Kapitel 4 Booster-Endbericht

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Positionspapier
der Caritas Suchthilfe e.V.
(CaSu)
Niedrigschwellige Hilfen
für Menschen mit
suchtbezogenen Problemlagen
Erarbeitet von:
CaSu Arbeitsgruppe „Niedrigschwellige Hilfen“
Wolfgang Barth, Frankfurt
Andreas Hecht, Köln
Marco Kneisel-Chiriatti, Emmendingen
Rainer Lang, Stuttgart
Fritz Papenbrock, Köln
Thomas Rasch, Mettmann
Jörg Rosinke, Rheine
Verena Schmidt, Mannheim
Christiane Westerveld, Osnabrück
mit Unterstützung von FOGS
Wilfried Görgen
Martina Schu
FOGS GmbH
Gesellschaft für Forschung und Beratung
im Gesundheits- und Sozialbereich
Köln
Freiburg/Köln, im Oktober 2013
Caritas Suchthilfe e.V. CaSu
Karlstraße 40, 79104 Freiburg
Tel. 0761 / 200-303
E-Mail: [email protected]
I
Inhaltsverzeichnis
Kap.
Seite
1
VORWORT
1
2
LEITBILD DER CARITAS SUCHTHILFE
1
3
MERKMALE NIEDRIGSCHWELLIGER HILFEN
2
4
ZIELGRUPPEN
2
5
ZIELE
3
6
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
GRUNDSÄTZE NIEDRIGSCHWELLIGER HILFEN
Antworten auf Gegenwart und Zukunft
Annehmen und Abgrenzen
Not lindern und das Provisorium betonen
Anwaltschaft für die Betroffenen
Akzeptanz von Unterschieden
Kindeswohl/Kinderschutz
Netzwerkorientierung
Gesellschaftliche Verantwortung
4
4
4
5
5
5
5
6
6
7
LEITLINIEN FACHLICHEN HANDELNS
6
8
QUALITÄTSSICHERUNG UND FACHLICHE STANDARDS
7
9
SCHLUSSWORT
8
ANHANG
9
II
1
Vorwort
Mit dem vorliegenden Papier positioniert sich die Caritas Suchthilfe (CaSu) zur
niedrigschwelligen Arbeit in der Suchthilfe. Grundlagen hierfür wurden von der
CaSu AG „Niedrigschwellige Hilfen“ erarbeitet1. In dieser AG haben sich Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Bereichen der niedrigschwelligen Arbeit in der
Caritas Suchthilfe zusammengefunden. Ziel des Papiers ist, neben der fachlichen
Positionierung, die Darstellung des ganzen Spektrums Niedrigschwelliger Hilfen
in der CaSu.
Mit Blick auf die Niedrigschwelligen Hilfen wird die öffentliche Diskussion vorrangig von ordnungspolitischen Erwägungen dominiert. In der Fachdiskussion wird
oft der Aspekt der Überlebenshilfen hervorgehoben. Das begriffliche Instrumentarium dieses Verständnisses beinhaltet dabei Begriffe wie Harm Reduction, Risikominderung, akzeptierende Suchthilfe, Überlebenshilfen und Schadensminderung.
Beide Diskussionen verkürzen aus unserer Sicht die niedrigschwellige Arbeit in
der Suchthilfe und lassen fallbezogen wie organisatorisch Entwicklungsperspektiven vermissen. Mit dem Begriff der „Niedrigschwelligen Hilfen“ macht die Caritas Suchthilfe (CaSu) deutlich, dass klientenseitig mit der Inanspruchnahme und
organisatorisch für die Hilfen, „Niedrigschwellige Arbeit“ immer über die „Überlebenshilfe“ hinausreicht, Angebote für persönliche Entwicklungen bis zum Ausstieg aus dem Substanzmittelmissbrauch anbietet und mit weiterführenden Hilfen
verknüpft ist.
Niedrigschwellige Hilfen in der CaSu sind werteorientiert und ordnen sich ein in
ein Gesamtverständnis Sozialer Arbeit und einem Verständnis von CARITAS,
das im Leitbild des Deutschen Caritasverbands zum Ausdruck gebracht wird.
Niedrigschwellige Hilfen in der CaSu sind personenzentriert und insofern ausgerichtet auf unterschiedliche Anforderungen und Problemlagen der einzelnen Klienten/innen. Sie antworten darauf mit einem komplexen methodischen Handeln.
Komplexität bestimmt oft die aktuelle Lebenssituation und die Problemlagen der
Klienten/innen ebenso, wie ihre Geschichte als Opfer von Ausgrenzung und Kriminalität oder als Täter in verschiedensten Deliktbereichen. Komplexität spiegelt
sich deshalb auch in der nachfolgenden Darstellung der Zielsetzungen, der Arbeitsansätze und der Prinzipien des fachlichen Handelns2.
Das Positionspapier schließt ab mit einer knappen Darstellung der Funktionsbereiche der Niedrigschwelligen Hilfen in der Caritas Suchthilfe (CaSu).
2
Leitbild der Caritas Suchthilfe
Am Leitbild des Deutschen Caritasverbands3 orientiert sich auch die Caritas
Suchthilfe. Mit Blick auf die Niedrigschwelligen Hilfen der CaSu sind folgende
Leitsätze in besonderer Weise hervorzuheben:
1
Die Erstellung des Positionspapiers ist mit Unterstützung der FOGS GmbH erfolgt.
2
Auch wenn die Unterscheidung zwischen Merkmalen, Grundsätzen und Leitlinien Redundanzen aufweist, so zielt die
Betrachtung des Gegenstands aus unterschiedlichen Perspektiven gerade auf seine Komplexität.
3
Beschlossen vom Zentralrat des Deutschen Caritasverbands im Mai 1997, Limburg.
1

Ziel des Deutschen Caritasverbandes ist es, den Menschen in seiner Würde
zu schützen.

Vornehmstes und ureigenstes Ziel aller Caritas-Arbeit ist es, Menschen –
insbesondere benachteiligte und schwache – vor Ausnutzung, Ausgrenzung
und zugleich vor Vereinnahmung zu schützen und ihre Selbsthilfekräfte anzuregen.

Caritas-Arbeit ist Hilfe für Menschen in Not.

Der Deutsche Caritasverband versteht sich als Anwalt und Partner Benachteiligter.

Er setzt sich für Menschen ein, die am Rande der Gesellschaft leben, die öffentlich keine Stimme haben und sich nicht selbst helfen können.

Er tritt gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen entgegen, die zur
Benachteiligung von Einzelnen und Familien oder zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen führen.
In diesen Leitsätzen wird direkt Bezug genommen auf die Personengruppen, die
Niedrigschwellige Hilfen in Anspruch nehmen. Die Grundausrichtung der Arbeit
wird dabei ebenso klar benannt, wie die sozial- und gesellschaftspolitische Dimension des Handelns.
3
Merkmale Niedrigschwelliger Hilfen
Niedrigschwellige Hilfen dienen der Sofort- und Überlebenshilfe. Sie sind suchtbegleitend und können ohne Voraussetzungen in Anspruch genommen werden.
Die Hilfen bieten gleichzeitig einen Zugang zu weiterführenden Hilfen an und sind
damit der Ort des niedrigschwelligsten Zugangs in alle Suchthilfen.
Niedrigschwellige Hilfen erreichen auch Menschen, die jenseits gesellschaftlicher
Regeln, Werte und Normen leben.
Niedrigschwellige Hilfen erreichen ihre Klient/innen trotz des weiten Abstandes
zu sozialen Konventionen in ihrer jeweils spezifischen Lebensrealität vor Ort.
Niedrigschwellige Hilfen sind gekennzeichnet durch das Spannungsfeld von Zuwendung zu den betroffenen Menschen und gleichzeitiger Abgrenzung zu den
schädigenden Einflüssen des subkulturellen Milieus.
4
Zielgruppen
Die Niedrigschwelligen Hilfen wenden sich grundsätzlich an alle Menschen in
suchtbezogenen Problemlagen, die diese Hilfen in Anspruch nehmen wollen. Oft
befinden sich die Menschen in einer umfassenden Notlage, die ihre gesamte materielle, soziale und persönliche Existenz berührt. Sie sind deshalb oft nicht in der
Lage, selbstständig weiterführende Hilfen in Anspruch zu nehmen oder lehnen
eine solche Inanspruchnahme ab.
Die Klient/innen Niedrigschwelliger Hilfen leben oft in einer extremen gesellschaftlichen Randständigkeit. Auch wenn Ressourcen, die jedem und jeder inne-
2
wohnen, nicht übersehen werden dürfen, sind dennoch einige Merkmale augenfällig:
Viele Klient/innen Niedrigschwelliger Hilfen sind mit Bewältigungsversuchen ihrer
suchtbezogenen Problemlagen in weiterführenden Angeboten der Suchthilfe
und/oder der psychiatrischen Versorgung mehrfach „gescheitert“. Sie bewegen
sich häufig in Straßenszenen, zwischen Wohnungslosigkeit und gelegentlichem,
oft provisorischen oder prekären Wohnsituationen, unterbrochen durch Haft- oder
Krankenhausaufenthalte. Nicht wenige von ihnen weisen in bedenklichem Maß
Merkmale persönlicher und gesundheitlicher Verwahrlosung sowie sozialer und
kultureller „Verrohung“ und „Verarmung“ auf. Sie sind häufig Opfer von Diebstählen, Überfällen, Körperverletzung, Ausbeutung, sexueller Gewalt und erleben die
demütigenden Folgen gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung. Die
gesundheitlichen Folgen dieser Lebensumstände stellen eine permanente Bedrohung dar.
Gleichzeitig begehen viele Klienten/innen Niedrigschwelliger Hilfen nahezu täglich Straftaten, sind selbst Täter. Bei diesen Straftaten handelt es sich oft um Beschaffungskriminalität und/oder um deviantes Verhalten, das bereits früh sozialisiert wurde.
Die aktuellen Belastungen ebenso wie die aktuell schädigenden Verhaltensweisen setzen bei den meisten Klient/innen auf einer langen Geschichte von schwierigen Lebensbedingungen, nicht bewältigten Entwicklungsaufgaben und Traumatisierungen auf, die bis in die frühe Kindheit zurückreichen kann.
5
Ziele
Das Kernziel einer Sucht begleitenden Überlebens- und Krisenhilfe ist es, schädigenden Prozessen und Entwicklungen in der Akutsituation entgegenzuwirken
und eine Basisversorgung zu sichern.
Verbunden damit zielen die Hilfen auf die Minderung der gesundheitlichen, psychischen und sozialen Risiken und Folgen des Suchtmittelkonsums.
Schließlich werden die Entwicklung von eigenverantwortlichen Handlungsstrategien, Hilfe zur Selbsthilfe und – soweit möglich und gewollt – die Überleitung in
weiterführende und ausstiegsorientierte Maßnahmen angestrebt.
Die schrittweise Ablösung des/der einzelnen Klienten/in aus dem subkulturellen
Milieu und die Förderung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie die
(Wieder-)Eingliederung in gesicherte Wohn-, Beschäftigungs- und Teilhabestrukturen sind weitere Ziele Niedrigschwelliger Hilfen.
Niedrigschwellige Hilfen zeigen dabei von Beginn an Wege zu einem lebenswerten Leben, zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Abstinenz auf. Sie beziehen
die aktuellen Anliegen des/der Klienten/in auf diese weitergehenden Ziele und
reagieren sensibel auf die Bereitschaft des/der Klient/in zur Auseinandersetzung
damit.
Niedrigschwellige Hilfen können ihre Ziele nur verfolgen, wenn es ihnen gelingt,
Kontakt zum/zur Klienten/in herzustellen und diesen Kontakt nachhaltig zu sichern. Ein guter Kontakt ist daher bereits selbst ein wesentliches Ziel Niedrigschwelliger Hilfen.
3
6
Grundsätze Niedrigschwelliger Hilfen
Niedrigschwellige Hilfen in der CaSu berücksichtigen folgende Grundsätze:
6.1
Antworten auf Gegenwart und Zukunft
Das berufliche Handeln der Niedrigschwelligen Hilfen ist immer gleichzeitig Antwort auf die akute Notlage des/der Betroffenen und ein Signal, dass es Sinn hat,
auf eine „bessere“ Zukunft hin zu arbeiten.
Die Maßnahmen zur Schadensminderung sollen dabei ein würdig(er)es Leben in
der Gegenwart sichern. Im Vollzug dieser Maßnahmen soll gleichzeitig jedoch
bereits ein Verständnis dafür geöffnet werden, dass es sich lohnt, an einer Verbesserung der eigenen Situation zu arbeiten. Zudem wird in angemessener Weise und orientiert an den Fähigkeiten und der Bereitschaft des/der Klient/in dazu
ermutigt, sich auf weiterführende Anstrengungen einzulassen.
6.2
Annehmen und Abgrenzen
Die Mitarbeiter/innen nehmen die Klient/innen an und akzeptieren sie. Dies bezieht sich jeweils auf den ganzen Menschen mit seinen Fähigkeiten und Ressourcen, aber auch seinen Schwächen, seinen Funktionsstörungen und seiner
Destruktivität.
Gleichzeitig repräsentieren die Mitarbeiter/innen in Verhalten und Orientierung
und die Einrichtungen in ihren Regelwerken Werte und Normen, die sich deutlich
von den schädigenden Verhältnissen des subkulturellen Milieus unterscheiden.
Die Mitarbeiter geben Hoffnung und wahren Distanz zur Hoffnungslosigkeit.
Die Hilfeeinrichtungen bieten freundliche Räumlichkeiten. Sie sind dabei neben
ihrer Funktion als Kontaktladen, Notschlafstelle, Wärmestube etc. auch Treffpunkt von vielen Menschen aus subkulturellen Milieus. Damit sind sie auch der
Gefahr ausgesetzt, zu Orten illegaler Aktivitäten zu werden oder selbst zu Orten
der Szenebildung zu werden. Es bedarf deshalb abgestimmter Maßnahmen, um
die Hilfeerbringung zu ermöglichen und illegalen Verhaltensweisen und Szenebildung vorzubeugen.
Niedrigschwellige Hilfen stellen geringe Anforderungen an ihre Klienten/innen,
darunter die Akzeptanz der Mitarbeiter/innen in ihrer Funktion sowie des sozialkulturellen Milieus in der Einrichtung.
Dabei gelten folgende Normen und Regeln:

keine körperliche Gewalt oder verbale Gewaltandrohung

kein sexistisches oder rassistisches Verhalten

Akzeptanz einrichtungsspezifischer Anforderungen („Den Anweisungen des
Personals ist Folge zu leisten“)

Suchtmittelkonsum ist nur in entsprechend gekennzeichneten Arealen (Drogenkonsumraum oder Trinkerraum) möglich

kein Handel mit Drogen und Hehlerware, keine Geldgeschäfte oder entsprechende Absprachen
4
Niedrigschwellige Hilfen bauen durch die aktive Ausgestaltung des Spannungsfelds zwischen persönlicher Annahme und Akzeptanz und der Orientierung an
eigenen Normen und Werten „Brücken“ zwischen der subkulturellen Lebenswelt
und der Normalität.
6.3
Not lindern und das Provisorium betonen
Niedrigschwellige Hilfen lindern durch ihre Angebote und Maßnahmen tatsächliche Not in der aktuellen Situation. Gleichzeitig erinnern sie daran, dass die aktuelle Lebenssituation ein Provisorium ist. Sie wirken darauf hin, dass eigene Entwicklungswünsche im Hinblick auf ein eigenständiges, von äußeren lebensbegleitenden Hilfen unabhängiges Leben aufrechterhalten werden können. Wo diese
Entwicklungswünsche nicht vorhanden sind, regen sie zu deren Entwicklung an.
Sie machen Mut und geben Zuspruch.
6.4
Anwaltschaft für die Betroffenen
Ein wichtiger Bestandteil des helfenden Auftrags Niedrigschwelliger Hilfen der
CaSu besteht in der Verminderung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung. Sie wirkt zudem Ungerechtigkeit entgegen. Träger, Einrichtung, und Mitarbeiter/innen nehmen dabei eine anwaltliche Funktion war. Sie stehen sowohl gesellschaftlich und sozialpolitisch als auch im Einzelfall an der Seite von benachteiligten, randständig lebenden oder von diesen Lebensumständen bedrohten
Menschen.
6.5
Akzeptanz von Unterschieden
Niedrigschwellige Hilfen der CaSu gehen davon aus, dass Menschen und Lebenswelten durch Unterschiede geprägt sind. Diese Unterschiede bestehen u.a.
hinsichtlich Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion und sozialer Schicht. Sie basieren zudem auf unterschiedlichen Lebenswelten und -weisen und sind in vielen
Teilen unserer Gesellschaft durch individuelle Entwicklungen geprägt. Diese Unterschiede in der praktischen Arbeit angemessen zu berücksichtigen, stellt eine
Herausforderung dar.
Mit Blick auf kulturell begründete Unterschiede werden insbesondere die Zugangsweisen und Kontaktbedingungen den jeweiligen kulturellen Erfordernissen
und klientenbezogenen Erwartungen angepasst.
Genderbegründete Unterschiede erfordern sowohl eine besondere Berücksichtigung gewaltbezogener Folgen bei den Klient/innen als auch gewaltvermeidende
bzw. -minimierende Rahmenbedingungen in den Einrichtungen.
6.6
Kindeswohl/Kinderschutz
Dort, wo die Klienten/innen Niedrigschwelliger Hilfen Kontakt zu Kindern haben
oder mit Kindern zusammenleben, ist – u.a. wegen des erhöhten Gefährdungspotentials und des ggf. vorhandenen schädigenden Lebensumfelds – die Sensibilität mit Blick auf die Kindeswohlgefährdung bzw. den notwendigen Kinderschutz
erhöht. Diese Wahrnehmung wird strukturell abgesichert, z.B. über Schulungen
und eine geeignete Dokumentation. Im Spannungsfeld zwischen den Interessen
5
bzw. Wünschen der Klienten/innen und dem Kindeswohl sind die Niedrigschwelligen Hilfen der CaSu eindeutig am Kindeswohl ausgerichtet. Gleichzeitig kommuniziert sie ihren Klienten/innen ihr Vorgehen und ihre Maßnahmen transparent.
6.7
Netzwerkorientierung
Die Niedrigschwelligen Hilfen der CaSu arbeiten in Hilfeverbünden bzw. in Netzwerken von Hilfen. Die CaSu ist Bestandteil von kooperierenden niedrigschwelligen und weiterführenden und ausstiegsorientierten Hilfen. Sie ermöglicht ihren
Klienten/innen einen möglichst schwellenarmen Übergang zu weiterführenden
Hilfen durch persönliche Vermittlungen, gebahnte Übergänge zwischen den Hilfen und der Erarbeitung gemeinsamer konzeptioneller Grundlagen. Darüber hinaus arbeitet sie mit allen anderen relevanten Diensten, Berufsgruppen und Behörden zusammen.
6.8
Gesellschaftliche Verantwortung
Die Niedrigschwelligen Hilfen der CaSu sehen ihre gesellschaftliche Verantwortung. Diese zeigt sie u.a. bei der Ausgestaltung der Schnittstellen zwischen der
Sicherung einer Niedrigschwelligen Hilfe, dem notwendigen Kontakt zu subkulturellen Milieus und devianten und illegalen Verhaltensweisen und ordnungspolitischen Erwartungen. Sie setzt diese Verantwortung über fundierte fachliche Konzepte, transparente Regeln und eine kontinuierliche Abstimmung mit allen Beteiligten um. In diesem Spannungsfeld sind Niedrigschwellige Hilfen an gesetzlichen Grundlagen und bestehenden Rechtsvorschriften orientiert.
7
Leitlinien fachlichen Handelns
Als Leitlinien des fachlichen Handelns der Niedrigschwelligen Hilfen der CaSu
gelten:

Niedrigschwellige Hilfen basieren auf einem vertrauensvollen und kontinuierlichen Kontakt zwischen Klient/in und Mitarbeiter/in.

Zugrunde gelegt wird eine wertschätzende Haltung der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters gegenüber den Klienten/innen und eine akzeptierende Haltung bezüglich ihrer Lebenslagen.

Im Kontakt ist der/die Mitarbeiter/in zuverlässig und verbindlich. Auch in Krisensituationen und im klientenseitigen Kontaktabbruch legt er/sie Wert auf
die Einhaltung von Absprachen.

Der/die Mitarbeiter/in versteht sich als Begleiter/in des Klienten/der Klientin.
In dieser Begleitung sind Mitarbeiter/innen ausdauernd und belastbar.

Der/die Klient/in ist immer eine eigenständige und selbstverantwortliche Person. Maßnahmen gegen den Willen des Klienten/der Klientin erfolgen nur im
Fall der Selbst- und Fremdgefährdung sowie bei Kindeswohlgefährdung –
und in größtmöglicher Absprache mit und Transparenz gegenüber den Klient/innen.
6

Die Hilfen sind personenbezogen ausgerichtet. Dabei werden die individuellen Hilfebedarfe ebenso berücksichtigt wie individuelle, kulturelle, geschlechtsbezogene und/oder sonstige Unterschiede.

Niedrigschwellige Hilfen bieten – soweit dies eben möglich – in der Akutsituation komplexe Hilfen für die aktuellen Bedarfe an. Dies gilt vor allem mit Blick
auf die medizinische Notfallversorgung bzw. Ersthilfe.

Die Hilfen werden aufsuchend, nachgehend und/oder institutionell erbracht.
In Teilbereichen und nach Vereinbarung (z.B. im Bereich der Psychosozialen
Begleitung) kann die Kontaktverantwortung bei dem/der Mitarbeiter/in liegen.

Institutionell reichen Niedrigschwellige Hilfen von Krisenintervention mit einem entsprechenden Notfallmanagement über die Sicherstellung von materiellen Grundbedürfnissen und lebenspraktischer Unterstützung bis hin zu
geschützten und behaglichen Räumlichkeiten und der Vermittlung eines kulturellen Milieus.

Die Hilfen werden in Netzwerken, Verbundsystemen und/oder in enger fallbezogener Kooperation mit Dritten erbracht. Zusammenarbeit ist Wesensmerkmal niedrigschwelliger Hilfen.
8
Qualitätssicherung und fachliche Standards
Die Sicherung der Qualität Niedrigschwelliger Hilfen der CaSu orientiert sich am
Leitbild und an den Qualitätsstandards des Deutschen Caritasverbandes sowie
an den uns gestellten gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen. Einem Qualitätsmanagement liegt das Rahmenhandbuch „Suchthilfe - ambulant und stationär 2.0“ der CaSu zugrunde.
Niederigschwellige Hilfen verfügen konkret über folgende Qualitätsmerkmale:

Die Arbeit der Niedrigschwelligen Hilfen erfolgt auf der Grundlage fachlicher
Konzepte. Die Konzepte werden regelmäßig überarbeitet. Sie orientieren
sich an aktuellen wissenschaftlichen Standards.

Datenschutz und Schweigepflicht werden nach den Vorgaben des staatlichen
und des kirchlichen Datenschutzes eingehalten.

Die Leistungen werden durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit erbracht. Sie
können durch weitere Mitarbeiter/innen und andere Fachkräfte ergänzt werden, die über entsprechende Qualifikationen verfügen.

Die Fachkräfte verfügen über besondere Qualifikationen in den Bereichen
Motivational Interviewing, Case Management, Notfallmanagement, Deeskaltion und interkulturelle Kompetenz.

Regelmäßige Teamsitzungen und Fallbesprechungen, externe Supervision
und/oder kollegiale Fachberatung zählen ebenfalls zum Standard der Arbeit.

Die organisatorischen Strukturen und Prozesse werden hinsichtlich der Erfordernisse ausgestaltet, die sich an den Anforderungen der Klienten orientieren.
7

Die Aufgaben der Mitarbeiter/innen sind in Funktions- und Aufgabenbeschreibungen festgelegt. Es finden regelhaft Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche statt.

Niedrigschwellige Einrichtungen verfügen über Haus- und Nutzungsregeln
und eindeutige Bestimmungen zum Schutz vor Gewalt und Übergriffen.

Arbeitsräume und Arbeitsmaterialien sind den Erfordernissen der jeweiligen
Angebote und den Standards zur Strukturqualität in den Caritasdiensten angepasst.

Die Vorschriften zum Arbeitsschutz und zur Hygiene sind bekannt und werden regelmäßig überprüft. Ebenso liegen Notfallpläne vor, deren Funktionalität regelhaft überprüft wird.

Niedrigschwellige Hilfen kooperieren eng mit anderen Versorgungssegmenten. Dieses gilt insbesondere – wegen häufig multipler Problemlagen – für
die (sucht-)medizinische und psychiatrische Versorgung.

Niedrigschwellige Hilfeangebote verstehen sich als ganzjährige Hilfestellung.
Sie können z.B. bei temporären Belastungen (Winterhilfen) zusätzlich erweitert werden.
9
Schlusswort
Mit dem vorliegenden Positionspapier umreißt die Caritas Suchthilfe (CaSu) ihre
fachliche Vorstellung Niedrigschwelliger Arbeit im Bereich der Hilfen für Menschen mit suchtbezogenen Problemlagen. In Anbetracht der sich verändernden
Zielgruppen, Anforderungen und Rahmenbedingungen kann diese Positionierung
nur auf einen begrenzten Zeithorizont ausgerichtet sein. Wir gehen davon aus,
dass sowohl der fachliche Austausch mit anderen als auch die sich verändernden
Voraussetzungen eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung erforderlich machen. Ein solches Vorgehen entspricht unserem fachlichen und weltanschaulichen Selbstverständnis.
8
ANHANG
Funktionsbereiche Niedrigschwelliger Hilfen
Im Folgenden werden die zentralen Funktionsbereiche Niedrigschwelliger Hilfen
hinsichtlich ihrer Angebote und Maßnahmen beschrieben. Die Funktionsbereiche
können vollständig oder teilweise organisatorisch u.a. in speziellen niedrigschwelligen Einrichtungen, in anderen ambulanten und (teil-)stationären Einrichtungen der Suchthilfe oder in der Wohnungslosenhilfe verortet sein. Funktionsbereiche meint eine Bündelung von unterschiedlichen versorgungsrelevanten
Funktionen. Im Bereich niedrigschwelliger Einrichtungen können die Funktionsbereiche weitgehend deckungsgleich mit dem jeweiligen Einrichtungstyp sein.
Einrichtungsspezifische Differenzierung wie Drogenkonsumraum, Trinkerstube,
Notschlafstelle sind weniger funktions- als vielmehr zielgruppen-, angebots- oder
(versorgungs-)bereichsbezogen begründet.
Funktionsbereich: Kontakt und (Tages-)Aufenthalt

Ruhe-, Schutz- und Kulturraum

basale Unterstützung (Nahrung, Sauberkeit, Kleidung)

Tagesruheplätze/-betten

Ermöglichung von sozialen Kontakten

Bereitstellung von Kommunikationsmitteln

Ergänzung der beschädigten Netzwerke Suchtmittelabhängiger mit ressourcenstarken Alternativen

tagesstrukturierendes Angebot

niedrigschwellige, situationsbezogene Stress-, Konflikt- und Trauerbegleitung

Kontaktaufnahme und (sukzessiver) Vertrauensaufbau zum Hilfesystem
Funktionsbereich: Gesundheit

Spritzentausch

systematische (medizinische) Krankheitsprävention (Safer Sex, Infektionsprophylaxe usf.)

medizinische Soforthilfe (Wund- und Abszessbehandlung, Infektionserkrankungen usf.)
Funktionsbereich: Beratung und Betreuung

suchtberaterische/suchttherapeutische Intervention und Unterstützung

sozialarbeiterische Beratung in Alltags- und Lebensfragen, Sozialberatung
9

Case Management (Vermittlung weiterführender Hilfen bspw. zur Schuldenregulierung, Sorgerechtsfragen, juristische Beratung usf.)

Ausstiegshilfen und Weitervermittlungen in das Hilfesystem
Funktionsbereich: (Drogen-)Konsumraum

Ermöglichung des Konsums selbst besorgter (Straßen-)Drogen unter hygienischen Bedingungen zur Risikominimierung/Überlebenshilfe

Ermöglichung des Alkohol- und/oder Medikamentenkonsums in „geschützter
Umgebung“

Hilfen bei (Drogen-)Notfällen (bspw. Überdosierung, Anfällen)
Funktionsbereich: Schlafen/Übernachten

Ruhe-, Schutz- und Schlafraum

Grundversorgung (u.a. schlafen, waschen, essen)

Ergänzung der beschädigten Netzwerke Suchtmittelabhängiger mit ressourcenstarken Alternativen

Schutzwohnung für wohnungslose Klientel in Rekonvaleszenz-Phase zur
Genesungsunterstützung
Funktionsbereich: Wohnen

Betreuung in einem geschützten Rahmen

alltagspraktische Hilfen (u.a. waschen, essen, putzen)

tagesstrukturierende Hilfen (u.a. Freizeit)

alltagsbezogene Hilfen/Unterstützung bei Realisierung einer konsumreduzierten Lebensweise
Funktionsbereich: Aufsuchende Arbeit

Aufsuchen von Abhängigen ohne Kontakt zum Hilfesystem im entsprechenden Umfeld

Kontaktaufbau, Begleitung und Beratung in der Lebenswelt der Betroffenen

Unterstützung und Hilfen zur Existenzsicherung

Case Management

nachhaltige Werbung zur Vermittlung ins Hilfesystem
10
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