Newsletter Soziale Stadt 03

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Mai 2011
Newsletter
03
Newsletter
Soziale Stadt
Inhalt dieser Ausgabe
Erfolgreiche sozialräumliche
Zusammenarbeit ■
Beteiligung muss mehr sein als
Kommunikation ■
Iserbrook- Ein Stadtteil bekommt
Auftrieb ■
Arbeit durch IBA und igs ■
Konferenz zur Wohnungspolitik ■
Veranstaltungsankündigungen ■
Liebe Interessierte, liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach einem langen Winter zieht endlich der Frühling in die Stadt ein. Nicht nur die
Bäume, die Büsche und die Blumen, auch die Menschen fangen wieder an, sich zu
entfalten. Das Grau weicht dem Bunten. Ein Schelm, wer dabei nicht auch an einen
politischen Aufbruch denkt. Denn der neue Senat steht vor riesigen Aufgaben. Die
weitere Konsolidierung der Haushalte auf der einen Seite und der Nachweis, dass mit
der Senatsmehrheit auch neue Akzente gesetzt werden, schaffen Zwickmühlen. Bei
näherem Hinsehen werden die Spielräume gar nicht so groß sein. Und leider lassen
sich die Probleme der Stadt auch mit einer klaren Mehrheit nicht so einfach lösen.
Seit langem war klar, dass der Wohnungsbau nicht den Kräften auf dem Markt überlassen werden kann. Hier sind neue Akzente dringend nötig und mehr als das: Es ist
ein Kraftakt, dass sich die soziale Spaltung nicht auf alle Stadtteile auswirkt. Menschen, die in soziale Schwierigkeiten kommen, sollen nicht auch noch an den äußeren
Rand abgedrängt werden, wenn sie in der Stadt, in ihrem Quartier bleiben und nicht
ihr soziales Umfeld verlieren wollen. Das können Stadtentwicklungsprogramme nicht
allein bewerkstelligen. Es braucht auch den politischen Willen, um den Kräften des
Marktes einen sozialen Wohnungsbau abzuringen. Unsere Stadt braucht viele Menschen, die aufmerksam „netzwirksam“ auf Augenhöhe zusammen wirken wollen und
die Politiker in ihren Sonntagsreden beim Wort nehmen. Auch in diesem Newsletter
ist von Einrichtungen, Initiativen und Konferenzen die Rede, die in den Räumen von
Kirche und Diakonie ausgedacht wurden. Auch hier soll es nicht nur bei den Sonntagsreden bleiben. Überall entstehen mit dem Anspruch, diakonisch in, mit und für
das Gemeinwesen tätig zu sein, neue Gemeinsamkeiten. Und das ist auch dringend
nötig. Wir wünschen viele gute Erkenntnisse und viel Spaß beim Lesen!
Für den Herausgeberkreis,
Ihre Maren von der Heyde
Diakoniepastorin und Leiterin des Diakonischen Werkes Hamburg- West/Südholstein
Gemeinwesendiakonie
Barbara Grünberg, Lukas
Suchthilfezentrum Hamburg-West
[email protected]
Erfolgreiche sozialräumliche Zusammenarbeit
Das Lukas Suchthilfezentrum ist für den großen Einzugsbereich des Hamburger Westens für die Versorgung von Suchthilfe zuständig. Ein verzweigtes Netz an Aktivitäten
hat sich daraus entwickelt. Als Fachstelle bietet Lukas für die Bürgerinnen und Bürger
der unterschiedlichen Stadtteile umfangreiche qualifizierte Suchthilfen an. Eine große
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Irene Ehmke, Büro für Suchtprävention
[email protected]
Bedeutung hat hierbei die Vernetzungsarbeit mit den Sozialräumen der Region. Die
Einrichtung versteht sich als Dienstleisterin auch für das Gemeinwesen, kann hier
allerdings nur auf beschränkte Ressourcen zurückgreifen. Ein Beispiel für das positive
Wirken der Suchthilfeeinrichtung in einem Sozialraum ist die Arbeit für Kinder aus
suchtbelasteten Familien im Stadtteil Osdorfer Born. In dem Modellprojekt „connect“ unter Leitung der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e. V. wurde
mehr als drei Jahre lang versucht, die Suchthilfe mit der Kinder- und Jugendhilfe in
einem Problemstadtteil zu vernetzen. Ziel war es, Kindern aus suchtbelasteten Familien Förderung, Unterstützung und Hilfe zukommen zu lassen. Künftige Fälle wie
Kevin aus Bremen oder Lara aus Hamburg sollten so rechtzeitig verhindert werden.
Die Arbeit wurde definiert, abgesichert und wissenschaftlich begleitet über eine Kooperationsvereinbarung mit den zuständigen Suchthilfeeinrichtungen und 32 beteiligten Trägern im Stadtteil Osdorfer Born, die im Rahmen von Kitas, Häuser der
Jugend, Soziale Gruppenarbeit, ASD, DRK, Elternschule, Kinderschutzhaus, Schulärztin, Schulen, Rebus, Kinder- und Jugendarzt etc. tätig sind. Die Vernetzung von
Jugendhilfe und Suchthilfe in einer Region ist gelungen. Das ergab die wissenschaftliche Auswertung. Die positive Wirkung ist sichtbar und messbar. Hierzu haben vor
allem gemeinsame Fortbildungen, Jahrestreffen mit fachlicher Auswertung, die koordinierenden Tätigkeiten der Projektleitung und das Herz von connect, die regelmäßigen gemeinsamen Fallbesprechungen, beigetragen. Das Projekt ging mit der
Anschlussfinanzierung des Bezirks Altona in die Trägerschaft des Kirchenkreises
Hamburg-West/Südholstein mit seiner Einrichtung Lukas Suchthilfezentrum über. Es
besteht nun seit sieben Jahren. Der große Erfolg des Modellprojektes führte dazu,
dass auch in den anderen Bezirken in Hamburg die Arbeitsweise und Finanzierung in
den Sozialräumen für eigene connect-Verbünde übernommen wurde – selbst in anderen Bundesländern.
Barbara Grünberg / Irene Ehmke
Beteiligung muss mehr sein als Kommunikation
Bettina Kiehn, Vorstand Stiftung
Bürgerhaus Wilhelmsburg, Sprecherrat
IBA / igs-Beteiligungsgremium
[email protected]
Corinna Peters-Leimbach,
Projektpfarrstelle Wilhelmsburg,
Sprecherrat IBA / igsBeteiligungsgremium
[email protected]
Spätestens seit „Stuttgart 21“ ist das Thema Beteiligung in aller Munde. Aber auch in
Hamburg haben Formen der Bürgerbeteiligung für Wirbel gesorgt: Der Volksentscheid zur Schulreform, die Aneignung des Gängeviertels durch KünstlerInnen, das
Beteiligungsverfahren der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt zur
Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße, die Verhinderung von Kita-Ansiedlungen
in Wohngebieten. Der neue Hamburger Senat verspricht mehr Bürgerbeteiligung,
aber auch weniger, wenn’s drauf ankommt.
„Bürgerbeteiligung“ ist kein klar definierter Begriff. Von der einfachen Form der Beteiligung durch Information oder Anhörung über Mitbestimmung, Mitentscheidung
und Leitbilddiskurs bis hin zur Eigeninitiative und Selbstorganisation[1] lässt sich alles
unter diesem Begriff subsumieren. Letztlich bezeichnet er nicht mehr, als die Partizipation der Bürger an politischen Planung- und Entscheidungsprozessen. Wie auch
immer.
In Hamburg –Wilhelmsburg findet seit 2006 mit dem Prozess der Internationalen Bauausstellung (IBA) und der Vorbereitung der Internationalen Gartenschau (igs) 2013
Stadtentwicklung im Zeitraffer statt. Natürlich mit Bürgerbeteiligung. Das Beteiligungsgremium mit 24 Bürgern und neun Politikern aus dem IBA-Präsentationsgebiet
begleitet aktiv den Planungs- und Realisierungsprozess von IBA und igs und ergänzt
die bestehenden Sanierungs- und Stadtteilbeiräte der Elbinseln. So ist sichergestellt,
dass die Entwürfe für die Zukunft der Metropole auf der Erfahrung und dem Wissen
der Bewohner vor Ort aufbauen. Das selbständige, institutionalisierte Bürgergremium
dient dem gegenseitigen Austausch von Informationen aller am gesamten Prozess
Beteiligten. Das Wissen und die Erfahrung der Bürger und Bürgerinnen sollen zur
Meinungsbildung in allen relevanten Fragen und Entscheidungen der beiden Groß-
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veranstaltungen beitragen.[2] Als Sprecherinnen dieses IBA-/igs-Beteiligungsgremiums haben wir sowohl den Prozess der Desillusionierung über die Möglichkeiten
echter Mitgestaltung erlebt, als auch die zarten Anfänge neuer Methoden der Bürgerbeteiligung. Ob und welche Auswirkungen das Gremium für das Zusammenleben
der Bürgerinnen und Bürger und für die Gesprächskultur nach IBA und igs im Jahr
2013 haben wird, wird zu gegebener Zeit zu beleuchten sein. Mit den folgenden Thesen, wollen wir eine Diskussion über Beteiligung jenseits – berechtigter – tagespolitischer Aufgeregtheit anstoßen:
Beteiligungskultur entwickeln
Bürgerbeteiligung ist noch kein Gemeingut der deutschen Gesellschaft. Beteiligung
an politischen Prozessen über die Wahlen hinaus ist historisch betrachtet noch sehr
neu. Sie zu einer Selbstverständlichkeit zu entwickeln, ist eine Generationenaufgabe.
Vor Beteiligung kommt Teilhabe
Das aktive Wahrnehmen von Möglichkeiten der Mitsprache und Mitgestaltung an
Veränderungsprozessen des eigenen Sozialraums erfordert eine Fülle individueller
Kompetenzen. Kulturelle Bildung ist Voraussetzung für eine gesellschaftliche Teilhabe. Sie beschreibt den Lern- und Auseinandersetzungsprozess des Menschen mit
sich, seiner Umwelt und der Gesellschaft. Die Rahmenbedingungen für den Ermächtigungsprozess „kulturelle Bildung“ für Menschen im Alter von 0 bis 100 zu schaffen,
ist eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Hierbei steht nicht nur der Staat als verantwortlicher für die formelle Bildung in der Verantwortung, sondern auch freie Träger
der Sozial- und Kulturarbeit. Wir müssen uns fragen, inwieweit unsere Angebote dazu
beitragen, Menschen zur Teilhabe zu ermächtigen.
Bevölkerung statt deutsche Mittelschicht
Formelle Beteiligungsverfahren, z. B. im Rahmen der Bauleitplanung, in Sanierungsund Stadtteilbeiräten oder durch Volksbegehren, werden überwiegend von Angehörigen der deutschen Mittelschicht wahrgenommen. Oft sind schon die Zugangsschwellen zu den Gremien sehr hoch, so dass bereits das Bewerbungsverfahren um
die Mitarbeit viele Menschen ausschließt. Wer an der Armutsgrenze lebt, wie leider
viele Migrant/innen und Deutsche, hat erst einmal ganz andere Sorgen, als eine Bürgerbeteiligung an Stadtentwicklung. Hinzu kommt, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern mit weniger demokratischen Strukturen stammen, als
wir sie in Deutschland inzwischen gewohnt sind. Das Einmischen in staatlich gelenkte
Prozesse ist für sie noch weniger denkbar. Tatsächliche Beteiligung aller Bürger/innen
erfordert nicht nur niedrigere Zugangsschwellen, sondern auch kleinteilige, im direkten Wohn- bzw. Lebensumfeld stattfindende Beteiligung an Veränderungsprozessen.
Wer schon bei der Neugestaltung des Innenhofes um seine Meinung gebeten wurde
und mitgestaltet hat, ist eher bereit und in der Lage, sich mit der Führung einer neuen
Verkehrstrasse zu befassen. Schon Kita-Kinder können ihren Sozialraum aktiv mitgestalten, wenn wir altersgemäße Methoden einsetzen und sie ernstnehmen.
Beteiligung heißt mitgestalten
Bürgerbeteiligung wird von den Initiatoren in Politik und Verwaltung meist synonym
für „Kommunikation unserer Vorhaben zum Bürger“ verwendet. Wir verstehen unter
Bürgerbeteiligung stets auch die Option mit zu gestalten. Es geht um echte Entscheidungskompetenz. Wo also Bürgerbeteiligung drauf steht, darf nicht nur Information
drin sein.
Betina Kiehn / Corinna Peters-Leimbach [1] vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 19/3652, 21.07.2009, Rahmenprogramm Integrierte
Stadtteilentwicklung, S. 42f [2] ( http://www.iba-hamburg.org/de/02_gemeinsam/
3_beteiligung/beteiligung_gremium.php)
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Soziale Stadt als
Programm
Susanne Alms de Ocana
Satdtteildiakonie Sülldorf-Iserbrook
[email protected]
Arbeitsmarktpolitik
Gottfried Eich
[email protected]
Iserbrook- Ein Stadtteil bekommt Auftrieb
Jahrzehntelang blieb der Stadtteil Hamburg-Iserbrook unbeachtet. Seine direkten
Nachbarn, die adretten Elbgemeinden, waren zu tief im öffentlichen Bewusstsein der
Hamburger verankert – auch im Blick der Iserbrooker Anwohner selbst.
Das ändert sich. 2009 wurde Iserbrook (Am Botterbarg/ Schenefelder Holt) zum Fördergebiet der Integrierten Stadtteilentwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg
erkoren. Bis Februar 2012 wird hier sozialraumorientierte Arbeit unterstützt. Eine Pionierarbeit mit frischem Aufwind ist plötzlich zu spüren. Schon seit 2002 ist die
Stadtteildiakonie des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein in der Region aktiv.
Ihre gemeinwesenorientierte Arbeit erhält nun Auftrieb. Mit Einrichtungen wie Pro
Quartier, dem Jugendzentrum Kibietz von den Flottnesern e.V., der Mütterberatung
und den Frühen Hilfen Iserbrook entwickelt die Stadtteildiakonie des Kirchenkreises
gemeinsame Perspektiven für den Stadtteil. Als traditioneller Kommunikationsort
steht die Kirchengemeinde Sülldorf Iserbrook zur Verfügung. Hier werden gemeinsam
mit anderen Akteuren Perspektiven entwickelt. Das Wohnumfeld und die Wohnqualität sollen verbessert, die Verkehrsanbindung und Nahversorgung erweitert werden.
Von großer Bedeutung ist die Arbeit des Quartiersbeirates, einem engagierten und
großenteils ehrenamtlichen Gremium. In einzelnen Arbeitsgruppen wird beispielsweise ein gemeinsames Filmprojekt und ein Mittagstisch für Ältere geplant, die Organisation von Nachbarschaftsfesten oder die Gründung eines Jugendbeirates entwickelt. Der Quartiersbeirat sollte - vielleicht als Gesamtbeirat für ganz Iserbrook - über
den Förderzeitraum hinaus gesichert werden. Hierfür gilt es, in naher Zukunft ein
tragfähiges Konstrukt zu überlegen.
Ein Blick über die Grenzen des Themengebiets auf ganz Iserbrook und die angrenzenden Stadtteile erweist sich jetzt schon als sinnvoll. Neue Synergien und identitätsstiftende Maßnahmen dienen einer nachhaltigen Quartiersentwicklung. Das zeigte der
erste Fachtag „Perspektiven für Iserbrook“ am 25.02 mit mehr als 30 Akteuren aus
Iserbrook und Osdorf. Die Bevölkerungsstruktur von Iserbrook zeigt einen hohen Anteil an über 65-jährigen. Auch bei Alleinerziehenden und Arbeitslosen in dieser Region
gibt es im Vergleich zu den Durchschnittsangaben in Hamburg einen höheren Anteil
– dies zeigen die statistischen Daten von 2009.
Mit dem Auslaufen des Fördergebietes im Jahr 2012 müssen die jetzt begonnenen
Aktivitäten für die Zukunft verankert sein. Dazu gehört die kontinuierliche Aktivierung
der Bewohner und die Stärkung der gesellschaftlichen Infrastruktur. Jetzt schon
sichtbar sind Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten durch die Wohnungsgesellschaften. Weiter sind durch die Neugestaltung von Freiflächen Orte zu schaffen,
die der Kommunikation der Menschen in ihrem Wohnumfeld dienen. Trotz großer
Kräfte aus dem Stadtteil bedarf es auch über den Förderzeitraum hinaus einer weiteren Unterstützung in abgemilderter Form durch Wohnungsunternehmen, Bezirksamt, Politik. Nur so können sie positiven Entwicklungen gesichert und das soziale
„Umkippen“ des Quartiers verhindert werden.
Susanne Alms de Ocana
Arbeit durch IBA und igs
Vorbemerkung: Sozialethisch ist es legitim, (nicht nur) bei öffentlichen Aufträgen
soziale Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an diesen Aufträgen arbeiten, zu verlangen. Sozialethisch ist es auch
legitim, bei öffentlichen Aufträgen zu verlangen, dass bisher Erwerbslose einen Arbeitsplatz angeboten bekommen. Aufmerksam und empfänglich für solche Gedanken
wird man meist bei Großprojekten, die prägenden Einfluss auf die Zukunft von Stadtteilen und Regionen haben. In Wilhelmsburg sind die internationale Bauausstellung
IBA Hamburg und igs (Internationale Gartenschau 2013) im Kommen und einige so-
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zial- und arbeitsmarkpolitische Akteure dort haben sich gefragt: Was haben die Leute,
die jetzt dort wohnen und leben, davonWolfgang Völker vom Diakonischen Werk Hamburg befragte dazu Gottfried Eich von
der Koordinierungsstelle Bildungsoffensive Elbinseln der IBA.
Was hat Sie bewegt, im Rahmen der Großprojekte von IBA und igs die
Erwerbslosigkeit, besser: die Forderung nach Arbeitsplätzen für viele
Bewohnerinnen und Bewohner zum Thema zu machen?
Auss dem Grundverständnis heraus, Motor zur nachhaltigen Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse auf den Elbinseln und im Harburger Binnenhafen zu
sein, will die IBA Hamburg GmbH bei den von ihr initiierten und geförderten Projekten
und Maßnahmen einen konkreten Beitrag zur sozialen und beruflichen Integration
benachteiligter Jugendlicher leisten. Aufgrund der hohen Arbeitslosenquote, des geringen Qualifikationsniveaus der lokalen Bewohner, des im hamburgweiten Vergleich
überdurchschnittlich hohen Anteils von Leistungsberechtigten im SGB II und Jugendlicher ohne Schulabschluss sind hier besondere Interventionen und Anstrengungen aller gesellschaftlicher Akteure erforderlich. Die Chancen für Qualifizierung
und Beschäftigung lokaler Bewohner, die durch die privaten und öffentlichen Investitionen im Kontext von IBA und igs sowie geplanten Infrastrukturmaßnahmen der
Freien und Hansestadt Hamburg in Höhe von ca. 750 Mio. bis 2013 realisiert werden
können, sind immens. Wenn die Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt wird, entsteht
zusätzlich Raum für den Bau von ca. 5000 Wohnungen im Zeitraum bis 2020. Dabei
geht es nicht nur um den Bau, sondern langfristig auch um den Betrieb der neu geschaffenen Gebäude, Sportanlagen, Parks, Außenanlagen, gastronomischen Einrichtungen, Hotels, Seminar- und Schulungsräume - insgesamt eine Chance für soziale
und berufliche Integration, die sich derzeit in keinem anderen Stadtteil Hamburgs in
diesem Ausmaß bietet.
Mit wem haben Sie die Zusammenarbeit gesucht? Bei wem sind Sie auf
offene Ohren und Türen gestoßen? Wo gab es Blockaden?
Um Fortschritte im Sinne der genannten Ziele zu erreichen, sind Kooperationen mit
verschiedenen Akteuren erforderlich: Investoren, Baufirmen, Handwerksbetriebe,
Schulen, lokale Qualifizierungs-, Jugendberufshilfe- und Beschäftigungsträger. Hier
haben wir bereits einiges erreicht. Wir sind bei allen Akteuren grundsätzlich auf offene
Ohren gestoßen. Es gab allerdings offene und indirekt ausgesprochene Befürchtungen, dass es durch eine Einbeziehung von Jugendlichen Verzögerungen im Baufortschritt geben könnte. Dies kann eigentlich nicht wirklich passieren, da es sich ja immer
jeweils nur um eine kleine Zahl von Jugendlichen pro Baustelle handelt. Die ersten
Erfahrungen bei der Vermittlung von Jugendlichen in Praktika auf IBA-Baustellen haben gezeigt, dass sozial instabile Jugendliche, die nicht aus einer Maßnahme heraus
oder als Schülerpraktikanten auf Baustellen vermittelt werden, erhebliche Unterstützungsbedarfe haben, da diese Jugendlichen nicht umstandslos in die betrieblichen
und Baustellenabläufe zu integrieren sind. Der Bauablauf wird dadurch aber nicht
verzögert.
Was haben Sie konkret erreicht? Bei welchen Projekten wurden soziale
Vergabekriterien festgelegt? Welchen Gruppen von Erwerbslosen nützt
das?
Bislang wurden fünf Praktikanten eingesetzt, ein Jugendlicher wurde in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen, ein anderer hat zum Jahresanfang 2011
eine Ausbildung begonnen. Witterungsbedingt wurden ab November keine Praktikanten mehr angenommen. Mehrere Jugendberufshilfeeinrichtungen und Schulen
haben Teilaufträge übernommen, um den Teilnehmern und Schülern einen besseren
Praxisbezug zu ermöglichen. Sie bauen beispielsweise 140 Stühle für eine neues
Medienzentrum, Bauschilder oder Fahrradhäuser oder helfen bei der Umgestaltung
von Außenanlagen. Die ‚Bauhütte Wilhelmsburg‘ von Arbeit und Lernen GmbH hat
2009 und 2010 in zwei Maßnahmen zur Vorbereitung junger Menschen im Hartz IVBezug auf eine Berufsausbildung 29 junge Menschen in Ausbildung und 42 in Arbeit
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und Weiterbildung bringen können und dabei auch Aufträge auf den Elbinseln übernommen. Künftig wird die Zahl beteiligter Jugendlicher, die in Bauprojekten mitarbeiten, erheblich anwachsen, da in diesem Jahr viele weitere der rund 50 IBA-Projekte
baulich realisiert werden.
Ist das, was Sie erreicht haben bzw. anstreben, ein Sonderfall oder könnte das auch anderswo ein Vorbild sein?
Von den Erfahrungen, die wir - und übrigens auch die internationale gartenschau
hamburg igs 2013 gmbh - in den nächsten Jahren machen, können Schulbau Hamburg, die Fachbehörden und die Bezirke, aber natürlich auch das Diakonische Werk,
deren Mitgliedseinrichtungen, Kirchenkreise und die einzelnen Kirchengemeinden als
Auftraggeber ebenso wie die städtischen Unternehmen profitieren - und nicht nur in
den Fördergebieten der Stadterneuerung und Stadtteilentwicklung.
Haben Sie Empfehlungen an die Politik zur weiteren sozialen Gestaltung
von Auftragsvergaben?
Zum einen wäre es äußerst hilfreich, wenn sich die vorgenannten Institutionen bei der
Integration von Jugendlichen noch stärker engagieren. Flankiert werden muss dies
allerdings durch Bildungsketten, verbunden mit Abschluss bezogenen Qualifizierungsangeboten, so dass die Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen einen langfristigen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Das setzt auch voraus, dass flexible
Instrumente der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsprogramme innovativ für eine Qualifizierungs- und Beschäftigungsförderung vor Ort jenseits der Ausweitung von EinEuro-Jobs genutzt werden.
Soziale Spaltung
Wolfgang Völker
[email protected]
Frank Düchting
[email protected]
www.hamburg-stadtfueralle.de
Konferenz zur Wohnungspolitik
Mit deutlichen Forderungen an Politik und Verwaltung endete die ganztägige Konferenz zur Sozialen Spaltung in Hamburg am 16. Februar 2011. Die Konferenz „Wohnen
in Hamburg – Marktentwicklung und soziale Folgen“ war die zweite Veranstaltung im
Rahmen einer Langzeitdebatte zur sozialen Spaltung in Hamburg. Die Konferenzen
werden von der AG Soziales Hamburg (*) organisiert. Im Februar waren mehr als 200
Menschen vor allem aus sozialen Projekten, Universitäten, Stadtteil- und Wohnungsinitiativen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen sowie
Gesundheits- und Genossenschaftsprojekten in die Aula der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) gekommen, um gemeinsam über die Entwicklung und
die sozialen Folgen des Wohnungsmarktes zu diskutieren.
"Die Stadt Hamburg darf die Wohnraumversorgung der Bevölkerung nicht allein den
Kräften des Marktes überlassen. Denn Wohnraumversorgung als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge ist zugleich ein sozialpolitisches Thema. Die Stadt ist in der Pflicht, mit
den unterschiedlichsten Instrumenten regulierend in den Mietwohnungsmarkt einzugreifen und hat dafür zu sorgen, dass auch Menschen mit niedrigem Einkommen
einen angemessenen Zugang zum Wohnungsmarkt finden." Mit diesem Fazit konnten
die Veranstalter die Ergebnisse der Konferenz auf den Punkt bringen. Gefordert ist
der politische Wille der Entscheidungsträger in der Stadt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Das Spektrum der Maßnahmen reicht von der Förderung von Bau
und Vergabe preiswerter Wohnungen über soziale Erhaltensverordnungen und mieterfreundliche Gesetzgebungen bis hin zu genossenschaftlichen Immobilienagenturen, transparenter und qualitätsorientierter Flächenvergabe und dem Aufbau einer
gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Auch die realitätsgerechte Gestaltung der
Richtlinien für die Mieten von Haushalten, die auf Sozialleistungen wie Hartz IV oder
Sozialhilfe angewiesen sind, ist eine der nötigen Maßnahmen. Anders als von verschiedenen Seiten immer wieder behauptet, gibt es in Hamburg eine dramatische
Wohnungsknappheit vor allem im Bereich kleiner Wohnungen zu moderaten Mieten:
Diese Wohnungsknappheit trifft Haushalte mit niedrigem Einkommen besonders hart,
die in der Konsequenz der Steigerungen oft mehr als die Hälfte ihrer Einkommen für
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Miete aufwenden müssen - dies macht sie zusätzlich arm. Nur fünf Prozent der Hamburger Wohnungen werden zu einem Mietpreis von unter 6 Euro pro Quadratmeter
angeboten. Das bedeutet, dass selbst alleinstehende Arbeitnehmer ohne Kind, die in
Vollzeit zu niedrigen Tariflöhnen arbeiten, wegen der Miete in aufstockenden SGB II
Bezug fallen können. Die Konkurrenz um die preisgünstigen Wohnungen ist groß.
Haushalte mit geringem Erwerbs- oder Sozialeinkommen suchen in diesem Bereich
ebenso wie überschuldete Haushalte, kinderreiche Familien und psychisch kranke
und wohnungslose Menschen. Dass Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt nicht
nur eine Frage des Einkommens ist, erfahren Migrantinnen und Migranten, wenn sie
sich um Wohnungen bewerben. Viele Menschen werden durch diese Entwicklungen
zum Umzug in Außenbezirke der Stadt und in defizitäre Wohnungen gezwungen.
Während das Angebot für einkommensschwache Haushalte kleiner wird, können gut
situierte Haushalte auf ein breit gefächertes Angebot zurückgreifen.
Zum Auftakt der Konferenz hatte Jan Kuhnert, Geschäftsführer der KUB Kommunalund Unternehmensberatung GmbH Hannover, das Versagen des Wohnungsmarkts
analysiert und die Notwendigkeit einer sozialen Wohnungspolitik deutlich gemacht.
Der Mietwohnmarkt habe sich in den vergangenen 20 Jahren vom politisch geregelten
zum stark liberalisierten Markt gewandelt. In diesem Verlauf habe sich der Staat aus
der Regulierung des Mietwohnungsmarktes zurückgezogen. Jan Kuhnert forderte in
seinem Vortrag unter anderem neue, vor Verkauf geschützte Strukturen für kommunale Wohnungsunternehmen in Hamburg (z.B. die Überführung der SAGA GWG in
eine Stiftung), stärkere Anwendung des Erbbaurechts sowie neue steuerliche Fördermodelle für Anbieter preiswerter Mietwohnungen.
Prof. Dr. Andreas Farwick vom Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum
wies in seinem Vortrag auf die Bedeutung des Wohnungsmarktes für die zunehmende
Segregation der Stadt hin. Farwick warnte vor extremen räumlichen und sozialen
Segregationsprozessen, die unter anderem durch das Abschmelzen der Sozialwohnungsbestände und Prozesse der Gentrifizierung vorangetrieben würden. Um negativen Quartierseffekten entgegen zu steuern, schlug Prof. Farwick Strategien zur
Förderung der "sozialen Durchmischung" ärmerer Wohnquartiere vor, z.B. kleinteiligen Sozialwohnungsbau und Imageverbesserungen ("neighbourhood branding").
Diese Thesen lösten lebhaften Widerspruch im Auditorium aus und führten zu einer
kontroversen Diskussion. Denn wenn sich die Forderung nach „sozialer Durchmischung“ auf die jetzt schon benachteiligten Stadtteile beschränkt und dort umgesetzt
wird, haben ärmere Haushalte, die Wohnungen suchen, das Nachsehen. Die Vermieter bevorzugen dann besser verdienende Haushalte bei der Wohnungsvergabe. Sozial- und wohnungspolitisch sinnvoll ist eine solche Forderung nur, wenn preisgünstiger Wohnraum auch in so genannten „besseren Gegenden“ geschaffen wird.
Auf der Konferenz zeigte sich, wie die soziale Schieflage, die der freie, staatlich unterregulierte Wohnungsmarkt produziert, mittlerweile zahlreiche zivilgesellschaftliche
Kräfte in Bewegung gesetzt hat, die auf diesen sozialen Konflikt aufmerksam machen.
Dazu zählen nicht zuletzt das Recht auf Stadt-Netzwerk oder Mietervereine und
Stadtteilinitiativen. Diese Aktivitäten sind für das demokratische Gemeinwesen wichtig - genauso wie sozial- und wohnungspolitische Einmischungen der Mitglieder der
AG Soziales Hamburg.
Nachmittags fanden fünf parallele Diskussionsrunden mit kurzen Eingangsreferaten
statt: Umweltbelastungen in Wohngebieten; Wie wohnen in Hamburg arm machen
kann; Selbstorganisation statt Verdrängung; SAGA GWG – Rendite oder soziale Wohnungsversorgung; Wohnraumversorgung für besondere Zielgruppen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden die wesentlichen Instrumente diskutiert, mit denen in Hamburg künftig eine grundlegend andere und soziale Wohnungspolitik betrieben werden kann. Neben den beiden Hauptreferenten des
Vormittages nahmen daran Lutz Basse, Geschäftsführer der SAGA GWG, Steffen
Jörg, AG Mieten im Netzwerk Recht auf Stadt und Dr. Tobias Behrens, Stattbau teil.
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Weitere Infos von der Konferenz, u.a. Referate, Highlights aus den Arbeitsgruppen
und Forderungen finden Sie unter www.hamburg-stadtfueralle.de
Wolfgang Völker / Frank Düchting
(*) Zur AG Soziales Hamburg gehören: Die Lawaetz-Stiftung, das Diakonische Werk
Hamburg, die Evangelische Akademie der Nordelbischen Kirche, das Hamburger Institut für Sozialforschung, das Institut für Soziologie der Helmut-Schmidt-Universität,
das Department für Soziale Arbeit der HAW, die AG Gesundheitsförderung am UKE,
das Arbeitsgebiet Stadt- und Regionalsoziologie der HafenCity Universität Hamburg.
Veranstaltungen
Veranstaltungsankündigungen
Hamburg! Gerechte Stadt!
Kinderarmut - kein Geld dagegen übrig?
Dienstag, den 3. Mai 2011
16:30 - 18:30 Uhr
Ort: Elternschule Mümmelmannsberg, Kirchnerweg 6
Hamburg! Gerechte Stadt!
Ältere ArbeitnehmerInnen - kein Platz mehr da?
Dienstag, den 7. Juni 2011
16:30 - 18:30 Uhr
Ort: Agentur für Arbeit Hamburg, Kurt-Schumacher-Allee 16, Sitzungssaal
Recht auf Teilhabe: Wo steht die Hamburger Integrationspolitik?
Vermessene Integration. Zu Selbstverständnis und Monitoring von Integrationspolitik
Dienstag, 14. Juni 2011
9.30 -13.30 Uhr
Dorothee-Sölle-Haus, Raum 9
Anmeldung bitte bei: [email protected]
Keine Integration ohne Partizipation. Politische, soziale und
kulturelle Beteiligungsprozesse von Migrant/-innen
Freitag, 9. September 2011
9.30 - 13.30 Uhr
Dorothee-Sölle-Haus, Raum 9
Anmeldung bitte bei: [email protected]
Impressum
Diakonisches Werk Hamburg
Verantwortlich für den Inhalt
Landesverband der Inneren Mission e.V.
Königstraße 54
Diakonisches Werk Hamburg
22767 Hamburg
Referat Arbeitslosigkeit und Existenzsiche-
www.diakonie-hamburg.de
rung / Wolfgang Völker
Telefon: 040-30620325
Evangelisch - Lutherischer Kirchenkreis
[email protected]
Hamburg-Ost
Danziger Straße 15-17
20099 Hamburg
www.kirche-hamburg-ost.de
Diakonisches Werk
Hamburg-West / Südholstein
Max-Zelck-Straße 1
22459 Hamburg
www.diakonie-hhsh.de
Newsletter Soziale Stadt | Mai 2011 | Seite 8/8
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