Und was, wenn Blödsinn rauskommt?

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Unified Communications / Social Media & Collaboration
Und was, wenn Blödsinn rauskommt?
Ursula Pelzl
M
arketing- und Vertriebsprofis wissen es längst: In diesen
Zeiten regieren die wählerischen Katzen, und nicht die Hunde. Vor zehn bis
20 Jahren, da waren Werbung und Marketing vergleichsweise einfach. Kunden
und Interessenten wurden mehr oder weniger informiert über neue Produkte und
Dienstleistungen, eine schicke aussagearme Anzeige dazu – fertig war der Kauf­
anreiz. Der Anbieter hat ein Glöckchen geläutet – und der Kunde hat zugegriffen.
Ganz so wie beim Pawlowschen Hundeexperiment, in dem akustische Reize den
Vierbeiner bereits zum Fressnapf zogen.
Katzen sind wählerisch. Das wissen alle
Katzenbesitzer. Heute Fisch, morgen
Huhn, übermorgen Wild – oder doch lieber Rind? Eine Katze frisst nicht einfach
so, was ihr vorgesetzt wird. Wählerisch,
eigen und mit vielen individuellen Vorstellungen, so sind auch die
Kunden im Internetzeitalter.
Sie sind bestens informiert
über unterschiedlichste Kanäle und Netzwerke,
haben Tausende
Vergleichsmöglichkeiten und
sind daher längst
nicht mehr leicht
zu überzeugen.
S ch l i m mer noch:
Sie trauen
der Werbung der
Unternehmen weniger als den Bewertungen anderer User
im World Wide Web.
Eine wahre Herausforderung für alle,
die ein Produkt oder
eine Dienstleistung
anbieten.
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Wenn Unternehmen, Kunden und Fans zusammenarbeiten,
können Mehrwerte für alle Beteiligten entstehen –
vorausgesetzt, die Collaboration wird professionell
aufgesetzt.
Alles ist möglich:
Prestigegewinn oder
Imageverlust
Wer heute Kunden und Potenzials überzeugen will, der ist gut beraten, mit der
Zeit zu gehen und sich aktiv in sozialen
Netzwerken zu positionieren. Das allerdings will gekonnt sein. «Die Behandlung
von Kunden in sozialen Netzwerken ist ungleich schlechter als die Behandlung von
Kunden am Telefon», bemängelt Social-­
Media-Experte Robert Seeger, Geschäftsführer der Agentur für Kommunikationskunst in Wien. Es gebe heute nur wenige
Unternehmen, die ihre Social Media-Aktivitäten im Kundenservice ansiedeln, erklärt Seeger. Stattdessen liefen die Aktivi-
täten in den sozialen Netzwerken oft in
den Bereichen Marketing und/oder in der
Kommunikation oder sogar im Bereich
Human Resources – um beispielsweise
geeignete Kandidaten für offene Stellen
zu finden. «Customer Relationship Management (CRM) in sozialen Netzwerken
sollte man aber keinesfalls als Betreuung
einer Fanklubseite missverstehen. Es handelt sich um eine Business-Massnahme,
die – wenn sie nicht mit dem Fokus auf
Kundenservice betrieben wird – leicht zu
Prestige- und Imageverlust führt.»
Dabei lassen sich soziale Medien sowohl
für den Kundensupport als auch für Collaboration gut nutzen. Wenn Unternehmen
von den Erfahrungen und Meinungen ihrer Kunden und Fans profitieren wollen,
IT business 2/2013
Unified Communications / Social Media & Collaboration
dann ist Fingerspitzengefühl und Knowhow gefragt. «Co-Creation ist eine Frage
der Intelligenz und der Erfahrung», fasst
Prof. Dr. Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaften an der Technischen
Universität Berlin zusammen. «Unternehmen, die Kunden und Fans einbinden, machen die unterschiedlichsten Erfahrungen.
Das hängt mit ihrem Herangehen zusammen.» Frage beispielsweise ein Unternehmer: «Wie soll die Flasche unseres neuen
Waschmittels aussehen?», sei es kein Wunder, wenn er darauf keine zielführenden
Ergebnisse erhalte.
Gerade solche gänzlich offenen Fragen regen gerne die Fantasie der Umfrageteilnehmer an und führen zu manch scherzhaftem Vorschlag, dem dann leicht Tausende
User folgen. So erlebte der Spülmittelhersteller Pril vor zwei Jahren ein Debakel
mit einem Design- und Duftwettbewerb
auf Facebook. Nachdem die User auf der
Plattform ein Spülmittel mit Hühnchengeruch designt und gepusht hatten, reagierte Pril mit Regeländerungen. Übrig
blieb ein schaler Nachgeschmack. Schnell
sprechen enttäuschte User dann von einer «verlogenen Kampagne» oder «Wahl­
betrug». Bolz ist überzeugt, dass gerade
die «Spielregeln» von enormer Bedeutung sind: «Co-Creation ist eine Herausforderung für die Kommunikation. Eine
geführte Abfrage zwischen gesetzten Leitplanken erleichtert die Collaboration und
fördert sinnvolle Ergebnisse.»
Durch Collaboration
zu mehr Kundenloyalität
Beispielhaft ist für Bolz die Kommunikation von Firmen wie Audi und BMW
mit ihren Kunden. Seit Jahren bauen diese
grosse Communities im Internet auf und
IT business 2/2013
Swiss CRM Forum
2013
Am 13. Juni 2013 findet
im Hallenstadion Zürich
das Swiss CRM Forum statt. Der Fokus
des Forums richtet sich auf das Thema
«Mit Kunden Mehrwerte kreieren: Customer Experience Management – Vom
Kunden zum Fan», unter anderem mit
Keynotes von Prof. Norbert Bolz, Robert Seeger, Samantha Yarwood, Marketing Director, Starbucks Switzerland
& Austria, Stephan Grötzinger, Generaldirektor, Touring Club Schweiz.
IT business ist Medienpartner.
www.swisscrmforum.com
beziehen die Mitglieder in die Planungsund Designphase neuer Automodelle ein.
Die Automobilhersteller treten mit den
Fans in einen Dialog, fragen ihre Ideen
und Wünsche ab und binden diese in ihre
eigenen Überlegungen mit ein. «Für mich
ist das mehr als nur eine Geste. Denn hier
werden Kunden nicht nur als potenzielle
Käufer angesprochen, denen fertige Produkte und Modelle vorgesetzt werden. Die
Auseinandersetzung mit den Fans und ihren Ideen erzeugt zudem ein extrem hohes
Mass an Kundenloyalität», so Bolz.
Die Einbeziehung von Kunden ist gut, allerdings machen viele Firmen dabei den
Fehler, einen Open Innovation-Ansatz zu
fahren, stellt auch Seeger bei seinen Analysen der sozialen Netzwerke fest. Eine offen gestellte Frage zu einem Produkt oder
einer Dienstleistung mit dem Tenor «Was
hättest Du gerne, lieber Kunde?» führe
schnell in ein echtes Dilemma. «Gemeinsame Innovationsprozesse mit Kunden
machen nur dort Sinn, wo der Kunde geführt wird und gezielte Fragestellungen
beantworten soll. Sonst kommt nichts heraus oder das Ergebnis ist, dass der Kunde
frustriert ist, weil seine Wünsche nicht erfüllt werden können», warnt Seeger. Und
illustriert dies auch an einem Beispiel:
Die Regionalverwaltung Bratislava hat Anfang 2012 in einer Internetumfrage den
Namen für eine neue Brücke zwischen Österreich und der Slowakei gesucht. Einige
Nutzer regten scherzhaft den US-amerikanischen Action-Darsteller Chuck Norris als Namensgeber an. Ergebnis: Binnen
weniger Tage waren 89 Prozent der rund
30 000 Teilnehmenden für die «ChuckNorris-Brücke». Demokratie in Reinkultur. Was ist dann passiert? Die Umfrage
wurde als «nicht ernst gemeint» deklariert – und die neue Verbindung heisst
nun «Friedensbrücke». Welcher User will
auf solch einer Basis künftig noch mitarbeiten?
Co-Creation ist kein
Marketing-Gag
«Co-Creation ist kein Marketing-Gag»,
betont Bolz. «Vielmehr werden auf diese
Weise Intelligenz und Fantasie ausserhalb
und innerhalb des Unternehmens verknüpft und für die Herstellung mehrwertiger Produkte und Dienstleistungen zusammengeführt. Unternehmen, die diesen
Prozess perfektionieren, können unendlich viele kreative Ideen von ihren Kunden generieren. Das ist eine wichtige Aufgabe für die Kommunikation – und schafft
eine neue Qualität der Kundenbeziehung.»
Tipp: Prof. Norbert Bolz und Robert Seeger sind als Keynote-Speaker auf dem
Swiss CRM Forum 2013 in Zürich zu hören (siehe Besucherinfos in der Hinweisbox).
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