Mut zum Miteinander

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Mut zum Miteinander
Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Prävention – Behandlung – Rehabilitation –
Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Allen Beteiligten danken wir
für ihre unterstützende Mitwirkung bei dieser Ausgabe.
Brücke Schleswig-Holstein gGmbH
März 2007
2
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Vorwort
Von der Initiative
zur Organisation
Liebe Leserin,
lieber Leser,
die Geschichte der Gemeindepsychiatrie in Schleswig-Holstein begann mit Verspätung, dafür aber mit
einem starken Engagement „von
unten“. Das Land beteiligte sich in den
80er Jahren nicht am Bundesmodellprogramm Psychiatrie. Die Initiative
für die Entwicklung gemeindepsychiatrischer Angebote ging stattdessen sehr
stark von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen psychiatrischer Krankenhäuser, Angehörigen und engagierten
Bürgerinnen und Bürgern aus. Motiviert durch die Ideen der Sozialpsychiatrie gründeten sie überall im
Land gemeindepsychiatrische Hilfsvereine, um Alternativen zur Unterbringung von psychisch erkrankten
Menschen in Großkliniken in die Praxis
umzusetzen.
Die Brücke Schleswig-Holstein entstand 1984 zunächst als „Arbeitsgemeinschaft Brücke Schleswig-Holstein“
aus einem Zusammenschluss mehrerer
regionaler Hilfsvereine und dem
Landesverband des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes zu einer gemeinnützigen Gesellschaft. Gemeinsames
Ziel ist und war die Entwicklung von
Hilfsangeboten, die psychisch erkrankten Menschen ein würdevolles und
weitgehend selbstständiges Leben in
der Gemeinde ermöglicht. Dieses
Bestreben, Übergänge zwischen den
Krankenhäusern und der Gemeinde zu
schaffen, drückt sich im Namen
„Brücke“ aus. Durch den Zusammenschluss wollten die beteiligten Vereine
aber auch ein starkes Gegengewicht zu
den Großkliniken und den Leistungsträgern aufbauen. Ziel war eine wirtschaftlich starke und durchsetzungsfähige Organisation.
Heute, mehr als zwanzig Jahre später,
können wir sagen, dass wir diesem Ziel
wesentlich näher gekommen sind. Die
Brücke Schleswig-Holstein gGmbH,
kurz Brücke SH, bietet in kleinen dezentralen Einrichtungen in neun Kreisen
und Städten Schleswig-Holsteins
gemeindepsychiatrische Angebote der
gesundheitlichen Stabilisierung und
der gesellschaftlichen Teilhabe an. Seit
der Gründung ist das Angebot kontinuierlich gewachsen. Dazu gehören psychiatrische Tageskliniken und Ambulanzen, Werkstätten zur beruflichen
Förderung und Rehabilitation, Dienste
zur Integration in das Arbeitsleben,
Wohnhäuser, Wohngruppen, häusliche
Betreuung und Tagesstätten. Im Jahr
2006 wurden bereits mehr als 3000
Menschen von rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut. Aus
einer kleinen Initiative ist eine große
und wirtschaftlich starke Organisation
mit einem Jahresumsatz von mehr als
30 Mio. Euro geworden.
Die Aufgabe, die wir uns gestellt
haben, ist damit aber nicht abgeschlos-
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
sen. Die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen wächst deutlich an. Wir lernen kontinuierlich von
und mit den Nutzerinnen und Nutzern
unserer Angebote, kleine persönliche
Brücken zu bauen und unsere Hilfsangebote weiterzuentwickeln. Wir lernen im fachlichen Austausch und in
Partnerschaft mit anderen Organisationen. Und wir werden auch in Zukunft
unseren aktiven Beitrag dazu leisten,
dass alle Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen und Erkrankungen
wohnortnah Hilfe und Unterstützung
finden.
Mit diesem Heft möchten wir Ihnen
einen lebendigen Eindruck von unserer
Arbeit in der Brücke SH geben. Bitte
nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wenn
Sie mehr erfahren möchten.
Günter Ernst-Basten
Geschäftsführer Brücke Schleswig-Holstein gGmbH
3
vor Ort
sozial
psychiatrisch
Die Ziele und die Bedürfnisse psychisch beeinträchtigter
oder suchterkrankter Menschen stehen im Mittelpunkt der
Arbeit bei der Brücke SH. Für sie und ihre Angehörigen entwickeln wir leicht erreichbare, persönlich gestaltete
Angebote und Leistungen vor Ort.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten Unterstützung
Die Brücke Schleswig-Holstein ist eine gemeinnützige
GmbH und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Die Angebote und Leistungen dienen als Brücken und wollen Übergänge in ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben
schaffen. Sie umfassen die Lebensfelder
Arbeit & Beruf
Gesundheit & Therapie
Wohnen & Leben
Freizeit & Kontakt
• bei der Lebensplanung
• im Umgang mit psychischer Beeinträchtigung und
Benachteiligung sowie Suchterkrankung
• beim Wiedergewinnen gesundheitlicher Stabilität
• in einer Krisensituation
• im Alltag und Wohnumfeld
• im Arbeitsleben.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unsere
Landesgeschäftsstelle in Kiel oder direkt an Mitarbeiterinnen
oder Mitarbeiter in Ihrer Nähe.
Hasselberg
Ulsnis
Husum
Schleswig
Kiel
Preetz
Heide
Plön
Neumünster
Itzehoe
Elmshorn
Ratzeburg
Pinneberg
Mölln
Schwarzenbek
Geesthacht
Brücke Schleswig-Holstein
gGmbH
Landesgeschäftsstelle
Muhliusstraße 94
24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 05-0
Fax (04 31) 9 82 05-25
www.bruecke-sh.de
[email protected]
4
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Inhalt
!
Arbeit & Beruf
6
Was ist ein IFD? _ Was machen Fachberater/innen der Integrationsfachdienste eigentlich?
7
Die Arbeit des Integrationsfachdienstes in Zahlen _ Integration am Arbeitsplatz
8
Integrationsfachdienste – politisch noch gewollt?_ Vermittler/innen mit schwerem Stand
10
Ist die Werkstatt für behinderte Menschen ein Auslaufmodell? _ Kritik und Alternativen
13
Jugendförderung ist maßgeblich für die Integration _ ganzheitliche Hilfestellungen
Gesundheit & Therapie
15
Pflaster auf der Seele _ sozialpsychiatrische Krankenpflege vernetzt sich
17
Hausgemeinschaft für Menschen mit Demenz _ Leben in der eigenen Häuslichkeit
19
Weiterkommen … Schritt für Schritt aus der Sucht _ Eingliederungshilfe, Pflege, Substitution
21
Volkskrankheit Depression _ Prävention mit dem Bündnis gegen Depression
Wohnen & Leben
23
Beratung & Information _ zentrale Anlaufstelle
24
Förderung in kleinsten Schritten _ vollstationäre Betreuung und mitten in der Gesellschaft leben
26
Leben mit Schizophrenie – Hoffnung für Langzeitkranke _ Qualität wohnortnaher Betreuung
28
„Ziele und Struktur haben mir geholfen“ _ positiver Verlauf einer Krankheitsgeschichte
29
Günstige Lebensumfelder schaffen – von Kindesbeinen an _ frühzeitige Unterstützungen
Freizeit & Kontakt
30
Experten in eigener Sache _ Beratung von Betroffenen für Betroffene
31
Soziale Kontakte: 0,7 für Husum! _ Benchmarking weckt Verbesserungswünsche
32
Marktplatz der Ideen _ Und alle Beteiligten sind einbezogen!
33
Das Zeitungsnetzwerk Schleswig-Holstein _ ein Netzwerk der Selbsthilfe für Menschen
mit psychischen Beeinträchtigungen
Partner & Netzwerke
35
Indigo – Netzwerkgedanke und EU _ integrierte Dienstleistung gemeinsam organisieren
37
Beiträge für eine barrierefreiere Zukunft _ Austausch und Impulse auf einer Fachkonferenz
39
Was, ihr fahrt nach Mallorca? _ überregionale Konferenzen der Nutzer/innen-Vertretungen
40
„Schätze, die man heben sollte“ _ offener Umgang mit Beschwerden
Fundament & Entwicklung
42
Familienbewusst, die ersten Schritte _ Maßnahmen über das Grundzertifikat hinaus
43
Innerbetrieblicher Service für motivierte Teams _ Personalarbeit in der Brücke SH
45
„Wiederkehrende Gedanken an den Tod oder an Suizid, suizidales Verhalten“ _
Abstract einer Diplomarbeit
46
Veränderung als Herausforderung _ Ergebnisse eines Teamtags
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
5
Arbeit&
Beruf
Was ist ein IFD?
Was machen Fachberater/innen der Integrationsfachdienste
eigentlich? Sie beraten, unterstützen und begleiten im Beruf
jene Menschen, die aufgrund von Behinderungen oder
gesundheitlichen Einschränkungen mit besonderen
Hemmnissen im Berufsleben zu kämpfen haben. Aber was
bedeutet das konkret?
Frauke Godel 1, 42 Jahre, Angestellte,
ist seit zwei Jahren an einer Depression
erkrankt. Am Arbeitsplatz ist dies nicht
bekannt. Gemunkelt wird, „mit ihr
stimme was nicht“. Sie selbst merkt,
dass sich Kolleginnen und Kollegen
von ihr zurückziehen. Während des
Aufenthalts in einer psychiatrischen
Klinik hat Frauke Godel starke Ängste
vor der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz:
Sie ist sich nicht sicher, ob sie die
erforderlichen Leistungen erbringen
kann. Und falls nicht, wie sie damit
umgehen soll. Sie stellt sich ernsthaft
die Frage, ob sie nicht besser kündigen
soll.
Der Sozialdienst in der Klinik empfiehlt
Frauke Godel die Kontaktaufnahme
zum Integrationsfachdienst. Die Fachberaterin klärt im Beratungsgespräch
die Situation am Arbeitsplatz. Sie
nimmt nach Absprache und mit Zustimmung von Frauke Godel Kontakt
zum Vorgesetzten auf. In einem Dreiergespräch zeigt sich der Vorgesetzte sehr
offen. Er macht deutlich, dass er unsicher
ist, wie mit Frauke Godel künftig umgegangen werden soll. Worauf sei zu achten,
um Krankheitsrückfälle zu vermeiden?
Gemeinsam wird als Einstieg eine
Belastungssteigerung – stufenweise
Wiedereingliederung – vereinbart. Eine
genaue Beschreibung der jeweiligen
Tätigkeiten von Frauke Godel liegt vor.
Parallel dazu werden in weiteren
Beratungsgesprächen beim Integrationsfachdienst mit Frauke Godel
Handlungsstrategien entwickelt. Diese
ermöglichen ihr, ihre Arbeit zu verrichten und sich gleichzeitig nicht zu überfordern. Zudem lernt sie, im Kontakt
mit Kolleginnen und Kollegen zu bleiben.
Im Gespräch erwähnt der Vorgesetzte,
seelische Erkrankung am Arbeitsplatz
sei für die Arbeitsstelle insgesamt ein
Thema. Der Integrationsfachdienst
kann hier eine Fortbildung anbieten:
Zwei Fachberater/innen klären auf über
unterschiedliche psychiatrische Krankheitsbilder. Sie stellen Methoden der
Gesprächsführung vor. Auch nach der
Fortbildung stehen sie den Teilnehmenden unterstützend zur Verfügung.
Frauke Godel hat durch den Kontakt
zum Integrationsfachdienst ihre Arbeit
wieder aufnehmen können. Heute weiß
sie, dass ihre Vorgesetzten mit dem
Thema seelische Erkrankung vertrauter
wurden. Sie wird künftig frühzeitig und
angstfreier mögliche Probleme ansprechen. In weiteren Beratungsgesprächen
beim Integrationsfachdienst könnte sie
sich zudem Rückenstärkung holen.
1
6
Brücke SH
Integrationsfachdienste –
hier stehen Ihnen Ansprechpersonen
beratend und informierend zur
Verfügung:
in Kiel _ Landesgeschäftsstelle
Stefan Meyer-Kaven _ (04 31) 9 82 05-20
[email protected]
Referent berufliche Rehabilitation
und Integration
in Kiel
Jürgen Bischoff _ (04 31) 9 82 06-0
[email protected]
Regionalleiter
im Kreis Dithmarschen _ Heide
Hans Cordshagen _ (04 81) 42 15 29-0
[email protected]
Regionalleiter
im Kreis Herzogtum Lauenburg _
Schwarzenbek
Jürgen Pankow _ (0 41 51) 89 89-0
[email protected]
Regionalleiter
im Kreis Pinneberg _ Elmshorn
Udo Spiegelberg _ (0 41 21) 4 75 61-0
[email protected]
Regionalleiter
im Kreis Plön _ Preetz
René Skischally _ (0 43 42) 3 09 08-0
[email protected]
Regionalleiter
im Kreis Schleswig-Flensburg _
Schleswig
Manfred Bogner _ (0 46 21) 96 87 22
[email protected]
Regionalleiter
im Kreis Steinburg _ Itzehoe
Eva Gruitrooy _ (0 48 21) 67 91-11
[email protected]
Regionalleiterin
Name von der Redaktion geändert.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Arbeit&
Beruf
Artikel: Norddeutsche Rundschau _ 20. Januar 2006
Die Arbeit des Integrationsfachdienstes in Zahlen
Markus Hoppe ist kein Einzelfall: 340 Personen wurden 2006 im Bereich Vermittlung von
Integrationsfachdiensten der Brücke SH abschließend betreut. Davon gingen 91 Menschen
mit Behinderungen in Arbeitsverhältnisse des allgemeinen Arbeitsmarktes. Das entspricht
einer Vermittlungsquote von 27 %.
Hinzuzurechnen sind jene Menschen,
die in Fortbildungs-, Qualifizierungsoder Berufsbildungsmaßnahmen vermittelt wurden. Dies als Voraussetzung
dafür, momentane Vermittlungshemmnisse abzubauen und die Arbeitsleistung zu steigern, um eine spätere
Vermittlung auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
So werden zum Beispiel 40 behinderte
Menschen im Kreis Herzogtum Lauenburg vom Integrationsfachdienst in
Arbeitsgelegenheiten betreut und so
nach Jahren der Arbeitslosigkeit an den
allgemeinen Arbeitsmarkt herangeführt.
1
Hinzu kommen die Personen, die längerfristig nicht erwerbsfähig sind.
Diese wurden zunächst in andere Maßnahmen vermittelt, um dort wieder an
ihre Erwerbsfähigkeit heranzukommen.
157 Arbeitsverhältnisse konnten mit
IFD-Hilfe gesichert werden. Das entspricht knapp 75 % der beendeten Fälle
in 2006.1
Hier handelt es sich um behinderte
Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsverhältnisse durch unterschiedlichste
Gründe von Kündigung bedroht sind.
Meist steht eine stark eingeschränkte
Leistungsfähigkeit im Vordergrund.
Gespräche mit Betroffenen und Vorgesetzten, der Einsatz technischer
Hilfsmittel am Arbeitsplatz, eine
Arbeitsassistenz … die Hilfe des Integrationsfachdienstes umfasst zahlreiche
Unterstützungsmöglichkeiten, um einen
gefährdeten Arbeitsplatz zu sichern.
Gern senden wir Ihnen unsere
Broschüre „Dienstleistungen der
Integrationsfachdienste“ zu,
Ruf (04 31) 9 82 05-0.
Diese ist auch im PDF-Format
erhältlich: [email protected]
Quelle: Daten für BIH Statistik; Brücke SH
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
7
Arbeit&
Beruf
Integrationsfachdienste –
politisch noch gewollt?
Obwohl die Integrationsfachdienste eine wichtige Funktion
für psychisch benachteiligte Menschen und ihre Integration
in die Arbeitswelt wahrnehmen, haben sich die Arbeitsbedingungen der Integrationsfachdienste verschlechtert.
Die Änderungen des SGB IX Anfang
2005, Einführung von Arbeitslosengeld
II (Hartz IV) – damit einhergehende
Aufteilung in der Zuständigkeit der
Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – wirken sich
aus. Sie betreffen auch die Integrationsfachdienste:
Für wen arbeiten
Integrationsfachdienste (IFD)?
IFD sind im Kapitel 7 des SGB IX
beschrieben: Als Dienste Dritter
arbeiten sie im Auftrag
• des Integrationsamtes – zuständig
für schwerbehinderte Menschen, die
einen Grad der Behinderung (GdB)
über, bzw. von mindestens 30 %
nachweisen und durch die Agentur
für Arbeit gleichgestellt sind.
• anderer Rehabilitationsträger
- Agentur für Arbeit
- Leistungszentren (ARGE)
- Sozialhilfeträger
- Rentenversicherungsträger
- Berufsgenossenschaften
- Unfallkassen etc., zu deren
Aufgaben auch die Versorgung von
behinderten Menschen – mit einem
GdB von unter 50 – und von Behinderung bedrohten Menschen zählt.
8
• Die Zuständigkeit eines Leistungsträgers ist oft nicht eindeutig.
Folge: Oftmals entstehen lange Wartezeiten bis zur Bewilligung oder notwendige Hilfen werden zeitlich nur
nacheinander gewährt.
• Die Agentur für Arbeit ist nicht darauf eingestellt, behinderte Jugendliche
am Übergang von der Schule zum
Beruf in geeignete Ausbildungs- oder
Arbeitsplätze zu vermitteln.
Folge: Schulabgänger/innen dieser
Zielgruppe werden meist in WfbMs
vermittelt, obwohl für viele Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt
bestehen.
• Arbeitslose schwerbehinderte Menschen werden von der Agentur für
Arbeit meist nicht mehr als integrationsfähig angesehen.
Folge: Sie werden oft als nicht vermittlungsfähig eingestuft.
• Psychisch erkrankte Menschen ohne
anerkannte Schwerbehinderung oder
entsprechende Gleichstellung müssen
einen Reha-Antrag stellen. Oftmals
erfüllen sie nicht die geforderten
Beitragszeiten. Einige scheuen sich,
offiziell den Behindertenstatus anzunehmen.
Folge: Diese Menschen können vom
Integrationsfachdienst nur eingeschränkt
oder gar nicht beruflich betreut werden.
• Viele ARGEn benötigten nach ihrer
Gründung sehr lange, um über die
finanzielle Leistungserbringung (ALG
II) hinaus sich einen Überblick darüber
zu verschaffen, welche Personenkreise
ihrer Klientel für die Gewährung von
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Frage kommen. Auch die
Integrationsfachdienste als potenzielle
Leistungserbringer werden erst allmählich entdeckt.
• Die Rentenversicherungsträger vermitteln Arbeit suchende behinderte
Menschen oft in teure Umschulungsund Qualifizierungsmaßnahmen.
Folge: Die individuell ausgerichtete
Vermittlung der Integrationsfachdienste bleibt ungenutzt. Dabei könnten Menschen nach Krankheit mit Hilfe
des Integrationsfachdienstes wieder in
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Arbeit&
Beruf
ihre eigenen, noch vorhandenen
Arbeitsplätze eingegliedert werden –
berufliche Begleitung als RehaMaßnahme.
„Barrierefrei in Arbeit“ ist ein Leitgedanke im Integrationsfachdienst. Vor
diesen Hintergründen verständlicher
Wunsch vieler betroffener behinderter
Menschen.
Optimistisch stimmen Einsatz und
Handeln aus der Politik im Süden der
Republik. Die bayrische Staatsministerin Christa Stewens fordert in
einem Brief an Franz Müntefering eine
Gesetzesänderung:
Integrationsfachdienste sollen von
allen Rehabilitationsträgen zu beauftragen sein. Ferner sollen Aufgaben- und
Finanzverantwortung für die Integrationsfachdienste in einer Hand lie-
gen. Die Ministerin begründet, sie
schätze die Integrationsfachdienste als
geeignete Institution, behinderte
Menschen im Rahmen von Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben beruflich
zu begleiten oder in Arbeit zu vermitteln.
Auch wir im Norden schließen uns von
Trägerseite der Meinung der bayrischen Staatsministerin an.
Unser Vorschlag an die verantwortlichen Politiker und andere Entscheidungsträger in Schleswig-Holstein ist
daher folgender:
Wir stellen uns den Integrationsfachdienst als zentrale Anlaufstelle für
die Integration und Rehabilitation aller
behinderten Menschen in die Arbeitswelt vor. Ausgestattet mit Leistungsverträgen, damit die Integrationsfach-
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
dienste unbürokratisch, schnell und
individuell ausgerichtet entsprechende
Hilfen vermitteln oder selbst leisten
können.
Was-ist-das?
ARGE: Arbeitsgemeinschaft(en)
in den Jobcentern
GdB: Grad der Behinderung, siehe
Kasten links: „Für wen arbeiten
Integrationsfachdienste (IFD)?“
SGB IX: Sozialgesetzbuch IX, regelt
die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der
Gesellschaft und am Arbeitsleben
WfbM: Werkstatt für behinderte
Menschen
9
Arbeit&
Beruf
Ist die Werkstatt für behinderte
Menschen ein Auslaufmodell?
Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) als Einrichtungsform steht bei Politikern und
Kostenträgern in der Kritik. Wie viele Menschen mit psychischer Behinderung nutzen dieses
Angebot? Und was könnten zeitgemäße Alternativen sein?
… Kostenexplosion durch kontinuierlich steigende Platzzahlen
… lebensfremder Standort, kein Publikumsverkehr
… Endstation zweiter Arbeitsmarkt für Betroffene –
so beurteilen viele Politiker die Werkstätten für behinderte
Menschen.
Kostenexplosion …
Politiker und Leistungsträger kritisieren den Kostenanstieg in
der Versorgung durch kontinuierlich steigende Platzzahlen
im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen: 7855
Plätze Ende 2001 in Schleswig-Holstein – 8917 Plätze sind
für Ende 2006 in SH vorhergesagt.1
Dabei entfallen jedoch nur durchschnittlich 15 % der Plätze
auf psychisch behinderte Menschen.
So arbeiten zurzeit 160 Frauen und Männer in den WfbM für
psychisch behinderte Menschen der Brücke SH in den
Standorten Kiel und Itzehoe.
Davon sind 72 Frauen und Männer im Eingangs- und
Berufsbildungsbereich, 88 im Arbeitsbereich beschäftigt.
lebensfremder Standort … kein Publikumsverkehr …
Besonders stolz sind wir auf die zentrale Lage unserer WfbM
für psychisch behinderte Menschen bei der Brücke SH.
Bewusst sind Standorte mitten in der Stadt gewählt. Die
Werkstätten bieten gemeindenah und kundenorientiert ihre
Dienstleistungen an:
Die Wäschereien werden von Arztpraxen und privaten
Haushalten genutzt.
Die Beschäftigten der Küchen kochen täglich bis zu 450
1
Mittagessen. In den öffentlich zugänglichen Kantinen treffen
sich alte Menschen, Familien mit Kindern aller Alterstufen,
Angestellte, Studierende, Handwerker, Betreute und
Beschäftigte zum Essen. Zudem werden größere Abnehmer
wie Kindergärten mit warmen Mahlzeiten beliefert.
Tischlerei-Beschäftigte fertigen Möbel nach Maß für private
Haushalte, für Praxen, für Büros. Auslieferung und passgenaues Einsetzen vor Ort gehört dazu. Für namhafte Verlage
und in Kooperation mit Designer/innen werden Kleinmöbel
und Nützliches für Haus und Garten entwickelt. Bau,
Auslieferung und Verkauf werden von Beschäftigten der
Werkstatt und des Büroservices abgewickelt.
Malerei-Beschäftigte renovieren Wohnungen – komplett.
Der Gartenservice pflegt und bepflanzt Gärten jeder Größe
sowie Grünanlagen.
Vom Büroservice werden zudem Auftragsarbeiten erledigt,
Daten archiviert, Druckerzeugnisse hergestellt.
Beschäftigte im Fahrradladen führen neben dem
Reparaturgeschäft den Verkauf preiswerter gebrauchter
Räder.
Ein Antiquariat lädt ein zum Stöbern, An- und Verkauf halten
das Angebot lebendig.
Publikumsverkehr, Orientierung am Markt, Einbindung in
das soziale Leben sind Teil der Konzepte der WfbM für psychisch behinderte Menschen der Brücke SH. Der direkte
Kontakt zwischen Beschäftigten und Kundschaft trägt für
beide Seiten besonders zur Normalität im Umgang bei. Das
eher negative Meinungsbild der breiten Öffentlichkeit über
psychische Erkrankungen wird entzerrt und positiver gestaltet. Dies entspricht unserem Leitbild.
Beschäftigten Teilhabe am Arbeitsleben und Teilnahme am
Leben in der Gesellschaft zu sichern, ist Auftrag der
Quelle: Bestands- und Bedarfserhebung Werkstatt für behinderte Menschen; con_sens Hamburg 2003
10
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Arbeit&
Beruf
Werkstätten für behinderte Menschen. Dieser ist in besonders
hohem Maße erfüllt durch zentrale Standorte und publikumsnahe Dienstleistungen.
Endstation zweiter Arbeitsmarkt für Betroffene …
Die Vermittlungsquoten von Beschäftigten aus den Werkstätten für behinderte Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt
sind für uns unbefriedigend:
Abgänger wurden in 2004/05 durchschnittlich nur knapp
über 1 % 2 in den allgemeinen Arbeitsmarkt und/oder in Ausbildung, ebenso ca. 1% in Geringverdiener-Arbeitsplätze
vermittelt. Gut 3 % 2 der Männer und Frauen nahmen im Anschluss an ihre WfbM-Beschäftigung an einer Umschulung/
Fördermaßnahme der Arbeitsverwaltung teil.
Daher teilen wir die Meinung der politischen Entscheidungsträger: Ein Platz in einer Werkstatt darf nicht die einzige
Möglichkeit für Menschen mit Behinderung sein, einen
Arbeitsplatz zu haben.
2
Wir erproben deshalb aktiv neue Formen der beruflichen
Förderung und Integration. Unser Ziel ist es, für die
Betroffenen Wahlmöglichkeiten zu schaffen und die Betriebe
des allgemeinen Arbeitsmarktes einzubinden.
Inhaltlich richten wir uns zurzeit neu aus:
Das persönliche Budget als Leistung zur Teilhabe am
Arbeitsleben; die Umsetzung virtueller Werkstattplätze;
ganzheitliche Hilfeplanung nach dem Integrierten
Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) stehen dabei
im Fokus.
Wir gehen davon aus, zukünftig die individuellen
Hilfebedarfe von Menschen mit Behinderungen besonders
im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben noch deutlicher zu
differenzieren. So können Teile der Werkstattplätze in
Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes in Form von virtuellen Werkstattplätzen verlagert werden; oder es können
Teilleistungen der Werkstätten für behinderte Menschen im
Rahmen des persönlichen Budgets eingekauft werden.
Quelle: Jahresstatistik 2005; Brücke SH
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
11
Arbeit&
Beruf
Letztendlich soll hierdurch mehr Menschen mit psychischen
Erkrankungen der Übergang in ein normales Arbeitsverhältnis möglich sein. Wobei die Eignung und Fähigkeit
der/des Einzelne/n berücksichtigt werden muss.
Was-ist-das?
Integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan
(IBRP):
entwickelt von der Aktion psychisch Kranker e. V.. Ein
Instrument zur Ermittlung des individuellen personenorientierten Hilfebedarfs, bei dem alle gleichzeitig notwendigen
Bedarfe zusammenfließen:
- Behandlung und Pflege
- Tagestruktur, Wohnen und Freizeit
- Arbeit und Beschäftigung
Der Integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan ist
unabhängig von Leistungsträger und -erbringer sowie
übergreifend.
Virtuelle Werkstattplätze:
in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgelagerte Werkstattplätze einer Werkstatt für behinderte Menschen, mit dem
Ziel, die Integration von Menschen mit Behinderungen in
den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern.
Die Beteiligten werden von der Werkstatt für behinderte
Menschen über einen längeren Zeitraum begleitet. Im
Anschluss daran kann für die Beschäftigten – bei persönlicher Eignung – ein sozialversicherungspflichtiges
Arbeitverhältnis in diesen Betrieb und in die von ihnen
erprobte Tätigkeit erfolgen.
12
Für die Brücke SH ist die Einrichtungsform der Werkstatt für
behinderte Menschen kein Auslaufmodell.
Für den Personenkreis, der auf Grund behinderungsbedingter
Einschränkungen langfristig nicht auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt arbeiten kann, ist die Werkstatt für behinderte
Menschen weiterhin ein wichtiger Bestandteil zur Verwirklichung des Rechts auf Teilhabe am Arbeitsleben, mit
Dienstleistungen direkt am Kunden.
Durch differenziertere individuelle Hilfeplanungen, über die
Leistungen des persönlichen Budgets und die Weiterentwicklung virtueller Werkstattplätze wird die Werkstatt für
behinderte Menschen zukünftig attraktiver für die
Rehabilitation auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Seitens der Politik und der Leistungsträger wünschen wir uns
ein gemeinsames konsequentes Erproben dieser neuen
Modelle der Leistungserbringung in Schleswig-Holstein –
zumal dies in anderen Bundesländern bereits geschieht.
Brücke SH
Werkstattverbund _ Werkstatt Starthilfe
Muhliusstraße 84 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 06-0
Werkstatt Westküstenservice
Wilhelm-Biel-Straße 5 _ 25524 Itzehoe
Ruf (0 48 21) 67 91-0
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Arbeit&
Beruf
Jugendförderung ist
maßgeblich für die Integration
Die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Brücke SH bietet ganzheitliche Hilfestellung
für Jugendliche mit psychischer Beeinträchtigung. Hohe Integrationsquoten in den allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind Motivation für alle.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu
einer betrieblichen Berufsausbildung
bleibt in der heutigen Zeit Jugendlichen
ohne Schulabschluss weitgehend verschlossen. Häufig fehlen oft notwendige Kenntnisse in der allgemeinen
Bildung oder Weiterführendes wie
grundlegende Arbeitsfertigkeit. Oft ist
selbst organisiertes Handeln, sich mit
anderen auseinanderzusetzen, sich
gruppen- und beziehungsorientiert zu
verhalten kaum geübt.
Die Integration von behinderten oder
von Behinderung bedrohten Jugend-
lichen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist daher besonders schwierig.
Bei jungen Menschen dieser Zielgruppe geht auch häufig eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit in Verbindung mit Verhaltensauffälligkeiten
oder psychischen Beeinträchtigungen
einher. Jugendliche mit psychischen
Beeinträchtigungen haben darum oft
einen schlechten oder gar keinen
Schulabschluss.
keine Garantie für die Einbindung in
Ausbildung oder Beruf. Integration ist
ohne entsprechende Hilfe schwierig.
Grundlegender Unterschied zu nicht
beeinträchtigten Jugendlichen ist das
eigene und fremde Rollenverständnis.
Junge Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen sind eher Außenseiter/innen. Selten sehen sie sich als
Auszubildende oder Arbeitnehmer/innen.
Ein Haupt- oder Realschulabschluss
allein ist für Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen jedoch noch
Dies ist als Folge zu verstehen. Denn
die Orientierungs- und Ablösungsphase
der Pubertät und Adoleszenz ist für
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
13
Arbeit&
Beruf
diese jungen Menschen erheblich
durch das Auftreten einer seelischen
Krankheit oder vergleichsweise ebenso
schwerwiegenden psychosozialen Problematik erschwert.
Langjährige Erfahrungen aus der
Jugendarbeit und Meinungen der Experten stimmen überein: Der Arbeitsmarkt bleibt für die Zielgruppe der
Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen nachweislich noch
immer weitgehend verschlossen.
Eingefahrene Wege verlassen und neue
Schritte wagen. Diese Herausforderung
nahmen Mitarbeiter/innen der Brücke
SH mit dem Konzept der ganzheitlichen Hilfestellung in der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme an.
Integrationsquoten in den allgemeinen
Ausbildungsmarkt von 60% wurden in
den letzen drei Jahren realisiert. Für die
Zielgruppe Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen also sehr
erfolgreich.
Die Integrationsarbeit für behinderte
und von Behinderung bedrohte
Jugendliche ist bei der Brücke SH in
Elmshorn und Itzehoe am persönlichen
Bedarf sowie an den möglichen Mitteln
ausgerichtet. Der ganzheitliche Ansatz
beinhaltet einen hohen Anteil an ambulanten und betrieblichen Formen der
Arbeitserprobung, der individuellen
Schulung und Qualifizierung sowie ein
intensives soziales Kompetenztraining.
Die Möglichkeit des individuellen und
stufenweisen Übergangs von geschützten in reale betriebliche Arbeitsabläufe
ist für die Zielgruppe ein besonders
wichtiges Element der psychosozialen
14
Stabilisierung zur Ausbildungs- oder
Arbeitsaufnahme. Die konsequente
Einbeziehung des sozialen und familiären Umfeldes sowie die an den möglichen Mitteln orientierte Förderphilosophie bestärken den jungen
Menschen im Handeln und fördern die
Motivation.
In Unternehmen zu informieren und zu
sensibilisieren ist eine weitere grundlegende Integrationsstrategie der Brücke
SH. Nach unseren Erfahrungen ist es so
möglich, Vorurteile über psychische
Erkrankungen und Beeinträchtigungen
auszuräumen. Viele Betriebe sind gern
bereit – fachkompetent unterstützt von
Mitarbeiter/innen der Brücke SH –
Jugendlichen eine Chance zu geben,
denen der Markt sonst verschlossen
bliebe.
In betriebliche Abläufe einbezogen
können die Teilnehmer/innen ihre Leistungsfähigkeit in realen Bezügen zur
Arbeitswelt erproben und unter Beweis
stellen.
Die Berufsvorbereitenden Maßnahmen
der Brücke SH erzielen Integrationsergebnisse, die sich sehen lassen können. In den letzten drei Jahren haben
insgesamt 55 Teilnehmer/innen an
Maßnahmen der Berufsvorbereitung
im Kreis Pinneberg teilgenommen. 21
Teilnehmer/innen haben die Maß-
nahme regulär durchlaufen und bereits
abgeschlossen. Davon haben 13 Teilnehmer/innen ein Ausbildungs- oder
Arbeitsverhältnis begonnen (62 %), ein
Teilnehmer macht Zivildienst (5 %)
und sieben sind derzeit arbeitslos (35 %).
Fünf Teilnehmer/innen mussten die
Maßnahme krankheitsbedingt abbrechen. Eine junge Frau beendete die
Maßnahme aufgrund ihrer Schwangerschaft, zwei Teilnehmer/innen sind
nicht erschienen. Bei acht Teilnehmer/innen von 55 musste die
Maßnahme trotz aller Interventionen
abgebrochen werden – das entspricht
einer Abbruchquote von 15 %.
Die Brücke SH plant, Jugendförderung
diesem erfolgreichen Modellprojekt
entsprechend auch in weiteren Regionen Schleswig-Holsteins anzubieten.
In der Landeshauptstadt Kiel wird seit
Juni 2006 in Kooperation mit dem Bildungsträger „isfa“ die Jugendtrainingsmaßnahme „Stabile Zukunft“ für 20
Teilnehmer/innen durchgeführt. In drei
weiteren Kreisen des Landes finden
zurzeit Sondierungsgespräche über
berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit der zuständigen ARGE statt.
Brücke SH
Starthilfe _ Jugendförderung
Flamweg 73 _ 25335 Elmshorn
Ruf (0 41 21) 26 24-861
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Gesundheit&
Therapie
Pflaster auf der Seele
Sozialpsychiatrische Krankenpflege vernetzt sich. Ein positives Resultat aus gesetzlichen Veränderungen: Betroffene
Menschen können die Leistung der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege in Anspruch nehmen.
In drei Kreisen und zwei Städten
Schleswig-Holsteins sind die Brücke SH
und das Tochterunternehmen alpha
gGmbH mit sozialpsychiatrischen
Pflegediensten vertreten.
Seit teilweise über 15 Jahren versorgen
die Fachkräfte der Pflegedienste dort
vor Ort psychisch erkrankte Menschen
in ihrer eigenen Häuslichkeit. Die qualifizierten Mitarbeiter/innen sind spezialisiert auf die Versorgung der Wunden,
die nicht immer nach außen sichtbar
sind. Sie legen auch Pflaster auf die
Seelen und lindern körperliche Leiden
sowie seelische Nöte der Betroffenen.
Mit dem Angebot der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege ist das
Leistungsangebot in der Pflege ressourcenorientiert erweitert.
Im Juli 2005 hat der Gesetzgeber die
rechtlichen Voraussetzungen hierfür
geschaffen. Mit der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege und durch
die geänderte Richtlinie für häusliche
Krankenpflege ist es daher jetzt möglich, psychisch erkrankte Menschen
durch häusliche Behandlungspflege zu
versorgen, wie es bereits für somatisch
erkrankte Menschen bekannt ist.
Diese neue Leistung ist das Bindeglied
zwischen einer stationären Behandlung
der Patienten/innen und einer ambulanten Versorgung in der eigenen Häuslichkeit. Brücke SH- und alpha-Teams
versorgen erkrankte Menschen, die
ohne die Leistung der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege eine stationäre Behandlung benötigen würden.
Mit der Erbringung dieser Leistung
setzt die Brücke SH den Grundsatz
ambulant vor stationär in die Praxis
um. Ziel ist, selbst in akuter Krisen-
Was-ist-das?
Somatisch _ griechisch
: soma/somata _ Körper, Leib
Das, was sich auf den Körper
bezieht, körperlich. Grenzt körperliche, organische Krankheiten von
psychischen Krankheiten ab.
kompensatorische Hilfen:
psychosoziale und psychotherapeutische Hilfen
Häusliche (ambulante)
Krankenpflege:
Gesetzlich Krankenversicherte erhalten häusliche Krankenpflege durch
geeignetes Pflegepersonal, zum
Beispiel ambulante Pflegedienste,
wenn dies zusätzlich zur ärztlichen
Behandlung erforderlich ist. In
Deutschland wird sie als Sachleistung
von den Krankenkassen erbracht.
Die ambulante psychiatrische Pflege
(APP) ist seit Juli 2005 Bestandteil
der häuslichen Krankenpflege.
Sie wurde mit der Neuregelung der
Richtlinien zur Verordnung von
Häuslicher Krankenpflege nach § 92
SGB V aufgenommen und ist ein
gemeindeorientiertes Versorgungsangebot.
SGB V: Sozialgesetzbuch – Fünftes
Buch, alle Bestimmungen zur
Gesetzlichen Krankenversicherung
sind darin zusammengefasst.
Behandlungssetting:
verschiedene Behandlungsfelder,
die ein gegliedertes Ganzes bieten.
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
15
Gesundheit&
Therapie
situation eine stationäre Behandlung zu
vermeiden. Die ambulante ärztliche
Behandlung der Patienten/innen und
ihre frühzeitige Rückkehr in den häuslichen Bereich stehen im Vordergrund:
Zunächst wird mit den betroffenen
Personen die Pflegeakzeptanz erarbeitet. Dies ist wichtig, falls Maßnahmen
zu treffen sind bei der Bewältigung von
Krisen.
Gemeinsam werden mögliche Maßnahmen und kompensatorische
Sozialpsychiatrischer
Pflegedienst
hier stehen Ihnen Ansprechpersonen
beratend und informierend zur
Verfügung:
in Kiel _ Landesgeschäftsstelle
Irini Aliwanoglou _ (04 31) 9 82 05-19
[email protected]
Referentin für Vergütungs- und
Vertragsangelegenheiten
in Kiel
Michaela Fenger _ (04 31) 5 19 20 55
[email protected]
Pflegedienstleitung
in Neumünster
Ute Harleß-Handler _ (0 43 21) 7 07 97-11
[email protected]
Pflegedienstleitung
im Kreis Herzogtum Lauenburg
Harald Heinze _ Ruf (0 41 51) 89 89-11
[email protected]
Pflegedienstleitung
im Kreis Nordfriesland
Christel Gülck _ Ruf (0 48 41) 8 34 28
[email protected]
Pflegedienstleitung
im Kreis Pinneberg
Torsten Kemmler _ Ruf (0 41 21) 48 62-51
[email protected]
Pflegedienstleitung
16
Hilfen erarbeitet, um auftretende
Krisensituationen besser bewältigen zu
können. Die betroffenen Menschen
erhalten die individuelle Unterstützung, die sie in ihrer konkreten
Lebenssituation benötigen. In vertrauter Umgebung können sie unter
Einbindung ihres sozialen und familiären Umfelds ihren Alltag weitgehend
fortführen. Den Angehörigen wird
Anleitung und Begleitung im Umgang
mit der Erkrankung geboten.
Im System der Hilfen stellt die ambulante psychiatrische Krankenpflege ein
wesentliches Angebot dar. Sie ermöglicht eine gemeindeorientierte Versorgung der betroffenen Frauen und
Männer. Sie werden nicht aus ihrem
Umfeld herausgerissen. Ihre Behandlung erfolgt dort, wo sie mit ihrer
Erkrankung leben möchten. Dadurch
steigert sich die Lebensqualität. Selbsthilfepotentiale werden gefördert, da die
Menschen aktiv an ihrer eigenen
Behandlung beteiligt sind. Professionelle Helfer und Helferinnen sind
begleitend und unterstützend tätig.
Die Brücke SH, die alpha gGmbH
sowie Die Brücke Lübeck gGmbH sind
zurzeit die einzigen Trägerinnen von
Pflegediensten in Schleswig-Holstein,
die auf die Leistung der sozialpsychiatrischen Pflege spezialisiert sind.
Erfahrung und Know-how im Bereich
psychischer Erkrankungen sowie im
Umgang mit den betroffenen Menschen sind unabdingbare Voraus-
setzungen, um die beschriebenen positiven Ergebnisse zu erreichen. Für
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Brücke SH- und der alpha-Pflegedienste gehören eine entsprechende
Qualifikation, Erfahrung bei der Behandlung mit psychisch erkrankten Menschen und einschlägige Fortbildungen zu
den Einstellungsvoraussetzungen.
Erbracht wird die ambulante psychiatrische Krankenpflege im Hilfeverbund. Die Leistung wird mit anderen Angeboten abgestimmt und nötigenfalls kombiniert. Hohe stationäre
Behandlungskosten werden durch ein
sinnvolles ambulantes Behandlungssetting reduziert.
Diese Leistung bietet eine passgenaue
Antwort auf den individuellen Bedarf
der betroffenen Menschen. Auch auf
Landesebene wird sich die Brücke SH
weiterhin stark für dieses Angebot einsetzen. Die Beförderung dieser Leistung ist zurzeit noch erschwert. So sind
zum Beispiel die Voraussetzungen für
die Inanspruchnahme sehr hoch. Es
wäre förderlich, einen Rahmenvertrag
für Schleswig-Holstein abzuschließen,
der für alle Träger ambulanter Pflegedienste gilt. Die ambulante Versorgung
betroffener Frauen und Männer ist der
zukunftweisende Weg, um eine Umstrukturierung im Gesundheitssystem
umzusetzen, einen effizienten Ressourceneinsatz vorzunehmen und um
die Behandlung und die erkrankten
Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Gesundheit&
Therapie
Hausgemeinschaft für
Menschen mit Demenz –
Erfolg(t) mit Lebenskonzept
Stadtpräsident Rainer Tschorn eröffnete am 27. Januar 2006
die erste ambulant betreute Hausgemeinschaft für demenziell erkrankte Menschen der Brücke SH in Kiel.
Für zwölf der ca. 3.000 an Demenz
erkrankten Kieler/innen besteht jetzt
die Möglichkeit, im innovativen Wohnund Betreuungsmodell am Jägersberg 16
in der eigenen Häuslichkeit zu leben.
Innovativ, da sich die ambulant betreute Hausgemeinschaft speziell an den
Bedürfnissen der demenziell erkrankten Menschen ausrichtet. Mit diesem
Konzept wird ihnen eine stützende,
menschenwürdige und lebensweltorientierte Lebensform geboten:
• Oberste Priorität haben Wohlgefühl,
Sicherheit und ritualisierte Alltagsstrukturen.
• Das vertraute Umfeld und das sozia-
le Hilfesystem bleiben längstmöglich
erhalten.
• Die Aktivitäten orientieren sich an
einem normalen Haushalt – die Pflege
tritt in den Hintergrund.
• Kleine familienähnliche Gruppen
entstehen – Rückzug in das Private
bleibt möglich.
• Vermeidung von Heimunterbringungen, die dem Krankheitsbild
nicht angemessen sind.
• Die professionelle Betreuung bezieht
die Biografie und die Persönlichkeit
des an Demenz erkrankten Menschen
in ihre Maßnahmen ein.
Normalität leben ist im barrierefrei
gestalteten Haus für die Bewohner/innen in ihren eigenen persönlich ein-
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
gerichteten Wohnungen – jede mit
eigenem großzügigen Bad – Kerngedanke und selbstverständlich.
Gemeinsamkeit wird im Garten und in
der zentralen Wohnküche gelebt. Die
Bewohner/innen werden den ganzen
Tag von Alltagsbegleiter/innen unterstützt; nachts steht eine ständige
Nachtbereitschaft zur Verfügung.
Ambulante Leistungen wie Pflege
beziehen die Bewohner/innen ebenfalls
nach den eigenen Bedürfnissen –
umfassend oder abgestuft. Hierfür bietet sich der Pflegedienst alpha an, ein
gemeinnütziges Tochterunternehmen
der Brücke SH. Angehörige können in
den Alltag der Hausgemeinschaft einbezogen werden. Auch mitwohnen im
gemieteten Appartement ist möglich.
Durch die aktive Lebensgestaltung
werden motorische und kognitive
Ressourcen erhalten. Der krankheitsbedingten Tendenz, sich zurückzuziehen,
apathisch oder depressiv zu werden,
wird so entgegengewirkt.
Das Risiko, demenziell zu erkranken,
ist besonders für Hochaltrige unverän-
17
Gesundheit&
Therapie
Was-ist-das?
Demenz _ Lateinisch
: weg vom Geist
: ohne Geist _ so die wörtliche
Übersetzung des Begriffs.
Damit ist das wesentliche Merkmal
von Demenzerkrankungen vorweg
genommen, nämlich der Verlust der
geistigen Leistungsfähigkeit. Am
Anfang der Krankheit stehen
Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit, in
ihrem weiteren Verlauf verschwinden
auch bereits eingeprägte Inhalte des
Langzeitgedächtnisses, so dass die
Betroffenen zunehmend die während
ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten
und Fertigkeiten verlieren.
Aber eine Demenz ist mehr als eine
einfache Gedächtnisstörung. Sie
zieht das ganze Sein des Menschen
in Mitleidenschaft: seine Wahrnehmung, sein Verhalten und
sein Erleben.
Kognitiv: auf Erkenntnis beruhend.
Kognitive Fähigkeiten des Menschen
sind zum Beispiel: Aufmerksamkeit,
Wahrnehmungsfähigkeit, Erkenntnisfähigkeit, Schlussfolgerung, Entscheidungsfindung, Erinnerung/Merkfähigkeit, Lernfähigkeit, Abstraktionsvermögen, Rationalität, Kreativität.
18
dert groß. Erfolg versprechende medikamentöse Therapien und Prophylaxe
scheinen derzeit nicht in Sicht. Um so
mehr gewinnen sozio-therapeutische
und rehabilitativ-pflegerische Umgangsformen mit der Demenz an
Bedeutung. Dazu gehört neben der
Unterstützung durch pflegende Angehörige vor allem die Entwicklung
krankheitsangemessener Unterbringungs- und Versorgungsformen.
Kleinsteinrichtungen mit häuslichem
Charakter oder Wohngruppen sind
nach einschlägiger Expertenmeinung
die nahe liegende Versorgungsform für
demenziell erkrankte Menschen. Allerdings gilt es, bei der Realisierung rechtliche und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.
Obwohl in Deutschland ca. 250 solcher
Wohn- und Hausgemeinschaften existieren, gibt es in Schleswig-Holstein
erst fünf Angebote. Vor diesem
Hintergrund plant die Brücke SH in
verschiedenen Regionen in SchleswigHolstein weitere Hausgemeinschaften.
Gespräche mit kommunalen Kosten-
trägern und Arbeitskreisen Gemeindenahe Psychiatrie haben zum Beispiel in
Neumünster und Dithmarschen stattgefunden. Darüber hinaus unterstützt die
Landesregierung das Angebot an neuen
Wohnformen für ältere pflege- und
betreuungsbedürftige Menschen.
Auf der Tagung des AG 60 plus des
SPD Kreisverbandes Dithmarschen
„Demenz – von der Pflegeversicherung vergessen?“, zu der Rüdiger
Waßmuth, Referent für Gerontopsychiatrie der Brücke SH, als Experte
eingeladen war, unterstrich Frau
Ministerin Dr. Gitta Trauernicht das
Anliegen der Landesregierung:
„Wir brauchen Einrichtungen, die
wirklich helfen. Eine zukunftsweisende
Form sind die ambulant betreuten
Hausgemeinschaften. Das Thema
gehört in die Mitte der Gesellschaft“.
Brücke SH
Gerontopsychiatrische Hausgemeinschaft Jägersberg
Jägersberg 16 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 05-93
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Gesundheit&
Therapie
Weiterkommen …
Schritt für Schritt
aus der Sucht
Eingliederungshilfe, Pflege und Substitution:
Für chronisch mehrfach geschädigte polyvalent abhängig
kranke Menschen bieten die Suchthilfen der Brücke SH ein
hoch qualifiziertes modulares Betreuungssystem.
Suchtkrankheit unterscheidet
sich in vielen Aspekten von
anderen Erkrankungen.
Für gewöhnlich reagieren
Menschen auf Krankheit
mit Abwehrreaktionen.
Medikamente oder auch
chirurgische Eingriffe sorgen für
Heilung. Ein erkrankter Mensch
wünscht sich so gut wie immer
Besserung und hofft auf Genesung.
Ganz anders verhält es sich bei einer
Suchterkrankung. Sie löst im
Menschen gnadenloses Verlangen nach
dem Stoff aus, der krank macht und
krank hält.
Das Konzept Suchthilfe-Einrichtungen
der Brücke SH im Kreis SchleswigFlensburg (SL-FL) setzt auf zielgruppenorientierte Angebote.
Wohnhaus Ulsnis
mit 20 vollstationären Plätzen. Hier
werden Menschen betreut, die unter
Folgekrankheiten ihrer Alkoholabhängigkeit leiden, zum Beispiel KorsakowSyndrom. Auch Männer und Frauen,
die andere Substanzen komplikationsbehaftet konsumierten und in Folge
dessen Korsakow-ähnliche Syndrome
aufweisen, leben hier.
Zur Aufrechterhaltung einer Vertrauenskette ist im
gleichen Haus eine
auf diese Personengruppe spezialisierte
Pflegeeinrichtung mit 16
Plätzen installiert.
Wohnhaus Hasselberg, Hüholz
und Birzhaft
mit insgesamt 50 vollstationären
Plätzen ist es möglich, polyvalent
abhängige, chronisch mehrfach geschädigte multimorbide abhängig kranke Menschen zu betreuen. Über ein
intern abgestuftes,
eng verzahntes System
mit drei unterschiedlichen Häusern werden
sie auf ein Leben
ohne vollstationären Stützrahmen vorbereitet.
Ambulante Hilfen und Wohngruppen
mit teilstationärer und ambulanter
Betreuung für alkoholabhängig und
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Was-ist-das?
Substitution _ Lateinisch
: substituere _ ersetzen
Ersetzen einer bestimmten Sache
durch eine andere. Der Ausdruck
findet Anwendung in verschiedenen
Fachgebieten. Hier für Versorgung
bzw. Behandlung Drogenabhängiger
mit Drogenersatzstoffen.
psychotrope Substanz _
auch psychoaktive Substanz:
von außen zugeführter Stoff, der
Psyche und Bewusstsein eines
Menschen verändert.
polyvalent abhängig: neben einer
Abhängigkeit von illegalen Drogen
besteht meist auch massiver
Alkoholmissbrauch.
Korsakow-Syndrom: schwerste
Gedächtnisstörung bei Alkoholikern,
1880 vom russischen Neurologen
Sergei Korsakow (1854–1900) erstmals beschrieben.
multimorbid: von vielen
Krankheiten betroffen
Forensik: medizinische Einrichtung
zur Behandlung von (psychisch)
erkrankten Menschen, die straffällig
geworden und gerichtlich eingewiesen sind.
Psychose: schwere psychische
Störung, zeitweilig weitgehender
Verlust des Realitätsbezugs.
Erkrankte erleben ihre Umwelt als
verändert. Im Akutstadium keine
Krankheitseinsicht möglich.
Auffällige Symptome: Wahn,
Halluzinationen.
19
Gesundheit&
Therapie
polyvalent abhängig kranke Menschen.
Hier stehen in drei Einrichtungen insgesamt 12 Wohneinheiten im teilstationären Bereich zur Verfügung, sämtlich
in Schleswig. Das Angebot der ambulanten Betreuung für den oben genannten Personenkreis besteht für den gesamten Kreis SL-FL.
Wohnhaus Psychose und Sucht
Die Nachsorge-Einrichtung in Schleswig ist spezialisiert auf die therapeutische Begleitung von Menschen mit
stellung und therapeutische Begleitung bei dem
Erwerb von Bewältigungsstrategien für psychische und soziale Konfliktsituationen gegeben. Ziel ist
dabei immer eine personenorientierte Begleitung in einer weniger engmaschigen gemeindenahen Betreuung.
Die integrierte Betreuung substituierter
Patienten/innen ist die herausragende
Besonderheit der Suchthilfen der
Brücke SH. Die gemeinsame Behandlung substituierter und nicht-substituierter Menschen gehört konzeptionell zur vollstationären
Betreuung. So können zum
Beispiel im Alltag und über
bestimmte Verführungssituationen die Personen
beider Gruppen im begleiteten Rahmen
voneinander und miteinander lernen.
Brücke SH
Suchthilfen
Eckeberg 3 _ 24376 Hasselberg
Ruf (0 46 42) 96 22-0
Psychose und Sucht
Stadtfeld 34 - 38 _ 24837 Schleswig
Ruf (0 46 21) 2 10 64
Zahlen – Daten – Fakten
einer psychischen und einer SuchtErkankung. Mit 19 vollstationären
Plätzen und einem internen Stufungskonzept wird Frauen und Männern
neben einer umfassenden lebenspraktisch orientierten Betreuung Hilfe-
20
Mit speziellen Hilfen bei Suchterkrankungen konnte die Brücke SH 2005
das sozialpsychiatrische Angebot erweitern.
Am 1.1.2006 wurden in den Wohnhäusern Ulsnis, Hasselberg, Hüholz und
Birzhaft 71 Menschen betreut. Dass es sich um spezielle Suchthilfeeinrichtungen
handelt, wird durch die psychiatrischen Diagnosen der Bewohner/innen deutlich: 92 % der Personen leiden an einer massiven Störung durch psychotrope
Substanzen.
In der Geschlechterverteilung überwiegen mit 72 % deutlich die Männer. In der
Altersverteilung gibt es zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede.
Sowohl Frauen als auch Männer sind im Durchschnitt 53 Jahre alt. Die mittlere
Erkrankungsdauer beträgt im Schnitt 21 Jahre. Folglich sind viele der
Bewohner/innen Anfang/Mitte 20 erkrankt.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Gesundheit&
Therapie
Volkskrankheit
Depression
Wer das Stichwort Depression hört, mag
zunächst denken:
Deprimiert ist doch jeder mal – oder?
Ein Missverständnis, denn eine deprimierte Stimmung ist keine Depression.
Beides kann man nicht vergleichen:
Depressiv Erkrankte sind nicht einfach
nur verstimmt. Sie sind schwer krank.
Als Folge davon ziehen sie sich zurück,
brechen Kontakte ab, verlieren den
Mut zum Leben. Nicht selten erscheint
der Gedanke an Suizid als letzter
Ausweg aus dem unerträglichen
Zustand.
„Eine Depression ist, als ob du jeden
Morgen einen zentnerschweren Sack
schultern musst und dazu verdonnert
bist, ihn den ganzen Tag herumzuschleppen“ so ein Betroffener. „Klack –
und du stehst im Dunkeln. Die Welt ist
verschwunden, mit ihr verabschiedet
sich dein Selbst. Plötzlich bist du
jemand anderes und hast keine Idee,
wie du dein früheres Wesen wieder hervorzaubern kannst.“ 1
Für Menschen, die an der oft unterschätzten Krankheit Depression leiden,
bieten Mitarbeiter/innen der Brücke SH
professionelle Hilfen. Manfred Bogners
1
Engagement geht hierbei einen weiteren
Schritt. Er setzt auf Prävention. Im Kreis
Schleswig-Flensburg ist er Regionalleiter
der Brücke SH und hat dort das „Bündnis
gegen Depression“ ins Leben gerufen.
Herr Bogner, warum ist ein „Bündnis
gegen Depression“ so wichtig?
Weil die Depression eine sehr weit verbreitete Erkrankung ist. Man kann mittlerweile von einer Volkskrankheit sprechen. Allein in Schleswig gibt es schätzungsweise 1.000 betroffene Menschen. Die Erkrankung wird allerdings
bei weitem nicht in ausreichendem
Maße behandelt. Depressionen werden
oft nicht als solche erkannt, weil sie
sich auch hinter körperlichen Symptomen verbergen können. Daher erhalten nur 10 % aller Menschen mit depressiver Erkrankung eine angemessene Behandlung. Das kann gefährlich
werden – denn unbehandelte Depressionen können zu einem deutlich
erhöhten Suizidrisiko führen.
Lässt sich jemandem helfen, aus einer
Depression herauszukommen?
Das ist oftmals nicht so einfach.
Erkrankte ziehen sich zurück, viele
erkennen selbst nicht, dass sie an einer
Depression leiden. Oder trauen sich aus
Was-ist-das?
affektive Störungen _
oder auch Affektstörungen
: Stimmungsstörungen. Betroffene
Menschen sind entweder übermäßig
freudig erregt oder gereizt mit übersteigertem Aktivitätsniveau (Euphorie/
Manie). Oder sie sind übermäßig
niedergeschlagen mit Energielosigkeit (Depression). Beides kann sich
abwechseln, so genannte bipolare
Störung, auch manisch-depressive
Erkrankung. Organische Ursachen
sind nicht erkennbar.
Affektive Störungen verlaufen in
Phasen. Monopolar: die Phasen des
gleichen Erscheinungsbildes wiederholen sich. Bipolar: Phasen der
Depression wechseln sich mit
Phasen der Manie ab.
Aus Presseerklärung, Auftaktveranstaltung für das Bündnis gegen Depression im Kreis Schleswig-Flensburg von Manfred Bogner. Schleswig, 24.11.2005
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
21
Gesundheit&
Therapie
Scham oder Angst vor Stigmatisierung
nicht, Hilfen wahrzunehmen. Da ist das
persönliche Umfeld gefragt, seien es
nun Familie, Freunde, Kollegen oder
Lehrer. Es gibt auch Angebote und
Ansprechpartner/innen in der Region:
Das Krisentelefon, da sind kompetente
Mitarbeiter/innen auch nachts und am
Wochenende erreichbar und vermitteln
weiterführende Hilfen. Den einzelnen
betroffenen Personen kann je nach
Schwere und Ausprägung der Erkrankung mit Therapie und medikamentöser
Behandlung geholfen werden.
Auf welche Weise hilft das Bündnis
gegen Depression konkret?
Über eine Vielzahl von Aktivitäten.
Zunächst wollen wir Depression als
Krankheit zum öffentlichen Thema
machen und damit aus der StigmaEcke herausholen. Weiter wollen wir
Zahlen – Daten – Fakten
164 Menschen mit depressiver
Erkrankung wurden am Stichtag
1. Januar 2005 in Einrichtungen der
Brücke SH betreut.
Das sind insgesamt 12 % von 1332
Personen gesamt. 128 betroffene
Menschen haben die affektive
Erkrankung Depression als Hauptdiagnose, 36 als Zweit- oder so
genannte Nebendiagnose.
Von den 128 betroffenen Menschen
mit der Hauptdiagnose einer affektiven
Störung (10 %) litten 73 (5 %) ausschließlich an einer Depression,
für 55 betroffene Menschen (4 %)
wurden noch weitere psychische
Erkrankungen neben depressiven
Störungen festgestellt.
22
Ärzte/innen erreichen und Fortbildungen zum Thema Depression anbieten.
Ziel ist, ihnen das Erkennen der Krankheit zu erleichtern, damit die Patienten/innen möglichst frühzeitig eine
angemessene Behandlung bekommen.
Weiter wollen wir Multiplikatoren erreichen – Lehrer, Altenpflegekräfte,
Pastoren, die Polizei u. a. – ihnen bieten
wir neben der Information über die depressive Erkrankung konkrete Fortbildung in ihren Einrichtungen an, damit
depressive Erkrankungen besser erkannt werden und mit ihnen umgegangen
werden kann. Wir fördern die Grün-
dung von Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige und bieten ihnen
unsere Unterstützung in der Arbeit an.
Zusammengefasst arbeiten wir daran,
ein Netzwerk gegen Depression zu
schaffen. Wir tun dies, indem wir verschiedene kompetente Akteure in dem
Bündnis zusammenführen und so die
Hilfemöglichkeiten bündeln, öffentlich
machen und weiter ausbauen.
Brücke SH _ Regionalleitung
im Kreis Schleswig-Flensburg
Lutherstraße 2 a _ 24837 Schleswig
Ruf (0 46 21) 96 87 22
Das „Bündnis gegen Depression“
im Kreis Schleswig-Flensburg
ist eine Initiative der Brücke SH, der Ärzteschaft, von Psychotherapeuten
und Psychotherapeutinnen sowie der Fachklinik Schleswig. Das Bündnis
steht in Verbindung mit dem bundesweiten Kompetenznetz Depression.
Mehr Informationen finden Sie unter www.buendnis-depression.de
Depression in Zahlen
Aus: „Ein Projekt zur Prävention von Depression und Suizid“, Bündnis gegen Depression
• Schätzungen zufolge leiden ca. 5 % der Bevölkerung an einer behandlungswürdigen Depression. Das sind etwa 4 Millionen Menschen in
Deutschland.
• Nur etwa 60 – 70 % dieser Menschen befinden sich aufgrund ihrer
Erkrankung in hausärztlicher Behandlung.
• Bei nur 30 – 35 % der Erkrankten wird Depression korrekt diagnostiziert.
• Und nur 10 % der Erkrankten erfahren eine adäquate Therapie.
• Bei 40 – 70 % aller Suizide zählen Depressionen zu den Hauptursachen.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Wohnen &
Leben
Beratung & Information
Im Kreis Herzogtum Lauenburg gibt es die zentrale Stelle Beratung & Information seit
April 2006. Dieses Angebot soll künftig Menschen mit psychischen Erkrankungen,
Angehörigen sowie Interessierten in allen Regionen zur Verfügung stehen, in denen die
Brücke SH vertreten ist.
In Schwarzenbek können sich Ratsuchende in Sprechzeiten bei Mitarbeitern/innen der psychosozialen und
beruflichen Rehabilitation informieren:
Welche Angebote dieser Bereiche gibt
es in der Region? Was kommt für mich
in Frage? Gibt es Netzwerke, die ich als
betroffener Mensch nutzen kann?
Welche Möglichkeiten die Brücke SH
bietet und in welcher Form diese aufeinander abgestimmt werden können,
wird von den Beratenden ebenfalls
geprüft. „Während der kurzen Zeit des
Bestehens erfahren wir eine rapide
Zunahme von Anfragen und Aufträgen.“, so Kathrin Roßberg, die mit
ihrem Kollegen Helmut Oldewurtel
den Bereich aufbaut und führt.
Vielfältig sind die Dienste des
Beratungsduos. Auch Anträge von
Klienten und Kliententinnen werden
mit ihnen gemeinsam formuliert. In
sensiblen Fällen wie etwa Widerspruch
bei Ablehnung einer Kostenübernahme
wird fachkundig unterstützt. Dies
erfolgt nach Rücksprache mit Fachspezialisten/innen und sobald die rechtlichen Voraussetzungen geklärt sind.
Regelmäßige Sprechzeiten gibt es
zudem in der psychosomatischen
Klinik, der psychiatrischen Tagesklinik
und in der Klinik für Psychiatrie.
Beratungen können in Gruppen- und
Einzelgesprächen stattfinden.
„Behörden fragen verstärkt bei uns an“,
berichtet Helmut Oldewurtel. Vernetzung, fachlicher Austausch zu
Einrichtungen und Diensten, Vermittlung zu Hilfeplanern und Leistungsträgern sowie Ärzten/innen – das fachliche Spektrum entspricht vielen Zielgruppen.
Ergebnis einer Beratung kann auch
Fortbildung sein. Als Gruppenangebot
wurde mit dem Integrationsfachdienst
gemeinsam Qualifizierung von 1-EuroJobbern angeboten und durchgeführt.
Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen, GSK, ist nachhaltig erfolgreich.
Mittlerweile wird diese Qualifizierung
für andere Träger geplant und umgesetzt.
Die Unterstützung aus Beratung &
Information schafft Verbindung und
Übersicht. Das wissen die Kollegen/innen der Einrichtungen und Dienste
der Brücke SH im Kreis Herzogtum
Lauenburg ebenfalls sehr zu schätzen.
Seien es Anfragen über Kostenzusagen
oder -ablehnungen, zur Koordination
von Leistungen, zu möglichen Neuentwicklungen von Angeboten … bei
Kathrin Roßberg und Helmut Oldewurtel verbinden sich die Einzelteile
und Teilchen zu einem tragenden gesamten Netzwerk.
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Beratung & Information
– und so erreichen Sie uns:
in Kiel
Muhliusstraße 84 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 06-98
in Neumünster
Schützenstraße 44 _ 24534 Neumünster
Ruf (0 43 21) 7 07 97-10
im Kreis Dithmarschen
Poststraße 5 _ 25746 Heide
Ruf (04 81) 42 15 29-0
im Kreis Herzogtum Lauenburg
Grabauer Straße 10 _ 21493 Schwarzenbek
Ruf (0 41 51) 89 89-16/-17
im Kreis Nordfriesland
Brinckmannstraße 11 _ 25813 Husum
Ruf (0 48 41) 8 26 06
im Kreis Pinneberg
Berliner Straße 20 _ 25336 Elmshorn
Ruf (0 41 21) 4 75 61-15
im Kreis Plön
Wakendorfer Straße 16 _ 24211 Preetz
Ruf (0 43 42) 3 09 08-0
im Kreis Schleswig-Flensburg
Lutherstraße 2 a _ 24837 Schleswig
Ruf (0 46 21) 98 84 04
im Kreis Steinburg
Wilhelm-Biel-Straße 5 _ 25524 Itzehoe
Ruf (0 48 21) 67 91-11
23
Wohnen &
Leben
Förderung in kleinsten Schritten:
Leben im Wohnhaus
Die Wohnhäuser der Brücke SH bieten Menschen mit hohem Hilfebedarf vollstationäre
Betreuung mit allen Möglichkeiten des Lebens mitten in der Gesellschaft. Der vollstationäre
Rahmen bedeutet längst nicht mehr, in einem Heim zu leben oder leben zu müssen:
Die individuelle Entwicklung, die Freiräume der Betreuten sind zentrale Themen der
Förderung. Unsere alltägliche Arbeit – mit immer neuen Herausforderungen.
Volljährige Männer und Frauen mit
schweren psychischen Beeinträchtigungen können schon seit vielen Jahren Hilfeleistungen in unseren Wohnhäusern in Anspruch nehmen – ein Angebot, das in der Bandbreite der
sozialpsychiatrischen Leistungen der
Brücke SH seine unbestrittene Berechtigung hat. Eine intensive Form der
Begleitung im Tageslauf, die gemeindenahe Begleitung auch der Menschen,
deren Erkrankung Förderung in kleinsten Schritten notwendig macht.
Gelebte Praxis.
Zugleich sind die Mitarbeiter/innen vor
neue Anforderungen gestellt. Der
24
Grundsatz, Menschen mit besonderen
Hilfebedarfen nicht auszuschließen,
und die finanzielle Anforderung,
Spezialeinrichtungen zu begrenzen,
umrahmen eine Entwicklung, in der
immer mehr Menschen mit verändert
komplexen Hilfebedarfen in den
Wohnhäusern betreut werden.
In erster Linie kommt es aufgrund der
deutlich reduzierten Behandlungszeiten in der klinischen Psychiatrie zu
erhöhten Anforderungen an die Wohnhäuser, Menschen mit einem hohen
Hilfebedarf zu versorgen, die deutliche
Krankheitssymptome haben und deren
Eingliederung ist das System Wohn-
haus sehr aufwendig ist. Außerdem
werden in den Wohnhäusern der
Brücke SH in den vergangenen Jahren
auch verstärkt Menschen betreut, die –
zusätzlich zu ihrem psychiatrischen
Hilfebedarf – weitere Unterstützung
benötigen: Frauen, selten Männer, mit
Kindern, Schwangere, Menschen mit
Drogenproblemen, Menschen mit
somatischen Erkrankungen oder
Personen aus dem Strafvollzug.
Die Brücke SH hat sich zum Ziel
gesetzt, Menschen mit psychischen
Beeinträchtigungen Hilfestellung zur
Lösung ihrer Probleme und ihrer
Lebenssituation anzubieten – also auch
Menschen mit mehrfachen Problemen.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Wohnen &
Leben
Zahlen – Daten – Fakten
Dies geschieht in der Regel selbstverständlich und ohne viel Aufsehen. So
versuchen wir, die besonderen Bedürfnisse von schwangeren Frauen in
ihrer sehr speziellen Lebenssituation zu
erkennen und dem Bedarf zu begegnen. Ebenso arbeiten wir daran – auch
unter Einbeziehung anderer, gegebenenfalls externer Dienste – die Ersatzbehandlung von Drogenabhängigen zu
sichern. Und wir bemühen uns, chronisch erkrankten Menschen eine ihrer
individuellen Situation angepasste
Lebensform mit Unterstützung zu
ermöglichen.
Wie zum Beispiel Elke Dehn1, die seit
Jahren chronisch psychisch erkrankt ist
und eine regelmäßige Begleitung im
vollstationären Rahmen benötigt.
Kontinuierliche Förderung machte es
möglich, dass sie eine in unmittelbarer
Nähe des Wohnhauses gelegene, zum
Equipment der Einrichtung gehörende
1
Außenwohnung beziehen konnte. Ein
wichtiger Schritt nach draußen, intensives Training von Selbständigkeit. Ein
Stück ganz normalen Lebens. Mit feingliedrig organisierter Begleitung drumherum: Mieter der Wohnung ist die
Brücke SH, Heizkostenabrechnungen
und Reparaturen an der Heizung oder
der Waschmaschine werden durch die
Bezugsbetreuer/innen organisiert, die
Wäsche wird vom Wohnhaus gewaschen und die täglichen Mahlzeiten
und die Medikamenteneinnahme werden durch Mitarbeiter/innen des
Wohnhauses organisiert. Neben der
benannten Einzelwohnung gibt es weitere Einzelwohnungen sowie eine
Wohngemeinschaft für zwei Personen
für noch andere ganz eigene Lebenswege. Dass die Betreuung durch die
Bezugsbetreuer/innen kontinuierlich
fortgesetzt wird und bei Bedarf die
Rückkehr in das Wohnhaus stets möglich ist, versteht sich hierbei von selbst.
Die Brücke SH hält sieben Wohnhäuser für erwachsene, psychisch
kranke Menschen ohne Suchtproblematik vor. Diese befinden sich
in sechs Landkreisen oder kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins.
Am 1.1.2006 wurden 210 Menschen
in den Wohnhäusern betreut, 107
Frauen und 103 Männer. Das Durchschnittsalter betrug 42 Jahre. Rund
die Hälfte der Bewohner/innen kam
direkt aus einer psychiatrischen
Klinik in die Betreuung durch das
Wohnhaus. Eine weitere große
Personengruppe ist aus anderen
Einrichtungen in die Wohnhäuser der
Brücke SH gezogen.
Die meisten Bewohner und Bewohnerinnen leben seit rund fünf Jahren
in einem Wohnhaus der Brücke SH.
Im Jahre 2005 verließen insgesamt
44 Frauen und Männer die Wohnhäuser. 16 % sind in eine teilstationäre Betreuung gewechselt, einige
sind auch ohne weiteren Betreuungsbedarf entlassen worden.
Das Durchschnittsalter der Bewohner/innen betrug am 1.1.2006
42 Jahre. Der Großteil erkrankte
im jungen Erwachsenenalter (Mitte/
Anfang 20), folglich beträgt die
Erkrankungsdauer der Bewohner
und Bewohnerinnen im Schnitt 20
Jahre. Bei den Diagnosen überwiegt
mit 54 % die Schizophrenie, weitere
16 % haben eine schizoaffektive
Erkrankung. 40 % der Betroffenen
haben neben der Hauptdiagnose
noch eine Zweitdiagnose.
Name von der Redaktion geändert.
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
25
Wohnen &
Leben
Leben mit Schizophrenie –
Hoffnung für Langzeitkranke
Wohnortnahe Betreuung ist eine Qualität: Seit 20 Jahren werden im Kreis Dithmarschen
Menschen, die an einer Psychose erkrankt sind – überwiegend an einer Schizophrenie –
vor Ort versorgt.
1986 – endlich: Durch Aufbau sozialpsychiatrischer Versorgungsangebote
können Menschen mit psychischer Erkrankung dort leben, wo sie zu Hause
sind. Möglich wird dies durch betreute
Wohngruppen mit hoher Selbstversorgung. Bei weiterem Versorgungsbedarf wird auf vollstationäre
Zahlen – Daten – Fakten
Am Stichtag 1. Januar 2006 wurden
in den Einrichtungen der Brücke SH
434 Menschen mit der Hauptdiagnose
Schizophrenie betreut.
Weitere 110 Menschen haben eine
schizoaffektive Erkrankung. Insgesamt
sind dies 41 % der am 1. Januar
Anwesenden. 145 Betroffene mit einer
Erkrankung aus dem schizophrenen
Formenkreis haben zusätzlich noch
eine 2. Diagnose (27 %). Männer
und Frauen sind gleich häufig vertreten. Das Durchschnittsalter beträgt
42 Jahre.
362 (67 %) der an Schizophrenie
erkrankten Menschen sind schon
länger als 10 Jahre erkrankt, die
mittlere Erkrankungsdauer aller
schizophrenen Betreuten beträgt
mehr als 16 Jahre. 23 % der AngebotNutzenden sind erst seit einem Jahr
in Betreuung durch die Brücke SH.
Da die Erkrankung oft chronisch
verläuft, benötigen die Betroffenen oft
längerfristige Betreuung. 12 % nutzen
seit mehr als 10 Jahren Angebote der
Brücke SH.
26
umfassende Betreuung in ersten kleinen sozialpsychiatrischen Wohnheimen (30 Plätze) zurückgegriffen.
Alle sind gut zugänglich in Wohngebieten gelegen.
Bald entstehen Außenwohngruppen als
Satelliten des Wohnheims. Denn viele
Menschen können und wollen trotz
vollstationären Hilfebedarfs in den
eigenen vier Wänden leben. Für jene,
die im privaten Haushalt wohnen können, entsteht das Angebot der ambulanten Betreuung.
Sozialpsychiatrisch ausgerichtet gestaltet die Brücke SH von Anfang an die
Versorgungslandschaft mit. Landesweit werden in den Regionen, in denen
es Brücke SH-Wohnangebote gibt,
Wohnverbünde gebildet. Diese garantieren eine enge Vernetzung von unterschiedlichen Betreuungsdichten. So
sind Menschen, die erkranken oder
deren Krankheitszustand sich verschlechtert, in notwendiger Weise und
mit individueller Hilfe versorgt und
können im eigenen Umfeld leben. Der
personenorientrierte Ansatz etabliert
sich.
Langzeiterkrankung und chronischer
Verlauf sind bei Psychosen trotz guter
Behandlung und Betreuung nicht ausgeschlossen – ca. ein Drittel an
Psychose erkrankter Frauen und
Männer leiden an den Symptomen der
Chronifizierung. Langzeitbereiche in
Fachkliniken und damit wohnortferne
Unterbringung waren viele Jahre die
gängige Versorgungsform.
2000 – endlich: Das Wohnhaus „Haus
Gezeiten“ der Brücke SH im Kreis
Dithmarschen wird eingeweiht. 24
Menschen leben hier. Frauen und
Männer, die an einer Psychose erkrankt
sind und deren Krankheitsverlauf
intensivere Betreuung erforderlich
macht. Besuchenden gefällt die großzügige Raumgestaltung des Hauses.
Mit Geschick sind die Räume geplant.
Die Privaträume haben alle eigene
Badezimmer. Erforderliche Pflegeleistungen werden im Wohnhaus selbst
erbracht. Wichtigster Bestandteil in der
Betreuung ist die hohe Präsenz der
Mitarbeiter/innen. Sie sind jederzeit
ansprechbar und können auf erhöhten
Hilfebedarf sofort reagieren. Das Team
der Mitarbeiter/innen ist flexibel auf
die jeweiligen Befindlichkeiten der
Bewohner/innen eingestellt.
Das Gesamtkonzept berücksichtigt
fachliche Nähe zum Krankenhaus.
Entsprechend liegt „Haus Gezeiten“
auf dem Krankenhausgelände. So kann
fachärztliche Behandlung bei intensi-
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Wohnen &
Leben
Was-ist-das?
Psychose schwere psychische Störung,
zeitweilig weitgehender Verlust des Realitätsbezugs. Erkrankte erleben ihre
Umwelt als verändert. Im Akutstadium
keine Krankheitseinsicht möglich. Auffällige Symptome: Wahn, Halluzinationen.
Schizophrenie endogene (von innen
kommend) Psychose. Störungen und
vem Behandlungsbedarf und in Krisen
im Wohnhaus durchgeführt werden.
Enge Zusammenarbeit mit der Institutsambulanz der Psychiatrischen
Klinik ist möglich.
Die Stadtrandlage bietet den Vorteil des
verkehrsgeschützten Wohnens. Die
Innenstadt ist zu Fuß oder mit dem
Fahrrad gut zu erreichen. Einkaufsbummel und Ausflüge werden bei
Bedarf vom Personal unterstützt.
„Haus Gezeiten“ ist zu Recht ein
Wohnhaus mit Hoffnung für Langzeiterkrankte: Bei sechs Bewohner/innen stabilisierten sich die Krankheitsverläufe in den letzten sechs
Jahren. Sie wechselten in offenere und
weniger eng betreute Wohnformen.
Für den gesamten Wohnverbund im
Kreis Dithmarschen von großer
Bedeutung: Aus dem Haus Gezeiten
kommt aktive Nutzer/innen-Beteiligung. Eine Bewohnerin ist Mitglied
des Wohnverbundbeirates, der auch die
Funktion des Heimbeirates ausfüllt.
Zwei Bewohnerinnen konnten im Jahr
2006 an einer extern stattfindenden
Pegasusgruppe1 teilnehmen.
Für chronisch erkrankte Männer und
Frauen, die nicht mehr eine Werkstatt
für psychisch behinderte Menschen
besuchen können, ist ein Arbeitsbereich eingerichtet. Montage-Tätigkeiten, Fahrradreparatur und Gartenarbeit bieten Tagesstruktur und Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Dieser Bereich entwikkelt sich je nach Ressourcen der Teilnehmenden und ist für den gesamten
Wohnverbund da.
Veränderungen des Denkens, Fühlens,
Handelns und des Ich-Erlebens.
Vertraute Dinge, Personen werden
unheimlich. Veränderungen flößen
Betroffenen meist Angst ein. Rückzug
und Misstrauen sind die Folgen. Selbst
Menschen aus engstem Umfeld werden
als Feindbilder gesehen.
Schizoaffektive Störung psychische
Störung, vereint Symptome der Schizophrenie und manisch-depressiver
Störung (bipolare affektive Störung):
Sport, soziale Kontakte, Freizeitgestaltung – für nicht Erkrankte kaum
vorstellbar, wie anstrengend es für
Menschen mit einer (psychischen)
Erkrankung sein kann, da mitzuhalten.
Teilhabe und Integration für erkrankte
und behinderte Menschen gemeindenah zu erleben, soll nicht überfordern.
Der Beirat des Wohnverbundes in
Heide bietet Alternativen mit größtenteils selbst organisierter Freizeitgestaltung: Filmabende, Disko, Klönnachmittage, Internetcafé und Spielabende.
Angebote, die gern genutzt werden und
die Hoffnung machen.
Depression oder Manie und Wahn oder
Halluzinationen.
Psychoedukative Gruppenarbeit
Schulung von Menschen mit psychischen Störungen. Ziel ist, die Krankheit
besser verstehen, besser mit ihr umgehen zu können. Persönliche Erfahrungen
mit der eigenen Erkrankung werden mit
gegenwärtigem Wissen über die Erkrankung verbunden. Eigene Ressourcen
und Möglichkeiten werden aufgeführt,
um mögliche Rückfälle zu vermeiden und
selbst langfristig zur eigenen Gesundheit
beizutragen.
Trägt auch zur Entstigmatisierung
(Auflösen von Vorurteilen) psychischer
Störungen bei. Hilft Barrieren zum Aufsuchen einer Behandlung abzubauen.
Einblick in Ursachen und Wirkungen der
Brücke SH
Wohnhaus Haus Gezeiten
Hochfelder Weg 56 i _ 25746 Heide
Ruf (04 81) 7 86 11-0
eigenen Krankheit sowie der geschärfte
Blick für Zusammenhänge wirken sich
häufig positiv auf die Behandlung und
den weiteren Verlauf der Krankheit bei
den Patienten und Patientinnen aus.
1
Psychoedukative Gruppenarbeit mit schizophren und schizoaffektiv erkrankten Menschen
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
27
Wohnen &
Leben
„Ziele und Struktur haben mir geholfen“
1997 hat Ingo Arnaschus seine erste depressive Episode. Er konnte damit nichts anfangen,
zumal er „aus eigener Kraft wieder herausgekommen“ ist. Er ging nicht zur Arbeit, verlor seinen Job – doch die Symptome nahm er nicht ernst.
Ingo Arnaschus fand eine neue Arbeitsstelle. Er nahm sein gewohntes Leben
wieder auf. Starke Belastungen in
Beruf und Privatleben ließen ihn 1999
tief in eine Depression rutschen.
Wieder verlor er seinen Job, weil er
nicht zur Arbeit ging. Dieses Mal konnte er auch anderen Dingen nicht mehr
nachgehen. „Ich lebte in den Tag hinein“, sagt er heute. Eine Tante regte
schließlich gesetzliche Betreuung für
ihn an. Seine finanziellen Verpflichtungen vernachlässigte er bereits, jede
Hilfe lehnte er ab.
Im Rückblick schildert er …
Herr Arnaschus, was war damals los?
Ich war damals total uneinsichtig. Ich
konnte Hilfsangebote nicht annehmen,
da ich nicht erkannte, dass ich welche
benötige. Meine gesetzliche Betreuerin
sorgte schließlich dafür, dass ich in der
Psychiatrie im Westküstenklinikum in
Heide aufgenommen wurde. Aber auch
da konnte ich keinen Hilfebedarf für
mich erkennen. Bin mehrmals weggelaufen.
Hat sich das irgendwann geändert?
Mir wurde gedroht, mich im Wiederholungsfall geschlossen unterzubringen. Da hat sich bei mir der
Schalter umgelegt. Mir wurde klar: Du
musst was tun, um wieder auf die Beine
zu kommen. Nach neun Monaten Behandlungsdauer wurde ich schließlich
entlassen und kam ins Haus Gezeiten.
28
Haus Gezeiten, das Wohnhaus für
chronisch psychisch erkrankte
Menschen …
… ja, und wieder hatte ich das Gefühl,
gleich nach dem Klinikaufenthalt, ganz
gesund zu sein. Ich wollte in eine eigene Wohnung ziehen. Die Ärzte, meine
gesetzliche Betreuerin und die Leiterin
vom Haus Gezeiten haben mich dann
überzeugt, dass es notwendig ist, im
Wohnhaus betreut zu werden.“
Etwa drei Jahre wurden Sie im Haus
Gezeiten betreut. Wie sehen Sie diese
Zeit heute?
Erst konnte ich mich nicht so recht auf
die Betreuung dort einlassen. Letztlich
war dieser Schritt aber notwendig für
mich. So konnte ich langsam wieder
eine Tagesstruktur aufbauen. Richtig
bergauf ging es, als ich im Februar
2003 in der Werkstatt Neuwerk anfing
zu arbeiten. Das hat mir einen Schubs
gegeben. Im Oktober 2003 bezog ich
dann eine kleine Wohnung in Heide
und wurde dort intensiv weiter betreut.
Seit einem Jahr wohnen Sie in Ihrer
eigenen Wohnung und werden ambulant betreut. Ein positiver Verlauf …
… letztendlich schon. Doch musste ich
auch Rückschläge wegstecken. 2004
hatte ich eine schwere Darmentzündung, zudem wurde bei mir ein
Nierenkrebs diagnostiziert. Dadurch
wurde ich über ein Jahr aus meinem
neuen Leben gezogen. Wieder konnte
ich nicht arbeiten, musste viel liegen
und wurde noch zweimal operiert. Eine
Zeit lang habe ich mich wieder richtig
gehen lassen. Wieder in den Tag hinein
gelebt. Schließlich habe ich mich sehr
zusammengerissen, um nicht zu versanden. Dann habe ich erneut Schritt
für Schritt angefangen zu arbeiten, erst
in der Arbeitstherapie, dann für ein paar
Stunden täglich in der Werkstatt.
Wie geht es Ihnen heute?
Mir geht’s gut! Mit meiner psychischen
Gesundheit bin ich schon über einen
langen Zeitraum stabil. Ich arbeite
Vollzeit im Neuwerk. Jetzt plane ich,
ein Praktikum in einem Baumarkt zu
machen. Vielleicht schaffe ich es
irgendwann wieder, in meinem alten
Beruf als Einzelhandelskaufmann zu
arbeiten.
Was hat Ihnen während Ihrer Krankheitsgeschichte am meisten geholfen?
Ich hatte von Anfang an das Ziel:
Irgendwann lebst du wieder in einer
eigenen Wohnung. Und du arbeitest
wieder in deinem alten Job. Diese
Hoffnung ist mein Antrieb.
Und es war wichtig für mich, zu der
Einsicht zu gelangen, dass ich krank
bin und Hilfe benötige. Dabei haben
mir meine Betreuer sehr geholfen. In
der Zeit, als es mir noch nicht so gut
ging, hat mir zudem der Aufbau einer
Tagesstruktur geholfen. So konnte ich
nicht mehr in den Tag hinein leben und
musste in die Hufe kommen.
Vielen Dank für Ihre Schilderungen –
und weiterhin so viel Kraft!
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Wohnen &
Leben
Günstige Lebensumfelder schaffen –
von Kindesbeinen an
Sozialpädagogische Familienhilfe, Familienhebammen, psychosoziale Betreuung in Kooperation mit
Jobcentern – die Angebote der Ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Kiel sind vielfältig.
Die Brücke SH-Statistik belegt: Im
Durchschnitt findet eine psychische
Ersterkrankung mit 17 Jahren statt –
das ist sehr jung. Vier bis zehn Jahre
später hat ein junger Mensch unter
Umständen bereits bis zu 21 Monate
seines Lebens in stationärer psychiatrischer Behandlung verbracht – das ist
viel.
Mit zielgruppenorientierten Konzepten
bietet ein ambulantes Team in Kiel
Familien, Kindern und Jugendlichen
umfassende Unterstützung. Frühzeitig,
bereits während einer Schwangerschaft, können psychisch belastete
Menschen auf Hilfe der speziell ausgebildeten Hebammen zurückgreifen.
Nach der Geburt werden Kind und
Eltern im Alltag bis zu einem Jahr
weiterhin von der Hebamme begleitet.
Die betreuenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ambulanten Kinder-,
Jugend- und Familienhilfe sind einbezogen. Bei Bedarf könnte durch sie
frühzeitige weitere Hilfe erfolgen. Das
Konzept beinhaltet die Verzahnung von
Angeboten gemäß SGB1 V, SGB VIII
und SGB XII. Ziel des ambulanten
Brücke SH-Teams ist, Kindern möglichst von Anfang an ein Lebensumfeld
zu gewährleisten, in dem ihre indivi1
duelle Entwicklung gefördert wird. Der
Erfolg hiervon ist groß, so dass seit Mai
2006 nach diesem Konzept das Jugendhilfeangebot im Kreis Plön ausgeweitet wird.
Die Gründung der heutigen Ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe
entstand aus der Not. 1996 bat die Stadt
Kiel um Unterstützung: Kein bekannter
Hilfeanbieter war erfolgreich in der
Lage, ein Mädchen zu betreuen, das auf
der Straße lebte. Ein Teamkollege aus
dem Jugendwohnhaus Lornsenstraße
wurde für das Mädchen freigestellt.
Die Ambulanten Hilfen waren geboren.
Weitere Jugendliche folgten, gerade bei
ihnen ist die Resonanz auf diese Form
der Nachbetreuung groß. Kontinuierliche qualitative Weiterentwicklung,
zum Beispiel durch sozialpädagogische Familienhilfe, therapeutische
Gruppenangebote und Elternkurse sorgen für große Nachfrage.
Und das Betreuungsangebot wächst
weiter. Die psychosoziale Betreuung
von Menschen, die ALG II erhalten,
startete im Oktober 2006. Ziel ist, ihnen
die Integration in den Arbeitsmarkt zu
erleichtern. Klärung und Stabilisierung
der persönlichen Lebenssituation, Ab-
bau oder Milderung vorliegender Vermittlungshemmnisse sind dabei vorgesehen. Dieses Projekt findet in Kooperation mit den Jobcentern statt.
Brücke SH
Ambulante Kinder-,
Jugend- und Familienhilfe
Kaiserstraße 79 _ 24143 Kiel
Ruf (04 31) 3 00 30 07
Zahlen – Daten – Fakten
Von den jungen Menschen, die die
Ambulante Kinder-, Jugend- und
Familienhilfe am 1.1.2005 nutzten, sind
die Frauen im Durchschnitt 23 Jahre,
die Männer 27 Jahre alt. Das Alter der
Ersterkrankung ist mit 17 Jahren sehr
jung. Vor Aufnahme in die Betreuung
durch die Brücke SH sind die Betroffenen bereits im Durchschnitt 7 % ihrer
Lebenszeit, 21 Monate, in stationärer
Behandlung gewesen.
Bei den Krankheitsbildern überwiegen
bei den ambulant betreuten jungen
Menschen mit 24 % Schizophrenien,
mit 18 % sind Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen häufig vertreten.
Hinsichtlich der Kinderzahl unterscheiden sich die beiden Gruppen der
ambulant betreuten Betroffenen kaum.
Von 33 Frauen und Männern bei der
Ambulanten Kinder-, Jugend- und
Familienhilfe haben 10 Menschen, 30 %,
ein oder mehrere Kind(er). Gleiches gilt
für Klienten und Klientinnen anderer
Einrichtungen.
Sozialgesetzbuch; SGB V: Gesetzl. Krankenversicherung; SGB VIII: Kinder- u. Jugendhilfegesetz; SGB XII: Sozialhilfe
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
29
Freizeit &
Kontakt
Experten in eigener Sache
Beratung von Betroffenen für Betroffene
Seit Juli 2005 ist die Beratungsstelle
Empowerment mit einer Betroffenen
für Betroffene in Itzehoe besetzt. Ein
Novum.
Das Angebot richtet sich an Menschen
mit psychischen und sozialen Beeinträchtigungen und Behinderungen. Der
Erfolg der Beratungsform liegt in der
offen gemachten Betroffenheit der
Berater und Beraterinnen.
Voraussetzung für die Beratenden ist
die Akzeptanz der eigenen Betroffenheit und der persönlichen Erfahrung.
Die persönliche Geschichte muss bearbeitet sein, nur so ist der Abstand zu
den eigenen Erlebnissen und Erfahrungen gegeben. Im Mittelpunkt der
Was-ist-das?
Empowerment _ Englisch
: Ermächtigung oder Bevollmächtigung.
Deutsch auch im Sinne von Selbstbefähigung genutzt.
Mitwirkungsmöglichkeit, Strategien
und Maßnahmen, die geeignet sind,
das Maß an Selbstbestimmung und
Autonomie im Leben der Menschen
zu erhöhen. Ziel ist, eigene Belange
– wieder – eigenmächtig, selbstverantwortet und selbstbestimmt zu
vertreten und zu gestalten.
Empowerment meint sowohl den
Prozess der Selbstbemächtigung
wie auch professionelle Unterstützung der Menschen, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen
wahrzunehmen und zu nutzen.
Peer-Counseling _ Englisch
: peer _ Gleichgestellte/r
: counseling _ beraten, empfehlen
Beratungsmethode von Betroffenen
für Betroffene.
30
Beratung stehen die betroffenen Menschen selbst. Die
eigenen Erfahrungen fließen
als Erfahrungswissen in die
Gespräche ein.
So wird es Ratsuchenden
leichter, über Schwierigkeiten
und Ängste zu sprechen. Gemeinsame Erfahrungen werden ausgetauscht. Das schafft
eine andere Form des Vertrauens. Der Weg der Vertrauensbildung kann dadurch kürzer sein. Erlebte
Ängste, Sorgen und Wünsche lassen
sich freier schildern.
Peer-Berater/innen haben ihre eigenen
Schwierigkeiten überwunden. Sie bieten gelebte Beispiele für ein Leben
nach der Krise. Und wie es sich trotz
und mit psychischer Erkrankung lebt.
In der Beratung geht es um …
… die Stärkung des Selbstwertgefühls.
Die Rückgewinnung oder die Gewinnung von Stärke, Kraft, Selbstvertrauen
und Mut. Notwendigkeiten, um ein
selbst–bestimmtes Leben zu führen.
… die Hilfe zur Selbsthilfe. In der
Selbsthilfegruppe „Lichtblick“ arbeiten
die Teilnehmenden an individuellen
Erste-Hilfe-Taschen für die Seele. Ein
Versuch, die Eindrücke zu verstehen,
die Spuren in den Seelen hinterlassen
haben …
… um die Tipps und Tricks, wie mit den
eigenen Schwierigkeiten besser klar zu
kommen ist. Etwa, die Stolpersteine auf
dem Lebensweg zu erkennen und mit
ihnen bewusst umzugehen. Das führt
auch durch schwierige Lebenssituationen
hindurch – und lehrt, mit Niederlagen und
persönlichem Scheitern umzugehen.
… Einzelgespräche bei verschiedensten Problemen. Wie gehe ich mit
Medikamenten um? Meine Zukunftsplanung, was ist mir wichtig?
Es geht um die Entwicklung eines gestärkten Vertrauens in die eigenen
Fähigkeiten. Auch die Fähigkeit, Hilfe
bewusst in Anspruch zu nehmen, will
gelernt sein.
Peer-Counseling hilft, die eigenen
Wünsche und den eigenen Bedarf zu
erkennen und selbstbewusst an der
Erfüllung zu arbeiten. Ratsuchende
erfahren tatkräftige und unterstützende
Förderung ihrer eigenen Lebenswege.
Brücke SH
Beratung von Betroffenen für Betroffene
Bahnhofstraße 17 _ 25524 Itzehoe
Ruf (0 48 21) 67 91-26
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Freizeit &
Kontakt
Soziale Kontakte: 0,7 für Husum!
Das klingt fast nach Eiskunstlauf. Mit ernster Miene halten die Experten der Jury Täfelchen
in die Luft, und selbst wenn die Sportlerin, der Sportler noch so gut war – sind andere besser, dann hat’s nicht gereicht. Fragt sich: Warum war ich nicht ganz vorne? Und: Was hat all
das mit Husum zu tun?
Mehr als gedacht. Auch die Wohngruppen sowie die ambulante Betreuung werden bewertet, wenn auch nicht
über Plastiktäfelchen. Und die Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen tanzen
nicht auf dem Eis, sondern werden
nach ihrer Meinung über die Einrichtung befragt.
Die Jury besteht also aus denen, die es
am besten wissen: Aus den Menschen
vor Ort. Befragt wird aber nicht nur
Husum, sondern alle Einrichtungen der
Brücke SH, wie noch viele gemeindenahe psychiatrische Angebote zahlreicher anderer Träger. Ein großer Vorteil:
Die Angebote werden vergleichbar.
Diese Methode des Bewertens und
Vergleichens heißt Benchmarking.
knappen Eins Minus und zeigt den
Mittelwert aller Einrichtungen an, die
an der Befragung teilnehmen. Man
sieht: Im Vergleich sind andere ein
wenig besser. Und das spornt an.
2005. Das nächste Benchmarking. Mit
einem Ergebnis, das stolz macht: 0,7 zu
1,7. Der Schnitt liegt bei einer guten
Zwei – aber die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer verleihen ihren Einrichtungen in Husum eine Eins Plus!
Das Verfahren ist kein Selbstzweck, es
nutzt vor allem den Menschen in den
Einrichtungen. Und hier sind wir wieder in Husum. Beispiel: Das Benchmarking 2003. Eines der Ergebnisse, in
Noten umgerechnet: 1,7 gegenüber 1,5
in der Frage „Wie zufrieden sind Sie
mit den Kontaktmöglichkeiten zu
anderen Nutzern und Nutzerinnen?“
Wie war das möglich? Dank Benchmarking – und dem offenen Dialog
zwischen denen, die in den Einrichtungen arbeiten und denen, die dort
leben. Wieder mit jenen im Mittelpunkt, die es am besten wissen: den
Menschen, die die Angebote nutzen.
Intensiv setzt man sich auseinander,
über alle Anregungen wird lebhaft diskutiert, sie werden geprüft und das mit
Erfolg. Viele Vorschläge werden umgesetzt. Wie etwa gemeinsame Ausflüge
und Aktivitäten in Form von Gruppenangeboten. Das führt Menschen aus
verschiedenen Einrichtungen zusammen. Und so entstehen Freundschaften.
Die geheimnisvollen Zahlen drücken
eine Menge aus. Die erste Zahl – 1,7 –
ist die Benotung der Einrichtung selbst.
Also eine Zwei Plus. Und die zweite
Note, die 1,5? Sie entspricht einer
Brücke SH
Ambulante Hilfen _ Wohngruppen
Brinckmannstraße 11 _ 25813 Husum
Ruf (0 48 41) 8 26 06
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Was-ist-das?
Benchmarking _ bedeutet das systematische und organisierte Suchen
nach besseren Lösungen durch den
Vergleich von Dienstleistungen,
Produkten, Prozessen und Methoden
mit den Wettbewerbern.
Die Brücke SH führt seit 1997 alle zwei
Jahre Benchmarking-Befragungen
durch. Mit Hilfe von Fragebögen wird
von Klienten/innen ihre Zufriedenheit
mit Angeboten und Einrichtungen
gemessen, von Mitarbeiter/innen
deren Zufriedenheit mit Arbeitsbedingungen. Bewertet wird auf einer
Skala von null bis fünf. 12 weitere
Organisationen mit gemeindepsychiatrischen Angeboten führen intern
diese anonymen Befragungen durch.
Die Ergebnisse aller Beteiligten werden
über Statistik miteinander verglichen.
Ziel des Benchmarking ist, die Qualität in den Einrichtungen zu verbessern.
Gute Qualität und gute Arbeit hängen
direkt mit der Zufriedenheit und der
Beteiligung aller, sowohl der Klienten/innen als auch der Mitarbeiter/innen
zusammen. Durch den Vergleich mit
den anderen teilnehmenden Organisationen und durch gegenseitiges
voneinander Lernen sollen die
Angebote und sozialen Dienstleistungen
kontinuierlich verbessert werden.
Die regelmäßige Durchführung der
Befragung ermöglicht zudem die
Überprüfung der Entwicklungen in
den Einrichtungen im Laufe der
Jahre.
31
Freizeit &
Kontakt
Stellungnahmen von
Sylta Lankenau,
Mitglied des Heimbeirates des
Wohnhauses Husum
„Nachdem wir die Tabellen verglichen und festgestellt hatten, dass
wir uns bis auf einen Punkt verbessert hatten, sammelten wir Themen
auf dem Marktplatz der Ideen:
Küche, Freizeit, Integration, Drogen,
Alkohol, das Miteinander von Bezugsbetreuer/innen und Bewohner/innen.
Einiges ist auch schon umgesetzt
worden. […] Es werden noch
Freizeitangebote folgen, da bin ich
mir sicher.
[…]
Die Freizeitangebote sind sehr
vielseitig.
Wir sind mit der Frauengruppe in
den Barockgarten in Schleswig,
Schloss Gottorf, gefahren, wo wir
sehen konnten, dass mit viel Arbeit
und Liebe zum Detail gearbeitet
worden ist. Es war ein wunderschöner Ausflug.
Ein anderes Mal sind wir zu den
Karl-May-Festspielen nach Bad
Segeberg gefahren. Das war ein
beeindruckender Nachmittag.
An einem Samstag sind wir mit 15
Personen einen ganzen Tag lang auf
Sylt gewesen – ein traumhafter Tag!
Sonne pur, und wir waren im
Aquarium. Ein Super-Erlebnis; die
ganze Vielfalt der Meeresbewohner
war reizvoll anzusehen. Im Anschluss
daran waren wir einige Stunden am
Strand, wo wir uns teilweise einen
Sonnenbrand geholt haben. Von
diesem Tag werden wir noch lange
zehren.
Überhaupt werden die Freizeitangebote
nach den Wünschen der Bewohner
ausgerichtet. Die Beispiele waren
nur einige von vielen.“
32
Marktplatz der Ideen
Über die Jahre ist aus dem Verfahren, wie die Auswertung
der Benchmarking-Ergebnisse im Wohnhaus Husum erfolgt,
bereits eine Tradition geworden: Die Teamleiterin des
Wohnhauses lädt Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen ein,
gemeinsam einen Marktplatz der Ideen zu gestalten.
So entsteht Raum für Austausch, für
regen Handel mit Möglichkeiten. Alle
sitzen zusammen, die Mitarbeiter/innen
schreiben Ideen auf, die in der großen
Runde von den Bewohner/innen vorgetragen werden, Gespräche darüber entwickeln sich. Eine bunte Vielfalt von
Gedanken, Möglichkeiten und Wünschen bildet schließlich den gemeinsamen Platz, von dem aus weitergegangen wird.
Wohnhaus ausgehängt. Hier sind alle
besprochenen Aktivitäten festgehalten.
Interessierte in der Einrichtung können
sich über das aktuelle Angebot wie
Tagesausflüge, Besuche im Schwimmbad oder in der Bücherei informieren.
Auf Workshops und in kleinen
Gruppen geht das Diskutieren voran.
Rauchende Köpfe – schließlich konkrete Ideen und Vorschläge. Erneut
werden die Ergebnisse mit allen
besprochen. Die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner stehen dabei im Mittelpunkt.
Zudem gibt es immer wieder ganz
besonders attraktive Angebote: Im
September 2006 unternahmen die
Bewohner und Bewohnerinnen eine
Reise zum Limfjord in Dänemark. Eine
Gruppe von 22 Frauen und Männern
machte sich auf den Weg – das spricht
für sich. An eine gemeinsame Fortbildung wurde erneut gedacht. Weiterhin sind die Bewohnerinnen und
Bewohner eng in die Planung und
Organisation eingebunden, für Vorschläge gibt es immer ein offenes Ohr.
Dinge, die sich in der Vergangenheit
bewährt haben, sollen beibehalten werden, wie etwa der monatliche Freizeitplan. Für jede/n sichtbar ist er im
Brücke SH
Wohnhaus
Nordhusumer Straße 38 _ 25813 Husum
Ruf (0 48 41) 8 26 22
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Freizeit &
Kontakt
Das Zeitungsnetzwerk
Schleswig-Holstein
Gemeinsam mit einer Stimme – das landesweite
Zeitungsnetzwerk der Selbsthilfe für Menschen mit
psychischen Beeinträchtigungen
Gesprächs- und Informationsbedarf
gibt es genügend. Das Zeitungsnetzwerk möchte aufrütteln, aufklären,
Vorurteile abbauen. Ein Forum bieten,
um sich Gehör zu verschaffen. Es umfasst bereits elf Zeitungen.
Besucher/innen oder Bewohner/innen
informieren darin über Einrichtungen
und Dienste, kommentieren aktuelle
Themen, geben Tipps, sorgen für
Unterhaltung und Kultur, schicken
Leserbriefe und vieles mehr. „Wir
möchten als Expert/innen in eigener
Sache konstruktive Vorschläge zur
Gestaltung angemessener Hilfen entwickeln“, so ein Redaktionsmitglied.
Ohne Tabus: Themen wie Mobbing,
Integration, psychische und soziale
Isolation auf dem Arbeitsmarkt werden
aufgegriffen. Inhalte mit übergeordne-
ter Bedeutung und Politisches interessieren vor allem: etwa die Grenze der
Pressefreiheit, Auswirkungen sozialer
Reformen und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Hefte erscheinen in Auflagen zwischen 80 und 500 Exemplaren.
Leser/innen sind Betroffene, Mitarbeitende, Bürger/innen. Bislang gab es
15 Treffen des Zeitungsnetzwerks,
drei- bis viermal pro Jahr mit 15 - 20
Redakteur/innen. Jede Redaktion schreibt
zwei Beiträge pro Jahr. Wert wird nicht
nur auf die Kommunikation innerhalb
der Einrichtungen, sondern auch mit
dem Umfeld gelegt, so werden zum Beispiel Hefte in Facharztpraxen verteilt.
Das Zeitungsnetzwerk gibt es seit
2002. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, DPWV, veranstaltete in
Rendsburg landesweite Treffen zum
Thema Mitwirkung.
Damals moderierte
Christel Achberger
vom DPWV und
Catharina Baden,
heute bei der
Brücke SH, protokollierte. Diese
Treffen waren ein
Sammelbecken für
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Zeitungsnetzwerk
Schleswig-Holstein
Beteiligt sind folgende Zeitungen
• BrückenBote _
Die Brücke Neumünster gGmbH
• BrückeZeit _
Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V.
• Eidernest News _
Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V.
• EPPENDORFER, Zeitung für
Psychiatrie _ Vitanas,
Koog-Haus-Press
• Hugo’s Welt _
Brücke SH im Kreis Steinburg,
Westküstenservice
• MIT _ Brücke SH im Kreis Plön
• NebelLeben _
Die Brücke Dithmarschen e. V.
• (P)feiler _ Brücke Elmshorn e. V.
• Rundbrief des LPE _
Landesverband PsychiatrieErfahrener Schleswig-Holstein e.V.
• StarthilfeNews _ Brücke SH in
Kiel, Starthilfe
• WERKSTART _ Werkstattverbund,
Werkforum, Kieler Fenster e. V.
und Starthilfe Brücke SH, Kiel
Vorläufige Krönung der Netzwerkarbeit ist die Zusammenarbeit mit
dem EPPENDORFER, in dem seit
Mai 2006 im Wechsel Beiträge der
Netzwerkredaktionen erscheinen,
die so einer größeren Leser/innenschaft zugänglich werden.
33
Freizeit &
Kontakt
Eppendorfer _ Ausgabe 5/2006 _ Jahrgang 21 C 42725 _ Seite 16
jene betroffenen Menschen aus sozialpsychiatrischen Einrichtungen im
DPWV, die an Mitwirkung interessiert
waren. Zu den Treffen erschienen auch
Mitglieder einzelner Schreibprojekte
bzw. Redaktionen lokaler Selbsthilfezeitungen, größtenteils Menschen mit
Psychiatrieerfahrung. Sie waren nicht
gewählt und hatten somit kein Mandat,
andere zu vertreten. Einigen war klar,
dass die Arbeit an Zeitungen für die
persönliche Entwicklung wichtig sein
kann. Und dass über das entstehende
Produkt Ideen und Informationen
transportiert werden können.
Frau Achberger zündete die Idee, ein
34
eigenes Netzwerk zu bilden. Die praktische Umsetzung nahm federführend
Jürgen Blume aus Neumünster in die
Hand, der neben seiner Arbeit beim
Paranus-Verlag den dortigen BrückenBoten mitgestaltete und herausgab. Der
DPWV unterstützte das Zeitungsnetzwerk von der ersten Stunde an logistisch. Wesentlich getragen werden die
Zeitungsprojekte durch unermüdlichen
Einsatz und Herzblut der Redaktionsmitglieder sowie durch die sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Sie stellen
Rahmen und Ressourcen für Redaktionsarbeit zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es Fortbildungen zu speziellen
Themen, wie Presse- und Urheberrecht
oder Fotografieren.
Neuerdings beteiligt sich die Redaktion
WERKSTART vom Werkstattverbund,
Werkforum des Kieler Fensters und
Starthilfe der Brücke SH in Kiel, am
Netzwerk. Darüber hinaus äußerte die
Uni-Nervenklinik Kiel Interesse an
einer Patientenzeitung. Und: Durch die
Arbeit in einem Netzwerk wurden
Freunde in anderen Landkreisen gewonnen und zahlreiche, wertvolle Kontakte
geknüpft.
Redaktion MIT
Brücke SH im Kreis Plön
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Partner &
Netzwerke
Indigo –
Netzwerkgedanke
und EU
barrierefrei
in Arbeit
Indigo –
Partner und Partnerinnen
• Unternehmer Service Kiel
• Innungskrankenkasse Nord
• Brücke SH:
- Integrationsfachdienste
Kreis Steinburg _ Kreis Pinneberg
- RPK _ medizinisch-berufliche
Rehabilitationseinrichtung Kiel
- regionales Rehanetzwerk Kiel _
in Zusammenarbeit mit
Ulrich Krüger, Geschäftsführer
der Aktion psychisch Kranke
Das Projekt Indigo – Integrierte Dienstleistung gemeinsam
organisieren – richtet sich an Menschen mit Behinderungen,
gesundheitlichen Erkrankungen und schweren psychosozialen Beeinträchtigungen.
Gefördert wird das Equal Projekt, das
am 1. Juli 2005 begann, durch das
Bundesministerium für Arbeit und
Soziales und aus Mitteln des europäischen Sozialfonds.
EQUAL ist eine EU-Gemeinschaftsinitiative, die neue Wege, Methoden
und Konzepte gegen Diskriminierung
und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt
entwickeln will. Equal Projekte sind
drei Grundsätzen verpflichtet:
• Arbeit im Netzwerk
• Entwicklung von Innovation und
• transnationale Zusammenarbeit.
strategische Unterstützung. Daher hat
Indigo strategische Partner und
Partnerinnen, die uns aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Wirtschaft,
Politik und Verwaltung beraten und an
unseren Aktivitäten mitwirken.
Indigo – die Innovationen
Jeder Partner hat ein eigenes Teilprojekt mit eigenen Aktivitäten, welche
zum Gelingen dieser beiden Schwerpunkte beitragen:
Indigo – das Netzwerk
Wir wollen die Zusammenarbeit mit
den Unternehmen intensivieren!
Es haben sich in Indigo neun Partner zu
einer Entwicklungspartnerschaft zusammengefunden. Alle haben mit
unterschiedlichen Ansätzen zum Ziel,
die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben nachhaltig zu
verbessern. Die Brücke SH ist Zuwendungsempfängerin und Koordinatorin
dieser Projektaktivitäten.
Für die nachhaltige Entwicklung unserer innovativen Ideen brauchen wir
Vor dem Hintergrund, dass psychische
Erkrankungen am Arbeitsplatz deutlich
gestiegen sind und die Menschen
grundsätzlich immer älter werden,
machen wir uns stark für das Thema
Prävention im Betrieb. Wir beraten
Unternehmen in der Frage, was sie tun
können, um die Gesundheit ihrer
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu
erhalten oder ihnen bei Erkrankung die
langsame Rückkehr an ihren Arbeits-
• Fachdienst Arbeit Kiel
• Beratungsstelle Frau & Beruf
Itzehoe
• Regio.Kliniken Pinneberg
• Akademie für Gesundheits- und
Sozialberufe Itzehoe
• Weiterbildungsgesellschaft
Flensburg
• DGB-Region Unterelbe
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
35
Partner &
Netzwerke
Indigo – strategische
Partner und Partnerinnen
• Ministerium für Soziales,
Gesundheit, Familie, Jugend
und Senioren
• Agentur für Arbeit Elmshorn,
Agentur für Arbeit Kiel
• Handwerkskammer zu Lübeck
platz zu ermöglichen und somit Ausgliederung zu verhindern.
• Brücke Elmshorn e.V.
• Deutsche Rentenversicherung Nord
• Pinneberger Verkehrsbetriebe mbH
• Kreis Pinneberg –
Fachdienst Soziales
• Behindertenbeauftragte und
Integrationsbeauftragte der
Stadt Elmshorn
• Frauenbeauftragte der
Landeshauptstadt Kiel
• Landesbeauftragter für
Menschen mit Behinderung
• Landesverband PsychiatrieErfahrene Schleswig-Holstein e. V.
• Arbeitsgemeinschaft Frauen
in der Region SchleswigHolsteinische Unterelbe
• Kirchlicher Dienst
in der Arbeitswelt
• Unternehmensverband Kiel e. V.
• Unternehmensverband
Unterelbe-Westküste e.V.
• Jobcenter Kiel
• ARGE Steinburg
36
Wir wollen die Strukturen für die
Rehabilitation und Integration von
Menschen mit Behinderung verbessern!
Für die Rehabilitation und Integration
behinderter Menschen in Deutschland
sind unterschiedliche Kostenträger, wie
zum Beispiel die Rentenversicherung,
Krankenkassen oder Agentur für
Arbeit, auf unterschiedlicher gesetzlicher Grundlage tätig. Unklare Zuständigkeiten und komplizierte Verwaltungsabläufe erschweren in diesem
System Hilfebedürftigen den Zugang
zu längst vorgehaltenen Leistungen.
Wir entwickeln neue Verfahren, wie
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schnell, unkompliziert und auf
den individuellen Hilfebedarf zugeschnitten organisiert werden können.
Unter der Schirmherrschaft des Kieler
Stadtrats Adolf Martin Möller wird für
Kiel und Umgebung ein neues Hilfeplanungsverfahren für psychisch erkrankte Frauen und Männer erprobt.
Dies Verfahren bringt alle beteiligten
Kostenträger in einer Hilfeplankonferenz zusammen. Am vorbereiteten
individuellen Hilfeplan werden dann
die Zuständigkeiten schnell und unkompliziert geklärt. Der Hilfeprozess
kann umgehend eingeleitet werden.
Mit der Unterstützung und der
Moderation durch Ulrich Krüger,
Geschäftsführer der Aktion psychisch
Kranke, ist es uns bereits gelungen, alle
relevanten Kostenträger für die Mitwirkung zu gewinnen.
Indigos transnationale
Partner und Partnerinnen
Indigo ist ebenfalls Teil eines europäischen Netzwerkes „Pin-Code“ mit
Partnerorganisationen in Österreich,
Polen und Schweden. Die Bezeichnung „PIN-Code“ ist als Kryptogramm
zu sehen und setzt sich aus den
Projektbezeichnungen der Partnerorganisationen zusammen: Progress –
Indigo – next Step.
Das Projekt aus Schweden, ESMEC,
kam später noch als vierter Partner
dazu.
In vier festgelegten Arbeitsgruppen zu
Themen der Teilhabe von Menschen
mit Behinderung am Arbeitsleben werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Partnerländer herausgearbeitet und innovative Ideen zusammengetragen.
Brücke SH
Indigo
Projektkoordinatorin Antje Land
(04 31) 9 82 05-43
www.equal-indigo.de
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Partner &
Netzwerke
Beiträge für eine
barrierefreiere Zukunft
Als Gesamtkoodinatorin des Projekts Indigo lud die Brücke SH Anfang Oktober 2006 zu
einer Fachtagung in das Steigenberger Conti Hansa in Kiel ein. Der Zukunftsworkshop
„barrierefrei in Arbeit“ führte Gäste aus Schleswig-Holstein und Europa zusammen.
Fachlich unterstützt und inspiriert
durch drei Referenten diskutierten
mehr als 120 Akteure aus Politik,
Verwaltung, Wirtschaft, Verbänden und
dem europäischen Ausland in
Arbeitsgruppen über Möglichkeiten
einer verbesserten Integration von
Menschen mit Behinderung.
Bei einem kleinteiligen und zergliederten System wie dem deutschen Sozialsystem verlieren nicht nur Betroffene,
sondern selbst Kostenträger und Hilfeeinrichtungen schon mal den Überblick. Vor allem betroffenen Unternehmen sind die diversen Hilfs- und
Unterstützungsmöglichkeiten meist
gänzlich unbekannt. Dass alle mehr
und enger zusammenarbeiten müssen,
ist bereits Gesetz. Wie dies am besten
funktioniert, ist noch in der Erprobung.
„Wir von Indigo sind uns sicher, dass
Verantwortungsbereitschaft bei allen
Akteuren vorhanden ist.“ so Antje
Land, Koordinatorin von Indigo. „Es
kann nur nicht jeder Gleiches und
gleich viel beitragen, aus welchen
Gründen auch immer. Unser IndigoNetzwerk versteht sich als Dienstleister
für alle, die einen Beitrag leisten wollen
und eine Hilfestellung benötigen oder
geben können. Wir vermitteln, informieren, organisieren und knüpfen ein
Netzwerk, auf das nach Ende des
Projektes jeder zugreifen kann.“
Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg
war die Fachtagung „barrierefrei in
Arbeit“.
Die Resonanz war groß. Die Gäste
tauschten sich in drei thematischen
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Arbeitsgruppen aus, wie Barrieren zur
Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung verringert werden können. Vertreterinnen und Vertreter der Partnerprojekte von Indigo
aus Schweden und Österreich ermöglichten allen Beteiligten Einblicke in
die Vorgehensweise dieser europäischen Nachbarländer. Die Arbeitsgruppen waren den Schwerpunktthemen
von Indigo entsprechend ausgerichtet
und folgten den Fragestellungen:
Prävention im Betrieb
Was können Unternehmen tun, um die
Gesundheit ihrer Mitarbeiter/innen zu
erhalten oder erkrankten Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen die Rückkehr an
ihren Arbeitsplatz zu ermöglichen und
somit Ausgliederung zu verhindern?
37
Partner &
Netzwerke
Strukturen der Versorgung
Was muss sich verändern, damit mehr
Teilhabe am Arbeitsleben auch für psychisch Beeinträchtigte möglich ist?
Neue Wege der Leistungserbringung
Wie können die Leistungen der
Integrationsfachdienste optimiert und
optimaler genutzt werden?
Das Fazit aus allen Gruppen ist eindeutig: Optimale Hilfen brauchen eine gute
Vernetzung. Darüber hinaus muss in
Deutschland mehr präventive Arbeit
geleistet werden. „Wir müssen mehr
dafür tun, dass die Gesunden auch
gesund bleiben.“ fordert Claudia
Dippel, Unternehmensverband Kiel
und Moderatorin der Arbeitsgruppe
Prävention im Betrieb.
Brücke SH-Geschäftsführer Günter
Ernst-Basten sieht die Entwicklung in
Schleswig-Holstein positiv: „In der
regionalen Wirtschaft, bei den kleinen
und mittleren Betrieben, ebenso in großen Unternehmen und im Dialog mit
den Arbeitnehmervertretungen ist die
Eingliederung von Menschen mit
Behinderung noch nicht ausreichend,
aber doch mehr denn je ein Thema. Es
geht hier nicht um gute Taten, sondern
um weiterentwickeltes Denken. Darum,
Potentiale und Förderinstrumente zu
nutzen, gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch dann zu halten, zu för-
38
Kieler Nachrichten _ Nr. 233 _ Freitag, 06. Okotber 2006
dern oder zu finden, wenn mit Beeinträchtigungen umzugehen ist.“
Indigo setzt als Projekt und Netzwerk
über die Fachtagung hinaus wichtige
Impulse für Schleswig-Holstein. Ziel
ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Arbeitsuchende sowie
Betriebe, die Hilfe und Begleitung
benötigen, selbstverständlich auf die in
allen Landkreisen und Städten zur
Verfügung stehenden Hilfen zugreifen
können.
Vor Ort gibt es Integrationsfachdienste
– diese Kompetenzen zu nutzen, auch
von Seiten der Kosten- und Leistungsträger – ist der erste Schritt!
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Partner &
Netzwerke
Was, ihr fahrt nach Mallorca?
Wie habt ihr das denn hingekriegt …
… Stefanie Müller1 vom Heimbeirat des Wohnhauses im Kreis X erfährt auf einer der
überregionalen Konferenzen der Nutzer/innen-Vertretungen aller Einrichtungen
der Brücke SH, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnhauses im Kreis Y
ihre Ferien auf der sonnigen Insel im Mittelmeer verbringen.
Know-how dieser Art sowie in anderen
Angelegenheiten wird auf den regelmäßigen Treffen der Nutzer/innenVertretungen ganz praktisch und unkompliziert weitergegeben. Daher beginnt jede überregionale BeiräteKonferenz mit Informations- und
Erfahrungsaustausch. Ende 2005 wurde dieses Forum der Mitwirkung eingeführt, drei Sitzungen finden jährlich
statt. Die Treffen sind den Teilnehmenden wichtig. Hier erfahren sie, mit welchen Themen und Problemen sich die
Beiräte in den anderen Einrichtungen
der Brücke SH beschäftigen. Der Blick
über den Tellerrand bringt neue Ideen,
ermöglicht gegenseitige Beratung und
Lernen voneinander. Das macht Mut
und bringt außerdem Spaß, darüber ist
sich das noch junge Forum einig.
Die überregionale Konferenz dient den
Nutzerinnen und Nutzern der Brücke
SH-Angebote neben dem Erfahrungsaustausch dazu, sich intensiver mit einzelnen Themen zu befassen, die sie und
ihre Beiratsarbeit betreffen. Die Themen
werden gemeinsam festgelegt. Gelegentlich werden auch Gäste eingeladen, wie zum Beispiel der Geschäftsführer der Brücke SH, Günter ErnstBasten. Bei seinem Besuch referierte er
über die Finanzierung der Brücke SH
und stellte sich den Fragen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen hierzu.
1
Ein anderes Mal diente ein Impulsreferat zum Thema Empowerment von
Dagmar Barteld-Paczkowski, Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen
Schleswig-Holstein e. V., als Einstimmung zur Diskussion über das Thema
Mitwirkung.
Die Diskussion, in welcher Form und
zu welchen Themen dieses Gremium
auf überregionaler Ebene in der Brücke
SH Mitwirkung aktiv ausüben will,
wird noch fortgesetzt. Denkbar wäre
die Anhörung zu bestimmten Themen,
wie beispielsweise zu neuen Angeboten oder Einrichtungen. Ebenso haben
die Beiräte ein Interesse daran, dass die
Bedingungen für die Beiratsarbeit in
den Einrichtungen der Brücke SH vereinheitlicht werden. Das würde sich
zum Beispiel in einem Budget für
Beiratsaktivitäten oder in den Mitwirkungsbereichen auf regionaler
Ebene zeigen. Daher werden Diskussionen und Beratungen hierzu ebenfalls
in den Mitwirkungsgremien sowie mit
den Nutzer/innen der Brücke SHAngebote und Mitarbeiter/innen auf
regionaler Ebene geführt.
Wir erwarten mit Spannung, wohin uns
das Abenteuer Mitwirkung noch führt.
Name von der Redaktion geändert.
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
39
Partner &
Netzwerke
„Schätze,
die man heben sollte“
Der offene Umgang mit Beschwerden dient der
Qualitätssicherung und fördert das Empowerment.
Wie eine Beschwerde
aussehen kann …
… zeigt folgendes Beispiel aus
einem der früheren Jahresberichte,
die der Beirat regelmäßig über seine
Arbeit verfasst:
Eine Wohngruppenbewohnerin beschwerte sich über
a) die Raumaustattung ihrer
Wohnung
b) das Verhalten der
Bezugsbetreuerin
c) grundsätzlich über das
Konzept der Einrichtung
Die Mängel der Raumaustattung
konnten beseitigt werden.
Über das Verhalten der Bezugsbetreuerin gab es eine gemeinsame
Sitzung mit der Beschwerdeführerin,
der Einrichtungsleitung, der Mitarbeiterin, dem regionalen Koordinator
und einem Mitglied des Beirates.
Als Ergebnis konnte festgehalten
werden, dass sich die Beziehung
der Beschwerdeführerin und der
Betreuerin deutlich verbessert hat.
Sie konnten sich verabreden, die
Einrichtungsleitung bei Meinungsverschiedenheiten rechtzeitig einzubeziehen.
Die grundsätzliche Diskussion zum
Konzept wurde auf die Besprechung
der Ergebnisse der Qualitätssicherung mit den Nutzerinnen
und Nutzern verschoben.
40
Petra Kaiser ist Koordinatorin des
Beirats des Vorschlags- und Beschwerdewesens in der Brücke SH. Wenn sie
sagt, sie wünscht sich mehr Beschwerden, dann verwundert das für einen
Moment. Beschwerden erwünscht?
Einer ihrer Mitstreiter im Beirat ist
Thorsten Evers. Er erklärt: „Wir arbeiten darauf hin, dass man Beschwerden
als ganz normal empfindet. Denn wenn
sich jemand beschwert, hat das auch
etwas Positives.“
Getragen wird dies von der Haltung,
eine Beschwerde nicht als Last, sondern als Möglichkeit zu verstehen. Beschwerden und Vorschläge, so argumentieren die Mitglieder des Beirats,
sind ein wichtiges Element zur Verbesserung der Brücke SH und ihrer
Einrichtungen. „Beschwerden sind
Schätze, die man heben sollte,“ zitiert
Petra Kaiser ihre Beiratskollegin Gertrud Ehrenreich. „Das lässt sich als inneren Leitspruch für unsere Arbeit sehen.“
Dennoch schlummern einige Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen
noch. Denn: „Üblicherweise mag man
Beschwerden nicht. Weder als Betroffener, noch als derjenige, über den sich
beschwert wird. Meistens mögen Letztere sie natürlich noch weniger, das ist
ja klar. Und da nun mal häufig Mitarbeiter/innen Ziel einer Beschwerde
sind, kommt es sehr drauf an, wie die
Beschwerde behandelt wird, damit
nicht Pauschalurteile oder Missverständnisse entstehen. Und ich glaube,
das gelingt uns schon ganz gut. Dass
Mitarbeiter/innen hinterher sagen können: ‚War ja gar nicht so schlimm’,“
führt Petra Kaiser aus. Und Thorsten
Evers dazu: „Man will ja mit einer Beschwerde nicht jemanden bloßstellen.
Vielmehr ausdrücken: ‚Passt mal auf,
dieses oder jenes in eurer Einrichtung,
das könnte man noch besser machen’.“
Neben dem Aspekt der Qualitätssicherung hat ein solch offener Umgang mit Beschwerden einen weiteren
Vorteil: die Förderung des Empowerments, dem Leitbild der Brücke SH
entsprechend. Psychisch erkrankte
Menschen sind es teilweise nicht mehr
gewohnt, selber Entscheidungen zu
treffen, selbst zu bestimmen, was gut
für sie ist. Daher will der Beirat ausdrücklich dazu ermutigen, sich zu
beschweren, wenn die eigenen Belange
nicht ausreichend berücksichtigt scheinen. So wird den Nutzern und Nutzerinnen unser Angebote Mut gegeben,
für die eigenen Ansichten einzutreten.
Und das wiederum hilft ihnen, ein
Stück Selbstbestimmtheit für sich
zurück zu gewinnen. Das Vorschlagsund Beschwerdewesen kommt allen
zugute: Nutzer/innen der Brücke SH-
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Partner &
Netzwerke
alle an der Beschwerde Beteiligten mit
dem Ergebnis der Beratung zufrieden.
Angebote kann geholfen werden, sich
zu entwickeln. Und Mitarbeiter/innen
lernen, wie sie ihre Arbeit noch besser
machen können.
Und das funktioniert sehr gut, wie die
Erfolgsquote des Beirats zeigt: Von den
13 Beschwerden, die im Jahre 2005
vorlagen, konnte nur eine nicht zur
Zufriedenheit aller Beteiligten abgeschlossen werden. Zwei Beschwerden
konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht zu Ende gebracht werden, in
den verbleibenden zehn Fällen waren
Nach dem Geheimnis für ihre erfolgreiche Arbeit gefragt, antworten
Thorsten Evers und Petra Kaiser einhellig: Es gibt keines. Wohl aber gute
Gründe, warum das Vorschlags- und
Beschwerdewesen viele Konflikte lösen
kann. Einer davon liegt in der Zusammensetzung des Beirats. In dem neunköpfigen Gremium sitzen Nutzer und
Nutzerinnen der Brücke SH-Angebote,
Angestellte des Unternehmens sowie
ein Angehöriger und eine Bürgerin.
Thorsten Evers weiß: „Es ist gerade die
Vielfalt des Beirats, durch die unsere
Arbeit so interessant wird. Jemand aus
der Regionalleitung hat eine ganz andere Perspektive als eine Bürgerin, die
wiederum sieht Dinge aus einer ganz
anderen Warte als jemand mit Psychiatrie-Erfahrung. Ohne diese Vielseitigkeit wäre unsere Arbeit nicht einmal
halb so erfolgreich.“ Das sieht Petra
Kaiser genau so, und lacht: „Dabei geht
es dann auch manchmal sehr turbulent
zu, wenn die verschiedenen Perspektiven aufeinander prallen.“ Und das soll
so sein: „Indem jede und jeder im
Beirat seine eigene Persönlichkeit einbringt, kommen wir zu einer sehr differenzierten Betrachtung jeder einzelnen
Beschwerde. Und so zu den besten Lösungen für alle Beteiligten.“
Doch manchmal geht es auch ruhiger
zu – denn schließlich sind die Beiratsmitglieder nicht nur für Beschwerden,
sondern auch für Vorschläge da. Man
kann sich also auch mit Anregungen
und Verbesserungswünschen jederzeit
gern an sie wenden ...
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
Vorschlags- und
Beschwerdewesen
Beiratsmitglieder
Dagmar Barteld-Paczkowski
Vorstandsmitglied des
Landesverband PsychiatrieErfahrene Schleswig-Holstein e.V.
Ruf (0 48 21) 8 71 30
Hans Cordshagen
Brücke SH
Regionalleiter im Kreis Dithmarschen
Poststraße 5 _ 25746 Heide
Ruf (04 81) 42 15 29-0
Gertrud Ehrenreich
Bürgerin
Hauptstraße 8 _ 24647 Ehndorf
Thorsten Evers
Brücke SH
Werkstatt Starthilfe
Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 05-81
Helma Först
Brücke SH
Werkstatt Westküstenservice
Wilhelm-Biel-Straße 5 _ 25524 Itzehoe
Ruf (0 48 21) 67 91-0
Katy Holl
Brücke SH
Tagesklinik Heide
Neue Anlage 18 _ 25746 Heide
Ruf (04 81) 68 37 66-0
Petra Kaiser
Brücke SH
Referentin der Geschäftsleitung
Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 05-0
Harald Möller
Brücke SH
Leiter Ambulante Kinder-,
Jugend- und Familienhilfe
Kaiserstraße 79 _ 24143 Kiel
Ruf (04 31) 3 00 30 07
Ehrhart Weiß
Angehöriger
Schlehenbogen 16 _ 24944 Flensburg
41
Fundament &
Entwicklung
Familienbewusst,
die ersten Schritte
Was-ist-das?
Audit _ lateinisch
: Anhörung
Untersuchungsverfahren, mit denen
Prozessabläufe hinsichtlich der
Erfüllung von Anforderungen und
Richtlinien bewertet werden können.
Audits werden von einem/einer
speziell hierfür geschulten Auditor/
Auditorin durchgeführt.
Die Brücke SH erhielt im Mai 2006 das Grundzertifikat der
berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der gemeinnützigen
Hertie Stiftung. Damit sind wir in Schleswig-Holstein das
zweite Unternehmen, das für sein Engagement für familiengerechte Arbeitsbedingungen ausgezeichnet ist.
Das audit berufundfamilie® unterstützt
Arbeitgeber darin, Unternehmensziele
und Mitarbeiterinteressen in eine tragfähige Balance zu bringen.
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus
verschiedenen Bereichen der Brücke
SH hatten im Rahmen des Audits
bereits vorhandene familiengerechte
Maßnahmen identifiziert, wie zum
Beispiel:
• die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung jeglicher Abstufung für Frauen
und Männer
• eine hohe Flexibilität in der individuellen Arbeitszeitgestaltung
• das Arbeitszeitkonto
• die Betriebsvereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit
42
• eine Team- und Führungskultur, in
der die familiären Belange der Mitarbeiter/innen Berücksichtigung finden.
Möglichkeiten zum Kontakthalten für
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in
Elternzeit nennt.
Für die nächsten drei Jahre sind weitere Maßnahmen geplant:
Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen
wollen wir in der Brücke SH die bereits
vorhandenen Ansätze systematisch
weiterentwickeln und unsere familienbewusste Unternehmenskultur fördern.
Die Erhöhung der Motivation und
Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen
und die Steigerung der Attraktivität der
Brücke SH als – auch potentielle –
Arbeitgeberin zählen dabei außerdem zu
den Zielen, die mit dem Audit verfolgt
werden.
• die Weiterentwicklung flexibler
Arbeitszeitmodelle
• die Optimierung der Personaleinsatzplanung im regionalen Verbundsystem
• die Erweiterung der Möglichkeiten
der Arbeit von Zuhause
• die Entwicklung von Familienserviceangeboten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie
• die Erarbeitung eines Leitfadens, der
bei der Wiedereingliederung hilft und
Weitere Informationen zum Audit
www.beruf-und-familie.de
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Fundament &
Entwicklung
Innerbetrieblicher Service
für motivierte Teams
Personalarbeit in der Brücke SH
In der Personalabteilung der Zentralverwaltung arbeiten vier Mitarbeiterinnen und eine Auszubildende. Hinzukommen die Personalreferentin und der
Personalleiter. Ein kleines aber leistungsstarkes Team, denn mittlerweile
werden weit über 600 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter vom Personalbüro
betreut und jeden Monat etwa 1000
Gehaltsabrechnungen für die Angestellten und die Beschäftigten mit
Behinderungen in den Arbeitsprojekten
und Werkstätten durchgeführt. Eine
stolze Zahl!
Für alle Mitarbeiter/innen ist die pünktliche Auszahlung der Vergütung die
wohl wichtigste Leistung der Personalabteilung. Aber professionelle Personalarbeit in der Brücke SH beinhaltet
weitaus mehr. Einiges davon geschieht
eher im Verborgenen. Zu den Kernaufgaben der Personalverwaltung gehören
die Personalaktenführung, die sozialversicherungsrechtlich und steuerlich
korrekte Bearbeitung der Gehälter, das
Einwerben und Verwalten von Lohnkostenzuschüssen, die Pflege der Arbeitszeitkonten, das Antrags- und Bescheinigungswesen, die laufenden Arbeitsvertragsänderungen und vieles mehr.
Wenn man nicht gerade dringend eine
Verdienstbescheinigung oder ähnliches
benötigt, bekommt man als Mitarbeiter
oder Mitarbeiterin von dieser Arbeit
wenig mit. Und dennoch sind es Monat
für Monat hunderte von großen und
kleinen Personalvorgängen, die mit
viel Sorgfalt und hoher Zuverlässigkeit
erledigt werden. Die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in der Personalabteilung verstehen ihre Arbeit als innerbetriebliche Serviceleistung. Daher setzen sie viel daran, die Qualität ihrer
Arbeit ständig zu verbessern. Konstruktive Rückmeldungen aus der Mitarbeiterschaft helfen ihnen dabei.
Die Personalarbeit in der Brücke SH ist
eng verknüpft mit der Vision und den
Strategien des Unternehmens. In unserem
Leitbild sehen wir uns selbst als mitarbeiterorientierten Betrieb, wodurch die
Arbeit des Personalmanagements einen
besonderen Stellenwert bekommt. In
diesem Bereich wurde auch in der letzten
Zeit wieder viel auf den Weg gebracht:
• die Leitlinien für Führung und
Zusammenarbeit, die unsere Philosophie der unterstützenden Führung
beschreiben
• die Zertifizierung als familienbewusster Betrieb zur Verbesserung der
work-life-balance der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen
• die Mitarbeitergespräche zur Förderung und Wertschätzung der persönlichen Leistung
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
• die Verantwortungsmatrix für Leitungskräfte zur Klärung von Zuständigkeiten und Kompetenzen bei den
Führungsaufgaben
• die Pensionskasse als dritte Säule der
betrieblichen Altersversorgung
• die innerbetrieblichen Konfliktvermittler/innen und die betriebliche
Einigungsstelle zur Stärkung des partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz
• die Standardisierung von wichtigen
Abläufen, wie zum Beispiel bei der
Einstellung und Einarbeitung
Was-ist-das?
work-life-balance _ Englisch
: work _ Arbeit
: life _ Leben
: balance _ Gleichgewicht
Möglichkeiten für Erwachsene im
arbeitsfähigen Alter, Beruf und
Karriere und das private Leben, zum
Beispiel mit der Familie, mit Kindern
und mit pflegebedürftigen Personen,
im Gleichgewicht zu halten.
Patchwork Familie _ Englisch
: patchwork _ aus bunten Stücken
zusammengesetzt
Eine zusammengesetzte Familie.
Eltern bringen ihre jeweiligen Kinder
aus vorhergehenden Ehen oder
Lebenspartnerschaften in eine neue
Beziehung mit. Die Kinder einer
Patchwork Familie sind also nicht
zwangsläufig biologisch verwandt.
43
Fundament &
Entwicklung
neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zur allgemeinen Orientierung
und Effizienzsteigerung
• die offensive Fortbildungspolitik mit
eigenem Programmangebot zur fortlaufenden Qualifizierung der Mitarbeiter/innen und der Führungskräfte.
Mit diesen verschiedenen Weiterentwicklungen, Neuerungen und Projekten, und denen, die noch folgen werden, wollen wir zwei Ziele erreichen:
In einer Zeit, in der die uns umgebenden Rahmenbedingungen die Spiel-
räume immer enger werden lassen,
geht es darum, den Wert persönlich erbrachter Dienstleistungen für die Menschen, die unsere Angebote nutzen, zu
erhalten und zu erhöhen, um unseren
Stand als sozialpsychiatrischer Leistungsanbieter und Arbeitgeber für die Zukunft zu sichern und weiter auszubauen.
wertes Ziel. Denn in der Brücke SH
arbeiten Menschen für Menschen. Nur
mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
die aus ihrer Tätigkeit – bei aller
manchmal gegebenen Anstrengung –
auch positive Arbeitserlebnisse ziehen,
wird es gelingen, die an uns gestellten
Erwartungen auch zukünftig zu erfüllen.
Und wir wollen, dass – potentielle –
Mitarbeiter/innen über die Brücke SH
sagen: „Hier ist für mich der beste Ort,
um zu arbeiten“. Dies ist ein hoher
Anspruch, aber es ist auch ein lohnens-
Brücke SH
Geschäftsstelle
Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 05-0
Personalstatistische Zahlen
Stichtag 31.12.2005
Am Stichtag beschäftigte die Brücke SH insgesamt 559
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Anteil der Frauen
beträgt 67 %, der Anteil der Männer 33 %. In Teilzeit –
einschließlich der geringfügig beschäftigten Mitarbeiter/innen – arbeiten 58 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Von den Teilzeitkräften sind 49 % sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Unter den teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beträgt der Anteil der Frauen 65 %, der der
Männer 35 % und entspricht damit in etwa der Geschlechterverteilung in der Mitarbeiterschaft insgesamt.
Teilzeitbeschäftigung ist in der Brücke SH in fast jeder
Abstufung möglich. Wünsche der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter nach Teilzeit, die aus der jeweiligen Lebensund Familiensituation resultieren, werden weitgehendst
berücksichtigt.
44
Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/innen entspricht mit
1
41,9 Jahren in etwa dem Bundesdurchschnitt eines
Betriebes vergleichbarer Größe. Die Krankheitsquote liegt
mit 4,25 % zwar noch über dem Bundesdurchschnitt von
3,4 %, hat sich in den vergangenen vier Jahren aber um
ca. 2 % verringert. Die gesunde Fluktuation von 6,5 %
zeigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine hohe
Bindung an die Brücke SH haben. Die derzeitigen Beschäftigten arbeiten im Durchschnitt seit 5,7 Jahren im Unternehmen.
248 der 447 Mitarbeiter/innen haben Kinder. Jede Familie
hat im Durchschnitt 1,84 Kinder. Die Kinderquote in der
Brücke SH liegt damit leicht über dem Bundesdurchschnitt
von 1,4 Kindern je Familie. Ein mit 47,7 % relativ hoher
Anteil der Eltern ist alleinerziehend bzw. lebt in Patchwork
Familien.
1
Die Zahlen in diesem Abschnitt beziehen sich nur auf die Mitarbeiter/innen
(447), die mehr als geringfügig bei der Brücke SH beschäftigt sind.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Fundament &
Entwicklung
„Wiederkehrende Gedanken an den Tod
oder an Suizid, suizidales Verhalten“
lautet ein diagnostisches Kriterium für eine depressive Erkrankung nach ICD-10. Der enge
Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen, vor allem bei Depression, und Suiziden/
Suizidversuchen ist lange bekannt. Die Weltgesundheitsorganisation zählt Menschen mit seelischen Erkrankungen zur Personengruppe mit erhöhtem Risiko für suizidales Verhalten.
In den Jahren 2004/2005 wurde in der
Brücke SH eine Diplomarbeit zum
Thema „Suizide und Suizidversuche
bei Menschen mit einer psychischen
Erkrankung in gemeindepsychiatrischer Betreuung“ verfasst. Es wurde
überprüft, ob gewisse Risikofaktoren
für suizidales Verhalten auch bei nicht
stationär betreuten Menschen vorzufinden sind. Es wurden Personen mit suizidalem Verhalten mit nicht suizidalen
Personen verglichen, alle nutzten Einrichtungen der Brücke SH. Insgesamt
wurden 2905 Menschen in die Untersuchung einbezogen.
Der Ansatz der Risikofaktoren bietet
eine gute Möglichkeit, anhand greifbarer und objektiver Daten eine Einschätzung des Suizidrisikos vornehmen
zu können. Damit jedoch nicht das
Risiko besteht, wichtige Anzeichen zu
übersehen, ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise von besonderer Wichtigkeit. Denn all „(…) unser Wissen
und unsere Fähigkeiten setzen wir für
ihre1 seelische Stabilisierung, ihre
Selbstbestimmung und ihre gesellschaftliche Teilhabe ein.“, Leitbild der
Brücke SH.
Als zentrale Risikofaktoren für suizidales Verhalten werden in der Theorie
und Praxis folgende diskutiert:
1
• Psychische Erkrankung: 30 % aller
Suizidtoten haben eine bekannte psychische Erkrankung
• Geschlecht: Männer begehen häufiger Suizide, Frauen verüben häufiger
Suizidversuche
• Diagnose: Besonders gefährdet sind
Patient/innen mit einer Depression,
Schizophrenie oder einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung
• Alter: Junge Menschen verüben häufiger Suizidversuche; die Wahrscheinlichkeit für Suizide ist im mittleren bis
höheren Lebensalter eher gegeben
• Klinikentlassungen: Sie bergen ein
erhöhtes Risiko
• Arbeitslosigkeit: Viele Suizidenten
und Suizidentinnen sind ohne Arbeit
• Familienstand: Viele Betroffene sind
allein stehend und haben keine Kinder
• Suizidalität in der Familie und in der
eigenen Vorgeschichte sowie
• Geringe soziale Integration, wenig
Sozialkontakte und ein schwaches
soziales Netz erhöhen die Wahrscheinlichkeit für suizidales Verhalten.
Die Ergebnisse der Diplomarbeit zeigen, dass die Befunde aus der stationären Psychiatrie nur bedingt auf die
Gemeindepsychiatrie übertragbar sind:
Bei den untersuchten Betroffenen mit
suizidalem Verhalten wurde ein bedeutsam erhöhter Anteil an schizophrenen
(63 %) und depressiven (10 %) Perso-
nen gefunden. Der Anteil an Personen
mit einer Persönlichkeitsstörung (15 %)
war ebenfalls erhöht. Die geringe Anzahl der depressiven Erkrankungen
überrascht. Doch wie im Artikel
„Volkskrankheit Depression“ beschrieben, werden viele Depressionen nicht
als solche erkannt.
30 % der Suizidversucher/innen waren
jünger als 25 Jahre. Bei den Suizident/innen überwogen die 36 – 45 jährigen
(67 %). 87 % der Betroffenen mit
Suiziderfahrungen waren allein stehend. 18 % der Menschen mit Suizidversuchen kamen aus Familien, in denen
es Fälle von Suizidversuchen gab.
Was-ist-das?
Suizid _ Lateinisch _
suicidium/sua manu caedere _ mit
eigener Hand fällen
: Selbsttötung, Freitod, willentliche
Beendigung des eigenen Lebens
durch eine selbstbestimmte Handlung
oder durch das Unterlassen einer
Handlung, zum Beispiel Nichteinnahme lebenswichtiger Medikamente
bzw. Nahrungsmittel oder Flüssigkeit.
Der verbreitete Begriff Selbstmord trifft
den Sachverhalt nicht, die Gedankenverbindung zum Verbrechen Mord gilt
als ungerechtfertigt.
ICD-10 _ Englisch _
International Classification of Mental
and Behavioural Disorders
: Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 10. Änderung, 1994
Frauen und Männer mit psychischen Beeiträchtigungen sowie Benachteiligungen und Suchterkrankungen
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
45
Fundament &
Entwicklung
Veränderung als
Herausforderung –
Ergebnisse eines
Teamtags
Milieu als notwendige, stabilisierende
Wirkgröße aufrechtzuerhalten?
20 Jahre Brücke SH im Kreis Plön sind auch 20 Jahre Aufbau
gemeindepsychiatrischer Angebote, Weiterentwicklung, Innovation, Überprüfung, Diskurs, Abgleich und Ausbalancierung
neuer Ideen und Anforderungen mit Altbewährtem.
Erfahrungen aus dem Alltag, Wünsche,
Ideen seitens der Psychiatrie-Erfahrenen, ihrer Angehörigen, der Mitarbeiter/innen sowie des Umfeldes geben
immer wieder neue Anstöße, Angebote
zu überprüfen und zu verändern.
Sozialpsychiatrische Theorie, vermittelt
auf Fachtagungen, befördert diese
Prozesse.
Unter fachkundiger Moderation trafen
sich Mitarbeiter/innen der psychosozialen Rehabilitation aus Plön und Preetz
in der Akademie am See/Koppelsberg
zu einem eintägigen Workshop. Die
Aufgabenstellung lautete:
Was-ist-das?
personenorientierter Ansatz:
hierbei wird von dem einzelnen
Menschen und seinem Bedarf an
Unterstützung ausgegangen. Erst
in der zweiten und dritten Phase
wird nach der entsprechenden
Organisation der Hilfen und ihrer
Finanzierung gefragt. Leitend ist der
persönliche Lebensentwurf vor dem
Hintergrund der biographischen
Erfahrungen und der Berücksichtigung der jeweils eigenen Zeit.
Der personenorientierte Ansatz ist
geprägt von einer Grundhaltung der
gleichberechtigten Beziehung, die
getragen ist von Akzeptanz, Eigenverantwortung und achtsamer Hilfe.
Er befördert Selbstbestimmung und
Selbstverwirklichung und erschließt
Möglichkeiten zur gleichberechtigten
Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben.
46
„Entwicklung integrierter Wohn- und
Betreuungsverbünde – kooperative
Vernetzung der Systeme Plön-Preetz“
Die Ideen des personenorientierten
Ansatzes sind seit längerem bei den
Teams in der Diskussion. Eine teilintegrierte Vernetzung der Systeme hat
bereits an vielen Schnittstellen stattgefunden, doch gibt es auch Bedenken,
etwa:
• Wie wirken sich die strukturellen
Veränderungen auf die Menschen mit
psychischen Erkrankungen aus, wenn
Teams übergreifend tätig werden, Einrichtungsgrenzen durchlässiger werden, Angebote sich substantiell verändern?
• Wie kann es gelingen, therapeutische
Gemeinschaft und therapeutisches
• Wie können wir Leistungsträgern die
Sinnhaftigkeit synergetischer Zusammenführungen von abgegrenzten Leistungen zu einem Komplexleistungssystem vermitteln?
• Wie, damit das Ganze wirkt und
mehr ist als die Addition von Teilleistungsmodulen?
• Wo ermöglichen, wo begrenzen
Rechtsnormen die Entwicklung?
• Welche Unterstützungen benötigen
Mitarbeiter/innen in der Umsetzung
des personenorientierten Ansatzes?
• Welche Anforderungen werden an
sie gestellt?
Neugierde, Offenheit, kritische Diskussionen auf hohem fachlichen
Niveau kennzeichneten den Prozess.
Am Ende standen erste, zum Teil revolutionär anmutende Ergebnisse:
• Einrichtungsübergreifende Umstrukturierung der Teams und engere inhaltlich-konzeptionelle Verzahnung tagesstrukturierender und betreuerischer
Leistungen entlang der sozialpsychiatrisch-personenorientierten Leitlinien
• selbstkritische Reflexion und behutsame Abwägung möglicher Schritte.
Insgesamt eine hohe Herausforderung
an die Teams, Stabilisierung und
Veränderung gut auszuloten, selbst alte,
vertraute Räume zu verlassen und zum
Teil ganz neue Wege zu beschreiten.
Die anstehende Diskussion mit den
Psychiatrie-Erfahrenen wird weitere
wichtige Aspekte bringen auf dem Weg
zu einer guten Sozialpsychiatrie.
Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH
Impressum
!
Herausgeberin
Brücke Schleswig-Holstein gGmbH
Redaktion
verantwortlich
Günter Ernst-Basten
Gesamtkoordination
Bettina Erhart
Redaktionelle
Mitarbeit und Text
Matthias Quednau _ Karen Toppe
Texte
Irini Aliwanoglou _ Ingo Arnaschus _ Catharina Baden
Dagmar Barteld-Paczkowski _ Manfred Bogner _ Kay Brockmeyer
Hans Cordshagen _ Birte Ernst _ Thorsten Evers _ Anja Göttsch _Eva Gruitrooy
Karola Holst _ Jytte Jensen _ Petra Kaiser _ Antje Land _ Sylta Lankenau
Stefan Meyer-Kaven _ Harald Möller _ Helmut Oldewurtel _ G. Peters
Elisabeth Rugen _ Kathrin Roßberg _ Robert Schenk _ Joachim Schiefelbein
Erika Schulz _ René Skischally _ Udo Spiegelberg _ Karsten Strauß
Mike Süßbrich _ Joachim Theege _ Ulrike von Paleske _ Carlo Weber
Rüdiger Waßmuth
Lektorat
schreibweise: Kathrin Meike Evers: Eutin
Fotos
Deutsches Bündnis gegen Depression e. V.: Leipzig: Seite 21_22
Fotoatelier Ute Boeters: Kiel: Seite 3
Fotografie Porträt. People. Reportage: Christiane Breitfelder: Kiel:
Seiten 9_11_12_15_16_19_20_24_25_29
Unternehmensverband Kiel e. V.: Claudia Dippel: Seite 37
Brücke SH: Dagmar Barteld-Paczkowski _ Hans Cordshagen _ Anja Göttsch
Frauke Hansen _ Jytte Jensen _ Stefan Meyer-Kaven _ Matthias Kruit
Harald Möller _ Ingo Mommsen _ Joachim Theege _ Rüdiger Waßmuth
Artikel _ Fotos
mit freundlicher
Genehmigung
Brücke Neumünster gGmbH: Jürgen Blume
Eppendorfer: Anke Hinrichs
Kieler Nachrichten: Annemarie Heckmann
MIT: Katja Herzog _ Hans-Egbert Minning _ R. Petersen
Norddeutsche Rundschau: Ute Thomsen _ Michael Ruff
Internet
www.bruecke-sh.de _ [email protected]
Adresse
Brücke Schleswig-Holstein gGmbH
Landesgeschäftsstelle
Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel
Ruf (04 31) 9 82 05-0 _ Fax (04 31) 9 82 05-25
Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen
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