Voraussetzungen für operante Konditionierung

Werbung
Lernen aus psychologischer Sicht
Ralph Schumacher
Institut für Verhaltenswissenschaften
ETH Zürich
Welche Arten des Lernens lassen sich
unterscheiden?
Worauf kommt es beim Lernen als
Wissenskonstruktion an?
Wie lässt sich Lernen fördern?
2
Zwei Arten des Lernens:
(1) Lernen als Verhaltenssteuerung
(2) Lernen als Wissenskonstruktion
3
Lernen aus behavioristischer Sicht
Prinzipien des Lernens gelten speziesübergreifend
Untersuchung von Lernprozessen konzentriert sich auf
Zusammenhänge zwischen Reizen und Reaktionen
Interne mentale Prozesse werden nicht vorausgesetzt
Lernen führt stets zu Änderungen des Verhaltens
Lernen ist weitgehend die Folge von Umwelteinflüssen
4
Klassische Konditionierung (I. Pavlov)
5
Pavlovs Hund
6
Klassische Konditionierung
Neutraler Reiz: das Klingeln der Glocke
Unkonditionierter Reiz: die Präsentation von Futter
Unkonditionierte Reaktion: die Präsentation von Futter
führt zu vermehrter Speichelproduktion
Konditionierter Reiz: das Klingeln der Glocke
Konditionierte Reaktion: das Klingeln der Glocke führt
zu vermehrter Speichelproduktion
7
Vorteile der klassischen Konditionierung
Konditionierter Reiz kann auf positive Konsequenz
hinweisen (z.B. Futter); konditionierte Reaktion kann
Startvorteil verschaffen (z.B. Speichelfluss)
Konditionierter Reiz kann auf negative Konsequenz
hinweisen (z.B. Schmerz, Gefahr); konditionierte
Reaktion kann Startvorteil verschaffen (z.B.
Vermeidungsreaktion, Fluchtversuch)
Vorteil für Lebewesen, die sich konditionieren lassen:
Hinweise auf Ressourcen oder Gefahr rechtzeitig
erkennen; Verhalten (Annäherungsverhalten oder Flucht)
wird rechtzeitig ausgelöst
8
Klassische Konditionierung beim menschlichen Lernen
Erwerb von unwillkürlichen Reiz-Reaktions-Mustern:
Vorlieben und Abneigungen
Einstellungen / Phobien
Gestaltung von Signalen
9
Operante Konditionierung (B. F. Skinner)
Die Häufigkeit von ursprünglich spontanem Verhalten
wird durch positive (verstärkende) oder negative
(abschwächende) Reize verändert.
10
Voraussetzungen für operante Konditionierung
Der Reiz muss dem Verhalten folgen.
Der Reiz muss unmittelbar auf das Verhalten folgen.
Zuverlässiger Zusammenhang zwischen dem Verhalten
und dem Auftreten des Reizes
11
Operantes Konditionieren
Positiv erlebter Stimulus
Negativ erlebter Stimulus
Stimulus folgt der
Reaktion
Positiver Verstärker
Aktive Bestrafung
(Verhaltensaufbau)
(Verhaltensabbau)
Stimulus wird nach
der Reaktion
entzogen
Passive Bestrafung
Negativer Verstärker
(Verhaltensabbau)
(Verhaltensaufbau)
12
Unterschiede zwischen klassischer und operanter
Konditionierung
Tritt auf,
wenn
unkonditionierter und konditio- einer Reaktion ein positiver oder
nierter Reiz gemeinsam auftreten
negativer Reiz folgt
Erworbene Konditionierter Reiz ruft
Assoziation: konditionierte Reaktion hervor Auf eine bestimmte Reaktion
folgt ein bestimmter Reiz
Unwillkürliches Verhalten, das
Art des
Intendiertes Verhalten
Verhaltens: durch konditionierte Reize
hervorgerufen wird
13
Lernen als Verhaltenssteuerung
Klassische Konditionierung: Verhalten wird durch
Reize hervorgerufen
Operante Konditionierung: Verhalten wird gezeigt, um
Reize hervorzurufen
14
Lernen als Verhaltenssteuerung
Durch klassische und operante Konditionierung lassen
sich keine gänzlich neuen Verhaltensweisen erzeugen.
Es werden lediglich die Bedingungen verändert, unter
denen bereits existierende Verhaltensweisen auftreten
(klassische Konditionierung), oder es wird die Häufigkeit
bereits existierender Verhaltensweisen verändert
(operante Konditionierung).
15
Die Grenzen von Lernen als Verhaltenssteuerung
(1) Wichtige Formen des Lernens lassen sich nicht durch
klassische oder operante Konditionierung herbeiführen.
Beispiel: das Verständnis, dass die Zentrifugalkraft eine so
genannte „Scheinkraft“ ist
16
Die Grenzen von Lernen als Verhaltenssteuerung
(2) Wichtige Formen des Lernens führen nicht zu
Verhaltensänderungen.
Beispiel: das Verständnis der Newtonschen Axiome
Erstes Newtonsches Axiom: Ein
Körper verharrt im Zustand der
Ruhe oder der gleichförmigen
Bewegung, sofern er nicht durch
einwirkende Kräfte zur Änderung
seines Zustandes gezwungen wird.
17
Zwei Forschungsperspektiven:
Behavioristische Theorien: Lernen ist die überdauernde
Veränderung des Verhaltens in Abhängigkeit von der
Erfahrung.
Kognitivistische Theorien: Lernen ist die überdauernde
Veränderung von geistigen Repräsentationen und
Assoziationen (Erleben, Wissen) in Abhängigkeit von der
Erfahrung.
18
Zwei Forschungsperspektiven:
Behavioristische Theorien können Lernen bei Menschen
und Tieren erklären, weil die zu erklärende Variable
wahrnehmbares Verhalten ist.
Kognitivistische Theorien können (fast) nur Lernen beim
Menschen erklären, weil die zu erklärende Variable an
sprachliche Äußerungen gebunden ist.
19
Kognitivistische Theorien: Lernen als Wissenskonstruktion
Manche Formen des Lernens zeigen sich (möglicherweise) nur beim
Menschen.
Lernprozesse schließen wesentlich die Veränderung geistiger Repräsentationen ein. Dies schlägt sich nicht zwangsläufig in Änderungen des
Verhaltens nieder.
Verhaltensbeobachtung als Grundlage für Rückschlüsse über die
Veränderung geistiger Repräsentationen
Lernen als aktiver Konstruktionsprozess
Umgestaltung des Begriffswissens: von Oberflächenmerkmalen zu
abstrakten Merkmalen
Intelligente Wissensorganisation als Lernziel: Voraussetzung für den
Transfer von Wissen
20
Wissenstransfer
Wissenstransfer: Die Übertragung von Gelerntem auf neue
Situationen.
Voraussetzung für Transfer: Erkennen gemeinsamer
Elemente in Lern- und Anwendungssituation
Die menschliche Kognition ist wesentlich bereichsspezifisch.
Ein spontaner Wissenstransfer zwischen verschiedenen
Inhaltsbereichen findet nicht statt.
21
Welche Karten muss man umdrehen, um folgende Regel zu überprüfen:
Wenn auf einer Seite der Karte ein Vokal steht, muss auf der anderen
Seite eine gerade Zahl stehen.
A
B
4
3
10% korrekt
90% falsch
Wason-Selection-Task:
Kein Transfer zwischen Situationen mit formal isomorpher Struktur
22
Welche Karten muss man umdrehen, um folgende Regel zu überprüfen:
Wenn auf einer Seite der Karte ein Vokal steht, muss auf der anderen
Seite eine gerade Zahl stehen.
A
B
4
3
10% korrekt
90% falsch
Wessen Getränk bzw. wessen Alter muss die Polizei überprüfen, um die
Einhaltung des Jugendschutzgesetzes in der Disko zu gewährleisten: Wenn
man Bier bestellt, muss man mindestens 16 Jahre alt sein.
Peter
trinkt
Bier
Rolf
trinkt
Rivella
Bernd
17 Jahre
Klaus
15 Jahre
100% korrekt
23
Auch mathematische Textaufgaben mit isomorpher Struktur
können sich deutlich in der Schwierigkeit unterscheiden.
24
Hier sind 5 Vögel und hier sind 3 Würmer.
Stell dir vor, alle Vögel fliegen los und jeder versucht,
einen Wurm zu bekommen.
Wie viele Vögel bekommen keinen Wurm? 96%
Wie viel mehr Vögel als Würmer gibt es?
25%
25
Angleichung:
95%
Peter hat 8 Murmeln.
Hans hat 5 Murmeln.
Wie viele Murmeln muss Hans bekommen,
um genauso viele Murmeln wie Peter zu haben?
Vergleich:
Peter hat 8 Murmeln.
Hans hat 5 Murmeln.
Wie viele Murmeln hat Peter mehr als Hans?
20%
26
Der Transfer bleibt aus, weil die formalen
Gemeinsamkeiten der Aufgaben nicht gesehen
werden.
27
Wodurch zeichnet sich eine intelligent organisierte
Wissensbasis aus?
Sie erleichtert die Anwendung von Wissen und Problemlösungsstrategien auf neue Situationen (Transfer).
Umstrukturierung des Begriffswissens: Begriffliches
Wissen wird anhand theoriegeleiteter und problemlösungsrelevanter Kriterien geordnet (anstatt nach Oberflächenmerkmalen).
Einsatz geistiger Repräsentationswerkzeuge
(Diagramme, Graphen, Symbole, Formeln, etc.):
- macht nicht direkt wahrnehmbare Eigenschaften sichtbar
- erleichtert die Repräsentation abstrakter Gemeinsamkeiten
28
Die Umgestaltung des Begriffswissens:
Von Oberflächenmerkmalen zu abstrakten Merkmalen
Klassifikation von Objekten nach charakteristischen
Oberflächenmerkmalen (z.B. Klassifikation von Tieren
nach ihrem Lebensraum)
Klassifikation von Objekten nach theoriegeleiteten
definierenden Merkmalen (z.B. Klassifikation von Tieren
nach der Art und Weise ihrer Fortpflanzung)
29
30
Umgestaltung des Begriffswissen: Gewicht ist nicht
das, was sich schwer anfühlt, sondern was sich
messen lässt.
31
Kategorisierung von Gebrauchsgegenständen
Alltagswissen:
Bestehen aus Stahl
Physikwissen:
Funktion beruht auf der Wirkung
von Kräften
32
Alltagskonzepte: Klassifikation nach dem Einsatzbereich
Haushalt
Landwirtschaft
Handwerk
33
Klassifikation nach physikalischen Prinzipien
Hebel
Keil
34
Die Bedeutung des Begriffswissens für den Wissenstransfer
Beispiel: der Doppler-Effekt bei Schall und Licht
Voraussetzung für den Transfer von Schall zu Licht ist
das Wissen, dass es sich sowohl bei Schall als auch bei
Licht um Wellen handelt.
35
Was muss man wissen, um die Umgestaltung des
Begriffswissens als Lehrperson fördern zu können?
Kenntnis gängiger Alltagsvorstellungen und Misskonzepte
Einbindung von Fehlern als Lerngelegenheit in den Unterricht
Beispiel: Vorstellungen zum ersten Newtonschen Axiom
(1) Ruhe und Bewegung werden als wesensmäßig
verschieden angesehen.
(2) Zum Aufrechterhalten einer Bewegung bedarf es immer
einer Kraft.
36
Eine weitere Unterscheidung zwischen Lernprozessen:
„Privilegiertes“ Lernen: Biologische Entwicklungsprogramme
legen fest, durch welche Umweltbedingungen bestimmte
Lernprozesse ausgelöst werden und wie diese Lernprozesse
ablaufen (Utah Frith(2001): „fast route learning“) (Erwerb der
Muttersprache sowie motorischer Fähigkeiten)
Kulturelles Lernen: Es ist nicht biologisch festgelegt, welche
Faktoren bestimmte Lernprozesse auslösen und wie diese
Lernprozesse ablaufen. Die betreffenden Inhalte und Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) sind zu neu, so dass
die Evolution unser Gehirn darauf nicht vorbereiten konnte.
37
Transfer basiert auf der Nutzung der im kulturellen
Kontext entstandenen kognitiven Werkzeuge.
38
Umstrukturierung des Begriffswissens durch
Selbsterklärungen
Bei Selbsterklärungen handelt es sich um Erklärungen, die
man für sich selber entwickelt, um sich einen Sachverhalt
verständlich zu machen.
Selbsterklärungen sind für die Konstruktion von Wissen
sowie für die Integration neuer Informationen in das
bereits vorhandene Vorwissen von zentraler Bedeutung.
39
Selbsterklärungen
Beispiel:
Man wird mit der Behauptung konfrontiert, dass zwei Körper
von unterschiedlicher Masse mit der gleichen Kraft auf einen
dritten Körper einwirken.
Wie ist dies möglich?
Man muss sich vergegenwärtigen, dass Kraft das Produkt
von Masse und Beschleunigung ist.
Aus diesem Grund ist es möglich, dass die geringere Masse
des einen Körpers durch eine größere Beschleunigung
kompensiert wird.
40
Selbsterklärungs-Effekt:
Zwischen dem Lernerfolg und der Anzahl der spontan
gebildeten Selbsterklärungen besteht ein positiver
Zusammenhang.
Je größer die Anzahl der Selbsterklärungen, desto größer
der Lernerfolg.
Dieser Effekt wird durch eine ganze Reihe von Untersuchungen belegt (Chi et al. 1989, Pirolli & Recker 1994,
Nathan et al. 1994, etc.).
41
Anleitungen zur Bildung von Selbsterklärungen
Selbsterklärungen von nahe liegenden Fehlern und
Misskonzepten
Grundidee: Falsche Konzepte und Lösungsstrategien werden
bewusst als inkorrekt vergegenwärtigt. Man repräsentiert
einen Fehler als Fehler.
„Jemand glaubt, dass X und Y der Fall ist. Das ist nicht richtig.
Erklären Sie, warum dies falsch ist.“
„Jemand schlägt X als ein Beispiel für Y vor. Das ist nicht
richtig. Erklären Sie, warum X kein geeignetes Beispiel für Y
ist.“
42
Anleitungen zur Bildung von Selbsterklärungen
Selbsterklärungen mit Kontrastierungen
Grundidee: Durch die Kontrastierung werden die wichtigsten
Merkmale eines Konzepts / Zusammenhangs noch einmal
besonders herausgehoben und vergegenwärtigt.
„Erklären Sie, warum X kein Fall einer harmonischen
Schwingung ist.“
„Erklären Sie, warum sich die Lösungsstrategie X auf den
vorliegenden Fall nicht anwenden lässt.“
43
Gründe für die positiven Wirkungen von Selbsterklärungen:
(1) Reflexion und Kontrolle der eigenen Lernfortschritte (weniger
Verstehensillusionen)
(2) gezielte Integration neuer Informationen in das bereits bestehende
Vorwissen
(3) Konstruktion bereichsspezifischer Prinzipien, die für das
Problemlösen wichtig sind
(4) gezielte Aktivierung korrekter und Unterdrückung inkorrekter
Lösungsstrategien
44
Geistige Werkzeuge erleichtern den
Wissenstransfer
Wer verstanden hat, dass zwei oberflächlich verschiedene
Aufgabenstellungen in ihren wesentlichen Elementen sowie in
ihren Anforderungen übereinstimmen, der wird eher in der
Lage sein, seine Lösungsstrategien von der einen auf die
andere Aufgabe zu übertragen als jemand, der diese
Übereinstimmung nicht bemerkt.
45
Die Balkenwaage als
Repräsentationswerkzeug
Hardy, I., Schneider, M., Jonen, A., Stern, E., & Möller, K.
(2005). Fostering Diagrammatic Reasoning in Science
Education. Swiss Journal of Psychology, 64 (3), 207 –
217.
46
Versuchspersonen: 100 Drittklässler (Durchschnittsalter: 8
Jahre)
Schwierigkeit der Schüler mit dem Konzept der Dichte
Volumen und Masse werden von ihnen noch nicht als zwei
verschiedene Eigenschaften berücksichtigt
Hypothese: Die Balkenwaage unterstützt als Repräsentationswerkzeug den Wissenstransfer im Umgang mit linearen
Graphen, weil sie den Schülern hilft, verschiedene physikalische Größen wie Masse und Volumen unabhängig voneinander zu repräsentieren.
47
St
r
H
ol
z
k
po
Ko
r
yr
o
W
as
St
e
n
in
To
r
e
s
Ei
n
e
s
48
49
(Geheimmaterial: Größe 2, Gewicht 400)
Wird das Geheimmaterial sinken oder schwimmen?
50
Wirkung des Umgangs mit linearen Graphen auf den
Transfer von Wissen zwischen zwei inhaltlich
verschiedenen ökonomischen Aufgabenstellungen
Stern, E., Aprea, C., & Ebner, H. G. (2003). Improving
cross-content transfer in text processing by means of
active graphical representation. Learning and Instruction,
13, 191 – 203.
51
Versuchsteilnehmer: 300 Studierende (Durchschnittsalter:
22 Jahre)
Versuchsgruppe: Text über Lagerhaltung (Rentabilität in
Abhängigkeit von der Stückzahl) (Konstruktion eines linearen
Graphen)
Kontrollgruppe 1: Text über Lagerhaltung (Rentabilität in
Abhängigkeit von der Stückzahl) (Präsentation eines linearen
Graphen)
Kontrollgruppe 2: Text über Grenzkostenrechnung (ohne
lineare Graphen)
52
53
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herunterladen