2004-Eine runde Schindelsache

Werbung
Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2004
Eine runde Schindelsache
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
-2-
Cordula Seger
Kopie aus: Im Holzbauland Graubünden. Verlag Hochparterre Oktober 2004
2004 Eine runde Schindelsache
Seite: 22-23:
Eine runde Schindelsache
Text: Cordula Seger Fotos: Patrick Blarer
Der betagte Untervazer Schindelmacher Lorenz Krättli vermochte den weltberühmten
Architekten Norman Foster zu überzeugen, seine <Chesa Futura> in St. Moritz mit
einer Schindelhaut zu decken. So ist der im Hochtal gelandete <Blubb> mit Schindeln
aus Engadiner Lärchen verkleidet.
1 Patrik Stäger beim Prüfen der Lärchen
2 Die handlichen Schindelbündel sind zur Verarbeitung bereit.
3 Lorenz Krättli beim Schindelspalten
4 Blick durch die lange Werkhalle der Holzbaufirma Amann.
Als der Kanton Graubünden 1972 die Denkmalpflege gründete, hat eine traditionelle
Handwerkskunst Auftrieb erhalten. Kirchendächer und Wals er Maiensässe wurden
wieder mit Schindeln eingedeckt. Seither konnte sich Lorenz Krättli aus Untervaz
immer umfassender seinem Handwerk widmen, aus dem Nebenbei ist Beruf und
Berufung geworden. Heute führt sein Enkel Patrik Stäger den Betrieb, mit ihm sind
Heidi Stäger, Cornelia Zinsli und der unermüdliche Grossvater.
-3-
5 Der <Blubb> mit seinen Nachbarn im Dorf
Von ihm hat Patrik das Handwerk gelernt, als Kind schon stieg er mit aufs Dach.Neben
der Denkmalpflege setzt sich auch Hochbauamt des Kantons für Altbewährtes ein, so
verkleideten die Schindelmacher in Ilanz etwa den neuen Werkhof des
Bezirkstiefbauamts (Seite 34). Immer mehr Architekten interessieren sich für dieses
Material: Als einen der Pioniere zeitgenössischen Bauens mit Schindeln nennt Patrik
Stäger Andrea Rüedi, der die geschwungene Nordfassade seines Churer Vier- FamilienHauses grossflächig verschindeln liess. Peter Zumthors geschuppte Kapelle Sogn
Benedetg in der Surselva (Seite 42), je nach Himmelsrichtung zart silbern oder
sonnenverbrannt, hatte die Schindel schon Ende der Achtzigerjahre in die internationale
Presse gebracht. Nun ist sie in St. Moritz beim <Zukunftshaus> angekommen.
6 Der Zusammenbau der Fensterelemente in der Werkhalle. Jedes ist ein Unikat.
7 Die Bahnen geben die rundum laufende Linie der Schindeln vor.
8 Die Schindeln werden dreifach eingedeckt.
Die <Chesa Futura> forderte die Schindelmacher heraus, vom Auftrag bis zur fertigen
Fassadenverkleidung blieb ein knappes Jahr Zeit. Innerhalb dieses Jahrs galt es,
zwischen Stampa und Martina geeignete Lärchen auszuwählen, insgesamt 250
Kubikmeter Holz zu kaufen, die Stämme nach Untervaz zu bringen, sie dort zu
entrinden, in Scheiben zu schneiden, diese weiter in handliche Segmente zu teilen und
schliesslich aus dem Kernholz, von Mark und Splind befreit, mit Schindelmesser und
Plütscher auf dem Beizblock Schindeln zu spalten.
-4-
9 An der <Chesa Futura> sind die Schindeln kopfunter montiert.
Jeder Arbeitsschritt benötigt eigenes Wissen "Wichtig ist das rechte Holz vom rechten
Ort und zur rechten Zeit», erklärt Patrik Stäger. Die Bäume sollten dort gewachsen sein,
wo sie als Schindeln verwendet werden. Die Lärchen des Engadins, an Höhe und
Trockenheit gewohnt, passen für das St. Moritzer Klima. So bleibt viel vom Profit in
der Region, ein weiterer Punkt, der für die Richtigkeit spricht. Auch bei der Montage
findet jede Schindel ihren Ort, sie wird so befestigt, wie der Baum gewachsen ist, und
mindestens dreifach eingedeckt. Bei einer Schindellänge von 30 Zentimeter sind nur 10
Zentimeter sichtbar. Eine solche mit und aus der Natur gearbeitete Fassade hat ihren
Preis, dafür hält sie gute achtzig Jahre lang. Für welchen Baustoff sonst gilt das?
Das formbare Material
Vor einigen Jahren hätte man die <Chesa Futura> so nicht bauen dürfen. Die Behörde
hätte damals bei einem Apartmenthaus weder eine Schindelfassade noch unverkleidete
Stahlstützen zugelassen. Dies aber sind die entscheidenden Materialien, die dieses Haus
auf den ersten Blick prägen. Das aufgeständerte Volumen scheint wie eine Blase in der
Luft zu schweben. Was so leichtfüssig daherkommt, ist ein der schönen Aussicht, dem
Formwillen und dem Computer geschuldeter Kraftakt: Ein von acht schräg geneigten
und konisch zulaufenden Stützen getragener Stahltisch stemmt das ganz aus Holz
gefertigte Volumen drei Meter in die Höhe. Das tragende Holzskelett kommt dieser
Geste entscheidend entgegen, es reduziert die Eigenlast des Gebäudes um 40 Prozent.
Der Werkstoff Leimholz beweist hier seine ganze Leistungsfähigkeit und Formbarkeit:
Deckenelemente aus Furniersperrholz spannen über die gesamte Breite des Gebäudes,
mit Hilfe von eNG-Maschinen konnten in der Holzbaufirma komplexe, zweifach
gekrümmte Elemente mit einer Toleranz von nur drei Millimeter gefräst werden.
Vorfertigung, Logistik und Montage stammen aus einer Hand. Foster and Partners
haben sich zusammen mit den lokalen, ausführenden Küchel Architects für die Firma
Holzbau Amann aus Deutschland entschieden. Diese legte Erfahrungen mit Grossbauten
in Holz für die Weltausstellung Hannover vor. In Graubünden konnte eine solche Arbeit
nicht gemacht werden. Arnd Küchelist jedoch davon überzeugt, dass die <Chesa
Futura> dem Bündner, ja dem Schweizer Holzbau Impulse geben kann: Hier wird
vorgeführt, wie eine Holzzukunft aussieht. Der Schindelmacher Patrik Stäger ist für alle
Fälle gerüstet.
-5<Chesa Futura>, 2003
2003
- - - - - - - - - - - - - - - -- -- - - St. Moritz
- Bauherrschaft: SISA Immobilien, St. Moritz
- Architekt; Foster and Partners, London; Mitarbeit: Matteo Fantoni, Judit Kimpian,
Tillmann Lenz, Stefan Robanus, Carolin Schaal, Hugh Whitehead
- Lokaler Architekt: Küchel Architects, St. Moritz
- Bauleitung; Vic Cajacob, St. Moritz Mitarbeit: Martin Hauri, Reto Mummenthaler,
Georg Spachtholz, Ivo Weinhardt
- Ingenieur; Edi Toscano, St. Moritz; Ove Arup, London
- Holzbau Ingenieur; Ivo Diethelm, Gommiswald
- Schindelmacher; Patrik Stäger, Untervaz
- Holzbau; Holzbau Amann, D-Weilheim
- Kosten Schindelfassade pro m2; CHF 320.-- Unterdachsystem; Sarnafil
- Auszeichnung; Anerkennung Holzbaupreis Graubünden 04
Seite 34-37::
180 000000-fache Handarbeit
Eine Halle ganz anderen Ausmasses als in Andeer steht am Ausgang von Ilanz, an der
Strasse Richtung Disentis. Hier versuchten die Architekten Albertin und Zoanni gar
nicht erst, das Raumprogramm in mehrere Einzelbauten aufzuteilen. Das ist hier auch
nicht nötig, denn Ilanz ist kein kompaktes Dorf, sondern eine kleine Stadt, (die erste
Stadt am Rhein, mit den an den Rändern üblichen Grossbauten. Die lange
Strassenfassade empfindet man deshalb keineswegs als überdimensioniert. Im
Gegenteil, ihre Länge und noch mehr ihre Gestalt beeindrucken. Zwischen dem Sockel
und dem auskragenden Dach präsentiert sie ihr prächtiges, endlos scheinendes
Schindelkleid; nur am einen Ende geben zwei Fenster den Masstab. 180'000 Schindeln
haben die Schindelmacher Patrik Stäger und Qtto Köhle von Hand gespaltet und
dreilagig auf die Fassaden genagelt. Das im Grundriss zweiteilige Gebäude beherbergt
nun vier Amtsstellen: In der Fahrzeughalle stellt des Tiefbauamt seine Fahrzeuge ab,
wartet, flickt und wäscht sie. Im Verwaltungsgebäude haben Büros des Tiefbauamts,
das Lebensmittelinspektorat und das Amt für Wald der Surselva Platz gefunden. Daran
angebaut ist die Prüfhalle des Strassenverkehrsamts. Im Hof stehen vier Salz- und
Splittsilos und Unterstände, in denen die Schneepflüge übersommern.
Gegen die Hauptstrasse beeindruckt die unendlich lange Schindelfassade der Einstellhalle
Internet-Bearbeitung: K. J.
Version 04/2006
---------
Herunterladen