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13. / 14. MAI 2017
Bruckner
KO N Z E R T S A A L
PROGRAMM
Anton Bruckner (1824 – 1896)
Messe Nr. 2 e-Moll
für achtstimmigen gemischten Chor und Bläser WAB 27
(Fassung von 1882)
Kyrie. Feierlich
Gloria. Allegro — Andante — Tempo I
Credo. Allegro moderato — Adagio — Allegro — Tempo I
Sanctus. Ruhig, mehr langsam
Benedictus. Moderato
Agnus Dei. Andante
PAUSE
Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106
Majestoso
Adagio. Sehr feierlich
Scherzo. Nicht schnell — Trio. Langsam
Bewegt, doch nicht zu schnell
Marek Janowski | Dirigent
MDR Rundfunkchor
Michael Gläser | Einstudierung
Mitschnitt
Sendung am Sonntag, 14. Mai 2017 um 20.03 Uhr.
1
28. MAI 2017, SO, 11.00 UHR
KULTURPALAST
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EXTERRITORIALE MUSIK
Es gibt Künstler, die fremd in ihrer Zeit
stehen. Ihre Werke scheinen aus anderen
Welten zu stammen, sie stoßen bei den
Zeitgenossen auf Unverständnis und werden
allenfalls bestaunt als Boten aus weit abliegenden Regionen. Anton Bruckner ist
sowohl in seiner Sinfonik als auch in seiner
geistlichen Chormusik ein Komponist, der
aus räumlich und zeitlich sehr fernliegenden
Quellen zu schöpfen scheint. Einigen gilt er
als fast mittelalterliche Erscheinung. Seine
tiefe katholische Frömmigkeit war ebenso
unzeitgemäß wie seine unbedingte und
kompromisslose Dienerschaft gegenüber
den Idealen der Kunst.
Zwar fällt es nicht einmal besonders schwer,
Züge des 19. Jahrhunderts bei Bruckner zu
finden: etwa die offensichtlichen Einflüsse
Beethovens, Schuberts und Wagners. Doch
werden diese Einflüsse in Bruckners Musik
in einer Weise transformiert, dass sie dem
geschichtlichen Zusammenhang enthoben zu
sein scheinen. Wagners sehr fortschrittliche
und gewagte Harmonik klingt, wenn Bruckner
sie übernimmt, wie ein ganz selbstverständliches Kunstmittel, das den Anschein erweckt,
es habe den Komponisten immer schon zur
Verfügung gestanden. Die dynamischen
Formen Beethovens verlieren bei Bruckner
vollkommen ihren revolutionären Stachel
und erhalten den Charakter geradezu archaischer Monumentalität.
Die Messe in e-Moll scheint in vielem auf
die katholische Kirchenmusik der Renaissance zurückzugreifen. Doch ist dies letztlich
eine Renaissance, die es so nie gab. Es fällt
schwer, konkrete stilistische Vorbilder zu
nennen, wenngleich der Eindruck des Rückgriffs auf die große Zeit der a-cappellaVokalpolyphonie stark ist – aber er ist eben
auch trügerisch. In ähnlichem Sinne scheint
die Sechste Sinfonie sich auf einen stilistischen Kontext zu beziehen, der nur eine
ideal-typische, aber keine historische Ausprägung gefunden hat. In beiden Werken finden
sich zudem Züge, die man umstandslos als
„modern“ klassifizieren könnte. Aber auch
hier gilt: Es handelt sich nicht um die Moderne, wie sie im 20. Jahrhundert künstlerische Wirklichkeit geworden ist, sondern um
das Paradox einer zeitlosen Zukünftigkeit.
Bruckner
3
IDEAL VON REINHEIT
ANTON B R UC KNE R : ME SSE NR. 2 E - M O LL
Die Messe in e-Moll unterscheidet sich
deutlich von den beiden anderen großen
Messen Bruckners. Sie verzichtet auf einen
umfangreichen Orchesterapparat und weist
im Vokalsatz deutlich archaisierende Züge
auf. Sie scheint ein Ideal von Reinheit anzustreben, das der Musik keine Selbstherrlichkeit zugesteht, sondern sie ganz der theologischen Aussage unterordnet.
Die Messe entstand zur Einweihung der
Votivkapelle des neuen Linzer Doms. Der
von Bruckner sehr verehrte Bischof von Linz,
Franz-Josef Rudigier, hatte 1862 bereits eine
Festkantate zur Grundsteinlegung des Doms
bestellt. Die Fertigstellung der Kapelle, für
1866 vorgesehen, verzögerte sich aber, so dass
die Einweihungsfeier erst am 29. September
1869 stattfinden konnte. Im folgenden hat
Bruckner die e-Moll-Messe noch mehrmals
4
überarbeitet, zuletzt 1882. Die endgültige
Version wurde am 4. Oktober 1885 im Alten
Dom in Linz aufgeführt.
Die e-Moll-Messe stellt an die Chorsänger
außerordentlich hohe Anforderungen. Lange
Strecken sind ohne Begleitung auszuführen,
was etwa zu Beginn des Sanctus leicht zu
Intonationsschwierigkeiten führen kann. Die
Verbindung von strenger Polyphonie und
höchst entwickelter Harmonik verlangt eine
souveräne Darstellung.
Das Kyrie gibt den Grundcharakter der Messe an: eine durch ausgefeilte Konstruktion
gebändigte starke Expressivität. Das Flehen
um Erhörung zeigt streckenweise Züge tiefer
Zerknirschung, aber auch Zuversicht klingt
durch.
Zu Beginn des Gloria sind die Worte „Gloria
in excelsis Deo“ nicht komponiert und
13. / 14. MAI 2017, SA / SO, 19.30 Uhr, Kulturpalast
Bei der Aufführung der endgültigen Fassung der e-Moll-Messe
am 4. Oktober in Linz „stand Bruckner bei der Orgel mit verzückten,
gegen die Wölbung des Domes gerichteten Augen und seine
Lippen bewegten sich wie im Gebete.“
AdalbertSchreyeranFranzGräflinger
müssen auf die gregorianische Melodie vom Modulationen inspiriert: Friede ist nichts
Priester intoniert werden. Das entspricht der Gegebenes, sondern muss immer wieder erst
mühsam errungen werden.
Anlehnung der Messe an die ältere Praxis
der liturgischen Musik. Bruckner erreicht
in diesem Satz große Wirkungen durch die
Gegenüberstellung von diatonischen und
chromatischen Passagen. Das Thema der
abschließenden Amen-Fuge ist mit seinem
ANTON BRUCKNER
absteigenden Tritonus-Sprung außerordent* 4. September 1824, Ansfelden (Österreich)
lich kühn.
† 11. Oktober 1896, Wien
Das Credo ist der textreichste Satz der
katholischen Messe. Bruckner wählt hier ein
MESSE NR. 2 E-MOLL
recht schnelles Tempo, um den Satz gegenfür achtstimmigen gemischten Chor und Bläser WAB 27
über den anderen nicht übermäßig lang wer(Fassung von 1882)
den zu lassen – auch dies ein Zugeständnis
an die liturgische Verwendbarkeit. Lediglich
Entstehung
das zentrale Geheimnis der Menschwerdung
August bis November 1866; umgearbeitet 1876,
und des Todes Jesu Christi erfährt eine etwas
1882, 1885, 1896
ausführlichere musikalische Darstellung.
Uraufführung
Das verklärte Sanctus zeigt höchste kontra29. September 1869, Linz, Domplatz
punktische Kunstfertigkeit, das Vorbild PaleDirigent: Anton Bruckner
strinas schimmert durch. Demgegenüber ist
Zuletzt von der Dresdner Philharmonie gespielt
das Benedictus in einem „moderneren“ Stil
19. Juli 2008, Dirigent: Christoph Eschenbach
geschrieben, auch die Instrumente werden
Spieldauer
hier stärker beteiligt.
ca. 43 Minuten
Das Agnus Dei kehrt zur Flehenshaltung
Besetzung
des Kyrie zurück. Die abschließende Bitte
2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner,
um Frieden hat Bruckner zu einigen kühnen
2 Trompeten, 3 Posaunen
Bruckner
5
TEXT DER MESSE
KYRIE
Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.
Christe eleison. Christus, erbarme dich.
Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.
GLORIA
Gloria in excelsis Deo
et in terra pax hominibus
bonae voluntatis.
Laudamus te,
benedicimus te,
adoramus te,
glorificamus te.
Gratias agimus tibi propter
magnam gloriam tuam,
Domine Deus,
Rex caelestis,
Deus pater
omnipotens.
Domine fili unigenite,
Iesu Christe,
Domine Deus,
agnus Dei,
filius patris;
qui tollis peccata mundi,
miserere nobis;
qui tollis
peccata mundi,
suscipe deprecationem
nostram;
qui sedes ad dexteram Patris,
miserere nobis.
Quoniam tu solus Sanctus,
Tu solus Dominus,
Tu solus Altissimus,
Iesu Christe,
cum Sancto Spiritu
in gloria Dei patris. Amen
6
Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden den
Menschen seiner Gnade.
Wir loben dich,
wir preisen dich,
wir beten dich an,
wir rühmen dich
und danken dir,
denn groß ist deine Herrlichkeit:
Herr und Gott,
König des Himmels,
Gott und Vater,
Herrscher über das All,
Herr, eingeborener Sohn,
Jesus Christus.
Herr und Gott,
Lamm Gottes,
Sohn des Vaters,
du nimmst hinweg die
Sünde der Welt:
erbarme dich unser;
du nimmst hinweg die
Sünde der Welt:
nimm an unser Gebet;
du sitzt zur Rechten des Vaters:
erbarme dich unser.
Denn du allein bist der Heilige,
du allein der Herr,
du allein der Höchste:
Jesus Christus,
mit dem Heiligen Geist,
zur Ehre Gottes des Vaters. Amen.
13. / 14. MAI 2017, SA / SO, 19.30 Uhr, Kulturpalast
CREDO
Credo in unum Deum,
patrem omnipotentem,
factorem
caeli et terrae,
visibilium omnium
et invisibilium.
Et in unum Dominum
Iesum Christum,
Filium Dei unigenitum,
et ex patre natum ante
omnia saecula.
Deum de Deo, lumen de lumine,
Deum verum de Deo vero,
genitum, non factum,
consubstantialem patri:
per quem omnia facta sunt.
Qui propter nos homines
et propter nostram salutem
descendit de caelis.
Et incarnatus est de
Spiritu Sancto
ex Maria virgine:
et homo factus est.
Crucifixus etiam pro nobis
sub Pontio Pilato;
passus et sepultus est,
et resurrexit
tertia die
secundum scripturas,
et ascendit
in caelum,
sedet ad dexteram patris.
Et iterum venturus
est cum gloria,
iudicare vivos
et mortuos,
cuius regni non erit finis.
Ich glaube an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat,
Himmel und Erde,
das Sichtbare und
das Unsichtbare.
Und an den einen Herrn
Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren
vor aller Zeit:
Gott von Gott, Licht vom Licht,
wahrer Gott von wahrem Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch den alles geschaffen ist.
Für uns Menschen und
zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist
aus der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt
unter Pontius Pilatus,
hat gelitten und wurde
begraben, ist am
dritten Tage auferstanden
nach der Schrift
und ist aufgefahren
in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters.
und wird wiederkommen
in Herrlichkeit, zu richten
die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird
kein Ende sein.
Bruckner
7
Et in Spiritum Sanctum,
Dominum et vivificantem:
qui ex patre filioque
procedit.
Qui cum patre et filio, simul
adoratur et conglorificatur:
qui locutus est per prophetas.
Et unam, sanctam,
catholicam et apostolicam
ecclesiam.
Confiteor unum baptisma
in remissionem peccatorum.
Et expecto resurrectionem
mortuorum, et vitam
venturi saeculi.
Amen.
(Ich glaube) an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem
Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn
angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die
Propheten, und die eine, heilige,
katholische (allgemeine)
und apostolische Kirche.
Ich bekenne die eine Taufe
zur Vergebung der Sünden
und erwarte die Auferstehung
der Toten und das Leben
der kommenden Welt.
Amen.
SANCTUS
Sanctus, sanctus, sanctus
Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt caeli et terra
gloria tua.
Hosanna in excelsis.
Heilig, heilig, heilig ist Gott,
Herr aller Mächte und Gewalten.
Erfüllt sind Himmel und Erde
von seiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.
BENEDICTUS
Benedictus qui venit in Gelobt sei, der da kommt
nomine Domini. im Namen des Herrn.
Hosanna in excelsis. Hosanna in der Höhe.
AGNUS DEI
Agnus Dei
qui tollis peccata mundi,
miserere nobis.
Agnus Dei
qui tollis peccata mundi,
miserere nobis.
Agnus Dei
qui tollis peccata mundi,
dona nobis pacem.
8
Lamm Gottes, du nimmst
hinweg die Sünde der Welt,
erbarme dich unser.
Lamm Gottes, du nimmst
hinweg die Sünde der Welt,
erbarme dich unser.
Lamm Gottes, du nimmst
hinweg die Sünde der Welt,
gib uns Frieden.
13. / 14. MAI 2017, SA / SO, 19.30 Uhr, Kulturpalast
Es ist überliefert, Bruckner habe seine Sechste Sinfonie mit den Worten
charakterisiert: „Die Sechste ist die keckste“. Selbst wenn das zutreffen sollte,
wird man Bruckner kaum beipflichten können. Viel eher strahlt die Sinfonie
ein ruhiges Glück aus, eine Freundlichkeit und Herzlichkeit, die man
so in den anderen Werken des Meisters nicht findet.
GLÜCKLICHE INSEL
ANTON BR UC KNE R : SI NFO NI E N R. 6 IN A - D U R
Die Sechste Sinfonie galt lange als das
Aschenputtel unter den Sinfonien des Meisters.
Sie hat von Beginn an beim Publikum und
bei der Kritik Irritationen ausgelöst: Man
vermisste an ihr die typischen Kennzeichen
einer Bruckner-Sinfonie. Das Werk ist deutlich kürzer als die vorangegangene Fünfte
und auch als die ihm folgende Siebente.
Es geht allem Monumentalem und allem
Pathos bewusst aus dem Weg. Im Zusammenhang von Bruckners sinfonischem Werk
wirkt es wie eine glückliche Insel. Es führt
gleichsam eine stillzufriedene Existenz im
Windschatten.
gedeckten Klänge von Es-Dur und B-Dur,
aber mit dem A-Dur der Sechsten wählte
Bruckner zum ersten Mal eine Kreuztonart.
Dennoch hat diese Sinfonie einen starken
Molleinschlag. Das Scherzo und große
Teile des Finales stehen in a-Moll, auch das
F-Dur des zweiten Satzes wird immer wieder
von Mollklängen getrübt.
Bereits das Hauptthema des ersten Satzes
beginnt mit einer Phrase, die zwar mit
dem A-Dur-Dreiklang harmonisiert ist,
aber genauso gut in einen d-Moll-Kontext
passen würde. Zu solchen tonartlichen
Doppeldeutigkeiten kommt eine reiche
Die ersten drei Sinfonien Bruckners standen Modulationsarbeit. Das Geschehen befindet
sich harmonisch beständig im Fluss, und es
sämtlich in Molltonarten. Mit der Vierist bewundernswert, wie es Bruckner gelingt,
ten Sinfonie, der „Romantischen“, begann
trotzdem eine klare Tonartenarchitektonik
Bruckner, für sich das Reich der Durtonarten zu erobern. Zunächst dominierten die herzustellen. Man hat dem Komponisten
Bruckner
9
oft eine gewisse Pedanterie in der formalen
Anlage vorgeworfen; aber nur durch strenge
Regelhaftigkeit war die wuchernde gestalterische Phantasie im Zaum zu halten.
Größere Freiheit gönnt sich Bruckner in dem
ansonsten sehr übersichtlich angelegten ersten
Satz nur in der Coda, die streckenweise wie
eine Orgelimprovisation wirkt. Es wird berichtet, dass Bruckner bei seinen Improvisationen mit Vorliebe reine Dreiklänge aneinandergereiht habe. Das geschieht auch in dieser
Coda, nur ist die Tonartenfolge derartig klug
berechnet, dass sich die im Einzelnen überraschenden Akkordwechsel nach und nach zu
einem überzeugend logischen harmonischen
Panorama zusammenschließen.
Der zweite Satz beginnt wie der erste mit
einem Thema, das harmonisch sowohl eine
Dur- als auch eine Moll-Deutung zulässt,
es schwankt zwischen F-Dur und b-Moll.
Im Verlauf des Satzes werden die Dur- und
die Moll-Aspekte gewissermaßen isoliert:
das zweite Thema steht in leuchtendem Dur,
das dritte dagegen in düsterstem Moll. Als
Übergang zwischen den so stark kontrastierenden Welten des zweiten und des dritten
Themas dient eine lange sequenzierende
Passage von der Art, wie sie das Missfallen
von Bruckners Erzfeind, des Musiktheoretikers
10
Eduard Hanslick, hervorrief. In solchen
Passagen „geschieht nichts“, es finden keine
thematischen Entwicklungen statt. Aber sie
sind notwendig als Ruhemomente in der
Gesamtarchitektur: Der Geist des Zuhörers
bekommt Gelegenheit, sich zu entspannen,
die eben verklungenen musikalischen Bilder
Vergangenheit werden zu lassen und sich
auf die noch folgenden vorzubereiten. Der
Schluss des Satzes zelebriert den allmählichen Übergang von Musik in Stille.
Das Scherzo der Sechsten Sinfonie ist für
Bruckner höchst ungewöhnlich. Es erinnert
an die Elfenmusik Mendelssohns, streckenweise sogar an die sinfonischen Scherzi von
Hector Berlioz. Die Musik spielt mit dem
Kontrast von Ungreifbarkeit und plötzlicher
klanglicher Massivität. Es überwiegt aber
eine manchmal geradezu spinnwebhafte
Feinheit, die schlecht zum Bild des erdenschweren Provinzlers passt, als den man
Bruckner oft hat sehen wollen.
Das Finale bringt zum ersten Mal größere
sinfonische Konflikte. Der Dur-Moll-Kontrast wird hier als Kampf zweier Prinzipien
aufgefasst, nicht unähnlich der Verfahrensweise Beethovens in dessen Fünfter und
Neunter Sinfonie. Dennoch ist auch hier der
13. / 14. MAI 2017, SA / SO, 19.30 Uhr, Kulturpalast
Eindruck ein völlig anderer als bei Beethoven.
Statt eines unversöhnlichen Gegensatzes
scheint Bruckner eine geheime Einheit von
Dur und Moll zugrundezulegen, wie das
vor ihm schon Franz Schubert getan hatte.
Selbstverständlich endet die Sinfonie aber
in strahlendem Dur. In den letzten Takten
wird das Hauptthema des ersten Satzes
zitiert, das nun seine tonale Doppeldeutigkeit verloren hat und mit klarem A-Dur
den verschlungenen harmonischen Weg der
Sinfonie zum Abschluss bringt.
Bruckner hat seine Sechste Sinfonie nur
ein einziges Mal in einer Orchesterprobe
zu hören bekommen. Zu seinen Lebzeiten
wurden nur die beiden Mittelsätze öffentlich gespielt. Die erste Gesamtaufführung
fand unter der Leitung von Gustav Mahler
am 26. Februar 1899 in Wien statt, allerdings in einer stark gekürzten Fassung.
Vollständig erklang die Sinfonie zuerst 1901
in Stuttgart, unter der Leitung von Karl
Pohlig. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts war die Sinfonie öfter zu hören. Sie
zieht aber durch ihren unerhörten musikalischen Zauber das Publikum mehr und mehr
in ihren Bann und kann inzwischen kaum
mehr als vernachlässigt gelten.
ANTON BRUCKNER
* 4. September 1824, Ansfelden (Österreich)
† 11. Oktober 1896, Wien
SINFONIE NR. 6 A-DUR WAB 106
Entstehung
1879 –1881
Uraufführung
26. Februar 1899 (in gekürzter Form) in Wien
Zuletzt von der Dresdner Philharmonie gespielt
29. April 2016, Dirigent: Juanjo Mena
Spieldauer
ca. 56 Minuten
Besetzung
2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner,
3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Streicher
Bruckner
11
Musik in der
Frauenkirche Dresden
2017
20. Mai
Festliches Barock
Ludwig Güttler
27. Mai
Große Stimmen
Vokalensemble Sjaella
24. Juni
Uraufführung
Herchet Kantate zum
15. Juli
Reformationstag
Preisträgerkonzert
Klavier Chi Ho Han
8. Juli
Preisträgerkonzert
22. Juli
Harfe Agnès Clément
Preisträgerkonzert
Klarinette Vera Karner
Kontrabass Dominik Wagner
29. Juli
Sommerkonzert
German Brass
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Im Konzertbetrieb, auf den er sich seit den
späten 1990er-Jahren konzentriert, führt er
die große deutsche Dirigententradition fort,
gilt weltweit als herausragender Beethoven-,
Schumann-, Brahms-, Bruckner- und StraussDirigent, aber auch als Fachmann für das
französische Repertoire.
Sein Abschied von der Oper war indes nur ein
institutioneller, kein musikalischer. Deswegen
zählt Marek Janowski heute mehr denn je zu
den Kundigsten etwa für die Musik von Richard Wagner. Mit dem RSB, dem RundfunkMAREK JANOWSKI
chor Berlin und einer Phalanx von internationalen Solisten realisierte er zwischen 2010
Marek Janowski war von 2002 bis 2015
und 2013 die zehn Opern und Musikdramen
Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des
des Bayreuther Kanons in konzertanten
Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Zuvor
und teilweise parallel amtierte er u. a. als Chef- Aufführungen in der Berliner Philharmonie.
Sämtliche Konzerte wurden in Kooperation
dirigent des Orchestre de la Suisse Romande
mit Deutschlandradio von PENTATONE auf
(2005–2012), des Orchestre Philharmonique
SA-CD veröffentlicht. Mehr als 50 zumeist
de Monte-Carlo (2000–2005) und des
mit internationalen Preisen ausgezeichnete
Orchestre Philharmonique de Radio France
Schallplatten – darunter mehrere Opernge(1984–2000), das er zum Spitzenorchester
samtaufnahmen und komplette sinfonische
Frankreichs entwickelte. Außerdem war er
mehrere Jahre am Pult des Gürzenich-Orches- Zyklen – tragen seit 35 Jahren dazu bei, die
besonderen Fähigkeiten Marek Janowskis als
ters in Köln (1986–1990) und der Dresdner
Dirigent international bekannt zu machen.
Philharmonie (2001–2003) tätig.
1939 geboren in Warschau, aufgewachsen und Für die Jahre 2014 bis 2017 wurde er nach
Tokio zum renommierten Frühlingsfestival
ausgebildet in Deutschland, führte Marek
eingeladen, mit dem NHK-Sinfonieorchester
Janowskis künstlerischer Weg über Aachen,
Wagners „Ring“-Tetralogie konzertant aufzuKöln, Düsseldorf und Hamburg als GMD
führen. Außerdem kehrt Marek Janowski innach Freiburg i. Br. und Dortmund. Es gibt
zwischen Metropolitan Opera New York und zwischen gelegentlich zur Oper zurück, zuletzt
für ein Gastspiel der Wiener Staatsoper
Bayerischer Staatsoper München, zwischen
San Francisco, Hamburg, Wien und Paris kein in Tokio mit Strauss’ „Ariadne auf Naxos“. Wie
Opernhaus von Weltruf, wo er seit den späten auch 2016 leitet Marek Janowski 2017 den
1970er-Jahren nicht regelmäßig zu Gast war. „Ring“ bei den Bayreuther Festspielen.
14
13. / 14. MAI 2017, SA / SO, 19.30 Uhr, Kulturpalast
MDR RUNDFUNKCHOR
Wenn große Orchester im In- und Ausland
ein Werk mit Chorbeteiligung planen, steht
der MDR Rundfunkchor auf der Wunschliste
ganz oben. Der größte und traditionsreichste
Chor des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt
unter Experten als einer der besten. Dirigenten
wie Herbert von Karajan, Kurt Masur, Colin
Davis, Claudio Abbado, Simon Rattle, Neville
Marriner, Seiji Ozawa, Lorin Maazel, Bernard
Haitink, Riccardo Muti, Georges Prêtre oder
Roger Norrington haben dem MDR Rundfunkchor ihre Reverenz erwiesen. Regelmäßig
konzertieren die Sängerinnen und Sänger mit
dem MDR Sinfonieorchester unter Leitung
seines Chefdirigenten Kristjan Järvi.
Dass das Ensemble nicht nur exzellenter
Partner der bedeutendsten Orchester ist,
beweist es mit viel beachteten A-cappella-Interpretationen. Weltliche und geistliche Musik,
Ensemblegesang sowie Chorsinfonik gehören
gleichermaßen zum Repertoire, das beinahe ein
Jahrtausend Musikgeschichte umspannt. Als
Spezialensemble für Zeitgenössische Musik haben sich die 73 Choristen durch zahlreiche Urund Erstaufführungen einen Namen gemacht.
Mit Beginn der Spielzeit 2015/2016 übernahm
der estnische Dirigent Risto Joost die künstlerische Leitung des MDR Rundfunkchores.
Durch innovative A-cappella-Programme und
die Aufführung chorsinfonischer Werke prägt
er auf besondere Weise das musikalische Profil
des Chores. Unter seinen Vorgängern finden
sich Namen wie Herbert Kegel, Jörg-Peter
Weigle und Gert Frischmuth. In den 15 Jahren
seines Wirkens festigte von 1998 an Howard
Arman nachhaltig den Ruf des anerkannten
Spitzenensembles. Ihm folgte 2013 Philipp
Ahmann, der bis 2016 als Erster Gastdirigent
tätig war und weiterhin regelmäßig mit dem
Chor arbeitet.
Nahezu 200 Schallplatten und CDs – viele
davon preisgekrönt – hat das Ensemble in
seiner 70-jährigen Geschichte aufgenommen.
Für die Einspielung von Max Regers Motetten
op. 110 erhielten die Sängerinnen und Sänger
2017 den International Classical Music Award.
Über die Europäische Rundfunkunion wie
auch auf Tourneen und Gastspielen weltweit zu
hören, fungiert der 2013 mit dem Europäischen
Kulturpreis ausgezeichnete MDR Rundfunkchor erfolgreich als musikalischer Botschafter
Mitteldeutschlands.
Bruckner
15
Der MDR Rundfunkchor
im heutigen Konzert
SOPRAN
Eleni Athanasiou, Gisela Burandt, Ute Drechsel,
Ulrike Fulde, Anne Glocker, Elisabeth Janott, Mai Kato,
Kerstin Klein-Koyuncu, Katrin Klemm, Katharina Kunz,
Antje Moldenhauer-Schrell, Andrea Neumann,
Sibylle Neumüller, Anna Rad-Markowska,
Lisa Rothländer, Marina Scharnberg,
Christine Schönknecht, Claudia Schwabe,
Christiane Schwarz, Dorothea Sprenger,
Friederike Stübner-Garbade, Alba Vilar-Juanola,
Joanne D’Mello
ALT
Sibylle David-Kästner, Manja Eckert, Bettina Heidrich,
Sandra Hoffmann, Silvia Janak, Andrea Pitt,
Bettina Reinke-Welsh, Alexandra Schmid, Sibylle Scholz,
Katharina Thimm, Lena Carina Traupe, Sigrid Wagner,
Anette Wiedemann, Klaudia Zeiner,
Carola Günther (A), Edith Breuer (A)
TENOR
Hwan-Cheol Ahn, Kent Carlson, Nico Eckert,
Andreas Fischer, Falk Hoffmann, Oliver Kaden,
Yongkeun Kim, Volkmar Kirme, Ansgar König,
Thomas Neumann, Sebastian Reim, Albrecht Sack,
Kristian Soerensen, Jan Sulikowski, Markus Schuck (A),
Steffen Doberauer (A), Daniel Thomas (PR)
BASS
Hanns-Jürgen Ander-Donath, Philipp Brömsel,
Matthias Hoffmann, Jae-Hyong Kim, Steven Klose,
Torsten Kluge, Wolfram Langner, Gun-Wook Lee,
Thomas Oertel-Gormanns, Felix Plock, Thomas Ratzak,
Andreas Rößner, Sven-Wieland Staps, Albrecht Süß,
Johannes Weinhuber, Philipp Goldmann (A),
Felix Rumpf (A), Jakob Kreß (PR)
(A) Aushilfe · (P) Praktikant
MICHAEL GLÄSER
Schon sehr früh stand die musikalische Laufbahn von Michael Gläser im Zeichen des Gesanges und des Chordirigierens. Von 1967 bis
1978 war der gebürtige Chemnitzer Mitglied
des Leipziger Thomanerchores und übernahm
früh chordirigentische Aufgaben als Präfekt.
Es folgten Gesangs- und Dirigierstudien in
Leipzig und Berlin sowie weitere Aktivitäten
als Chorleiter u.a. beim Leipziger Hochschulchor, beim Leipziger Gewandhauschor, bei der
Berliner Singakademie und beim Rundfunkchor Leipzig, dem er überdies auch als Sänger
verpflichtet war. 1986 übernahm Michael Gläser eine Dirigierassistenz beim Rundfunkchor
Berlin, bevor er von 1990 bis 2005 die Position
des Künstlerischen Leiters beim Chor des
Bayerischen Rundfunks innehatte. Seit 1994
ist er Professor für Chordirigieren und Leiter
der Abteilung für Evangelische Kirchenmusik
an der Hochschule für Musik und Theater
München. Im September 2003 leitete er das
erstmals stattfindende Chordirigentenforum.
Gastauftritte bei renommierten deutschen und
anderen europäischen Chören ergänzen das
Wirkungsfeld des vielseitigen Musikers. So
arbeitet er regelmäßig u.a. mit dem Rundfunkchor Berlin, dem Rias Kammerchor, dem Chor
des Ungarischen Rundfunks Budapest, dem
Leipziger Rundfunkchor dem Chor des Bayerischen Rundfunks, dem Chor des Niederländischen Rundfunks in Hilversum und dem Chor
von Radio France zusammen.
Bruckner
17
Die Dresdner Philharmonie
im heutigen Konzert
1. VIOLINEN
BRATSCHEN
Prof. Ralf-Carsten Brömsel KV
Christina Biwank KV
Prof. Wolfgang Hentrich KV
Dalia Richter KV
Christoph Lindemann KV
Hanno Felthaus KV
Beate Müller KV
Heiko Mürbe KV
Marcus Gottwald KV
Hans-Burkart Henschke KV
Antje Becker KV
Joanna Szumiel KM
Ute Kelemen KV
Johannes Groth KV
Andreas Kuhlmann KV
Tilman Baubkus
Alexander Teichmann KM
Sonsoles Jouve del Castillo
Thomas Otto
Eva Maria Knauer
Annegret Teichmann KM
Harald Hufnagel
Carolin Krüger
Deborah Jungnickel
Xianbo Wen
Jan Paul Kussmaul
VIOLONCELLI
Jonn Hwa Hur**
Victor Meister KV
Elgita Polloka
Ulf Prelle KV
Thomas Bäz KV
2. VIOLINEN
Rainer Promnitz KV
Reinhard Krauß*
Karl-Bernhard von Stumpff KV
Reinhard Lohmann KV
Alexander Will KM
Steffen Gaitzsch KV
Dorothea Plans Casal
Denise Nittel
Viola Marzin KV
Dr. phil. Matthias Bettin KV
Daniel Thiele KV
Bruno Borralhinho
Heiko Seifert KV
Andreas Hoene KV
Andrea Dittrich KV
Constanze Sandmann KV
Jörn Hettfleisch
Dorit Schwarz KM
Susanne Herberg KM
Christiane Liskowsky KM
18
13. / 14. MAI 2017, SA / SO, 19.30 Uhr, Kulturpalast
Luise Frappier**
KONTRABÄSSE
TROMPETEN
Prof. Benedikt Hübner KM
Andreas Jainz KV
Olaf Kindel KM
Björn Kadenbach
Norbert Schuster KV
Johann Schuster**
Donatus Bergemann KV
POSAUNEN
Bringfried Seifert KV
Matthias Bohrig KV
Matthias Franz KM
Stefan Langbein KM
Ilie Cozmaţchi
Tobias Martin*
Dietmar Pester KV
Peter Conrad KV
FLÖTEN
TUBA
Mareike Thrun KV
Claudia Rose KM
Prof. Jörg Wachsmuth KV
OBOEN
PAU K E
Undine Röhner-Stolle KM
Stefan Kittlaus
Prof. Guido Titze KV
KLARINETTEN
Prof. Hans-Detlef Löchner KV
Prof. Henry Philipp KV
FAG OT T E
Daniel Bäz KM
Michael Lang KV
HÖRNER
Hanno Westphal
Torsten Gottschalk
Johannes Max KV
Dietrich Schlät KV
KM Kammermusiker · KV Kammervirtuos
* Gast · ** Substitut
Bruckner
19
Orchester der
Landeshauptstadt
Dresden
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Bild- und Tonaufnahmen
jeglicher Art während des Konzertes durch Besucher grundsätzlich
untersagt sind.
IMPRESSUM
DRESDNER PHILHARMONIE
Postfach 120 424
01005 Dresden
TICKETSERVICE IM KULTURPALAST
Telefon 0351 4 866 866
[email protected]
CHEFDIRIGENT: Michael Sanderling
EHRENDIRIGENT: Kurt Masur †
ERSTER GASTDIRIGENT: Bertrand de Billy
INTENDANTIN: Frauke Roth
TEXT: Albert Breier
Der Text ist ein Originalbeitrag für dieses Heft; Abdruck nur mit
ausdrücklicher Genehmigung des Autors.
REDAKTION: Adelheid Schloemann
GRAFISCHE GESTALTUNG: büro quer
DRUCK: Elbtal Druck & Kartonagen GmbH
BILDNACHWEIS
Wikimedia commons: S. 4
Felix Broede: S. 14
Peter Adamik: S. 16
Privat (Gläser): S. 17
Preis: 2,50 €
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