Marina Rubini erforscht mit Leidenschaft Proteinfaltung und

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Marina Rubini erforscht mit Leidenschaft
Proteinfaltung und -design
Therapeutische Proteine sind ein wesentlicher Bestandteil moderner Pharmazie. Gerade bei
Glykoproteinen ist dabei entscheidend, dass sie bei der Herstellung korrekt glykosyliert
werden. Dr. Marina Rubini von der Universität Konstanz erforscht Möglichkeiten zum
Proteindesign durch nichtnatürliche Aminosäuren, um so beispielsweise posttranslationale
Modifikationen wie Glykosylierungen ortsspezifisch in Proteine einzubauen. Als Modell dient
ihr dabei das Glykoprotein-Hormon Erythropoietin (EPO), das zu den meistverordneten
Medikamenten weltweit zählt.
Krebspatienten leiden häufig nicht nur unter ihrer Erkrankung, sondern auch unter den
Nebenwirkungen der Chemotherapie . Die Medikamente wirken meist gezielt auf sich stark
teilende Zellen und greifen dadurch nicht nur Krebszellen, sondern beispielsweise auch
Blutzellen an, die für die Neubildung von Erythrozyten verantwortlich sind. In der Folge leiden
viele Patienten an Blutarmut, die häufig mit Erythropoetin ( EPO) behandelt wird. EPO spielt als
Wachstumsfaktor für Erythrozyten eine zentrale Rolle bei der Blutbildung und kann somit die
negativen Nebenwirkungen der Chemotherapie verringern und die Prognose für die Patienten
verbessern.
Um ausreichende Mengen des Proteins für therapeutische Anwendungen zu erhalten, wird EPO
biotechnologisch als rekombinantes Protein produziert. Da das Hormon über Glykosylierungen,
also an das Protein geknüpfte Zuckerketten (Glykane) verfügt, findet diese Produktion nicht in
Bakterien, sondern in Säugerzellkulturen statt. „Bakterien können prinzipiell keine
glykosylierten Proteine produzieren“, erklärt Dr. Marina Rubini von der Universität Konstanz,
die sich in ihrer Forschung mit rationalem Proteindesign beschäftigt.
In Säugerzellen dagegen werden diese Glykosylierungen während oder nach der
Proteintranslation an das Protein angeheftet. Die Art und das Muster der angehängten
Kohlenhydrate sind aber entscheidend für den Verbleib im Blutkreislauf und damit für die
Wirkdauer von EPO. Auch schützen die Zuckerketten vor dem Angriff von Proteasen, die das
Protein ansonsten innerhalb kürzester Zeit degradieren würden.
Die Glykosylierungen variieren natürlicherweise sowohl zwischen verschiedenen Organismen
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Dr. Marina Rubini ist Nachwuchsgruppenleiterin am Lehrstuhl für Organische Chemie und Zelluläre Chemie an der
Universität Konstanz. © Marina Rubini
als auch im einzelnen Individuum, so dass ein sehr heterogenes Muster entsteht, welches keine
direkte Korrelation zwischen Glykanstruktur und Proteinfunktion ermöglicht. Darum entwickelt
Dr. Marina Rubini einen neuen Ansatz zur Herstellung von EPO, der den spezifischen Einbau
von Glykanen erlaubt. „EPO dient uns hier als Modell für die Synthese und Optimierung
therapeutischer Proteine “, erklärt sie den Hintergrund des Projekts.
Glykosylierung „im Reagenzglas“
Die Biochemikerin arbeitet an einer Technik, um posttranslationale Modifikationen bei der
Produktion gezielt in Proteine einzubauen. Dazu verwendet sie keine Säugerzellen, sondern E.coli-Bakterien. „Bakterien eignen sich hervorragend zur Produktion rekombinanter Proteine ,
denn sie sind leicht genetisch manipulierbar und können große Mengen an Protein
produzieren“, schildert Rubini. Das Problem der fehlenden Glykosylierung in Bakterien löst sie
durch den Einsatz nichtnatürlicher Aminosäuren, die über spezielle funktionelle Seitenketten
verfügen. Um diese in E. coli in das Protein einzubauen, wird zuerst die DNA-Sequenz an der
gewünschten Stelle mutiert, um ein Stoppcodon zu erzeugen. Normalerweise würde das das
Ende der Proteintranslation an dieser Stelle bedeuten. „In dem System, mit dem wir arbeiten,
hat dieses Stoppcodon aber eine Sonderbedeutung und dient als Signal für den Einbau der
nichtnatürlichen Aminosäure“, beschreibt Dr. Rubini das Prinzip.
Das derart modifizierte Protein kann anschließend ohne Glykosylierungen in Bakterien
produziert werden. Im Anschluss erfolgt dann „im Reagenzglas“ die künstliche Anknüpfung
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der Glykane an die funktionellen Seitenketten der Aminosäuren.
„Click“-Chemie zur Molekülverknüpfung
Die Biochemikerin Dr. Marina Rubini arbeitet am Proteindesign durch nichtnatürliche Aminosäuren, um so
beispielsweise definierte posttranslationale Modifikationen gezielt in Proteine einbringen zu können. © Marina Rubini
Die Verknüpfung der Zuckerketten mit den Aminosäuren erfolgt durch „Click“-Chemie, eine
Technik speziell zur schnellen und stabilen Verbindung von Molekülen durch die selektive
Verknüpfung kleiner Einheiten. Zur „Click“-Chemie zählen verschiedene Reaktionen. Im Fall
von Dr. Rubinis Arbeit handelt es sich um eine sogenannte Kupfer-katalysierte Cycloaddition.
„Diese Herangehensweise hat den Vorteil, dass das rekombinante Protein in E. coli mit hoher
Ausbeute produziert werden und später fast beliebig modifiziert werden kann“, erläutert Dr.
Rubini.
Die Technologie lässt sich theoretisch auch bei anderen therapeutischen Proteinen einsetzen.
Durch die gezielte Beeinflussung der Kohlenhydratketten erwartet Dr. Rubini auch neue
Erkenntnisse über die generelle Interaktion zwischen Glykanen und Proteinen. „Die
gewonnenen Einsichten können dann eingesetzt werden, um die Effizienz der EPOVerabreichung zu steigern, und im Idealfall auch, um weitere therapeutische Proteine zu
optimieren“, hofft Dr. Rubini. Mit einer baldigen Anwendung von auf diese Weise produzierten
Glykoproteinen bei Patienten ist allerdings nicht zu rechnen. „Leider sind wir erst am Anfang.
Der Weg ist noch lang“, dämpft Dr. Rubini allzu große Hoffnungen.
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Glossar
Fachbeitrag
05.08.2013
Bettina Baumann
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Marina Rubini
Fachbereich Chemie
Universität Konstanz
E-Mail: Marina.Rubini(at)uni-konstanz.de
Universität Konstanz, Fachbereich
Chemie
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Chemische Werkzeuge für biologische Anwendungen
Moleküldesign nach Maß und Bedarf
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