Einblick - Christiani

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EUROPA-FACHBUCHREIHE
für Chemieberufe
Fachwissen Chemie 2
Erweiterte Qualifikationen für Laborberufe
VERLAG EUROPA-LEHRMITTEL . Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG
Düsselberger Straße 23 . 42781 Haan-Gruiten
Europa-Nr.: 69956
CH2-Titelei.indd 1
07.08.14 12:36
Autoren:
Dr. Henrik Althaus
Peter Brackmann
Dr. Astrid Grote-Wolff
Dr. Heinz Hug
Helmut Keim
Dr. Heribert Keweloh
Prof. Dr. Peter Kurzweil
Dr. Thomas Meyer
StR, Dipl. Chem.
Betr. Ausbilder Chemielaboranten
Dipl.-Chem.
OStR, Dipl.-Chem.
OStR, Dipl.-Ing.
Priv.-Doz.
Dipl.-Chem.
OStR, Dipl.-Chem.
Stade
Bremen
Nottuln
Wiesbaden
Mülheim a. d. R.
Oberhausen
Amberg
Holzminden
Unter Mitwirkung von Herrn Dr.-Ing. Eckhard Ignatowitz, Waldbronn
Leitung des Arbeitskreises:
Dr. Thomas Meyer
Verlagslektorat:
Dr. Astrid Grote-Wolff
Bildbearbeitung:
Grafische Produktionen Jürgen Neumann, 97222 Rimpar
Zeichenbüro des Verlags Europa-Lehrmittel, 73760 Ostfildern
Umschlaggestaltung:
Grafische Produktionen Jürgen Neumann, 97222 Rimpar,
nach dem Entwurf von Dr. Thomas Meyer
1. Auflage 2014
Druck 5 4 3 2 1
Alle Drucke derselben Auflage sind parallel einsetzbar, da sie bis auf die Behebung von Druckfehlern untereinander unverändert sind.
ISBN
978-3-8085-6995-5
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb
der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.
© 2014 by Verlag Europa-Lehrmittel, Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG, 42781 Haan-Gruiten
http://www.europa-lehrmittel.de
Satz: Grafische Produktionen Jürgen Neumann, 97222 Rimpar
Druck: M. P. Media-Print Informationstechnologie, 33100 Paderborn
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Vorwort
Mit der rasanten Entwicklung der Wissenschaft Chemie, der chemischen Analytik und der chemischen Verfahrenstechnik geht die zunehmende fachliche Spezialisierung der Fachkräfte in Chemielaboratorien einher. Bereits während der Ausbildung findet eine Vertiefung der Kenntnisse auf
den im fachpraktischen Teil der Ausbildung relevanten Wissensgebieten statt.
Das Lehrbuch „Fachwissen Chemie 2: Erweiterte Qualifikationen für Laborberufe“ baut auf den
chemischen Grundlagen auf, die im ersten Band dieser Fachbuchreihe vermittelt wurden. Abgestimmt auf den Rahmenlehrplan für die Ausbildung zum Chemielaboranten/zur Chemielaborantin sowie angelehnt an die Lehrpläne der höheren Berufsfachschule Chemie bzw. Chemietechnik für die Ausbildung zum Chemisch-technischen Assistent/zur Chemisch-technischen
Assistentin werden die Qualifikationen der Fachstufe bis zum Teil 2 der gestreckten Abschlussprüfung auf einem an der bundeseinheitlichen Prüfung der Chemielaboranten orientierten Niveau vermittelt. Auch Schüler und Auszubildende anderer naturwissenschaftlicher
Bildungsgänge sowie Studierende an Hochschulen und Universitäten können mit diesem Buch
ihre im Studium zu erwerbenden Fachkenntnisse über ein fundiertes Grundwissen der Chemie
hinaus vertiefen.
Die fachlichen Schwerpunkte des Lehrwerks:
• Qualitätsmanagementsysteme, Qualitätswerkzeuge und mathematisch-statistische Verfahren werden anhand anschaulicher Beispiele und unterstützt durch Grafiken erläutert.
• Auf der Basis der vermittelten grundlegenden Kenntnisse zur Probenahme, Probenbehandlung
und Probenvorbereitung wird der Leser dazu befähigt, sich anhand aktueller Publikationen das
fallspezifische Spezialwissen anzueignen.
• Volumetrische und gravimetrische Analyse sowie chromatografische Trenntechniken, wie GC
und HPLC, werden genauso behandelt wie die Grundlagen spektrometrischer Verfahren, wie
die Atomabsorptionsspektrometrie AAS und die Röntgenfluoreszenzanalyse RFA.
• Auf die systematische Darstellung von Reaktionsmechanismen der organischen Chemie
folgen die Strukturaufklärung organischer Verbindungen mithilfe der UV/Vis-, IR-, 1H-NMRund 13C-NMR-Spektroskopie sowie der Massenspektrometrie.
• Für die Probenahme in großtechnischen Prozessen unerlässlich sind Kenntnisse von
Produktionsprozessen, der Darstellung von Produktionsanlagen in RI-Fließbildern sowie der
Funktionsweise und Eigenschaften der verschiedenen Anlagenbestandteile.
• Im Kapitel Werkstofftechnik erhält der Leser einen Überblick über Werkstoffarten, moderne
Werkstoffprüfverfahren sowie über rheologische Bestimmungen in der Praxis.
• Grundlegende Kenntnisse zur Elektrochemie und Elektrotechnik werden schrittweise dargestellt. Hierauf aufbauend werden elektrochemische Vorgänge im großtechnischen Prozess, wie
Galvanik und Elektrolyse, sowie die elektrochemischen Analyseverfahren verständlich gemacht.
• Das Kapitel zur Biotechnologie ermöglicht auf der Basis der biologischen Grundlagen einen
Einblick in die modernen Methoden der Mikrobiologie und Biotechnik.
Das Buch ist sowohl als den Unterricht begleitendes Werk als auch zum Selbststudium geeignet. Das Verständnis der dargestellten Inhalte wird durch die reichhaltige Bebilderung gefördert.
Während der Ausbildung, zur Prüfungsvorbereitung und nach der Ausbildung kann das Buch als
wertvoller, umfangreicher Wissensspeicher genutzt werden. Eine Auswahl der genannten Stoffe
ist mit ihrer Gefahrstoffkennzeichnung nach GHS im Anhang aufgeführt.
Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir viel Freude und Erfolg beim Erlernen und Erforschen der erweiterten Qualifikationen für Laborberufe. Hinweise und Ergänzungen, die zur
Verbesserung und Weiterentwicklung des Buches beitragen, werden unter der Verlagsadresse
oder per E-Mail ([email protected]) dankbar entgegengenommen.
Sommer 2014
Autoren und Verlag
3
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Inhaltsverzeichnis
1
Qualität und Qualitätssysteme (Lernfelder 6a, 7, 8, 11) ..................................................11
1.1
1.2
1.3
1.4
1.4.1
1.4.2
1.4.3
1.4.4
1.4.5
1.4.6
1.5
1.5.1
1.5.2
1.5.3
1.5.4
1.5.5
1.6
1.6.1
1.6.2
1.6.3
1.6.4
1.6.5
1.6.6
1.6.7
1.7
1.8
Qualität ................................................................................................................................. 11
Qualitätsmerkmale .............................................................................................................. 15
Fehler .................................................................................................................................... 16
Qualitätssysteme ................................................................................................................. 19
Qualitätskontrolle QK und Qualitätssicherung QS............................................................ 19
Qualitätsmanagement QM .................................................................................................. 20
Totales Qualitätsmanagement TQM................................................................................... 26
Gute Laborpraxis GLP ......................................................................................................... 28
Good Manufacturing Practice GMP.................................................................................... 30
CE-Kennzeichnung ............................................................................................................... 30
Mathematisch-statistische Methoden zur Kontrolle und Überwachung von Qualität. 32
Median m.............................................................................................................................. 32
Arithmetisches Mittel x– ....................................................................................................... 33
Varianz s2 und Standardabweichung s .............................................................................. 34
Variationskoeffizient v ......................................................................................................... 38
Spannweite R ....................................................................................................................... 39
Q7 – Werkzeuge der Qualität.............................................................................................. 39
Fehlersammelliste................................................................................................................ 40
Qualitätsregelkarte............................................................................................................... 41
Histogramm.......................................................................................................................... 44
Korrelationsdiagramm ........................................................................................................ 45
Pareto-Diagramm................................................................................................................. 46
Brainstorming ...................................................................................................................... 47
Ursache-Wirkungs-Diagramm ............................................................................................ 49
Fehlermöglichkeits- und Fehlereinfluss-Analyse .............................................................. 50
Validierung ........................................................................................................................... 52
Aufgaben zu Kapitel 1 ......................................................................................................... 56
2
Probenahme, Probenbehandlung und Probenvorbereitung (Lernfelder 7, 9, 10) .........57
2.1
2.2
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
2.2.5
2.2.6
2.2.7
2.2.8
2.3
2.4
2.5
2.6
2.6.1
2.6.2
2.6.3
Analyse von Proben............................................................................................................. 58
Probenahme ......................................................................................................................... 59
Ort und Zeit der Probenahme, Festlegung der Grundgesamtheit ................................... 60
Probenahmeverfahren bei Ortsabhängigkeit der Parameter ........................................... 61
Probenahmeverfahren bei Zeitabhängigkeit der Parameter ............................................ 62
Probenahmegeräte für Feststoffe ....................................................................................... 63
Probenahmegeräte für Flüssigkeiten ................................................................................. 64
Probenahmegeräte für Gase ............................................................................................... 65
Probenmenge ....................................................................................................................... 67
Probengefäße ....................................................................................................................... 69
Messungen vor Ort .............................................................................................................. 70
Probenkonservierung und -transport ................................................................................ 71
Probenahmeprotokoll ......................................................................................................... 72
Probenvorbereitung ............................................................................................................ 73
Homogenisierung, Probenverjüngung und Probenteilung .............................................. 74
Lösen der festen Analysenprobe ........................................................................................ 77
Abtrennen von Analyt und Störsubstanzen ...................................................................... 79
4
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Inhaltsverzeichnis
2.6.4
2.7
2.8
Einstellen einer geeigneten Analytkonzentration ............................................................. 80
Externe Kalibrierung und Messung ................................................................................... 81
Auswertung, Dokumentation und Qualitätssicherung .................................................... 82
Aufgaben zu Kapitel 2 ......................................................................................................... 82
3
Reaktionen organischer Präparate (Lernfelder 6a, 6b, 11) ..............................................83
3.1
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
3.3
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
3.3.5
3.3.6
3.3.7
3.4.
3.4.1
3.4.2
3.5
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.6
3.6.1
3.6.2
3.6.3
Additionsreaktionen an C-C-Mehrfachbindungen ............................................................ 83
Struktur der Alkene .............................................................................................................. 83
Reaktionen der Alkene......................................................................................................... 84
Reaktionen der Alkine.......................................................................................................... 92
Reaktionen aromatischer Verbindungen ........................................................................... 94
Struktur des Benzols und Aromatizität .............................................................................. 94
Elektrophile aromatische Substitution und Folgereaktionen ........................................... 96
Zweit- und Mehrfachsubstitution ..................................................................................... 103
Reaktionen von Diazoniumverbindungen ....................................................................... 109
Nucleophile aromatische Substitution............................................................................. 112
Substitution und Eliminierung ......................................................................................... 113
Substitutionsreaktionen der Halogenalkane ................................................................... 114
Eliminierungsreaktionen der Halogenalkane .................................................................. 121
Substitutionsreaktionen der Alkohole.............................................................................. 123
Eliminierungsreaktionen von Alkoholen.......................................................................... 124
Oxidation von Alkoholen................................................................................................... 125
Reaktionen der Amine ....................................................................................................... 126
Reaktionen der Ether und Oxirane (Epoxide) .................................................................. 127
Carbonylverbindungen...................................................................................................... 129
Reaktionen der Carbonsäuren und deren Derivate......................................................... 129
Reaktionen der Aldehyde und Ketone ............................................................................. 137
Stereochemie organischer Stoffe .................................................................................... 144
Asymmetrisch substituierte Kohlenstoffatome............................................................... 145
Optische Aktivität ............................................................................................................... 146
Verbindungen mit mehreren chiralen Zentren ................................................................ 147
Makromoleküle .................................................................................................................. 149
Natürliche Makromoleküle ................................................................................................ 150
Synthetische Makromoleküle ........................................................................................... 151
Synthetisch veränderte Naturstoffe ................................................................................. 156
Aufgaben zu Kapitel 3 ....................................................................................................... 158
4
Volumetrische und gravimetrische Analyse (Lernfeld 7) ..............................................161
4.1
4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.1.4
4.1.5
4.1.6
4.1.7
4.1.8
Volumetrische Analyse ..................................................................................................... 161
Äquivalenzpunkterkennung .............................................................................................. 162
Maßlösungen ..................................................................................................................... 165
Titrationstechniken ............................................................................................................ 172
Säure-Base-Titration .......................................................................................................... 173
Redoxtitration..................................................................................................................... 180
Komplexometrische Titration ........................................................................................... 187
Fällungstitration ................................................................................................................. 191
Spezielle Titrationen .......................................................................................................... 195
5
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Inhaltsverzeichnis
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
Gravimetrische Analyse .................................................................................................... 203
Gravimetrische Fällungsanalyse ...................................................................................... 203
Feuchtigkeits- und Trockengehalt, Glührückstand .......................................................... 206
Thermogravimetrie ............................................................................................................ 207
Elektrogravimetrie ............................................................................................................. 208
Aufgaben zu Kapitel 4 ....................................................................................................... 209
5
Chromatografische Trenntechniken (Lernfeld 8) ...........................................................211
5.1
5.1.1
5.1.2
5.1.3
5.1.4
4.1.5
5.1.6
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.2.4
5.2.5
5.3
5.3.1
5.3.2
Gaschromatografie GC...................................................................................................... 211
Trägergase .......................................................................................................................... 211
Probenaufgabe ................................................................................................................... 214
Injektionssysteme .............................................................................................................. 216
Säulenofen und Säulen ..................................................................................................... 218
Detektoren .......................................................................................................................... 224
Fehlersuche und Optimierung .......................................................................................... 229
Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatografie HPLC......................................................... 231
Eluentenförderung ............................................................................................................. 231
Injektionssystem ................................................................................................................ 233
Säulen und Trennung ........................................................................................................ 234
Detektion............................................................................................................................. 238
Fehlersuche ........................................................................................................................ 240
Spezielle chromatografische Methoden.......................................................................... 241
Ionenchromatografie ......................................................................................................... 241
Elektrophorese ................................................................................................................... 244
Aufgaben zu Kapitel 5 ....................................................................................................... 246
6
Spektroskopie (Lernfeld 9) ...............................................................................................249
6.1
6.2
6.3
6.4
6.4.1
6.4.2
6.5
6.6
6.6.1
6.6.2
6.6.3
6.6.4
6.6.5
6.7
6.7.1
6.7.2
6.7.3
6.8
Grundgrößen der Wellenlehre.......................................................................................... 249
Quantenprinzip und Energie............................................................................................. 251
Spektrenarten .................................................................................................................... 253
Aufbau von Spektralapparaten ........................................................................................ 254
Signalauftrennung ............................................................................................................. 254
Detektion und Auswertung ............................................................................................... 256
Bouguer-Lambert-Beer-Gesetz ......................................................................................... 257
Atomabsorptionsspektrometrie (AAS)............................................................................ 260
Aufbau eines Atomabsorptionsspektrometers ............................................................... 262
Strahlungsquellen.............................................................................................................. 263
Atomisierung...................................................................................................................... 264
Störungen der Atomabsorptionsmessung ...................................................................... 266
AAS-Quantifizierung mittels Standardadditionsverfahren ............................................ 267
Plasma-Emissionsspektrometrie...................................................................................... 268
Plasmafackel....................................................................................................................... 268
Polychromatoren in der Plasma-Emissionsspektroskopie ............................................. 269
Vergleich von AAS und ICP-OES ...................................................................................... 270
Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) ................................................................................... 270
Aufgaben zu Kapitel 6 ....................................................................................................... 273
6
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Inhaltsverzeichnis
7
Strukturaufklärung organischer Verbindungen (Lernfeld 10) ......................................275
7.1
7.2
7.3
7.3.1
7.3.2
7.3.3
7.3.4
7.4
7.4.1
7.4.2
7.4.3
7.4.4
7.4.5
7.5
7.5.1
7.5.2
7.6
7.6.1
7.6.2
7.6.3
7.6.4
7.7
7.7.1
7.7.2
7.7.3
Organisch-analytische Vorproben .................................................................................... 275
Elementaranalyse und Molmassenbestimmung ............................................................ 278
UV/Vis-Spektroskopie ...................................................................................................... 280
Anregung von Elektronen in Molekülen .......................................................................... 280
UV/Vis-Spektrometer ......................................................................................................... 282
Absorptionsspektroskopie an Molekülen ........................................................................ 284
Anwendungen der UV/Vis-Spektroskopie ....................................................................... 286
Infrarot-Spektroskopie (IR) ............................................................................................... 290
Molekülschwingungen und Rotationen ........................................................................... 290
Angewandte IR-Spektroskopie ......................................................................................... 291
Auswertung von IR-Spektren ............................................................................................ 293
Nahinfrarot-Spektroskopie (NIR) in der Anwendungspraxis ......................................... 299
Raman-Spektroskopie ....................................................................................................... 300
Massenspektrometrie (MS) .............................................................................................. 301
Molekülpeaks und Fragmente .......................................................................................... 301
Auswertung von Massenspektren .................................................................................... 304
Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) ........................................................................ 309
Kernspin und NMR-Signale .............................................................................................. 309
Auswertung von 1H-NMR-Spektren ................................................................................. 310
Auswertung von 13C-NMR-Spektren ................................................................................ 314
Spezielle NMR-Techniken in der Anwendungspraxis ..................................................... 316
Strukturaufklärung mit kombinierten Methoden........................................................... 318
Aromastoff.......................................................................................................................... 318
Weckamin ........................................................................................................................... 320
Explosivstoff ....................................................................................................................... 321
Aufgaben zu Kapitel 7 ....................................................................................................... 322
8
Produktionsprozesse überwachen (Lernfeld 12) ...........................................................323
8.1
8.2
8.2.1
8.2.2
8.2.3
8.3
8.4
8.4.1
8.4.2
8.4.3
8.5
8.5.1
8.5.2
8.5.3
8.6
8.6.1
8.6.2
Vom Labormaßstab zum chemischen Produktionsprozess .......................................... 323
Darstellung eines chemischen Produktionsprozesses ................................................... 323
Grundfließbild .................................................................................................................... 324
RI-Fließbild ......................................................................................................................... 324
RI-Fließbild einer Umkristallisation .................................................................................. 326
Komponenten einer chemischen Produktionsanlage .................................................... 328
Rohrleitungen .................................................................................................................... 329
Nennweite DN .................................................................................................................... 329
Nenndruck PN .................................................................................................................... 329
Kennzeichnung von Rohrleitungen .................................................................................. 330
Armaturen .......................................................................................................................... 330
Absperrarmaturen ............................................................................................................. 331
Sicherheitsarmaturen ........................................................................................................ 332
Armaturen mit anderen Aufgaben ................................................................................... 333
Fördereinrichtungen .......................................................................................................... 334
Fördern von Flüssigkeiten ................................................................................................. 334
Zentrifugalpumpen ............................................................................................................ 334
7
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Inhaltsverzeichnis
8.6.3
8.6.4
8.6.5
8.6.6
8.7
8.7.1
8.7.2
8.8
8.8.1
8.8.2
8.9
8.9.1
8.9.2
8.9.3
8.10
8.10.1
8.10.2
8.10.3
8.11
8.11.1
8.11.2
8.11.3
8.12
8.12.1
8.12.2
8.12.3
8.12.4
Verdrängerpumpen............................................................................................................ 336
Strahlpumpen .................................................................................................................... 338
Fördern und Verdichten von Gasen, Erzeugung von Unterdruck .................................. 338
Fördern von Feststoffen .................................................................................................... 340
Zerkleinern von Feststoffen .............................................................................................. 341
Brecher................................................................................................................................ 341
Mühlen ................................................................................................................................ 342
Behälter und Reaktoren .................................................................................................... 344
Rührbehälter....................................................................................................................... 344
Reaktoren............................................................................................................................ 345
Heiz- und Kühltechnik ....................................................................................................... 347
Energieträger...................................................................................................................... 347
Heizen und Kühlen von Rührbehältern ............................................................................ 349
Wärmeaustauscher und Kondensatoren ......................................................................... 350
Thermisches Trennen ........................................................................................................ 352
Trocknen ............................................................................................................................. 352
Verdampfen ........................................................................................................................ 354
Kristallisieren...................................................................................................................... 354
Mechanisches Trennen ...................................................................................................... 355
Trennen von Feststoffgemischen ..................................................................................... 355
Trennen von Suspensionen .............................................................................................. 357
Trennen von Emulsionen .................................................................................................. 361
Prozessleittechnik.............................................................................................................. 362
Aufbau eines Prozessleitsystems (PLS) ........................................................................... 362
Messtechnik........................................................................................................................ 364
Steuerungstechnik ............................................................................................................. 374
Regelungstechnik............................................................................................................... 378
Aufgaben zu Kapitel 8 ....................................................................................................... 381
9
Werkstofftechnik (Lernfeld 13) ........................................................................................383
9.1
9.1.1
9.1.2
9.1.3
9.1.4
9.1.5
9.1.6
9.1.7
Einteilung, Aufbau und Eigenschaften der Werkstoffe .................................................. 383
Allgemeine Werkstoffeigenschaften ................................................................................ 383
Polymerwerkstoffe ............................................................................................................. 384
Gläser .................................................................................................................................. 385
Keramiken........................................................................................................................... 385
Verformung der Metalle .................................................................................................... 386
Gitterdefekte und Gefüge .................................................................................................. 386
Legierungen ....................................................................................................................... 387
9.2
9.2.1
Zustandsschaubilder ......................................................................................................... 387
Gibbssche Phasenregel ..................................................................................................... 387
9.2.2
9.2.3
Binäre Systeme .................................................................................................................. 388
Eisen-Kohlenstoff-Legierungen ........................................................................................ 391
9.2.4
Legierte Stähle ................................................................................................................... 394
9.3
9.3.1
Werkstoffprüfung .............................................................................................................. 395
Mechanische Werkstoffprüfung........................................................................................ 396
8
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Inhaltsverzeichnis
9.3.2
9.3.3
9.3.4
9.4
9.4.1
9.4.2
9.4.3
9.4.4
9.5
Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung .................................................................................. 400
Metallografie und Ätzverfahren ........................................................................................ 403
Chemisch-physikalische Analyseverfahren ..................................................................... 406
Korrosion und Korrosionsschutz...................................................................................... 407
Ursachen der Korrosion .................................................................................................... 407
Erscheinungsformen der Korrosion ................................................................................. 407
Korrosionsschutz ............................................................................................................... 408
Korrosionsbeständige Werkstoffe .................................................................................... 409
Rheologische Bestimmungen in der Praxis .................................................................... 411
Aufgaben zu Kapitel 9 ....................................................................................................... 412
10
Elektrochemie und Elektrotechnik (Lernfelder 15, 20) ...................................................413
10.1
10.1.1
10.1.2
10.1.3
Grundbegriffe ..................................................................................................................... 413
Elektrische Ladung Q ......................................................................................................... 413
Elektrische Spannung U .................................................................................................... 415
Elektrischer Strom Ü........................................................................................................... 416
10.1.4 Elektrischer Widerstand R ................................................................................................. 420
10.2
Stromkreis .......................................................................................................................... 423
10.2.1
10.2.2
10.2.3
10.2.4
10.2.5
10.2.6
10.2.7
Schaltzeichen ..................................................................................................................... 423
Messung von Spannung U und Strom Ü ......................................................................... 423
Reihenschaltung ................................................................................................................ 425
Parallelschaltung................................................................................................................ 427
Brückenschaltung .............................................................................................................. 429
Gleichrichtung .................................................................................................................... 431
Bauelemente ...................................................................................................................... 432
10.3
Elektrochemische Vorgänge ............................................................................................. 437
10.3.1
10.3.2
10.3.3
10.3.4
10.3.5
Daniell-Element .................................................................................................................. 439
Elektrodenvorgänge .......................................................................................................... 441
Standardpotentiale und Elektrochemische Spannungsreihe......................................... 442
Bezugselektroden............................................................................................................... 446
Nernst-Gleichung ............................................................................................................... 448
10.4
Galvanische Elemente ....................................................................................................... 451
10.4.1 Primärelemente.................................................................................................................. 452
10.4.2 Sekundärelemente ............................................................................................................. 453
10.4.3 Brennstoffzellen ................................................................................................................. 454
10.5
Elektrolyse .......................................................................................................................... 455
10.5.1 Prinzipieller Ablauf............................................................................................................. 455
10.5.2 Abscheidungspotentiale und Zersetzungsspannung ..................................................... 456
10.5.3 Faraday-Gesetze................................................................................................................. 458
10.6
Großtechnische Anwendungen ....................................................................................... 461
10.6.1
10.6.2
10.6.3
10.7
Chlor-Alkali-Elektrolyse ..................................................................................................... 461
Kupfer-Raffination .............................................................................................................. 463
Aluminium-Darstellung ..................................................................................................... 464
Korrosion ............................................................................................................................ 464
9
CH2-Titelei.indd 9
07.08.14 12:36
Inhaltsverzeichnis
10.8
10.8.1
10.8.2
10.8.3
10.8.4
10.8.5
10.8.6
10.8.7
Elektrochemische Analyseverfahren ............................................................................... 466
Konduktometrie ................................................................................................................. 466
Potentiometrie.................................................................................................................... 467
Amperometrie .................................................................................................................... 470
Voltammetrie ...................................................................................................................... 472
Polarografie ........................................................................................................................ 474
Coulometrie ........................................................................................................................ 474
Elektrogravimetrie ............................................................................................................. 475
Aufgaben zu Kapitel 10 ..................................................................................................... 476
11
Biotechnologie (Lernfelder 14, 17 ,18) ............................................................................477
11.1
Biologische Grundlagen .................................................................................................... 479
11.1.1 Lebewesen und Eigenschaften lebender Systeme ......................................................... 480
11.1.2 Biologische Stoffklassen ................................................................................................... 483
11.1.3 Biologische Grundstrukturen und -funktionen ................................................................ 490
11.1.4 Zellen der Prokaryonten .................................................................................................... 491
11.1.5 Zellen der Eukaryonten ..................................................................................................... 492
11.1.6 Biologische Membranen ................................................................................................... 495
11.1.7 Viren .................................................................................................................................... 496
11.1.8 Gene als Träger der Erbinformationen............................................................................. 497
11.1.9 Proteinbiosynthese ............................................................................................................ 501
11.1.10 Stoffwechsel und Energieumwandlung........................................................................... 504
11.2
Mikrobiologie ..................................................................................................................... 508
11.2.1 Einordnung und Eigenschaften von Mikroorganismen.................................................. 509
11.2.2 Bedeutung der Mikroorganismen für den Menschen..................................................... 512
11.2.3 Wachstum und Vermehrung von Mikroorganismen ...................................................... 514
11.2.4 Wachstumsvoraussetzungen für Mikroorganismen ....................................................... 516
11.3
Mikrobiologische und biotechnische Methoden ............................................................ 520
11.3.1 Steriles Arbeiten und Sicherheitsvorkehrungen ............................................................. 520
11.3.2 Sterilisationstechniken ...................................................................................................... 522
11.3.3 Kultivierung von Mikroorganismen ................................................................................. 525
11.3.4 Keimzahlbestimmungen und Wachstumsmessungen ................................................... 530
11.3.5 Mikroskopische Methoden ................................................................................................ 532
Aufgaben zu Kapitel 11 ..................................................................................................... 537
Anhang ...............................................................................................................................539
A Liste ausgewählter Gefahrstoffe ................................................................................... 539
B RI-Fließbildsymbole nach DIN EN ISO 10628-2:2013-5
und Kennbuchstaben nach DIN 28000-3:2009-12 ........................................................ 542
Sachwortverzeichnis.......................................................................................................... 544
Bildquellenverzeichnis....................................................................................................... 552
Das Periodensystem der Elemente ................................................... Umschlaginnenseiten
10
CH2-Titelei.indd 10
07.08.14 12:36
1.1 Qualität
1 Qualität und Qualitätssysteme
Betriebliche Abläufe werden von einzuhaltenden Vorgaben, Qualitätsdenken oder umfassendem Qualitätsmanagement begleitet.
Qualität ist heute überall ein wichtiger Punkt,
über den immer wieder gesprochen wird.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass
gute Qualität den Erfolg eines Unternehmens
bestimmt. Hierbei steht nicht nur die Qualität
der Produkte des Unternehmens im Fokus der
Qualitätsgedanken, auch betriebsinterne Abläufe können qualitativ gut sein und auf diese
Weise einen betriebswirtschaftlichen Vorteil
erbringen.
In allen diesen Überlegungen ist der Begriff
Qualität enthalten. Er besitzt jedoch in jedem
Fall eine andere Bedeutung bzw. unterschiedliche Ausprägung.
1
Qualitätsmanagement
Totales
Qualitätsmanagement
Qualitätssicherung
Qualitätskontrolle
QK
QS
QM
1900
1930
Qualität
durch
Prüfen
Prozessverbesserung
TQM
2000
Zeitachse
Prozess- Umfassendes
stabilität
Qualitätsund Kundenprinzip
orientierung Null-FehlerPhilosophie
Im Laufe der historischen Entwicklung hat sich
das Qualitätsdenken verändert und weiter entwickelt. Angefangen bei der Qualitätskontrolle (QK) bzw. Qualitätsprüfung und schließlich
der Qualitätssicherung (QS), existiert heute in
Unternehmen meist ein Qualitätsmanagement
(QM) oder sogar ein Total Quality Management
(TQM), ein umfassendes Qualitätsmanagement (Bild 1).
Bild 1: Entwicklungsstufen von der Qualitätskontolle zum Total Quality Management
Der Bereich Qualität und Qualitätssysteme ist
sehr komplex. Daher erfolgt die Einführung in
diese Thematik schrittweise mit internen Verweisen zu weiterführenden Kapiteln, um das
Vertiefen der Kapitelinhalte zu erleichtern.
Qualität is
t,
was der
Kunde will
!
1.1 Qualität
Q u a li t
ät
beg i n n
t
i m K op
f.
Qualität ist, wenn der
Kunde zurückkommt
und nicht das Produkt.
ss for use.
Quality is fitne
Quality is a
never ending story ...
f e n h e it
Beschaf
ie
d
t
ig n u n g ,
is
t
h ih r e r E t e
Q u a li t ä
c
li
g
ü
z
e
h e it b
gesetz
e in e r E in g t e u n d v o r a u s e n .
le
e
r
g
e f ü ll
fest
n is s e z u
Erforder
Qualität wird in den meisten Fällen unterschiedlich verstanden. Im Alltag sprechen wir
von einer guten Qualität, wenn etwas genau
die Eigenschaften besitzt, die wir schätzen.
Jeder Hersteller wird beispielsweise von der Bild 2: Beschreibungen für Qualität
Qualität seines Produkts überzeugt sein. Seine
Kunden werden die Qualität gegebenenfalls vollkommen unterschiedlich beurteilen. Deshalb
hängt Qualität mit der Sichtweise oder dem Standpunkt des Beurteilenden zusammen (Bild 2).
Der Begriff Qualität stammt vom lateinischen Wort qualitas ab und bedeutet Merkmal, Eigenschaft oder Beschaffenheit. Der eigentliche Begriff Qualität gibt die Eigenschaften eines Stoffs, eines Stoffsystems (Stoffgemisch), eines Prozesses oder beispielsweise auch einer Dienstleistung
wieder. Qualität ist damit das Gegenstück zur Quantität (lat. quantitas: Größe, Anzahl, Menge).
Qualität gibt die Eigenschaften eines Stoffes, Systems, Prozesses oder einer Dienstleistung an.
Quantität bezeichnet die Menge oder Anzahl von Stoffen, Objekten oder Vorgängen.
11
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01.08.14 08:14
1 Qualität und Qualitätssysteme
Fehlererfassung
und grafische
Darstellung
OEG
OWG
UWG
UEG
Merkmal 1:
Merkmal 2:
2 Qualitätsregelkarte
Merkmal 3:
H (xi)
1
Masse
3 Histogramm
1 Fehlersammelliste
Q7
4 Korrelationsdiagramm
Qualität
Ursache
Wirkung
6 Brainstorming
5 Pareto-Diagramm
Merkmal 1
7 Ursache-Wirkungs-Diagramm
%
Merkmal 2
Fehleranalyse
und Lösungsfindung
Fehler
Bild 1: Die sieben Qualitätswerkzeuge als elementare Werkzeuge der Qualität
Mit der Fehlersammelliste, der Qualitätsregelkarte und dem Histogramm werden in der Phase
der Fehlererfassung die Informationen zu den Fehlerarten, -häufigkeiten sowie -orten gezählt und
grafisch dargestellt.
Die elementaren Werkzeuge Korrelationsdiagramm, Pareto-Diagramm, Brainstorming sowie
Ursache-Wirkungs-Diagramm werden zur Analyse von Fehlern eingesetzt. Außerdem können
mit diesen Werkzeugen die Bedeutung einzelner Fehler sowie die Wechselwirkungen von Fehlern
untereinander ausgemacht werden. Diese Werkzeuge dienen somit der Lösungsfindung, um zum
qualitativ hochwertigen Prozess zurückzukehren.
Auch wenn alle Werkzeuge der Q7 aufeinander aufbauen, können sie trotzdem unabhängig voneinander in der Qualitätsarbeit eingesetzt werden.
Die Sieben Qualitätswerkzeuge oder Q7 sind elementare Werkzeuge für die Datenerfassung
und -analyse sowie für das Auffinden von Fehlern in Prozessabläufen und Lösungsstrategien.
Durch die Q7 können Reaktionen auf Abweichungen optimiert und Reaktionszeiten minimiert
werden. Die Q7 dienen der Sicherstellung von Qualitätsstandards.
1.6.1 Fehlersammelliste
Fehlersammellisten, auch Fehlersammelkarten oder Strichsammellisten genannt, sind ein
Qualitätswerkzeug, das über die Art und die Anzahl von Fehlern Auskunft gibt. Mit Fehlersammellisten können Fehler auf einfache Weise erfasst werden. Die Darstellung ist leicht verständlich. Jedes eintretende Ereignis wird durch einen Strich festgehalten
Während sich Untersuchungen mit einem Stichprobenumfang von zehn Messwerten wie im
Beispiel der Dickenmessung (Tabelle 1, S. 32) leicht überblicken lassen, sind Stichprobenum40
CH2-Kap1.indd 40
01.08.14 08:14
1.6 Q7 – Werkzeuge und Qualität
fänge von hundert oder mehr Messwerten
zu umfangreich. Hierzu eignet sich eine Fehlersammelliste. Mit ihr können sowohl unterschiedliche Merkmale (Bild 1) als auch Größenmesswerte erfasst werden (Bild 2).
Die Fehlersammelliste zur Erfassung von Größenwerten kann direkt angefertigt werden,
wenn bekannt ist, welche Werte die kleinsten
und die größten Messwerte annehmen. Ohne
diese Extremwerte sind die Messwerte in einer
Urliste zusammen zu tragen und anschließend
der Größe nach zu ordnen sowie zu klassieren.
Dies kann dann in eine Strichsammelliste umgesetzt werden (Bild 3).
In der Strichsammelliste werden alle Werte
vom Minimal- bis zum Maximalwert untereinander gesetzt und die Häufigkeit des Vorkommens der beobachteten Messwerte durch Striche markiert. Diese geordnete Liste enthält alle
beobachteten Werte xi mit den zugehörigen
absoluten Häufigkeiten H(xi) bzw. den Besetzungszahlen.
Eine Fehlersammelliste, Strichsammelliste
oder Fehlersammelkarte ist ein Qualitätswerkzeug zur Erfassung und Darstellung
von Ereignissen nach Art und Anzahl. Jedes Ereignis wird durch einen Strich festgehalten.
Die geordnete Liste gibt ein anschaulicheres
Bild der gemessenen Werte als die Urliste und
zeigt sogar eine Verteilung der Werte zwischen
dem Minimal- und Maximalwert (Bild 3). Die
Fehlersammelliste liefert damit bereits Hinweise zu Prozessabläufen und bildet die Basis für
weitere Berechnungen und statistische Analysen. Aus den Fehlersammellisten können oft
auch schon Rückschlüsse auf mögliche Fehlerursachen gezogen werden, so dass eine Verbesserung des Prozesses erfolgen kann.
Fehler
Frühschicht
S
Spätschicht
1
Temperaturfehler
11
Wägefehler
19
Abweichung
Wellenlänge
15
Reißfestigkeit
7
Sonstiges
3
Gesamt:
28
27
55
Bild 1: Fehlersammelliste für unterschiedliche
Merkmale
Absolute Häufigkeit
H (x i )
Wellenlänge x i
in nm
S
253
7
254
12
255
17
256
14
257
12
258
9
259
6
Bild 2: Fehlersammelliste für Größenwerte
Klasse
von
bis
Absolute Häufigkeit H (x i )
0
5
10
15
S
3
1
51,915 51,944
2
51,945 51,974
6
3
51,975 50,004
5
4
52,005 52,034
11
5
52,035 52,064
12
6
52,065 52,094
6
7
52,095 52,124
6
8
52,125 52,155
1
Bild 3: Fehlersammelliste mit klassierten und geordneten Werten aus der Urliste
Voraussetzung für die Aufnahme einer Fehlersammelliste im Rahmen der Qualitätsarbeit ist,
dass die äußeren Einflussfaktoren konstant sind und damit alle erfassten Fehler den gleichen
grundlegenden Bedingungen unterliegen.
1.6.2 Qualitätsregelkarte
Die Qualitätsregelkarte bzw. Regelkarte wird im Qualitätsmanagement zur bildlichen Veranschaulichung und Auswertung von Prüfdaten verwendet, die über einen längeren Zeitraum hinweg fortlaufend aufgenommen werden. Sie ist damit eher ein Datenblatt oder ein Schaubild als
eine Karte (Bild 1, S. 42).
41
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01.08.14 08:14
x– + 3j
x– + 2j
x– + 1j
x–
obere Eingriffsgrenze
obere Warngrenze
Warnbereich Kontroll± 2j
bereich
± 3j
OEG
OWG
Toleranzbereich
1
Qualitätsregelkarten werden auch häufig bei
der Prozessbeobachtung eingesetzt, um einen
laufenden Prozess zu überwachen. Unregelmäßigkeiten im Prozessablauf werden hierin
schon früh deutlich, so dass zur Vermeidung
von Fehlern und Ausschuss entsprechend eingegriffen werden kann.
Konzentration
1 Qualität und Qualitätssysteme
Mittelwert
In der Qualitätsregelkarte ist für jede Stichumfasst
umfasst
x– – 1j
D 95,4 %
probeneinheit der gemessene Wert eines
D 99,7 %
Merkmals eingetragen, so dass sich ein fortUWG
x– – 2j
untere Warngrenze
laufendes x-y-Achsendiagramm ergibt. Zur
–
UEG
x – 3j
Orientierung sind statistische Werte wie der
untere Eingriffsgrenze
Sollwert oder der arithmetische Mittelwert x–
als Mittellinie und auch die StandardabweiNummer der Messung oder
Zeitpunkt der Messung
chungen mit in die Regelkarte eingezeichnet.
Die Lage der Messwerte kann somit direkt in
Relation zu diesen statistischen Werten und Bild 1: Qualitätsregelkarte
den anderen eingetragenen Messwerten beurteilt werden. Im Einsatz sind unterschiedliche Regelkarten, die von den verfügbaren statistischen
Größen und die Stichprobengrößen abhängig sind. Allgemein dienen Regelkarten der Analyse
von Messwertlagen und dem Erkennen von Prozessabläufen.
Eine Qualitätsregelkarte ist eine grafische Darstellung zur Auswertung von Prozessdaten und
zur Prozessbeobachtung.
Die Regelkarte wird ausgehend von der Mittellinie in Zonen eingeteilt. Der Abstand der Zonen
entspricht beispielsweise jeweils dem Abstand einer Standardabweichung j. Die äußerste Grenze sowohl in positiver als auch in negativer Richtung von der Mittellinie stellt die Toleranzgrenze
dar, die die noch tolerierte Abweichung darstellt. Der Bereich innerhalb der 3j-Grenzen wird als
der natürliche Toleranzbereich bezeichnet.
Innerhalb der Toleranzgrenzen sind im Schaubild Warngrenzen (OWG, UWG) und Eingriffsgrenzen (OEG, UEG) eingezeichnet. Die jeweilige positive und negative Grenze liegt im betragsmäßig
–.
gleichen Abstand oberhalb und unterhalb des Sollwerts oder des arithmetischen Mittelwerts x
Jedes Überschreiten dieser Grenzen weist auf Unregelmäßigkeiten oder Fehler hin.
Folgt die Verteilung der Messwerte der Gaußschen Normalverteilung (s. Kap. 1.5.3., S. 37), kennzeichnen die Warngrenzen den Bereich von ± 2j um den Mittelwert. In diesem Bereich sollten
rund 95,4 % aller gemessenen Werte liegen. Ein Wert jenseits der Warngrenze kann auf Veränderungen des Prozessablaufs hinweisen, die durch geeignete Maßnahmen wieder korrigiert
werden können. Ein Eingriff in den Prozess kann notwendig sein. Die beiden Eingriffsgrenzen
stellen dementsprechend den ± 3j-Bereich dar, in dem etwa 99,7 % aller Messwerte enthalten
sein sollten.
In der Regelkarte sind neben dem Sollwert auch die Warngrenzen (OWG, UWG) und die
Eingriffsgrenzen (OEG, UEG) eingezeichnet, so dass die Lage der Messwerte zu den Grenzen
deutlich wird.
Liegt ein Messwert jenseits der Eingriffsgrenze, so kann der Prozess außer Kontrolle sein. Es ist
notwendig, in den Prozessablauf einzugreifen, bevor die Toleranzgrenzen überschritten werden.
Die in der Regelkarte gesetzten Grenzen beziehen sich auf statistisch berechnete Werte, so dass
von der Gesamtheit aller hergestellten Produkte (100 %) außerhalb des 3j-Bereichs (99,7 %) rein
rechnerisch insgesamt 100 % – 99,7 % = 0,3 % aller hergestellten Produkte liegen.
42
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01.08.14 08:14
2 Probenahme, Probenbehandlung und Probenvorbereitung
2 Probenahme, Probenbehandlung und Probenvorbereitung
Mit den stetig steigenden Anforderungen an chemische Produkte, gesunde Nahrungsmittel und
eine saubere Umwelt geht eine rasante Weiterentwicklung der Instrumentellen Analytik einher.
Durch moderne Gerätetechnik werden innerhalb kurzer Zeit genaue Informationen über die Zusammensetzung einer Probe erzielt.
Die Herkunft der zu analysierenden Probe und der Zweck der Untersuchung können sehr unterschiedlich sein, wie folgende Beispiele zeigen:
2
• Die Probe kann einem chemischen Produktionsprozess entnommen werden. In diesem Fall
dient das vom Labor des Unternehmens erzielte Messergebnis der Steuerung des Prozesses
bzw. der Kontrolle des Produkts.
• Umweltproben von Oberflächengewässern, Grundwasser, Boden und Luft werden ebenso wie
Proben industrieller und kommunaler Abwassereinleitungen, Abfall- und Abluftproben von
Anlagen in den Laboratorien der staatlichen Umweltämter untersucht. Die Analysen dienen
der Umwelt- und der Anlagenüberwachung.
• Proben z. B. von Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Produkten oder auch Lebensmittelverpackungen liegen bei Verdacht auf eine chemische Belastung oder bei routinemäßigen
Untersuchungen den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern zur Analyse vor. Das
Ziel besteht darin, die Bürger vor gesundheitlichen Schäden oder Gefahren sowie vor Irreführung und Täuschung zu schützen. Auch Proben der Körper von Nutz- oder Heimtieren werden
hier untersucht, um der Ausbreitung von Tierkrankheiten und -seuchen vorzubeugen. Auftraggeber der Untersuchungen sind die Städte und Gemeinden sowie das Land.
• Proben der gesamten landwirtschaftlichen Produktionskette werden in den Laboratorien der
Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalten (LUFA) untersucht. Landwirte und produzierende Gärtner, aber auch Privatpersonen reichen Proben von Boden, Saatgut,
Pflanzen, Futtermitteln, Wirtschaftsdüngern (z. B. Gülle, Stallmist), Biogas und Wasser (z. B.
Trinkwasser, Tränkwasser, Gießwasser) zur Analyse ein. Der Zweck der Untersuchungen besteht in der Qualitätssicherung der landwirtschaftlichen Produktion. Darüber hinaus kann
durch eine qualifizierte Düngeempfehlung der Ertrag maximiert werden.
Die Aussagekraft einer Analyse wird maßgeblich durch die Qualität der Probenahme
bestimmt. Das Ziel der Probenahme besteht
darin, einem zu untersuchenden Stoff eine
Stichprobe zu entnehmen, die für die Gesamtmenge des Stoffs repräsentativ ist. Die Gesamtmenge, auf die das Messergebnis übertragen
wird, wird Grundgesamtheit genannt.
Labor
Stichprobe
Grundgesamtheit
Die Probe muss in Bezug auf den zu messenden Parameter repräsentativ sein, nur
dann kann das Messergebnis auf die Grundgesamtheit übertragen werden.
Bild 1: Grundgesamtheit und Stichprobe
Probenehmer müssen über die erforderliche Sachkunde verfügen. Sie werden in regelmäßigen
Schulungen über aktuelle Anforderungen sowie neue Vorschriften und Verfahren informiert.
Privatpersonen, z. B. Landwirte, müssen bei der Probenahme die detaillierten Anweisungen des
beauftragten Labors beachten. Die meisten Laboratorien bieten auch die Probenahme als zusätzliche Dienstleistung an.
57
CH2-Kap2.indd 57
01.08.14 08:35
2 Probenahme, Probenbehandlung und Probenvorbereitung
2.1 Analyse von Proben
Unter dem Begriff Analyse wird eine systematische Untersuchung verstanden, bei der die Eigenschaften eines Objekts sowie seine Beziehungen und Wechselwirkungen mit anderen Objekten
bestimmt werden.
2
Das Ziel einer chemischen Analyse besteht in der Bestimmung der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung eines Stoffs, also seiner chemischen Parameter. Ein Stoff, z. B. eine Bodenprobe, hat jedoch zahlreiche weitere Eigenschaften, die Auskunft über seine Beschaffenheit
und seine Wechselwirkungen mit seinem Umfeld geben. Auch seine sensorischen Parameter,
wie z. B. der Geruch und die Farbe, seine physikalischen Parameter, wie z. B. seine Temperatur
am Ort der Probenahme, und seine biologischen Parameter, wie z. B. seine Besiedelung mit Lebewesen, lassen wertvolle Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit, der die Probe entnommen wurde,
zu. Alle erzielten Messwerte und Angaben zu den Charakteristika der Probe sollten sich auf die
Probe in ihrem ursprünglichen Zustand, also am Ort und zur Zeit der Probenahme beziehen.
Die vollständige Analyse einer Probe betrifft nicht nur die Bestimmung der charakteristischen Parameter. Sie umfasst alle Arbeitsschritte von der Probenahme bis hin zur
Auswertung, Dokumentation der erzielten Ergebnisse und Qualitätssicherung der Analyse
(Bild 1).
Zeitnah zur Probenahme werden die Parameter, die sich in Abhängigkeit von der Zeit, der
Temperatur oder/und dem Luftdruck stark verändern können, am Ort der Probenahme bestimmt. Beispiele für Messungen vor Ort sind
die Bestimmungen von Farbe und Geruch, der
Temperatur sowie des pH-Werts der Probe,
aber auch die Bestimmung der Umgebungstemperatur, der Windstärke und der Wetterverhältnisse am Ort und zum Zeitpunkt der Probenahme.
Probenahme
Messung vor Ort
Probenahmeprotokoll
Probenkonservierung
Probentransport
Probenlagerung
Probenvorbereitung
Auswertung,
Dokumentation
und
Qualitätssicherung
Kalibrierung
und Messung
Bild 1: Einzelschritte der Analyse einer Probe
Auch zahlreiche, nur mit der modernen Gerätetechnik des Labors bestimmbare Parameter der
Probe unterliegen nach der Probennahme Veränderungen. Mithilfe einer auf die wichtigen Parameter abgestimmten Probenkonservierung können mögliche Veränderungen minimiert werden.
Anschließend erfolgt der Probentransport ins Labor.
Alle Aspekte der Probenahme, der Probenkonservierung und des Probentransports sowie die
Ergebnisse der Messungen vor Ort müssen vom Probenehmer im Probenahmeprotokoll sorgfältig dokumentiert werden, damit ihre Einflüsse auf die im Labor gewonnenen Messergebnisse
nachvollziehbar sind.
Im Anschluss an eine möglichst kurze Probenlagerung im Labor erfolgt die Probenvorbereitung.
Nur eine Teilmenge der Probe wird der Analyse unterzogen, der Rest wird im Hinblick auf weitere Untersuchungen gelagert (Rückstellprobe). Damit die Teilmenge in Bezug auf die zu bestimmenden Parameter repräsentativ ist, erfolgt vor der Teilung der Probe ihre Homogenisierung.
Feststoffproben müssen vor der Messung zumeist gelöst werden. Ist der zu bestimmende Stoff,
der Analyt, schwer löslich, wird er durch einen Aufschluss in eine leicht lösliche Form überführt.
Nach der Probenvorbereitung erfolgen die Kalibrierung des Messgeräts, die Messung, die Auswertung der erzielten Messergebnisse, die Dokumentation sowie die Qualitätssicherung der
gesamten Analyse. Das Probenahmeprotokoll ist Bestandteil der vollständigen Unterlagen zur
Dokumentation der Analyse.
58
CH2-Kap2.indd 58
01.08.14 08:35
2.2 Probenahme
2.2 Probenahme
Das Ziel der Probenahme besteht darin, einer großen Menge an Merkmalsträgern einen kleinen
Teil zu entnehmen, dessen Eigenschaften repräsentativ für die Gesamtmenge sind.
Der kleine, repräsentative Teil der Merkmalsträger, der untersucht wird, wird Stichprobe genannt. Die große Menge an Merkmalsträgern, auf die das Ergebnis der Untersuchung übertragen
wird, wird als Grundgesamtheit bezeichnet.
2
Die Grundgesamtheit ist die Menge aller Merkmalsträger, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines Zeitraums an einem bestimmten Ort befinden. Alle Merkmalsträger weisen einen übereinstimmenden Parameter auf.
Nicht alle Merkmalsträger werden untersucht, sondern nur wenige, repräsentative Merkmalsträger werden zur Analyse ausgewählt. Diese werden als Stichproben bezeichnet.
Bei der Planung der Probenahme müssen zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden (Bild 1).
Der Zweck bzw. Anlass der Analyse entscheidet über den Ort sowie den Zeitpunkt bzw.
Zeitraum der Probenahme. Auf der Basis von
Ort und Zeit wird die Grundgesamtheit festgelegt. Die Grundgesamtheit ist ein genau definierter Teil des Stoffes am Probenahmeort für
den Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Probenahme.
Zweck der Analyse
Ort der
Probenahme
Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Probenahme
Festlegung der Grundgesamtheit
Im nächsten Schritt werden die allen Merkmalsträgern der Grundgesamtheit gemeinsamen
Eigenschaften festgelegt: die zu bestimmenden Parameter. Aufgrund der Besonderheiten
der festgelegten Parameter kann die Größe der
Grundgesamtheit präzisiert werden.
Die Auswahl des geeigneten Probenahmeverfahrens richtet sich nach der Orts- und Zeitabhängigkeit der zu bestimmenden Parameter.
Die erforderlichen Probenahmegeräte werden
durch das gewählte Probenahmeverfahren bestimmt.
Zu bestimmende Parameter
Orts- bzw.
Zeitabhängigkeit
Probenahmeverfahren
Probenmenge
Probenahmegeräte
für Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase
Probengefäße für
Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase
Bild 1: Planung einer Probenahme
Über die erforderliche Probenmenge entscheiden die geplanten Messungen. Die Größe und das
Material der Probengefäße hängen von der Probenmenge und der notwendigen Konservierung
der Probe ab.
Die Planung einer Probenahme sollte stets sorgfältig durchgeführt werden. Durch Fehler bei der
Probenahme oder auch unvollständige Informationen im Probenahmeprotokoll kann das Messergebnis unbrauchbar werden.
Eine lückenhafte Planung kann auch die Probenahme selbst behindern, denn der Ort der Probenahme liegt unter Umständen weit vom Labor entfernt. Alle benötigten Probenahmegeräte und
Probengefäße müssen zum Ort der Probenahme mitgebracht werden, damit eine sachgerechte
Durchführung der Probenahme erfolgen kann.
Für die Bestimmung der Parameter im Labor sind die Proben zu konservieren. Chemische
Konservierungsmittel müssen bereitgehalten werden, Möglichkeiten zur physikalischen Konservierung durch Kühlung oder Einfrieren sollten im Fahrzeug des Probenehmers mitgeführt
werden. Darüber hinaus müssen alle Geräte für die Messungen vor Ort zum Zeitpunkt der Probenahme vorhanden sein.
59
CH2-Kap2.indd 59
01.08.14 08:35
2 Probenahme, Probenbehandlung und Probenvorbereitung
2.2.1 Ort und Zeit der Probenahme, Festlegung der Grundgesamtheit
Bei der Festlegung des Probenahmeorts, des Probenahmezeitpunkts bzw. -zeitraums sowie der
Grundgesamtheit muss gut überlegt vorgegangen werden. Obwohl sich die beiden folgenden
Beispiele wesentlich voneinander unterscheiden, wird in einer ähnlichen Weise verfahren.
2
Beispiel 1: Bodenuntersuchung
Der Probenahmeort ist eine landwirtschaftlich
genutzte Fläche. Ihr Ertrag soll mithilfe einer
Bodenuntersuchung und einer anschließenden Düngeempfehlung optimiert werden.
Labor
Stichprobe
Mischprobe
Das beauftragte Labor empfiehlt die Probenahme zum Zeitpunkt von etwa 3 Wochen vor der
geplanten Düngung durchzuführen.
m
100
Einzelproben
m
0,3 m
Die Grundgesamtheit sollte auf 1 Hektar
2
(10 000 m ) Ackerboden begrenzt sein. Die Bodentiefe, bis zu der Proben entnommen werden, muss dem Hauptwurzelbereich der angebauten Pflanzen entsprechen. Beim Anbau
von Gemüsepflanzen und Getreide wird eine
Bodentiefe von 0 cm bis 30 cm empfohlen.
100
Bild 1: Probenahme zur Bodenuntersuchung
Eine für die Grundgesamtheit repräsentative Stichprobe wird gewonnen, indem mindestens
20 Probenahmestellen über die Fläche gleichmäßig verteilt werden (Normalverteilung). Alternativ können die Stellen diagonal oder in Zickzack-Form platziert werden. Die 20 an diesen Stellen
gewonnenen Einzelproben werden gesammelt und gründlich gemischt. Der Mischprobe wird
eine Stichprobe von etwa 500 g entnommen. Diese Laborprobe wird an das Labor geschickt.
Die erzielten Messergebnisse können auf die Grundgesamtheit übertragen werden, d. h. auf den
2
Ackerboden der Fläche 10 000 m bis zu einer Tiefe von 30 cm zum Zeitpunkt der Probenahme.
Soll eine größere Fläche untersucht werden, ist eine größere Anzahl Analysen erforderlich.
Beispiel 2: Überwachung eines chemischen
Produktionsprozesses
Der Probenahmeort ist eine chemische Anlage, in der ein kontinuierlich geführter Produktionsprozess erfolgt. Das Ziel der Untersuchung besteht darin, Aufschluss über die
mittlere Zusammensetzung des Reaktionsgemisches an zwei charakteristischen Stellen der
Anlage innerhalb von 1 Stunde zu bekommen.
Der Zeitpunkt der Probenahme ist frei wählbar,
der Zeitraum ist aufgrund der Aufgabenstellung auf 1 Stunde festgelegt.
Behälter: Behälter:
Edukt A
Edukt B
Ventil
Probenahmestelle 1
Mischprobe
Labor
Analyse 1
Einzelproben
Mischprobe
Reaktor
Probenahmestelle 2
Stichprobe
Stichprobe
Labor
Analyse 2
Grundgesamtheit ist das Reaktionsgemisch,
Einzelproben
Produkt
das über den Zeitraum von 1 Stunde hin eine
der beiden charakteristischen Stellen der Anla- Bild 2: Probenahme zur Prozessüberwachung
ge passiert. In diesem Beispiel werden somit
zwei Grundgesamtheiten festgelegt, denen jeweils eine repräsentative Stichprobe entnommen
wird. Das Ziel dieser Untersuchung kann nur mit zwei Analysen erreicht werden.
Die repräsentativen Stichproben werden gewonnen, indem an den beiden Probenahmestellen
innerhalb von 1 Stunde im Abstand von 10 Minuten Einzelproben entnommen werden. Die
sechs Einzelproben werden in einem Behälter gesammelt und gemischt. Der Mischprobe wird
eine repräsentative Stichprobe für die Untersuchung im Labor entnommen.
60
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01.08.14 08:35
3 Reaktionen organischer Präparate
Aus Calciumacetylid wird durch Reaktion mit Wasser Ethin gewonnen. Bei dieser stark exothermen Reaktion entsteht zusätzlich Calciumhydroxid:
CaC2 + 2 H2O
r
H– C{C– H + Ca(OH)2
Bei dieser Säure-Base-Reaktion überträgt das in diesem Fall als schwache Säure wirksame
2–
Wasser zwei Protonen auf die starke Base Acetylid C2 . Es bilden sich die extrem schwache
–
Säure Ethin C2H2 und die extrem starke Base Hydroxid OH .
Weitere Herstellungsmethoden für Ethin sind das Flammen-Verfahren, bei dem man Methangas
CH4 mit einer für eine vollständige Verbrennung nicht ausreichenden Menge Luftsauerstoff bei
ca. 1 500 °C reagieren lässt:
3
4 CH4 + O2
r
C2H2 + 2 CO + 7 H2
Beim Lichtbogen-Verfahren wird Methan mit einer sehr kurzen Verweilzeit in einen 2000 °C
heißen Lichtbogen gebracht. Dabei entstehen Ethin und Wasserstoff:
2 CH4
r
C2H2 + 3 H2
Ethin (Acetylen) wird durch die Umsetzung von Calciumcarbid mit Wasser, durch das
Flammenverfahren und nach dem Lichtbogen-Verfahren gewonnen.
3.2 Reaktionen aromatischer Verbindungen
Der Begriff der aromatischen Verbindungen wurde von Chemikern früherer Zeiten geprägt und
für Stoffe verwendet, die man in Ölen von Bäumen und Pflanzen fand und die Benzol, heute auch
Benzen genannt, als Molekülbaustein enthielten.
3.2.1 Struktur des Benzols und Aromatizität
Benzol wurde im Jahr 1825 von Michael Faraday (engl. Chemiker, 1791 bis 1867) entdeckt.
Einige Jahre später fand Mitscherlich (deutscher Chemiker, 1794 bis 1863) aufgrund der
qualitativen und quantitativen Analyse sowie
einer Molmassenbestimmung, dass die Summenformel von Benzol C6H6 lautet. Verschiedene Wissenschaftler entwarfen mögliche
Strukturen des Benzols, bis moderne Strukturaufklärungsmethoden zur Kenntnis des tatsächlichen Molekülaufbaus führten (Bild 1).
H
120°
H
120°
120°
H
109 pm
H
139 pm
H
H
Bild 1: Geometrischer Molekülbau des Benzols
Das Benzolmolekül ist planar, das heißt alle Kohlenstoff- und Wasserstoffatome liegen in einer
Ebene und sind durch j-Bindungen miteinander verbunden. Die sechs Kohlenstoffatome bilden
ein regelmäßiges Sechseck. Die Bindungswinkel zwischen allen C-Atomen betragen 120°, die
zwischen den C– C- und den C – H-Bindungen ebenfalls. Die Bindungslängen der C– C-Bindungen
sind alle gleich und messen 139 pm. Aus diesen Messwerten ergibt sich, dass alle sechs Kohlen2
2
stoffatome sp -hybridisiert sind. Jedes Kohlenstoffatom besitzt drei sp -Hybridorbitale, welche
2
mit den beiden sp -Hybridorbitalen der benachbarten C-Atome und mit je einem s-Orbital eines
Wasserstoffatoms überlappen.
Jedes Kohlenstoffatom besitzt noch ein nicht-hybridisiertes p-Orbital, wobei jedes dieser
p-Orbitale mit den beiden p-Orbitalen der benachbarten C-Atome zur p-Bindung überlappt.
94
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3.2 Reaktionen aromatischer Verbindungen
So entsteht eine geschlossene, ringförmige
p-Elektronenwolke, die sich ober- und unterhalb der Molekülebene um das Gerüst aus
Kohlenstoffatomen legt (Bild 1). Diese p-Elektronen sind nicht zwischen zwei bestimmten CAtomen zu lokaliseren, das heißt im BenzolMolekül liegt Mesomerie vor (s. S. 90).
H
H
C
C
H
H
C
C
C
C
H
H
Deshalb sind die delokalisierten C–C-Doppel- Bild 1: Delokalisierte p-Elektronen beim Benzol
bindungen des Benzols kürzer als die lokalisierten Doppelbindungen in einem Alken. Die Mesomerie im Benzol bewirkt sein chemisches
Verhalten, das sich signifikant von dem der Alkene unterscheidet. Während Alkene überwiegend
Additionsreaktionen zeigen, finden am Benzol vor allem Substitutionsreaktionen statt.
3
(Cyclohexa-1,3,5-trien)
H2
H2
H2
H2
H2
H2
H2
H2
Benzol
+ 3H2
– 209 kJ
– 240 kJ
+ H2
– 360 kJ (berech.)
+ 2H2
Cyclohexen
151 kJ
+ 3H2
Cyclohexa-1,4-dien
– 120 kJ
Enthalpie
Die im Sechsring des Benzols ideal vorliegende Delokalisierung der p-Elektronen stabilisiert
das Molekül in hohem Maße. Dies zeigen die
Hydrierungswärmen von Cyclohexen, Cyclohexa-1,4-dien und Benzol (Bild 2). Im Cyclohexen
und im Cyclohexa-1,4-dien liegen lokalisierte
Doppelbindungen vor. Die Hydrierungswärme
des Cyclohexa-1,4-diens ist doppelt so groß
wie die Hydrierungswärme des Cyclohexens.
Erwartungsgemäß müsste die frei werdende
Enthalpie bei der Hydrierung von Benzol mit
drei „Doppelbindungen“ dann dreimal so groß
sein wie bei der Hydrierung von Cyclohexen.
–1
Tatsächlich werden aber 151 kJ · mol weniger
frei als bei dem für das von Kekule (deutscher
Chemiker, 1829 bis 1896) postulierte Cyclohexa-1,3,5-trien.
H2
H2
H2
H2
H2
H2
H2
H2
H2
H2
Cyclohexan
Cyclohexan
Cyclohexan
Bild 2: Stabilität des Benzols
–1
Die Delokalisierung der p-Elektronen bewirkt, dass Benzol 151 kJ · mol weniger Energie enthält
und damit um diesen Energiebetrag stabiler ist als das hypothetische Cyclohexa-1,3,5-trien.
Benzol ist eine durch Mesomerie stabilisierte Verbindung, bei der alle sechs Kohlenstoff2
atome sp -hybrisiert sind. Mit Benzol lassen sich vor allem Halogenierungen, Nitrierungen,
Sulfonierungen, Acylierungen und Alkylierungen als Substitutionsreaktionen durchführen.
Benzol ist der bekannteste Vertreter der aromatischen Verbindungen. Anfänglich wurde Aromatizität nach dem Geruch beurteilt. Nach der Hückel-Regel (deutscher Physiker, 1896 bis 1980)
müssen für eine aromatische Verbindung folgende eindeutige Kriterien erfüllt sein:
• Es muss ein planares, cyclisches System (Ringsystem) vorliegen.
2
• Alle Kohlenstoffatome des Moleküls müssen sp -hybridisiert sein.
• Das Ringsystem muss (4n + 2) p-Elektronen enthalten. Dabei steht n für eine natürliche Zahl
(0, 1, 2, 3, 4 …). Anders ausgedrückt: Das Ringsystem muss eine ungerade Anzahl von
p-Elektronenpaaren besitzen.
+
Beispiele für aromatische Stoffe sind außer Benzol das Cyclopropenkation C3H3 (2 p-Elektronen),
das Pyridin C5H5N (6 p-Elektronen) oder das Naphthalin C10H8 (10 p-Elektronen).
Eine Verbindung ist dann aromatisch, wenn sie cyclisch-planar gebaut ist und aus einem
konjugierten p-Elektronensystem besteht, welches der Hückel-Regel folgt.
95
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3 Reaktionen organischer Präparate
3.2.2 Elektrophile aromatische Substitution und Folgereaktionen
3
Die p-Elektronenwolke ober- und unterhalb
der Ringebene führt zu einem Angriff bzw. zu
einer Reaktion mit einem Elektrophil. Dabei
bildet sich eine carbokationische Zwischenstufe, die nicht isoliert werden kann. Ihre positive Ladung wird durch die Mesomerie des
Ringes, auch Kern genannt, relativ stabilisiert.
Das Carbokation hat zwei Möglichkeiten, sich
zu einem Produkt zu stabilisieren: Entweder
das zum Elektrophil zugehörige Nucleophil
–
N addiert sich an das zum Elektrophil benachbarte C-Atom (elektrophile Addition) oder das
Proton vom Kohlenstoffatom des elektrophilen
Angriffs wird abgespalten und verbindet sich
mit dem Nucleophil (Bild 1).
nicht aromatisches N
Additionsprodukt
b)
+
+ E+
H a)
E
carbokationische
Zwischenstufe
E
b)
–
N
a)
E
+ HN
aromatisches
Substitutionsprodukt
Bild 1: Schema der elektrophilen aromatischen
Substitution (N –: Nucleophil, E +: Electrophil)
Im zweiten Fall entsteht wieder ein stabileres,
aromatisches System, deshalb läuft diese Reaktion als (elektrophile) Substitution ab (Bild 2).
Der erste Reaktionsschritt verläuft relativ langsam. Er ist endergonisch, da das stabile Benzol
in ein instabileres Zwischenprodukt umgewandelt wird. Während der zweite Schritt rasch
und exergonisch verläuft, da am Ende der stabile aromatische Zustand zurückgebildet wird.
freie Enthalpie
Additions- N
produkt
Folgende fünf Reaktionen gehören zu den häufigsten elektrophilen aromatischen Substitutionen (abgekürzt S E):
• Halogenierung • Nitrierung
• Sulfonierung
• Acylierung
• Alkylierung.
+ H
E + –
N
E
Substitutionsprodukt
E
+ HN
+E N
Reaktionsverlauf
Bild 2: Energiediagramm der elektrophilen
aromatischen Substitution
Allen Reaktionen ist der zweischrittige Mechanismus gemeinsam (Bild 3).
+
+
+ E
langsam
E
E
H
E
+
schnell
H
H
E
+ HB+
+
B
Bild 3: Reaktionsmechanismus der elektrophilen aromatischen Substitution
+
Das Benzol reagiert mit dem Elektrophil E unter Bildung einer carbokationischen Zwischenstufe,
deren positive Ladung delokalisiert ist. Diese Delokalisierung wird durch die drei mesomeren
Grenzstrukturen veranschaulicht.
+
Das Proton H des Kohlenstoffatoms, an dem das Elektrophil E gebunden ist, verbindet sich mit
+
einer Base B in der Reaktionsmischung zu HB . Das Elektronenpaar, welches zur Bindung des Protons diente, wandert in den Ring und stellt den aromatischen Zustand mit 6 p-Elektronen wieder
her. Für die direkte Halogenierung des Benzols ist wegen seiner geringeren Reaktivität im Vergleich
zu einem Alken ein Katalysator erforderlich. Dieser Katalysator muss eine Lewis-Säure sein, also
ein Stoff, dessen Moleküle mindestens eine Elektronenpaarlücke besitzen. Überträgt ein Chloroder Brom-Molekül eines der freien Elektronenpaare auf diese Elektronenpaarlücke, so entsteht
+
+
ein elektrophiles, positiv geladenes, instabiles Halogenkation (Cl bzw. Br ). Den Ablauf zeigt
Bild 1, S. 97, am Beispiel der Bromierung mit Eisen(III)-bromid als Katalysator.
96
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01.08.14 09:04
3.2 Reaktionen aromatischer Verbindungen
Zuerst muss sich der p-Komplex bilden, bei
dem eine lockere Wechselwirkung zwischen
dem Benzol und dem positivierten Brom-Atom
besteht. Der j-Komplex als Zwischenstufe bildet sich durch Bindungstrennung und -bildung
am p-Komplex. Durch Abspaltung des Protons
am Substitutions-Kohlenstoffatom stabilisiert
sich das Ringsystem durch Rückkehr in den
aromatischen Zustand. Die Chlorierung des
Benzols verläuft analog zur Bromierung, nur
dass an Stelle des Eisen(III)-bromids Eisen(III)chlorid als Katalysator benutzt wird.
Da beide Katalysatoren hygroskopisch sind,
was leicht zu ihrer Inaktivierung führt, gibt man
Eisenspäne zur Reaktionsmischung. Diese reagieren mit dem jeweiligen Edukt Brom oder
Chlor zu dem benötigten Eisen(III)-halogenid.
d+
d–
Br
[Br
ü-Komplex
FeBr3]
H
H
H
+
H
Br
H
H
H
j-Komplex
+
Br
H
+
Br
+ HBr + FeBr3
–
Br + [FeBr4]
j-Komplex
3
Rückführung in den
aromatischen Zustand
Bild 1: Bromierung von Benzol
Die Halogene Chlor und Brom bilden mit Benzol in Anwesenheit einer Lewis-Säure (meistens
AlX3 mit X = Cl, Br) als Katalysator Halogenbenzole (Halogenaryle).
Die Nitrierung des Benzols erfolgt mit Salpetersäure wenn überhaupt, dann nur unter Bildung
+
unerwünschter Nebenprodukte. Salpetersäure enthält nicht das benötigte Elektrophil NO2 .
Durch Zugabe von konzentrierter Schwefelsäure entsteht
H
die sogenannte Nitriersäure,
–
–
+
NO2 + H2O + HSO4
HO NO2 + H OSO3H
HO+ NO2 + HSO4
ein Gemisch aus Salpeter- und
SalpeterSchwefelNitroSchwefelsäure im Stoffmensäure
säure
niumion
–
+ H HSO4
genverhältnis von etwa 1:1. In
NO2
diesem Gemisch bilden sich
NO2
+
–
+
+
+ H2SO4
NO
HSO
+
2
4
die Nitronium-Ionen NO2 nach
folgendem Reaktionsschema
(Bild 2): Die Schwefelsäure Bild 2: Nitrierung von Benzol
protoniert die Salpetersäure,
+
wobei Wasser abgespalten wird. Das elektrophile Nitronium-Ion NO2 greift dann das Benzol an.
Nach dem im Bild 3, S. 96 dargestellten Reaktionsmechanismus wird Nitrobenzol gebildet.
Die Aminogruppe – NH2 lässt sich nur durch Reduktion der Nitrogruppe erhalten, da Ammoniak
NH3 als nucleophile Verbindung nicht direkt elektrophil am Benzol substituiert werden kann.
Die Reduktion wird mit einem unedlen Metall wie Zink oder Eisen mit einer starken Säure (z. B.
Salzsäure) durchgeführt. Der bei diesen Reaktionen kurzfristig entstehende atomare Wasserstoff
[H] reduziert die Nitro-Gruppe. Die Reduktion mit Wasserstoff und Platin-Katalysator ist eine andere Möglichkeit, um Aminobenzol herzustellen (Bild 3).
NO2
+ 6 [H]
Nitrobenzol
NH2
Zn, HCl
+ 2 H2O
NO2
+ 3 H2
NH2
Pt
+ 2 H2O
Anilin
Bild 3: Reduktion der Nitro-Gruppe
Die Nitrierung ist eine wichtige elektrophile Substitutionsreaktion am Aromaten. Für präparative Zwecke wird die Nitriersäure verwendet, ein Gemisch von konzentrierter Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure. Eine Aminogruppe am Benzol wird durch die Reduktion der eingeführten Nitrogruppe erreicht.
97
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5.1 Gaschromatografie GC
5 Chromatografische Trenntechniken
Chromatografische Trennmethoden beruhen auf dem Stoffaustausch zwischen einer stationären und einer mobilen Phase. Die Geschwindigkeit des Transports der an der stationären Phase
anhaftenden Probenbestandteile erfolgt unter dem Zwang der mobilen Phase. Man kann deshalb
die chromatografischen Methoden nach dem Aggregatzustand der mobilen Phase einteilen in
Gas- und Flüssigchromatografie.
5.1 Gaschromatografie GC
Das Einsatzgebiet der Gaschromatografie, wie sie in diesem Kapitel dargestellt wird, umfasst
die Trennung permanent gasförmiger oder unzersetzt verdampfbarer Stoffgemische im Temperaturbereich von 20 °C bis 300 °C. Daneben gibt es noch die Hochtemperatur-Gaschromatografie HTGC mit einem Temperaturbereich von 300 °C bis ca. 500 °C. Der Konzentrationsbereich
ist vom eingesetzten Detektor abhängig und umfasst Hauptbestandteile bis hin zum Ultraspurenbereich (< 1 ppm). Feste Proben können mit der Pyrolyse-Gaschromatografie durch gezielte
thermische Zersetzung und Messung der Zersetzungsprodukte bei noch höheren Temperaturen
untersucht werden.
Gasregler
5
Gas
filter
Datensystem
A/DWandler
Säulenofen
Bild 1: Prinzipskizze eines Gaschromatografen
5.1.1 Trägergase
Als Trägergase finden vor allem Stickstoff,
Helium und Wasserstoff Verwendung. Bild 2
zeigt drei Chromatogramme eines Stoffgemisches mit neun Komponenten, die auf der
gleichen Säule getrennt wurden. Der einzige
Unterschied besteht darin, dass jeweils ein anderes Trägergas mit seiner optimalen mittleren
Gasgeschwindigkeit verwendet wurde. Dabei
wird deutlich, dass bei Verwendung von Wasserstoff als Trägergas die Analysenzeit erheblich verkürzt ist und die Peakbreiten schmaler
sind als beim Stickstoff. Das Helium nimmt
hierbei eine Zwischenstellung ein. Allerdings
erfordert das Trägergas Wasserstoff erhebliche
Sicherheitsvorkehrungen am Gerät und am Arbeitsplatz. Ein weiterer Nachteil: Wasserstoff
darf nicht bei Trennungen verwendet werden,
bei denen die Möglichkeit von chemischen Reaktionen des Wasserstoffs mit Probenbestandteilen, zum Beispiel einer Addition, besteht.
Detektor
Injektor
Trägergas
Bild 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines
Gaschromatografen. Das Trägergas strömt
aus der Druckgasflasche durch Reinigungskartuschen (Gasfilter) zur Entfernung von Sauerstoff- und Wasserdampfspuren über einen Gasregler in das Einlass- oder Injektionssystem.
Im Injektor findet die Verdampfung der Probe
statt. Daran schließt sich unmittelbar die
Trennsäule an, die sich in einem thermostatisierbaren Ofen befindet. Am Ende der Trennsäule befindet sich außerhalb des Ofenraums
der Detektor. Die analogen Signale des Detektors wandelt ein A/D-Wandler in digitale Signale um, die von einem Datensystem weiterverarbeitet werden.
2
1
6
3
4
Wasserstoff
bei 38 cm · s –1
5 7
89
2
1
3
Benzol
Toluol
Ethenylcyclohexan
Ethylbenzol
m-Xylol
Ethenylbenzol
Isopropylbenzol
Benzaldehyd
n-Propylbenzol
6
4
5
1
Stickstoff bei
12 cm · s –1
0
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
7
Helium bei
25 cm · s –1
8 9
2
3
6
4
7
5
5
10
8
9
15
Zeit in min
Bild 2: Analysezeiten und Trägergase
211
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5 Chromatografische Trenntechniken
Ein wichtiger Parameter für die gaschromatografische Trennung ist der Volumenstrom (Flussrate) F des Trägergases.
F
V
F = __
t
mL · s
–1
V
t
mL
s
Gl. 5.1
–1
Diese physikalische Größe ist wegen der üblichen Flussraten von weniger als 1 mL · min nicht
so leicht messbar. Leichter lässt sich die mittlere lineare Trägergasgeschwindigkeit u– ermitteln.
Dazu wird eine Substanz injiziert, von der man weiß, dass sie von der stationären Phase nicht
zurückgehalten, retardiert, wird. Aus der Durchflusszeit tM, die diese Substanz braucht, um vom
Injektor zum Detektor zu gelangen, und der Säulenlänge ö kann die mittlere lineare Trägergasgeschwindigkeit errechnet werden.
u–
ö
u– = ___
tM
–1
cm · s
ö
tM
cm
s
Gl. 5.2
Mit Wasserstoff erhält man die schnellsten Trennungen, weil seine optimale mittlere Trägergas–1
geschwindigkeit mit 38 cm · s am größten ist.
Bei der Ermittlung der optimalen
mittleren
Trägergasgeschwindigkeit wird bei verschiedenen mittleren Trägergasgeschwindigkeiten jeweils
eine Testsubstanz (im Bild 1
Hexadecan) in die gleiche Säule bei gleicher Temperatur injiziert.
Testsubstanz: Hexadecan
1,0
H in mm
5
Die Trägergasgeschwindigkeit beeinflusst eine chromatografische Trennung. Die Trennfähigkeit
einer Säule ist durch ihre theoretische Bodenzahl N bzw. ihre äquivalente Bodenhöhe H charakterisiert. In der gleichen Säule ist bei gleicher Temperatur die äquivalente Bodenhöhe H von der
Trägergasgeschwindigkeit u– abhängig (Bild 1).
N2
He
0,5
H2
Für jedes Trägergas entsteht
nach dem Auftragen der Trägergasgeschwindigkeit gegen die
aus dem Chromatogramm
errechnete Bodenhöhe eine
H-u–-Kurve mit einem mehr
(Stickstoff) oder weniger (Wasserstoff) ausgeprägten Minimum.
12 cm · s–1
25 cm · s–1
0
0
38 cm · s–1
60
20
40
–
Mittlere lineare Geschwindigkeit u in cm · s–1
80
Bild 1: Einfluss der Trägergasart auf die H-u–-Kurve
Van Deemter hat die dazu gehörende mathematische Funktion entwickelt, die die Kurvenverläufe
in Bild 1 beschreibt.
An diesem jeweiligen Minimum der Bodenhöhe kann die optimale mittlere Trägergasgeschwin–1
digkeit für das jeweilige Trägergas abgelesen werden. Sie beträgt für Stickstoff 12 cm · s ,
–1
–1
für Helium 25 cm · s und für Wasserstoff 38 cm · s . Wobei Wasserstoff ein langgezogenes
Minimum besitzt, was einem großen Geschwindigkeitsbereich mit optimalen Trenneigenschaften entspricht.
Das bedeutet, dass mit Wasserstoff nicht nur die kürzesten Analysezeiten erreicht werden, sondern auch gute Trennungen, was die schmalen Peaks im Bild 1 auf S. 211 belegen.
212
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6.3 Spektrenarten
6.3 Spektrenarten
Bei dem Emissionsspektrum einer Glühlampe (Bild 1, S. 251) handelt es sich um ein kontinuierliches Spektrum. Kontinuierliche Spektren zeichnen sich durch eine ununterbrochene Folge sämtlicher Wellenlängen aus. Sie werden von festen und flüssigen Körpern oberhalb von 0 K emittiert.
Auch stark verdichtete Gase emittieren bei entsprechender Anregung kontinuierliche Spektren.
In der Instrumentellen Analytik dienen Strahler, die ein kontinuierliches Spektrum aussenden,
vor allem als Strahlungsquellen. Dies kann ein glühender Wolframdraht sowie hochverdichtetes,
angeregtes Deuterium in einem UV/Vis-Spektrometer oder ein Globar, ein Stab aus Siliciumcarbid, in einem IR-Spektrometer sein.
Ein kontinuierliches Spektrum umfasst in ununterbrochener Folge von Wellenlängen.
Jede Absorption und Emission
ist bei einem Molekül mit einer
Teilchenbewegung
(Schwingung, Rotation) verbunden. Eine
Molekülschwingung um einen
bestimmten
Auslenkungsbetrag kann von vielen Molekülrotationen überlagert sein.
elektromagnetische
Strahlung
Anregung
Rotation Schwingung
Lösemittelmolekül
Lösemittelmolekül
mit übertragener
Energie
angeregtes
Molekül
deaktiviertes
Molekül
Bild 1: Strahlungslose Deaktivierung
Für jede Bewegungsart existieren eigene Energieübergänge. Die Überlagerung der Schwingungsvorgänge und Rotationen hat jedoch zur Folge, dass keine einzelnen Spektrallinien beobachtet werden. Ein Kollektiv von Molekülen emittiert in Form von Bandenspektren. Typische
Bandenspektren findet man in der UV/Vis-Spektroskopie und der IR-Spektroskopie.
Bild 1 zeigt die strahlungslose Deaktivierung eines Moleküls. Es absorbiert elektromagnetische
Strahlung und fängt an zu schwingen und zu rotieren. Die absorbierte Energie wird durch Stöße
an Teilchen in der Umgebung (z. B. Lösemittelmoleküle) wieder abgeben. Eine Lösung erwärmt
sich und emittiert Wärmestrahlung, die zu einer Verbreiterung der Banden im Bandenspektrum
von Molekülen führt.
6
Elektron
Moleküle und mehratomige Gase emittieren elektromagnetische Strahlung in Form von Bandenspektren.
Ein Atom emittiert elektromagnetische Strahlung einer bestimmten Wellenlänge, wenn ein Elektron von einer Schale mit
einer höheren Energie auf eine Schale mit einer geringeren
Energie springt (Bild 2). Zur Absorption kommt es, wenn ein
Elektron von einer niedrigeren auf eine höhere Bahn gelangt.
Angeregte Atome können nicht strahlungslos deaktiviert werden. Sie absorbieren und emittieren üblicherweise in Form von
Linienspektren (Bild 1, S. 260). Diese entstehen im einfachsten
Fall durch Elektronensprünge zwischen den einzelnen Schalen
mit der Hauptquantenzahl n. Daneben gibt es Feinstrukturspektren, die die anderen Quantenzahlen (Nebenquantenzahl
ö, Magnetquantenzahl m und Spinquantenzahl s) berücksichtigen.
Nur Atome, Atomionen der Edelgase und Metalldämpfe absorbieren und emittieren elektromagnetische Strahlung in
Form von Linienspektren.
Atomkern
–
e
p+
a)
K
L
M
e
–
Schale
Energie
+
p
b)
K
L
M
Licht
e–
p+
c)
K
L
M
Bild 2: a) Grundzustand des
Wasserstoffs,
b) Anregung durch
Absorption,
c) Emission von Licht
253
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01.08.14 09:36
6 Spektroskopie
6.4 Aufbau von Spektralapparaten
Die in der Instrumentellen Analytik eingesetzten Spektralapparate bzw. Spektrometer arbeiten
nach den unterschiedlichsten Prinzipien. Dennoch haben sie einiges gemein. So befindet sich in
allen Fällen die Probe im Strahlengang. Auch verfügt jedes Spektrometer über eine Quelle, die
elektromagnetische Strahlung oder Elektronen emittiert. Bild 1 zeigt den allgemeinen Aufbau
von Spektrometern mit den sechs wichtigsten Funktionsteilen.
Quelle
Probe im
Strahlengang
Wolframdraht,
Xe-Lampe,
D2-Lampe (UV/Vis)
Globar (IR)
Glühemissionsdraht
(Elektronen für MS)
Radiosender (NMR)
Probenzuführung
Signalauftrennung
Detektion
Auswertung
Monochromator
(UV/Vis)
Fotodioden
(UV/Vis)
X,Y- Schreiber,
Plotter
magnetisches/
elektrisches Feld (MS)
Empfängerspule
(NMR)
Computer
Spule (NMR)
Sekundärelektronenvervielfacher (MS)
Küvette (UV/Vis)
Zerstäuber
(AAS, ICP-OES)
Monochromator,
Interferometer (IR)
Schubstange (MS)
Bild 1: Aufbau von Spektrometern
6
Die unterhalb der Kästen aufgeführten Beispiele stellen nur einen kleinen Ausschnitt dar. Bei
der Probenzuführung gibt es auch die Möglichkeit, den Ausgang einer Chromatografiesäule mit
einem Spektrometer zu koppeln. Die Signalauftrennung kann auch im Durchlicht oder seitlich
erfolgen wie z. B. bei der Fluoreszenz-Spektrometrie.
6.4.1 Signalauftrennung
Bei den verschiedenen in der Instrumentellen Analytik verwendeten Spektrometern erfolgt die
Signalauftrennung, die auch Signalsortierung oder Signalanalyse genannt wird, nach unterschiedlichen Methoden. Bei Fourier-Transform-Spektrometern geschieht dies erst in einem Computer, nachdem das sehr komplexe Signal vom Detektor empfangen wurde. Ein UV/Vis-Spektrometer hingegen verfügt über einen Monochromator, mit dem polychromatisches Licht zerlegt
bzw. analysiert wird. Bild 2 zeigt das Grundprinzip eines aus mehreren Bauteilen bestehenden
Monochromators zur UV/Vis-Spektroskopie.
polychromatisches
Licht
Eingangsspalt
Kollimator
Dispersionselement
(„Zerlegung“)
Fokussierelement
Ausgangsspalt
monochromatisches
Licht
Bild 2: Grundaufbau eines Monochromators zur UV/Vis-Spektroskopie
Heute werden hauptsächlich Gittermonochromatoren verwendet. Zunächst passiert das ankommende Licht einen Eingangsspalt, wodurch ein strichförmiges Lichtband entsteht.
Der Kollimator hat die Aufgabe, das Licht parallel auszurichten. Dies geschieht mithilfe einer
Linse oder eines gewölbten Spiegels. An dieser Stelle ist das Licht immer noch polychromatisch.
Seine Aufspaltung in alle im Spektrum enthaltenen Wellenlängen („Regenbogenfarben“) erfolgt
mithilfe einer Dispergiereinrichtung. Hierfür wird ein Prisma oder ein Gitter verwendet.
254
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6.4 Aufbau von Spektralapparaten
Damit
monochromatisches
LichtLicht resultiert, ist die Disperquelle
giereinrichtung drehbar gelagert. Wird das Prisma oder
Gitter so ausgerichtet, dass
nur eine bestimmte Wellenlänge, z. B. l = 550,2 nm, den
b
Kollimator
Ausgangsspalt trifft, kann nur
EingangsPrisma
diese Wellenlänge den Mospalt
(drehbar)
nochromator verlassen (l1 in
Bild 1 und Bild 2). Alle anderen
Wellenlängenbereiche werden Bild 1: Prismenmonochromator nach Bunsen
ausgeblendet. Damit der Ausgangsspalt punktgenau getroffen wird, enthält
Kollimatorspiegel
Gehäuse
der Monochromator eine Fokussiereinrichtung.
Dies kann eine Linse oder ein Hohlspiegel sein.
Die Funktion des Prismas beruht auf der
Wellenlängenabhängigkeit der Lichtbrechung.
So besitzt dunkelrotes Licht (l = 760,8 nm) bei
Flintglas den Brechungsindex n = 1,603 und
violettes Licht (l = 396,8 nm) den Brechungsindex n = 1,645. Im Ergebnis wird kurzwelliges
Licht, z. B. Blau, stärker gebrochen als langwelliges Licht, z. B. Rot.
Weil die Beugung (Dispersion) in Kombination
mit einer Überlagerung (Interferenz) von der
Wellenlänge l abhängt, kommt es bei einem
Gitter zur Zerlegung von polychromatischem
Licht. Bild 3 zeigt, dass rotes Licht (Bild 3a)
stärker gebeugt wird als blaues Licht (Bild 3b).
Wird anstelle von monochromatischem Licht
polychromatisches Licht eingestrahlt, entsteht
eine Reihe von Spektren (Bild 3c). Diese werden
ausgehend vom Weißlichtbereich (0. Ordnung)
nach links und rechts hin durchnummeriert
(1. Ordnung, 2. Ordnung usw.). Je höher die
Ordnung (m) ist, desto stärker aufgelöst sind
die Farbbänder. Die Spektren höherer Ordnung
sind breiter als die Spektren niedriger Ordnung.
Ausgangsspalt
l2
l1
Fokussierlinse
Eingangsspalt
Lichtquelle
weißes Licht
Konkavspiegel
Gitter
l2
l1
Fokussierspiegel
Ausgangsspalt
Bild 2: Gittermonochromator nach Czerny-Turner
6
Ordnung
a) Linien
4.
3.
2.
1.
0.
1.
2.
3.
4.
Ordnung
b) Linien
4. 3. 2. 1. 0. 1. 2. 3. 4.
Ordnung
c) Spektren
4.
3. 2. 1.
0. 1. 2. 3.
4.
Bild 3: Beugung des Lichts bei Einsatz eines
Gittermonochromators
Aus praktischen Gründen werden in der Instrumentellen Analytik meist Spektren 2. Ordnung
verwendet.
Beim Einsatz eines Prismas wird blaues Licht stärker abgelenkt als rotes Licht.
Beim Einsatz eines Gitters wird rotes Licht stärker gebeugt als blaues Licht.
Ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung eines Monochromators ist die Auflösung R.
In der Spektroskopie ist die Auflösung R definiert als das Verhältnis der Wellenlänge l zum zugehörigen kleinsten auflösbaren Wellenlängenabstand dl.
l
R = ___
dl
R
l
dl
1
m
m
Gl. 6.7
255
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01.08.14 09:36
7 Strukturaufklärung organischer Verbindungen
7.3.3 Absorptionsspektroskopie an Molekülen
Die UV/Vis-Spektroskopie begleitet die Entwicklung von Farbstoffen und optischen Filtern.
Farbstoffe
Die zur Absorption im UV- und
Vis-Bereich fähigen Atomgruppierungen im Molekül
werden als Chromophore
bezeichnet. Die wichtigsten
farbgebenden Gruppen enthalten Doppelbindungen, z. B.
–C=C– in ungesättigten Kohlenwasserstoffen, –N=N– in
Azofarbstoffen und –N=O in
Nitroverbindungen.
antibindend
p*
H
C
H
H
C
j
Bild 1: C= C-Doppelbindung in Ethen
Die Elektronen in Einfach- oder j-Bindungen
werden durch gewöhnliches UV-Licht nicht
angeregt. Im Vakuum-UV-Bereich (VUV: 40 bis
190 nm) hingegen stört die Absorption der Umgebungsluft, so dass dieser Spektralbereich in
der Praxis nicht genutzt wird.
bindend
prp*
bindend
j r j*
Bild 2: Elektronenübergänge
Tabelle 1: Elektronenübergänge
Übergang
l in nm
r
r p*
r j*
r j*
> 250
n
p
n
j
p*
Chromophore
> 200
C=O, C=N, C=S, N=O
C=C, C=O, C=N
f 200
– O – , – S – , >N –, –Halogen
< 200
C – C, C – H
Tabelle 2: Verschiebung der Absorption
in Richtung kurzer Wellen
zu langen Wellen hin
Blauverschiebung
Rotverschiebung
Hypsochromie
Bathochromie
Tabelle 3: Verstärkende Gruppen
Auxochrome
– O – , NH2, OR, OH, Br, Cl, CH3, F
Antiauxochrome
NO2, CHO, COCH3, COOH, CN,
COO–, SO2NH2 , NH3+
schwach R
r stark
Tabelle 4: Aufbau von Farbstoffen
Chromophor
Licht regt Elektronen in Mehrfachbindungen (p r p*) und nichtbindende Elektronen
(n r p*) an.
n r j* n r p*
p
j-Bindung
Die intensivsten Spektralbanden beruhen auf
den wahrscheinlichsten Elektronenübergängen
zwischen Orbitalen, die eine möglichst geringe
Anregungsenergie benötigen. Das sind z. B.:
• p-Elektronenwolken in C=C-Bindungen und
• nichtbindende Elektronen in den freien Elektronenpaaren des Sauerstoffs in C = O-Bindungen (Tabelle 1).
nicht
bindend
n
H
Die Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie, s.
Band 1, S. 467) beschreibt die C=C-Bindung
in Bild 1 als eine Wolke von p-Elektronen, die
sich oberhalb und unterhalb der C–C-Einfachoder j-Bindung ausbreitet. Diese p-Elektronen
werden durch die Energie des UV-Lichtes in
unbesetzte p*-Orbitale höherer Energie angeregt (Bild 2).
7
antibindend
j*
p-Bindung
Auxochrom
– CH3
Antiauxochrom
– SO2NH2
– OCH3
– COO –
> C=S
– NHCH3
> C=N–
– N(CH3)2
– CoN
– CO – OCH3
Benzol
> C=O
In Farbstoffen schieben ausgewählte Substitu– N=N–
– Br
– NO2
enten die Absorption des chromophoren Systems in den langwelligen Bereich, d. h. bathochrom in Richtung Rot (Tabelle 2). Verstärkende Gruppen erhöhen die Intensität der Absorption.
Technische Farbstoffe kombinieren drei Effekte:
• Chromophore, z. B. konjugierte Doppelbindungen und kondensierte Aromaten, verschieben
die Absorption bathochrom und erhöhen die Intensität (Hyperchromie).
• Elektronenschiebende Gruppen mit freien Elektronenpaaren (Substituenten 1. Ordnung)
heißen Auxochrome (Tabellen 3 und 4).
• Elektronenziehende Gruppen mit einem Elektronenmangel (Substituenten 2. Ordnung) heißen
Antiauxochrome.
284
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7.3 UV/Vis-Spektroskopie
Spektreninterpretation
UV/Vis-Spektren zeigen nicht schmale Linien,
wie die Emissionsspektren der Atome, sondern breite Absorptionsbanden (Bild 1), weil
elektronische Zustände in sehr viele Schwingungszustände untergliedert sind – das sind
die waagrechten Linien mit den strahlungslosen Übergängen im Jablonski -Diagramm
(Bild 3, S. 281).
p r p*
O
Extinktionskoeffizient e
10000
n r p* und p r p*-Übergänge sind im Spektrum unterscheidbar, wenn die Prüfsubstanz
in Lösemitteln unterschiedlicher Polarität
gemessen wird, zum Beispiel in Cyclohexan
und in Ethanol. Die Solvatochromie, d. h. die
Verschiebung der UV-Banden in polaren Lösemitteln, wirkt sich aus bei:
• p r p*-Übergängen zu niedrigeren Wellenlängen (Rotverschiebung),
• n r p*-Übergängen zu höheren Wellenlängen (Blauverschiebung).
5000
in Cyclohexan
(unpolar)
1000
in Ethanol
(polar)
500
n r p*
100
hypsochrom
bathochrom
220 240 260 280 300 320 340 360 380
Wellenlänge l in nm
Bild 1: UV/Vis-Spektrum von Benzophenon
Die Wellenlängen der Bandenmaxima sind wenig stoffspezifisch (Tabelle 1). Die Struktur einer
Verbindung lässt sich anhand des UV-Spektrums daher nicht eindeutig bestimmen.
Tabelle 1: Absorptionsmaxima chromophorer Gruppen: Wellenlänge l in nm
^ 200
; 210
; 220
; 230
; 240
; 250
; 300
6 200
H2O
167
CH3OH 183
Et-OEt 189
Furan 200 p
Ph – OH
211pW
Ph – OCH3
217pW
–
–
Ph – O– Ph
255W
252E
–
–
–
–
–
–
–
–
Ph – Hal
f 210pW
–
–
–
CH3I
258
–
–
–
CH3– S – CH3
228
CH3SH 235
–
Et – S – S– Et
250
–
–
Benzol 180,
204W, 255
Ph– CH3
207E
Naphthalin
220E
–
Ph – Ph
246E
Anthracen
256cH
–
–
Ethen 165
RC=CR185
–
–
–
PhCH=CH2
244E
–
PhCH=CHPh
297E
–
HC o CR
f 173
–
–
–
Ph – CoCH
236W
–
–
–
C=O
p r p*
n r p*
CH3COCH3
187p,
(273 n)
CH3COCH3
200 Gas
CH3CONH2
220W
Ph – COOH
230W
Ph – CHO
242H
Ph – COCH3
243E
CH3CHO
(293 n)
–
C =S
n r p*
–
Ph – SO3H
f 213pE
–
–
–
–
–
CH3CS– CH3
(460)
C=N
p r p*
CH3 C o N
< 190
Pyrrol
211
Ph – C o N
224W
Ph – NH2
230pW
–
Pyridin
257pE
–
N=O
p r p*
RCH=NOH
190
CH3NO2
210 (271)
–
–
–
Ph – NO2
252
R3C– NO3
f 300n
Nitrophenol
f 318E
N =N
n r p*
–
–
–
–
–
–
Ph – NO2
269W
R – N=N – R
f 350
Gruppe
–O–
n r j*
=N –
n r j*
NH3
Et2NH
194 EtNH2
193 Et3N
– Hal
n r j*
CH3Cl
CH3Br
173
204
–S–
n r j*
C=C
p r p*
210
213
CHI3
7
349
Et = C2H5, Ph = C6H5, W in Wasser, E in Ethanol, H in Hexan, cH in Cyclohexan, p r p* bzw. n r p*-Übergänge
285
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7 Strukturaufklärung organischer Verbindungen
7.3.4 Anwendungen der UV/Vis-Spektroskopie
Die quantitative Analyse farbiger oder im Ultraviolett absorbierender Substanzen mithilfe der
UV/Vis-Spektroskopie wird als fotometrische Analyse oder Spektralfotometrie bezeichnet.
Farbmessungen an organischen Molekülen
Die in einem Lösemittel gelöste Probe befindet sich in einer
Glasküvette und wird von einer Lichtquelle bestrahlt (Bild 1a).
Das prozentuale Verhältnis der durchgelassenen Intensität F
zur eingestrahlten Lichtintensität F0 heißt Transmission t oder
Transmissionsgrad. Der von der Probe absorbierte Anteil ist der
Absorptionsgrad 1 – t. Streuung und Reflexion des auftreffenden Lichts durch Küvette und Probe werden vernachlässigt.
Küvette mit absorbierender Probe
Ä0(l)
Intensität Ä
Als Maß für die Lichtschwächung dient die Extinktion A, der
negative Logarithmus der Transmission. Das alte Formelzeichen E für die Extinktion darf nicht mehr verwendet werden.
Der Vorteil der Extinktion gegenüber der Transmission ist, dass
die Auftragung gegen die Konzentration eine Gerade liefert.
Die Lichtschwächung durch die Probe bei einer bestimmten
Wellenlänge l ist nach dem Bouguer-Lambert-Beer-Gesetz der
Konzentration des absorbierenden Stoffes und der Länge des
Lichtwegs durch die Küvette proportional.
Ä(l)
d
a)
Der molare Extinktionskoeffizient e der Prüfsubstanz ergibt
sich aus der Höhe des Absorptionspeaks abzüglich der Basislinie. Für Konzentrationsbestimmungen anhand einer Kalibrierkurve muss e nicht bekannt sein. Statt der Stoffmengenkonzentration dürfen auch Massenkonzentrationen, Massenanteile
oder Gasdrücke auf der x-Achse aufgetragen werden (Bild 1c).
Amax – Abasis
e(l) = ____________
c·d
b
f·p
m = r_____
· w = _____
c = ___ = ______
M
R·T
M V·M
c1
A1 – a
__
= ______
c2
A2 – a
Gl. 7.8
a
b
M
m
V
r
w
f
p
R
Achsenabschnitt der Kalibriergeraden
–1
Massenkonzentration der Lösung (g · L )
molare Masse des absorbierenden Stoffes (g · mol –1)
Einwaage des absorbierenden Stoffes (g)
Volumen der Lösung (L)
Dichte der Lösung, # ; 1 000 g · L–1
Massenanteil der Substanz in der Lösung (%)
Volumenanteil des Gases in der Mischung (L · L–1 = 1)
Druck in der Gasküvette in Pa bei der Temperatur (K)
molare Gaskonstante: R = 8,3144 J · mol–1 · K–1
w=
1%
80 %
Transmission T
Extinktion, dekadisches Absorptionsmaß
Wellenlänge des einstrahlenden Lichtes (nm)
2
–1
molarer Extinktionskoeffizient (dm · mol )
Stoffmengenkonzentration des absorbierenden Stoffes (mol · L–1)
Schichtdicke der Küvette, meist d = 1 cm = 0,1 dm
Lichtintensität (Strahlungsleistung) vor der Küvette (W)
Lichtintensität (Strahlungsleistung) hinter der Küvette (W)
Transmission, Transmissionsgrad
Länge ö
5%
60 %
20 %
40 %
20 %
0%
400 nm
600 nm
Wellenlänge l in nm
b)
0,6 A = 0,0175 w + 0,0825
Steigung
0,5
Achsenabschnitt
0,4
0,3
unbekannt
7
A
l
e
c
d
F0
F
t
Gl. 7.7
100 %
Extinktion A
A(l) = e · c · d = – lg t
F
t = ___
F0
0,2
0,1
0
c)
5
10
15
20
35
Massenanteil w in %
Bild 1: a) Messaufbau,
b) gemessene Transmission,
c) Kalibrierkurve
286
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10.1 Grundbegriffe
10 Elektrochemie und Elektrotechnik
Die beiden Themengebiete Elektrochemie
und Elektrotechnik beschäftigen sich mit der
Anwendung elektrischer Energie. Elektrische
Energie ist die Energie, die über elektrische
Ladung übertragen oder in elektrischen Feldern gespeichert wird. In ihren Grundlagen
gehen Elektrochemie und Elektrotechnik auf
eine gleiche Basis zurück und werden daher in
diesem Kapitel gemeinsam behandelt.
Die Elektrotechnik ist ein Bereich der Technik,
der sich mit technischen Entwicklungen und
Geräten befasst, die elektrische Energie nutzen.
Hierzu gehört neben elektrischen Maschinen
sowie Schaltungen für die Mess-, Steuer- und
Regelungstechnik auch die Computertechnik.
Physikalische
Chemie
Elektroorganische
Synthesen
Elektroanorganische
Verfahren
Elektroanalytik
Organische
Chemie
Anorganische
Chemie
Elektrotechnische
Prozesse
Technische
Chemie
Die Elektrochemie hingegen umfasst mit den
elektrischen Grundlagen und Verfahren mehre- Bild 1: Anwendungsbereiche der Elektrochemie
re Teilgebiete der Chemie (Bild 1). Elektrolyse
und Elektrosynthese gehören in den Bereich der Physikalischen, Organischen bzw. Anorganischen Chemie. Andere elektrochemische Methoden finden sich in der Laboranalytik und somit
im Teilgebiet Analytische Chemie. Großtechnische Prozesse, Batterietechnik oder Brennstoffzellentechnik hingegen werden der Technischen Chemie zugerechnet.
Unabhängig von der Zuordnung zu den verschiedenen Bereichen der Elektrochemie wird von
einem elektrochemischen Vorgang gesprochen, wenn an den auftretenden Stoffänderungen
elektrischer Strom beteiligt ist. Hierbei ist es möglich, dass eine chemische Reaktion durch eine
von außen angelegte Spannung erzwungen oder eine elektrische Spannung durch eine chemische Reaktion erzeugt wird. Eine Spannung kann leicht aufgezeichnet und analysiert werden,
so dass elektrochemische Verfahren sowohl in der Analytik als auch in der In-Prozess-Kontrolle
(s. Kap. 8, S. 366) eingesetzt werden. Der Vorteil dieser Verfahren besteht häufig in einer zerstörungsfreien und kontinuierlichen Messung.
Die Elektrotechnik umfasst technische Schaltungen und Geräte, die elektrische Energie nutzen.
Die Elektrochemie umfasst chemische Umsetzungen unter Verwendung von elektrischer
Energie.
10.1 Grundbegriffe
Die elektrischen Größen Strom Ü, Spannung U und Widerstand R sind Basisgrößen, durch die
sich viele Grundlagen klären lassen, die für analytische Messungen genutzt werden. Die Voraussetzung für einen Strom ist allerdings das Vorhandensein von elektrischer Ladung.
10.1.1 Elektrische Ladung Q
Die elektrische Ladung Q (engl. charge) ist eine grundlegende Größe. Das Formelzeichen Q
leitet sich ab vom lateinischen Wort quantum (lat. quantum: Menge). Die Einheit der elektrischen
Ladung ist das Coulomb mit dem Einheitenzeichen C. Diese Einheit wurde nach dem französischen Physiker Charles Augustin de Coulomb (1736 bis 1806) benannt. Sie leitet sich direkt von
den SI-Basiseinheiten (franz. système international d‘unités, SI, internationales Einheitensystem)
Ampere A und Sekunde s ab:
1C=1A·s
Q
Ü
t
C
A
s
10
Gl. 10.1
413
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01.08.14 11:21
10 Elektrochemie und Elektrotechnik
Die elektrische Ladung Q für einen zeitlich konstanten Strom
ergibt sich aus der Stromstärke Ü, also der Stärke eines elektrischen Stroms, multipliziert mit der Zeit:
Q=Ü·t
Q
Ü
t
C
A
s
Gl. 10.2
Als Einheit wird häufig die Einheit Amperestunde Ah verwendet:
3 600 C = 3 600 As = 1 Ah
Gl. 10.3
Die elektrische Ladung Q kann vom Menschen nicht über ein
Sinnesorgan wahrgenommen werden. Lediglich die Phänomene, die durch elektrische Ladung hervorgerufen werden,
können beobachtet oder erfahren werden. Wird beispielsweise ein Kunststofflineal an Kleidungsstücken (elektrischer
Isolator) gerieben, können anschließend mit dem Lineal kleine
Papierstücke angezogen werden (Bild 1). Fließt elektrische Ladung durch den menschlichen Körper und kommt es durch den
Ladungsfluss zum Ladungsausgleich, wird dies durch einen
elektrischen Schlag spürbar. Auch Gewitterblitze und Donner
sind ein Phänomen, die auf einen schlagartigen Ladungsausgleich elektrischer Ladungen zurückzuführen sind.
Der Amerikaner Benjamin Franklin (1706 bis 1790) führte elektrische Phänomene auf das Verschieben von Ladung zurück. Nach
Franklin existiert nur eine Ladungsart, die ihren Aufenthaltsort
ändern kann. Bei viel vorhandener Ladung kommt es zu einer
negativen Aufladung, wofür er den Begriff minus (–) verwendete.
Für den anderen Fall benutzte Franklin den Begriff plus (+).
Bild 1: Beispiel für die Wirkung
elektrischer Ladung
Bürette mit
Wasser gefüllt
Kunststofflineal
abgelenkter
Wasserstrahl
Bild 2: Ablenkung eines feinen
Wasserstrahls durch ein
polarisiertes Kunststofflineal
a)
+
–
b)
–
–
Bild 3: Verhalten von Ladungen
mit a) ungleicher Polarität
Bei einer Aufladung werden Elektronen verschoben. Es kommt
und b) mit gleicher Polazu einer Polarisierung (Ausbildung von verschieden geladenen
rität
Polen). Eine Anhäufung von Elektronen führt zu einem Elektronenüberschuss und somit zu einer negativen Ladung. Ein Elektronenmangel stellt eine positive
Ladung dar. Zwischen unterschiedlich geladenen Bereichen treten Kräfte auf, die durch gegenseitige Anziehung beobachtet werden können (Bild 3a). Bei gleicher Aufladung stoßen sich die
Teilchen gegenseitig ab (Bild 3b).
Anwendungsbeispiel: Wird mit einem trockenen Baumwolltuch in eine Richtung über ein Kunststofflineal gerieben, kommt es zur Verschiebung von Ladungen. Mit diesem elektrostatisch
aufgeladenen Lineal kann ein feiner Wasserstrahl abgelenkt werden, da die Dipolmoleküle des
Wassers angezogen werden (Bild 2).
10
Die Verschiebung von elektrischer Ladung führt zu einer Polarisierung.
Bei Elektronenüberschuss liegt eine negative elektrostatische Ladung vor: Minuspol.
Bei Elektronenmangel liegt eine positive elektrostatische Ladung vor: Pluspol.
Zwischen ungleich elektrisch geladenen Bereichen kommt es zum Ladungsfluss bis zum vollständigen Ladungsausgleich.
Gleichnamig geladene Teilchen stoßen sich gegenseitig ab.
Ungleichnamig geladene Teilchen ziehen sich gegenseitig an.
414
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10.1 Grundbegriffe
–
Das Elektron e ist ein Elementarteilchen mit einem negativen elektrischen Ladungswert Qe– von
–19
1,6 · 10 C. Da sich die elektrischen Ladungen der beiden Elementarteilchen Elektron und Proton
gegeneinander ausgleichen, muss der Betrag der elektrischen Ladung eines Protons Qp+ gleich
–
dem Betrag der elektrischen Ladung des Elektrons e sein:
|Qe–| = |Qp+|
Qe–
Qp+
C
C
Gl. 10.4
+
Die beiden Ladungen Qe– und Qp+ unterscheiden sich nur in ihrem Vorzeichen. Das Proton p
–19
besitzt daher ebenfalls eine elektrische Ladung Qp+ mit dem Wert von 1,6 · 10 C. Der Wert der
elektrischen Ladung wird als Elementarladung e bezeichnet.
Elektronen und Protonen besitzen als Elementarteilchen vom Betrag her eine gleich große
elektrische Ladung. Diese Ladung wird als Elementarladung e bezeichnet und besitzt einen
–19
Wert von e ; 1,602 · 10 C.
Eine elektrische Ladung Q ist ein
Vielfaches der Elementarladung e.
Es gilt:
e
1 C = 1 A · s = 6,242 · 1018 · e
C
Gl. 10.5
Beispiel 10.1: Berechnung einer elektrischen Ladung Q
Mit einem Wolltuch wird ein Glasstab abgerieben. Der Glasstab weist danach einen Mangel
5
an 57,6 · 10 Elektronen auf. Wie groß ist die elektrische Ladung?
Lösung: Nach Gleichung 10.5 folgt:
18
6,242 · 10 · e v 1 C
5
5
–13
1C
· 57,6 · 10 ; 9 · 10 C
57,6 · 10 · e v ___________
18
6,242 · 10
–13
Die Ladung Q beträgt 9 · 10
C. Da ein Elektronenmangel vorliegt, ist der Stab positiv geladen.
Liegt zwischen zwei Bereichen ein Unterschied in der elektrischen Ladung vor, besteht zwischen
diesen beiden Bereichen eine elektrische Spannung. Der Ausgleich dieses Ladungsunterschieds
ist mit dem Fluss von elektrischer Ladung von einem zum anderen Bereich verbunden. Dieser
Ladungsfluss in eine Richtung wird als elektrischer Strom bezeichnet.
10.1.2 Elektrische Spannung U
Besteht zwischen zwei Bereichen ein Unterschied in ihrer elektrischen Ladung, liegt zwischen den beiden Bereichen eine
elektrische Spannung U (engl. voltage) vor. Sie wird durch eine
Anziehungskraft deutlich (Bild 1).
Anziehungskräfte
+
F1
F2
–
F1 = F2
Zwischen zwei elektrisch unterschiedlich geladenen Polen
besteht eine elektrische Spannung U.
Sie entsteht durch die Trennung dieser Ladungen.
Bild 1: Kraft zwischen unterschiedlichen elektrischen
Ladungen
10
Bildlich lässt sich eine Spannung durch einen Wasserstrom verdeutlichen (Bild 1, S. 416). Fließt
Wasser aus einem Reservoir durch einen angeschlossenen Schlauch nach draußen, wird der
Wasserstrom durch die Höhe des Wasserstands erzeugt. Das Anheben des Wasserreservoirs
erzeugt einen höheren Wasserdruck und somit einen höheren Wasserstrom. Der höhere Wasserdruck entspricht einer höheren Spannung.
415
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10.3 Elektrochemische Vorgänge
10.3.1 Daniell-Element
Das Daniell-Element, auch als Daniellsches Element bezeichnet, wurde nach dem britischen
Chemiker John Frederic Daniell (1790 bis 1845)
entwickelt. Eine Zink-Elektrode taucht in einem
Behälter aus porösem Material in eine Zinksulfat-Lösung ein. Dieser Behälter steht in einer Kupfersulfat-Lösung mit einer zylinderförmigen Kupfer-Elektrode (Bild 1).
Beide Lösungen im Daniell-Element besitzen
–1
eine Konzentration von jeweils 1 mol · L .
Durch die poröse Trennwand, das Diaphragma, wird eine direkte Vermischung der beiden Lösungen vermieden. Der Austausch von
Ladungsträgern ist möglich.
Daniell stellte bei seinem Aufbau fest, dass
zwischen den beiden leitenden Drähten dieses Elements eine Spannung von rund 1,1 V
messbar ist. Aufgrund des hohen Innenwiderstands durch die poröse Trennwand von etwa
10 Q konnte jedoch nur ein Strom von ungefähr
100 mA erreicht werden. Verschiedene Diaphragma-Materialien und alternative Aufbauten
für das galvanische Element wurden untersucht.
Das Daniell-Element lässt sich auch wie in
Bild 2 darstellen. Die beiden Salzlösungen befinden sich in getrennten Behältern, die über
ein U-Rohr als Salzleiter oder Salzbrücke verbunden sind. Diese galvanische Zelle besteht
aus zwei Halbzellen, einer Zink-Halbzelle und
einer Kupfer-Halbzelle.
Zink-Elektrode in
Zinksulfat-Lösung
Kupfer-Elektrode
in KupfersulfatLösung
Ton-Behälter
Bild 1: Aufbau eines Daniell-Elements
elektrischer Leiter
V
e–
e–
Salzbrücke
Zn
Cu
e–
e–
Zn2+
SO42–
Cl–
Cl–
e–
e–
K+
Cu2+
Zn2+
1 M ZnSO4-Lösung
Zn
K+
Zn2+ + 2 e–
Cu2+ SO42–
1 M CuSO4-Lösung
Cu2+ + 2 e–
Cu
Bild 2: Aufbau eines Daniell-Elements aus zwei
räumlich getrennten Halbzellen
In einem galvanischen Element müssen die räumlich getrennten Halbzellen über eine Salzbrücke oder ein Diaphragma miteinander verbunden sein, um eine Ionenleitung zu gewährleisten.
Zink ist unedler als Kupfer. Daher gehen von der Zink-Elektrode mehr Zink-Ionen in Lösung, als von
der Kupfer-Elektrode Kupfer-Ionen in Lösung gehen. Beim Lösungsvorgang gehen Metall-Ionen
in die Lösung über und Elektronen bleiben im Metall zurück. Die Metall-Atome werden oxidiert.
Wie in Bild 2 dargestellt, wird die Zink-Elektrode durch die zurückbleibenden Elektronen negativ
geladen. Die Kupfer-Elektrode trägt nicht so viele Elektronen und ist somit der positiv geladene
–1
Pol. Zwischen den beiden Polen existiert bei Lösungen der Konzentration 1 mol · L eine elektrische Spannung von 1,10 V (unter Standardbedingungen).
Die überschüssigen Elektronen an der Zink-Elektrode wandern über den elektrischen Leiter zur
Kupfer-Elektrode. Hier können die Kupfer-Ionen der Lösung diese Elektronen aufnehmen. Die
Kupfer-Ionen werden zu Kupfer-Atomen reduziert, so dass sich an der Elektrode elementares
Kupfer anlagert.
Da die Kupfersulfat-Lösung an positiv geladenen Kupfer-Ionen verarmt und im Gegenzug die
Zinksulfat-Lösung an positiv geladenen Zink-Ionen reicher wird, muss ein Ladungsausgleich zwischen den beiden Halbzellen stattfinden. Dieser Ausgleich geschieht über das Diaphragma bzw.
über die Salzbrücke (Bild 1 und 2). Negativ geladene Ionen wandern durch Diffusion von der
Kupfer-Halbzelle zur Zink-Halbzelle. Der Stromkreis ist damit geschlossen.
Beim Daniell-Element geht das unedlere Zink in Lösung. Das Zink wird oxidiert. Die Zink-Elektrode
trägt daher die Bezeichnung Anode. Durch die zurückbleibenden Elektronen ist die Zink-Elektrode
negativ geladen. Da diese Halbzelle Elektronen zur Verfügung stellt, ist sie die Donatorhalbzelle.
10
439
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10 Elektrochemie und Elektrotechnik
In der Kupfer-Halbzelle werden von den KupferIonen Elektronen aufgenommen. Hier findet die
Reduktion statt. Die Elektrode wird als Kathode
bezeichnet. Die Halbzelle ist die Akzeptorhalbzelle.
V
e–
Salzbrücke
Zn
Die Elektrode, an der die Oxidation erfolgt,
ist die Anode. Die Halbzelle heißt Donatorhalbzelle.
Die Elektrode, an der die Reduktion erfolgt,
ist die Kathode. Die Halbzelle heißt Akzeptorhalbzelle.
e–
Cl–
Cl–
Cl–
Cl–
Cl–
Cl–
Zn2+
Cl–
Zn2+
Zn2+
K+
Zn2+
Cl–
Cl–
Cl–
Zn2+
K+
SO42–
K+
K+
SO42–
K+
SO42–
Cu
K+
K+
K+
SO42–
K+
K+
SO42–
Bild 1: Daniell-Element nach längerer Standzeit
Im Verlauf der Reaktion nimmt die Kupfer-Elektrode aufgrund der sich anlagernden KupferAtome an Größe und Masse zu, während sich die Zink-Elektrode mit der Zeit immer weiter
auflöst (Bild 1). Bei den chemischen Vorgängen handelt es sich um eine Redoxreaktion, wobei die Reduktions- und die Oxidationsreaktion räumlich getrennt voneinander ablaufen. An der Zink-Elektrode findet mit der Oxidation die Umsetzung von Zink2+
2+
Atomen Zn zu Zink-Kationen Zn statt. In der Zink-Halbzelle liegt das Redox-Paar Zn/Zn
vor. Die Elektronen wandern von einer Donatorhalbzelle über den elektrischen Leiter zur Akzeptorhalbzelle, so dass an der Kupfer-Elektrode mit der Aufnahme von Elektronen die Reduktion
2+
der Kupfer-Anionen Cu zu elementarem Kupfer Cu erfolgt. In der Kupfer-Halbzelle liegt das
2+
Redox-Paar Cu /Cu vor.
Reduktionsreaktion und Oxidationsreaktion der elektrochemischen Redoxreaktion laufen
voneinander räumlich getrennt jeweils in einer der beiden Halbzellen ab.
z+
vor.
In jeder Halbzelle liegt ein Redox-Paar M/M
Die beiden im Daniell-Element ablaufenden Reaktionen können getrennt voneinander aufgestellt werden. Die Summe der beiden miteinander verbundenen Teilvorgänge ergibt die Gesamtreaktion:
Anode
Kathode
Zn
Cu2+ + 2 e–
S
Zn + Cu2+
r
r
r
Zn2+ + 2 e–
Cu
Oxidationsreaktion
Reduktionsreaktion
Zn2+ + Cu
Reduktions-Oxidations-Reaktion (Redoxreaktion)
Das Daniell-Element lässt sich kurzgefasst in einem Zellendiagramm darstellen:
Zn Zn2+ (1 mol · L–1) Cu2+ (1 mol · L–1) Cu oder
Zn Zn2+ (1 mol · L–1) Cu2+ (1 mol · L–1) Cu
Das Zellendiagramm gibt der Reihe nach den Aufbau des galvanischen Elements an. Eine Phasengrenzfläche Elektrode – Lösung wird im Zellendiagramm durch einen senkrechten Strich dargestellt ( ). Zwei Doppelstriche ( ) oder eine gestrichelte Linie ( ) kennzeichnen die HalbzellenGrenze.
10
Für den Fall des Daniell-Elements liegt eine Elektrode aus Zink Zn in einer Elektrolytlösung mit
2+
–1
2+
Zn -Kationen der Konzentration 1 mol · L vor. Die Zn -Ionen-haltige Lösung ist durch eine
2+
Trennwand von der Cu -Ionen-haltigen Elektrolytlösung separiert. In die Elektrolytlösung mit
2+
–1
Cu -Ionen der Konzentration 1 mol · L taucht eine Elektrode aus Kupfer Cu.
Ein Zellendiagramm gibt unter Berücksichtigung von Phasengrenzflächen und HalbzellenGrenzen den Aufbau eines galvanischen Elements wieder.
Das Zellendiagramm selbst verdeutlicht nur den Aufbau eines Elements. Es hält nicht fest,
welche Reaktionen in dem Element ablaufen oder welche Vorgänge sich genau an den Phasengrenzflächen bzw. an den Elektroden abspielen.
440
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10.3 Elektrochemische Vorgänge
10.3.2 Elektrodenvorgänge
Die Doppelschicht ist auf der Seite der Elektrode deutlich dünner als auf der Seite des
Elektrolyten (Bild 1). Im Elektronenleiter ist die
Schichtdicke nur von der Dichte der Ladungen
abhängig, die im Fall von Metallen zwischen
den praktisch nicht beweglichen Atomrümpfen
vorhanden sind.
Auf der Seite des Elektrolyts wird die elektrisch
geladene Schicht u. a. von der Ionen-Konzentration im Elektrolyt, der Ionen-Wertigkeit, ihrer
Solvatation und der Beweglichkeit der Ionen
bestimmt. Betrachtet man die Doppelschicht
im Detail, wird auf Seiten des Elektrolyten
deutlich, dass diese Schicht komplex aufgebaut ist. Die ablaufenden Vorgänge werden bei
der detaillierten Betrachtung deutlich.
+
+
–
Metallelektrode
negativ geladen
Die Phasengrenze Elektrode-Elektrolyt ist die
Grenze zwischen einem Elektronenleiter (Elektrode) und einem Ionenleiter (Elektrolyt). An
dieser Phasengrenze stehen sich zwei elektrisch geladene Schichten mit entgegengesetztem Vorzeichen gegenüber. Daher wird die
Phasengrenze auch als elektrochemische oder
elektrolytische Doppelschicht, kurz als Doppelschicht, oder auch als Dipolschicht bezeichnet.
Elektrolyt
Elektrode
–
+
–
–
+
Wassermoleküle
+
–
+
–
–
–
+
–
+
–
–
hydratisierte Ionen
+
–
–
–
–
+
–
–
+
+
+
–
–
Anion
+
Kation
–
Anion mit Hydrathülle
+
Kation mit Hydrathülle
Bild 1: Ausbildung einer Doppelschicht zwischen
Elektrode und Elektrolyt
Metallelektrode
negativ
geladen
Stern-Doppelschicht
Helmholtz-Schicht
freie
Elektrolytlösung
–
+
–
–
Konzentration c
des Reaktanten
Die Kenntnis über die genauen Vorgänge an
den Elektroden und damit an den Phasengrenzflächen gibt die Möglichkeit, elektrochemische Abläufe genauer zu steuern und zu
beeinflussen.
+
Nernstsche
Diffusionsschicht
–
–
+
–
–
+
–
–
starre Schicht
Elektrode
+
diffuse
Schicht
Abstand r von der Elektrode
Elektrolyt
Bild 2: Aufbau einer Doppelschicht zwischen
Elektrode und Elektrolyt
Der wichtigste Vorgang zwischen Elektrode und Elektrolyt ist die Durchtrittsreaktion, d. h. der
Übergang von Ladungsträgern durch die Phasengrenze. Hierbei kommt es entweder zur Anlagerung eines Teilchens (Adsorption) an der Elektrode oder zur Abgabe eines Teilchens in die
Elektrolytlösung verbunden mit einer Solvatation. Dieser Stoffumsatz führt zu Konzentrationsänderungen, denen das System durch Teilchenbewegungen entgegenwirkt. Hierzu müssen
Teilchen durch die Lösung in Richtung der Phasengrenzfläche gelangen oder entsprechend entgegengesetzt wandern.
Nach dem deutschen Physiker Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821 bis 1894) besteht die Schicht auf der Elektrolytseite aus einer inneren Helmholtz-Schicht und einer äußeren
Helmholtz-Schicht (Bild 2). Die innere Helmholtz-Schicht besteht aus ausgerichteten Ionen direkt
an der Elektrodenoberfläche. Diese sind teilweise desolvatisiert und schon an die Oberfläche der
Elektrode adsorbiert. Die äußere Helmholtz-Schicht wird aus solvatisierten Ionen der Lösung
gebildet.
10
Der deutsche Physiker Otto Stern (1888 bis 1969) brachte verschiedene Modellvorstellungen zusammen. Er konstatierte, dass sich die Doppelschicht aus einer starren Schicht und weiter in Richtung Elektrolytlösung aus der diffusen Schicht zusammensetzt. Diese Kombination wird auch als
Stern-Doppelschicht bezeichnet. Die diffuse Schicht trägt nach dem deutschen Physikochemiker
Walther Hermann Nernst (1864 bis 1941) auch den Namen Nernstsche Diffusionsschicht. Durch
diese Diffusionsschicht können sich Teilchen nur über Diffusion bewegen. Die Schichtdicke der
Diffusionsschicht hängt von der Elektrolytkonzentration und der angelegten Spannung ab.
441
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11.1 Biologische Grundlagen
11.1.2 Biologische Stoffklassen
Die gesamte organische Substanz der Lebewesen wird als Biomasse bezeichnet. Biomasse besteht aus wenigen typischen Substanzklassen. Die in Lebewesen vorkommenden organischen
Verbindungen können in hochmolekulare und niedermolekulare Stoffe eingeteilt werden. Die
hochmolekularen organischen Substanzen oder Makromoleküle sind zumeist Polymere, die aus
gleichen oder gleichartigen Bausteinen, den so genannten Monomeren, bestehen.
Die biologischen Polymere sind Proteine, Nukleinsäuren, Polysaccharide und Lipide. Sie
kommen zusammen mit ihren Monomeren und weiteren niedermolekularen Stoffwechselprodukten in fast jeder Zelle vor.
Proteine und Aminosäuren
Proteine oder Eiweiße, die es in großer Vielfalt gibt, sind in lebenden Systemen unentbehrlich.
Sie sind alle aus gleichartigen Monomeren, den Aminosäuren, aufgebaut. Sämtliche Aminosäuren bestehen aus Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff- und Stickstoffatomen; zwei Aminosäuren enthalten außerdem Schwefel.
Bild 1 zeigt den allgemeinen Aufbau einer
Aminosäure, die am a-C-Atom eine Aminogruppe und einen Carboxylgruppe trägt. Das aC-Atom ist das C-Atom, das direkt benachbart
zum C-Atom der Carboxylgruppe steht. Das aC-Atom besitzt neben einem H-Atom eine Restgruppe R, die bei verschiedenen Aminosäuren
unterschiedlich ist. Da alle Aminosäuren bis auf
Glycin, die als Rest ein weiteres Wasserstoffatom trägt, vier verschiedene Substituenten
am a-C-Atom besitzen, gibt es zwei spiegelbildliche Isomere, die L- und die D-Aminosäuren
(Bild 1). Proteine enthalten ausschließlich
L-Aminosäuren.
Aminogruppe
H3+ N
Carboxylgruppe
CH
COO
R
a – C – Atom
Aminosäurerest
COO
–
COO
Von Proteinen spricht man, wenn insgesamt
mehr als 50 Aminosäuren hintereinander verknüpft sind. Die in Proteinen zu findenden
Aminosäuren können gewöhnlich 20 verschiedene Reste enthalten. Somit existieren 20 biologische Aminosäuren Tabelle 1, S. 484), die
normalerweise in allen Proteinen in einer charakteristischen Reihenfolge vorhanden sind.
–
C
C
H3N
+
R
R
NH3
+
H
H
L-Aminosäure
Die Aminosäuren sind in den Proteinen über
Peptidbindungen verknüpft. Zwischen der
Aminogruppe einer Aminosäure und der Carboxylgruppe einer anderen Aminosäure entsteht formal durch Wasserabspaltung und Bildung einer Peptidbindung ein Dipeptid (Bild 2).
Peptide und Proteine besitzen immer unterschiedliche Enden, nämlich eine Aminogruppe
an einem Ende (N-Ende) und eine Carboxylgruppe am anderen (C-Ende).
–
D-Aminosäure
Bild 1: Aufbau von Aminosäuren
H
H
R
N
C
C
H
O
H
OH
H
R
N
C
C
H
O
OH
H2O
N-Ende
H
H
R
N
C
H
C
O
H
R
N
C
H
C
O
OH
C-Ende
Bild 2: Peptidbindung zwischen zwei Aminosäuren
Proteine sind lange Ketten aus L-Aminosäuren, die über Peptidbindungen miteinander
verknüpft sind.
11
483
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11 Biotechnologie
Die Reste der Aminosäuren
können hydrophobe Eigenschaften besitzen, wie z. B.
die Aminosäuren mit aromatischen Seitenketten. Andere
Aminosäuren haben hydrophile Reste, die Wasserstoffbrücken ausbilden können. Die
hydrophilen Aminosäurereste
können weiter in ungeladene
Reste mit Hydroxylgruppen
und in geladene Reste unterteilt werden. Letztere haben
entweder eine weitere freie
Aminogruppe oder eine Carboxylgruppe. Die Aminosäuren
Cystein und Methionin enthalten als einzige Schwefel. Prolin
besitzt im Gegensatz zu allen
anderen Aminosäuren infolge
einer Ringbildung unter Beteiligung der a-Aminogruppe
keine freie Aminogruppe.
Die Eigenschaften der Proteine
werden durch die Eigenschaften der vorhandenen Aminosäurereste bestimmt. Beispielsweise verleiht eine Überzahl an
Carboxylgruppen in den Resten
dem Protein eine negative
Nettoladung im neutralen pHWertbereich einer Zelle.
Tabelle 1: In Proteinen vorkommende essentielle Aminosäuren
Aminosäure
Abkürzung
Glycin
Alanin
Valin
Leucin
Isoleucin
Gly, G
Ala, A
Val, V
Leu, L
Ile, I
Restgruppe
H
CH3
CH (CH3)2
CH2 CH (CH3)2
CH CH2 CH3
Hydrophobe
Reste
CH3
Prolin
Methionin
Pro, P
CH2
Met, M
CH2
CH2
Phenylalanin
Phe, F
CH2
Tyrosin
Tyr, Y
CH2
Tryptophan
Trp, W
CH2
CH2
CH2
S
CH3
OH
Aromatische
Reste
C
HC
N
H
Serin
Ser, S
CH2 OH
OH
Threonin
Thr, T
CH
Asparagin
Asn, N
Glutamin
Gln, Q
Cystein
Cys, C
CH2
Lysin
Arginin
Lys, K
Arg, R
(CH2)4
(CH2)3
Histidin
Asparaginsäure
His, H
Asp, D
CH3
O
CH2 C NH2
O
(CH2)2 C NH2
SH
NH3+
NH C
CH2 C
+HN
CH
Hydrophile
ungeladene
Reste
NH2
C
H
CH
NH
NH2+
Basische
Reste
COOH
2
Alle Proteine haben aufgrund
Saure Reste
(CH2)2 COOH
Glutaminsäure
Glu, E
der Wechselwirkungen ihrer
Aminosäuren eine charakteristische räumliche Struktur, die Konformation genannt wird. Der räumliche Aufbau eines Proteins
ist für seine Funktion in der Zelle von entscheidender Bedeutung. Strukturell lassen sich vier
Betrachtungsebenen unterscheiden (Bild 1, S. 485):
• Die Primärstruktur eines Proteins ist die Abfolge oder Sequenz der einzelnen Aminosäuren
in der Polypeptidkette (z. B. Ala – Gly – Gln – Trp – Phe –). Die Aminosäuresequenz bestimmt,
welche Konformation ein Protein letztendlich einnimmt.
• Die Sekundärstruktur ist die räumliche Anordnung von benachbarten Aminosäuren, die durch
die Bildung von Wasserstoffbrücken entsteht. Zwei regelmäßige Strukturen, die a-Helix- und
die b-Faltblatt-Struktur, sind in vielen Proteinen zu finden.
11
• Unter Tertiärstruktur der Proteine versteht man die übergeordnete räumliche Struktur der
gesamten Polypeptidkette. Sie wird auch durch Bindungen von Aminosäureresten bestimmt,
die in der Aminosäurekette weit voneinander entfernt liegen können. Beispielsweise können
kovalente Bindungen zwischen den Schwefelatomen zweier Cysteinreste, so genannte Disulfidbrücken, die Proteinstruktur wesentlich beeinflussen. Die Aminosäurekette kann sich um eine
Nichtproteinverbindung anordnen, die kovalent (prosthetische Gruppe) oder nicht-kovalent
(Coenzym) mit dem Protein verbunden sein kann.
• Die Quartärstruktur bezeichnet die Zusammenlagerung mehrerer Polypeptidketten (Proteine),
die identisch oder unterschiedlich sein können, zu einer gemeinsamen Funktionseinheit.
484
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11.1 Biologische Grundlagen
Primärstruktur
Tertiärstruktur
Quartärstruktur
alpha-Helix
Leu
Thr
Pro
Val
Glu
Sekundärstruktur
Häm
(prosthetische
Gruppe)
beta-Faltblatt
His
Val
Ein Beispiel für ein komplexes
Protein mit Quartärstruktur ist
der rote Blutfarbstoff Hämoglobin (Bild 1, Quartärstruktur).
Er enthält vier Untereinheiten,
von denen je zwei identisch
sind. Die Untereinheiten selbst
bestehen aus einem Proteinanteil und aus einer prosthetische
Gruppe, dem Häm, das Eisen
als Zentralatom enthält. Die
Untereinheiten, die Globine,
sind in gleicher und charakteristischer Weise gefaltet.
Aminosäure
Bild 1: Die vier Strukturebenen eines Proteins
Die für die Funktion wichtige räumliche Struktur oder Konformation von Proteinen wird
durch die Eigenschaften der Aminosäurereste und deren Beziehungen zueinander bestimmt.
Welche Konformation ein Protein einnimmt, ist im Wesentlichen von der Primärstruktur, der
Aminosäuresequenz, abhängig.
Aufgrund der Vielzahl möglicher Aminosäuresequenzen und infolgedessen von Proteinstrukturen können Proteine in einem Organismus viele unterschiedliche Aufgaben erledigen.
• Enzyme dienen als Katalysator, die für sehr viele chemische Reaktionen in der Zelle benötigt
werden und den Stoffwechsel gewährleisten. Ein Cofaktor ist ein organisches Molekül oder
Metall-Ion, das für die Funktion vieler Enzyme zusätzlich notwendig ist. Es kann fest (prosthetische Gruppe) oder reversibel (Coenzym) an das Enzym gebunden sein.
• Strukturproteine, wie z. B. Kollagen und Keratin, bestimmen die Gestalt biologischer Strukturen wie der Haut und Knochen und bieten mechanische Stütz- und Schutzfunktionen.
• Transportproteine transportieren spezifisch kleine Moleküle und Ionen beispielsweise in eine
Zelle hinein oder wie Hämoglobin, das Sauerstoff binden kann, innerhalb eines Organismus.
• Antikörper sind hochspezifische Proteine des Immunsystems zur Abwehr von körperfremden
Stoffen wie Krankheitserregern.
• Regulator- und Signalproteine sind wichtige Steuerelemente innerhalb und außerhalb der
Zelle. Einige Hormone sind Peptide bzw. Proteine und dienen bei Mensch und Tieren der
Weitergabe von Signalen über weite Distanzen im Körper.
Kohlenhydrate
Offenkettige
a-Glucose 6 CH2OH
Form
5C
O
Die als Kohlenhydrate zusamH
H
Ringform
O
H
mengefassten
organischen
H
1C
C
4
Verbindungen sind als Zucker
H
OH
1C
6 CH2OH
HO C
OH
bekannt oder aus ZuckerbauO
5
3
H C OH
C
OH
2
2
H
H
steinen aufgebaut. KohlenH
OH
H
4C
HO C H
1C
hydrate kommen überall in
3
H
OH
6 CH2OH
O
der belebten Natur vor und
HO C
H C OH
O
4
5C
3
O
2
machen den weitaus größten
H
CH
H
OH
H C OH
H
5
Teil der Biomasse aus. Sie werC
1C
4
H
OH
CH2OH
den durch Pflanzen, Algen und
6
HO C
O H
3
Mikroorganismen bei der Foto2
OH
b-Glucose H
synthese aus dem Kohlenstoffdioxid der Luft und Bild 2: Strukturformeln von Glucose
Wasser aufgebaut. Kohlenhydrate bestehen daher aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatomen. Durch unterschiedliche Verknüpfung dieser Atome entstehen viele verschiedene Kohlenhydrate.
11
485
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11 Biotechnologie
Der Zucker Glucose (Traubenzucker) ist als direktes Produkt
der Fotosynthese besonders weit verbreitet und ein wichtiger
Energielieferant für Zellen (s. Kap. 11.1.10, S. 505). Glucose gehört mit sechs C-Atomen zu den Hexosen und hat die Summenformel C6H12O6 .
CH2OH
Hexosen enthalten entweder eine Ketogruppe oder wie im Falle
der Glucose eine Aldehydgruppe. Die übrigen Kohlenstoffatome tragen Hydroxygruppen und Wasserstoffatome. Weit
verbreitet sind auch die fünf C-Atome enthaltenden Pentosen
und die Triosen mit drei C-Atomen.
C
O
HO
C
H
H
C
OH
H
C
OH
CH2OH
Bild 1: Fructose
Bild 2, S. 485, zeigt die Strukturformel der Glucose, die wie andere Zucker sowohl in Form einer
offenen Kette als auch in geschlossener Ringform vorkommen kann. Die Aldehydgruppe geht
hierzu mit der Hydroxygruppe am C5-Atom eine Reaktion ein. Dabei können zwei Ringstrukturen
entstehen, die a- und die b-Form, je nachdem, ob die Hydroxygruppe am C1-Atom unter oder
über der Ringebene angeordnet ist.
Die Glucose, die auch Blutzucker genannt wird, da sie im menschlichen Blut enthalten ist, ist ein
Einfachzucker oder Monosaccharid. In Früchten kommt die Fructose (Fruchtzucker) vor. Sie ist
ebenfalls ein Monosaccharid, besitzt jedoch statt einer Aldehydgruppe eine Ketogruppe (Bild 1).
CH2OH
6 CH2OH
6 CH2OH
O
O
O
5
H
H
H 5
H
H
H
– H 2O
H
H
H
4
1
1
4
OH H
OH H
OH H
O
HO
HO
OH
OH
H
3
OH
a-Glucose
H
OH
OH
a-Glucose
+
H
2
OH
Maltose
CH2OH
O
CH2OH
O
HO
O
OH
OH
CH2OH
OH
OH
Lactose
OH
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
OH
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
In den beiden Polysacchariden Stärke und Glycogen sind zahlreiche a-Glucosemoleküle zu
sehr langen Molekülen miteinander verknüpft.
Stärke besteht aus zwei verschiedenen Polymeren, aus der linear verketteten Amylose
(a-1,4-glycosidische Bindungen) mit schraubenförmiger oder helikaler Struktur (Bild 3), und
aus dem verzweigten Amylopektin mit zusätzlichen a-1,6-glycosidischen Verknüpfungen. Im
Verdauungssystem von Mensch und Tieren
werden diese Polymere durch Enzyme wieder
in Glucosemoleküle gespalten.
OH
OH
CH2OH
O O
OH
O
OH
CH2OH
O
Kohlenhydrate können auch
Saccharose
als Polymere vorliegen. Diese
Zuckerpolymere werden als Bild 2: Disaccharide
Polysaccharide bezeichnet. Bekannte Vertreter sind Stärke, Glycogen und
Cellulose. Stärke dient in vielen Pflanzen als
Energiespeicher; Glycogen hat in menschlichen und tierischen Geweben dieselbe Speicherfunktion.
11
3
2
H
O
CH2OH
O
H
H
H
OH H
HO
OH
O
Reagieren zwei Glucose-Moleküle unter Wasserabspaltung
miteinander, entstehen Zweifachzucker oder Disaccharide
wie die Maltose (Malzzucker)
unter Bildung einer a-1,4-glycosidischen Bindung (Bild 2).
Disaccharide sind beispielsweise die als Haushaltszucker
bekannte Saccharose (Rohrzucker) und die in der Milch
zu findende Lactose (Milchzucker).
a)
b)
Bild 3: Struktur von a) Amylose und b) Cellulose
486
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11 Biotechnologie
Aufgrund der Eigenarten des genetischen Codes kann trotz Basenaustausch die gleiche Aminosäure im Genprodukt eingefügt werden, da eine Reihe von Aminosäuren identisch kodiert sind
(s. Kap. 11.1.9, S. 501). Diese Mutationen werden stille oder stumme Mutationen genannt. Sie
führen dazu, dass bestimmte Gene für das gleiche Merkmal bzw. Protein innerhalb einer Population unterschiedliche Nukleotid-Sequenz besitzen. Dieses Phänomen heißt Polymorphismus
(griech.: Vielgestaltigkeit).
Der durch eine Punktmutation verursachte Austausch einer DNA-Base in einem Gen kann
zum Einbau einer abweichenden Aminosäure führen. Dadurch kann das veränderte Protein
seine Funktion ganz oder teilweise verlieren.
In allen Lebewesen treten Mutationen spontan mit einer bestimmten Häufigkeit auf, die
als natürliche Mutationsrate
bezeichnet wird. Insbesondere
entstehen regelmäßig Ablesefehler durch die DNA-Polymerasen bei der Replikation,
dem Ablauf der DNA-Verdoppelung im Zellkern. Diese
Fehler können zu Sequenzänderungen in der DNA führen,
wenn sie nicht repariert werden.
DNA
CAA GTA AAC ATA GGA CTT CTT
Protein
Val His Leu Thr Pro Glu Glu
a) Nicht-mutierte Zellen
Punktmutation
DNA
CAA GTA AAC ATA GGA CAT CTT
Protein
Val His Leu Thr Pro Val Glu
b) Mutierte Zellen
Hämoglobin
Rote Blutzellen
Sichelzellen bei
Mutationen können auch inSichelzellenanämie
duziert, d. h. künstlich erzeugt
werden. Dazu können soge- Bild 1: Punktmutation im Hämoglobin bei der Sichelzellenanämie
nannte Mutagene wie Strahlung (z. B. radioaktive Strahlung und UV-Strahlen), hohe Temperaturen sowie bestimmte Chemikalien (z. B.
a)
Bromuracil, Salpetersäure und Akridinfarbstoffe) eingesetzt werden.
Endonuklase
Durch kurzwellige UV-Strahlung werden zwei
auf dem DNA-Strang benachbarte Thyminbasen zu Thymin-Dimeren kovalent verbunden
b)
DNA(Bild 2a). Die Thymin-Dimere können sich nicht
Synthese
Polymerase
mehr mit den komplementären Adenin-Basen
paaren, so dass es zum Abbruch der Replikation kommen würde. Durch enzymatisch gesteuc)
erte Prozesse der DNA-Reparatur können allerdings Schäden der DNA erkannt und beseitigt
werden. Die Thymin-Dimere werden zusamDNA-Ligase
men mit den benachbarten Nukleotiden durch
eine Endonuklease herausgeschnitten (Bild 2b).
Eine Endonuklease ist ein Enzym, das die DNA
d)
im Inneren (griech. endo, innen) aufspalten
und abbauen kann. Die entstandene Lücke wird Bild 2: Bildung und Reparatur von Thymin-Dimeren
durch die DNA-Polymerase, die DNA-Polymere
bildet, mit den komplementären Nukleotiden ersetzt (Bild 2c). Das zuletzt eingefügte Nukleotid
muss mit dem benachbarten Nukleotid von einem weiteren Enzym, der DNA-Ligase, kovalent
verbunden werden, so dass wieder ein geschlossener DNA-Strang vorhanden ist (Bild 2d).
11
Mutagene sind Chemikalien und äußere Einwirkungen wie radioaktive oder UV-Strahlung, die
im Erbgut von Organismen Mutationen auslösen können.
500
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11.1 Biologische Grundlagen
11.1.9 Proteinbiosynthese
Die Biosynthese von Proteinen verläuft in allen Lebewesen in gleichartiger Weise. Dieser Prozess
wird auch Genexpression genannt und meint die Exprimierung oder Ausprägung der genetischen Informationen in Proteine. Die Synthese von Proteinen erfolgt immer über die beiden
Schritte der Transkription und Translation sowie über das Zwischenprodukt RNA, was zur Aufstellung des zentralen Dogmas der Molekularbiologie führte (Bild 1).
Das Dogma ist für alle Lebewesen gültig und
fand nur eine Ausnahme bei der Entdeckung
der Retroviren (s. Kap. 11.1.7, S. 496). Diese Viren, zu denen auch die AIDS-Erreger gehören,
sind in der Lage, ihr RNA-Erbgut in DNA-Moleküle umzuschreiben.
Die Proteinbiosynthese erfolgt in prokaryontischen und eukaryontischen Zellen in zwei
Stufen (s. Bild 2):
Transkription
DNA
Translation
RNA
Protein
Retroviren
Bild 1: Zentrales Dogma der Molekularbiologie
• Transkription (Umschreibung): Zunächst werden die DNA-Gene in einen RNA-Strang umgeschrieben. Hierzu werden RNA-Nukleotide, die sich über die komplementäre Basenpaarung
(s. Kap. 11.1.2, S. 489) an den geöffneten DNA-Strang anlagern, mithilfe des Enzyms RNA-Polymerase verknüpft. Es entsteht die sogenannte Boten-RNA oder messenger-RNA (kurz: mRNA).
• Translation (Übersetzung): Anschließend wird an den Ribosomen, den Eiweißfabriken der
Zelle, die Nukleotidsequenz der mRNA in eine spezifische Kette von Aminosäuren übersetzt.
Der Informationsfluss von DNA über RNA zum Protein ist das zentrale Dogma der Molekularbiologie. Die Baupläne der Proteine, die als genetische Information in der DNA gespeichert
sind, werden in der Transkription auf mRNA umgeschrieben. An den Ribosomen erfolgt in der
Translation die eigentliche Synthese des Proteins.
Die in allen Lebewesen gültitRNA mit Aminosäure
DNA
ge Regel, mit der eine mRNA
in ein Protein übersetzt wird,
wird genetischer Code genannt. Dabei ist jede in ProPeptidkette
teinen vorkommende Aminosäure einer Gruppe von drei
aufeinanderfolgender
RNARibosom
Basen, auch Tripletts oder
RNACodons genannt, zugeordnet.
Polymerase
Die RNA besitzt wie die DNA
vier verschiedene Basen und
mRNA
damit vier Buchstaben in der
mRNA
genetischen Sprache. ProteTranskription
Translation
ine enthalten gewöhnlich 20
unterschiedliche Aminosäuren Bild 2: Ablauf der Proteinbiosynthese
(s. Kap. 11.1.2, S. 483). Die Ko3
dierung der RNA-Sequenz in Dreiergruppen ermöglicht, dass insgesamt 4 = 64 mögliche Codons zur Verfügung stehen. Beispielsweise wird das Triplett CCU auf der RNA in die Aminosäure
Prolin übersetzt (Bild 1, S. 502). Bei einer Kodierung der Basen in Zweiergruppen würden nur
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4 = 16 Codons und damit für alle 20 Aminosäuren zu wenige zur Verfügung stehen. Bei 64 möglichen Codons gibt es allerdings für viele Aminosäuren mehrere Kodierungen.
Der genetische Code ist ein Schlüssel, mit dem während der Translation Dreiergruppen aufeinanderfolgender Nukleotide, die Codons genannt werden, in Aminosäuren übersetzt werden.
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11 Biotechnologie
Als Startsignal der Translation dient das Triplett
AUG der mRNA, das gleichzeitig auch den Einbau der Aminosäure Methionin veranlasst. Drei
Codons sind als Stopcodons für die Beendigung (Termination) der Translation verantwortlich. Sie führen zum Abbruch der Synthese, da
es keine Aminosäuren zu diesen Codons gibt.
Beim Ablauf der Translation (Bild 2) spielen
neben der mRNA weitere Zellkomponenten
eine wichtige Rolle, vor allem die Ribosomen
und eine Gruppe kleiner RNA-Moleküle, die als
tRNA zusammengefasst werden. Ribosomen
bestehen aus zwei Untereinheiten, die getrennt
voneinander im Cytoplasma vorliegen und
sich nur bei der Proteinsynthese zusammenlagern. Die Ribosomen bestehen aus verschiedenen Proteinen, den ribosomalen Proteinen,
und unterschiedlichen rRNA-Elementen, von
denen das längste bei Eukaryonten 4718 Nukleotide enthält.
Die tRNA-Moleküle bestehen aus nur 70 bis 80
Nukleotiden. Eine tRNA besitzt eine kleeblattähnliche Form, da einige Nukleotide innerhalb
des Moleküls gepaart vorliegen. Die tRNA
transportiert die Aminosäuren an den Ort der
Proteinsynthese (Bild 2). Die zur Synthese benötigten 20 verschiedenen Aminosäuren sind
mit einer jeweils für sie spezifischen tRNA
verestert. Durch die Bildung dieser Aminoacyl-tRNA werden die Aminosäuren aktiviert
und fähig zur Bildung einer Peptidbindung.
Die Aktivierung der Aminosäuren geschieht
durch die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, einer
Gruppe von Enzymen, die jeweils nur für eine
bestimmte Aminosäure spezifisch sind.
Erste
Base
Zweite Base
5´
U
C
A
G
3´-Ende
U
Phe
Phe
Leu
Leu
Leu
Leu
Leu
Leu
Ser
Ser
Ser
Ser
Pro
Pro
Pro
Pro
Tyr
Tyr
„Stop“
„Stop“
His
His
Gln
Gln
Cys
Cys
„Stop“
Trp
Arg
Arg
Arg
Arg
U
C
A
G
U
C
A
G
A
Ile
Ile
Ile
Met (Start)
Thr
Thr
Thr
Thr
Asn
Asn
Lys
Lys
Ser
Ser
Arg
Arg
U
C
A
G
G
Val
Val
Val
Val
Ala
Ala
Ala
Ala
Asp
Asp
Glu
Glu
Gly
Gly
Gly
Gly
U
C
A
G
C
Dritte
Base
Pro = Prolin
CCU
Bild 1: Der genetische Code
1. Aktivierung der Aminosäure
tRNA
Aminosäure
tRNA mit
Peptidkette
AminoacyltRNASynthetase
3. Bildung der
Peptidbindung
tRNA mit
Aminosäure
Anticodon
2. CodonAnticodonErkennung
tRNABindungsstelle
4. Wechsel der
Bindungsstelle
Ribosom
Zur Ausbildung der Peptidbindung am Ribodon Codon Codon
Codon Co
som müssen die richtigen Aminosäuren in
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mRNA
4
räumliche Nähe zueinander gebracht werden.
5. Bewegung der mRNA entlang des Ribosoms
Zusätzlich muss das der Aminosäure zugehörige Codon auf der mRNA von der tRNA erkannt Bild 2: Prozesse der Translation
werden. Hierzu besitzt jede tRNA ein spezielles
Codon, das Anticodon genannt wird und das über Wasserstoffbrückenbindung eine Basenpaarung mit dem komplementären Codon auf der mRNA eingeht. Die Ribosomen besitzen t-RNABindungsstellen, an denen zwei tRNA-Moleküle angelagert werden, eine tRNA mit einer einzelnen
Aminosäure und eine, die die entstehende Kette von Aminosäuren gebunden hat. Ein rRNA-Molekül des Ribosoms katalysiert die Bildung einer neuen Peptidbindung zwischen der entstehenden
Kette und der einzelnen Aminosäure. Die tRNA mit der verlängerten Peptidkette wechselt dann
in die andere Bindungsstelle des Ribosoms über, die von der entladenen tRNA freigegeben wird.
Anschließend geht der Zyklus mit der Bindung einer weiteren beladenen tRNA an die nun freie
Bindungsstelle weiter. Die mRNA wandert dabei, Codon um Codon, am Ribosom entlang weiter.
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An den Ribosomen werden tRNA-Moleküle, die mit Aminosäuren beladen sind, mit einer
mRNA räumlich zusammengebracht. Dadurch kann sich das Anticodon der tRNA an das komplementäre Codon der mRNA anlagern und eine Peptidbindung kann geschlossen werden.
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