Marlies Michl Basics Hämatologie

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Marlies Michl
Basics Hämatologie
Leseprobe
Basics Hämatologie
von Marlies Michl
Herausgeber: Elsevier Urban&Fischer Verlag
http://www.narayana-verlag.de/b7609
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Hämolytische Anämie II
Angeborene hämolytische
Anämien
M e m b ra n d ef e kte
Sphärozytose (hereditäre Kugelzellanämie)
Sie ist die häufigste vererbte hämolytische
Anämie in Mitteleuropa (Prävalenz in
Deutschland 1:3000).
Ursache
Ursächlich ist ein Defekt oder Mangel der
Zytoskelett-Strukturproteine Ankyrin (50 %
der Fälle, autosomal-dominant), Bande 3
oder Spektrin (20 % der Fälle, autosomalrezessiv). Dadurch ist die Zellstabilität (Interaktion zwischen Zytoskelett und Zellmembran) reduziert und die bikonkave Form der
Erythrozyten geht verloren. Die Erythrozyten nehmen eine energetisch günstigere
Kugelform an (Sphärozyten). Die unflexiblen
Sphärozyten behindern die MikroZirkulation
und werden vorzeitig im MMS abgebaut.
Klinik und Diagnostik
Neben den Symptomen einer Anämie kommt
es typischerweise zu Splenomegalie und
rezidivierendem Ikterus. Hämolytische und
schmerzhafte vasookklusive Krisen mit
Organinfarkten sind häufige Komplikationen.
Oft finden sich Pigmentgallensteine und
damit verbunden Gallensteinkoliken. Neben
einer positiven Familienanamnese und den
typischen laborchemischen Hämolysezeichen ist der Nachweis einer verminderten osmotischen Resistenz der Kugelzellen beweisend für die Sphärozytose. Im
Blutausstrich zeigen sich kleine Mikrosphärozyten, bei denen die zentrale Aufhellung
fehlt.
Therapie
Bei symptomatischen Patienten ist die Splenektomie (nicht bei Kindern < 6 Jahren wegen Gefahr von Infektionen) angebracht.
Hierdurch wird zwar weder die Zahl der
Kugelzellen vermindert noch der Membrandefekt behoben, aber der Abbau der Erythrozyten deutlich verlangsamt und die hämolytische Anämie reduziert. Man hat herausgefunden, dass bei subtotaler Splenektomie
(10-30 ml postoperatives Restvolumen) eine
anhaltende Normalisierung des Hämoglobinwerts bei deutlich erniedrigter Hämolysestärke erreicht wird.
Niemals vergessen, dass 2-3 Wochen vor
Splenektomie eine Impfung gegen
Pneumokokken und Haemophilus influenzae durchgeführt werden muss, um ein
„OPSI" mit Pneumokokkensepsis und
Verbrauchskoagulopathie zu verhindern.
Elliptozytose
Die Elliptozytose ähnelt klinisch der Sphärozytose mit mildem Verlauf. Sie ist Folge
verschiedener genetischer Mutationen und
wird autosomal-dominant vererbt. Es kommt
zu einer defekten Zusammenlagerung von
Spektrin-Heterodimeren zu -Heterotetrameren, was zur ellipsenförmigen
Erythrozytenform führt (s. Bildanhang II, S.
150, l Abb. 13).
Diagnose
Sie wird morphologisch gestellt. Eine Splenektomie ist nur in 10 -15 % der Fälle nötig.
Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (Favismus)
Es handelt sich um eine der häufigsten Erbkrankheiten und die häufigste Enzymkrankheit weltweit. Das geographische Verteilungsmuster ähnelt dem der Sichelzellanämie
(Afrika, Asien, Mittelmeerraum).
Pathogenese
Die Erkrankung, eine Punktmutation oder
Deletion im Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Gen, wird X-chromosomal-rezessiv vererbt. Daher erkranken fast ausschließlich
Männer, während Frauen Konduktorinnen
sind, wobei deren Glukose-6-PhosphatDehydrogenase-Aktivität auf die Hälfte reduziert ist. Demnach variiert die klinische
Symptomatik von absoluter Beschwerdefreiheit bis schwerer chronischer Hämolyse
mit akuten lebensbedrohlichen hämolytischen Krisen. Wie bei der Sichelzellanämie
besteht bei den Anlageträgern eine gewisse
Resistenz gegenüber Malariaplasmodien (M.
falciparum). Die Glukose-6-PhosphatDehydrogenase stellt ein wichtiges Enzym
im Pentosephosphatweg, einem Nebenweg
der Glykolyse, dar und dient im Erythrozyten
der Produktion von NADPH. Dieses benötigt
der Erythrozyt zur Reduktion von
Glutathion, das den Erythrozyten vor oxidativem Stress schützt. Ist die Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase defekt, fehlt der Oxidationsschutz des Erythrozyten und er wird
frühzeitig abgebaut.
Klinik
Es kommt zu akuten hämolytischen Krisen
als Reaktion auf oxidativen Stress bei Infek-
tionen, durch den Genuss von Saubohnen
(Favabohnen) oder durch die Einnahme von
Medikamenten (Malariamedikamente,
Sulfonamide, Chloramphenicol, hohe Dosen
ASS, Vitamin-K-Analoga). Die Patienten
leiden unter starken Schmerzkrisen (z.B.
Bauch-, Rückenschmerzen), Schüttelfrost
und Fieber.
Diagnostik
Wegweisend sind die beschriebenen laborchemischen Anämie- und Hämolyseparameter sowie der Nachweis von Heinz-Innenkörperchen, die oxygeniertes denaturiertes
Hämoglobin darstellen (s. Bildanhang II, S.
150, l Abb. 16), fragmentierte Zellen und
Poikilozyten (abnorm geformte Erythrozyten,
z. B. keulen-, sichel-, hantel-, birnenförmig)
im Blutausstrich. Im Intervall zwischen zwei
hämolytischen Krisen normalisiert sich das
Blutbild wieder. Diagnostisch beweisend ist
der Nachweis einer verminderten Glukose-6Phosphat-Dehydrogenase-Aktivität im
Erythrozyten.
Therapie
Eine kurative Therapie gibt es nicht. Betroffene sollten die auslösenden Noxen meiden,
da eine Hämolyse im Allgemeinen nur bei
Exposition oben genannter Auslöser erfolgt.
Bei schweren Anämien können Bluttrans
fusionen verabreicht werden. Bei Säuglingen
können eine Phototherapie und Austauschtransfusionen indiziert sein.
Pyruvatkinasemangel
Der Pyruvatkinasemangel ist ein relativ seltener Glykolysedefekt und wird autosomalrezessiv vererbt. Gestört ist der letzte Schritt
der aeroben Glykolyse, dessen Endprodukte
Pyruvat und ATP sind. Durch die verringerte
ATP-Synthese kommt es - nur bei homozygoten Merkmalsträgern - zur erhöhten
Zellsteifigkeit der Erythrozyten mit hämolytischer Anämie und Splenomegalie.
Diagnostik
Der Blutausstrich zeigt Akanthozyten (geschrumpfte Erythrozyten mit typischer
„Stechapfelform") und eine Retikulozytose.
Beweisend ist der Nachweis einer verminderten Pyruvatkinase-Aktivität im Erythrozyten.
Therapie
Sie besteht aus Bluttransfusionen v. a. während Infektionen und Schwangerschaft. Eine
Splenektomie kann die Transfusionshäufigkeit verringern. Eine kurative Therapie gibt
es nicht.
Leseprobe von Marlies Michl „BASICS Hämatologie“
Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer
Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0
Anämien
Störungen der Hämoglobinsynthese
Zu Thalassämie und Sichelzellanämie siehe
Seite 58/59 und 60/61.
Erworbene hämolytische
Anämien
Immunologische Genese
Autoimmunhämolytische Anämie
(AIHA)
Autoimmunhämolytische Anämien entstehen durch vorzeitige Erythrozytolyse infolge
Autoantikörperbildung. Die Art der Hämolyse ist abhängig von der Klasse der Autoantikörper (IgM bzw. IgG). Die AIHA kann
in jedem Alter unabhängig vom Geschlecht
auftreten. 70 % der Patienten haben Wärmeautoantikörper, 15 % Kälteautoantikörper
und 15% beide.
Ätiologie
In etwa der Hälfte der Fälle tritt die AIHA
primär bzw. idiopathisch auf. Sekundäre
AIHA entstehen infolge von Infektionen,
durch die Einnahme von Medikamenten
oder im Zusammenhang mit malignen
lymphoproliferativen oder rheumatischen
Erkrankungen (l Tab. 5).
Diagnostik
Im Labor finden sich Zeichen einer intra-und
extravasalen hämolytischen Anämie. Alle
AIHA sind durch einen positiven CoombsTest (s. S. 8/9), dem wichtigsten Test bei
Verdacht auf AIHA, gekennzeichnet. Er
weist IgG (Wärmeautoantikörper) oder
Komplement (Kälteautoantikörper) auf der
Erythrozytenoberfläche nach.
Einteilung
Sie erfolgt nach der Aktivität der Autoantikörper in Abhängigkeit vom Temperaturoptimum:
54 l 55
AIHA durch Wärmeantikörper: Sie
gehören zur Klasse der IgG, ihr Temperaturoptimum liegt bei 37 °C. Die Wärmeantikörper binden an die Erythrozytenoberfläche.
Die opsonierten Erythrozyten werden von
den Makrophagen extravasal im MMS von
Milz und Leber zerstört. Diese AIHA manifestiert sich als (chronische) hämolytische
Anämie mit variablem Schweregrad. Meist
kommt es zu unspezifischen Anämiesymptomen (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Herzrasen). Bei der körperlichen
Untersuchung zeigen sich Zeichen einer Anämie (Tachypnoe, Tachykardie, Schleimhautblässe) und Splenomegalie. Es kommt infolge
verschiedenster Auslöser plötzlich zu
schweren hämolytischen Krisen mit Fieber,
Ikterus und „bierbraunem" Urin. Im Blutausstrich fällt bei vorliegenden Wärmeautoantikörpern eine Sphärozytose auf. An erster
Stelle stehen therapeutisch die Behandlung
der Grunderkrankung und die Immunsuppression (hochdosiert Kortikoide z. B. Prednisolon). Ist der Hauptabbauort der Erythrozyten die Milz (szintigraphischer Nachweis),
ist eine Splenektomie zu diskutieren. Bei
vital bedrohlicher Hämolyse sind Erythrozytenkonzentrate zu transfundieren.
AIHA durch Kälteantikörper: Sie gehö-ren
zur Klasse der IgM, ihr Temperaturoptimum
liegt bei 4 °C. Die Kälteautoantikörper (IgM)
fixieren Komplement auf der Erythrozytenoberfläche, wodurch die Erythrozyten
v. a. intravasal über den klassischen Komplementweg zerstört werden. Die Klinik
gleicht der der AIHA durch Wärmeautoantikörper. Die Anämie verläuft meist milde und
verschlechtert sich nach Kälteexposition.
Hochtitrige Kälteagglutinine können bei
Kälteexposition zu einer Agglutination von
Erythrozyten in den Kapillaren führen und
somit eine Akrozyanose (violette Hautfärbung an Fingern, Zehen, Nase und Ohren,
Abb. l) oder sogar akrale Ulzerationen
verursachen. Die schmerzhafte Akrozyanose
bei Kälte im Vergleich zur Beschwerdefreiheit in warmer Umgebungstemperatur ist
ein wegweisendes Symptom. Im Blutaus-
I Abb. 1: Akrozyanose der Finger bei AIHA durch
Kälteautoantikörper. [16b]
strich fällt bei vorliegenden Kälteautoantikörpern eine starke Erythrozyten-Agglutination auf (s. Bildanhang II, S. 150,
Abb. 14). Therapie: Da der Krankheitsverlauf meist milde ist, reicht es häufig aus,
wenn die Patienten die Kälte meiden. Steroide und Splenektomie sind hier nicht wirksam! Zytostatika wie Chlorambucil oder
Cyclophosphamid sind schweren Fällen vorbehalten.
Abgegrenzt wird die paroxysmale Kältehämoglobinurie vom Typ Donath-Landsteiner (IgG), die nur bei Kindern und nach
Virusinfektionen auftritt.
Alloimmunhämolytische Anämie
Bei der alloimmunhämolytischen Anämie
reagieren Antikörper eines Organismus mit
den antigenen Strukturen auf Erythrozyten
eines anderen Organismus der gleichen
Spezies. Die Erythrozyten werden also durch
fremde, nicht körpereigene Antikörper
(AlloVIsoantikörper) zerstört. Diese Anämieform kommt vor bei Rhesus-Inkompatibilität
des Neugeborenen und ABO-Inkompatibilität
(Ak der Mutter gegen Erythrozyten des Kindes, s. S. 56/57). Weitere Auslöser für alloimmunogene Reaktionen sind Transfusionszwischenfälle und allogene Knochenmarktransplantationsreaktionen (s. S. 112/113
und 120/121).
Wärme-AIHA
Primär: idiopathisch
(IgG)
Sekundär: lymphoproliferative Erkrankungen (maligne Lymphome) und andere Neoplasien,
rheumatische Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis oder Kollagenosen wie systemischer Lupus
erythematodes), Medikamente (Methyldopa, NSAR, Penicillin, Chinidin), Infektionen (Viren).
Kälte-AIHA
Primär: idiopathisch
(IgM)
Sekundär: lymphoproliferative Erkrankungen {maligne Lymphome), Infektionen (Mykoplasmen,
Mononukleose), monoklonale Gammopathie (z.B. M. Waldenström).
Tab. 5: Ätiologie der AIHA; häufige Ursachen fett ausgezeichnet.
Leseprobe von Marlies Michl „BASICS Hämatologie“
Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer
Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0
Marlies Michl
Basics Hämatologie
176 Seiten, kart.
erschienen 2010
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