Mikrodiesel-Produktion aus erneuerbaren

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Treibstoffe aus Bakterien
Mikrodiesel-Produktion aus
erneuerbaren Kohlenstoffquellen
TIM STÖVEKEN, RAINER KALSCHEUER UND ALEXANDER STEINBÜCHEL
INSTITUT FÜR MOLEKUL ARE MIKROBIOLOGIE UND BIOTECHNOLOGIE, UNIVERSITÄT
MÜNSTER
Aus Fettsäureethylestern bestehender Mikrodiesel wird in rekombinanten
Bakterienstämmen mit einer Acyltransferase synthetisiert und kann im
Gegensatz zu Biodiesel vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen
gewonnen werden.
Biosynthesis of Microdiesel is catalyzed by a key enzyme of bacterial lipid
biosynthesis, an unspecific acyltransferase.
ó Der Bedarf an alternativen Energieträgern
wird immer deutlicher. Bedeutendster Biokraftstoff ist in Europa mittlerweile Biodiesel, dessen Fettsäuremethylester durch Umesterung aus Lipiden (Triglyceride aus Rapsöl) und Methanol (aus Erdgas) hergestellt werden und der einen vollwertigen Ersatz für
Diesel fossilen Ursprungs darstellt. Die hierfür benötigten Flächen fehlen jedoch beim
Anbau von Nahrungsmitteln; Biodiesel wird
daher den Treibstoffbedarf allein nicht decken
können. Aus Fettsäureethylestern (FAEE)
bestehender und biotechnologisch hergestellter Mikrodiesel könnte als Energieträger
einen Platz in einem zukünftigen Energiemix
einnehmen[1].
Schlüsselenzym des bakteriellen
Lipidstoffwechsels
Triglyceride (TAG) und Wachsester (WE) werden von zahlreichen Bakterien synthetisiert
und als Speicherstoffe intrazellulär akku-
muliert (Abb. 1)[1, 2]. Schlüsselenzym für die
bakterielle Lipidsynthese ist die Wachsester-Synthase/Acyl-CoA:Diacylglycerin-Acyltransferase (WS/DGAT). Diese Acyltransferase weist keine Homologien zu bekannten
Enzymen der Synthese von TAG oder WE in
Eukaryoten auf und bildet eine neue Klasse
von Coenzym A-abhängigen Acyltransferasen, welche die Veresterung eines langkettigen Alkohols mit einer aktivierten Fettsäure katalysieren. Die WS/DGAT aus Acinetobacter baylyi ADP1 wurde 2003 in unserer Arbeitsgruppe als erster Vertreter dieser neuen Enzymklasse identifiziert und charakterisiert[3, 4, 5]. Das Enzym ist zunächst
an der Innenseite der Zytoplasmamembran
lokalisiert, wo die Lipid-Grana entstehen,
bevor sie sich hiervon mit dem Enzym
abschnüren, reifen and als freie Grana im
Zytoplasma vorliegen[6]. In vielen Bakterien
wurden mittlerweile Homologe identifiziert;
in Prokaryoten ist diese WS/DGAT offensichtlich das typische Enzym für die Biosynthese von WE und TAG. Besonderes Interesse erzeugte das gehäufte Auftreten von 15
dieser Enzyme in Mycobacterium tuberculosis; hier wird eine mögliche Beteiligung an
der Pathogenität dieses Organismus diskutiert[3, 7].
Substratspezifität der WS/DGAT
˚ Abb. 1: Chemische Struktur von A, Cetylpalmitat (WE), B, Ethylpalmitat (FAEE) und C, Tripalmitoylglycerol (TAG).
Die WS/DGAT katalysiert in A. baylyi ADP1
den letzten Schritt der WE- wie auch der TAGSynthese. Dies ermöglicht die außergewöhnliche geringe Spezifität dieses Enzyms, die
allen bislang charakterisierten Acyltransferasen gemein ist[5]. Neben den natürlichen
Substraten mit mittleren Kettenlängen (C16
bis C18) des Alkohols beziehungsweise der
Fettsäure werden nahezu alle primären Alkohole (C2 bis C30) und organischen Säuren
(C2 bis C20) verschiedener Kettenlängen verestert. Auch sekundäre Alkohole (2-Dekanol,
4-Dekanol) und sogar zyklische und aromatische Alkohole (Cyclohexanol, Phenol, Phenylethanol) werden acyliert. Neben Diacylglyceriden werden auch Monoacylglyceride,
und selbst Thiole akzeptiert, wie die SynBIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
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these von Palmitinsäure-Hexadecylthioester
zeigte[8].
Die ungewöhnlich geringe Substratspezifität der Acyltransferasen ermöglicht die Synthese einer Vielzahl von Lipoiden. Aufgrund
der weiten Verbreitung dieser Enzymfamilie
ist es wahrscheinlich, Enzyme zu finden, die
für die jeweilige Anwendung passende Eigenschaften und Substratselektivitäten besitzen.
Jojoba-ähnliche Wachsester oder Monoacylglyceride als hochwertige Emulgatoren sind
interessante Produkte. Die Acylierung von
Zuckern könnte zur Produktion biologisch
abbaubarer Tenside genutzt werden. Darüber
hinaus könnten bioaktive Substanzen wie
Vitamine oder Steroide acyliert werden; deren
Modifizierung könnte bei Erhalt der biologischen Wirksamkeit ein verändertes Lösungsoder Stabilitätsverhalten der Ausgangssubstanz ermöglichen.
Produktion von Mikrodiesel in E. coli
Die biochemische Charakterisierung der
WS/DGAT zeigt die Möglichkeit auf, FAEE
ausgehend von Ethanol und Palmitoyl-CoA
zu synthetisieren. Durch Expression der
WS/DGAT aus A. baylyi ADP1 in E. coli wurden in Anwesenheit von Ölsaure bereits Jojoba-ähnliche Wachsester synthetisiert[9]. Um
FAEE in E. coli unter aeroben Bedingungen
produzieren zu können, wurde mit dem Plasmid pMicrodiesel zusätzlich zur WS/DGAT
mit der Pyruvat-Decarboxylase und der Alkohol-Dehydrogenase aus Zymomonas mobilis
ein zusätzlicher Weg zur Biosynthese von
Ethanol etabliert. Die zugegebene Ölsäure
wird aktiviert und steht dann als Substrat der
WS/DGAT zur Verfügung.
Nach Optimierung der Fermentationsbedingungen wurden FAEE mit einem Gehalt
von 26 Prozent der Zelltrockenmasse erhalten. Dieser Gehalt muss zwar noch deutlich
gesteigert werden, zeigt aber klar die prinzipielle Realisierbarkeit auf[9]. „Stoffwechselmodule“ könnten diesen E. coli-Stamm optimieren.
Optimierung des Prozesses
Die WS/DGAT aus A. baylyi ADP1 setzt Ethanol nur langsam um. Da es eine Vielzahl
homologer Acyltransferasen gibt, ist die Identifizierung geeigneter Enzyme wahrscheinlich. Die Reaktionsrate kann möglicherweise
durch in vitro-Evolution des Enzyms heraufgesetzt werden.
Zukünftig müssen günstige und in großen
Mengen verfügbare Kohlenstoffquellen
genutzt werden. Dies sollten vor allem HolzBIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
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˚ Abb. 2: Derzeitiger Mikrodiesel-Prozess mit möglichen Ansatzpunkten zur Optimierung. Dargestellt sind beteiligte Enzyme und Stoffwechselwege. Grün, bereits etabliert; rot, nicht etabliert
oder noch zu optimieren. R1, Alkylrest.
Korrespondenzadresse:
1
polymere wie Cellulose, Xylane und Lignin
aus Abfällen sein. Erste Erfolge gibt es bei
der Verwertung von Lignocellulose als Rohstoff für die Produktion von Bioethanol. Hier
sind zahlreiche „Stoffwechselmodule“ denkbar, mit denen das Substratverwertungsspektrum des existierenden E. coli-Produktionsstamms erweitert werden kann.
Ein weiteres Problem ist die Verfügbarkeit
von CoA-aktivierten Fettsäuren. E. coli muss
für die FAEE-Biosynthese zurzeit noch mit
externen Fettsäuren versorgt werden. Eine
FAEE-Produktion ausgehend von Kohlenhydraten könnte durch eine deregulierte Fettsäurebiosynthese erfolgen. Andererseits spei-
chern viele Gram-positive Bakterien natürlicherweise große Mengen Fettsäuren ausgehend etwa von Glukose. Von besonderem
Interesse sind dabei Actinomyceten (z. B. Rhodococcus opacus). In diesen Bakterien müsste ein effizienter Ethanol-Biosyntheseweg etabliert werden.
Der Mikrodiesel-Prozess ist noch weit von
einer wirtschaftlichen Anwendung entfernt,
verspricht aber eine vielversprechende Ergänzung zu bisherigen Bioenergieträgern. Mikrodiesel hat gute Chancen, Teil des Energiemixes aus nachwachsenden Rohstoffen
und anderen erneuerbaren Energien zu
werden.
ó
3
2
Prof. Dr. Alexander Steinbüchel1
Tim Stöveken2
Dr. Rainer Kalscheuer3
Institut für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie
Corrensstraße 3
D-48149 Münster
Tel.: 0251-83 39821
Fax: 0251-83 38388
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