Thermische Speicher mit hoher Energiedichte

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t Abbildung 1
Sorptionsspeicher
mit Silikagel gefüllt
Quelle: AEE INTEC
Thermische Speicher
mit hoher Energiedichte
Von Wim van Helden*
Mehr als 60% des Primärenergiebedarfs wird
für das Heizen und Kühlen aufgewendet. Dieser
Bedarf kann durch bessere Wärmedämmung,
effizientere energetische Prozesse und durch
Ersatz von fossilen durch erneuerbare Energiequellen für das Heizen und Kühlen gesenkt
werden.
* Dr. Wim van Helden ist Bereichsleiter für solarthermische
Systeme im Arbeitsprogramm „Energie in der gebauten Umwelt“
bei der ECN, Energy Research Centre of the Netherlands,
[email protected], www.ecn.nl/egon
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Die wichtigste erneuerbare Energiequelle für Wärme ist die thermische Solarenergie. Die Europäische Solar Thermie Technologie Plattform ESTTPpublizierte zu diesem Thema ein Visionspapier. Gemäß dieser Vision kann die thermische Solarenergie bis
zum Jahr 2030 Energie für Heizen und Kühlen in Gebäuden und
in der Industrie in der Größenordnung von 20% zur Verfügung
stellen.
Thermische Solarenergie wird von der Solaranlage naturgemäß
nicht kontinuierlich zur Verfügung gestellt, sondern variiert
über den Tagesverlauf. Der Bedarf an Wärme und Kälte ist ebenso nicht kontinuierlich. Durch den Einsatz thermischer Speicher
wird der Zeitpunkt der Energiebereitstellung vom Zeitpunkt des
Energiebedarfs unabhängig gemacht . Speicherung ist also eine
unbedingt notwendige Maßnahme, um vernünftige Wirkungsgrade thermischer Systeme zu erreichen.
Doch Speicher werden nicht nur bei der Nutzung thermischer Solarenergie eingesetzt. Speicher verbessern Systemleistungen
und Wirkungsgrade auch bei anderen Technologien: Solare
Stromerzeugung mit konzentrierenden Systemen, Biomassenutzung, Wärmepumpen, Nah- und Fernwärme, Kraft-Wärme-
15
Solarthermie
Thermische
Speicher
sensibel
sorptiv
latent
chemisch
flüssig
fest
anorganisch
organisch
Adsorption
Absorption
Wasser
Gebäudemasse
Salzhydrate
Paraffine
offen
geschlossen
Grundwasser
Beton
t Abbildung 2
Unterteilung verschiedener Technologien zur Speicherung
von thermischer Energie
Erdreich
Kopplungen und Müllverbrennungsanlagen. Alle diese Technologien haben spezifische Anforderungen an Leistung, Temperaturniveau und Ein- und Ausgangsleistung des Wärmespeichers.
Dementsprechend gibt es eine große Zahl verschiedener Speichertypen und -systeme.
Die gängigste Technologie ist die Wärmespeicherung im Medium Wasser in Behältern, Schächten und unterirdischen Schichten. Die Größe des Speichers wird durch die Wärmekapazität
von Wasser vorgegeben. Diese ist für die meisten Anwendungen
ausreichend. Um Warmwasser zu speichern, das von Sonnenkollektoren erzeugt wurde, ist z. B. ein Speicher mit wenigen hundert Litern ausreichend, um mehr als 50% des Warmwasserbedarfs eines Einfamilienhauses zu decken. Will man mehr als
50% Deckung erreichen um auch im Winter den Haushalt mit erneuerbarer Wärme zu versorgen, muss der Speicher signifikant
größer werden. Wenn genügend Fläche im oder um das Haus zur
Verfügung steht, kann die Wärme in einem sehr großem Speicher oder im Erdreich gespeichert werden. Aufgrund des relativ
niedrigen Temperaturniveaus sind in diesem Fall Wärmepumpen notwendig. Die nötige Antriebsenergie für Wärmepumpen
macht es allerdings viel schwieriger, 100% erneuerbare Systeme
zu errichten. Im Fall von Wohnanlagen mit geringem Platzangebot für Wärmespeicher können Speicher mit höherer Dichte als
Wasser eine größere Deckung des Energiebedarfs mit erneuerbarer Energie bewirken.
Im Folgenden wird der Stand der Technik von Speichern hoher
Energiedichte ausgeführt.
Speichertechnologien
Abbildung 2 zeigt eine schematische Unterteilung verschiedener Technologien zur Speicherung von thermischer Energie. Die
vier Haupttechnologien sind: die sensible Wärmespeicherung,
die latente Wärmespeicherung, Speicherung mittels Sorption
und die chemische Wärmespeicherung. Von links in der Abbildung beginnend nimmt die Häufigkeit der Anwendung in der
Praxis ab und die potenzielle Wärmekapazität zu.
t Abbildung 3
Wärmespeicherung
in einem 11-m³Wassersack für
niedrige Räume
Quelle: ECN
16
Das Material mit einer der höchsten Wärmekapazitäten ist Wasser. Es werden 4,2 Joule benötigt, um die Temperatur von einem
Gramm Wasser um ein Kelvin zu erhöhen. Durch das Zusammenspiel der hohen Wärmekapazität, der leichten Verfügbarkeit
und der geringen Kosten ist Wasser das am häufigsten eingesetzte Material zur Wärmespeicherung. Wie bereits oben beschrieben stellt sich nun die Aufgabe Systeme zu finden, die höhere
Speicherdichten aufweisen. Typische Speicherdichten für Wasserspeicher liegen bei 250 MJ /m³ oder 70 kWh /m³.
Latente Wärmespeicherung
Bei der latenten Wärmespeicherung wird der Phasenübergang eines Materials genützt, zumeist der Schmelzvorgang. Typisch für
die Anwendung eines latenten Wärmespeichers ist, dass die Wärmeübertragung in einem relativ kleinen Temperaturbereich stattfindet. Dafür benötigt der Phasenübergang selbst viel Energie.
Deshalb ist die Speicherdichte dieser Systeme relativ hoch, allerdings ist die Anwendung beschränkt auf einen begrenzten Temperaturbereich.
Das Material eines Latentspeichers wird Phasenübergangsmaterial PCM (phase change material) genannt. Ein Phasenübergangsmaterial hat eine sehr hohe Wärmekapazität in einem sehr
kleinen Temperaturbereich. Wenn die bereitgestellte erneuerbare Wärme in einem breiten Temperaturbereich
gespeichert werden soll,
wird die hohe Wärmekapazität der PCMs vermindert und der Vorteil
latenter Speicher gegenüber Wasserspeichern
wird reduziert. Mit den
derzeit verfügbaren Phasenübergangsmaterialien erzielt ein thermische Speicher je nach
Temperaturbereich nur
10 bis 20% höhere Speicherdichten als die übli-
u Abbildung 4
Silicagel
Quelle: AEE INTEC
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Solarthermie
Beladen
t Abbildung 5
Arbeitsprinzip
von thermochemischen
Speichern
→
Wärme
Speichern
u Abbildung 6
Poröser Zeolith
wird im Monosorp
System am ITW
Stuttgart
verwendet
Entladen
→
Wärme
chen Wasserspeicher. Es werden also bessere Materialien benötigt. Deswegen beschäftigen sich die aktuellen Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten zu diesem Thema mehr und mehr mit der
Suche nach neuen, verbesserten Materialien.
Sorptionsspeicher
Die Wärmespeicher mit der höchsten potenziellen Energiedichte sind Sorptionsspeicher und chemische Speicher.
Materialien zur Sorption von Wasser können sehr leicht große
Mengen an Wasser aufnehmen. Die Wassermoleküle werden an
der Oberfläche des Materials adsorbiert. Die Oberfläche dieser
Materialien ist sehr groß, da sie eine offene, poröse Struktur haben. Je größer die Porösität ist, desto höher ist die Speicherkapazität des Sorptionsmaterials. Bekannte Materialien sind Silikagel und Zeolithe (Abbildungen 4 und 6).
Die Adsorption von Wasser durch ein Sorptionsmaterial ist abhängig von der Temperatur und vom Druck. Durch Druckänderungen im System kann die Speichertemperatur geändert werden. Die meisten Adsorbentien benötigen Drücke unterhalb des
athmosphärischen Drucks, um bei Raumtemperatur arbeiten zu
können. Wenn das ganze System vakuumtauglich sein soll, erhöht dies den Preis für die Anlage deutlich. Daher wird an der
Entwicklung von Materialien gearbeitet, die bei normalem
Druck eine gute Adsorption von Wasser zeigen.
Thermochemische Speicher
Bei der thermochemischen Speicherung werden chemische Reaktionen genützt um Wärme in einem Material zu speichern. Das
Arbeitsprinzip dieser Speicher ist in Abbildung 5 ersichtlich.
Material
Dissoziationsreaktion
C
⇔ B
+
A
GJ/m³*
°C**
MgSO4⋅7H2O
MgSO4
H2O
2,8
122
Eisencarbonit
FeCO3
FeO
CO2
2,6
180
Eisenhydroxid
Fe(OH)3
FeO
H2O
2,2
150
Calciumsulfat
CaSO4⋅2H2O
CaSO4
H2O
1,4
89
Magnesiumsulfat
* Speicherdichte von C, ** Phasensübergangstemperatur
p Tabelle 1
Ausgewählte Materialien für thermochemische Speicher
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Wenn dem Material Wärme zugeführt wird, wird es in zwei Komponenten zerlegt. Diese beiden Komponenten können für lange
Zeit ohne Energieverlust gespeichert werden. Werden diese beiden wieder zusammengebracht, so findet die Umkehrreaktion
statt und die Wärme wird wieder frei. Die Temperatur, die zur
Trennung notwendig ist, ist abhängig von den molekularen Bindungskräften. Bei den meisten Materialien ist diese Temperatur
relativ hoch und daher nicht geeignet für die Anwendung in thermischen Speichern. Die Suche konzentriert sich daher auf Materialien, die niedrige Reaktionstemperaturen haben. Eine Gruppe
dieser Materialien sind die Hydrate. Bei diesen ist Wasser eine
der beiden Komponenten. Die andere Komponente ist zumeist
ein Salz, zum Beispiel Calciumchlorid oder Magnesiumsulfat
(siehe auch Tabelle 1).
Forschung und Entwicklung
Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich der
kompakten thermischen Speicher wurden schwerpunktmäßig in
zwei Programmen der Internationalen Energieagentur durchgeführt. Im Annex 17 des ECES-Programms (Energy Conservation through Energy Storage – Energieeinsparung durch Energiespeicherung) wurden Forschungsarbeiten zu Phasenübergangsmaterialien und chemischen Reaktionen durchgeführt. Im Task
32 des Programms für Solares Heizen und Kühlen (SHC) wurden hochentwickelte Speicher für solare Gebäude erforscht.
Am ITW in Stuttgart, Deutschland, wird eine Anlage für saisonale Speicherung solarer Wärme entwickelt. Die Speicherung basiert auf der Sorption von Wasser in porösen Zeolithziegeln (Abbildung 6). Diese werden in einer Wärmetauscherbox platziert.
Im Sommer wird der Zeolith durch die warme Luft getrocknet,
die von thermischen Sonnenkollektoren erzeugt wird. Im Winter wird der Zeolith befeuchtet. Dieser Adsorptionsprozess
wärmt die Luft, die durch den Wärmetauscher geleitet wird.
Am EMPAInstitut in der Schweiz wird ein Wärmespeicher basierend auf Natriumhydroxid/Wasser entwickelt, der 2,6 GJ / m³
Wärme auf einem Temperaturniveau von 300°C speichern kann.
Das Prinzip beruht auf der umkehrbaren Reaktion
2NaOH ⇔ Na2O + H2O
Diese Reaktion wurde um das Jahr 1920 herum in feuerlosen
Dampflokomotiven verwendet.
Am Energieforschungszentrum der Niederlande (ECN, Energy
Research Centre of the Netherlands) werden Salzhydrate und im
Speziellen Magnesiumsulfat erforscht. Es wurde eine Machbar-
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Solarthermie
Masse (%)
110
100
MgSO4×7 H2 O(s) Þ MgSO4 ×6 H2 O(s) + H2 O(g)
90
80
MgSO4×6 H2 O(s) Þ MgSO4 ×0,1 H2 O(s) + 5,9 H2 O(g)
70
60
50
MgSO4×0,1 H2 O(s) Þ MgSO4 (s) + 0,1 H2 O(g)
40
0
50
100
150
200
Temperatur (C)
250
300
350
p Abbildung 7
Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop von Magnesiumsulfat MgSO4-7H2O
p Abbildung 8
Hydriertes Magnesium wird langsam auf 300°C aufgeheizt
und setzt Wasserdampf ab. Damit verliert es Masse.
keitsstudie durchgeführt, um Materialien zu finden, welche die
richtigen Eigenschaften für die Speicherung von Wärme unter
150°C besitzen. Die vielversprechendsten Materialien wurden
in weiterer Folge hinsichtlich der Vorgänge bei der Wärmeaufnahme und -abgabe untersucht. Abbildung 8 zeigt die charakteristischen Temperaturen, bei denen Magnesiumsulfat Wärme aufnimmt. Experimente ergeben eine Wärmespeicherung des Materials von 2,1 GJ /m3.
starten soll: der Task/Annex 42 /24 mit dem Titel „Kompakte
Wärmespeicher – Materialentwicklung für Systemintegration“.
In dieser Arbeitsgruppe werden Experten aus der Materialforschung und Spezialisten von Wärmespeichern zusammenarbeiten. Im Rahmen des Task/Annex 42 /24 wird eine große Anzahl
von Einzelprojekten zusammengeführt, beginnend bei der Materialentwicklung von Zeolithen und Salzhydraten bis hin zur Errichtung von Pilotanlagen von Speichern.
Speicher mit hohen Energiedichten sind notwendig um zu erreichen, dass im Jahr 2030 der Energiebedarf im Wohnbereich zu
100% erneuerbar gedeckt werden kann. Aus diesem Grund müssen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in vielen Bereichen
durchgeführt werden. Dies ist zu viel für ein Forschungsinstitut
oder auch für ein Land. Regierungen, Forschungsinstitute, Industrie und andere Akteure müssen auf internationaler Ebene zusammenarbeiten.
In der strategischen Forschungsagenda der ESTTPwird eine Reihe von notwendigen Forschungsarbeiten aufgeführt. Der gemeinsame IEA Task ist nur einer von vielen notwendigen Schritten um die Entwicklung der kompakten Speicher auf die nächste
Stufe zu heben.
Ausblick
Sowohl im Annex 17 als auch im Task 32 kamen die Forscher zur
Erkenntnis, dass für die geforderten Speicher mit hoher Dichte
noch neue Materialien entwickelt werden müssen. Daher wurde
eine gemeinsame Arbeitsgruppe begründet, die im Jahr 2009
Literatur
l ESTTP Solar Heating and Cooling for a Sustainable Energy Future
in Europe. Vision, Potential, Deployment Roadmap, Strategic Research Agenda, 2008. www.esttp.org
l PREHEAT Heat Storage Technologies. Markets - Actors - Potentials. Work Package 4 report of the PREHEAT project.
www.preheat.org
l J.C. Hadorn (ed.) Thermal Energy Storage for Solar and Low Energy Buildings. State of the art by the IEA Solar Heating and Cooling
Task 32. June 2005. ISBN84-8409-877-X
l IEA task/annex 42 / 24. www.iea-shc.org/task42
t Abbildung 9
Phasenübergangsmaterial Salzhydrat-Grafit
Quelle: IWT TU-Graz
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