Bert Bielefeld | Mathias Wirths Entwicklung und

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Bert Bielefeld | Mathias Wirths
Entwicklung und Durchführung von Bauprojekten im Bestand
Bert Bielefeld | Mathias Wirths
Entwicklung und Durchführung
von Bauprojekten im Bestand
Analyse – Planung – Ausführung
Mit 170 Abbildungen und 22 Tabellen
PRAXIS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
1. Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Lektorat: Karina Danulat | Sabine Koch
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von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Satz/Layout: Annette Prenzer
Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Printed in Germany
ISBN 978-3-8348-0587-4
Vorwort
Die Idee zu diesem Buch entstand während unserer gemeinsamen Arbeit im Interdisziplinären
Kompetenzzentrums Altbau (InKA) der Universität Siegen. Durch die Zusammenarbeit und
Vernetzung vieler Kollegen aus unterschiedlichsten Lehr- und Fachgebieten bildete sich der
Wunsch, einen Leitfaden für die Projektentwicklung und –durchführung im Bestand zu erarbeiten und unsere Erfahrungen aus Tätigkeiten von InKA und aus diversen privatwirtschaftlichen
Projekten einfließen zu lassen. Auch wenn sich die Vorgehensweisen im Bestand von Projekt
zu Projekt unterscheiden und immer wieder individuell festgelegt werden müssen, können
generelle Strukturen für Bestandsprojekte abgeleitet werden, die sich stark von der herrschenden Neubausystematik unterscheiden. Wir hoffen, mit diesem Buch einen Beitrag zur Kompetenzbildung leisten zu können und eine praktische Anleitung für Projekte im Bestand zu geben.
Wir möchten uns bei unseren Kollegen und Projektpartnern von InKA für die lange und interessante Zusammenarbeit bedanken. Ein besonderer Dank geht an unsere Mitautoren, die dieses
Buch durch ihre kompetenten Beiträge und ihr hohes Engagement entscheidend mitgeprägt
haben. Zu nennen sind dabei:
Gerrit Schwalbach (Kap. 2.5.1)
Matthias Morkramer (Kap. 2.5.2)
Tim Wackermann (Kap. 3.6)
Hanns-Helge Janssen (Kap. 3.8)
Heike Kempf (Kap. 3.9)
Arne Semmler (Kap. 3.10)
Roland Schneider (Kap. 4.1)
Dr. Peter Wotschke (Kap. 4.3 und 4.4)
Ein weiterer Dank geht an Verena Hilgenfeld vom Lehrgebiet Bauökonomie und Baumanagement, die uns intensiv durch Korrekturen unserer Texte unterstützt hat, an Karina Danulat, die
von Lektoratsseite mit Verständnis und Zuversicht das Projekt begleitet hat, und an unsere
Familien für die Geduld während der Bearbeitungsphase.
Wir möchten zudem unsere Leser bitten, uns Hinweise, Anregungen und konstruktive Kritik
mitzuteilen.
Dortmund, Januar 2010
Bert Bielefeld
Prof. Dr.-Ing. Architekt
Mathias Wirths
Dr.-Ing. Architekt
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ........................................................................................................................... 1
2
Bestandsprojektentwicklung ............................................................................................ 5
2.1 Lebenszyklus von Gebäuden ...................................................................................... 5
2.2 Grundlagen der Projektentwicklung ........................................................................... 9
2.2.1 Projektinitiierung........................................................................................... 11
2.2.2 Projektkonzeption.......................................................................................... 12
2.3 Wertermittlung von Bestandsgebäuden .................................................................... 18
2.3.1 Vergleichswertverfahren ............................................................................... 19
2.3.2 Ertragswertverfahren ..................................................................................... 21
2.3.3 Sachwertverfahren ......................................................................................... 26
2.3.4 Residualwertverfahren .................................................................................. 29
2.4 Investitionsrisiken im Bestand.................................................................................. 31
2.4.1 Grundlagen des Risikomanagements ............................................................ 31
2.4.2 Risikoanalyse ................................................................................................ 32
2.4.3 Risikominimierung ........................................................................................ 34
2.5 Durchführung der Bestandsprojektentwicklung ....................................................... 35
2.5.1 Bauplanungs- und Bauordnungsrecht............................................................ 35
2.5.2 Fördermöglichkeiten im Bestand .................................................................. 47
2.5.3 Grundstücks- und Immobilienakquisition ..................................................... 52
2.5.4 Wirtschaftliche Vorgehensweise im Bestand ................................................ 55
3
Bestandsanalyse und Bewertung ................................................................................... 63
3.1 Einleitung ................................................................................................................. 63
3.2 Auswertung von Bestandsunterlagen ....................................................................... 65
3.2.1 Quellen von Bestandsunterlagen ................................................................... 65
3.2.2 Verarbeiten von Papierzeichnungen für CAD ............................................... 66
3.2.3 Auswertung von Bestandsunterlagen hinsichtlich der Eigenschaften
der vorhandenen Bauteile .............................................................................. 67
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.3 Messgeräte und -methoden zur Erfassung der Geometrie des Bestandes ................. 72
3.3.1 Tradierte Messmethoden ............................................................................... 72
3.3.2 Laserdistanzmessgerät ................................................................................... 73
3.3.3 Tachymeter/EDV-gestützte tachymetrische Verfahren ................................. 74
3.3.4 Einbild- und Stereofotogrammetrie ............................................................... 76
3.3.5 3D-Laserscanner ............................................................................................ 79
3.3.6 Hilfsmittel...................................................................................................... 80
3.4 Messgeräte und -methoden zur Erfassung der bautechnischen Eigenschaften
des Bestandes............................................................................................................ 81
3.4.1 Untersuchungen ohne technische Hilfsmittel ................................................ 81
3.4.2 Messgeräte und Methoden zur Untersuchung vor Ort ................................... 83
3.4.3 Untersuchungsmethoden mit Unterstützung eines Baustofflabors ................ 89
3.5 Bauteilschäden .......................................................................................................... 92
3.5.1 Schäden an Holzkonstruktionen .................................................................... 93
3.5.2 Schäden an Mauerwerkkonstruktionen ......................................................... 98
3.5.3 Schäden an Stahlbetonkonstruktionen ......................................................... 105
3.5.4 Schäden an Eisenkonstruktionen (Stahlkonstruktionen) ............................. 108
3.6 Schadstoffe und Kontamination.............................................................................. 113
3.6.1 Asbest .......................................................................................................... 114
3.6.2 Künstliche Mineralfasern (KMF) ................................................................ 115
3.6.3 Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) .............................. 117
3.6.4 Polychlorierte Biphenyle (PCB) .................................................................. 118
3.6.5 Chlororganische Holzschutzmittel (PCP und Lindan)................................. 118
3.6.6 Leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW incl. FCKW) ........ 119
3.6.7 Formaldehyd................................................................................................ 119
3.6.8 Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) ......................................................... 120
3.6.9 Schwermetalle ............................................................................................. 120
3.6.10 Radioaktive Produktverwendungen ............................................................. 120
3.6.11 Vorgehen und Untersuchungsumfang ......................................................... 120
3.6.12 Gesetzliche Regelungen .............................................................................. 123
3.7 Statische Bewertung des Bestandes ........................................................................ 123
3.7.1 Bewertung von Schäden .............................................................................. 125
3.7.2 Bewertung von Verformungen .................................................................... 127
3.7.3 Bewertung der Materialeigenschaften ......................................................... 129
3.7.4 Bewertung von Tragsystemen ..................................................................... 129
3.7.5 Bewertungsstufen ........................................................................................ 142
Inhaltsverzeichnis
3.8 Brandschutztechnische Bewertung ......................................................................... 145
3.8.1 Bestandsschutz ............................................................................................ 145
3.8.2 Rettungswege .............................................................................................. 146
3.8.3 Feuerwiderstand der Bauteile ...................................................................... 150
3.8.4 Brandabschnittsbildung durch Gebäudetrennwände ................................... 151
3.8.5 Technischer Brandschutz im Bestand ......................................................... 153
3.8.6 Zusammenfassung ....................................................................................... 154
3.9 Energetische Gebäudebewertung und -analyse ...................................................... 155
3.9.1 Beschaffung der Bestandsunterlagen .......................................................... 156
3.9.2 Bestandsaufnahme des IST-Zustandes ........................................................ 156
3.9.3 Energetische Beurteilung der Gebäudehülle mittels Thermografie ............. 156
3.9.4 Messung des U-Wertes................................................................................ 157
3.9.5 Luftdichtheitsprüfung (Blower-Door-Test) ................................................. 158
3.9.6 Feuchtemessungen bei vermuteten oder angetroffenen Bauteilschäden ..... 158
3.9.7 Anlagentechnik ........................................................................................... 159
3.9.8 Berechnung des IST-Zustandes ................................................................... 160
3.10 Denkmalpflege und historische Bausubstanz ......................................................... 162
3.10.1 Grundlagen der Denkmalpflege .................................................................. 162
3.10.2 Bestandsaufnahme am Denkmal ................................................................. 169
3.10.3 Schadstoffe und Kontamination im Denkmal ............................................. 175
3.10.4 Bauteilschäden an denkmalgeschützter Bausubstanz .................................. 176
3.10.5 Statische Prüfung und Bewertung historischer Konstruktionen .................. 180
3.10.6 Haustechnik im Denkmal ............................................................................ 181
3.10.7 Energetische Bewertung und Ertüchtigung denkmalgeschützter Bauten .... 184
3.10.8 Brandschutz und Denkmalschutz ................................................................ 187
3.10.9 Denkmalpflegerische Zielstellung und Maßnahmenkonzept ...................... 189
4
Durchführung von Projekten im Bestand................................................................... 197
4.1 Planungs- und Bauprozess ...................................................................................... 197
4.1.1 Erarbeiten der Planungsgrundlagen ............................................................. 198
4.1.2 Vom Entwurf zur Baugenehmigung ............................................................ 202
4.1.3 Vorbereitung der Ausführung ..................................................................... 213
4.1.4 Ausführungs- und Detailplanung ................................................................ 213
4.1.5 Ausführung .................................................................................................. 217
IX
X
Inhaltsverzeichnis
4.2 Kostenplanung ........................................................................................................ 227
4.2.1 Grundlagen der Kostenplanung nach DIN 276 ........................................... 228
4.2.2 Kosteneinflüsse und Kostenrisiken im Bestand .......................................... 232
4.2.3 Kostenermittlung im Bestand ...................................................................... 240
4.2.4 Kostenverfolgung im Planungs- und Bauprozess ........................................ 246
4.3 Terminplanung........................................................................................................ 250
4.3.1 Grundlagen der Terminplanung .................................................................. 250
4.3.2 Erstellung des Terminplans ......................................................................... 254
4.3.3 Einsatz des Terminplans .............................................................................. 269
4.4 Nachtragsmanagement ............................................................................................ 278
4.4.1 Grundlagen des Nachtragsmanagements ..................................................... 278
4.4.2 Darstellung der Anspruchsgrundlage .......................................................... 281
4.4.3 Darstellung der Anspruchshöhe .................................................................. 284
4.4.4 Einsatz des Nachtragsmanagements ............................................................ 290
Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 295
Sachwortverzeichnis .............................................................................................................. 301
1 Einleitung
Bild 1-1
Elisabethkirche, Berlin Mitte
(K. F. Schinkel 1833–1835, Sanierung: Klaus Block 1992–2005)
Die Investitionen auf dem Bausektor fließen in Deutschland mittlerweile zu einem großen
Anteil in Baumaßnahmen im Bestand. Die Liste verschiedenartiger Baumaßnahmen beim Bauen im Bestand ist lang. Sie reicht von periodisch anfallenden Instandhaltungsmaßnahmen bis
zur kompletten Umgestaltung und Ergänzung eines Quartiers mit Veränderung der Nutzung.
Eine Baumaßnahme im Bestand kann technische, gestalterische und wirtschaftliche Hintergründe haben. Gerade die großen Baubestände der Wiederaufbauphase in den 50er und 60er
Jahren oder kontaminierte Bauten aus den 70er und 80er Jahren müssen technisch auf Grund
ihres Alters, ihrer Bauteile oder ihrer Wärmeverluste umfassenden Sanierungen unterzogen
werden. Oft sind es auch gestalterische oder wirtschaftliche Aspekte, die eine Baumaßnahme
initiieren, wenn Objekte nicht mehr vermarktungsfähig sind oder z. B. nicht mehr die Unternehmensziele widerspiegeln.
2
1 Einleitung
Tabelle 1.1
1
Begriffe in der Denkmalpflege1
Instandhaltung
periodisch wiederkehrendes Erhalten des Bestehenden mit maßvollsten
Mitteln
Instandsetzung
erforderliche Maßnahme bei Unterlassung der Instandhaltung
Renovierung
Wiederherstellung ästhetischer Eigenschaften
Sanierung
Technisch gründliche und tief greifende Gesamtmaßnahme
Restaurierung
Analyse aller erhaltenswerter Schichten, Zeigen der versch. „Schichten“,
technische Konsolidierung
Ergänzung
Ergänzung durch Angleichung oder Kontrast
Konservierung
Rettung des vorgefundenen Bestandes (z. B. Ruine)
Kopie
Kopie bei geschützter Weiterexistenz des Originals (häufig bei
Plastiken), in der Baudenkmalpflege eher selten
Rekonstruktion und
Wiederaufbau
Zerstörung, Abbruch und unmittelbare Neuerrichtung, Rekonstruktion:
Neuauflage historischer Architektur
Anastylose
Wiedererrichtung mit originalem Baumaterial
Translozierung
Abbau und Wiedererrichtung an anderer Stelle
Auf dem Gebiet der Denkmalpflege wurden bereits früh etliche Termini definiert, die auch
immer wieder im Zusammenhang mit Baumaßnahmen an nicht denkmalgeschützten Altbauten
benutzt werden (vgl. Tab. 1.1). Der planerische Umgang mit alten Gebäuden sollte unabhängig
von der Frage, ob das Gebäude ein Denkmal ist, von Respekt gegenüber dem Vorhandenen
geprägt sein, denn die Bausubstanz hat sich als System in der Regel über viele Jahre bewiesen
und stellt ein gebautes bautechnisches und baugeschichtliches Zeugnis dar.
Die Forderungen nach Bewahrung alter Substanz ist nicht allein eine Frage des Denkmalschutzes, sondern ist gerade unter bauökologischen und bauökonomischen Gesichtspunkten in vielen Fällen unabdingbar. Bauökologisch macht der Erhalt oft Sinn, weil das Bauen im Bestand
aus Gründen wie z. B. Verlängerung der Nutzugsdauer von Baustoffen, geringere Flächenversiegelung gegenüber dem Neubau, Verringerung des CO2-Ausstoßes erheblich zur Verbesserung der Nachhaltigkeit im Bausektor beiträgt. Unter bauökonomischen Gesichtspunkten müssen Bauteile oft erhalten bleiben, weil die vorhandene Substanz einen Wert darstellt, der in
vielen Fällen höher ist als ein Abriss des Bestandes mit anschließendem Neubau. Viele Altbauten genießen zudem planungsrechtlich Bestandsschutz und können eventuell eine höhere
Grundstücksausnutzung ermöglichen, als dies mit einem Neubau an gleicher Stelle genehmigungsfähig wäre.
Vorraussetzung für eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Baumaßnahme ist allerdings
eine Planung, die das Potential der vorhandenen Konstruktion erkennt und nutzt. Dies bedeutet
beispielsweise, dass die vorhandene Primärstruktur möglichst wenig verändert wird, die zukünftige Nutzung auf den Bestand Rücksicht nimmt.
Alle Baumaßnahmen im Bestand haben gemein, dass sich Planer zu Beginn ihrer Tätigkeit mit
dem Vorhandenen auseinandersetzten müssen. Jeder Ort gibt durch seine Besonderheiten
1
Vgl.: Mörsch, Georg.: Grundsätzliche Leitvorstellungen, Methoden und Begriffe in der Denkmalpflege, in: Dr. A. Gebeßler/Dr. W. Eberl (Hrsg.) Schutz und Pflege von Baudenkmälern in der Bundesrepublik Deutschland, Kohlhammer, Köln 1980, S. 70 ff
1 Einleitung
3
Randbedingungen vor. Es ist jedoch ein Unterschied, ob diese durch die Lage, den Zuschnitt
des Baugrundstückes und den baurechtlichen Rahmenbedingungen herrühren oder zusätzlich
durch vorhandene Gebäude gegeben werden.
Die Analyse des Altbaus verlangt zusätzliches Wissen bezüglich Untersuchungsmethoden,
Bauschäden, Kenntnisse alter und neuer Bauweisen. Der Ablauf von Baumaßnahmen im Bestand wird durch Faktoren wie räumliche Enge, Bauen im laufenden Betrieb beeinträchtigt. Die
Risiken, aber auch die Chancen im Bestand sind höher als im Neubau.
In diesem Buch werden insbesondere Abläufe und Besonderheiten besprochen, die sich vom
Neubau unterscheiden. Da viele konzeptionelle und strukturelle Überlegungen sowohl in der
Projektentwicklung wie auch später in der Planung und Umsetzung auf Basis der bestehenden
Bausubstanz getätigt werden müssen, sind klassische Entwicklungs- und Planungsabläufe nur
in stark modifizierter Form anwendbar.
So werden im Kapitel 2 die Projektentwicklung unter dem Blickwinkel des Lebenszyklus betrachtet und besondere Risiken in der gesetzlichen Grundlage und der Bausubstanz aufgezeigt.
Vorgehensweisen zur Immobilienakquisition und die schrittweise Bearbeitung eines Projektes
werden unter Aspekten der Wirtschaftlichkeit und Risikominimierung betrachtet.
Kapitel 3 ist der Bestandserfassung und -bewertung gewidmet. Hierbei werden praxisgerechte
Verfahren zur geometrischen und technischen Analyse vorgestellt und die Besonderheiten
bezüglich Tragwerk, Kontamination, Brandschutz, Energieeinsparung und Denkmalpflege
besprochen. Die Kenntnis über die Eigenschaften und Eigenarten der Bausubstanz prägt neben
den Zielen der Projektentwicklung den weiteren Prozess entscheidend mit.
In Kapitel 4 werden dann die Besonderheiten der Planungs- und Bauprozesse in der Umsetzung der Projektidee vorgestellt. Hierzu werden spezielle Planungsabläufe der beteiligten Planer auf Basis der Substanz und die im Bestand oft aufwändige Baustellenlogistik (z. B. Rückbau, Bauen im laufenden Betrieb) besprochen. Die Kosten- und Terminplanung wird grundlegend erläutert und auf das Bauen im Bestand adaptiert. Hierbei ist insbesondere das Thema der
Bauzeitverzögerung typisch für Baumaßnahmen im Bestand.
Durch den prozessorientierten Aufbau im Buch wird eine ganzheitliche Darstellung der Projektabwicklung im Bestand erzielt, die allen Beteiligten auf Projektentwicklungs-, Auftraggeber-, Planer- und Bauausführendenseite eine gute Übersicht über die Besonderheiten im Bestand ermöglicht.
1
2 Bestandsprojektentwicklung
Die Projektentwicklung bei Bestandsgebäuden stellt gegenüber der Neubauentwicklung besondere Anforderungen an Projektentwickler und Planer. Vorhandene Gebäudestrukturen und
Rahmenbedingungen beschränken die Möglichkeiten in der Nutzung und der Revitalisierung,
bieten jedoch gleichzeitig räumliche und funktionale Potentiale, die in der Entwicklung von
Neubauten wegen funktionaler und finanzieller Entscheidungen oft nicht möglich sind. Neben
Kosteneinsparungen auf Grund vorhandener und weiterhin nutzbarer Bausubstanz birgt ein
Altbau auch immer hohe Kostenrisiken, die den Projekterfolg gefährden können. In den folgenden Kapiteln werden neben allgemeinen Grundlagen zum Gebäudelebenszyklus und zur
Projektentwicklung diese bestandsspezifischen Aspekte dargestellt.
2.1 Lebenszyklus von Gebäuden
Für die Projektentwicklung im Bestand ist es wichtig, ein Verständnis für den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu entwickeln. Ein Gebäude ist auch nach Errichtung in regelmäßigen Abständen zu „warten“, es muss gepflegt und in Stand gesetzt werden, um seine Werthaltigkeit zu bewahren. Dies reicht von einfachen Schönheitsreparaturen wie dem Anstrich
von Wänden bis hin zu umfangreichen Umbaumaßnahmen. Wie lange ein Gebäude genutzt
werden kann, hängt neben den beschriebenen Nutzungs- und Wirtschaftlichkeitsparametern
vom Zustand der Bau- und Ausbausubstanz ab. Ist ein Gebäude nach einer gewissen Nutzungsphase nicht mehr vermietbar, stellt sich die Frage, ob durch eine Sanierung eine weitere
Nutzungsphase erzeugt werden kann und wie umfangreich diese Sanierung sein muss. Wenn
nach der ersten oder vielen weiteren Nutzungsphasen das Gebäude nicht mehr sanierungsbzw. adaptionsfähig und somit nicht nutzbar ist oder sich eine wirtschaftlichere Alternative
zum Bestand bietet, wird das Gebäude rückgebaut und das Grundstück steht einer erneuten
Bebauung offen (s. Bild 2-1).
Oft wird bereits bei Erstellung eines Gebäudes mit einer bestimmten Nutzungsdauer kalkuliert,
die entweder über eigene Anforderungen eines Nutzers wie die Nutzung eines Eigenheims bis
ins hohe Alter oder über wirtschaftliche Aspekte wie z. B. eine Abschreibungszeit begründet
ist. Teilweise resultiert die Nutzungsdauer auch aus der Funktion selbst, wenn beispielsweise
eine Industrieproduktion für eine definierte Absatzzeit ausgelegt wird oder eine temporäre
Veranstaltungshalle für einige Jahre ein Musical aufnehmen soll. Dementsprechend werden
Gebäude so konzipiert, dass sie die avisierte Nutzungszeit mit möglichst geringen Kosten
überdauern.
Doch die Nutzungsdauer bezieht sich nicht nur auf das Gebäude als Gesamtes, auch die einzelnen Bauteile eines Gebäudes unterliegen verschiedenen Nutzungs- bzw. Verschleißzeiten.
In der Regel ist eine massive Konstruktion sehr langlebig, wohingegen der täglichen Abnutzung ausgelieferte Oberflächen in kurzen Zeitabständen saniert werden müssen.
6
2 Bestandsprojektentwicklung
Bauland
Rückbau
nicht mehr
vermarktbar
Projektentwicklung
Umnutzung
Nutzungsphase
Lebenszyklus von
Immobilien
Sanierung/
Instandhaltung
2
Bild 2-1
ggf.
Leerstand
Projektrealisierung
Nutzungsphase
Lebenszyklus von Gebäuden
Die Haustechnik ist zudem ein sensibler Bereich, da sie auf Grund des technischen Fortschritts
nur einer kurzen Aktualität unterworfen ist. Haustechnische Installationen und Trassen sind bei
einer Sanierung oft der Auslöser, warum noch intakte Oberflächen zerstört werden müssen und
somit die Investitionskosten stark ansteigen. Im Idealfall sind Installationen so angeordnet
(z. B. auf Putz oder in Installationsschächten), dass sie zerstörungsfrei ausgetauscht werden
können.
Durch die verschiedenen Investitions- und Sanierungszyklen der Bauteile sind während des
Lebenszyklus eines Gebäudes immer wieder größere und kleinere Investitionen notwendig
(s. Bild 2-2). Wenn diese Investitionszyklen bereits in der Planungs- und Bauphase z. B. über
beschädigungsfreien Zugang zu Installationstrassen oder die Trennbarkeit von Baustoffschichten berücksichtigt werden, lassen sich hohe Kosten in der späteren Instandhaltung vermeiden.
Nutzungsdauer
des Bauteils
Ro
Estr
ich
tz
, Pu
bä
Ge
Obe
Bild 2-2
k
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Hau
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n
Lebenszyklus von Bauteilen
r
alte
ude
u
hba
7
2.1 Lebenszyklus von Gebäuden
Die Instandhaltung unterteilt sich in verschiedene Stufen.2 Neben der reinen Inspektion, also
der Begehung und Beurteilung eines Objektes, werden Wartungen (z. B. Ersatz von
Leuchtstoffen) durchgeführt. Darüber hinaus versetzt die Instandsetzung schadhafte Bauteile
wieder in einen funktionsfähigen Zustand. Werden Teile erneuert oder modernisiert, ohne dass
ihre technische Funktion verändert wird, spricht man von Modernisierung oder Verbesserung.
Instandhaltung
Inspektion
Bild 2-3
Wartung
Instandsetzung
Modernisierung/
Verbesserung
Begriffe der Instandhaltung
In der Instandhaltung können verschiedene Strategien angewendet werden – je nachdem wie
stark die Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit und eventuelle Schäden an der Bausubstanz sind.3 Hierzu gehören:
• Ausfallstrategie: Schadensbeseitigung erst nach Ausfall, keinerlei vorbeugende Maßnahmen
• Präventive Inspektionsstrategie: Schadensvorbeugung, bei Inspektionen festgestellte
Mängel oder Problemfelder werden präventiv beseitigt
• Vorrausschauende Instandsetzungsstrategie: Wartung und Austausch nach bestimmten Zeitabständen bzw. Lebensdauern von Bauteilen auch ohne Mängel
• Vorhalten von Ersatz: Absicherung durch Vorhalten von Ersatzbauteilen bzw. Austauschgeräten, insbesondere bei Bauteilen, die bei Ausfall z. B. einen Produktionsprozess in einem Industriegebäude stoppen können
Mit der Gebäudeunterhaltung in einem gesamtheitlichen Sinn beschäftigt sich das Facility
Management (FM). Das Facility Management umfasst „die permanente Analyse und Optimierung der kostenrelevanten Vorgänge rund um bauliche und technische Anlagen, Einrichtungen und im Unternehmen erbrachte (Dienst-) Leistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören.“ 4
Im Bereich der operativen Gebäudenutzung spricht man von Gebäudemanagement. Es unterteilt sich in folgende Bereiche:
• Technisches Gebäudemanagement (Wartung, Inspektion, Instandsetzung)
• Infrastrukturelles Gebäudemanagement (Hausmeisterdienste, Reinigungsdienste, Sicherheitsdienste)
• Kaufmännisches Gebäudemanagement (Objektbuchhaltung, Beschaffung, Vermarktung)
2
Vgl. DIN 31051: Grundlagen der Instandhaltung
3
Vgl. Nagel, Ulrich: Facility Management, 2007, Birkhäuser Verlag, S. 143 ff
4
Quelle: GEFMA 100-1: 2004, S. 3
2
8
2 Bestandsprojektentwicklung
Facility Management
im Lebenszyklus
5
4
Vermarktung Beschaffung
1
Konzeption
2
Planung
3
Errichtung
Bauprojekte
in LzPh.1
managen
Bauprojekte
in LzPh.2
managen
Bauprojekte
in LzPh.3
managen
Objekte
verkaufen
Projektentwicklungen
durchführen
Objektplanungen
durchführen
Bauleistungen
erbringen
Grundstücke
erwerben
Bauleistungen
ausschreiben &
vergeben
Bauleistungen
überwachen
2
6
Betrieb &
Nutzung
7
Umbau
Sanierung
8
Leerstand
9
Verwertung
Objekte
ankaufen
Objektbetrieb
managen
Bauprojekte
in LzPh.7
managen
Leere Objekte
managen
Objekte
abbrechen /
rückbauen
Objekte
verleasen
Objekte
leasen
Arbeitsstätten
bereitstellen
Planungsgrundlagen
ermitteln
Altlasten
beseitigen
Obj. /Flächen
vermieten oder
verpachten
Obj. /Flächen
anmieten oder
pachten
Objekte
betreiben
Planungen
durchführen
Reststoffe
recyclen /
entsorgen
Planungsgrundlagen
ermitteln
Objekte verund entsorgen
Bauleistungen
ausschreiben
und vergeben
Wettbewerbe
durchführen
Objekte
reinigen &
pflegen
Bauleistungen
erbringen
Objekte
schützen &
sichern
Bauleistungen
überwachen
Objekte
verwalten
Support
bereitstellen
Bauprojekte
in LzPh.6
managen
Bild 2-4
Gebäudelebenszyklus nach GEFMA5
In Ergänzung übernimmt das Flächenmanagement das operative Nutzergeschäft mit Mieterabrechnungen, Umzugsmanagement etc.
Grundsätzlich sollte bei der Entwicklung von Neubau- und Bestandsprojekten eine ganzheitliche Betrachtung vorgenommen werden. Nur wenn die Substanz und die Nutzung eines Gebäudes langfristig gesichert sind, lässt sich auch der Wert eines Gebäudes langfristig erhalten.
Neben den Errichtungskosten ist es vor allem die Höhe der Betriebs- und Bewirtschaftungskosten, die die Rentabilität einer Immobilie in seinem Lebenszyklus ausmachen.
Gerade wenn sich Fixkosten in der Unterhaltung nicht flexibilisieren lassen oder die Verfügbarkeit von Ersatzteilen für technische Anlagen nicht gegeben ist, kann der Projekterfolg und
die Projektamortisation trotz niedriger Investitionskosten zu Beginn gefährdet sein.
Beispiel
Die technischen Anlagen (Lüftung, Heizung) in große Wohnanlagen des sozialen Wohnungsbaus wurden in der Regel auf eine Vollauslastung dimensioniert. Eine deutliche
Leerstandsquote führt durch die Unflexibilität der Anlage zu hohen Nebenkosten, die wiederum auf Grund des entspannten Wohnungsmarkts weiteren Leerstand produzieren, sofern
sie auf die verbleibende Mieterschaft umgelegt werden. Bei hohem Leerstand lässt sich eine
Kompletterneuerung der Anlagen dann oft wirtschaftlich nicht mehr abbilden.
5
in Anlehnung an GEFMA 100-1:2004, Bild 4, S. 7
9
Planung Nutzungs- und
und Bau Betriebsphase
min
im
e
ier t
Bau
kos
ten
en
ngskost
u
rte Nutz
Investitionsziel:
langfristige Nutzung
Break-even
Point
minimie
Investitionsziel:
schneller Verkauf
Lebenszykluskosten
2.2 Grundlagen der Projektentwicklung
Zeit
Bild 2-5
Planung der Lebenszykluskosten in Relation zum Investitionsziel
In der Bestandsprojektentwicklung sollte daher der bisherige Lebenszyklus des Gebäudes inkl.
seiner Schwachstellen analysiert werden, um die Sanierung vor diesem Hintergrund zu planen.
Des Weiteren helfen Best- und Worstcase-Szenarien, um die Entwicklung in der Zukunft einschätzen zu können (s. Kap. 2.5.4).
2.2 Grundlagen der Projektentwicklung
Die Entwicklung von Immobilienprojekten folgt in Grundzügen den betriebswirtschaftlichen
Abläufen von der Beschaffung über die Produktion bis zum Absatz (s. Bild 2-6). Da es sich bei
Bild 2-6
6
Zusammenhang zwischen Projektentwicklung und Betriebswirtschaftslehre6
In Anlehnung an Brauer, Kerry-U.: Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 4. Auflage, Gabler, S. 6 f
2
10
2 Bestandsprojektentwicklung
Projektinitiierung
Kapital
Nutzung
Standort
Front-/Backdoor-Approach
Projektkonzeption
2
Feasibility-Study
Standortanalyse
Marktanalyse
Etc.
Projektentscheidung
Projektmanagement / -durchführung
Projektsteuerung
Planung
Bauausführung
Projektvermarktung
Verkauf
Bild 2-7
Vermietung
eigene
Nutzung
Ablauf der Projektentwicklung7
Immobilien in der Regel nicht um standardisierte und reproduzierte Massenware, sondern um
individuell auf den jeweiligen Nutzertyp und die gegebenen Rahmenbedingungen zugeschnittene Objekte handelt, lassen sich rein betriebswirtschaftlich orientierte Verfahren nur bedingt
anwenden. Vielmehr durchläuft eine Projektentwicklung im Immobilienbereich typische Pha7
in Anlehnung an Schulte, Karl-Werner/Bone-Winkel, Stephan: Handbuch Immobilien-Projektentwicklung, 2. Auflage 2002, Rudolf-Müller-Verlag, S. 40
11
2.2 Grundlagen der Projektentwicklung
sen, in denen eine individuelle Projektidee entwickelt, ausgearbeitet und in die Tat umgesetzt
wird.
Man unterscheidet dabei in Projektinitiierung, Projektkonzeption, Projektdurchführung bzw.
Projektmanagement und die Projektvermarktung, die in den folgenden Kapiteln vorgestellt
werden (s. Bild 2-7).
2.2.1 Projektinitiierung
Am Anfang jeder Projektentwicklung steht die Projektidee. Sie umfasst drei Faktoren:
Standort (bzw. Grundstück), Nutzung und Kapital (z. B. Investoren, Kreditgeber). Obwohl
generell die Entwicklung eines Projektes bei allen drei Faktoren beginnen kann, geht die Bestandsprojektentwicklung in den meisten Fällen von einem fixen Standort aus.
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Standort
Projektidee
Nutzung
Bild 2-8
Kapital
Zusammenhang Standort – Kapital – Idee8
2.2.1.1 Standort sucht Nutzung und Kapital
Wenn Bestandsgebäude wie z. B. bei Industriebrachen von ihrer bisherigen Nutzung nicht
mehr in Anspruch genommen werden oder die Substanz auf Grund von Bauschäden nicht
mehr genutzt werden kann, entsteht Leerstand bzw. bei Rückbau Brachland. Um diese Objekte
wieder einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen, werden eine neue Nutzung und entsprechende Kapitalgeber gesucht.
2.2.1.2 Kapital sucht Nutzung und Standort
Ebenso ist es möglich, dass Investoren (z. B. Privatpersonen, gewerbliche Investoren oder
Immobilienfonds) vorhandenes Geld möglichst gewinnbringend in Immobilien anlegen möch8
in Anlehnung an Schäfer, Jürgen/Conzen, Georg: Praxishandbuch der Immobilien-Projektentwicklung, 2. Auflage 2007, Verlag C.H. Beck, S. 6
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2 Bestandsprojektentwicklung
ten und hierfür interessante Projektideen und Standorte suchen. Auch wenn oft eine Zurückhaltung vor Bestandsbauten zu spüren ist, sind bei einer schadensarmen Substanz des Gebäudes und einem günstigen Erwerb teilweise höhere Renditen zu erwarten als im Neubau.
2.2.1.3 Nutzung sucht Standort und Kapital
2
Auch eine Nutzung kann im Bestand der Ideengeber eines Projektes werden, wenn beispielsweise in alten Bunkern Musikproberäume oder in alten Speichergebäuden Loft-Wohnungen
eingerichtet werden. Hierbei sucht oft eine ausgereifte Idee bzw. ein Nutzungskonzept Bestandsbauten, die großräumlich in guter Lage verortet sind, auf Grund ihrer Struktur bisher
jedoch brach liegen. So entsteht der Fall, dass marktspezifische Konzepte wie z. B. Franchising-Unternehmen, Einkaufszentren, Supermärkte, Restaurantketten etc. in dicht besiedelten
Räumen ihr standardisiertes Konzept in bestehende Bauten integrieren wollen.
2.2.1.4 Überprüfung der Projektbedingungen
Zu Beginn jedes Projektes ist die Suche nach diesen drei Faktoren ausschlaggebend für die
Weiterverfolgung. Zunächst werden dabei die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit über einfache Rechnungen überprüft. Ein typisches Beispiel ist Frontdoor- und Backdoor-Approach.
Beim Frontdoor-Approach werden die voraussichtlichen Projektkosten grob kalkuliert und
vor dem Hintergrund von wirtschaftlichen Vorgaben eine notwendige Miete für das Objekt
ermittelt. Der Vergleich mit typischen Marktmieten und die Beurteilung der Marktchancen
entscheiden dann über die Weiterbearbeitung des Projektes.
Beim Backdoor-Approach werden auf Grundlage der typischen Marktmieten die möglichen
Gesamtkosten des Projekts ermittelt. Unter Abzug der geschätzten Investitionen bietet diese
Summe einen möglichen Maximalpreis für den Erwerb eines Bestandsprojekts.
2.2.2 Projektkonzeption
Sind alle Beteiligen (Grundstücksbesitzer, Kapitalgeber und Nutzer) gefunden und die groben
Projektkosten lassen sich wirtschaftlich abbilden, müssen die Projektentwicklung und die
damit verbundene Investition im Detail konzipiert und überprüft werden. Für eine endgültige
Projektentscheidung verlangen Investoren, Kapitalgeber oder zukünftige Nutzer eine dezidierte Aussage über die Projektparameter. Um hohe Risiken auszuschließen und die Wirtschaftlichkeit eines Projektes unter den gegebenen Bedingungen zu prüfen, werden verschiedene
Analysen durchgeführt, die in ihrer Gesamtheit als Feasibility Study oder Machbarkeitsstudie bezeichnet werden.
Typische Analysen in dieser Phase sind:
• Standortanalyse
• Marktanalyse
• Nutzungsanalyse
• Bestandsanalyse der Gebäude (s. hierzu Kap. 3)
• Kostenanalyse (s. hierzu Kap. 4.2)
2.2 Grundlagen der Projektentwicklung
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• Risikoanalyse (s. hierzu Kap. 2.4)
• Wettbewerbsanalyse
2.2.2.1 Standortanalyse
Ein wesentlicher und bestimmender Faktor in der Immobilienvermarktung ist die Qualität der
Lage des Objektes. Liegt eine Wohnimmobilie in einer bevorzugten Lage, so lässt sich diese in
der Regel auch bei mindernden Faktoren des Gebäudebestands vermarkten. Für gewerbliche
Ansiedlungen sind wiederum Faktoren wie Verkehrsanschluss oder Kundenähe von Bedeutung.
Somit ist der Standort ein wichtiger Faktor für die Projektkonzeption und muss entsprechend
der beabsichtigten Nutzung analysiert werden. Eine Standortanalyse soll im Ergebnis Bewertungen über die Vor- und Nachteile eines Standorts aufzeigen bzw. bei einer Auswahl an Standorten die optimale Positionierung des Projektes ermöglichen.
Dazu sind teilweise umfangreiche Expertisen notwendig, die einerseits die Auswirkungen auf
die Unternehmung selbst, aber auch die Auswirkungen auf das Umfeld einbeziehen. Derartige
Auswirkungsanalysen sind beispielsweise notwendig, wenn geprüft werden muss, ob durch die
Ansiedlung eines neuen Einkaufszentrums in einer Stadt ein echter Funktionszuwachs erzielt
wird oder ob hierdurch lediglich eine Verlagerung der bestehenden Unternehmen oder sogar
deren Verdrängung stattfinden.
Betrachtet man eine unternehmensinterne Standortentscheidung, so sollten alle relevanten
Standortfaktoren systematisch zusammengeführt werden. Dabei werden für das Projekt maßgebliche Standortfaktoren untersucht, wie z. B.:
• Lage: Innenstadt, Stadtrand, Land, „Ansehen“ und Attraktivität der Lage, Potential
• Verkehrsanbindung: Autobahn-, Bahnhof-, Flugplatznähe, Parkplätze, Erreichbarkeit,
ggf. Möglichkeit der Schwertransportanlieferung
• Erschließung: bestehende Stromversorgung, Wasserversorgung, Brunnenbohrungen,
Abwasser, Klärwerksnähe, inkl. entsprechender Gebühren
• Expansionsmöglichkeiten: Gebäudeerweiterung, Flächen im Umfeld, ggf. externe
Vermietung einzelner Gebäudeteile inkl. Erschließung
• Behördliche Auflagen: Auflagen in B-Plänen und Satzungen, Arbeitsstättenverordnung etc.
• Kundennähe: Nachbarschaft zu Großkunden und/oder Endkunden, Einzugsbereich des
Standorts, Standortverknüpfungen mit Unternehmenstradition, Gewohnheit der Kunden
• Konkurrenz: Mitbewerber im gleichen Marktsegment im gleichen Einzugsbereich
• Mitarbeiter: Universitätsnähe, Qualifikationsgrad von Mitarbeitern, Arbeitslosigkeit
• Soziale Faktoren: angenehmes Umfeld, Einkaufsmöglichkeiten, Kulturangebote
• Kosten: Miete, Steuern, Umbau, Ausbau, Fahrtkosten
Je nachdem, ob sich Standortfaktoren über Kenngrößen definieren und bewerten lassen, unterscheidet man in „harte“ und „weiche“ Standortfaktoren. Bei einem Standortvergleich lassen
sich harte Standortfaktoren direkt über monetäre oder andere Zahlenkennwerte vergleichen.
Zu diesen Faktoren gehören z. B.:
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