Kulturbauten, Architekturqualität und öffentlich

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Kulturbauten, Architekturqualität und
öffentlich-private Partnerschaften –
ein Widerspruch?
Michael Vahlert
Was ist qualitativ hochwertige Architektur und wie kann man durch eine verlässliche Projektstruktur ein hochwertiges Architekturergebnis sicherstellen?
Kurze Antwort: Eine gute Projektstruktur kann man sicherstellen, hochwertige Architektur kann man allenfalls fördern.
Ob ein realisiertes Gebäude im Verlauf seiner mitunter langen Lebensdauer vom Betrachter als wirklich gute Architektur angesehen wird, zeigt sich
meistens erst im Nachhinein im Urteil der dem jeweiligen Zeitgeist unterliegenden, mehr oder weniger fachlich geschulten Betrachter. Nur ganz wenige
Gebäude werden über den Zeitgeist hinweg von der überwiegenden Anzahl
der Betrachter und Nutzer als wahre Architekturikonen eingestuft. Beispiele
sind Gebäude wie der Kölner Dom, Notre Dame du Haut in Ronchamp von
Le Corbusier oder auch die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe in
Berlin. Schon bei der Auswahl von hier zufällig genannten Architekturikonen
fällt auf, wie schwer es ist, wirklich unstrittige Gebäude zu benennen. Zufällig
sind denn hier auch Gebäude benannt worden, die eines gemeinsam haben: sie
sind nicht das Ergebnis eines Architekturwettbewerbes. Trotzdem gilt heute
der Architektenwettbewerb als eine der Grundvoraussetzung, um überhaupt
in die Nähe eines architektonisch hochwertigen Gebäudes zu kommen. Am
besten ein mehrstufiger, offener und international ausgelobter Realisierungswettbewerb nach vorausgegangenem städtebaulichem Wettbewerb. Und in
der Tat, das Verfahren fordert von den Architekten viel. Ein 2014 ausgelobter
Architektenwettbewerb in Helsinki für das Guggenheim-Museum erbrachte
1715 Entwürfe, von denen es sechs Teilnehmer geschafft haben, in die 2. Auslobungsphase zu kommen. Keiner der bisher bekannten Stararchitekten hat es
geschafft in die engere Wahl der elfköpfigen Jury zu gelangen.
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Im Gegensatz zu solch einem kreativen »amerikanischen Traum« jedes
jungen Architekten, der im klassischen Architektenwettwerb realisiert werden
könnte, ist oft geäußerte Hypothese von Architektenverbänden dagegen bei
einem stärker integrierten Wettbewerb, wie er bei einer ÖPP – Ausschreibung
realisiert wird, dass hier die architektonische Qualität auf der Strecke bliebe.
Eine ÖPP-Maßnahme ist ein Projektansatz bei dem im Sinne von »strategischen Bauherrenmanagement« die Planung neben Bau und Betrieb integraler
Teil des Vergabeverfahrens ist. Jeder Bieter muss auch einen Entwurf anbieten. Es kommt auf die Wertungsmatrix an, welchen Stellenwert die Architektur innerhalb des Vergabefahrens haben soll. Wenn hohe Architekturqualität
gewünscht ist, kann die Wertung von Qualität zu Kosten z.B. im Verhältnis
60/40 erfolgen. In diesen Fällen ist auch gebräuchlich, diese Qualität von
einem »baufachlichen Bewertungsgremium« beurteilen zu lassen. Dieses hat
dann eine vergleichbare Zusammensetzung wie eine Jury im reinen Architektenwettbewerb. Jedoch ist die Anzahl der Bieter und damit der einzureichenden Entwürfe verfahrensbedingt beschränkt. Üblich sind maximal sechs
Bieter, da die unterlegenen Bieter mit hohen Kosten zu kalkulieren haben. (Mit
fünf Architekturbüros ist 1983 auch der beschränkte Wettbewerb für die Neubauten des Deutschen Bundestages in Bonn ausgelobt worden.) Bei ÖPP ist
folglich auch für die Planungsleistungen der Wettbewerb der Regelfall. Die
Ergebnisse können sich auch nach objektiven Beurteilungsmaßstäben sehen
lassen.
Wenn mit ÖPP ein Gebäude mit außergewöhnlichem Architekturanspruch
(dies ist bei Kulturbauten regelmäßig der Fall) realisiert werden soll und sich
der Bauherr deshalb für einen vorgeschalteten Wettbewerb entscheidet, muss
er sich der Aufgabe stellen, wie er einen zweiphasigen, offenen, vorgeschalteten Architektenwettbewerb nach den Regeln der Architektenkammer RPW in
sein ÖPP-Vergabeverfahren integriert und der Architekt sich auch nach der
Errichtung des Gebäudes nicht von der wirtschaftlichen Verantwortung für
das gebaute Ergebnis distanziert. Dies setzt voraus, dass der im Architektenwettbewerb gefundene Planer nicht nur das ÖPP-Vergabeverfahren begleitet,
sondern insbesondere bei der Ausführungsplanung und der Errichtung des
Gebäudes auf der Seite des operativ tätigen privaten Partners eingebunden ist
und andererseits nichts errichtet wird, was die Leitlinien des preisgekrönten
Wettbewerbsentwurfes verlässt.
Der Wettbewerbsentwurf muss integraler Bestandteil des Auslobungstextes der funktionalen Leistungsbeschreibung werden. Im Leistungsbeschrieb
sind die vom Architekten zu definierenden gestalterischen und funktionalen Leitlinien, die im Vergabeverfahren vom Bieter nicht angetastet werden
dürfen, erschöpfend zu beschreiben. Die Planungstiefe eines Entwurfes, der
im Realisierungswettwerb gefunden wird, reicht für die Integration in die
Leistungsbeschreibung jedoch nicht aus, weil der Auslober bei einem vor-
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gegebenen Entwurf dem Bieter im ÖPP-Verfahren mindestens die generelle
Genehmigungsfähigkeit der Planung schuldet. Die im Wettbewerb vorgelegte Planung entspricht im Wesentlichen maximal zwei Drittel von der Vorentwurfsplanung (Leistungsphase 2 der Honorarordnung für Architekten und
Ingenieure -HOAI). Erforderlich für eine ÖPP Ausschreibung sind in einer
solchen Verfahrensgestaltung jedoch große Teile der Leistungsphase 3 und
Teile von 4. Ideal ist es, wenn der Bauherr mit der Auslobung einen positiven
Vorbescheid der Bauaufsicht vorlegen kann. Nach der Wettbewerbsentscheidung und vor Versand der Leistungsbeschreibung an die Bieter im ÖPP-Verfahren ist deshalb eine möglichst straff gefasste Phase der Konsolidierung des
Entwurfes erforderlich. Die Phase sollte einen Zeitraum von sechs Monaten
nicht überschreiten.
Da der Bieter im Verfahren mit vorgeschaltetem Wettbewerb erhebliche
Teile der Planung nicht beeinflussen darf, gehen ihm Teile seines unternehmerischen Optimierungspotenzials verloren. Der Bauherr muss folglich mit
höheren Baukosten rechnen, als er es im Verfahren ohne vorgeschalteten
Architektenwettbewerb hätte erwarten dürfen. Die ÖPP-Maßnahme darf die
Referenzkosten, die sich bei einer Baumaßnahme im Eigenbau und Eigenbetrieb (sogenannter »public sector comparator« – PSC) ergeben, nicht überschreiten. Die verbleibenden Effizienzvorteile müssen ausreichen, um im Ergebnis des Vergabeverfahrens den PSC zu unterschreiten.
Um beide grundlegenden Anforderungen (der Architekt identifiziert sich
mit dem Haus, der PSC ist unterschritten) zu erfüllen, muss die gesamte Projektstruktur grundlegend auf die besonderen Belange der veränderten Projektziele ausgerichtet sein:
• Schon im Auslobungstext des Architektenwettbewerbes sollte das gesamte Vergabeverfahren unter Einschluss der Alternative, dass der PSC vom
finalen Bieterangebot nicht unterschritten wird, für alle Beteiligten transparent dargestellt sein.
• In dem Auslobungstext muss auch die Kostenvorgabe für die Kostengruppen 300, 400 und 500 (Bauwerkskosten, technische Anlagen und Außenanlagen) als wertungsrelevante Kostenobergrenze benannt werden.
• Im Auslobungstext ist auch das Auftragsversprechen, das für den Fall der
Realisierung der Maßnahme abgegeben wird, verlässlich zu beschreiben.
Es sollte dargelegt werden, für wen es gilt (in der Regel: Architekt und Freianlagenplaner). Auch der Auftragsumfang sollte sowohl für die Konsolidierungsphase als auch für die Phase, in der der Architekt nach Auftragserteilung für den privaten Partner im ÖPP-Verfahren tätig wird, dargestellt
sein. Alle honorarbestimmenden Faktoren sollten definiert werden: anrechenbare Kosten, Honorarzone, Teilleistungspunkte der Leistungsphasen
nach HOAI.
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• In der Konsolidierungsphase nach Wettbewerbsentscheidung ist der Entwurf auch hinsichtlich der Nutzeranforderungen zu konkretisieren. Der
Architekt sollte als Generalplaner alle von ihm benötigten Sonderfachleute
koordinieren. Im konsolidierten Entwurf sind die Optimierungspotenziale, die der Bieter im ÖPP-Vergabeverfahren zur Optimierung seines Angebotes nutzen kann (ggf. Betriebstechnik, Primärkonstruktion o.ä.) transparent und umfassend darzulegen.
• In die funktionale Leistungsbeschreibung sind die endverhandelten Vertragsentwürfe, die das Auftragsverhältnis zwischen privatem Partner und
den Planern regeln, als Kalkulationsvorgabe aufzunehmen. Der Bieter wird
verpflichtet, im Falle der Auftragserteilung die Verträge mit den Planern
abzuschließen.
• Nach Versand der Leistungsverzeichnisse stehen die Planer für eventuelle
Rückfragen der Bieter zur Verfügung. Die Rückfragen werden anonymisiert und unter Einhaltung der Vergaberegeln beantwortet.
• Nach dem Einreichen und Werten der indikativen Angebote stehen die Planer im Verhandlungsverfahren mit den (in der Regel) beiden wirtschaftlichsten Bietern zur Verfügung. Ziel ist es, die angebotenen Leistungen der
Bieter so zu optimieren, dass sie den architektonischen Anforderungen der
Planer und den funktionalen Belangen der Nutzer entsprechen.
• Nach dem Verhandlungsverfahren werden die Auslobungsunterlagen im
Lichte des Verhandlungsverfahrens unter Beteiligung der Planer aktualisiert und die Bieter zur Legung des finalen Angebotes (best and final offer
– BAFO) aufgefordert.
• Nach Auswertung der finalen Angebote, Unterschreitung des PSC und
Auftragserteilung an den Wettbewerbsgewinner im ÖPP-Vergabeverfahren
wechselt der Planer zum privaten Partner. Regelmäßiger Auftragsumfang
sollte umfassen: Komplettierung der Leistungsphasen 3 und 4, Leitdetails
aus Leistungsphase 5 und künstlerische Oberleitung während der Bauausführung. Sollte die Ausführungsplanung von fremder Hand gefertigt
werden, sollten dem Planer die Kontrolle der Ausführungs- und Werkstattplanung beauftragt werden. Für die Beauftragung hat der private Partner
die in den Ausschreibungsunterlagen beigefügten Vertragsunterlagen zu
verwenden, die die Bestimmungen der HOAI einhalten.
Ob das zu errichtende Gebäude dann im Lichte des gesellschaftlichen Wandels
zu einer Architekturikone wird, liegt in der Hand der Architekten und am Geschick des Preisgerichtes, das ihn für diese Aufgabe ausgesucht hat. Im ÖPPVergabeverfahren wird es – wegen der damit für den Bauherrn verbundenen
Effizienzverluste – der Ausnahmefall bleiben. Festzuhalten ist jedoch auch,
dass Kulturbauten und ÖPP sich keinesfalls ausschließen.
Kulturbauten, Architekturqualität und öffentlich-private Par tnerschaf ten
Partnerschaften Deutschland hat als öffentliche Beratungsgesellschaft für
die öffentliche Hand in den letzten zwei Jahren sehr praktische Erfahrungen
in diesem Themenbereich sammeln dürfen im ÖPP – Projekt »Haus der Zukunft« des Bundesforschungsministeriums in Berlin. Der Grundstein für den
Entwurf eines architektonischen »Newcomers« ist gerade gelegt worden. Wir
und die Jury sind davon überzeugt, dass hier und in zukünftigen ÖPP Projekten – unter Einhaltung der oben genannten Empfehlungen – hochwertige
Architektur realisiert wird.
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