Condylomata acuminata

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Condylomata acuminata
Wann konservativ, wann invasiv behandeln?
Condylomata acuminata sind die klinische Ausprägung einer meist sexuell übertragenen Infektion mit humanen Papillomviren. Die Genitoanalregion, der Analkanal und seltener das distale Rektum sind die häufigsten Manifestationsorte. Im Folgenden wird ein Überblick mit Fokus auf Therapieoptionen bei kleineren
und ausgedehnten Kondylomen überwiegend in der Perianalregion aus Sicht des Praktikers gegeben.
BERNHARD H. LENHARD
Die Häufigkeit der Erkrankungen mit spitzen Kondylomen zeigt in den letzten Jahren einen stetigen Anstieg. Die Inzidenz in der Bevölkerung beträgt zirka
0,1 Prozent (9). Der perianale Befall ist bei Männern
häufiger als bei Frauen. Intraanale und rektale Manifestationsformen kommen dagegen bei beiden Geschlechtern (durch Analverkehr) gleich häufig vor.
Alte Menschen und Kinder sind seltener betroffen.
Sexuelle Aktivitätsmuster und -praktiken scheinen
neben dem Immunstatus für Neuerkrankung und Rezidivhäufigkeit von besonderer Wichtigkeit zu sein.
Die Inzidenz bei nierentransplantierten Frauen wird
in einer Studie mit 10 Prozent (6), bei HIV-Patienten
mit 18 Prozent (7) angegeben.
Bei Virustypisierung erfolgt der Nachweis von HPV-6
oder HPV-11, seltener auch von den onkogenen humanen Papillomviren HPV-16 oder -18. Die Übertragung
erfolgt meist sexuell, wenngleich in Einzelfällen auch
Infektionen über virusbelastete Gegenstände wie
Waschlappen und Handtücher erwogen werden.
Die Erkrankung von Kindern kann mit sexuellem
Missbrauch einhergehen, was jedoch keineswegs
regelhaft unterstellt werden darf (1, 3, 4).
Klinik und Symptomatologie
Die feuchten, mazerativen Terrainbedingungen des
intertriginösen, perianalen Raums mit kleinsten Hauterosionen bieten optimale Bedingungen für Infektion und Wachstum der Kondylome. So entstehen
teils singuläre, teils beetartig konfluierende, rötliche
beziehungsweise weissliche Papeln von Stecknadelkopf- bis Erbsengrösse (vgl. Abbildung 1). Gelegentlich zeigen sich tumoröse Wachstumsformen, die
nach längerer Bestandsdauer eine maligne Transformation erreichen können. Andererseits wird auch
über Spontanremissionen berichtet (8). Immunsuppression erhöht in der Regel die Wachstumstendenz
und das Entartungsrisiko.
Bei intraanaler und rektaler Manifestation sind es
stets kleine, weissliche Warzen in unterschiedlicher
Befallsdichte.
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Klinik und Symptomatik können vielfältig sein: perianaler Juckreiz, Blutspuren am Toilettenpapier oder
auch völlige Beschwerdefreiheit, besonders bei intraanalem Befall.
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt klinisch über zeitgleiche Inspektion, Palpation, Proktoskopie und Rektoskopie.
Eine Betupfung mit Essigsäure (5%) kann bei diagnostischem Zweifel Klarheit verschaffen, da sich die Virusakanthome nach kurzer Einwirkzeit (5 min) weisslich verfärben.
Eine Untersuchung der Sexualpartner ist immer indiziert.
Die histologische Untersuchung nach einer Probeentnahme zeigt die typischen epidermalen Veränderungen mit vakuolisierten Zellen als Zeichen der
virusbedingten Zellschädigung. Die In-situ-Hybridisierung zur Darstellung der Virus-DNA bleibt selteneren Fragestellungen vorbehalten und erfolgt keinesfalls regelhaft.
Therapie
Die therapeutischen Optionen reichen von einer konservativen, topischen Therapie bis zur operativ destruktiven Vorgehensweise. Lokalisation, Morphologie
und Ausdehnung der Kondylome sind richtungsweisend für die Behandlungswahl. Die Unterscheidung
zwischen Rezidiv und Neuerkrankung kann schwierig
sein und relativiert die Bewertung verschiedener Behandlungskonzepte. Engmaschige und sorgfältige
Nachuntersuchungen sind angezeigt.
Behandlung einzelner Kondylome
Bei perianal kleinen, solitär stehenden Kondylomen
(maximal 10 Stück) kann eine Betupfung mit Podo®
®
phyllin (Warix , Condyline ) über maximal vier Wochen erfolgen. Die Behandlung wird an drei Tagen
pro Woche zweimal täglich durchgeführt. Bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und stillenden
Müttern ist dieses Vorgehen kontraindiziert.
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weise gering. Die Ansprechrate bei
männlichen Patienten liegt erheblich
niedriger (33% [2]).
Diese Therapieform eignet sich auch zur
postoperativen Nachbehandlung häufig
rezidivierender, singulärer Feigwarzen
bei bekannter HIV-Infektion.
geringer Rezidivquoten (25–39%) sehr
kritisch gesehen werden, da es zu
tiefen, nicht kontrollierbaren Nekrosen
kommt (10).
Die fotodynamische Therapie ist noch in
der klinischen Erprobung.
Behandlung bei ausgedehnten
Kondylomen
Ausgedehnte Kondylombeete, tumoröse Wachstumsformen sowie ein intraanaler respektive intrarektaler Befall fordern
in jedem Fall ein operatives Vorgehen.
Da es sich bei Kondylomen um rein epidermal wachsende Tumoren handelt,
sollten Exzisionsverfahren mit Skalpell
und Schere, die tiefere Hautstrukturen
miterfassen, unterbleiben. Solche Vorgehensweisen haben weder positiven Einfluss auf die Ansprechrate noch auf die
Rezidivquote, sie führen vielmehr zu vernarbenden und stenosierenden Verläufen. Exzisionen mit primärer Naht sind
kontraindiziert. Eine Probeentnahme, beispielsweise durch Scherenschlag, zur histopathologischen Untersuchung sollte jedoch in jedem Fall erfolgen.
Als operatives Verfahren eignet sich in
besonderer Weise die Elektrokoagulation mittels Kugelelektrode unter gleichzeitiger Wasserapplikation (wet-fieldtechnic). Diese induziert aufgrund des
Kühlungseffektes keine thermischen Nekrosen und minimiert so das Risiko von
Narben- und Strikturbildung, die ihrerseits Inkontinenzprobleme auslösen können. Die Clearingraten werden in der Literatur mit 72 bis 94 Prozent und die
Rezidivraten mit 25 bis 51 Prozent angegeben. Diese Methode eignet sich für
alle möglichen Manifestationsorte (5, 9)
(vgl. Abbildung 2 und 3)
Die Ansprech- und Rezidivraten sind für
die Therapie mittels Laservaporisation
(CO2 o. Nd-YAG) nahezu identisch. Allerdings sollte bedacht werden, dass selbst
bei Betrieb einer Absauganlage infolge
der Vaporisierung infektiöse Viruspartikel in der Raumluft nachgewiesen wurden. Dies fordert entsprechende Schutzmassnahmen für alle an der Operation
Beteiligten (9).
Die Kryotherapie mit Nekrotisierung
grösserer Kondylome mit flüssigem Stickstoff einmal pro Woche muss trotz guter
Sanierungsquoten (70–96%) und relativ
Die Nachbeobachtung sollte in drei- bis
vierwöchigen Abständen erfolgen. Gegebenenfalls ist eine weitere Therapie
erforderlich. Eine Rezidivfreiheit von
sechs Monaten sollte unter einer gewählten Behandlungsform gewährleistet sein.
Rezidiv und Neuinfektion sind oft kaum
unterscheidbar.
Nach der Therapie
Abb. 1: Condylomata acuminata: unbehandelt
Die Ansprechraten bei PodophyllotoxinCreme liegen zwischen 60 und 80 Prozent, die Rezidivquoten zwischen 7 und
38 Prozent (10). Die früher regelhaft angewandte Behandlung mit Podophyllin
kann nicht mehr empfohlen werden, da
es sich dabei um eine äusserst instabile
Lösung handelt, bei der mutagene Eigenschaften sowie teratogene Effekte
beobachtet wurden (daher nur unter
Kontrazeption bei Frauen anzuwenden).
5-Fluorouracil-Salbe hat bei dieser therapeutischen Indikation bisher keinen Wirksamkeitsnachweis erbracht und ist somit
ebenfalls nicht empfehlenswert.
Die Anwendung von Trichloressigsäure
zeigt eine Ansprechrate von 64 bis 80
Prozent und eine Rezidivquote von 30
Prozent (10). Allerdings kommt es hierbei
zu starken Schmerzen während und nach
der Betupfung sowie zu tiefen Ulzerationen mit narbiger Abheilung.
Die topische Behandlung einzeln stehender perianaler Kondylome bei Erwachsenen kann dagegen besser mit
®
Imiquimod (Aldara -Creme) erfolgen.
Die Creme wird in zweitägigen Abständen vor dem Zubettgehen aufgetragen.
Die Therapie wird bis zur vollständigen
Remission aller kondylomatösen Veränderungen, jedoch maximal über 16 Wochen, durchgeführt. Auch unter dieser
Behandlung kann es zu erheblichen
Hauterosionen kommen, die jedoch folgenlos abheilen. Bei Frauen ist die
Rezidivquote von 13 Prozent bei einer
Ansprechrate von 72 Prozent vergleichs-
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Zusammenfassung
Condylomata acuminata im proktologischen Bereich gelten als sexuell übertragene Erkrankung durch humane Papillomviren. Die klinische Diagnose erfolgt
durch Inspektion, Palpation, Proktoskopie
und Rektoskopie zur gleichen Zeit (einzeitig), gegebenenfalls unter Zuhilfenahme
der Essigsäureprobe. Eine histopathologische Absicherung muss erfolgen.
Abb. 2: Condylomata acuminata: vier Tage nach
der Elektrokoagulation ...
Abb. 3: ... und drei Wochen nach dem Eingriff
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Untersuchung und Therapie der Sexualpartner ist verpflichtend.
Bei geringgradigem, perianalem Befall
ist eine topische Therapie mit Podophyllotoxin oder Imiquimod wegen der günstigen Ansprechquote und Rezidivrate zu
empfehlen.
Ausgedehnte Befunde, insbesondere bei
intraanalem (bzw. intrarektalem) Befund,
bedürfen der einzeitigen operativen Therapie. Die Methode der flüssigkeitsunterstützten, elektrokaustischen Abtragung
(wet-field-technic) bietet sich neben der
Laservaporisation in besonderer Weise
■
an.
Dr. med. Bernhard H. Lenhard
Praxis für Enddarmerkrankungen
Poststrasse 2
D-69115 Heidelberg
E-Mail: [email protected]
Quellen:
1. Cohen BA, Honig P, Androphy E: Anogenital
warts in children: clinical and virologic evaluation
for sexual abuse. Arch. Dermatol. 1990; 126: 1575–
1580.
2. Edwards L, Ferenczy A, Eron L et al.: Self-administered topical 5% Imiquimod cream of external
anogenital warts. Arch. Dermatol. 1998; 134: 25–30.
3. Herrera Saval A, Rodriguez Pichardo A, Garcia
Bravo B et al.: Verruces ano-genitales chez les enfants. Ann. Dermatol. Venereol. 1990; 117: 523–526.
4. Obalek S, Misiewicz J, Jablonska S et al.:
Childhood condylomata acuminate: Association
with genital and cutaneous human papillomaviruses. Pediatr. Dermatol. 1993; 10: 101–106.
5. Proske S, Lenhard B, Hartschuh W: Therapie
von Condylomata acuminata. Konsequente Nachsorge erforderlich. Coloproctology 2004; 26: 189–
193.
6. Rüdlinger R, Smith IW, Bunney MH et al.: Human papillomavirus infections in a group of renal
transplant recipients. Br. J. Dermatol. 1986; 115:
681–692.
7. Schöfer H: Hauterkrankungen bei HIV-Infektionen und AIDS. Schwer Verlag. Stuttgart 1989.
8. Schonfeld A, Schattner A, Crespi M et al.: Intramuscular human-interferon-beta-Injections in
treatment of condylomata acuminate. Lancet 1984;
1038–1042.
9. Wienert V: Virusinduzierte anorektale Erkrankungen – Condylomata und Herpes simplex. Hautarzt 2004; 55: 248–253.
10. Wiener V: Feigwarzen. Leitlinien d. Koloproktologie. AWMF-Leitl.-Reg. 2002; Nr. 013/008.
Adaptierte Version (Erstpublikation) aus «Der Allgemeinarzt» 18/2005. Wir bedanken uns beim Autor und dem Kirchheim Verlag, Deutschland, für die
freundliche Genehmigung zur Zweitpublikation.
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