FAQ - Woche 4

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HM I Schneider
FAQs Woche 4
FAQs der Vorlesungswoche 4
Was den rationalen Zahlen fehlt
Sie haben schon gelernt (Satz 7.2 und Aufgabe 12 b)), dass in den rationalen Zahlen viele ganz einfache
algebraische Gleichungen keine Lösung haben (z.B. die quadratische Gleichung
x2 = 2).
Aber den ra-
tionalen Zahlen fehlt auch die Supremums- und die Inmumseigenschaft: nicht jede beschränkte Menge
rationaler Zahlen hat ein Supremum bzw. Inmum.
M := {x ∈ Q : x2 ≤ 2}, die Menge genau
gleich 2 ist. Wir zeigen, dass M kein Supre-
Wir wollen das hier nochmal ausführlich begründen. Sei
derjenigen rationalen Zahlen, deren Quadrat kleiner oder
mum und auch kein Inmum hat in
Q
hat. Und zwar
ohne
die reellen Zahlen schon vorauszusetzen:
in den folgenden Argumenten kommen nur rationale Zahlen vor die reellen Zahlen müssen wir dazu
nicht kennen.
Wir führen die Annahme, M hätte doch ein Supremum in Q, zum Widerspruch. Angenommen also, M hätte ein
Supremum s in Q.
• Wenn s2 < 2, dann gibt es eine rationale Zahl ε > 0 mit s2 < 2 − ε (wähle ε z.B. als den halben Abstand zwischen
2 und s2 ). Aber das bedeutet, dass für genügend groÿes n ∈ N die Ungleichung
(s + 1/n)2 = s2 + (2s/n + 1/n2 ) < (2 − ε) + ε = 2
gilt. Das heiÿt, die rationale (!) Zahl s + 1/n liegt in M . Wir haben also in Q ein Element von M gefunden, das
echt gröÿer ist als s. Aber das heiÿt, dass s keine obere Schranke von M sein kann und insbesondere keine kleinste
obere Schranke bzw. kein Supremum. Widerspruch (zur Annahme)!
• Wenn s2 > 2, dann gibt es eine rationale Zahl ε > 0 mit s2 > 2 + ε. Aber das bedeutet, dass für genügend groÿes
n ∈ N die Ungleichung
(s − 1/n)2 = s2 + (−2s/n + 1/n2 ) > (2 + ε) − ε = 2
gilt. Das heiÿt, die rationale (!) Zahl s − 1/n ist eine obere Schranke von M . Wir haben also in Q eine obere
Schranke von M gefunden, die echt kleiner ist als s und damit kann s keine kleinste obere Schranke bzw. kein
Supremum von M sein. Widerspruch (zur Annahme)!
Mit obigen beiden Stichpunkten haben wir gezeigt, dass für ein hypothetisches rationales Supremum s von M weder
s2 < 2 noch s2 > 2 gelten kann. Also bleibt nur noch s2 = 2. Aber auch das kann nicht sein, weil die Gleichung x2 = 2 eben
keine rationale Lösung hat. Also war unsere Annahme, M habe ein rationales Supremum falsch. Und das wollten wir zeigen.
Es bleibt zu zeigen, dass M auch kein Inmum in Q hat. Das ist jetzt ganz leicht. Angenommen, M hätte ein Inmum
s in Q. Dann hätte die am Nullpunkt gespiegelte Menge −M := {x : −x ∈ M } ein Supremum in Q, nämlich die Zahl
−s ∈ Q. Aber das kann nicht sein, weil −M gleich M ist (das heiÿt, M ist symmetrisch bzgl. Spiegelung am Nullpunkt)
und M , wie eben gezeigt, kein rationales Supremum hat. Also war auch die Annahme, M habe ein rationales Inmum,
falsch. Und wir sind fertig.
Wie sehe ich an der Dezimalentwicklung einer reellen Zahl, ob
sie rational oder irrational ist?
Antwort: Eine reelle Zahl
x
ist rational genau dann, wenn die Dezimalentwicklung von
x
periodisch ist
(das heiÿt: ab einer gewissen Nachkomma-Stelle wiederholt sich nur noch eine einzige (endlich lange!)
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Ziernsequenz).
1, 764373737373737 · · · = 1, 76437 (ab
37) oder 0, 12453333333333 · · · = 0, 12453
(ab der 5-ten Nachkomma-Stelle wiederholt sich die Ziernsequenz bestehend aus der einzigen Zier 3).
Beispiele für periodische Dezimalentwicklungen sind also etwa
der 4-ten Nachkomma-Stelle wiederholt sich die Ziernsequenz
Aber auch abbrechende Dezimalentwicklungen das heiÿt solche, für die ab einer gewissen NachkommaStelle nur noch Nullen kommen sind periodisch (Ziernsequenz bestehend aus der einzigen Zier
0).
Wir wollen uns jetzt überlegen, warum der oben angegebene bemerkenswerte (und merkenswerte!)
Zusammenhang rational genau dann wenn Dezimalentwicklung periodisch wirklich stimmt. Sei dazu
x
irgendeine reelle Zahl.
• Zunächst die etwas einfachere Implikation! Sei die Dezimalentwicklung von x periodisch. (Vollziehen Sie die folgende
Argumentation anhand einer abbrechenden und einer nichtabbrechenden periodischen Dezimalzahl Ihrer Wahl
nach!) Das heiÿt, dass eine Nachkomma-Stelle i0 ∈ N exisitiert und eine Periode p ∈ N, sodass ai+p = ai für alle
i ≥ i0 . Die Dezimalentwicklung von x sieht also so aus:
a−m a−(m−1) . . . a0 , a1 . . . ai0 ai0 +1 . . . ai0 +p ai0 ai0 +1 . . . ai0 +p ai0 ai0 +1 . . . ai0 +p . . . ,
und das heiÿt nichts anderes, als dass
x = a−m 10m + a−(m−1) 10m−1 + · · · + a0 + a1 10−1 + · · · + ai0 10−i0 + · · · ai0 +p 10−i0 −p + · · ·
Die Idee ist nun, dass wir aus dem periodischen hinteren Teil die endliche Summe ai0 10−i0 + · · · + ai0 +p 10−i0 −p
ausklammern können:
ai0 10−i0 + · · · + ai0 +p 10−i0 −p + ai0 10−i0 −p−1 + · · · + ai0 +p 10−i0 −2p
+ ai0 10−i0 −2p−1 + · · · + ai0 +p 10−i0 −3p + · · ·
´`
´
`
= ai0 10−i0 + · · · + ai0 +p 10−i0 −p 1 + 10−p + 10−2p + · · ·
n
X
´
`
= ai0 10−i0 + · · · + ai0 +p 10−i0 −p lim
(10−p )k ,
n→∞
k=0
und wir den Grenzwert nach der geometrischen Summenformel (Aufgabe 5 des letzten Vortragsübungszettels)
berechnen können zu
lim
n→∞
n
X
(10−p )k = lim
k=0
n→∞
1
1 − (10−p )n−1
=
.
1 − 10−p
1 − 10−p
Das ist eine rationale Zahl (ein Bruch natürlicher Zahlen!), die ausgeklammerte endliche Summe ai0 10−i0 + · · · +
ai0 +p 10−i0 −p ist eine rationale Zahl (eine Summe von Produkten rationaler Zahlen ist wieder eine rationale Zahl,
weil die rationalen Zahlen wie Sie in der Vorlesung gelernt haben ein Körper sind), und auch der vordere Teil
a−m 10m + a−(m−1) 10m−1 + · · · + a0 + a1 10−1 + · · · + ai0 −1 10−i0 +1
ist (wieder als Summe von Produkten rationaler Zahlen) wieder eine rationale Zahl. Also ist auch x eine rationale
Zahl, was zu zeigen war.
• Jetzt zur umgekehrten Implikation! Sei x eine rationale Zahl. Das heiÿt x = ± m
für ein m ∈ N ∪ {0} und ein n ∈ N.
n
Wir müssen zeigen, dass die Dezimalentwicklung von x periodisch ist. Wie bestimmt man die Dezimalentwicklung
von x = ± m
? Ganz einfach: indem man mithilfe des Schulalgorithmus der schriftlichen Division m durch n dividiert.
n
Dieser Algorithmus geht ja bekanntlich folgendermaÿen. (Vollziehen Sie den Algorithmus anhand von Beispielen
1
1
nach: berechnen Sie durch schriftliche Division beispielsweise die Dezimalentwicklung von 71
oder 17
!)
Schritt 1
Schreibe m1 := m. Wähle k1 ∈ N ∪ {0} minimal mit 10k1 m1 ≥ n. Schreibe m01 := 10k1 m1 und teile m01 mit Rest
durch n, das heiÿt, bestimme q1 ∈ N und r1 ∈ {0, 1, . . . , n − 1} mit
m01 = q1 n + r1 .
Schreibe nun die Dezimalentwicklung der (natürlichen!) Zahl q1 auf und schiebe diese Ziernsequenz um k1
Stellen nach rechts hinters Komma (sodass also k1 Nachkomma-Stellen entstehen).
Schritt 2
Schreibe m2 := r1 . Wähle k2 ∈ N minimal mit 10k2 m2 ≥ n. (Das ist das Herunterholen von Nullen in der
schriftlichen Division: hänge an m2 genau so viele Nullen an, dass n gerade eben in die entstehende Zahl 10k2 m2
reinpasst.) Schreibe m02 := 10k2 m2 und teile m02 mit Rest durch n, das heiÿt, bestimme q2 ∈ N und
r2 ∈ {0, 1, . . . , n − 1} mit
m02 = q2 n + r2 .
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(Beachte, dass die Dezimalentwicklung der natürlichen Zahl q2 nur aus einer einzigen Zier besteht, mit anderen
Worten: q2 ∈ {1, 2, . . . , 9}. Denn wäre q2 gröÿer oder gleich 10, dann wäre schon 10k2 −1 m2 gröÿer oder gleich n.
Widerspruch (zur Minimalität von k2 )!)
Schreibe nun hinter die im 1-ten Schritt erhaltene Ziernsequenz k2 − 1 Nullen und dahinter hänge die aus einer
einzigen Zier bestehende Dezimalentwicklung der natürlichen Zahl q2 .
(Beachte: die obige Anweisung, k2 − 1 Nullen anzuhängen (und nicht alle k2 heruntergeholten Nullen), entspricht
der Tatsache, dass Sie beim schriftlichen Dividieren die erste heruntergeholte Null nicht an die bis dahin
erhaltene Ziernsequenz anhängen, sondern nur die weiteren k2 − 1 heruntergeholten Nullen)
Solange der Rest des vorhergehenden Schrittes ungleich 0 ist, wiederhole Schritt 2 immer wieder jeweils mit
dem Rest des vorhergehenden Schrittes als neuem m.
Der Witz ist nun: in jedem Schritt wird mit Rest durch n geteilt, die entstehenden Reste liegen also immer in
der festen (vom einzelnen Schritt unabhängigen) Menge {0, 1, . . . , n − 1}. Das heiÿt aber, dass sich spätestens im
(n+1)-ten Schritt ein Rest ergibt, der sich schon in einem früheren Schritt ergeben hat. Spätestens ab da wiederholt
sich also die Abfolge der entsehenden Reste ri und damit auch die Abfolge der Ziern in der Dezimalentwicklung
. Die Dezimalentwicklung von m
ist also tatsächlich periodisch, was zu zeigen war.
von m
n
n
x ist genau dann rag ∈ {2, 3, . . . , 10, . . . , 16, . . . } irgendeine
Basis sein darf es muss nicht g = 10 sein). Der Beweis geht aber ganz genauso wie im Sonderfall g = 10.
Der eben bewiesene Zusammenhang gilt auch allgemeiner: eine reelle Zahl
tional, wenn ihre
Die Zahl
π
g -adische
Entwicklung periodisch ist (wobei
ist irrational. Also ist für beliebiges
g ∈ {2, 3, . . . }
die
g -adische
Entwicklung von
π
nichtperiodisch.
Wieso liegt zwischen zwei rationalen Zahlen immer eine
irrationale und zwischen zwei irrationalen Zahlen immer eine
rationale?
Die rationalen Zahlen und die irrationalen Zahlen sind ineinander verschachtelt in dem präzisen Sinn,
dass zwischen zwei beliebigen rationalen Zahlen immer eine irrationale Zahl liegt und zwischen zwei
beliebigen rationalen Zahlen immer eine irrationale Zahl liegt. Anders gesagt: in keinem noch so kleinen Intervall
(x, y)
liegen nur rationale oder nur irrationale Zahlen. Wir wollen das hier einmal genau
überlegen.
Seien x, y zwei rationale Zahlen mit x < y . Angenommen, zwischen x und y liegen nur rationale Zahlen. Dann liegen
auch in jedem Intervall, das aus [x, y] durch Verschiebung um eine rationale Zahl a ∈ Q und anschlieÿende Streckung mit
einem rationalen Streckfaktor b ∈ Q hervorgeht, nur rationale Zahlen. Durch das beschriebene Vorgehen (erst Verschieben,
dann Strecken) können wir aus dem vorgegebenen Intervall [x, y] ein Intervall [b(x + a), b(y + a)] konstruieren, das das
Einheitsintervall [0, 1] umfasst: [b(x + a), b(y + b)] ⊃ [0, 1]. Nach dem anfangs Gesagten liegen in [b(x + a), b(y + a)] nur
√
rationale Zahlen, insbesondere
√ liegen in [0, 1] nur rationale Zahlen, kurz:
√ [0, 1] ⊂ Q. Aber das kann nicht sein, denn 1 − 2
liegt zwar in [0, 1], aber 1 − 2 ist nicht rational (weil sonst auch 2 rational wäre). Widerspruch! (Alternativ könnten
wir auch mithilfe eines Abzählbarkeitsarguments einen Widerspruch erzielen: aus [0, 1] ⊂ Q und der Abzählbarkeit von Q
(Abbildung 3 des Vorlesungsskripts) würde folgen, dass auch [0, 1] abzählbar ist. Aber das stimmt nicht nach Lemma 9.11
der Vorlesung. Widerspruch!)
Seien nun x, y zwei irrationale Zahlen mit x < y . Wir gehen ähnlich wie gerade eben vor: wir verschieben zunächst
das Intervall [x, y] um eine so groÿe rationale Zahl a ∈ Q, dass das entstehende Intervall in der positiven Halbachse (0, ∞)
liegt (Dies nur damit wir nicht je nach Vorzeichenkonstellation drei Fälle behandeln müssen). Und dann strecken wir
dieses Intervall um eine so groÿe natürliche Zahl n ∈ N, dass es eine Länge gröÿer als 1 hat. Dann liegt notwendig eine
natürliche Zahl m in dem konstruierten Intervall [n(x + a), n(y + a)] (in jedem Intervall der Länge gröÿer oder gleich 1
liegt eine natürliche Zahl!) und damit liegt die (rationale!) Zahl m
− a im ursprünglichen Intervall [x, y]. Wir haben also
n
eine rationale Zahl in [x, y] gefunden, und genau das war zu tun.
Wenn Ihnen das zu abstrakt ist: dass zwischen zwei irrationalen Zahlen immer eine rationale liegt, könnten wir auch
mithilfe von Dezimalentwicklungen einsehen. Seien nämlich x und y zwei irrationale Zahlen, die in (0, 1) liegen (dies nur
zur Vereinfachung!), und seien 0, a1 a2 a3 . . . bzw. 0, b1 b2 b3 . . . die Dezimaldarstellungen von x bzw. y . Dann gibt es wegen
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x 6= y eine erste Stelle i0 mit ai0 6= bi0 . Wegen x < y gilt ai0 < bi0 . Idee nun: streiche die Stellen von y , die hinter bi0
stehen, und setze
q := 0, b1 b2 . . . bi0 000 . . . .
Dann ist q als abbrechende (insbesondere periodische) Dezimalzahl eine rationale Zahl (wie wir weiter oben gezeigt haben), und q liegt nach Konstruktion oensichtlich zwischen x und y , wie gewünscht.
Als kleine Verallgemeinerung können Sie mithilfe der beiden eben bewiesenen Aussagen zeigen, dass
zwischen zwei beliebigen reellen Zahlen immer eine rationale und irrationale Zahl liegt (sogar jeweils
unendlich viele!). Hinweis: der Mittelwert einer rationalen Zahl und einer irrationalen Zahl ist irrational.
Wie viele irrationale Zahlen gibt's?
Es gibt überabzälbar viele irrationale Zahlen. Denn angenommen, die Menge
wäre abzählbar, dann wäre auch die Vereinigung
I∪Q
abzählbar (weil
Q
I
der irrationalen Zahlen
abzählbar ist (Abbildung 3
im Skript) und die Vereinigung zweier abzählbarer Mengen abzählbar ist nach Aufgabe 8 der Vortragsübungen). Aber das kann nicht sein, denn
I∪Q
ist gleich
Lemma 9.11 der Vorlesung noch nicht einmal die Teilmenge
4
R und R ist nicht
[0, 1] abzählbar ist).
abzählbar (weil nach
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