Heft 23 Graue Energie Faktor Graue Energie Vorschau Heft 24 Fachinformation Altersheim Trotte in Zürich-Wipkingen Für Generationen bauen Laborgebäude für die ETH-Science City, Genossenschaftssiedlung in Zürich und Verkehrsprüfungszentrum in Thun (von oben nach unten): Grosse Materialvielfalt mit wenig Grauer Energie. 8 Zürcher Stadtspital Triemli Der Vorbote 16 Die Form eines Gebäudes hat grossen Einfluss auf seinen Grauenergiewert Wachsendes Materiallager 18 Genossenschaftssiedlung an der Badenerstrasse in Zürich Im Kern ein Holzbau 20 Das neue SIA-Merkblatt 2032 Der Normersatz 22 Haustechnik als wichtiges Kriterium für die Graue Energie Ein knapper Viertel 26 Die qualitativen Merkmale der verschiedenen Baustoffe Auf der Waagschale 30 Ökobilanzierung nach KBOB Auch eine Plattform für die Industrie 35 Die Pioniere der Forschung zur Grauen Energie Bauen mit Megajoules 36 Das E-Science-Lab der ETH Zürich Durchlässige Kalkfassade 40 Das Reka-Feriendorf in Urnäsch Mit Weiss- und Rottanne 42 Das Verkehrsprüfzentrum Berner Oberland in Thun In Stahl gehüllt 44 faktor.ch luftwechsel.ch toplicht.ch topfenster.ch topten.ch Standpunkt Interview mit Annick Lalive d'Epinay und Heinrich Gugerli Zwischen 100 und 120 12 Conrad U. Brunner zum Thema Graue Energie Grauweissschwarze Energien 29 Empa-Forscher Hans-Jörg Althaus zu den Rahmenbedingungen der Bilanzierung Einfach zu handhaben 32 Service Boulevard 6 Firmennachrichten Wärmepumpen 46 Abonnement der Schriftenreihe Faktor: Drei bis vier Hefte pro Jahr 48 Franken. Firmenabo mit drei Exemplaren 100 Franken. Dieses Heft liegt Werk Bauen Wohnen bei und geht an alle Faktor-Abonnenten. Die Faktor-Produkte dienen als Schulungsunterlagen für die Weiterbildung zum MinergieFachpartner sowie für DAS- und CAS-Angebote des Instituts Energie am Bau der Fachhochschule Nordwestschweiz. www.fhnw.ch/weiterbildung Team Faktor Graue Energie ist das Themenheft Nummer 23 der Faktor Verlag AG. Juli 2009 ISSN 1661-2027 Faktor Verlag AG Hardstrasse 322a, 8005 Zürich Tel. 044 316 10 60 Fax 044 316 10 61 Mail: [email protected] Herausgeber: Conrad U. Brunner, Othmar Humm Redaktion: Paul Knüsel Autoren: Raphael Hegglin, Othmar Humm, Jutta Glanzmann Layout: Christine Sidler Web: Noemi Bösch Mail: [email protected] www.faktor.ch Beirat: Armin Binz, Fachhochschule Nordwestschweiz, Muttenz; Werner Eike-Hennig, Leiter Hessische Energiespar-Aktion, Darmstadt; Ansgar Gmür, Direktor Schweizerischer Hauseigentümerverband (HEV), Zürich; Heinrich Gugerli, Amt für Hochbauten, Zürich; Wolfgang Jilek, Energiebeauftragter des Landes Steiermark, Graz; Eberhard Jochem, Centre for Energy Policy and Economics, ETH Zürich; Roland Stulz, Geschäftsführer Novatlantis, Zürich; Mark Zimmermann, Empa Dübendorf Druck: Südostschweiz Print AG Kasernenstrasse 1, 7007 Chur ID-Nummer: 375-53466-0709-1002 Gute Argumente für eine effiziente Wärmeerzeugung – Wärmepumpen. Das Themenheft 24 erscheint Mitte September. Zum 150sten Geburtstag Am 27. August 1859 wurde der Hahn zum fossilen Zeitalter aufgedreht: Edwin L. Drake war in Titusville, US-Bundesstaat Pennsylvania, auf der Suche nach unterirdischen Rohölquellen erstmals fündig geworden. Damals war das schwarze Gold als russfreier Brennstoff für die Beleuchtung im Haus begehrt. 150 Jahre später ist diese Ressource zum wichtigsten Schmiermittel Zum Thema Graue Energie der weltweiten Industrialisierung geworden. Die Graue Energie eines Gebäudes beginnt ebenfalls beim Bohrturm. Für die Baustoffe und deren Erzeugung, für die Transporte und das Erstellen oder auch bei der Entsorgung werden reichlich Erdöl und weitere nicht erneuerbare Ressourcen genutzt. Der Anteil des Gebäudebereichs an den lokalen und globalen Energie- und Stoffflüssen nimmt zu. Für den Endnutzer oft unerkannt, da transparente Informationen über Energieinhalt und Umweltqualität konsumierter Güter kaum erhältlich sind. Bei hoch qualitativen Nahrungsmitteln hat sich der Handel angewöhnt, Herkunft und Primärenergiebedarf zu deklarieren. In der Baubranche ist Vergleichbares im Gang. Wie Partner die in diesem Heft dargestellten Projekte zeigen, kann das Bilanzieren der Grauen Energie zu einer wichtigen Planungs­hilfe werden. Ob Megajoules für ein ganzes Gebäude oder für einzelne Bauteile berechnet werden: Die Bilanzen besagen, dass die Perspektive des nachhaltigen Bauens länger als 150 Jahre dauert. Paul Knüsel Sonnenauf- oder -untergang für das fossile Zeitalter? (Bild: Stockxchng) 4 Heft 23 Boulevard Auf die Sonne bauen In der Architekturbuchreihe Detail Praxis ist ein Leitfaden zur Planung gebäudeintegrierter Photovoltaik erschienen. Darin angesprochen wird die anspruchsvolle Beziehung zwischen einer qualitativ hochwertigen Architektur einerseits und den technischen Bedingungen energieeffizienten Bauens andererseits. Das Thema Photovoltaik ist in Zukunft aus dem Alltag der Architekten und Planer ohnehin nicht mehr wegzudenken. Der Leitfaden enthält Fakten zu Technik und Produkten und gibt Einblicke in die Gestaltungsmöglichkeiten mit Photovoltaik (PV), zum Konstruieren und Integrieren von PV-Modulen. Diverse realisierte Projektbeispiele runden die Detail-Publikation ab und zeigen anschaulich, wie die Umsetzung in die Praxis gelingt. DETAIL Praxis: Photovoltaik, Institut für internationale Architektur-Dokumentation München 2009; www.detail.de Neue Förderprogramme Förderprogramme kommen und gehen: Die ersten der 2009 zusätzlich dotierten kantonalen Promotionsangebote sind finanziell bereits ausgereizt. Demgegenüber startet der Kanton Zug, das Plazet des Parlaments vorausgesetzt, ab 2010 mit einem neuen Förderprogramm, mit welchem die energetische Sanierung der Gebäudehülle sowie erneuerbare Energieträger (Sonnenkollektoren, Wärmepumpen etc.) finanziell unterstützt werden sollen. Immer häufiger werden auch Gemeinden und Städte aktiv. Die Stadt Zürich verbindet die Förderung von Energiesparmassnahmen im Gebäudebereich mit den Zielen der 2000-WattGesellschaft: Ein umfassendes Beratungsangebot und ein «Energie-Coaching» sollen Hauseigentümer und Planende animieren, bei Neubauten und Sanierungen über das gesetzlich erforderliche Mass zu gehen. Die heutige Technik mache Gebäude möglich, die 20 bis 30 Prozent weniger Energie als von den gesetzlichen Minimalstandards gefordert benötigen, sagt Christine Bächtiger, Projektleiterin des städtischen Energiecoachings. www.stadt-zuerich.ch/energie-coaching und www.energiefranken.ch Gebäudetechnik-Award 2009 Das Nullenergiegebäude Chriesbach hat 2008 den ersten Gebäudetechnik-Award erhalten. Auch für die diesjährige Ausschreibung sind herausragende Gebäudekonzepte gefragt. Der Fokus liegt auf der Kombination von Energieeffizienz, erneuerbaren Energieträgern und Benutzungskomfort. Ein Verbund mehrerer Fachorganisationen im Gebäudetechnikbereich schreibt daher zum zweiten Mal nach 2008 den Gebäudetechnik-Award aus. Der in der Branche einzigartige Award wird für ein realisiertes Gebäudekonzept vergeben, das nachweislich auf eine überdurchschnittliche Energieeffizienz, die Nutzung erneuerbarer Energieträger sowie hohen Raumkomfort ausgelegt ist. Die Fachjury konzentriert sich auf die Begutachtung sämtlicher Gebäudetypen, welche eine Energiebezugsfläche von mindestens 2000 m2 aufweisen. Um- und Neubauten werden gleichermassen beurteilt. Der Preis ist mit einer Prämie von 10 000 Franken dotiert. Die Wettbewerbseingabe kann wahlweise durch die Bauherrschaft, das Planungsteam oder auch Lieferanten von Komponenten der Gebäudetechnik erfolgen. Letzter Eingabetermin für eine Bewerbung ist der 4. September 2009. Der Gebäudetechnik-Award steht unter dem Patronat des Bundesamts für Energie (BFE). www.gebaeudetechnik-award.ch GEAK startet im August Ab Anfang August werden die ersten zertifizierten GEAK-Experten aktiv. Diese werden als Einzige befugt sein, im Auftrag von Hauseigentümern den Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) auszustellen. Die Einführung ab August wird vom Bund mit einer Förderaktion begleitet: Die ersten 15 000 Gebäudeenergieausweise werden mit je 1000 Franken subventioniert, weshalb sich der Anteil für Gebäudeeigentümer auf 200 Franken reduziert. Für Ausbildung und Akkreditierung ist die Konferenz kantonaler Energiedirektoren (ENDK) zuständig. Zur Weiterbildung zugelassen sind Ingenieure, Energieberater und Architekten, welche ein weitreichendes Wissen über Energiebilanzen von Gebäuden und deren Optimierung aufweisen. www.geak.ch 6 Heft 23 Boulevard Im Netz der Dämmstoff-Spinne Über die Ökobilanz von Dämmmaterialien sind schon einige Forschungsarbeiten und Gutachten verfasst worden. An eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Stoffe mitsamt den spezifischen Eigenschaften haben sich allerdings nur wenige gewagt. Die Dämmstoffherstellerin Swisspor AG aus Steinhausen hat das Büro für Umweltchemie daher beauftragt, eine einheitliche Beurteilung und Darstellung für die verschiedenen Dämmprodukte zu erarbeiten. Berücksichtigt wurden: EPS-Graphit, Steinwolle, Glaswolle und Hanffaser. Zu den Beurteilungskriterien gehören: Ressourcenschonung, Umweltschonung bei der Herstellung, Klimafreundlichkeit, Recyclierbarkeit und Entsorgung, Nutzungsdauer, Schadstofffreiheit, Verarbeitungssicherheit, Anwendungsspektrum und Brandschutz sowie Kosten. Entstanden ist eine Netzgrafik mit bis zu 8 WertungsachRessourcenschonung sen, auf welcher Recyclierbarkeit Umweltschonung und Entsorgung bei der Herstellung die Bilanzie6.0 5.0 rungsresultate 4.0 3.0 eingezeichnet Klimafreund2.0 lichkeit Nutzungsdauer 1.0 sind. Einander 0.0 gegenübergestellt wurden funktionale Einheiten, wie Preisvorteil Schadstofffreiheit ein begehbares Flachdach, eine Verarbeitungs- Anwendungspektrum (Brandschutz) Kompaktfassade, sicherheit eine hinterlüftete Fassade sowie eine Perimeterdämmung. Die Vergleiche beziehen sich auf eine Dämmleistung von U = 0,15 W/m2 K für Dach und Aussenwand resp. U= 0,2 W/m2 K für die Perimeterdämmung. Sie umfassen neben der eigentlichen Dämmung die Befestigungen und andere, unmittelbar mit dem Dämmmaterial zusammenhängende Hilfsmittel. Die auf der Netzgrafik abgebildeten Muster lassen zwar keine Rangliste zu. Hingegen werden die Stärken und Schwächen der einzelnen Dämmstoffe sichtbar gemacht. In einem ausführlichen Bericht sind Methode, Kriterien und Gewichtung transparent dargestellt. www.dämmstoff-spider.ch Richtfest auf 3000 Metern Unterbrochen vom langen Winter wird seit letztem Herbst auf 2883 Meter über Meer an der Neuen Monte Rosa-Hütte gebaut. 10 bis 20 Arbeiter sind bis zu 12 Stunden pro Tag damit beschäftigt, die mehr als 420 Fertigbauteile zu montieren und den Innenausbau voranzutreiben. Weder Unfälle noch grobe Planungsfehler haben den Bau der Hütte bis anhin überschattet respektive verzögert. Anfang Juli konnte das Richtfest gefeiert werden: Die Handwerker haben den Rohbau aus Holzelementen und -ständern fertig gestellt. Bauen in dieser Höhenlage ist äusserst anspruchsvoll. Die Bauarbeiter mussten die Bauteile zu einem riesigen Puzzle zusammenfügen. Die Qualitätskontrolle im Tal sei das A und O, um das Risiko von Ausschuss und vergeblichen Helitransporten auszuschliessen, betont Projektleiter Meinrad Eberle. Ab Ende September ist mit Schneefall zu rechnen, daher muss der Rohbau in den kommenden Wochen rasch geschlossen und mit den Photovoltaikpanels versehen werden. Die Eröffnung ist im September, noch vor dem Wintereinbruch, vorgesehen. Die neue Monte Rosa-Hütte bietet Platz für bis zu 150 Alpinisten und soll zu 90 Prozent energieautark sein, dank moderner Haustechnik und einem ausgeklügelten Energieund Ressourcenmanagement. Der Plan für die Monte Rosa-Hütte entstand als Studentenprojekt aus Anlass der 150-Jahr-Feier der ETH. www.neuemonterosahuette.ch 8 Heft 23 Ein kompakter Baukörper, die Leichtbauweise und der Verzicht auf einen aufwendigen Innenausbau reduzieren die Graue Energie beim Ersatzneubau für das Altersheim Trotte in Zürich. Jutta Glanzmann Für Generationen bauen Vorgaben, welche nicht beeinflussbar sind. Für eine erste Abschätzung der Entwürfe in Bezug auf Erfüllung der Primäranfordezeigte sich schnell, dass ein Ersatzneubau rung von Minergie-P und den Aufwand an nur unwesentlich teurer würde. Da das Grauer Energie, wurde die WettbewerbskalGebäude auch den Bedürfnissen an das kulation zur Abschätzung der InvestitionsWohnen im Alter nicht mehr genügte, schrieb die Stadt Zürich einen Projektwett- kosten um ein Modul für Betriebsenergie erweitert. Dieses wurde den Wettbewerbsbewerb aus. Gesucht war ein Entwurf, der nicht nur räumlich und städtebaulich über- teilnehmenden zur Verfügung gestellt. Mit zeugte, sondern auch den hohen Zielen der einem monolithischen Baukörper, der azen2000-Watt-Gesellschaft gerecht wurde. Der trisch in das längliche Grundstück gesetzt Minergie-P-Eco-Standard war gesetzt. Mit ist und damit Raum für einen öffentlichen Quartierpark schafft, haben Enzmann 125 MJ/m2 AE a liegt die für das Bauprojekt berechnete Graue Energie leicht über Fischer Architekten den Wettbewerb 2006 dem vorgegebenen Zielwert. Bereits vor für sich entschieden. Das in Massivbauder Berechnung wurde das Volumen des weise mit Tragwänden und Ortbetonde3. Untergeschosses massiv verkleinert, um cken konzipierte Gebäude soll zwischen die Graue Energie zu reduzieren. Eine Ana- 2011 und 2014 realisiert werden. Trotz lyse der Berechnung zeigt (siehe Kuchendia- seiner sehr kompakten Form überzeugt das gramm), dass ein Viertel siebengeschossige Objekt mit einer durch die Haustechnik und ein Drittel durch die Betonarbeiten bei Fundamentplatten, Decken und Wänden verursacht wird. Diese relativ hohen Anteile sind bedingt durch den Installationsgrad des Gebäudes einerseits sowie durch einen aufwändigen Rohbau andererseits – beides projektimmanente Bauherrschaft Das 1960 erstellte Altersheim Trotte sollte Stadt Zürich zunächst nur erneuert werden. Doch es Architektur Enzmann + Fischer ArchitektInnen Zürich Landschaft Ganz Landschafts­ architekten Zürich Ingenieure WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AH Zürich Haustechnik 3-Plan Haustechnik AG Winterthur Bauphysik Martinelli + Menti AG Meggen 316 W o h n e n /S c h la f . 301 3 2 .1 321 W o h n e n /S c h la f . 3 0 .8 324 S c h u h e /R e in ig . E t a g e n l. H o t e ll. 1 4 .3 8 .5 322 A u f e n t h . N o rd 3 2 .1 315 W o h n e n /S c h la f . 326 3 2 .1 E t a g e n l. P f le g e 1 9 .7 302 323 W o h n e n /S c h la f . W C P e rs . U 3 .2 3 0 .8 325 S t e c k b e c k e n r. 3 .7 314 327 W o h n e n /S c h la f . P u t z ra u m 3 1 .8 8 .4 313 303 W o h n e n /S c h la f . 3 0 .6 304 W o h n e n /S c h la f . W o h n e n /S c h la f . 3 1 .3 3 0 .7 305 W o h n e n /S c h la f . 3 1 .5 Objektdaten Standort Zürich Gebäudetyp Altersheim mit öffentlichem Restaurant Realisierung (voraussichtlich) 2011 bis 2014 Gesamtbaukosten (BKP 2, Stand KV Bauprojekt Juni 2009) 37,66 Mio. Fr. Heizwärmebedarf Qh 24 MJ/m2 a Graue Energie 125 MJ/m2 a 312 W o h n e n /S c h la f . 306 3 0 .7 W o h n e n /S c h la f . 3 1 .2 311 W o h n e n /S c h la f . 3 0 .5 307 W o h n e n /S c h la f . 2 9 .3 310 W o h n e n /S c h la f . 3 0 .6 308 W o h n e n /S c h la f . 2 9 .1 309 W o h n e n /S c h la f . 3 0 .4 328 A u f e n t h a lt S ü d 2 0 .7 Die kompakte Form schafft Raum für einen öffentlichen Park, der das Altersheim im Quartier verankern soll. (Raumgleiter) 10 Heft 23 Hinweis: Die Bilanzdaten wurden mit EcodevisWerten berechnet, welche inzwischen für die KBOB-Empfehlung 09/1 teilweise aktualisiert worden sind. spannungsvollen Grundrissdisposition, die an Bauten von Alvar Aalto erinnert. Die gefaltete Aussenhülle verbessert die Aussicht und Tageslichtnutzung der Ost-West-orientierten Zimmer und lässt ein abwechslungsreiches Fassadenspiel entstehen. Die nichttragenden Zimmerwände in Leichtbauweise ermöglichen eine grosse Nutzungsflexibilität. Ein Grossteil der Betondecken und die Wände der Korridore werden sandgestrahlt. Diese primär gestalterische Massnahme hat den positiven Nebeneffekt, dass sich durch den Verzicht auf abgehängte Decken, Putze oder Tapeten die Graue Energie des Innenausbaus reduziert. Graue Energie Gebäudedaten gemäss Norm SIA 416 und SIA 416/1 aktuell* Wettbewerb 2 11 320 m 11 692 m2 Energiebezugsfläche (AE) 8363 m2 8966 m2 Gebäudehüllfläche (Ath) 6787 m2 6993 m2 0,81 0,78 Geschossfläche (AGF) Gebäudehüllzahl (Ath/AE) Graue Energie und Treibhausgasemissionen gemäss Merkblatt SIA 2032 Gebäude- und Energiedaten zum erstrangierten Wettbewerbsprojekt für das Altersheim Trotte in Zürich-Wipkingen. Graue Energie für Erstellung pro m2 Energiebezugsfläche und Jahr 5700 MJ/m2 – Graue Energie für Entsorgung pro m2 Energiebezugsfläche und Jahr 540 MJ/m2 – Graue Energie total pro m2 Energiebezugsfläche und Jahr 125 MJ/m2 101 MJ/m2 Innenausbau 36% Haustechnik 12% Graue Energie Bezugsgrösse Tragstruktur 29% Stand Bauprojekt Mai 2009 *Angaben Graue Energie Stand Bauprojekt Mai 2009 Bauteil Aktuelle Bilanz der Grauen Energie auf Stufe Vorstudie/Vorprojekt (Mai 2009) des Altersheims Trotte in Zürich. Darstellung gemäss Tool «Graue Energie» zum SIA Merkblatt 2032. Gebäudehülle 23% Einheit 13 800 m Treibhausgasemissionen Erstellung pro Jahr Erstellung pro Jahr MJ MJ kg kg 1 794 000 30 360 111 780 1932 Baugrubenaushub Grubenvolumen Fundamentplatte Bauteilfläche 2100 m 1 575 000 25 200 184 800 3150 Aussenwände UG Bauteilfläche 960 m 931 200 15 360 115 200 1824 Holz-Metall-Fenster Bauteilfläche 1200 m 1 560 000 54 000 104 400 3480 Aussenwand, hinterlüftet, Feinsteinzeug Bauteilfläche 2213 m 3 297 370 68 603 272 199 5533 Foliendach, Betondecke Bauteilfläche 2000 m 3 200 000 74 000 380 000 6200 Decken Bauteilfläche 10 126 m 9 822 220 162 016 1 113 860 18 227 Innenwände, tragend Bauteilfläche 7591 m 5 085 970 83 501 561 734 9109 Heizung Energiebezugsfläche 8966 m 815 906 26 898 49 313 1614 Lüftung, Klima Energiebezugsfläche 2 8966 m 1 613 880 77 108 98 626 4931 11 692 m2 7 015 200 292 300 467 680 18 707 36 710 746 909 346 3 459 592 74 707 3 2 2 2 2 2 2 2 2 Trennwände und Innentüren Bodenbeläge Wandbeläge Geschossfläche Deckenbekleidungen Total Absolut 12 Heft 23 Wie grosse Anstrengungen es braucht, um ein Gebäude mit wenig Grauer Energie zu erstellen, erklären Annick Lalive d’Epinay und Heinrich Gugerli von der Fachstelle Nachhaltiges Bauen, Stadt Zürich. Zwischen 100 und 120 Wir führen dieses Gespräch in einem über hundert Jahre alten Amtshaus der Stadt Zürich. Wissen Sie, wie viel Graue Energie in diesem Gebäude steckt? Annick Lalive: Nein. Heinrich Gugerli: Das haben wir noch nie berechnet ... Lalive: ... aber mit der Lebensdauer von 110 Jahren steht es sicher sehr gut da. Standpunkt Bei einem neuen Verwaltungsgebäude haben sie den Wert jedoch mehrfach bilanziert. Wie sieht es da mit der Grauen Energie aus? Gugerli: Die Richtgrösse für einen Neubau beträgt etwa 100 Megajoule pro Quadratmeter und Jahr. Lalive: Dies bezieht sich auf einen Nutzungshorizont von 60 Jahren. Um einen Wert von 100 bis 120 MJ zu erreichen, braucht es aber einige Anstrengungen. Zielwert SIA Effizienzpfad Energie höchstens 60 MJ/m2 a an Grauer Energie investieren. Für eine Instandsetzung, die auf 30 Jahre ausgelegt ist, ist energetisch ein Bruchteil dessen erforderlich, was es für einen Neubau braucht. Die Massnahmen konzentrieren sich auf die Gebäudetechnik, den Fensterersatz und den Innenausbau. Ausgenommen bleiben Eingriffe an der Tragstruktur. Wie hoch sind die Anteile bei Gebäuden mit einem hohen Energieeffizienzstandard? Lalive: Bei einem Neubau, der wie das geplante Altersheim Trotte den Standard Minergie-P-Eco erfüllen wird, spielt die Graue Energie eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die Betriebsenergie für Raumheizung und Warmwasser. Der hohe Effizienzstandard sorgt zum einen für ein Drosseln der Betriebsenergie. Wie hoch schlägt sich zum andern Wir sprechen also nicht von einem Durch- der höhere Materialaufwand energetisch nieder? schnittsgebäude? Lalive: Genau. Mit einem hoch technisier- Gugerli: Wie hoch der Energieaufwand ansteigt, um ein Gebäude beispielsweise ten Gebäude ist das kaum zu schaffen. von Minergie auf Minergie-P aufzurüsten, Gugerli: Das gilt beispielsweise für die weiss ich nicht. Eine solche SensitivitätsErweiterung des Stadtspitals Triemli mit analyse wäre wegen der unterschiedlichen den vielen technischen Installationen. Für Ausgangslage wenig aussagekräftig. Denn einen optimierten Holzbau, bei dem weitgehend auf Untergeschosse verzichtet wird, der Minergie-P-Standard führt tendenziell zu kompakteren Gebäuden. Diese weisen lassen sich die bezifferten Werte hingegen ein geringeres Verhältnis zwischen Oberunterbieten. fläche und Volumen auf. Dies beschränkt auch den spezifischen Materialaufwand und Wie ist die Graue Energie quantitativ in Bezug zur Betriebsenergie eines Gebäudes wirkt sich dämpfend auf die Graue Energie aus. zu setzen? Lalive: Zudem werden bei Minergie-PLalive: In einem Altbau, so wie dieses Gebäuden häufig Fassadenkonstruktionen Amtshaus, ist die Betriebsenergie sehr in Holz angewendet, um die Dicke der Fasdominant. Die Graue Energie nimmt nur sade zu reduzieren. Diese Konstruktionen ein Bruchteil deren ein. fallen gegenüber massiven Konstruktion bei Gugerli: Würden wir das Amtshaus aber der Grauen Energie günstig aus. umfassend erneuern, dürften wir gemäss Annick Lalive d'Epinay ist Architektin ETH und in der Fachstelle Nachhaltiges Bauen der Stadt Zürich für die ökologische Vorprüfung von Wettbewerbsprojekten zuständig. Die Anstrengungen seien hoch, die Graue Energie eines Gebäudes tief zu halten, sagen Sie. Was braucht es noch? Gugerli: Sehr viel Graue Energie spart man neben einer kompakten Bauweise mit der Beschränkung auf ein geringes unterirdisches Volumen. Besonders erdüberdeckte Tiefgaragen benötigen sehr massive Konstruktionen, was einen hohen Material- und Energieaufwand verursacht. Lalive: Energetisch wirken sich schliesslich die Entscheide bezüglich Konstruktionen und Materialien aus. Anschlüsse ebenso. Gleichzeitig beinhalten diese Lösungen viel Graue Energie. Die Wettbewerbskalkulation ist ein Berechnungsinstrument der Stadt Zürich, mit welchem Architekten und Planer die Graue Energie ihrer Wettbewerbseingaben zu bestimmen haben. Was wird damit genau erhoben? Lalive: Die Kalkulation basiert auf Elementeingaben der Architekten und auf einigen wenigen Kennzahlen zu der Qualität der Elemente. Ausgewertet und plausibilisiert werden Sind die Investitionen respektive ist die einerseits die KennÖkonomie eines Gebäudes ebenfalls ein werte des ganzen Indikator für den Energieinhalt? Gebäudes. Zum Lalive: Genau diese Erfahrung haben wir Beispiel werden die gemacht. Sehr häufig existiert diese Korrela- Verhältnisse von tion zwischen Ökologie und Ökonomie auf Hauptnutzungsfläeiner groben Planungsstufe. Die als günstig che zu Geschossfläche; Gebäudevolumen beurteilten Projekte schneiden bei unserer zu Geschossfläche; Fläche je Parkplatz; Wettbewerbskalkulation meistens bei beidurchschnittliche Wohnungsgrössen und den Aspekten gleichermassen gut ab. Dem- so weiter bestimmt. Andererseits bilden die gegenüber werden grosse FassadenabwickElementeingaben die Basis für eine grobe lungen teuer, viele Fenster und komplizierte Bilanz der Grauen Energie, den Heizwär- «Die Korrelation zwischen Ökologie und Ökonomie existiert, bei einer groben Planungsstufe.» Annick Lalive d'Epinay 14 Heft 23 mebedarf nach SIA 380/1 sowie den Minergie-Nachweis. Gleichzeitig werden die Anlagekosten ermittelt. Gugerli: Die Kalkulation funktioniert auf stark vereinfachter Basis und übernimmt daher nur die elementaren Ausmasse eines Gebäudes. Wie detailliert können Materialien und Konstruktionsvarianten berücksichtigt werden? Gugerli: Für unsere Bilanzierung werden nur die geometrischen Grössen des Gebäudes abgebildet. Flächenverhältnisse und räumliches Konzept interessieren: Was ist unterirdisch, was oberirdisch? Wie steht es mit beheizten versus unbeheizten Flächen? In einem Projektwettbewerb ist die Geometrie das Kernthema und nicht die konstruktive Detaillierung. Lalive: Die Wettbewerbskalkulation geht höchstens auf die Prinzipien der Fassadenkonstruktion sowie auf Dach und Fenster ein. Wir wollen das Herumschrauben an Details verhindern. Bereits auf Stufe Wettbewerb über Vakuumdämmungen zu diskutieren, bringt nichts. Optimierungen für die nachhaltige Qualität sollen hier noch über die Geometrie des Gebäudes erfolgen. «Beim nachhaltigen Bauen hat der Architekt die Baustoffe intelligent zu kombinieren.» Heinrich Gugerli Auf welche problematischen Stellen stossen Sie bei der Durchsicht der eingereichten Wettbewerbsprojekte? Lalive: Eingaben zeigen oft, wie sich die Planungsteams mit ihren Wettbewerbsprojekten selber stark einengen. Sehr hohe Glasanteile, stark verschattete Fassaden, verschachtelte Gebäudeformen, eingezogene Balkone, viele systematische Wärmebrücken oder auch unkompakte Untergeschosse treffen wir häufig an. Werden mehrere dieser Eckpunkte in eine ungünstige Richtung verschoben, wird der architektonische, wirtschaftliche und ökologische Spielraum für die weitere Entwicklung des Projekts stark eingeengt. Unser Ziel ist es, schon im Wettbewerb die Projekte zu erkennen, die einen grossen Spielraum aufweisen. Gugerli: Das Amt für Hochbauten möchte aus einem Wettbewerbsprojekt die DNA der Nachhaltigkeit herauslesen können. Die Erfahrungen zeigen aber, dass erst vereinzelte Projekte die Nachhaltigkeitskriterien vollumfänglich erfüllen. Umso besser, dass diese – etwa bei den Wettbewerben für das Altersheim Trotte und die Genossenschaftssiedlung Kalkbreite – von der Jury ausgewählt wurden. Doch das Ziel muss eine breitere Palette an nachhaltigen Projekten sein. Für die Arbeit der Jury ist eine grosse Auswahl besser. Kann das Missachten eines hohen Aufwands für die Graue Energie zum Killerkriterium in einem Wettbewerb werden? Gugerli: Wir wollen nichts verhindern; die Jury ist in ihren Argumenten und Präferenzen weiterhin frei. Mit der Bilanzierung in der Wettbewerbskalkulation lässt sich aber frühzeitig erkennen, welche Probleme wir uns mit einem Projekt einhandeln. Lalive: Bei vielen Projekten im Wettbewerb «Kalkbreite» war die Verschattung der Fassaden ein solches Problem. Die angrenzende Eisenbahnlinie erfordert einen baulichen Lärmschutz. In verschiedenen Lösungsvorschlägen wurden den Fassaden Zonen vorgelagert, mit bis zu 6 Meter tiefen auskragenden Balkonen. Solare Gewinne werden damit praktisch ausgeschlossen und der Anteil an Grauer Energie steigt. Diese nachteiligen Qualitäten wollen wir mit der Bilanzierung transparent machen. Früher hätte es genügt, den Minergie-Standard eines Wettbewerbsprojekts mit einem Hinweis auf die Lüftungsanlage zu begründen. Nun hilft die Kalkulation weiter. Sie soll die Architekten befähigen, nachhaltige Projekte abzuliefern. Wo liegen die Handlungsspielräume für Planer, Architekten und Bauherrschaften? Gugerli: Da die Anteile der Betriebsenergie und der Grauen Energie gleich gross sind, macht es keinen Sinn, nur an einer Schraube zu drehen. Es liegt aber tatsächlich nicht alles im Verantwortungsbereich der Planer. Auch die Baustoffhersteller müssen mit der ökologischen Optimierung der Prozesse ihren Beitrag leisten. Besteht aufgrund der Energiebilanzierung nicht die Gefahr, gewisse Materialien und Bauteile konsequent zu bevorzugen? Heinrich Gugerli ist Ingenieur ETH/SIA und Leiter der Fachstelle Nachhaltiges Bauen der Stadt Zürich. Er hat wesentlich am SIAMerkblatt 2023 und an der KBOB-Dokumentation mitgewirkt. Gugerli: Eigentlich ist dies nicht unsere Erfahrung. Nachhaltiges Bauen ist nicht mit der Wahl sogenannt ökologischer Baustoffe gleichzusetzen. Der Architekt hat vielmehr eine intelligente Kombination zu finden. Lalive: Diesen Vorwurf höre ich regelmässig, die Architektur werde stark eingeschränkt. Ich halte dagegen, dass die bisherigen Beurteilungen fast ausschliesslich bei Projekten für den preisgünstigen Wohnungsbau durchgeführt wurden. Hier setzen ökonomische Einschränkungen ebenso klare Präferenzen. Zweischalige Mauerwerke oder extrem teuere Glasfassaden sprengen in diesen Fällen auch den ökonomischen Rahmen. Haben Sie auch an die Bedürfnisse der Planer gedacht? Lalive: Wir haben mit Architekten Feedbackrunden durchgeführt, die äusserst positiv verlaufen sind. Anfänglich waren die Vorbehalte gegen die Wettbewerbskalkulation gross. Moniert wurden etwa Differenzen bei den Bilanzierungsresultaten. Herausgestellt hat sich aber, dass teilweise falsche Grundlagendaten eingegeben wurden. Abstellplätze für Kinderwagen wurden beispielsweise der Hauptnutzungsfläche zugewiesen. Wir haben so realisiert, dass die Kalkulation vor der ersten Anwendung besser zu erklären ist. Wir haben noch einen Weg vor uns, einerseits für die richtige Anwendung der Kalkulation und andererIst nachhaltiges Bauen nur bei preisgünsti- seits aber auch für die inhaltliche Umsetgen Projekten realisierbar? zung, damit die Gebäude noch besser und Lalive: Nein, überall. nachhaltiger gebaut werden. Gugerli: Dazu ist eine breite Diskussion Gugerli: Würden wir erst beim Projektstart erforderlich, wie viel wir uns im gehobenen mit den ökologischen Kriterien, der Bilanz Standard leisten können. Bezüglich Bautei- der Grauen Energie und so weiter aufwarlen, Technisierung und Dreifachverglasung ten, wäre der Weg bereits verbaut. Wir muss zwar nicht auf jedes Detail geschaut würden da nur noch reagieren und könnwerden. In diesem Segment sagen Energie- ten nicht proaktiv den Handlungsspielraum effizienzstandards und die Graue Energie aufzeigen. aber nur die halbe Wahrheit. Der Bedarf an Wohnfläche pro Person wird zum ebenso Die Fragen stellten Othmar Humm und wichtigen virulenten Energieindikator. Paul Knüsel, Fotos: Gian Vaitl Heft 23 15 16 Heft 23 In Zürich entsteht ein Spital in nachhaltiger Bauweise. Vollständig neugebaut wird das voluminöse Bettenhaus, weitere Gebäude werden zurückgebaut oder umfassend modernisiert. Paul Knüsel Der Vorbote Bauherrschaft Stadt Zürich, vertreten durch das Amt für Hochbauten Nutzer Gesundheits- und Umweltdepartement, Stadt Zürich Architekt (Bettenhaus) Aeschlimann Prêtre Hasler Architekten AG, Zürich Energiekonzept (Gesamtareal) Enerconom AG, Bern Bis 2018 soll das Stadtspital Triemli erweitert und erneuert werden. In einer ersten Etappe entsteht – dem heutigen Hauptgebäude vorgelagert – ein neues Bettenhaus. Danach kommt es zu einer Umnutzung des Hauptgebäudes. In zehn Jahren sollen, so der aktuelle Planungsstand, die Personalhäuser abgebrochen und 2025 die Maternité saniert werden. Das geplante Bettenhaus des Stadtspitals Triemli ist ein veritables Grossformat: Die 15 Stockwerke reichen 50 Meter in die Höhe; jedes dieser Geschosse ist 25 Meter breit und dreimal so lang. Die Zertifizierung nach Minergie-P-Eco wird angestrebt. Betriebsökonomie und Energieeffizienz – im Triemli lässt sich das kombinieren. Der kompakte Baukörper spricht für ein optimales Verhältnis sowohl bei der Massenbilanz als auch dem Aufwand der Grauen Energie. Die Beiträge der einzelnen Bauteile an den Primärenergiebedarf sind bekannt: Der Anteil der Fenster liegt bei 15 % (siehe Kuchengrafik). Vor der Ausschreibung der Unternehmeraufträge wurde daher die Energiebilanz zur Evaluation des Rahmenmaterials, Metall oder Holz, beigezogen. Letzteres zeigt einen um 20 % tieferen Wert für die Graue Energie (siehe Tabelle auf der folgenden Seite). Bereits entschieden ist die Dachgestaltung: Aus Gewässerschutzgründen und aufgrund der besseren Energiebilanz wurde auf eine Abdeckung mit Metallgitterrosten verzichtet. Der Helikopterlandeplatz soll inmitten einer begrünten Überdeckung zu stehen kommen. Hoher Technisierungsgrad Das Triemli versorgt 15 000 Patienten pro Jahr. Die Fallzahlen, so die langjährige Statistik, nehmen jährlich um etwa fünf Prozent zu. Heute beträgt die Aufenthaltsdauer im Schnitt neun Tage, künftig werden es nur noch sechs Tage sein. Geändert hat sich nicht nur das Nutzerprofil, auch die Ansprüche haben sich aufgrund der medizinischen und technologischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. Dadurch steigt der Technisierungsgrad. Dies zeigt sich am hohen GraueEnergie-Anteil der haustechnischen Anlagen (24 %). Die Werte entsprechen ersten Schätzungen; genauere Berechnungen finden im weiteren Verlauf der Planung statt. Im Patientenzimmer treffen sich sehr unterschiedliche Ansprüche: Visueller Kontakt zur Aussenwelt (hoher Fensteranteil) und thermischer Komfort für die Patienten bei gleichzeitig geringem Aufwand an Energie für Beheizung und Kühlung. Um auf Kältemaschinen und einen Stromverbrauch von 30 000 Kilowattstunden pro Jahr zu verzichten, werden die Zimmerdecken mit einer 2,5 cm dicken Lehmschicht verputzt. Lehm reguliert den Feuchtigkeitsgehalt, verbessert so das Raumklima und mindert Die Beiträge der Bauteile den Energieverbrauch in der gebäudebezo- an die Graue Energie des genen Gesamtbilanz. gesamten Gebäudes beim Bettenhaus Triemli. DeckenbeBöden 4% kleidungen 6% Fenster, Verglasungen 15% Türen, Innenwände, Beläge 8% Dächer, Fundament, UG 7% Wasser- und Abwasseranlagen 3% Aussenwände EG/OG 6% Heizungsanlagen 4% Lufttechnische Anlagen 6% Service-Balkon 9% Elektroanlagen 11% Innenwände (tragend) 7% Gebäudehülle Tragstruktur Decken 14% Haustechnik Ausstattung Fenster und Graue Energie: Evaluation von Materialvarianten für das Ausführungsprojekt Dichte (kg/m3) Menge (kg/m2) Graue Energie pro kg Material (MJ/kg) Graue Energie pro m2 Material (MJ/m2) Variante Aluminium einbrennlackiert, Rahmen Metallfenster Kunststoffe Polyamid, PUR, Dämmprofile 2700 8,4 157 1318,80 940 1,7 93 158,10 EPDM, Dichtungsprofile 860 1,1 92 101,20 Stahlblech verzinkt, Unterkonstruktion 7850 9,3 62 576,60 Aluminium einbrennlackiert, Rahmen Variante Holzfenster varianten­ unabhängig 2700 7,7 157 1208,90 Kunststoffe Polyamid, PUR, Dämmprofile 940 1,5 93 139,50 EPDM, Dichtungsprofile 860 1 92 92,00 Holz Fichte lasiert 540 2 19,8 39,60 1700 4,1 5,45 22,35 100 0,24 22,8 5,47 Promatplatten, Brandschutzabschottungen Flumroc, Dämmung Verglasung, 3-fach IV Kunststoff PVB, Folie zu VSG 1120,00 940 1,35 92,9 125,42 Metallfenster Graue Energie bezogen auf Bauteilfläche und Nutzungsdauer 52,3 (GJ/m a) Holzfenster 41,9 (GJ/m2a) Graue Energie bezogen auf Bauteilfläche und Nutzungsdauer 2 Rendering des neuen Bettenhauses. (Stadt Zürich) 18 Heft 23 Jedes Gebäude ist ein temporärer Materialspeicher. Der architekto­ nische Entwurf hat deshalb auf einen effizienten Umgang mit Ressourcen zu achten. Vor allem die Form ist prägend. Paul Knüsel Wachsendes Materiallager Im «Materiallager» Schweiz wird munter weitergestapelt: Der Hoch- und Tiefbau bewegt über 50 Millionen Tonnen Kies, Sand und andere Baumaterialien im Jahr; das meiste wird zu Strassen, Gebäuden und Infrastrukturwerken verbaut und trägt im Wesentlichen zum wachsenden Materialspeicher bei. Dazu kommt, dass beispielsweise für jedes Kilogramm Beton weitere Materialien und Energie verbraucht werden. Der Lagerzuwachs ist zwar nicht definitiv; die mittlere Lebensdauer eines Gebäudes wird durchschnittlich mit rund 60 Jahren angegeben und die Stoffkreisläufe werden immer häufiger geschlossen. Dennoch bestimmt ein neu erstelltes Gebäude wesentlich mit, wie viele und welche Rohstoffe genutzt werden sollen. Der effiziente Umgang mit Material und Energie, hauptsächlich aus endlichen Ressourcen gewonnen, wird ein relevanter Aspekt für die Planung nachhaltiger Bauwerke. Mit einer umfassenden Energie- und Ökobilanz sowie mit Lebenszyklusanalysen können diese Qualitäten quantitativ hervorgehoben werden. Primärenergiebedarf respektive die Graue Energie sind wichtige Indikatoren zur Beurteilung der Material- und Energieeffizienz. Beispielhafter Vergleich Hinweis: Die Bilanzdaten wurden mit EcodevisWerten berechnet, welche inzwischen für die KBOBEmpfehlung 09/1 teilweise aktualisiert worden sind. Bisherige Studien an gebauten Beispielen zeigen: Im architektonischen Entwurf werden – vergleichbar der Ökonomie – bereits die wesentlichen Einflussfaktoren für ein ökologisch günstiges Gebäude festgelegt. Neben der kompakten Form begünstigt vor allem die direkte statische Lastabtragung einen niedrigen Graueenergiewert. Die Baugenossenschaft Zurlinden in Zürich hat sich genauer dafür interessiert und in den letzten Jahren systematisch mit der Bilanzierung ihrer neuen Wohnbauten begonnen. Mindestens ein halbes Dutzend neuer Wohnsiedlungen wurden in und um die Stadt Zürich gebaut. Weitere Neubauprojekte stecken in der Pipeline («Badenerstrasse» siehe Seite 20). Die drei Wohnbauprojekte Lienihof, A-Park und Vista Verde wurden ausserdem im Detail miteinander verglichen (siehe untenstehende Tabelle). Folgende quantitativen und qualitativen Erkenntnisse hat die Arbeitsgemeinschaft Ueli Kasser, Hansruedi Preisig und Werner Dubach daraus gezogen: ]] Grösse und Form sind die wichtigsten Faktoren für eine hohe Material- und Energieeffizienz. Günstig sind kompakte Baukörper. Die Grösse reduziert den auf die Geschossfläche bezogenen Wert der Grauen Energie ebenfalls erheblich, da der Anteil der Gebäudehülle mit zunehmender Grösse abnimmt. Die Anteile der meistens massiv ausgeführten Bauteile Dach, Fundament und Untergeschoss werden bei viel geschossigen Gebäuden durch den Skaleneffekt reduziert. ]] Tragstruktur und Gebäudehülle machen in der Regel die Hälfte respektive bis zwei Drittel des Grauenergiewertes aus. Bei der Tragstruktur scheinen schlanke und stark bewehrte Betonelemente weniger Primärenergie zu verbrauchen als grösser dimensionierte und schwach bewehrte, bei gleicher baustatischer Leistung. Beispiele Geschoss- Gebäudefläche (m2) hüllzahl (GHF/GF) Kenndaten der untersuchten Siedlungen der Bau­ genossenschaft Zurlinden (A: Lienihof; B: A-Park; C: Vista Verde) Graue Energie MJ/m2 Geschossfläche MJ/m2 Bauteilfläche Gebäude insgesamt Decken und Böden Aussen­ hülle* Lienihof 9120 1,06 2884 1232 913 A-Park 21 210 0,91 3032 2130 1594 Vista Verde 14 360 0,77 2454 960 1315 * Durchschnitt aus Dach, Aussenwand, Fenster und Fundamentplatte ]] Gebäudeform und Materialisierung überlagern sich. Das grösste Gebäude (A-Park) ist relativ kompakt, jedoch sind die massgebenden Bauteile (Decken und Aussenhülle) von der Materialisierung her pro Einheit deutlich energieintensiver. ]] Leichte Wandkonstruktionen sind oft weniger energieintensiv. Zudem sind Holzwerkstoffe und mineralische Baustoffe in der Regel (und in absoluten Zahlen gerechnet) weniger energieintensiv als Metalle und Kunststoffe. ]] Fenster weisen in der Regel eine höhere Graue Energie auf, als opake Aussenwandkonstruktionen. Je höher der Rahmen- und Flügelanteil desto energieintensiver ist die Herstellung des Fensters. ]] Wichtige Unterschiede sind an der Aussenfassade auszumachen, aufgrund der unterschiedlichen Zahl von massiv erstellten Untergeschossen sowie der Abdeckungen und Verkleidungen. Material und Fenster Die untersuchten Siedlungen der Baugenossenschaft Zurlinden: von oben nach unten Lienihof, Zürich-Wollishofen; A-Park, Zürich-Albisrieden; Vista Verde, ZürichLeimbach. (BG Zurlinden) Der Vergleich der drei Zurlinden-Siedlungen hat zudem ergeben, dass die Materialwahl bei einzelnen Bauteilen fallweise zu bilanzieren ist. Ein Kriterium ist die Herkunft der Baustoffe: Der Ersatz der Fassadenverkleidung – einheimisches Produkt anstelle von portugiesischem Naturschiefer (Beispiel A-Park) – führt zu Verbesserungen am gesamten Gebäude von etwa 1 %. Relevant wird jedoch ein Ersatz des Fassadensystems. Eine konventionelle Betonaussenwand mit Schiefereindeckungen und Metalleinfassungen an den Fenstern (A-Park) weist pro m2 Bauteil rund dreimal mehr Graue Energie auf als die Fassade aus einem Holzelement und Holzschalung als Witterungsschutz (Lienihof ), bei gleicher Dämmfunktion notabene. Die Arbeitsgemeinschaft hat den Reduktionseffekt für das gesamte Gebäude bei einer Holzvariante auf beinahe 10 % berechnet. Relevant ist auch der Fensteranteil: Die spezifische Primärenergiebilanz eines Fensters ist rund doppelt so hoch wie bei flächengleicher opaker Aussenwand. Für die Siedlung A-Park in Zürich-Albisrieden wurde berechnet: Wird die Fensterfläche von 49 % auf 27 % reduziert, reduziert dies den Primärenergiebedarf des gesamten Gebäudes um knapp 5 %. 20 Heft 23 Bauherrschaft Baugenossenschaft Zurlinden, Zürich Architektur pool Architekten, Zürich Ingenieure Henauer Gugler AG, Bauingenieur, Zürich SJB Kempter Fitze AG, Holzbauingenieur, Herisau Fachplaner Amstein & Walthert, HLS-Planer, Zürich; Wichser Akustik & Bauphysik AG, Zürich; Kälin & Müller AG, Elektroplaner, Zürich QS Nachhaltigkeit Architekturbüro H. R.Preisig Zürich Alle Wohnungen haben Sicht auf den Stadtpark Hardau, der 2011 eröffnet werden soll. (pool Architekten) Die kompakte Form als Grundvoraussetzung für eine umfassende, gute Energiebilanz? Ein neues Siedlungsprojekt der Baugenossenschaft Zurlinden zeigt überraschende Spielräume. Jutta Glanzmann Im Kern ein Holzbau Für Ihre Neubauten orientiert sich die Zürcher Baugenossenschaft Zurlinden am Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft. So auch für das Wohn- und Geschäftshaus, das gegenwärtig an der Badenerstrasse 380 in Zürich entsteht. Leitlinie dafür ist der Effizienzpfad Energie des SIA. 2006 haben pool Archi- tekten den Studienauftrag für sich entschieden. Ihr Entwurf reagiert geschickt auf die Rahmenbedingungen an diesem städtischen Ort. Anstelle eines kompakten Baukörpers brechen sie das Volumen auf: Über einem durchgehenden Sockelgeschoss, in dem die bisher provisorische Migros-Filiale ihren freie Erdgeschoss, das für die Nutzung als Ladenfläche gewünscht war, ist für tiefe Werte bei der Grauen Energie eher hinderlich. Trotzdem ist es gelungen, diesen Bau auch hinsichtlich Grauer Energie nahe an die strengen Anforderungen der 2000-WattGesellschaft heran zu führen. «Im Endeffekt ging es darum, den unkonventionellen und spannenden Ansatz entsprechend zu optimieren», meinen Hansruedi Preisig und Katrin Pfäffli, die das Projekt aus Sicht der Nachhaltigkeit begleiten. 2000-Watt-kompatibel Objektdaten Standort Gebäudetyp Bauzeit Gesamtbaukosten (BKP 1/2/4/5) Geschossfläche* Energiebezugsfläche* Gebäudehüllfläche* Gebäudehüllzahl* Heizwärmebedarf* Graue Energie total pro Jahr (SIA 2032) *nur Nutzung Wohnen Zürich Wohn- und Geschäftshaus 2009 bis 2010 31,4 Mio. Fr. 9150 m2 6657m2 6324 m2 0,95 53 MJ/m2 (mit reduziertem Luftwechsel) 120 MJ/m2 EBF Dies gelang mit verschiedenen Massnahmen: Das Gebäude mit zwei Untergeschossen ist nur bis zur Decke des Erdgeschosses ein Massivbau, die darüber liegenden Geschosse sind alle in Holz ausgeführt. Davon ausgenommen sind die sechs Treppenkerne, welche an der Aussenfassade liegen. Das Gebäude ist wärmegedämmt mit dem eigens für nachhaltiges Bauen entwickelten Wandsystem Topwall mit vertikalen Holzbohlen. Eine Wärmepumpe sorgt für angenehme Raumtemperaturen im Innern und die Abwärme der Migros-Filiale wird für das Warmwasser genutzt. Der Strombedarf für die Beleuchtung und elektrischen Apparate wird zu einem guten Teil durch eine Photovoltaikanlage gedeckt, die auf den obersten Dächern platziert wird. «Das Haus ist 2000-Watt-kompatibel gemäss den Zielwerten des Effizienzpfades Energie. Es leistet in allen Themenbereichen, angefangen bei der Grauen Energie über den gesamten Betrieb bis hin zur Mobilität einen Beitrag zur Erreichung der anspruchsPlatz findet, erheben sich sechs gegeneivollen Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft», nander verschobene Kuben, die sich im so Hansruedi Preisig. Und neben der Attikabereich durch markante Rücksprünge überzeugenden äusseren Form zeigen die verjüngen. Während zur stark befahrenen Grundrisse der 54 mehrheitlich Zwei- und Strasse im Süden mit Eckfenstern Licht in Dreizimmer-Wohnungen, dass die Gratdie Wohnung geführt wird, öffnet sich die wanderung zwischen städtischem Kontext zweite Hauptfassade mit Balkonen zum und Anforderungen an ein zukunftsfähiges ruhigeren Park. Im Hinblick auf eine posi- Gebäude auch in architektonischer Hintive Ökobilanz entspricht die volumetrische sicht geglückt ist. Disposition zwar nicht der Forderung nach einer kompakten Bauweise, sie hat an dieser Lage aber einen entscheidenden Vorteil: Sämtliche Wohnungen haben trotz der grossen Bautiefe Räume gegen Süden und zum neuen Stadtpark Hardau, der 2011 eröffnet werden soll. Auch das möglichst stützen- 22 Heft 23 Mit sinkendem Betriebsenergiebedarf rückt die Graue Energie ins Blickfeld von Bauherrschaften und Gebäudeplanern. Mit dem Merkblatt SIA 2032 nimmt sich der SIA dem Thema an. Der Normersatz Heinrich Gugerli, Rolf Frischknecht, Ueli Kasser, Martin Lenzlinger In unserer gebauten Umwelt – in Gebäuden und Anlagen – steckt viel Energie. Typische Werte dieser sogenannten Grauen Energie liegen für Gebäude zwischen 3000 MJ und 4000 MJ je m2 Geschossfläche respektive zwischen 80 und 100 MJ pro m2 und Jahr und damit in etwa auf dem Niveau der Betriebsenergie für Raumheizung und Warmwasser von effizienten Bauten, beispielsweise von Minergie-P- oder MinergieHäusern. Der Vergleich macht deutlich, dass die für die Herstellung der Baustoffe, für die eigentliche Erstellung des Gebäudes sowie für den späteren Rückbau und die Entsorgung notwendige Energie von ähnlicher Bedeutung ist wie die Betriebsenergie. Das ist einer der Gründe für eine gesamtheitliche Betrachtungsweise, in welcher der Lebenszyklus eines Gebäudes den einzig relevanten Zeitraum für eine Bewertung bildet. Die einseitige Fokussierung auf die Betriebsenergie sollte spätestens seit der Publikation des SIA Effizienzpfades [1] im Jahre 2006 Vergangenheit sein. Neben dem Energiebedarf für die Beheizung und Kühlung von Räumen und für die Wasser­ erwärmung sind gemäss dieser SIA-Dokumentation drei weitere Positionen im Energiebudget eines Gebäudes von Bedeutung: die Graue Energie, die Energie für Beleuchtung und Geräte sowie die durch das Ge­bäu­de induzierte Mobilität. Die Versorgung von Leuchten und Geräten mit Elektrizität ist ein Thema der Norm SIA 380/4 [2] und zur Mobilität ist ein Merkblatt des SIA in Vorbereitung. Nachhaltig bauen, so das Fazit, setzt einen weiten Blick voraus. grenzen, Methoden und Datengrundlagen zur Berechnung der Grauen Energie von Bauten. Diesen Mangel an Standardisierung will das neue Merkblatt SIA 2032 «Graue Energie von Gebäuden» [3] beheben. Die knapp 30-seitige Schrift schafft in erster Linie eine Übereinkunft zur Berechnungsmethode der Grauen Energie von Gebäuden und dient dadurch nicht nur der Verständigung unter den am Bau Beteiligten, sie stellt auch sicher, dass einheitliche Systemgrenzen und Datenquellen zum Einsatz kommen. Dies ist vor allem in Auswahlverfahren, beispielsweise in Wettbewerben und Vorstudien mit Variantenvergleich, von Bedeutung. Denn durch die Anwendung des Merkblattes werden die Resultate nachvollziehbar und vergleichbar. Form und Grösse vor Materialisierung Die Eignung des im Merkblatt präsentierten Verfahrens zur Bewertung von Vorstudien und Wettbewerbsbeiträgen ist kein Zufall. Denn in den Phasen Strategische Planung, Vorstudien und Vorprojekt fallen Entscheide mit einem massgebenden Einfluss auf die Graue Energie des zukünftigen Bauwerkes. In der Tabelle (siehe rechte Seite unten) sind die in den verschiedenen Planungsphasen wichtigen Einflussfaktoren dargestellt. Überlegungen zur Frage «Neubau oder Sanierung?» sind ohne Überlegungen zur Grauen Energie unvollständig. Form und Grösse eines Gebäudes beeinflussen den Aufwand an Grauer Energie massgeblich. Schon die Materialisierung hat deutlich geringere Auswirkungen, wie überhaupt mit Einheitliches Verfahren dem Planungsfortschritt die EinwirkungsDie Erhebung und rechnerische Behandmöglichkeiten des Planungsteams schwinlung von Stoff- und Energiebilanzen ist eine den. Noch nicht definitiv beantwortet ist vergleichsweise junge Disziplin. Entspredie Frage, ob energieeffiziente Bauweisen zu chend kontrovers werden die Rahmenbeeinem höheren Verbrauch an Grauer Enerdingungen dazu diskutiert, also Bilanzgie führen. Auf der einen Seite erscheint Autoren Heinrich Gugerli, Dr. Ing., dipl. Ing. ETH/SIA, Fach­ stelle Nachhaltiges Bauen, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich Rolf Frischknecht, Dr. sc. techn., dipl. Ing. ETH/SIA, esu-services, Uster Ueli Kasser, dipl. Chemiker, Büro für Umweltchemie, Zürich Martin Lenzlinger, Dr. phil., Physiker SIA, Zürich Die Autoren sind Mitglieder der SIA-Kommission 2032 Graue Energie von Gebäuden Kumulierter Energieaufwand fossile nukleare Wasser- Bio- neue erneuerEnergie Energie kraft masse bare Energie Förderung/ Gewinnung Heft 23 23 Ressource Schrott/Bauschutt GewinnungRohstoff Rohstoff11 Gewinnung Rezyklierung Sekundär-Rohstoff UmwandungRohstoff Rohstoff11 Umwandung Transport Umwandlung Sekundär-Rohstoff Umwandlung Rohstoff Umwandlung ProduktionBaustoff Baustoff1 Produktion Vertrieb Endenergieträger Produktion Baustoff Errichten Errichten Gebäude Gebäude Bereitstellung Endenergie Unterhalt Unterhalt Gebäude Gebäude Betrieb Gebäude Ersatzinvestition Ersatzinvestition Gebäude Gebäude Rückbau Gebäude Entsorgung Entsorgung Baustoffe Baustoffe Systemgrenze Graue Energie Rezyklierung Baustoffe Phase Kriterium Empfehlungen Strategische Planung Verdichtetes Bauen Eine hohe Ausnützungsziffer fördert verdichtetes Bauen und ermöglicht grosse Gebäudevolumen. In Kombination mit kompakten Formen sind dies die wichtigsten Faktoren der Grauen Energie. Neubau oder Umbau? Oft ist ein Neubau anstelle eines Umbaus die bessere Lösung. Der Mehraufwand an Grauer Energie lässt sich in kurzer Zeit durch Einsparungen bei der Betriebsenergie kompensieren, abgesehen von den Vorteilen wie Nutzungsflexibilität, Wirtschaftlichkeit und Komfort. Unterterrainbauten Gebäudeteile unter Terrain (z. B. Tiefgaragen) benötigen überdurchschnittlich viel Graue Energie, insbesondere bei Bauten, die sich im Grundwasser oder nicht unter einem Gebäude befinden. Vorstudien Volumen und Kompaktheit Grösse und Kompaktheit von Gebäuden sind die wichtigsten Kriterien der Grauen Energie. Mit wachsendem Volumen nimmt die spezifische Oberfläche ab. Der gleiche Effekt ergibt sich durch kompakte Formen mit grossen Bautiefen und geringer Gliederung der Hülle. Projektierung Tragwerkoptimierung Sicherheitstechnische, gestalterische und wirtschaftliche Aspekte stehen heute bei der Tragwerkplanung im Vordergrund. Obwohl 60 % der Grauen Energie eines Gebäudes auf das Tragwerk entfallen, ist dieses Kriterium in der Regel kein Thema. Materialisierung der Gebäudehülle Die Gebäudehülle mit einem Anteil von 30 % bis 40 % an der gesamten Grauen Energie eines Gebäudes weist häufig ein grosses Potenzial auf: Leichte Aussenwände sind massiven oder gar doppelwandigen Konstruktionen vorzuziehen. Eine gute Wärmedämmung rechtfertigt den (zusätzlichen) Aufwand an Grauer Energie. Fensterplanung In Fenstern steckt viel Graue Energie, insbesondere in Rahmen aus Metall. Energiebedarf im Lebenszyklus eines Gebäudes Wichtige Einflussfaktoren auf die Graue Energie, geordnet nach Planungsphasen 24 Heft 23 Mittlere Nutzungsdauer nach SIA 2032: 60 Jahre für Gebäudekonstruktion 30 Jahre für Gebäudetechnik 40 Jahre für Aussenwandbekleidung 30 Jahre für Innenausbau der Zusammenhang plausibel, da verbesserte Bauweisen höhere Dämmstärken, wärmetechnisch optimierte Fenster und aufwändigere Lüftungssysteme bedingen. Andererseits ergeben sich aus den EffizienzBestrebungen entgegengesetzte Tendenzen: Optimierte Formfaktoren, innovative konstruktive Lösungen und schlanke Haustechnikkonzepte reduzieren die Graue Energie. gesetzt, um zukünftige Generationen nicht mit der Amortisation von heutigen Investitionen zu belasten. Gemäss Merkblatt SIA 2032 ist die Graue Energie als die Summe der nicht erneuerbaren Primärenergien definiert. Diese umfassen die fossilen und nuklearen Energien, also ohne Wasserkraft und ohne Energien aus nachwachsenden Rohstoffen. Dies stellt im Vergleich zur bisherigen Praxis [9] einen Berechnungsverfahren und Kennwerte Systemwechsel dar. In einer Reihe von Die Graue Energie eines Gebäudes entWerkzeugen für das nachhaltige Bauen wie spricht der Summe der entsprechenden SNARC, eco-devis oder dem SIA Effizienz­ Werte aller Bauteile, auch jener, die nach pfad wurde die mit Wasserkraft erzeugte Ablauf der Nutzungsdauer einzelner BauElektrizität bei der Grauen Energie berückteile als Ersatz hinzukommen. Der Aufsichtigt. Im Sinne einer Vereinheitlichung wand für den Rückbau des Gebäudes ist soll in Zukunft im ebenfalls Teil der Grauen Energie gemäss Normenwerk des SIA 2032. Nicht dazu gehört der StoffSIA konsequent zwiund Energieinput für den Betrieb und den schen erneuerbaren Unterhalt des Gebäudes. Diese Systemund nicht erneuergrenze ist in der Abbildung (siehe vorherge- baren Energieträgern hende Seite oben) dargestellt. Mit der glei- unterschieden werchen Systemgrenze werden auch die Grauen den. In den Grauen Treibhausgasemissionen, ausgedrückt in Treibhausgasemissiäquivalenten CO2-Mengen, bestimmt. onen ist der kumulierte Ausstoss von TreibAls Bilanzperimeter gilt in der Regel die hausgasen (CO2 N2 O, NH4) subsummiert, Grundstücksgrenze respektive die Aussenab- bezogen auf die Leitsubstanz CO2. messungen einzelner Gebäudeteile, die von anderen Teilen gemäss SIA 416/1 abzugren- Vereinfachungen Um den Berechnungsaufwand für die zen sind. Die Graue Energie einzelner Bauteile – und Graue Energie zu beschränken und den einzelner Schichten dieser Teile – ergibt sich Nachweis für die frühen Planungsphasen handhabbar zu machen, wurde eine Reihe aus deren Abmessungen, multipliziert mit von Vernachlässigungen und Vereinfachunden spezifischen Werten aus dazu geeignegen ins Berechnungsverfahren eingeführt: ten Listen [4] [5] [6]. Die Strukturierung Aufgrund ihres geringen Anteils (von einider Berechnung erfolgt nach dem neuen gen Prozenten) an der gesamten Grauen Baukostenplan eBKP-H 2009 [7]. Über die Amortisationszeiten der Bauteile lassen Energie eines Gebäudes sind die Transporte sich Bauteil- oder Gebäudewerte in Jahres- vom Material- und Teilelager zur Baustelle ebenso vernachlässigbar wie der Aufwand werte umrechnen. Als Kennwerte ergeben für den Baustellenbetrieb. Unberücksichtigt sich Werte für die Graue Energie bzw. für die Grauen Treibhausgasemissionen pro m2 in der Berechnung nach SIA 2032 bleiben Geschossfläche und Jahr. auch Treppen und Schächte, Türen und Wenn die Projektwerte mit Richt- oder Türzargen sowie kleine Bauteile. Die AusGrenzwerten verglichen werden sollen, masse für Decken und Wände gehen denn sind zur Berechnung der Jahreswerte die im auch ohne Abzüge der Aussparungen in die SIA-Merkblatt aufgeführten Standardwerte Berechnung ein. der Amortisationszeiten von Bauteilen res- Ursprünglich wollte die Kommission auch pektive einzelner Schichten zu verwenden. die gebäudetechnischen Anlagen vernachDiese Amortisationszeiten richten sich, mit lässigen. Eine Untersuchung hat dann einer Ausnahme, nach den Nutzungsdauern gezeigt, dass diese im Allgemeinen einen der Bauteile. Für die Tragstruktur wurde wesentlichen Beitrag zur Grauen Energie bewusst ein tiefer Wert von 60 Jahren einund zu den Grauen Treibhausgasemissionen Graue Energie «Optimierte Formfaktoren, innovative konstruktive Lösungen und schlanke Haustechnikkonzepte reduzieren die Graue Energie.» liefern (siehe «Ein knapper Viertel», Seite 26). Um differenziertere Werte zu erhalten, sind allerdings noch weitere Studien notwendig. Datengrundlagen und Bewertungsgrössen Zur Berechnung der Grauen Energie nach SIA 2032 dienen die Resultate von ecoinvent, des gemeinsamen Projektes des ETHBereichs und mehrerer schweizerischer Bundesämter [4]. In dieser Datenbank sind Angaben zum kumulierten Energieaufwand (KEA), zu den kumulierten Treibhausgas­ emissionen und weiteren umweltbezogenen Bewertungsgrössen von Energieträgern, Energieumwandlungstechnologien, Werkstoffen, Produkten und Dienstleistungen aus allen Wirtschaftszweigen verfügbar. Für Baustoffe sind die ecoinvent-Daten in den «Ökobilanzdaten im Baubereich 2009/1» [5] zusammengefasst. Auf den gleichen Daten basiert der elektronische Bauteilkatalog, ein für Planer und Systemanbieter hilfreiches, webgestütztes Werkzeug [6]. Durch Auswahl aus einer Bibliothek von Bauteilen und Materialien sowie durch Variation von Schichtdicken konfiguriert der Nutzer des Webangebotes sein projektentsprechendes Bauteil. Der Rechner liefert nicht nur die nackten Zahlen der Grauen Energie und der Grauen Treibhausgasemissionen, sondern differenziert diese Resultate – rechnerisch und grafisch – nach den einzelnen Schichten des Bauteils. Das ermöglicht eine Optimierung von Konstruktionen nach ökologischen Grundsätzen. Insofern vereinfacht der elektronische Bauteilkatalog die Berechnung der Grauen Energie und der Grauen Treibhausgasemissionen von Gebäuden. In Wettbewerben und Vorstudien kommt zudem häufig die Wettbewerbskalkulation des Amtes für Hochbauten der Stadt Zürich zum Einsatz [8]. Ausblick Auf Grund der Erfahrungen mit diesem Merkblatt sollen in Übereinstimmung mit dem SIA Effizienzpfad Energie Richtwerte für den Bedarf an Grauer Energie erarbeitet und bei einer Neuauflage in das Merkblatt aufgenommen werden. Zurzeit bestehen auch noch Lücken bei den Daten, insbesondere für einige haustechnische Systeme und Komponenten. Die praktische Anwendung dieses Merkblattes wird zeigen, welche Lücken in erster Priorität gefüllt werden müssen. Es wird dann auch zu prüfen sein, ob das Verfahren zur Berechnung der Grauen Energie genügend gefestigt ist, dass das Merkblatt in eine Norm umgewandelt werden kann. Das wäre dann auch der geeignete Zeitpunkt, um die Erarbeitung einer europäischen Norm zur Grauen Energie anzuregen. Quellen [1] Dokumentation SIA 0216: SIA Effizienzpfad Energie, SIA, Zürich 2006 [2] Norm SIA 380/4: Elektrische Energie im Hochbau, SIA, Zürich 2007 [3] Merkblatt SIA 2032: Graue Energie von Gebäuden, SIA, Zürich 2009 [4] ecoinvent-Daten v2.0, ecoinvent-Zentrum, Dübendorf 2007 [5] Ökobilanzdaten im Baubereich; Empfehlung 2009/1. Koordination der Bauund Liegenschaftsorgane des Bundes (KBOB), Nachhaltigkeit im öffentlichen Bau (eco-bau) und Interessengemeinschaft privater professioneller Bauherren (IPB), Bern 2007 [6] Elektronischer Bauteilkatalog, www. bauteilkatalog.ch. Nachhaltigkeit im öffentlichen Bau (ecobau) und Bundesamt für Energie (BFE), Bern 2007 [7] CRB Norm 506 500, Baukostenplan eBKP-H 2009 [8] Wettbewerbskalkulation Wirtschaftlichkeit und ökologische Nachhaltigkeit. Amt für Hochbauten der Stadt Zürich, Zürich, 2008 [9] Ökologische Bewertung mit Hilfe der Grauen Energie, Schriftenreihe Umwelt Nr. 307; Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern 1999. Heft 23 25 26 Heft 23 Die Gebäudetechnik ist kurzlebiger als Hülle und Tragstruktur. Doch nicht nur deshalb ist der Technisierungsgrad ein wichtiges Kriterium für die Graue Energie. Paul Knüsel Graue Energie Ein knapper Viertel Quellenhinweis Ökologische Bewertung von Gebäudetechnikanlagen für SIA 2032, Schlussbericht; Basler & Hofmann Ingenieure und Planer AG, 2008. Form, Hülle und Tragstruktur sind für die Massenbilanz sowie die Graue Energie eines Gebäudes bestimmend. Überaus relevant für die Primärenergiebilanz sind aber auch die gebäudetechnischen Anlagen. Die berechneten Resultate zweier verschiedener Gebäudetypen mit unterschiedlichem Technisierungsgrad zeigen dabei konstant hohe Anteile: Beim Neubau Bettenhaus Stadtspital Triemli (siehe Seite 16) liegt der Anteil der Haustechnik am Gesamtbetrag der Grauen Energie bei knapp einem Viertel. Und für die Wohnsiedlung «Sihlbogen» der Baugenossenschaft Zurlinden beträgt der Anteil der Haustechnik ähnlich hohe 23 % (siehe Kuchendiagramm folgende Seite). Darin schlägt sich die kurze Lebensdauer der Anlagen nieder. Die meisten technischen Systeme müssen während eines Gebäudelebenszyklus von rund 60 Jahren mindestens einmal ersetzt werden. Die ökologische Bewertung von Gebäudetechnikanlagen zeigt weitere energetisch relevante Aspekte von Haustechnikanlagen. Das Zürcher Planungsbüro Basler & Hofmann hat die Rechnungen detailliert durchgeführt. Sie sind in das SIA-Merkblatt 2032 eingeflossen. Lüftungsanlagen Untersucht wurden Wohnungslüftungsanlagen in einem Dutzend Mehr- respektive Einfamilienhäusern. Bei Letzteren liegt der nicht erneuerbare Primärenergiebedarf bezogen auf einen m2 EBF jeweils bei rund 200 MJ/m2 EBF. Die Kanalsysteme bergen jeweils den Hauptanteil der Grauen Energie. Besonders zu Buche schlagen Rohre aus verzinktem Stahl gegenüber den PEKanälen mit geringerem Anteil an Grauer Energie. Zentrale Anlagen schneiden – trotz längeren Verteilwegen – günstiger ab als dezentral installierte Lüftungsanlagen. Erdregister verursachen, insbesondere wenn mit Beton anstelle von PE oder PVC konstruiert, einen relevanten Primärenergiebedarf. Der Primärenergiebedarf von Abluftanlagen beträgt aufgrund des geringeren technischen Aufwands deutlich weniger als die Hälfte als bei einer einfachen Wohnungslüftung. Bemerkenswert zudem: Wird die Küchenabluft ausschliesslich in vertikalen (möglichst wenigen horizontalen) Steigzonen organisiert, verringert sich der Anteil der Grauen Energie. Ausserdem: Lüftungsanlagen in Bürogebäuden setzen höhere Luftvolumenströme um, weshalb die Aggregate mehr Masse und einen im Vergleich zu Wohnungslüftungsanlagen höhren Primärenergiebedarf (pro m2 EBF) aufweisen. Haustechnik: Graue Energie Anlagen Lüftung (für Wohnraumlüftung) Primärenergiebedarf * (in MJ pro m2 EBF) Merkmale Stahlzinkkanal 210 PE-Kanäle 131 Erdregister 60 Heizung Leistungsbedarf 70 (Erdwärme10 W/m2 210 30 W/m2 pumpe) 340 50 W/m2 Heizung Leistungsbedarf (Heizöl, Erd10 W/m2 10 gas, Holz) 30 30 W/m2 40 50 W/m2 Elektro Installationsgrad gering 150 mittel 250 hoch 500 Sanitär Typologie Bürogebäude 160 Wohnbaute 230 Solarthermie Typologie (nur Warmwas- Einfamilienhaus 112 sererzeugung) Mehrfamilienhaus 67 * Durchschnittswerte gemäss SIA 2032; Quelle: Basler & Hofmann, 2008 Beispiel Sihlbogen Primärenergiebilanz der einzelnen Bauteile und Gewerke (Details siehe folgende Seite). Heizung Sanitäranlagen Wärmeverteilung und Abgabesystem tragen hauptsächlich zum Anteil der Grauen Energie eines Heizsystems bei. Die Fallstudie hat neun reale Beispiele bilanziert: Der Primärenergiebedarf von Heizungsanlagen ist demjenigen von Lüftungsinstallationen in etwa gleichzusetzen. Wird der flächenbezogene Primärenergiebedarf des Wärmeabgabesystems berechnet, zeigt sich der Einfluss des spezifischen Leistungsbedarfs. Eine Gegenüberstellung von Heizkörper versus Bodenheizung ist anhand pauschaler Werte aber nicht sinnvoll. Bei Feuerungsanlagen macht die Peripherie den Unterschied aus: Für die Ölheizung ist der Tank zusätzlich zu bilanzieren, bei den Holzfeuerungen ist es der häufig beigestellte Energiespeicher und bei der Wärmepumpe ist insbesondere das Abtiefen der Erdsonde von hoher Relevanz. Im weiteren ist die Primärenergiebilanz von Heizungsanlagen ebenfalls abhängig vom spezifischen Leistungsbedarf. Zum Grundinventar der sanitären Anlagen gehören neben den Wasserleitungen der Warmwasserboiler und Badezimmerapparaturen. Die Zahl der Steigzonen und der Ausrüstungsstandard bestimmen den Primärenergiebedarf; bei Wohnhäusern liegt er typischerweise etwas höher als bei Bürogebäuden. Bezogen auf die Energiebezugsfläche liegt die Graue Energie von Sanitäranlagen in einem vergleichbar relevanten Bereich wie Heizsysteme oder Lüftungsanlagen. Heft 23 27 Solaranlagen Die energetische Amortisation ist bei Solarthermie- und Photovoltaikanlagen von grossem Interesse: Flachkollektoranlagen liefern spätestens nach 2½ Jahren «positive» Wärmeenergie. Zwischen ein bis drei Jahren müssen Photozellen (je nach Wirkungsgrad) in Betrieb sein, um den Primärenergiebedarf abzuzahlen. Der Primärenergiebedarf ist bei der Installation einer solarthermischen Anlage (Warmwasserspeicher, Leitungen, Dämmungen und Pumpen mitgerechnet) Elektroanlagen relevant und liegt bei maximal 100 MJ/m2 Kunststoffe und Kupfer prägen die MateEBF. Die energetische Ausmarchung zwirial- und Energiebilanz von hausinternen schen Flachkollektoren und RöhrenkollekElektroanlagen. Die Verkabelung und die toren ist aufgrund der vorliegenden UnterBeleuchtung tragen daher – je nach Ausrüs- suchungen nicht entschieden. Beeinflusst tungsstandard – zu einem hohen flächenwird die Primärenergiebilanz von solartherspezifischen Primärenergiebedarf bei. In mischen Anlagen insbesondere von EinsatzBürogebäuden mit vielen Steckdosen und zweck. Anlagen, welche nur für WarmwasDatenkabelanschlüssen ist der Installations- sererzeugung eingesetzt werden, kommen grad hoch. Im hoch technisierten «Triemli» günstiger weg als bei der Kombiation mit liegt der Graue-Energie-Anteil der Elektro- Heizungsunterstützung. Hierzu ist ein Wäranlagen bei über 10 % des gesamten Gebäu- mespeicher erforderlich, was mehr Masse des (berechnet auf ein Jahr). und mehr Graue Energie erfordert. Bauteile, Gewerke Haustechnik (inkl. Elektro, Heizung, Lüftung, Sanitär) Tragkonstruktion (inkl. Innenwand, Stützen, Decke) Innenausbau (inkl. Trennwände, Bodenbeläge, Wand-, Deckenbekleidung) Gebäudehülle, inkl. Fenster, Türen Aussenwand über Terrain (inkl. Bekleidung) Dach (inkl. Dachhaut) Aushub, Fundament Aussenwand unter Terrain (inkl. Bekleidung) Balkone Total MJ pro m2 MJ pro m2 GF EBF und Jahr und Jahr 23,46 20,47 Anteil Balkon 4 % 23 % 22,44 19,58 22 % 15,3 13,35 15 % 36,6 12,24 11,22 6,12 5,1 2,04 4,08 102 30,8 10,68 9,79 5,34 4,45 1,78 3,56 89 36 % 12 % 11 % 6 % 5 % 2 % 4 % 100 % Innenausbau 15 % Gebäudehülle 36 % Haustechnik 23 % Tragstruktur 22 % Sihlbogen Bauherrschaft Baugenossenschaft Zurlinden, Zürich Architektur Dachtler Partner AG, Zürich Bauleitung, Kosten­kontrolle Caretta & Weidmann AG, Zürich Haustechnikplaner RMB Engineering AG, Zürich QS Nachhaltigkeit Architekturbüro H. R. Preisig, Zürich Die Siedlung Sihlbogen in Zürich-Leimbach: Rendering, Grundriss Obergeschoss und Schnitt. Das Gebäude weist sieben Wohngeschosse und ein Untergeschoss auf. Es hat eine einfache, kubische Form, mit einer separaten, vorangestellten Balkonschicht. Fünf innenliegende Treppenhäuser erschliessen pro Geschoss je zwei Wohnungen. Ein einfaches Tragsystem ermöglicht eine hohe Flexibilität. Die Nasszonenbereiche sind konzentriert in einer Mittelzone angeordnet. Konstruktiv gesehen handelt es sich um eine Mischbauweise aus massiven Decken und Innenwänden, sowie einer tragenden und dämmenden Leichtkonstruktion in Holz bei den Fassaden, mit einer hinterlüfteten Bekleidung. Objektdaten Standort Gebäudetyp Baujahr Gesamtbaukosten (BKP 2) Zürich-Leimbach 7-geschossiger Wohnund Gewerbebau vor Ausführung; Rekurse auf die Projekteingabe ca. 90 Mio. Franken Geschossfläche 9860 m2 Aussengeschossfläche Balkone 1326 m2 Energiebezugsfläche 8583 m2 Gebäudehüllfläche 8149 m2 Gebäudehüllzahl Heizwärmebedarf Qh 0,95 56 MJ/m2 a Graue Energie für Erstellung 3590 MJ/m2 EBF Graue Energie für Entsorgung 627 MJ/m2 EBF Graue Energie total pro Jahr 102 MJ/m2 a Heft 23 29 Grauweissschwarze Energien kern hinter einem Holzlattenzaun. Aus dem Parterre und dem ersten Stock wurden derZuerst war Energie schwarz wie die Kohle: artige Missverständnisse neuer Architektur Schwierig und gefährlich der Erdkruste auf den Anhöhen rund um Zürich behuabzugewinnen. Dann war Energie weiss wie delt und prämiert. Erst in diesem Jahrdie schäumende Gischt des Wassers, das tausend kommen mit Dämmen gestaut, abwärts durch Stahl- die sauberen Fakten röhren rauscht und Turbinenräder drückt, langsam zum Vordie am Generator Strom erzeugen. Später schein: Immer noch wurde die weisse Farbe auch für eine mög- brauchen in einem lichst saubere schadstoff- und treibhausgas- Gebäudeleben 98 freie Kohlekraft verwendet. Dann wuchs Jahre heizen mehr das Bewusstsein, dass Heizen und Kühlen Energie als zuerst ein Jahr bauen und Standpunkt ein Jahr Abbruch Conrad U. Brunner, Energieim Haus, Beleuchten und Werken in der zum Schluss. Immer planer Zürich, MitherausgeFabrik, Daten stapeln und verarbeiten im noch ist in unserem feuchten und kühlen ber der Zeitschrift Faktor. Büro schwarze und weisse Energie braucht. Klima die unterhaltsarme Beständigkeit Und dass diese Energie die Umwelt belaseine wichtige Voraussetzung für nachhaltige tet, die endlichen Ressourcen verzehrt Architektur. Und immer noch sind schrille und gefährliche Lasten hinterlässt. Grau Glanzeffekte der Fassadenverkleidung nur stand immer für Beton, für die Mischung vergängliches Zierrat von oberflächlicher aus Kies, Sand, Zement und Wasser, die in Architektur ohne Bestand, die uns später der Schalung zu einer harten Form erstarrt hässliche Ruinen statt ehrwürdiger alter und kühne Bauwerke entstehen lässt. Erst Gebäude bescheren. Also Holz wo Holz gut vor einer oder zwei Dekaden entstand ist und Lehm wo Lehm gut ist und soviel der neue Gedanke, schwarze, weisse und Glas wie die Benützerschaft gut erträgt und Graue Energien zusammenzuzählen und gerade soviel Beton und Stahl damit nichts erst mit dieser Summe über die Effizienz vor der Zeit reisst und kracht oder gar hereines Gebäudes zu urteilen. Das war die unterfällt. Ziel ist demnach, gute ArchiStunde des «Holz ist heimelig», des getrock- tektur für angenehmen Gebrauch mit einer neten Lehms und des Gebäudes ohne geringen grauweissschwarzen Energiebilanz. Metall und ohne Kabel, die elektromagne- Am liebsten immer «inklusive», d. h. keine tische Felder verursachen. Bio war am Bau Farben mit Formaldehyd mehr im Angeangelangt. Neue Standards entstanden mit bot, kein Holz mit giftigem Schutzmittel aufwärts- und abwärtsgerichteten Pfaden, im Dachstuhl und kein Frostschutzmittel Berechnungsprogrammen, Merkblättern im Sommerbeton. Architektinnen, Bauinund Ausschreibungsempfehlungen. Und genieure, Handwerker und Unternehmer, das Exempel des Joghurtdeckels wurde mit Produktehersteller und Konstrukteure lerseiner Warendeklaration zum Vorbild des nen von der Picke auf, das – und nur das Farbkessels, Leimtopfes, der MDF-Platte – Material einzusetzen, dass seinen Dienst und des Spannteppichs. Zeitgenössische nachhaltig erbringt. Bauherrschaften werArchitektur stülpte sich ein Bio-Gewand den es ihnen danken. Und unsere Enkel über und versteckte den grauen Gebäudedann zumal auch. 30 Heft 23 Vor allem die Fabrikation und Verarbeitung ist für die Graue Energie von Baumaterialien relevant. Im folgenden werden die qualitativen Merkmale der wichtigsten Baustoffe beschrieben. Paul Knüsel Auf der Waagschale Beton clingbeton vorzugeben. Die Spezifizierung Bei Leichtbeton machen die energieinder Einsatzmöglichkeiten von RC-Beton tensiven Leichtzuschläge den Hauptanteil wird im neuen SIA-Merkblatt 2030 behander Grauen Energie aus. Demgegenüber delt. Die Anteile am Gesamtbedarf bewebildet der Armierungsgrad einen wesentligen sich schätzungsweise zwischen 5 % und chen Faktor für die Herstellungsenergie von 10 %. Die regionalen Unterschiede bei den Stahlbeton oder Betonfertigteilen. Die Auf- Bezugsmöglichkeiten sind allerdings gross; bereitung von Betonkies nimmt gegenüber auf lange Transportwege über 50 km ist zu dem Anteil verzichten – an Zement, auch wegen der welcher therZunahme der misch herGrauen Energie gestellt wird, für zusätzliche eine untergeLastwagenfahrordnete Rolle ten. ein. Deshalb Stahl unterscheidet Für die Graue sich die Graue Energie einer Energie von StahlbaukonstRecyclingruktion ist der beton kaum Rezyklatanteil vom normaanders als beim len Beton. Beton entscheiDie Aufbedend. Die Herreitung von stellungsenergie Betongranulat, wird wesentMischabbruchlich von der Umwandlung des Eisenerzes granulat und Recyclingkiessand erfordert zu Roheisen geprägt, da die Verhüttung im einen vergleichbaren Energieaufwand wie die Gewinnung und Aufbereitung von Pri- Hochofen sehr energieintensiv ist. Global märzuschlag (Sand, Kies, Zement). Berech- wird Stahl zu 63 % aus Erzen und zu 37 % aus Schrott produziert (Stand 2000). Für nungen beim Forum Chriesbach haben gezeigt, dass die Graue Energie mit Recyc- Letzteres, dem Sekundärstahl werden rund lingbeton nur um wenige Prozente verbes- zwei Drittel weniger Energie benötigt als im sert werden kann. Die ökologischen Vorteile Hochofenprozess. Bei den im Hochbau in Europa eingesetzten Stahlträgern wird der des wiederverwerteten Materials beziehen sich jedoch vor allem auf die Schonung der Anteil von Sekundärmaterial auf nahezu 100 % abgeschätzt. Für 1 kg blankem Stahl Ressourcen und von Deponieraum. Hiermit besteht eine grosse Einflussmöglichkeit, sinkt der Energieinhalt – zwischen Primär- und Sekundärstahl um fast die Hälfte. die begrenzten Kiesvorkommen und den Das wirkt sich auch auf die Beurteilung knappen Deponieraum zu schonen. Seit wenigen Jahren haben insbesondere öffent- von Stahlbauten in der Schweiz aus. In der liche Bauträgerschaften begonnen, bei Aus- aktuellen KBOB-Liste liegt der Anteil des schreibungen eine Minimalquote für Recy- Sekundärmaterials in Profilen bei 98 % und im Blech bei 37 %. Der Armierungsstahl, welcher in der Schweiz zum Einsatz gelangt, wird bereits zu 100 % aus Schrott hergestellt. Die Art der Grundierung sowie der Beschichtung kann ebenfalls energetisch relevant sein. Die Verzinkung von Stahlblech kann bei dünnen Blechen den Wert für die Graue Energie verdoppeln. Die Graue Energie für eine Gewichtseinheit Aluminiumblech ist relativ hoch. Der Vergleich zum Stahlblech ist aber nur erlaubt, wenn bei beiden Materialien dieselbe Funktionseinheit (Fläche und Dicke) betrachtet wird. Bei Schnittholz wird zwischen natürlich und technisch getrocknetem Holz unterschieden. Die Holzfeuchtigkeit beträgt im sägefrischen Zustand 30 % bis 80 % und wird natürlich auf 15 % bis 20 % respektive technisch bis 12 % gesenkt. Der grösste Teil der Trocknungswärme wird jedoch durch das Verbrennen von Werkabfällen gewonnen und ist daher in der Grauen Energie nicht enthalten. Zur Produktion von Holzwerkstoffen sind unterschiedliche Mengen an Bindemitteln nötig. Diese können bis 60 % der Grauen Energie verursachen. Als Faustregel gilt, dass je intensiver das gewachsene Holz vor der Verleimung zerkleinert wird, zum BeiHolzwerkstoffe spiel in Lamellen (3-Schichtplatten), Späne Holz ist nicht gleich Holzwerkstoff. Die (Spanplatten) oder sogar Holzmehl (MDFenergetische Beurteilung der Bauprodukte Platten), desto mehr Bindemittel muss für aus nachwachsendem Rohstoff bezieht die das erneute Verkleben aufgewendet werden. spezifische Verarbeitung selbstverständlich Unterschiedlich sind zudem die Kreisläufe mit ein. Die Graue Energie von sägerauauf dem Markt: Massive Nadelhölzer sind hem, luftgetrocknetem Schnittholz ist rund mehrheitlich inländischer Herkunft. Bei 10 mal niedriger als zum Beispiel für MDF- Laubhölzern und bei Holzwerkstoffen werPlatten. Dazu kommt, dass die Energiebiden die Endprodukte hingegen vorab aus lanz der Fabrikation abhängig vom Herstel- europäischen Ländern bezogen. Werden ler ebenfalls beträchtlich variieren kann. Für Holzprodukte aus weiter entfernten LänSpanplatten verschiedener Herkunft liegen dern, wie Kanada, Russland oder den Trodie Extremwerte um den Faktor 2 auseinpen verwendet, kann sich die Graue Energie ander. um bis zu einem Drittel erhöhen. Ökobilanzdaten im Baubereich Graue Energie (MJ/kg) Treibhausgasemissionen (g CO2/kg) Magerbeton 0,551 65 Beton (Fundament) 0,727 78 Backstein 3,03 247 Kalksandstein 1,58 139 Blähtonstein 5,29 438 Aluminiumblech 148 8850 62 3600 Massivholzplatte geschichtet 30,9 615 Massivholz Fichte, Tanne, Lärche 18,9 86 Glaswolle 49,4 1500 Polystyrol (EPS) 106 7270 Schaumglas 26,5 1160 Steinwolle 22,8 1470 Zellulosefasern (eingeblasen) 10,0 393 Baustoffe Stahlblech verzinkt Wärmedämmstoffe Auswahl einzelner Baustoffe aus der KBOB-Empfehlung 2009/1; aktualisiert verfügbar auf www.ecodevis.ch Heft 23 31 32 Heft 23 Die Bilanzierung des Energiebedarfs und der ökologischen Belastung soll eine allgemeingültige Bewertung ermöglichen. Für Empa-Forscher Hans-Jörg Althaus sind dazu gewisse Rahmbedinungen zu beachten. Einfach zu handhaben Ecoinvent Das Zentrum für Ökoinventare wurde innerhalb des ETH-Bereichs aufgebaut und ist seit dem Jahr 2000 daran, eine umfangreiche Datenbank für alle möglichen Prozesse zu erstellen. Derzeit ist die dritte Aktualisierungsrunde im Gang. Ecoinvent geniesst in der internationalen Fachwelt ei­ nen guten Ruf. Die Graue Energie hält Einzug als ergänzende Masseinheit für nachhaltige Bauten. Wie definiert sie sich? Althaus: Im Wesentlichen ist die Graue Energie das Ergebnis einer Ökobilanz, bei welcher der gesamte Lebenszyklus eines Materials betrachtet wird. Für jeden solchen Schritt wird der Energieinput bestimmt und am Ende aufsummiert, ab Ressourcenentnahme über die Verarbeitung bis zur Endfabrikation. Die Graue Energie kann trotzdem unterschiedlich definiert werden: Gehört zum Beispiel die erneuerbare Energie dazu? In der Schweiz wurden bisher fossile Energieträger, die Atomkraft und Wasserkraft in grossen Anlagen berücksichtigt. Neue erneuerbare Energiequellen, wie Solarenergie oder Erdwärme werden dagegen nicht bilanziert. Im SIA-Merkblatt zur Grauen Energie fällt die Wasserkraft vollständig weg. Standpunkt Baustoffe können neu energetisch miteinander verglichen werden. Wie schwierig ist es, Produkte allgemein gültig zu bewerten? Ich würde die aktuellen Bewertungsverfahren als brauchbar bezeichnen. Die Empa selber hat die wissenschaftlichen Grundlagen und Berechnungen für Bilanzierungstools, wie Ecodevis oder die KBOBEmpfehlung geliefert. Die Zahlen stützen sich auf die ecoinvent-Datenbank. Etwas Wichtiges kommt jedoch dazu: Ökobilanzierungen sind eigentlich mit ISO-Normen zu berechnen, damit ein Produkte übergreifender Vergleich erlaubt ist. Die EcoinventDatenbank liefert aber Hintergrunddaten, die nicht zum direkten Vergleich gedacht sind. Aufgrund der Komplexität ist das nicht möglich. Insofern ist die Genauigkeit eines Produktevergleiches auf Basis von ecoinvent-Daten mit Vorsicht zu geniessen. Wie können diese Werte von den Anwendern, Bauherrschaften und Planern, trotzdem interpretiert werden? Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Genauigkeit der Aussagen als grob zu bewerten. Dennoch sagen sie genügend über die Anteile der Grauen Energie an einem Gebäude aus. Die wesentlichen Einflussfaktoren und die energetisch problematischen Baustoffe werden eindeutig bestimmt. Und die Bilanz zeigt, worauf eine Optimierung in der weiteren Planung zu achten hat. Kritisch wird es nur, wenn entschieden werden soll, ob ein Holzfenster oder ein Kunststofffenster einzubauen ist. Soll der Energieinhalt unterschiedlicher Stoffe oder Bauteile miteinander verglichen werden, ist von einer Ungenauigkeit bei plusminus 10 bis 20 Prozent auszugehen. Für die Detailanalyse oder das Feintuning bräuchte es aber eine bessere Genauigkeit. Auf welche Anfängerfehler ist zu achten, damit die Graue Energie auf einem tiefen Niveau gehalten werden kann? Sicherlich ist auf die Langlebigkeit von Bauteilen zu achten. Ebenso wichtig wie die Wahl der Materialien ist zudem materialgerechtes Bauen. Holzfassaden sind beispielsweise auf einen konstruktiven Witterungsschutz angewiesen, sonst könnten sie bereits nach 15 Jahren ersetzt werden müssen. Baustoffe und Materialien, welche ästhetisch wirksam und repräsentative Funktionen zu erfüllen haben, sind oft wenig ökologisch. Das Beispiel Marmor zeigt, dass dafür eine aufwändige Konstruktion nötig wird, und das Material auf weiten Wegen hergeholt werden muss. Die Graue Energie wird von der Langlebigkeit und der Gebäudemasse bestimmt. Worauf ist sonst noch zu achten? Zusätzlich ist eine hohe Nutzungsflexibilität wichtig. Weniger bei Einfamilienhäusern als bei Dienstleistungs- und Industriebauten, die sich besser umnutzen lassen. Materialbezogene Empfehlungen bringen dagegen wenig, weil der konkrete Einsatz und die Funktionalität ebenso wichtige Auswahlfaktoren sind. Ein 17-stöckiges Hochhaus aus Holz zu erstellen, kann für die Graue Energie zwar günstig sein, ist aus Schallund Brandschutzgründen aber fraglich. Beim Vergleich eines Holzbaus mit einem Gebäude in massiver Bauweise muss bei kleinem Volumen demgegenüber auf den Schallschutz geachtet werden. Ein Holzhaus einem Betonhaus gegenüber zu stellen, braucht leistungsbezogene Daten. Die Graue Energie von Materialien und Bauteilen ist funktionsbezogen zu analysieren. Anteil der Grauen Energie für den Baustoff Holz weiter reduziert werden. Insofern ist die energetische Bewertung eine Modellierungsfrage, welche die richtigen Verhältnisse nur annähernd realitätsgetreu abbilden kann. Der Bauträger soll die bestehenden Bewertungsverfahren anwenden. Dennoch muss er selber definieren, welche Aspekte wichtig sind. Die Wissenschaft kann ihm eine solche Gewichtung nicht abnehmen. Inwiefern ist das Recycling in einer Bilanzierung enthalten? Diese Frage ist nicht eindeutig geklärt. Die gängige Bilanzierungsvariante bezieht sich auf den Istzustand. Gerechnet wird mit den aktuellen Materialflüssen und den rezyklierten Anteilen im Ausgangsmaterial. In der ecoinvent-Datenbank wird der Entsorgungsprozess zwar angerechnet. Eine Gutschrift für künftig rezyklierbares Material ist aber nicht vorgesehen. Die produktespezifische Bilanzierungsvariante berücksichtigt dagegen die EntDer Holzbau hat einen schon fast pauschal scheidung, was nach der Nutzung mit dem guten ökologischen Ruf. Stimmt das mit Material stofflich passiert. Ein anschauliden Zahlen überein? Ein Stück weit stimmt es schon. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, und in der Schweiz werden die Wälder nachhaltig genutzt. Viele Tropenhölzer stammen hingegen aus Kahlschlagwäldern. Auch in Skandinavien sind grosse Holzplantagen anzutreffen. Ob diese intensive Nutzung als ökologisch zu bezeichnen ist, weiss ich nicht. Für die Ressourcennutzung ist das nachwachsende Holz sicher gut; beim Landverbrauch fällt die Beurteilung des Baustoff allerdings kritischer aus. Heft 23 33 «Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Genauigkeit der Aussagen als grob zu bewerten.» Hans-Jörg Althaus Inwiefern wird dies in der Energiebilanz erfasst? Über die Entnahme von nicht energetischen Ressourcen und auch über den Verbrauch von Wasser und Land macht die Graue Energie keine Aussagen. Dafür braucht es eine ökologische Gesamtbewertung. In der Energiebilanz ebenfalls nicht berücksichtigt ist die spezifische Situation in der Schweiz, beispielsweise der positive Nutzen des Waldes ausserhalb der Holznutzung. Würden der Flächenverbrauch und die Bewirtschaftung auf die unterschiedlichen Waldfunktionen verteilt, könnte der Hans-Jörg Althaus arbeitet seit 10 Jahren in der Gruppe Life Cycle Assessment, Abteilung Technologie und Gesellschaft an der Empa. 34 Heft 23 ches Beispiel ist Fassadenblech aus Aluminium. In der Produktion, namentlich für die Elektrolyse der Rohstoffe, wird viel Energie verbraucht. Nach 80 Jahren kann das Bauteil erneut aufgeschmolzen werden. So erhalte ich aus einem Kilogramm Alu 990 g Rohmaterial wieder zurück. Für die auf die Zukunft ausgerichtete Modellierung wird der Kreislauf praktisch geschlossen: Die Energiebilanz geht daher von 1 Prozent frisch gewonnenem Material und 99 Prozent Rezyklat aus. Ein solches produktespezifisches Vorgehen wird in den ISO-Normen empfohlen. Die Ecodevis-Bilanzierung schaut auf die aktuellen Kreisläufe. Für die ISO-Normen wird Künftiges modelliert. Wie können sich die beiden Varianten ergänzen? Ersteres ist einfacher zu handhaben. Auf dieser Logik basieren die KBOB-Empfehlungen und die Zertifizierung nach Minergie-Eco. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dereinst eine Anpassung erfolgt. Im europäischen Rahmen wird an der Umweltdeklaration von Bauprodukten gearbeitet, den so genannten Environmental Product Declarations EPD. Darauf will die EU die Baustoffindustrie verpflichten. Bauprodukte, die auf Rohölbasis hergestellt werden, besitzen einen hohen Anteil an fossilen Ressourcen. Wie wird dies energetisch bilanziert? Stoffliche und energetische Ressourcen fliessen eins zu eins in die Rechnungen ein. Der Anteil an Grauer Energie wird dadurch erhöht. Aber zu betrachten ist wie beim Aluminium, was am Lebensende mit diesen Produkten geschieht. Kunststoffe werden ebenfalls weitgehend rezykliert. Daher ist zu differenzieren, ob die Graue Energie ein für alle Mal verpufft, oder eine Wiederverwendung erfolgen kann. Das heisst, auf europäischer Ebene werden Labels für Bauprodukte geschaffen? Ja. Bei den Deklarationen geht es vor allem um Transparenz, weniger um eine Bewertung. Für jedes Produkt werden die Ergebnisse der Ökobilanzen angegeben, beispielsweise in Bezug zur Grauen Energie, zum Treibhauspotenzial oder zur Versauerung von Böden und Gewässern. Das ist noch nicht endgültig festgelegt. Aber hier wird gelten: Die produktespezifischen Zahlen lassen sich nur mit Vorbehalt für einen direkten Vergleich verwenden. Gespräch: Paul Knüsel, Fotos: Gian Vaitl Auch eine Plattform für die Industrie Heft 23 35 Die KBOB-Werte erlauben einen rechnerischen Output, der die ökologische Bewertung eines Gebäudes ermöglicht. Um den Input weiter zu verbessern, wird die Baustoffbranche zum Dialog aufgerufen. Heinrich Gugerli, Reinhard Friedli Reinhard Friedli, Architekt und Umweltbeauftragter im Bundesamt für Bauten und Logistik; Leiter der Fachgruppe nachhaltiges Bauen der KBOB (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorga­ ne der öffentlichen Bauherren) Planer und Bauherrschaften erhalten mit der KBOB-Empfehlung «Ökobilanzdaten im Baubereich» eine umfangreiche Datengrundlage mit detailliertem Zahlenmaterial. Für eine Vielzahl an Baustoffen, Bauteilen, Oberflächenmaterialien und Gebäudetechniksystemen werden die spezifischen Daten zur Umweltbelastung gemäss der Methode der ökologischen Knappheit, zur Grauen Energie und zu den Treibhausgasemissionen aufgelistet. Zudem enthält die Empfehlung Daten zu Energie- und Transportsystemen. Grundlage dafür ist die Ecoinvent-Datenbank, welche seit dem Jahr 2000 vom Schweizer Zentrum für Ökoinventare betrieben wird. An diesem Zentrum sind Institute und Abteilungen der ETH Zürich, der EPF Lausanne, das Paul Scherrer Institut (PSI), die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (Agroscope FAL) angeschlossen. Ziel dieses Verbundprojektes ist es, harmonisierte Ökobilanzdaten unter anderem für die Bereiche Energie, Transport, Entsorgung, Bauwesen, Chemikalien und Landwirtschaft zusammenzustellen und der Praxis zugänglich zu machen. Fundiert und aktualisiert Hinweise www.kbob.ch www.bauteilkatalog.ch www.ecodevis.ch Die Sachbilanzen und Bewertungen für den Baubereich sind daher als wissenschaftlich fundiert und nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet zu betrachten. In der Empfehlung wurde für alle Materialien dieselbe Modellierungsmethodik verwendet, damit eine vergleichende Bewertung von Bauteilen und ganzen Gebäuden überhaupt zulässig wird. Es wurde angestrebt, für die Situation auf dem Baustoffmarkt Schweiz möglichst repräsentative Daten zu ermitteln. Dies betrifft die Schlüsseltechnologien in der Produktionskette und den Ort der Bereitstellung wie auch die zugrundegeleg- ten Rezyklatanteile und die aktuellen Entsorgungswege. Damit die Ökoinventardaten aktuell bleiben, ist ebenfalls vorgesorgt: Die Mitglieder des Zentrums für Ökoinventare sind für die Bewirtschaftung und Aktualisierung gemeinsam zuständig. Ein Engagement in dieser Richtung ist aber auch von den Herausgebern der KBOB-Empfehlung geplant. Zum einen sind die bereits publizierten Ökobilanzdaten für den Baubereich zu aktualisieren. Durch detaillierte Analysen der in der Schweiz verwendeten Technologien und Baustoffe soll die Repräsentativität der im Katalog zur Verfügung gestellten Daten in Zukunft weiter verbessert werden. Gleichzeitig soll der Informationsfluss mit der Branche verbessert werden. Die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) sowie der Verein eco-bau haben daher eine Plattform initiiert, um die Baustoffindustrie verstärkt einzubinden. Minergie-Eco: wenig Graue Energie verlangt Zur Erlangung des Minergie-Eco-Zertifikats hat das Gebäudekonzept bei den gesundheitlichen und bauökologischen Aspekten Überdurchschnittliches zu leisten. Die verwendeten Ressourcen, die Herstellung sowie der Rückbau spielen dabei, ohne zwingend quantifiziert werden zu müssen, eine wichtige Rolle: Qualitativ verlangt werden unter anderem die gute Verfügbarkeit der Rohstoffe; die geringe Umweltbelastung bei Herstellung und Verarbeitung sowie einfacher Rückbau, Verwertung und Entsorgung eines Gebäudes. In den Fragenkatalo­ gen werden unter anderem die spezifischen Lösungsvorschläge zur Kompaktheit der Gebäudehülle, zur internen Lastabtragung und zu den verwendeten Materialien abgefragt. Anhand des computerbasierten Nachweisinstruments können die spezifischen Projekteigenschaften bereits in der Vorprojektierung angemessen und frühzeitig erfasst werden. (knü) Weitere Infos: Zertifizierungsstelle Minergie-Eco c/o Intep Integrierte Gebäudeplanung GmbH, Zürich; www.intep.ch 36 Heft 23 Bauen ist ein altes Handwerk und das Wissen um den hohen Ver­ brauch von Ressourcen ist ebenfalls länger bekannt. Viele Erkenntnisse wurden erstmals vor 30 Jahren erforscht. Paul Knüsel Bauen mit Megajoules Quellen «Graue Energie. Energiebilanz von Energiesystemen», Daniel Spreng, vdf ETH Zürich 1995. «Graue Energie von Baustoffen» Band 1 und 2 (aktualisiert), Ueli Kasser und Michael Pöll, Büro für Umweltchemie, 1995 und 1999. «Schlussbericht des Projektes-OGIP: Optimierung von Energiebedarf, Baukosten und Umweltbelastung in der Integralen Planung.» Niklaus Kohler et al. Bundesamt für Energiewirtschaft und Amt für Bundesbauten. Karlsruhe/Weimar/ Zürich 1996. «Ökologische Bewertung mit Hilfe der Grauen Energie», Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Schriftenreihe Umwelt Nr. 307, 1999. Prognosen sind oft mit Ungenauigkeiten verbunden. Der Physiker und mittlerweile emeritierte ETH-Professor Daniel Spreng hat seine Vorhersage für das optimale Dämmen eines Gebäudes aber erstaunlich gut getroffen: «Eine Wärmedämmung mit einer Plattenstärke von 24 Zentimetern besitzt die beste Energiebilanz», lautet der Befund seines 1988 in den USA publizierten Standardwerks über die Graue Energie. 7 Jahre später wurde die deutschsprachige Ausgabe aufgelegt. Und 21 Jahre später liegen die empfohlenen Dämmstärken tatsächlich bei eben diesen 24 Zentimetern. Zumindest gelten diese Richtwerte für die Fassadendämmung, wenn der Bauherr mit seinem Gebäude Minergie-P-Standard erreichen will. Energieforscher Spreng hat sich aber nicht nur Gedanken um den effizienten Gebäudebetrieb gemacht, sondern auch um den Energieaufwand, welchen das Bauen und die Bauprodukte an sich verursachen. Das Neue daran? Erstmals wurde nicht ein Energiesystem, sondern das Gebäude zu einem Fall für die systematische Gesamtenergiebetrachtung. Dem Energiebedarf als Betriebsgrösse wird der energetische Input für Herstellung, Instandhaltung und eventuellem Rückbau gegenübergestellt. Heute weiss man: Die Anteile liegen bei Niedrigenergiegebäuden in vergleichbaren Grössenordnungen. land. Alle Wohnbauten wurden Anfang der 1990er Jahre realisiert. Die Überbauung in Winterthur wurde in massiver Bauweise erstellt; bei den übrigen besteht nur die Primärkonstruktion (Decken, Wände) aus Beton, darüber wurde eine leichte Holzverschalung gestülpt. Das erstaunliche Fazit dieser Gegenüberstellung, welche vom Büro von Umweltchemie zusammen mit Studenten des Technikums Winterthur berechnet worden ist: «Die Massenbilanzen liegen in einer fast identischen Grössenordnung. Die verstärkte Wärmedämmung verursacht nur einen unwesentlichen Mehraufwand an Herstellungsenergie.» Das bilanzierte Spektrum der einzelnen Wohnbauten betrug dabei zwischen 60 und 80 Megajoule pro m2 EBF und Jahr. Die Bilanzierung der Grauen Energie hat damit seinen Anfang genommen. Das Bauen mit Megajoules wurde seither in mehreren Publikationen, unter anderem von den Behörden oder auch dem SIA, aufgegriffen. Die damaligen Werte mit aktuellen Bilanzierungsresultaten zu vergleichen, ist jedoch irreführend. Wichtige Bezugsgrössen, wie Lebensdauer und materialbezogene Sachbilanzen, werden laufend dem Stand des Wissens angepasst. Masse entscheidet Den Energieinhalt von Produkten, Dienstleistungen und Aktivitäten plötzlich bestimmbar zu machen, kann verlockend Energiebilanzen seit 15 Jahren sein. Zahlen sind jedoch immer mit UnsiErstmals wurden vor knapp 15 Jahren bei- cherheiten behaftet. Qualitativ hingespielhafte Massen- und Energiebilanzen gen sind Beurteilungen eines Gebäudes, für realisierte Gebäudeprojekte veröffentbezogen auf die Herstellungsenergie, auf licht. Die Auswahl der Beispiele erfolgte im alle Fälle zulässig: Primär relevant ist die Rahmen des nationalen Aktionsprogramms verwendete Masse – absolut respektive in Energie 2000: eine soziale Wohnsiedlung in Bezug auf die Nutzungseinheit. Transporte Winterthur; ein Niedrigenergie-Mehrfami- oder die Aktivitäten auf der Baustelle bleilienhaus in Riehen und ein solares Nullben diesem Materialaufwand untergeordEnergiehaus in Trin, im Bündner Obernet. Einzelne Baustoffe gehören aufgrund Graue Energie der spezifischen Verarbeitung grundsätzlich zur Kategorie energieintensiver Produkte. Genauere Aussagen hat dazu die Umweltbehörde des Bundes vor 10 Jahren gemacht. Danach verursachen Kies, Sand und anderes gebrochenes mineralisches Gestein «einen verhältnismässig geringen Energieaufwand» bei Gewinnung und Produktion. Die Feinheit und Härte dieser Baumaterialien sind für die Graue Energie ebenso relevant, wie Transportprozesse. Demgegenüber werden Gips, Zement und andere Bindemittel gebrannt, was deren Graue Energie bedeutend erhöht (siehe Beitrag «Auf der Waagschale» Seite 30). Die wesentliche Übereinstimmung zwischen Finanz- und Energieaufwand trifft bis heute zu. Gebäude- und Wettbewerbsprojekte, welche nach der Methode SNARC respektive der Wettbewerbskalkulation der Stadt Zürich bilanziert wurden, zeigen dies. Geringe Materialmenge und einfache Konstruktionsprinzipien erhöhen die Effizienz der anfänglich erbrachten Leistungen, sowohl energetisch als auch finanziell. Aussagekräftiger Indikator Die Quantifizierbarkeit der Grauen Energie hat die ökologische Bewertung von Gebäuden und Baustoffen wesentlich gefördert. Die Menge der eingesetzten Energie ist zum Ökonomie stimmt überein aussagekräftigen Indikator für die UmweltEin zentrales Kriterium für Graue Enerauswirkungen geworden. Die Nutzung von gie ist die Ökonomie. Der Energieinhalt Primärenergieressourcen übt einen starken eines Produktes oder einer Dienstleistung Einfluss aus. Zudem erlaubt «die Graue ist wesentlich von der Höhe der finanziellen Energie eine einfache und pauschalisierbare Ausgaben abhängig. Vor über 30 Jahren hat Bewertung», schreibt Ueli Kasser vom Büro dies der deutsche Wissenschafter Richard für Umweltchemie in einer GrundlagenWagner als gültige Rechenformel postuliert: studie, welche für die SIA-Dokumentation «Mit der Investition von 1 D-Mark wird «Deklaration ökologischer Merkmale von ein durchschnittlicher Energieverbrauch Bauprodukten nach SIA 493» verwenvon rund 4 MJ respektive 1 kWh verurdet wurde. Die wichtigsten energie- und sacht.» Das monetäre Energieäquivalent für umweltpolitischen Ziele würden ausreimineralische Baustoffe liege ein Dreifaches chend abgebildet. Die Aussagen der Grauen Geforscht, publiziert und über diesem Schnitt, gehen seine BerechEnergie sind allerdings begrenzt: Emissioemeritiert: Die Wissenschaf- nungen noch weiter ins Detail. nen von spezifischen Schadstoffen werden ter Niklaus Kohler, Daniel Spreng und Ueli Kasser (von rechts nach links) gehören zu den Energiebilanzierern der ersten Stunde. Heft 23 37 38 Heft 23 nicht berücksichtigt. Deren Beurteilung ist mit ergänzenden Beurteilungen oder einer Ökobilanzierung nach Umweltbelastungspunkten beizukommen. Konkrete Planungshilfe Während der letzten 10 Jahre sind die Daten der SIA-Produktedeklaration (493) und die produktespezifische Bilanzierung der Grauen Energie im Projekt eco-devis zusammengeführt worden. Ursprünglich als Ausschreibungshilfe konzipiert haben sich die eco-devis zu einem eigentlichen Schlüsselprojekt entwickelt. Basis sind eine Vielzahl von Bauprodukten, die systematisch nach ökologischen Kriterien beurteilt werden. Ein einzelnes Bauprodukt wird quantitativ erfassbar, dank vielfältigen Planungsinstrumenten wie ECO-BKP-Merkblätter, Bauteilkatalog oder Minergie-Eco-Nachweisverfahren. Der Aktualisierungsaufwand ist allerdings beträchtlich, da der Markt inzwischen auf eine Beurteilung der Materialien reagiert. Nachweislich wurden Bauprodukte aufgrund einer ursprünglich ungünstigen eco-devis-Beurteilung seither technisch verbessert, zum Beispiel Schaumglas und PVC-Materialien. Indikatoren an Bedeutung gewinnen wird. Am weitesten gediehen ist die Markteinführung der produktebezogenen Umweltdeklaration in Skandinavien, in Grossbritannien, Frankreich und Deutschland. Graue Energie Betriebseigene Einsparpotenziale Im Rahmen der per Anfang 2009 eingeführten DGNB-Zertifizierung (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) werden solche Deklarationsdaten bereits systematisch eingesetzt, um die Umweltverträglichkeit (inklusive der Primärenergiebedarf ) von Bauteilen respektive des Bauwerks als Ganzes funktionsbezogen zu bewerten. Mit der unabhängigen Bilanzierung ist vorab das deutsche Institut für Bauen und Umwelt (IBU) betraut; abrufbar sind jetzt schon mehr als drei Dutzend produktebezogene Umweltdeklarationen. Auf dem von der Bundesregierung unterstützten Informationsportal «ökobau.dat» werden die Bilanzierungsresultate der einzelnen Produktekategorien nachgeführt. Für den deutschen Bundesverband Baustoffe Steine und Erden e. V. ist es eine Frage der Zeit, bis die normierten EPDs länder­übergreifend nutzbar sind und entsprechend von öffentlichen und privaten Bauträgerschaften nachgefragt Am Baustoffmarkt werden. Die Kommunikation der ProdukteUmwelt- und Energieindikatoren sind qualität gegen aussen ist aber nur ein Argumittlerweile in ganz Europa zu einem rele- ment für das Interesse der Baustoffbranche. vanten Planungs- und Marktfaktor für die Ein ebenso wichtiges Motiv für das BerechBau- und Baustoffbranche geworden. Der nen produktespezifischer Energiebilanzen Primärenergiebedarf findet in verschiedener sei, lassen sich Kunststoffherstellerfirmen Berechnungsweise auch in anderen Ländern vernehmen, das Erkennen betriebsinterner Eingang in die meist produktespezifisch Einsparpotenziale. durchgeführten Ökobilanzierungen und Eigenständige Formensprache Umweltdeklarationen. Im Europäischen Das Bauen mit Megajoule ist in rund 20 Normenentwurf für die ProduktkategoriJahren vom Forschungslabor in der Praenregeln zu Bauprodukten prEN 15804 xis angekommen. Einen wichtigen Input werden beispielsweise bei der Berechnung die nicht-erneuerbare Primärenergie, anders haben dafür Wissenschafter aus der Schweiz geliefert. Dass sich dadurch zwangsläufig als in der Schweiz, nach stofflich respekdie Arbeitswelt der Architekten verändern tive energetisch verwendeten Ressourcen wird, hat ein weiterer Vertreter der Ökobidifferenziert. Im Rahmen von CEN TC lanzpioniere aus der Schweiz 1996 erkannt. 350 werden die Bilanzierungsverfahren für umweltrelevante Kennzahlen, darunter Niklaus Kohler, Professor an der ETH Lausanne und an der Universität Karlsfür die Erstellung von Umweltdeklarationen (Environmental Product Declarations; ruhe sagte voraus, dass sich eine «steigende Anzahl jüngerer Architekten wagen werde, EPDs), europaweit standardisiert. Es ist absehbar, dass mit der zunehmenden aus den neuartigen diffus erfassten HerausEtablieriung von Umweltproduktedeklarati- forderungen eine eigenständige architektoonen die Kommunikation umweltrelevanter nische Formensprache abzuleiten». EPD: Ziel einer Umweltdeklaration (Environmental Product Declaration – EPD) ist es relevante, überprüf­bare und vergleichbare Marktinformation zu den Umweltbelastungen von Produkten und Gütern bereitzustellen. Minergie-P Das Haus in der 2000-Watt-Gesellschaft Ragonesi Menti Tschui Zurfluh MINERGIE-P Faktor Verlag Heft Heft 21 22 Fenster Sanierung Fenster Sanierung 2000 Watt im Bettenhaus Preis als Barriere Licht zum Lernen Installation mangelhaft Effizienz im Bundeshaus Sparlampen im Test Das Haus der 2000-Watt-Gesellschaft Heft Das Prinzip Eisbär Der Schritt zu Minergie-P Konstruktiver Konsens Was bringt's ? Wir sind jetzt im Take-off Die bessere Hülle 19 www.faktor.ch 304 Seiten, Magazin-Format, fadengeheftet; 500 Abbildungen, ISBN 978-3-905711-06-6, Faktor Verlag AG, Mai 2009. 100 Franken 2/07 Mai www.faktor.ch Licht Minergie-P Licht 08 Minergie-P 2., vollständig überarbeitete und stark erweiterte Auflage Brunner Steinemann Nipkow Bauen, wenn das Klima wärmer wird Tödtli Gwerder Lehmann Renggli Dorer TABS Control Steuerung und Regelung von thermoaktiven Bauteilsystemen Energieforschung Aus dem Inhalt: Das Haus als Gesamtsystem Berechnung und Zertifizierung Gebäudehülle: Aussendämmung, Fenster, Fensteranschlag, Wärmebrücken, Optimierung Haustechnik Beispiele: zwölf exemplarische Minergie-P-Bauten, davon fünf Sanierungen TABS Control Heinrich Huber Komfortlüftung Wärmepumpen Planung I Optimierung I Betrieb I Wartung Planungshandbuch Autoren: Marco Ragonesi, Urs-Peter Menti, Adrian Tschui, Benno Zurfluh Planungshandbuch Komfortlüftung Faktor Verlag AG 8005 Zürich Tel. 044 316 10 60 [email protected] www.faktor.ch Bauen, wenn das Klima wärmer wird Handbuch Wärmepumpen Faktor Verlag AG 8005 Zürich Tel. 044 316 10 60 [email protected] www.faktor.ch 40 Heft 23 Dank einer durchdachten Konstruktion ist im e-Science-Lab nur immer so viel Baustoff verbaut wie unbedingt nötig. Die überraschende Materialwahl fiel auf einen Naturstein. Raphael Hegglin Durchlässige Kalkfassade Bauherrschaft Der Anschein trügt: Die Glasfassade und ETH Immobilien die Blendschotte aus Travertin, einem Abteilung Bauten porösen Kalkstein, lassen auf den ersten Blick einen hohen energetischen Auf- GU wand vermuten. Doch das e-Science-Lab Implenia AG Architektur Baumschlager Eberle Ziviltechniker GmbH, A-Lochau Bauphysik Markus Zumbach, Flawil Amstein Walthert AG, Zürich Haustechnik Lauber IWISA AG, Naters Zum Thema Minergie-Eco und Graue Energie siehe Kasten Seite 35. in Science City (vormals ETH Hönggerberg in Zürich) ist mit dem Minergie-EcoLabel zertifiziert. Der Bau des Architekten Dietmar Eberle von Baumschlager Eberle ist konsequent auf wenig Graue Energie getrimmt. Zentraler Punkt dabei: Die Fachplaner wurden von Anfang an in die Planung integriert. Es sei essenziell gewesen, die eingesetzten Baustoffe frühzeitig aufeinander abzustimmen. Denn beim e-Science-Lab werden die Materialien bis an die Grenze der Beanspruchbarkeit eingesetzt: Die Primärkonstruktion des Gebäudes ist je nach Bauteil auf die jeweilige statische Belastung abgestimmt. Es wird immer nur so viel Material verwendet, wie nötig. Zudem achteten die Erbauer darauf, dass sich die verwendeten Baumaterialien in der Region beschaffen lassen. Lange Anfahrwege entfielen mehrheitlich. Ohne dies in diesem Fall quantitativ belegen zu können: Der Schlüssel beim Sparen von Grauer Energie liege laut Eberle bei den verwendeten Oberflächen. Der ArchiObjektdaten Standort Gebäudetyp Baujahr Gesamtbaukosten Science City, Hönggerberg ETHZ 6-stöckiges Gebäude mit Labor und Seminarräumen tekt setzte so weit wie möglich natürliche, unbehandelte Materialien ein. Diese sind langlebig, pflegeleicht und bedürfen keinen grossen Aufwand für den Gebäudeunterhalt. Flexibel und langlebig Prägend für die Architektur des e-ScienceLab sind die an der Fassade quer gestellten Blendschotte. Zur Auswahl standen die Materialien Glas, Travertin und Beton. Die Abklärung zeigte, dass Blendschotte aus Travertin bezüglich Grauer Energie deutlich vorne liegen: Schotte aus Beton beinhalten rund 12-mal mehr Graue Energie, solche aus Glas sogar rund 24-mal mehr. Die Variante aus Travertin schnitt im ökologischen Vergleich also klar am besten ab. Die relativ hohen Grauen Energiewerte der Glasfassade nahm Eberle hingegen bewusst in Kauf, um einen bestmöglichen Lichteinfall ins Gebäude zu erzielen. Das erhöht laut Eberle den Komfort und damit die Akzeptanz des Gebäudes bei den Nutzern und verlängert dessen Nutzungsdauer. Der Einsatz von Stein und Glas lohne sich unter dem Strich deshalb. Die Nutzungsdauer des Gebäudes ist auf 100 Jahre ausgelegt. Ziel ihrer Planungsphilosophie sei es, möglichst langlebige Gebäude zu errichten, sagt Eberle. Mit konsequenter Trennung von Ausbau und Haustechnik sei ein höchst flexibles Gebäude mit wandelbarer Nutzbarkeit entstanden. 2006 bis 2008 64,1 Mio. Fr. Geschossfläche 17 793 m2 Nutzfläche 11 655 m2 Heizwärmebedarf Qh (mit Lüftungsanlage) 89 MJ/m2 Graue Energie nicht ausgewiesen Zertifikat Minergie-Eco ZH-016-ECO, 2008 Das e-Science-Lab der ETH Zürich mit dem markanten Blendschutz aus Travertin. (Nick Brändli) 42 Heft 23 Das Reka-Feriendorf am Fusse des Säntis ist ein Gewinn für alle: Die formal schlichte Anlage bietet Erholungsraum für Familien, bringt Leben nach Urnäsch und schont die Umwelt. Jutta Glanzmann Mit Weiss- und Rottanne Prechter. So beeinflusste die vorhandene Mischung aus Weiss- und Rottannen im der Gemeinde selbst: Damit erfüllt das erste Waldbestand die Verwendung der entArchitektur im Kanton Appenzell Ausserrhoden mit sprechenden Holzart: Weisstanne für alle Roland Gnaiger, Dietrich/ Innenoberflächen, Rottanne für die Aussendem Minergie-Eco-Label ausgezeichnete Untertrifaller Architekten fassade. Bereits vor der Ausschreibung war Objekt zwei wichtige Kriterien für eine gute Bregenz, St. Gallen eine möglichst genaue Kalkulation der Ökobilanz: Kurze Materialtransportwege Landschaft und Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft. benötigten Holzmenge erforderlich, da der Engeler, Herisau «Zur ökonomischen Komponente, welche Holzschlag frühzeitig beginnen musste. «Der damit verbundene Planungsvorlauf den Betrieben vor Ort einen Heimvorteil Ingenieure verschafft, kommt die Wiedergewinnung ist für heutige Verhältnisse ungewöhnlich Moggi, Herisau von regionalen Kompetenzen für die Selbst- lang und ist zugunsten der Wiedergewin(Statik Massivbau) nung eines ganzheitlichen Bauens auch von versorgung», so Günther Prechter, ProSJB, Herisau der Bauherrschaft mitgetragen worden», jektleiter beim Bregenzer Architekturbüro (Statik Holzbau) Dietrich/Untertrifaller. Die geschickt in die so das Fazit von Günther Prechter. Für die Haustechnik hügelige Appenzellerlandschaft eingepasste, Bodendielen mit sägerauher Oberfläche, Enplan, Herisau kompakte Gebäudeform ist ein weiteeine in Vorarlberg übliche traditionelle Verarbeitungsweise für Massivholzböden aus rer Pluspunkt: Vier eingeschossige Häuser Bauphysik mit gemeinschaftlichen Einrichtungen wie Weisstanne, musste aufgrund der fehlenWeithas, Hard (A) Kindergarten, Hallenbad oder Kleintierden Erfahrung vor Ort die Kompetenz den einheimischen Handwerkern erst vermittelt stall verbinden die drei dahinterliegenden Bauleitung, Kosten­ werden. Wohngebäude kammartig. In den unterkontrolle Ammann Partner, Stein schiedlich langen, winkelförmigen Baukörpern befinden sich auf zwei Geschossen insgesamt 50 Ferienwohnungen mit zwei bis fünf Zimmern. Dazwischen liegen geschützte Höfe, auf die sich die gegen Südwesten orientierten Wohnräume mit grossObjektdaten Zum Thema Minergie-Eco zügigen Terrassen öffnen. Die Spielflächen Standort Urnäsch und Graue Energie siehe und den Badeplatz an der Urnäsch erreiGebäudetyp Feriendorf mit 50 familiKasten Seite 35. chen die Gäste durch eine Unterführung, entauglichen Wohnungen die Anlage selbst liegt in Gehdistanz zum und gemeinschaftlichen Bahnhof der Appenzeller Bahn. Ein weiteEinrichtungen res Plus im Hinblick auf die Ökobilanz. Bauherrschaft Das Holz für das 2008 eröffnete Reka-FeriFeriendorf Urnäsch AG endorf in Urnäsch stammt weitgehend aus Baujahr 2008 Ausgeklügelte Logistik Baukosten (BKP 2) Die Lage im Gelände reduziert die Untergeschossflächen auf ein Minimum. Während das Sockelgeschoss aus Stahlbeton besteht, ist der Rest der Anlage eine reine Holzkonstruktion und aussenseitig mit einer Brettschalung verkleidet. «Die Verwendung von gemeindeeigenem Holz verlangte eine ausgeklügelte Logistik», erklärt Günther Geschossfläche 8226 m2 Energiebezugsfläche 6970 m2 Gebäudehüllzahl Heizwärmebedarf (mit Standardluftwechsel) 19,5 Mio. Fr. 1,46 110 MJ/m2 Graue Energie Nicht ausgewiesen Zertifikat Minergie-Eco AR-001-ECO, 2008 Eine moderne Interpretation des traditionellen Appenzeller Hauses: Das Holz für das Reka-Feriendorf in Urnäsch wurde in der Umgebung geschlagen. (Bruno Klomfar) 44 Heft 23 Im Berner Oberland werden die Fahrzeuge in einem Gebäude getestet und zugelassen, das sich punkto Energieverbrauch mit einem sparsamen Hybridauto vergleichen lässt. Jutta Glanzmann In Stahl gehüllt den Unterhalt und stellt bei einem Rückbau die Trennung und Wiederverwendbarkeit der Materialien sicher. Für den Betrieb schaft verlangte ein umfassend nachhaltiges eines Verkehrsprüfzentrums sind grosse verGebäude. Anfänglich im Minergie-Standard siegelte Flächen für Parkierung, Wartebereiche und Testfahrten notwendig. Kompengeplant, wurde in der Ausführungsphase entschieden, dass das Objekt den 2006 neu siert wird dies durch das extensiv begrünte geschaffenen Minergie-Eco-Standard errei- Dach, die Versickerung des Regenwassers vor Ort, Biotope und die Bepflanzung mit chen sollte. Neben ökologisch unbedenkBüschen und Hochstammbäumen in der lichen Baumaterialien wollte man mögnahen Umgebung der Prüfhalle. lichst tiefe Werte bei der Grauen Energie. Der Einsatz hat sich gelohnt: Die schlichte Industriehalle am Westrand von Thun überzeugt sowohl in architektonischer als auch energetischer Hinsicht. Die an den Ecken abgerundete Hülle aus gewelltem Stahlblech mit den eingeschnittenen Bandfenstern weckt Assoziationen zur amerikanischen Mobilitätskultur der 1950er und 60er Jahren. Dahinter befinden sich die zweigeschossige Prüfhalle und die Büros der Strassenverkehrsexperten. Leitlinie für das erste mit dem Minergie-Eco-Label ausgezeichObjektdaten nete Gebäude im Kanton Bern waren die Thun Empfehlung SIA 112/1 Nachhaltiges Bauen Standort Gebäudetyp Industrie- und – Hochbau und die BKP-Merkblätter vom Verwaltungsbau Verein eco-bau. Bauherrschaft Für den Neubau des VerkehrsprüfzentKanton Bern, Amt für rums Berner Oberland wurde die Latte Grundstücke und Gebäude hoch gelegt. Der Kanton Bern als BauherrGeneralplaner Bächtold & Moor AG Bern und Thun Architektur Itten+Brechbühl AG Bern Haustechnik Iten, Kaltenrieder und Partner AG Murten Elektro Toneatti Engineering AG Muri Bauphysik Gartenmann Engineering AG Bern Zum Thema Minergie-Eco und Graue Energie siehe Kasten Seite 35. Baujahr Konsequente Trennung Um die Graue Energie zu reduzieren, realisierte man die ursprünglich in Aluminium geplante Aussenhülle in Stahlblech. Für die Büro-Bodenbeläge fiel die Wahl auf Linoleum und die Betonarbeiten wurden zu 75 % in Recycling-Beton ausgeführt. Bis auf das Untergeschoss besteht die Konstruktion konsequent aus Metall und Glas: Stahlstützen und -träger, Trapezbleche, Wandmetallkassetten und Sinusblechfassaden mit grossen verglasten Öffnungen sind eine Reminiszenz an den Autobau. Die konsequente Trennung von Primär- und Sekundärstruktur macht eine langfristige, flexible Nutzung möglich. Zudem erleichtert sie 2007 Gebäudekosten (BKP 2) 6,151 Mio. Fr. Geschossfläche 2635 m2 Energiebezugsfläche mit Raumhöhekorrektur Industrie Verwaltung Summe 1099,10 m2 2926,10 m2 4025,00 m2 Gebäudehüllfläche mit Reduktionsfaktor Industrie Verwaltung 2942,80 m2 1460,40 m2 Gebäudehüllzahl Industrie Verwaltung Summe 1,33 1,01 1,10 Heizwärmebedarf Qh Industrie Verwaltung Summe 101 MJ/m2 90 MJ/m2 93 MJ/m2 Graue Energie Nicht ausgewiesen Zertifikat Minergie-Eco BE-001-ECO, 2007 Die Öko-Dose: Stahlblech statt Aluminium für die Aussenhülle reduzierte die Graue Energie beim Verkehrsprüfzentrum in Thun. (Photofant) 46 Heft 23 Ein Stahlbau ist leicht, flexibel, wieder verwertbar – und leistet einen Beitrag an eine ressourcen- und energieschonende Bauweise. Evelyn C. Frisch Nachhaltig Bauen in Stahl Evelyn C. Frisch ist Direktorin des Stahlbau Zentrum Schweiz SZS. SZS ist das nationale Kompetenz-Forum für den Stahlbau. Es informiert das Fachpublikum und fördert Forschung, Entwick­lung und Zusammenarbeit im Stahlbau. www.szs.ch/nachhaltigkeit Nachhaltiges Bauen, wie man die vereinten Energiesparmassnahmen im Bauwesen nennt – ist heute für viele Investoren lediglich ein Imagefaktor. Umso löblicher sind die Initiativen der öffentlichen Hand, welche die Faktoren des nachhaltigen Bauens Verbandsnachrichten zur Voraussetzung erheben. Seither müssen sich Planer vermehrt mit den Nachhaltigkeitskriterien auseinandersetzen. Nachhaltigkeit ist jedoch keine objektiv messbare Grösse, sondern ein Leitbild und ein ständiger Entwicklungsprozess. Im Bauwesen heisst das, ein Gebäude so zu planen und zu bauen, dass es mit minimalen negativen Umweltauswirkungen und Kosten möglichst lange und sinnvoll für die Nachwelt erhalten bleibt. gieverbrauch für die Nutzung noch relativ einfach zu berechnen ist, bleibt die Quantifizierung des Rückbaus, der Abbruch- oder Sanierungskosten weitgehend im Dunkeln. Wer weiss schon, wann und wie ein Gebäude tatsächlich abgebrochen oder saniert werden wird. Vom Aspekt der Nachhaltigkeit aus müsste diese Betrachtung jedoch unbedingt berücksichtigt werden. Einfluss des Baumaterials Welchen Einfluss hat nun die Baustoffwahl auf die Nachhaltigkeit der Bauweise? Bekanntlich unterteilt sich der Begriff der Nachhaltigkeit in die Teilgruppen Soziales, Wirtschaftliches und Ökologisches. Soziale Aspekte wie Lebensqualität oder Behaglichkeit sind weitgehend baustoffirrelevant. Bei der Wirtschaftlichkeit hingegen hat die Baustoffwahl einen Einfluss auf die Dunkelzone Graue Energie Lebenszyklus- und Instandhaltungskosten, Der Energieverbrauch ist derzeit wohl auf die Lebensdauer und Reparierbarkeit die dringendste Forderung und beeineines Gebäudes. Hier hat beispielsweise der flusst sowohl die ökologischen als auch die Stahlbau klare Vorteile, die jedoch schwer ökonomischen und sozialen Aspekte der abzubilden sind. Zu nennen ist die moduNachhaltigkeit. Die Graue Energie eines lare, flexible Bauweise und die Trennbarkeit Gebäudes – das heisst die Energie, welche der Bauteile. Sowohl bei der Instandhaltung für seine Erstellung notwendig ist – macht wie bei der Sanierung und beim Rückbau bei konventionellen Bauten etwa 10 Prokönnen deutliche Einsparungen an Energie zent, bei Passivhäusern bis zu 50 Prozent und Kosten erreicht werden. des Energieverbrauches eines Gebäudes aus. Stahlbauten sind zudem einfach erweiDer überwiegende Teil fällt also während ter- und veränderbar. Umnutzungen sind der Nutzungsdauer an – gerechnet auf eine ohne grosse Investitionen möglich. StahlLebensdauer von 20 bis 60 Jahren je nach bauten sind im Übrigen wesentlich leichGebäudetypologie. Der grösste Faktor des ter als Massivbauten, was Einsparungen bei nachhaltigen Bauens ist also die Nutzungs- den Fundamenten bringt. Ganz zu schweienergie und eine Erhöhung der Lebensgen von den Kostenvorteilen einer schneldauer des Gebäudes. len, trockenen und staubarmen Baustelle Verdoppelt man nämlich die potenzielle – sowohl bei der Erstellung des Gebäudes Lebensdauer eines Gebäudes beispielsweise als auch beim Rückbau oder Abbruch. Stahl von 20 auf 40 Jahre, macht die Graue Ener- wird vollständig rezykliert und oft können gie für die Erstellung nur noch 5 Prozent ganze Stahlträger als Bauteil wiederverwenaus. Kaum beziffert werden können die det werden, ohne diesen wieder einzuLebenszykluskosten. Während der Enerschmelzen. Ökologische Aspekte das neue SIA-Merkblatt 2032 ist bereits Die Tragstruktur eines Gebäudes kostet in angepasst worden. Stahlhändler und Stahlder Regel lediglich 10 % des Neubaus. Ähn- werke sind inzwischen bereit, Recyclinglich verhält es sich mit dem «ökologischen stahl entsprechend zu deklarieren (WerkdeImpact» der Baumaterialien. Will man nun klaration). Da praktisch alle in die Schweiz die Ökobilanz eines Bauteils berechnen, importierten Stahlprofile aus europäischen muss das ganze Paket inklusive Dämmung, Elektro-Stahlwerken stammen, ist diese Bodenbelag, Fassadensystem usw. berückBeweisführung einfach. sichtigt werden. Die Baustoffwahl der TragNachhaltig Bauen in Stahl oder wie? struktur ist deshalb nur in einer GesamtGrundsätzlich hat jede Bauweise posibetrachtung relevant. Beurteilt man den tive und negative Aspekte, welche durch Stahl alleine, wurde bisher etwa drastisch intelligentes und effektives Konstruieren verkannt, dass praktisch 100 % des in der zu berücksichtigen sind. Mit ökologischen Schweiz verbauten Profilstahls aus reinem Recyclingmaterial stammt. Die Produktion Vergleichsrechnungen können zum jetzigen von Recyclingstahl braucht im Vergleich zu Zeitpunkt keine konkreten Empfehlungen für oder gegen Bauweisen oder BauPrimärstahl nur einen Drittel an Energie und verursacht nur einen Viertel CO2. Das stoffe gegeben werden. Die AuswertungsStahlbau Zentrum Schweiz hat Ende letzten methoden sowie Umfang und Qualität Jahres den Nachweis für den hohen Recyc- der vorhandenen Daten sind hierfür noch ling-Anteil in Stahlprofilen geliefert. nicht ausreichend. Das Stahlbau Zentrum In der neuen KBOB-Empfehlung 2009/1 Schweiz möchte Planern und Bauherren wurden die Werte für Stahlprofile von bisdeshalb die geeigneten Werkzeuge in die her 37 Prozent Recycling auf 98 Prozent Hand geben, um mit Stahl so zu bauen, berücksichtigt, was zu deutlich besseren dass die Bedürfnisse zukünftiger GeneratioWerten für die Graue Energie führt. Auch nen respektiert werden. Haus Sobek in Stuttgart (SZS)