Klinische Studien: Der Weg vom Labor zum Patienten Fabienne Krauer und Diane Poster Zürich, 22.1.2013 Was ist medizinische Forschung? Grundlagenforschung Aufstellung, Nachprüfung und Diskussion grundlegender Prinzipien Klinische Forschung «[…] systematische, überprüfbare Suche nach neuen Erkenntnissen über Gesundheit und Krankheit beim Menschen» Leitfaden zur Foschung mit Menschen, SAMW 2009 Fotos: Maggie Bartlett, NHGRI, Klinikum Uni München Was beinhaltet klinische Forschung? Heilmittelstudien Studien, mit denen die Sicherheit, Wirksamkeit oder weitere Eigenschaften eines Heilmittels systematisch überprüft werden. (Heilmittel: Medikamente und Medizinprodukte) Kohortenstudien Nach bestimmten Kriterien definierte Gruppen (Kohorten), welche ohne eine experimentelle Intervention über einen Zeitraum beobachtet werden, im Hinblick auf einen definierten Endpunkt. Kleine Geschichte der medizinischen Forschung 1747 führte der schottische Schiffsarzt James Lind eine kontrollierte Vergleichsstudie zur Therapie von Skorbut durch. 12 Skorbut-Patienten - in zwei Gruppen zu je 6 Patienten unterteilt, die alle dieselbe Diät erhielten. Eine Gruppe bekam zusätzlich Zitrusfrüchte und wurde rasch gesund. Die Kontrollgruppe erhielt lediglich Meerwasser, das nicht zur Gesundung führte. Daraufhin führte die Britische Marine 1795 die Zitrus-Diät ein Foto: BBC.co.uk Kleine Geschichte der medizinischen Forschung 1933-45, Deutschland Versuche an Häftlingen der Konzentrationslager 1957-1961 , Deutschland Contergan-Skandal 1932-1972, USA Tuskegee Syphilis Studie: Beobachtungsstudie ohne Einsatz der Syphilis Medikamente und ohne Aufklärung der Patienten Lehren aus der Geschichte: Richtlinie und Kodices 1946/47 Nürnberger Kodex - ethische Richtlinien zur Vorbereitung und Durchführung medizinischer Experimente 1964 Deklaration von Helsinki - Deklaration des Weltärztebundes zu Ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen 1990 ICH GCP (EU, Japan, USA) – Guidelines für «Good clinical Practice» Harmonisierung des Zulassungsprozesses für Medikamente 1970-1997 SAMW – medizinisch-ethische Richtlinien zur Forschung mit Menschen Good Clinical Practice – ein MUST Internationaler ethischer und wissenschaftlicher Standard für die Durchführung klinischer Studien Basiert auf der Deklaration von Helsinki Entwickelt von EU, Japan, USA, in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und WHO Beschreibt Verantwortlichkeiten des Prüfarztes, Studiendesign, Studienprotokoll, Statistik, … Heilmittelstudien: Das Ziel Das «Optimale Medikament»: wirksam verträglich (ohne Nebenwirkungen) sicher (ohne schwerwiegende Risiken) Spezifisch für ein «Target» „Target“ Körpereigener Stoff (Protein) der eine zentrale Rolle bei der Krankheit spielt Ziel ist, es eine chemische Substanz zu finden, die auf das Target wirkt Medikamentenentwicklung www.bayerpharma.com Wirkstoffentdeckung Compound Library Zehntausende von Wirkstoffen Durch high-throughput Screening zum Auffinden neuer Substanzen, welche mit einem bestimmten «Target» (Proteine, welche mit einer Krankheit in Verbindung stehen) reagieren Robotergesteuert Medikamentenentwicklung www.bayerpharma.com Präklinische Entwicklung In vitro • Zellen von Versuchstieren oder Menschen (HUVEC, HeLa) In vivo • Versuchstiere: Ratten, Mäuse • Versch. Modelle (z.B. hypertensive Ratten, ADPKD Mäuse Präklinische Entwicklung Wirkstoff wird in unterschiedlichen Konzentrationen an verschiedenen Tiermodellen getestet: Giftigkeit Nebenwirkungen Verhalten des Wirkstoffs im Körper Krankheiten Krebs Embryoschädigende Wirkung Ziel: Elimination von Substanzen mangelnder Wirksamkeit und mit bedenklichen Nebenwirkungen Patentanmeldung Gleichzeitige Anmeldung mehrerer ähnlicher Substanzen Fokus nicht nur auf einen Wirkstoff ähnliche potentielle Wirkstoffe reservieren Nachahmungspräparate behindern Weshalb ein Patent? Um den Preis auf einem gewissen Niveau zu halten Um Forschungs- und Entwicklungskosten zurückzuerhalten Um neue Produkte zu finanzieren Klinische Phase Ziel: Test der Wirksamkeit und Beweis der unschädlichen Anwendung der Prüfsubstanz am Menschen Richtlinien der klinischen Prüfung Strukturgleichheit/Homogenität der zu vergleichenden Gruppen Beobachtungsgleichheit - Rahmenbedingungen Behandlungsgleichheit Ausreichende Wiederholung Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse Prüfplan - „Studienprotokoll“ Aufgabe: Basis für die einheitliche und systematische Durchführung der Studie Gewährleistet Reproduzierbarkeit der Studie Inhalt: Zielsetzung der Studie Methodik und Design, Fallzahl zu messende Parameter Formulierung des „primären Endpunktes“ Ein- und Ausschlusskriterien Sicherheit der Studienteilnehmer Statistik Studienablauf Behandlung A Screening Randomisierung Auswertung Behandlung B „Primärer Endpunkt“ Messbare, klar definierte klinische Grösse „harte Endpunkte“- Eintritt eines Ereignis wie Tod, Rezidiv, Herzinfarkt „weiche Endpunkte“- Lebensqualität, Schmerzen Surrogatmarker: Laborparameter welche mit dem zu messenden Endpunkt identisch sein können Studiendesign: “ Randomized controlled trial“ RCT (Goldstandard) Prospektiv (vorausschauend) Festlegen einer Hypothese und nachfolgend Durchführung der Studie Kontrolliert Experimental- / Verum-Gruppe (Medikament) vs. Kontroll- / Placebogruppe Studiendesign: “ Randomized controlled trial“ RCT (Goldstandard) Randomisiert Zuordnung zu den Gruppen erfolgt zufällig (Losentscheid) Doppelblind Weder der Proband noch der Versuchsleiter kennen die Zuteilung zur Versuchsgruppe Klinische Entwicklung Marktzulassung Anmeldung bei Behörden Phase I Anmeldung bei Behörden Phase II Anmeldung bei Behörden Phase III Anmeldung bei Behörden Phase IV Klinische Prüfung Phase I: SAFETY «First in Men» Testen der Unbedenklichkeit Dosisfindung (minimal/maximal) Gesunde Probanden (junge Männer) 10-100 Teilnehmer Überprüfung ob das Tiermodell auf den Menschen übertragbar ist. Klinische Prüfung Phase II: EFFICACY Wirksamkeitsprüfung Dosisfindung Nebenwirkungen Interaktionen mit Lebensmitteln 100-500 Patienten Klinische Prüfung Phase III: CONFIRMATION Bestätigung der Wirksamkeit Interaktionen mit anderen Medikamenten Nebenwirkungen 1000-5000 Patienten RCT, double blind Marktzulassung Klinische Prüfung Phase IV: Nach der Marktzulassung Langzeitstudien Erfassung sehr seltener Nebenwirkungen (1 Person von 10’000) Therapieoptimierung Kosteneffizienz Aufgaben der Zulassungsbehörden Nachweis von - Qualität – Wirksamkeit – Unbedenklichkeit - Rechtliche Grundlagen – Nationale Arzneimittelgesetze – Europäische Gesetzgebung/Richtlinien Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit GESENT, Bonn, 29. Nov. 2007 Marktzulassung USA: Food and Drug Administration (FDA) EU: European Medicines Agency (EMEA) Schweiz: Swissmedic Ein Medikament wird nur dann zugelassen wenn: Das Einsatzgebiet oder der Wirkmechanismus neu ist Es eine verbesserte Wirksamkeit als bestehende Wirkstoffe aufweist Generika Kopie eines bereits zugelassenen Medikamentes – Markenproduktes wirkstoffgleich, billiger erlaubt - bspw- wenn Patent abgelaufen, verletzt oder ungültig ist Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit