sei schön und wähle

Werbung
Illustration: Arjuna Amatir
FRAUEN UND POLITIK
Ayat al-Qurmezi, 20, Bahrain
POLITISCHE POETIN
Schon ihr Vorname, Ayat, heißt auf
Deutsch soviel wie »Verse«. Und genau
die wurden der 20-jährigen Lehramtsstudentin Ayat al-Qurmezi aus Bahrain
im März 2011 zum Verhängnis: Bahrains
Polizei verhaftete die junge Frau, weil sie
in mehreren Gedichten die Königsfamilie angegriffen haben soll. Tatsächlich
war die Schiitin bei den Protesten in der
Hauptstadt Manama mehrmals auf Demonstrationen am Lulu-Platz aufgetreten und hatte dort ihre Verse vorgetragen. In einem Gedicht gab sie einen fiktiven Dialog zwischen dem Teufel und
König Hamad , »seinem fleißigsten
Schüler«, wieder. Darin lässt Ayat den
Teufel unter anderem sagen: »Hamad,
dein Volk hat mich erschüttert. Hörst du
nicht die Schreie?« Am 12. Juni verurteilte ein Gericht sie zu einem Jahr Gefängnis. Doch da hatte ihr Fall international
für so viel Aufsehen gesorgt, dass
Bahrains Herrscher sich nach einem
Monat gezwungen sahen, die Poetin
aus der Haft zu entlassen. Seither steht
sie unter Hausarrest.
50
zenith 3/2011
»SEI SCHÖN
UND WÄHLE«
Viele Frauen im Libanon sind stolz darauf,
wie modern sie sind, wie weltoffen, gut
ausgebildet und attraktiv – in der Politik
des Landes werden sie dennoch nur als
dekoratives Beiwerk geduldet
Von Robert Chatterjee und Christoph Dinkelaker
>> Kurzer Rock, das Smartphone am Ohr, lautes, selbstbewusstes Lachen in Kombination
mit einem wilden Sprachmix aus Arabisch,
Französisch und Englisch. Wer zum ersten Mal
in das abendliche Beiruter Vergnügen eintaucht,
wird überrascht sein: vom toughen und zugleich charmanten Auftreten der Libanesinnen.
Oder sieht sich bestätigt in dem Bild, das Medien und nicht zuletzt die Libanesen selbst gerne zur Schau stellen: das liberale, weltoffene
Herz des ansonsten repressiv-verklemmten Nahen Ostens zu sein.
Vieles davon ist Fassade, meint die Journalistin Joumana Haddad aus Beirut: »Die Frauen kleiden sich sexy und freizügig, gehen zur
Universität, tanzen in den angesagten Clubs bis
morgens um vier Uhr und fühlen sich sehr
emanzipiert.« Und in der Tat beschäftigen sich
viele junge Libanesinnen weniger mit gesellschaftlichen und politischen Fragen als mit
ihrem nächsten Besuch bei ihrem persönlichen
Schönheitschirurgen. Vorbilder sind die Popsternchen Haifa Wehbe und Nancy Ajram mit
ihrem zuckersüßen Sorg- und Hirnlospop.
Dass libanesische Frauen wie in keinem anderen arabischen Land in der medialen Öffentlichkeit stehen, bedeutet nicht, dass sie ei-
ne emanzipierte Stellung in der Gesellschaft
innehaben. Der Schein trügt. Lediglich in Bereichen wie der Kunst oder dem Showgeschäft,
in denen Äußerlichkeiten eine wichtige Rolle
spielen, sind Frauen gleichberechtigt. Dort, wo
Entscheidungen getroffen werden, in den traditionellen Männerdomänen Politik und Wirtschaft, haben Frauen Seltenheitswert.
»Dabei kann eine Frau, die ihre Intelligenz
richtig einsetzt, eine ganze Gesellschaft verändern.« Das sagt Setrida Geagea – als Abgeordnete im libanesischen Parlament ist sie eine
richtige Exotin. Außer ihr sitzen nur drei weitere Frauen in der Nationalversammlung am
Beiruter Place de L‘Étoile – neben 124 männlichen Abgeordneten. Die untergeordnete Rolle der Frauen in der Politik durchzieht alle Parteien und alle Konfessionen. Im aktuellen, auf
30 Minister aufgeblähten Kabinett unter Premier Najib Mikati sitzen ausschließlich Männer, und im letzten Wahlkampf richtete sich
die Partei von Ex-General Michel Aoun auf Plakaten tatsächlich mit den Worten: »Sei schön
und wähle« an potenzielle Wählerinnen.
Dabei schien der Libanon schon einmal weiter in Sachen politischer Gleichberechtigung –
als eines der ersten Länder in der arabischen
FRAUEN UND POLITIK
Wahlplakat der »Freien Patriotischen Bewegung« von Michel Aoun, 2009.
Foto: caht
Welt erhielten die Frauen 1952 das aktive und
das passive Wahlrecht. An den zahlreichen Universitäten des Landes sind junge Frauen äußerst
engagiert: in politischen Initiativen und in den
Jugendorganisationen der Parteien – es gibt
genügend Libanesinnen, die sich nicht ausschließlich mit ihrem Aussehen beschäftigen
wollen. Der Weg in verantwortungsvolle Positionen bleibt ihnen aber versperrt – es sei denn,
sie tragen den richtigen Nachnamen. So wie
die derzeitig vier Parlamentarierinnen: Bahiya
Hariri ist die Schwester des 2005 ermordeten
ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri;
Nayla Tueni die Tochter des Herausgebers der
führenden Tageszeitung An-Nahar, Gibran Tueni, der ebenfalls im Jahr 2005 einem Attentat
zum Opfer fiel. Auch Gilberte Zouein stammt
LIBANESISCHE
POLITIKERINNEN
SIND VOR ALLEM
ALS GATTIN,
TOCHTER ODER
SCHWESTER IHRER
BERÜHMTEN
MÄNNLICHEN
VERWANDTEN
BEKANNT
aus einer einflussreichen maronitischen Dynastie. Und nicht zuletzt kam Setrida Geagea ins
Parlament, während ihr Ehemann, der Bürgerkriegswarlord und Parteiführer Samir Geagea, im Gefängnis saß.
Die Politikerinnen im Land sind vor allem
als Gattin, Tochter oder Schwester ihrer
berühmten männlichen Verwandten bekannt
– und nicht wegen ihres eigenen Engagements.
Setrida Geagea etwa setzt sich für eine Frauenquote im Parlament ein – wie es sie im Irak
(25 Prozent), in Marokko (9,2 Prozent) oder in
Jordanien (5,5 Prozent) bereits gibt. Das Ziel ist
ebenso klar wie momentan unrealistisch: Die
Frauen im libanesischen Parlament sollten nicht
auf Dauer schmückende Dekoration mit
<<
großem Namen bleiben.
zenith 3/2011
51
Herunterladen