Lieber zusammen 2017 ist ein Jahr der Weic henstellungen in Europa und in Deutschland. Die Bundestagwahl findet statt, in den Niederlanden und in Frankreich w ir d gewählt, und ebenso in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in SchleswigHolstein. Der neue amerikanische Präsident hat sein Amt angetreten. Es geht um die Frage, w elche Richtung w ir einschlagen: auf unserem Kontinent, in unserem Land und in unseren Beziehungen zu anderen Ländern, auch zu den USA. Dieses Jahr ist anders als andere Wahljahre. Die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl wird deutlich zunehmen, und die Wählerinnen und Wähler werden sic h erst spät entscheiden, wen sie unterstützen. Denn die Mens chen fühlen: Es geht um die Richtung und um die Balance in Deutschland. Worum es bei der Bundestagswahl 2017 geht. Es geht um die demokratische Substanz: Wie können wir durch mehr Gerechtigkeit, mehr Zusammenhalt, mehr Chancen und mehr Sicherheit den Glauben an die Gestaltungsfähigkeit von Politik und Gesellschaft und den Optimismus für Fortschritt erzeugen. Sie sind notwendig für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Diese Richtungsfragen brauchen klare programmatische und personelle Alternativen. Die Menschen müssen erkennen, dass es wirkliche Alternativen in unserem Land gibt und Scheinlösungen eben keine Lösungen sind. Und es geht um die Rolle und die Bedeutung der Sozialdemokratie. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen: Der Demokratie in Deutschland ging es immer dann gut, wenn es der SPD gut ging. Die Sozialdemokratie ist der Garant für eine starke, gerechte, fortschrittliche und demokratische Gesellschaft, in der miteinander, nicht gegeneinander gearbeitet w ir d. Eine starke SPD ist nötig, um den Rechtspopulismus in Europa und Deutschland in seine Schranken zu weisen. Und sie ist die Voraussetzung dafür, dass die zentralen Themen der Zeit, nämlich mehr Gerechtigkeit, bessere Bildung, ein leistungsfähiger Sozialstaat, faire Steuern und Löhne, eine arbeitnehmer- und verbraucherorientierte Digitalisierung und eine moderne Familienpolitik entschieden angepackt werden. Dafür ist ein Politikwechsel nötig, denn wir sind am Ende dessen angelangt, was man mit einer in sich zerstrittenen CDU/CSU erreichen kann. Die Aufgaben, vor denen wir stehen, sind enorm: Viel zu viele Menschen fühlen sich von demokratischer Politik nicht mehr angesprochen. Das w eit verbreitete Misstrauen in die Politik , die keine Alternativen anbietet, sie erst recht nicht öffentlich diskutiert und sic h nicht wirklich um die Sorgen vieler Menschen zu kümmern scheint, ist für Deutschland, für unser Gemeinw esen und unseren sozialen Zusammenhalt hoch gefährlich. Wir wollen zeigen, dass es Alternativ en zur gegenwärtigen Politik gibt, und zwar bessere. Wir w ollen beweis en, dass der Gegensatz zwis chen denen „da oben“ und denen „hier unten“, zwis chen arm und reich, zwischen einflussreich und machtlos überwunden werden kann. Unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung gehört jeder und jede dazu. Dafür werden wir kämpfen. Die Gegensätze bestehen nicht nur in Deutschland, sondern noch mehr in Europa. Hier w ir d die Gefahr der Auflösung der EU immer deutlicher. Dem w erden wir entschieden entgegentreten. Die bisherige Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble hat entscheidend zu den immer tieferen Krisen in der EU seit 2008, zur Isolierung einer dom inanten deutschen Bundesregierung und - durch das unerbittliche Festhalten an der Austeritäts-Politik – zur hohen Arbeitslosigkeit außerhalb Deutschlands beigetragen. Eine Folge davon war die Stärkung antieuropäischer populistischer Parteien und die Beschädigung nic ht nur der Demokratie, sondern auch eines guten Investitionsklimas. Auch unsere Regierungsbeteiligung in der Großen Koalition hat zwar manches mildern können, aber die grundsätzliche Korrektur dieses Kurses war und w ir d mit CDU und CSU nicht gelingen. Dafür muss die SPD deutlich stärker werden und die nächste Bundesregierung anführen. Eine Fortsetzung der bis herigen Politik ginge auf Kosten eines nachhaltigen Wachstums. Das is t auch für Deutschland selbst gefährlich. Den Bürgerinnen und Bürgern muss wieder mehr Kontrolle über ihre Lebensverhältnisse zurückgegeben werden. Es geht um Gestaltung von Arbeit, Bereitstellung von öffentlichen Gütern: Bildung, Gesundheit, bezahlbares Wohnen, Zeit für Familien und das Engagement in Vereinen und Politik. Wir w ollen ein menschenfreundliches Reformverständnis zurückgewinnen, das Teilhabe und soziale Sicherung befördert. Wirtschaftliche Höchstleistung nicht gegen die Menschen sondern zusammen mit ihnen, Teamarbeit, Mitbestimmung statt eines alles beherrschenden Wettbewerbs, gesellschaftlicher Zusammenhalt durch Stärkung institutioneller Solidarität: Tarifautonomie und unternehmensübergreifende Tarif-Bindung, verlässliche Sozial- und Arbeitslosenversicherungen. Deutschland braucht einen Aufbruch, gegen die Verängstigung durch den Terror, gegen das Gefühl der Ohnmacht, gegen Mutlosigkeit und Resignation. Unser Ziel ist eine aktive freundliche Gesellschaft, in der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – in Deutschland, in Europa und global - zu wirklicher Sicherheit führen. Mauern und Stacheldraht, w ie w ir sie in Europa w ieder hochziehen, werden sie auf Dauer nicht gründen. Sicherheit braucht die Freiheit und die Loyalität der Bürgerinnen und Bürger . Dies sind die Themen, für die die SPD 2017 geschlossen antreten wird. Wir machen damit deutlich, w elchen Kurs unser Land nehmen soll: Uns geht es nic ht um die Wenigen, die schon genug haben. Uns geht es um die Vielen, die sich immer w ieder neuen Aufgaben und Herausforderungen stellen, und die dies mit großer Anstrengung und teilw eise unter großen Entbehrungen tun. Diese Leistung muss wieder stärker ideell und materiell anerkannt w erden. All das muss w ieder zur Richtschnur der Politik in Deutschland werden. Wir w ollen außerdem mehr Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger. Wir treten jeder Form von Terrorismus, aber auch von Ausgrenzung entgegen. Es geht um die richtige Balance von Freiheit und Sicherheit für alle, die in Deutschland leben, und die die demokratischen Grundwerte unserer Gesellschaft teilen. Wir wollen offen, tolerant, aber auch wehrhaft sein. Im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Vorschlag für den SPD-Kanzlerkandidaten. Ich habe in und außerhalb der SPD in den letzten Wochen mit vielen Menschen gesprochen und mich auch mit der SPD-Führung intensiv beraten, mit w elchem personellen Angebot w ir in diese so wichtige Richtungsauseinandersetzung gehen. Natürlich sind das unsere erfolgreic hen SPD- Mitglieder im Bundeskabinett. Sie waren die Motoren der Regierungsarbeit in den letzten mehr als drei Jahren. Gemeinsam mit den SPDBundestagsabgeordneten und den Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten treten w ir für keine Koalition und für keine taktischen Überlegungen an, sondern für „150 Prozent“ Sozialdemokratie. Dafür brauchen w ir auch eine Person, die diesen Wahlkampf glaubwürdig repräsentiert,mit der w ir die nächste Bundesregierung anführen und Angela Merkel und ihre zerstritten Parteien CDU und CSU ablösen w ollen. Dafür habe ich zunächst Hannelore Kraft und Olaf Scholz und dann dem gesamten Präsidium vorgeschlagen, für die Entscheidung am 29.1.2017 im SPD- Parteivorstand Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2017 zu nominieren und auf einem Parteitag w ählen zu lassen. Und weil die Führung der SPD eindeutig und klar sein muss, schlage ich ihn auch als neuen Vorsitzenden der SPD vor. Das SPD- Präsidium ist meinem Vorschlag gefolgt, so dass w ir mit einem klaren Votum in den Parteivorstand am 29. Januar 2017 geben werden. Ich bin sic her, dass wir dort ein genauso einmütiges Votum erhalten werden. Martin Schulz hat sic h bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen. Er soll auf einem Sonder-Parteitag Ende Februar/Anfang März für beide Funktionen zur Wahl stehen. Und ich bin mir sicher: Er wird auch mit breiter Mehrheit gew ählt werden. Martin Schulz genießt durch seine einzigartige Arbeit als Präsident des Europäischen Parlaments, sein jahrzehntelanges Engagement gegen Rechtspopulismus und sein Eintreten für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa eine große Glaubw ürdigkeit. Seine Kandidatur für das Amt des deutschen Bundeskanzlers und die Übernahme des Parteivorsitzes der SPD dokumentieren unseren Willen für einen echten Neubeginn in Deutschland und Europa. Unser Land aber auch unser Kontinent muss der neuen US-Regierung selbstbewusst gegenübertreten. Es braucht also einen glaubwürdigen Neuanfang zur Großen Koalition. Und den repräsentiert Martin Schulz in der deutschen Öffentlichkeit mehr als jeder und jede andere von uns. Martin Schulz ist ein deutscher Europäer und europäischer Deutscher mit großem Renommee w eit über die Grenzen unseres Landes hinaus - nic ht nur in der EU - sondern in vielen Ländern der Welt. Er ist ein Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und seine Biographie zeigt, dass Aufstieg durch Leistung in dieser Gesellschaft möglich ist. Er war Kommunalpolitiker, Europapolitiker und gehört seit Jahren zur engeren Führung der SPD auf Bundesebene. In all diesen Aufgaben hat er eines gezeigt: Er kann führen und integrieren. Er hat klare Überzeugungen, aber immer auch den Blick für das Machbare. Er w eiß, dass wir tschaftliche Stärke und soziale Gerechtigkeit keine Gegensätze sind, sondern sich einander bedingen. Er weiß, dass gerechtere Gesellschaften leistungsfähiger, kreativer, w ir tschaftlich erfolgreicher und demokratisch geschlossener sind. Martin Schulz hat in seinem Leben immer w ieder gezeigt: Er kann Brücken bauen. Er kann zusammenführen. Er bleibt immer sozialdemokratischen Grundwerten und Haltungen treu und tritt, wo es notw endig ist, kompromisslos für sie ein. Das ist genau das, was unser Land jetzt braucht. Martin Schulz ist ein politisches Angebot an die Wählerinnen und Wähler in Deutschland, den Status Quo zu verändern. Er besitzt Glaubwürdigkeit, nicht nur für SPD-Anhänger, sondern auch im konservativen, linken, grünen und linksliberalen Milieu. Martin Schulz w ir d nicht in die Regierung eintreten. Er w ir d als Vorsitzender und Spitzenkandidat für klare Alternativen jenseits der Grenzen der Großen Koalition für eine andere Politik in Deutschland und Europa werben. Mit dieser Entscheidung ist eines klar: Uns geht es nicht um Posten und Pöstchen. Uns geht es darum, den Kurs dieses Landes in einer breiten demokratischen Diskussion in und mit der SPD und mit der Gesellschaft insgesamt neu zu bestimmen. Darin sehen w ir eine große Chance, dem Gefühl und der Politik des „Weiter-so“, der „Alternativlosigkeit“, des kleinsten gemeinsamen Nenners, überzeugend zu begegnen. Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Menschen sich wieder mehr für die Demokratie, für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Gemeinsamkeit und für Fortschritt und Sicherheit in unserem Land engagieren. Nur mit einer Politik der Alternativ en, der Klarheit und der Richtung kann Populismen jedw eder Couleur wirkungsvoll entgegen getreten werden. Martin Schulz wird mit seiner Nominierung eine Deutschland-Tour beginnen, in allen Wahlkreisen. Er w ird den Menschen zuhören, er w ir d mit den Menschen diskutieren, und er wird die Alternativ en der SPD deutlich machen. Er w ird einen Wahlkampf vor Ort, nah bei den Menschen, und nicht allein in Berlin und über die Medien führen. So kann er einen Beitrag dazu leisten, dass Wählerinnen und Wähler und die Politik w ieder näher zusammenrücken. Damit w ird er zeigen, wofür er und die SPD eintreten. Die gesamte Sozialdemokratie w ird Martin Schulz in dieser Auseinandersetzung unterstützen. Wir machen damit auch klar: Uns und mir geht es nicht um einzelne Personen und Karrieren, sondern darum, einen w ir klichen Beitrag zur Erneuerung und Zukunft unseres Landes und zur Sic herung seiner demokratischen Substanz zu leisten. Meine Beweggründe. Ich danke allen in der SPD sehr, dass mir die Gelegenheit gegeben wurde, einen wohl abgewogenen Vorschlag zu machen. Der mediale Druck auf die SPD w ar riesig. Und ich w eiß wie hoch die Nervosität angesic hts der schw ierigen Umfragedaten bei allen ist. Vor allem bei den Bundestagsabgeordneten. Deshalb w ar es keine Selbstverständlichkeit, dass w ir nicht w ie bei den letzten beiden Bundestagswahlen in die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur hinein gestolpert sind. Sich nic ht treiben zu lassen, sondern selbstbewusst und aus eigener Verantwortung zu entscheiden war sehr, sehr wichtig. Das hat uns Respekt verschafft und is t der erste Schritt für einen erfolgreic hen Wahlkampf. Bei mir ist dieser Vorschlag schon seit dem Sommer heran gereif t. Einige in der engeren SPD- Führung w is sen das. Aber es war wic htig, dass wir jetzt entscheiden und es nic ht früher getan haben. Die Erfahrung der letzten Wahlen war: früher Kandidat – späterer Verlierer. 12 Monate und mehr mussten die letzten beiden SPD-Kanzlerkandidaten durchhalten. Jeder, der sie fragt, w ir d schnell erfahren, was das für ein politischer Höllenritt war. Natürlich fällt mir dieser Schritt nicht leicht. Das könnt Ihr mir glauben. Die Partei w ar und ist meine politische Heimat. Ich habe ihr, auch persönlich, vieles zu verdanken. Ich war mehr als sieben Jahre im Amt und bis zum Sonderparteitag und der Wahl von Martin Schulz bleibe ich das auch mit aller Leidenschaft. Danach aber sollte Martin die Partei führen. Ich habe diese Entscheidung jetzt nach w ir klich reif licher Überlegung getroffen und bin sehr sicher für unser Land, für die SPD und auch für mich persönlich damit das Richtige zu tun. Dass ic h das souverän und ohne von jemandem gedrängt worden zu sein, tun konnte, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Ich bin mit mir im Reinen und freue mich auf den gemeinsamen Wahlkampf. Vorsitzender der SPD sein zu dürfen, ist eine Aufgabe, die mich mit großem Stolz erfüllt hat. Bei schw ierigen Entscheidungen w ie heute habe ich immer an Hans-Jochen Vogel gedacht: Ihm ging es in der Politik nie um sich selbst. Ihm ging es immer darum, Dinge besser zu machen, das Leben der Menschen ganz praktisch zu verändern. Und das hat er als Partei- und Fraktionsvorsitzender nie aus dem Blick verloren. Ich finde, seine Persönlichkeit und Haltung kann jedem von uns ein großes Vorbild sein. Für mich jedenfalls ist er das. Mit meinem heutigen Vorschlag hoffe ic h, dem gerecht zu werden. Vorsitzender dieser großartigen Partei zu sein, war für mich immer das größte und stolz este Amt, das ic h erreichen konnte.. Und natürlich geht es in der Politik auch immer um persönliche Ambitionen und Leidenschaften. Aber mit Blick auf die SPD geht es darum, der Partei zu dienen und ihr eine gute Perspektive zu eröffnen. Und die Auswahl eines Kanzlerkandidaten ist eben eine Auftragsarbeit für die SPD. Persönliche Ambitionen sind dafür nachrangig. Klar ist: es gibt keine Gew issheiten und Berechnungen für den Erfolg. Aus heutiger Sicht lässt sich nur mit Plausibilitäten und Wahrscheinlichkeiten argumentieren. Und die sprechen alle eindeutig für Martin Schulz. Der Erfolg aber wird von uns allen abhängen. Bei aller notw endigen Diskussion und auch Kontroverse muss für alle eines gelten, und das sollten w ir nie vergessen: Zuallererst sind wir alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Und damit unseren Grundwerten von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verpflichtet und nicht unseren innerparteilichen Bezugsgruppen, eigenen Ambitionen, Vorlieben oder Abneigungen. Wir dienen nicht uns selbst, sondern unseren gemeinsamen Zielen und damit den Menschen in unserem Land. Daran sollten w ir immer denken. Was wir erreicht haben – und was nicht. Auch wenn w ir jetzt einen Neuanfang wagen wollen, so können wir doch stolz auf das Erreic hte sein. Niemand in Deutschland bestreitet, dass w ir trotz eines Wahlergebnisses von knapp 26 Prozent nach der letzten Bundestagswahl der Motor der Bundesregierung waren: Vom Mindestlohn, über die Rente, die Verdreif achung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau, die Investitionen in Kitas und Schulen, die Stärkung der Rechte der Frauen, die Senkung der Arbeitslosigkeit auf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung, die Steigerung sozialversic herungspflichtiger Arbeit und den Abbau von prekärer Beschäftigung, mehr Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt die Stärkung der Kommunen, die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder und manches andere mehr. Es w ar wohl die sozialdemokratischste Regierungszeit seit vielen Jahren. Und sie w ird gekrönt werden durch die Wahl des Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier zum nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Ich finde: keine schlechte Bilanz unserer gemeinsamen Arbeit. Zu dem, w as wir gemeinsam erreic ht haben, zähle ich auch die Zeit seit 2009. Ich habe damals die Führung der SPD in schwieriger Zeit übernommen. Gemeinsam haben w ir die Partei geeint und geöffnet. Ich bin bis heute stolz darauf, dass w ir mehr innerparteiliche Mitw irkung durch Mitgliederentscheide trotz vieler Bedenken durchgesetzt haben - w ie zum Beispiel zum Koalitionsvertrag. Ich bin dafür eingetreten, Fehlentw ic klungen durch die Agenda 2010 zu korrigieren, sie aber nicht in Bausch und Bogen zu verdammen. Denn vieles w ar richtig und hat Deutschland nach vorn gebracht. Übrigens fände ich es als letzte Korrektur gut, wenn wir nach der Bundestagswahl eine andere Lösung für diejenigen entw ickeln, die ihr Leben lang gearbeitet haben, deren soziale Sicherung aber nach relativ kurzer Zeit der Arbeitslosigkeit auf das Niveau derjenigen sinkt, die – aus welc hen Gründen auch immer – nie gearbeitet haben. Den Wert der Arbeit zu stärken und ihr auch eine eigene Würde zu geben, ist die vornehmste Aufgabe der Sozialdemokratie. Zu den großen Erfolgen seit 2009 gehört auch, dass w ir die internationalen Kontakte der Sozialdemokratie in Europa und darüber hinaus gestärkt haben, etwa in der Progressive Alliance, bei der inzw ischen über 200 Parteien und politische Bewegungen mitmachen. Am meisten aber bin ich froh und stolz darauf, dass es uns gelungen ist, unser Verhältnis zu den Gewerkschaften wieder auf eine verlässliche, solide und solidarische Grundlage zu stellen. Ich glaube, mein Versprechen auf dem Dresdener Parteitag, unser Verhältnis zu den Gewerkschaften w ieder so zu gestalten, w ie es sich für eine sozialdemokratische Partei gehört, habe ich eingehalten. Du w irst verstehen, dass mich angesichts dieser, wie ich finde, sehr erfolgreichen Arbeit seit 2009 genau wie Euch alle umtreibt, dass wir zwar diese Erfolge verzeichnen können und w ir seit 2009 viele Landtagswahlen wieder gewonnen haben und in Deutschland nicht mehr nur in wenigen Bundesländern die Landesregierungen anführen, sondern immerhin neun von 16 Ministerpräsidenten stellen, uns aber im Bund nicht von der Stelle bewegen und im Rahmen der Flüchtlingskrise sogar 20 Prozent unserer Wählerschaft verloren haben. Die Ursachen dafür sind vielfältig und ein Blick nach Europa zeigt, dass w ir sogar noch zu den stärkeren sozialdemokratischen Parteien gehören. Aber das ist nur ein schwacher Trost. Die Gründe für diese Schwäche der deutschen und europäischen Sozialdemokratie sind sicher vielfältig. Auch w ir haben uns an die scheinbaren Zwänge der Globalisierung angepasst, die sich bis heute vom w irtschaftlichen, sozialen und vor allem politischen Desaster der Finanzkrise nicht erholt hat. Und es is t uns bis heute nic ht gelungen, in einer individualistischen Welt neue Glaubwürdigkeit für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gew innen. Vor allem aber – und das ist aus meiner Sicht der entscheidende Grund – haben wir unterschätzt, wie sehr sich die politischen Diskussionen oftmals vom Alltagsleben der Menschen entfernt haben. Die USA lehren uns: wer die Arbeiter des „Rustbelts“ verliert, dem helfen die Hipster Kaliforniens auch nic ht mehr. Demokratische Parteien haben unterschiedliche Bindekräfte für die Demokratie. Wenn sie zu „Vollversorgern“ werden, in dem man das Bioprodukt ebenso findet wie das genaue Gegenteil, dann wis sen die „Kunden“ nic ht mehr, im welc hen Laden sie sic h bewegen. Und bei aller Notw endigkeit einer Volkspartei, sich mit allen Aufgaben in einer Gesellschaft zu befassen, so liegt die Aufgabe der Sozialdemokratie vor allem bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien. Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, Umw elt- und Klimaschutz, Wissenschaftspolitik und vieles andere mehr sind wic htig. Aber für uns muss immer klar sein: Im Zw eifel vertreten wir im politischen Ringen um den richtigen Weg die Beschäftigten und ihre Familien. Das ist in den letzten drei Jahren klarer geworden – aber noch nicht klar genug. Damit w ir mehr Vertrauen und Glaubw ürdigkeit erringen, müssen wir daran weiter arbeiten. Und dazu gehört auch ein Neuanfang außerhalb der Großen Koalition. Nach intensiver Selbstprüfung bin ich nun zu dem Ergebnis gekommen, dass die Chancen der SPD mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat dafür besser sind. Martin Schulz hat die Chance, sowohl die Wählerinnen und Wähler der SPD als auch die Anhängerinnen und Anhänger anderer Parteien zu motivieren und davon zu überzeugen, dass es Zeit ist, den Gedanken der sozialen Demokratie w ieder stärker zu machen. Martin Schulz stellt eine glaubw ürdige richtungs- und machtpolitische Alternative dar. Was sich noch ändert. Das Präsidium des SPD- Parteivorstands schlägt auch zwei weitere personelle Konsequenzen aus dieser Entw icklung vor: Ich selbst werde an die Spitze des Auswärtigen Amtes wechseln und weiterhin in der Großen Koalition Vizekanzler bleiben. Denn w as man angefangen hat, muss man auch anständig beenden. Und neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie soll Brigitte Zypries werden. Sie leitet das Ministerium bereits seit mehr als drei Jahren mit mir gemeinsam als Parlamentarische Staatssekretärin, so dass hier eine große Kontiuität herrschen wird. Alle weiteren Fragen werde ich zusammen mit dem neuen Vorsitzenden und der engeren Parteiführung rechtzeitig vor dem außerordentlichen Parteitag klären. Ich bin überzeugt, das Richtige zu tun. Für meine Partei und für mich selbst. Niemand muss Sorge haben, dass ic h mich zu diesen Entscheidungen gedrängt gefühlt hätte. Im Gegenteil: ich bin der SPD außerordentlich dankbar dafür, dass sie mir die Zeit für diese souveräne Entscheidung gegeben habt. Ich bin mit mir im Reinen. Für mich beginnt eine neue Phase meiner politischen Arbeit, mit einer neuen Aufgabe, auf die ich mich freue. Ich w erde Martin Schulz mit aller Entschiedenheit unterstützen. Er ist ein Zeic hen dafür, dass die SPD bereit ist, und es an der Zeit ist, etw as Neues zu wagen. Andere Parteien haben dies e Kraft nic ht. Die 150-Jährige Geschichte der SPD hat eines gezeigt: Wir waren zur Erneuerung immer bereit und in der Lage. Unser Engagement gilt und galt der Sicherung der sozialen Demokratie in unserem Land. Allen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, allen Wählerinnen und Wählern, und auch denjenigen, die uns verlassen haben, rufe ich zu: Kämpft mit uns gemeinsam für eine starke Sozialdemokratie. Lasst uns gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Land in eine gerechtere und sicherere Zukunft gehen kann. Und lass uns zeigen: Auf die ric htige Politik kommt es an. Auf die Richtung kommt es an. Auf die Menschen in unserem Land kommt es an! Dein Sigmar Gabriel