiterung sind skizziert worden.
- 10 -
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10.
Anhang:
Lösung der Bewegungsgleichung und Darstellung mit Mathematica
Mathematica ist eine kommerzielle Software zur Durchführung analytischer und
numerischer Berechnungen, die im wissenschaftlichen Bereich weit verbrietet ist. Es gibt
auch Software anderer Hersteller wie z.B. Maple oder Mathcad, die ebenfalls diese
Möglichkeit bieten.
Die numerische Lösung der Bewegungsgleichung kann in Mathematica mittels einer
einzigen Zeile erfolgen. Die Berechnung dauert auf einem normalen PC nur den Bruchteil
einer Sekunde. Den größten Teil des Codes nehmen Befehle zur Darstellung der Lösung ein.
Hier lassen sich die grafischen Möglichkeiten von Mathematica sehr gut ausnutzen.
Nachfolgend ist als Beispiel der Code abgedruckt.
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