Irene Kühnlein, Gerd Mutz Neue Prozesse der Prekarisierung und

Werbung
Irene Kühnlein, Gerd Mutz
Neue Prozesse der Prekarisierung und Exklusion – Eine
Herausforderung für die Psychotherapie
In den vergangenen 20 Jahren haben sich die sozialen Strukturen unserer Gesellschaft
einschneidend verändert: Es werden neue Formen der Prekarisierung von Lebenslagen
und
Exklusionen
beobachtet,
Arbeitslosigkeits-
und
Armutsprozesse
haben
sich
dynamisiert. Sozialwissenschaftler befürchten, dass sich neben den gut integrierten
Menschen in der gesellschaftlichen Mitte und den Randzonen, also zwischen dem Drinnen
und Draußen, ein neues Prekariat herausbildet und sprechen deshalb schon von einer
Neuen Sozialen Frage und von einer Drei-Drittel-Gesellschaft. Dabei wird darauf
hingewiesen, dass sich die Wirkmechanismen in der Gesellschaft verändert haben, also
auch von einem deutlich spürbaren Wandel im Inneren der Gesellschaft auszugehen ist.
Genannt werden Flexibilisierung der Arbeitswelt und damit „blockierte“ Inklusionsmodi im
Erwerbsbereich, Individualisierung der Lebensgestaltung und somit Auflösung von
sozialen
Nahbeziehungen
sowie
Umbrüche
in
den
sozialen
Beziehungen
und
Teilhabemöglichkeiten.
Gleichzeitig hat durch die Reformen der frühen 2000er Jahre ein Paradigmenwechsel in
der Sozialpolitik stattgefunden: Das frühere vor- und fürsorgende Verständnis wird
abgelöst durch eine gewährleistende Politik der Exklusionsvermeidung. Sie führt zu einer
Verschärfung, nicht aber zu einer Abdämpfung von Prekarisierungstendenzen. Die neue
Politik des Forderns und Förderns reduziert die Menschen auf ihre bloße Arbeitskraft,
welche
sie
nun
unter
allen
Umständen,
egal
unter
welchen
Arbeits-
und
Lebensbedingungen, einsetzen sollen, um eigenverantwortlich für ihren Lebensunterhalt
zu sorgen. Risiken der Arbeitswelt und der Lebensführung werden privatisiert.
Auf der individuellen Ebene korrespondieren dazu Erfahrungen der sozialen Unsicherheit:
eingeschränkte Lebensplanungen, Abstiegs- und Zukunftsängste oder das Gefühl der
Nutz- und Chancenlosigkeit. Man kann von einer neuartigen „Ökonomie der Unsicherheit“
sprechen, die die alltägliche Lebensführung dominiert; negative Individualisierungen
erschweren
eine
gelingende
Identität.
Die
Auswirkungen
auf
das
psychische
Wohlbefinden sind dramatisch: Ängste und Depressionen, selbst bei Jugendlichen,
steigen an und in der ambulanten psychotherapeutischen Praxis sind längst nicht mehr
nur gut situierte Klienten der Mittelschicht zu finden, sondern auch Personen, die von
Prekarisierung bedroht oder bereits exkludiert sind: überforderte alleinerziehende Mütter,
Heranwachsende
mit
Zukunftsängsten,
Menschen
mit
Migrationshintergrund
oder
Zuwanderer. Dies verändert die psychotherapeutische Praxis in vielfältiger Weise, weil
beratende Elemente und konkrete Hilfestellungen zur Bewältigung der gesellschaftlichen
Veränderungen eine größere zusätzliche Rolle spielen. Die Psychotherapie steht dabei vor
der Herausforderung, nicht nur auf innerpsychische Vorgänge einzuwirken, sondern das
soziale Umfeld und kulturelle Besonderheiten mit einzubeziehen und darauf aufbauend
ressourcen- und kompetenzorientiert das Selbstvertrauen in die eigenen sozialen und
psychischen Kräfte sowie Autonomieprozesse zu stärken – ohne jedoch unmittelbar auf
die krankmachenden Arbeits- und Lebensbedingungen einwirken zu können. Deshalb sind
alle Angehörigen sozialer Berufe gefordert, sich stärker mit den Folgen des Umbaus der
Arbeitsgesellschaft zu beschäftigen und sich für „gute Arbeit“ und eine das Soziale
gestaltende Sozialpolitik zugunsten individueller Verwirklichungschancen einzusetzen.
1. Neue Prekarisierungs- und Exklusionstendenzen
In den Sozialwissenschaften sind unzählige Armutsstudien und theoretische Erklärungen
sowie sehr unterschiedliche Definitionen und Abgrenzungskriterien zu Armuts- und
Prekarisierungstendenzen zu finden (für einen Überblick vgl. Dietz 1997 und LudwigMayerhofer
2001).
Sie
reichen
von
sehr
einfachen
Definitionen
der
üblichen
Sozialhilfestatistiken (arm ist, wer öffentliche Leistungen erhält) bis hin zu komplexen,
theoretisch gut fundierten Lebenslagen- und Lebensphasenkonzepten, die kaum noch
empirisch zu operationalisieren sind. Einig ist man sich in der heutigen Diskussion, dass
nicht nur geringes Einkommen ein Merkmal von Armut ist, sondern dass vielmehr ein
komplexes Bündel individueller und gesellschaftlicher Faktoren bzw. unterschiedliche
Ursachentypen ineinander greifen und es in zentraler Weise auf den Grad der Teilhabe an
gesellschaftlichen
Prozessen
ankommt.
Zu
den
sich
wechselseitig
verstärkenden
multidimensionalen Deprivationsaspekten zählen Arbeit, Bildung, Wohnverhältnisse,
Gesundheit, Erholung sowie ebenso soziale, politische und kulturelle Teilhabe. Unstrittig
ist inzwischen in Theorie und Forschung, dass Armut kein Randgruppenphänomen ist,
sondern dass Prekarisierungs- und Exklusionsrisiken in der Bevölkerung relativ breit
gestreut sind. Es hat sich im Anschluss an die Verzeitlichungsthese auch durchgesetzt,
nicht nur mehr von Armut oder die Armen, sondern von Armuts-, Desintegrations-,
Prekarisierungs- oder Ausschlussprozessen zu sprechen.
1.1 Dynamische Arbeitslosigkeit und Armut – stabile Diskontinuitäten
Um die Entwicklung neuer Prekarisierungs- und Exklusionstendenzen zu verstehen, ist es
aufschlussreich, einen Blick in die frühen Arbeitslosigkeits- und Armutsstudien der
1980/90iger Jahre zu werfen. In diesen Untersuchungen gab es erste Hinweise auf sich
verändernde Prozesse sowohl im Kern als auch am Rand der Gesellschaft.
Bereits Ende der 1970er Jahre zeichnete sich der einschneidende Wandel in der
Arbeitswelt ab. Soziologen diskutiert 1983 auf dem Soziologiekongress die „Krise der
Arbeitsgesellschaft“ (Matthes 1983). Namhafte Sozialwissenschaftler, wie etwa
Dahrendorf und Offe, debattierten Ursachen und Folgen dieses Umbruchs und gingen in
2
Anlehnung an Hannah Arendt der Frage nach, wie sich eine Arbeitsgesellschaft
entwickeln würde, wenn ihr die Arbeit ausginge: „Was uns bevorsteht ist die Aussicht auf
eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die
sie sich noch versteht" (Arendt 2002; Erstausgabe 1958, 12). Die Ursachen wurden –
noch unter dem Eindruck des Ölpreisschocks 1973 – darin vermutet, dass sich einerseits
die Rohstoffe stetig verteuerten und damit Wachstumsgrenzen erreicht sein könnten
(Club of Rome 1972: „Limits of Growth“). Andererseits entstanden Zweifel, ob die bis
dahin als selbstverständlich angenommenen „Marktgesetze“ noch gültig seien. Skepsis
bestand insbesondere darin, ob die Formel „Wirtschaftswachstum schafft Beschäftigung“
überhaupt noch zutreffend sei.
Ein wichtiger empirischer Beleg für diese Vermutungen waren die „Erosion des
Normalarbeitsverhältnisses“
(Mückenberger
1985)
und eine
stetig
steigende
Arbeitslosigkeit (Bonß & Heinze 1984: "Arbeit, Lohnarbeit, ohne Arbeit“). Zwar stellte die
unbefristete Vollzeitbeschäftigung noch die weitaus häufigste Erwerbsform dar, aber so
genannte atypische Beschäftigungen, insbesondere in Form von Befristungen und
Teilzeitarbeit nahmen bereits deutlich zu. Vor diesem Hintergrund entstanden die ersten
umfassenden Arbeitslosigkeitsstudien und Untersuchungen von Erwerbsverläufen. 1
Einige dieser Studien, etwa der Müncher Forschungsgruppe um Wolfgang Bonß, Klaus
Eder, Elamar Koenen, Wolfgang Ludwig-Mayerhofer und Gerd Mutz (Mutz et al. 1995),
führten im Hinblick auf neue Prekarisierungs- und Exklusionsprozesse zu interessanten
Ergebnissen: Während in den 1980er Jahren Arbeitslosigkeit für die Mehrzahl der
Erwerbspersonen entweder ein kurzfristiges, einmaliges Ereignis darstellte (transitorische
Arbeitslosigkeit) oder in wenigen Fällen zu einem Ausschluss aus dem
Beschäftigungssystem führte (Langzeitarbeitslosigkeit und drohende Exklusion), trat
damals bereits eine kleine Gruppe in Erscheinung, für die sich Arbeitslosigkeit häufig
wiederholte
(dynamische
Arbeitslosigkeit).
Es
zeigte
sich
das
Phänomen
diskontinuierlicher Erwerbsverläufe und es erschien eigentümlich, dass man diese Lage
des ständigen Wechsels als stabil bezeichnen konnte. Damals wurde von „stabilen
Diskontinuitäten“ gesprochen. Es zeichnete sich eine noch recht unspezifische und kaum
exakt beschreibbare „Gemengelage des Dazwischen“ ab, von der nicht nur bestimmte
Berufs- oder Risikogruppen betroffen waren; „Unsicherheit“, so die damalige
Schlussfolgerung, „verbreitet sich auch im Kern der Beschäftigung und es können alle
Erwerbspersonen betroffen sein“ (Mutz 1997, 7).
Einen ähnlichen Untersuchungsansatz verfolgte später die Bremer Forschungsgruppe um
Stefan Leibfried mit der dynamischen Armutsforschung (Buhr & Leibfried 1993; Leibfried
& Voges 1992; Leibfried & Leisering 1995; Leibfried et al. 1995). Sie kamen zu
vergleichbaren Ergebnissen und sprachen analog von einer Dynamik von
Armutsverläufen. Erstens wurde festgestellt, dass die Wege in die Armut vielfältig
geworden waren, zweitens variierten Anzahl und Dauer der Armutsphasen bei den
betreffenden Personen sehr stark. Drittens wurde nachgewiesen, dass die Mehrzahl der
1 Bei den zuvor durchgeführten Studien handelte es sich entweder um deskriptiv-statistische Analysen oder um
Forschungen zu dem Personenkreis der Arbeitslosen, nicht jedoch zu der Struktur der Arbeitslosigkeit; stark
rezipiert wurden auch eher sozialpsychologische Forschungen, siehe prominent: Kieselbach/ Wacker 1987;
Wacker 1983.
3
Betroffenen nicht in der Armut verblieb, sondern dass es auch Wege aus der Armut gab:
Beobachtet wurden unterschiedliche „Karrieretypen“ (Ludwig 1992). Die These war, dass
die Grenzen zwischen Armut und Nichtarmut zunehmend verschwimmen (vgl. Buhr
1998). Später kam die Überlegung hinzu (vgl. Böhnke & Delhey 1999), dass es sich auch
bei Armutsprozessen um „Statuspassagen“ handele: Es gehöre zum Erscheinungsbild
moderner Armutsprozesse, dass Menschen aufgrund bestimmter Ereignisse für einen
begrenzten zeitlichen Abschnitt arm sein könnten, sich dann aber wieder aus dieser
Situation befreiten (vgl. ebd. 1999, 6).
Diese Untersuchungen haben deutlich gemacht, dass nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern
auch Armut in der Zeitdimension und damit in ihrer Prozesshaftigkeit zu sehen sind,
weshalb seit dem von einer „Verzeitlichung“ sozialer Ungleichheit ausgegangen wird (vgl.
Berger 1990, Leisering 1993). Aus diesem Grund sei es treffender, von Arbeitslosigkeitsund Armutsprozessen zu sprechen (vgl. die Beiträge in Berger & Sopp 1995). In diesen
Prozessen verbleiben immer mehr Menschen in einem relativ stabilen „Zwischenraum“
(Mutz 1995).
1.2 Prekäre Zwischenzone(n)
Die heutigen Diskussionen über das neue Phänomen einer Prekarisierung wurden seit
dem Jahr 2000 maßgeblich von den Arbeiten des französischen Sozialwissenschaftlers
Robert Castel beeinflusst. Er hat ein analytisches Gerüst zu gesellschaftlichen Kern-,
Rand- und Prekaritätszonen entworfen und den Begriff der „Zone der Verwundbarkeit“
geprägt. Castel beschreibt die gesellschaftliche Struktur nicht als ein Oben-Unten,
sondern folgt – von Bourdieu beeinflusst – der Vorstellung eines sozialen Raums, dessen
Kern eine „Zone der Integration“ bildet; am Rand befindet sich die „Zone der
Entkopplung“, dazwischen schließlich liegt die „Zone der Prekarität/Verwundbarkeit“
(Castel 2000).
Im Kern sichern überwiegend stabile Normalarbeitsverhältnisse die gesellschaftliche
Integration, die allerdings ebenfalls zunehmend gefährdet sei; Castel spricht von einer
„Destabilisierung der Stabilen“ (2000, 357). In der entkoppelten Zone haben sich – etwa
durch Langzeitarbeitslosigkeit verursachte – Desintegrations- und Exklusionsprozesse
bereits
verfestigt.
Dazwischen
liegen
prekäre
Beschäftigungsstrukturen:
Unterbeschäftigung und instabile Beschäftigungsverhältnisse, wie z.B. Zeit- und
Leiharbeit, abhängige Selbständigkeit, gewisse Formen der Teilzeitarbeit oder auch
Beschäftigungen im Niedriglohnbereich. In dieser prekären Zwischenzone sind zudem
auch jene Personengruppen, die durchaus wertschöpfend und produktiv arbeiten – aber
eben nicht über das Erwerbsarbeitssystem integriert sind: insbesondere Formen des
Caring, aber auch private Eigenarbeit oder Bürgerengagement. Derartige Tätigkeiten, so
Castel, sicherten nicht den Lebensunterhalt und bewirkten keine Integrationsprozesse in
Richtung Kernzone.
4
Zone der
Integration
Zone der Prekarität
Zone der Entkopplung
Abbildung 1: Eigene Darstellung, Castels Zonen des sozialen Raums
Castel beschreibt diese Entwicklung als „Metamorphosen der sozialen Frage“ (so auch der
Buchtitel) und behauptet die Entstehung einer Neuen Sozialen Frage, die zu besonderen
Formen
sozialer Unsicherheit
führe. Er
sieht in
den hoch
entwickelten
Arbeitsgesellschaften einen Trend zur zweifachen Spaltung, die die Vorstellung von einer
einfach gespalteten Gesellschaft – die Zweidrittelgesellschaft – ablösen würde. Dabei
gebe es zwei Sachverhalte, die derartige Prozesse ausgelöst hätten: Die zunehmende
Marginalisierung Vieler am Arbeitsmarkt und die damit verknüpfte allgemeine
Schwächung sozialer Beziehungen und Netzwerke.
Im Anschluss an Castel haben in Deutschland Klaus Dörre und Mitarbeiter der Universität
Jena Untersuchungen zum Prekariat aus beschäftigungsorientierter Perspektive vorgelegt
und das Instrumentarium zur Analyse prekärer Lebenslagen verfeinert. Sie weisen in
ihrer empirischen Studie erstmalig nach, dass sich auch in der Bundesrepublik
Deutschland prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse durchgesetzt haben (Brinkmann et
al. 2006; Dörre et al. 2003; Dörre 2003; 2006).
Sie grenzen den Bereich der Exklusion präziser von der Zone der Prekarität ab und
unterscheiden in der „Zone der Entkopplung“ die „überwindbare“ und die „kontrollierte“
Ausgrenzung. Im ersten Bereich sei Veränderung möglich, im zweiten seien die
Personengruppen bereits „abgehängt“ (Brinkmann et al. 2006, 55). Auf der subjektiven
Ebene seien „Sinnverluste, soziale Isolation, Statusunsicherheit sowie Anerkennungsund Planungsdefizite“ (Dörre 2005, 3) zu beobachten. Wie Castel sind auch sie der
Ansicht, dass soziale Unsicherheit in die reichen westlichen Gesellschaften zurückkehre –
so auch in die Bundesrepublik Deutschland.
Zone der
Prekarität
Zone der
Zone der
5
Integration
Entkopplung
Abbildung 2: Eigene Darstellung, Schnittmengen im sozialen Raum
1.3 Inklusions- und Exklusionsprozesse
Mit Inklusions- und Exklusionsprozessen haben sich in jüngster Zeit die Soziologen Martin
Kronauer und Heinz Bude/ Andreas Willisch sowie Berthold Vogel beschäftigt. Kronauer
beschreibt Inklusions- und Exklusionsprozesse im Hinblick auf Erwerbsarbeit, soziale
Beziehungen und gesellschaftliche Teilhabe und unterscheidet dabei drei Ebenen (vgl.
Kronauer 2002; 2006):
- Im Hinblick auf die Erwerbsarbeit droht Marginalisierung oder gar vollständige
Exklusion, wenn Desintegrationsprozesse am Arbeitsmarkt greifen und keine
Statusalternativen vorhanden sind (Ausbildung, Haushaltstätigkeiten, Ruhestand).
Prekäre Arbeitsverhältnisse können, müssen aber keine Ausgrenzungsprozesse
auslösen. 2
- Die zweite Exklusionsebene bezieht sich auf die Schwächung von sozialen Beziehungen
und Bindungen, also eine Verringerung des sozialen Kapitals.
- Auf der dritten Ebene geht es schließlich um mangelnde Beteiligungsmöglichkeiten in
Bereichen Politik oder Kultur und Zugang zu (sozialen) Bürgerrechten.
Diese Differenzierung von Exklusionsebenen geht über die bislang immer noch starke
Fokussierung auf den Erwerbsbereich hinaus und betont die Bedeutung von
gesellschaftlichem Zusammenhalt und Teilhabe. Damit wird die Vielschichtigkeit von
Exklusionsprozessen und damit das Ineinandergreifen von Prekarität und Ausgrenzung
deutlich.
Es ist darüber hinaus das Verdienst Kronauers, dass neben der Ebenendifferenzierung auf
einen besonderen Sachverhalt hingewiesen wird: Er versteht Exklusion als einen Prozess,
der auf die Wirkmechanismen in der Gesellschaft verweist. „Denn die Umbrüche der
Erwerbsarbeit, die Veränderungen wohlfahrtsstaatlicher Regulierung und der Wandel
sozialer Beziehungen, die sich in zugespitzter Form in der Exklusion bemerkbar machen,
durchdringen in unterschiedlichen Manifestationen das gesellschaftliche Leben insgesamt“
(ders. 2007, 8). Exklusionsprozesse haben in der Gesellschaft ihren Ausgangspunkt und
somit geht es folglich nicht nur um ein Verständnis der Ausgrenzungs- sondern
insbesondere auch der Inklusionsprozesse; das Konzept der Exklusion „zwingt, vom Rand
her ins gesellschaftliche Zentrum vorzudringen (ders. 2006, 30, Herv.i.O.). 3 Somit müsse
man sich von der Vorstellung verabschieden, „die Welt der Ausgegrenzten sei eine
2 Auch Bartelheimer stellt dazu fest: „Nicht jedes atypische Beschäftigungsverhältnis ist zugleich prekär, und
auch das subjektive Empfinden von Prekarität unterscheidet sich z.B. bei Männern und Frauen erheblich“ (1998,
165).
3
„Heute, unter den Bedingungen universalisierter Normen, intern verallgemeinerter Bürgerrechte und
transnationaler Marktbeziehungen, muss Ausgrenzung mehr denn je als Ausgrenzung in der Gesellschaft
begriffen werden. Sie setzt den Anspruch oder die formale Berechtigung zur Zugehörigkeit geradezu voraus –
ohne dass dieser Anspruch eingelöst würde. Weniger der Ausschluss aus Institutionen als die Ausgestaltung der
Institutionen selbst …, die Ausgestaltung der institutionellen Inklusion – ist heute für den Verlust von realer
Teilhabe entscheidend“ (ebd., 10; Herv.i.O.).
6
Gegenwelt zur eigenen“. Vielmehr ginge es darum, „die Gleichzeitigkeiten des ‚Drinnen’
und ‚Draußen’ zu erkennen. Die Ausgegrenzten sind Teil der Gesellschaft, auch wenn sie
nicht an ihren Möglichkeiten teilhaben (ders. 2006, 10; Herv.i.O.). Mit dieser Ansicht
überwindet Kronauer das typische Randgruppenkonzept von Armut; für ihn ist Exklusion
keine individuelle Lage, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis (ders. 2002) – das
Risiko ist dabei höchst ungleich verteilt (vgl. bereits: Kronauer & Vogel 1998).
Auch Bude betont die Dimension der Teilhabe und verknüpft diese mit der individuellen
Ebene von Statuserfahrungen: „Weil diese Entwicklungen die gesamte Gesellschaft
durchziehen, gibt es für immer mehr Leute nicht nur eine Frage sozialer
Selbsteinstufung, nämlich die von oben und unten, sondern auch noch die Frage von
drinnen und draußen. Das heißt, über die Frage von oben unten, die es natürlich nach
wie vor gibt, die man auch relativ gut messen kann, legt sich die Frage von drinnen und
draußen, also wer gehört dazu und wer nicht“ (Bude 2004, 2-3; siehe auch: Bude,
Lantermann 2006; Bude & Willisch 2006). Mit der Fokussierung auf „Drinnen-DraußenErfahrungen“ wird eine weitere Ebene von Exklusionsprozessen thematisiert, die das
Oben-Unten gewissermaßen überlagert. Bude kritisiert an der gängigen Verwendung des
Exklusionsbegriffs, dass diesem zumeist die Vorstellung von „Ghettos“, „sozialen
Brennpunkten“ oder „Teufelskreisen der Benachteiligung“ zu Grunde liege. Der gängige
Exklusionsbegriff „unterstellt eine Welt der Chancen und der Berücksichtigung auf der
einen und eine Welt des Ausschlusses und der Ignorierung auf der anderen Seite“ (Bude,
2004, 4). Exklusion stellt im Sinne Budes vielmehr einen abstrakten Sammelbegriff für
verschiedene Formen gezielter Ausgrenzung, funktionaler Ausschließung und
existenzieller Überflüssigkeit dar, „die eine Spaltung der eingelebten Sozialstruktur mit
sich bringt“ (Bude & Willisch 2006, 10).
Wenn wir diese Studien zu Exklusionsprozessen zusammenfassen, so werden die
Anschlüsse insbesondere zu Castels Analysen von neuen Prekarisierungstendenzen
deutlich. Die genannten Autoren greifen Prozesse im „Zentrum“ auf und beschreiben von
dort aus Exklusionsgefährdungen im Bereich der Erwerbsarbeit, des sozialen Gefüges und
der Teilhabe. Die Vorstellung von Zentrum und Peripherie wird durch ein bipolares
Drinnen und Draußen ergänzt, das als ein ausdifferenziertes und heterogenes
„Ungleichheitsspektrum“ (Bude) beschrieben wird. Im Unterschied zu Castel oder Dörre
und Mitarbeitern sehen Bude, Kronauer und Willisch jedoch dazwischen keinen
ausgezeichneten sozialen Raum mit charakteristischen Merkmalen.
1.4 Ein Konzept zur Analyse neuer Prekarisierungs- und Exklusionsprozessen
Um Prekarisierungs- und Exklusionsprozesse theoretisch
soziologischer Sicht folgendermaßen argumentiert werden:
zu
erfassen,
muß
aus
(1) Festzuhalten ist zunächst eine Flexibilisierung in der Arbeitswelt und der
Arbeitsverhältnisse selbst. Dies führt zu einer Verdichtung der Arbeitsprozesse einerseits
und zu einer Pluralisierung der Arbeitsverhältnisse andererseits. Dabei ist umstritten, ob
man bereits von einer Erosion der industriell geprägten Normalarbeitsverhältnisse
7
sprechen kann oder deren erstaunliche Stabilität konstatiert – dies ist eine Frage der
jeweiligen Perspektive („das Glas ist halb leer oder halb voll“). Eindeutig ist jedoch, dass
gerade auch in den noch relativ stabilen Kernbeschäftigungslagen Arbeitsverdichtungen
zu beobachten sind, und dass sich neben den Normalarbeitsverhältnissen eine „bunte
Vielfalt“ (Beck) von diskontinuierlichen Beschäftigungsformen entwickelt hat. 4
(2) Des Weiteren, und dies bleibt in fast allen herkömmlichen Armutsstudien
unberücksichtigt, hat sich der bereits seit Jahrzehnten beobachtbare Prozess der
Individualisierung von Lebensgestaltungen fortgesetzt, der zu einer Ausdifferenzierung
und damit Pluralisierung von Lebensgemeinschaften geführt hat; gemeint sind hier in
erster Linie die traditionelle Familie und andere Formen von Lebensgemeinschaften. Sie
sind ebenso diskontinuierlich geworden wie Erwerbsverhältnisse. Parallel zur Arbeitswelt
– und dies ist für Prekarisierungs- und Exklusionsprozesse neu – kann ebenfalls von einer
Destabilisierung von Familien und Lebensgemeinschaften gesprochen werden. Zusätzlich
kann von einer erweiterten Stufe der „Arbeitsmarktindividualisierung“ (Beck 1986)
gesprochen werden, denn auch die Erwerbswünsche der Erwerbspersonen haben sich
ausdifferenziert und damit pluralisiert; ein Wandel von Erwerbsorientierung und zentrierung ist die Folge (Mutz et al. 1997). Die Ansätze von Castel und Dörre erweisen
sich in dieser Hinsicht als zu einseitig auf die Arbeitswelt bezogen.
(3) Erst diese veränderten und teilweise „blockierten“ Integrationsmodi in der Arbeitswelt
und in Lebenspartnerschaften des sozialen Nahbereichs führen – so unsere These – zu
dem von Kronauer beschriebenen allmählichen Abbau sozialer Beziehungen. 5 An dieser
Stelle ist Putnams Unterscheidung von „bonding“, „linking“ und „bridging social capital“
hilfreich: 6 Wenn sich im Kern der Gesellschaft, wie oben beschrieben, die
Integrationsmodi einschneidend verändern, dann reduzieren sich zunächst die sozialen
Beziehungen im engen sozialen Umfeld (zu Nachbarn, Freunden, Bekannten), aber dann
insbesondere auch zu anderen Hierarchieebenen (insbesondere zu Bürokratie und
Verwaltung – „Ämter“) sowie zu anderen Stadtvierteln, Milieus oder Gruppen der
Gesellschaft.
(4) Eine allmähliche Abnahme des sozialen Kapitals wiederum reduziert gesellschaftliche
Partizipationsmöglichkeiten, nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer, sozialer
oder kultureller Art. Eine bedeutsame Rolle spielen hier wirksame Zugangschancen, nicht
nur zur Arbeitswelt, sondern ebenfalls zu solchen sozialen Netzwerken, die Teilhabe erst
ermöglichen.
Es ist unmittelbar einsichtig, dass diese vier Dimensionen zusammen- und rückwirken,
sich also gegenseitig verstärken und „aufschaukeln“ und zu einer „kumulativen
Entbindung“ (Bude) führen; der soziale Zusammenhalt schwindet und verliert an sozialer
4
Einerseits kann gezeigt werden, dass die absolute Zahl von Normalarbeitsverhältnissen in den vergangenen 30
Jahren stabil geblieben ist; andererseits ist gleichzeitig die absolute Zahl der atypischen
Beschäftigungsverhältnisse deutlich gestiegen, weshalb insgesamt der Anteil von Normalarbeitsverhältnissen
kontinuierlich zurückgegangen ist (Hacket et al. 2001; Schmidt 2000).
5
Zum Einfluß sozialer Unsicherheit auf die „Tragfähigkeit“ sozialer Nahbeziehungen vgl. Diewald 2003 und zur
Rolle von sozialen Beziehungen als „mögliche infrastruktur“ siehe ders. (1991,78).
6
„Bonding“ beschreibt soziale Beziehungen zu „Gleichgesinnten“ auf horizontaler Ebene, „Linking“ vertikale
Kontakte zu höheren Hierarchieebenen und bei „Bridging“ geht es um überbrückende soziale Beziehungen etwa
über Milieugrenzen hinaus (vgl. Putnam 2000; Woolcock 2001).
8
Dichte. Ähnliche Zusammenhänge sind bereits in vielen Armutsstudien empirisch belegt
worden.
Die theoretische Klammer bilden Individualisierungsprozesse, die zu spezifischen
Prekaritäts- und Entkopplungslagen führen (zur sozialen Lage vgl. Hradil 1987). Hierbei
handelt es sich um Momente „objektiver“ sozialer Gefährdungen, die auf der
„subjektiven“ Ebene zu sozialer Unsicherheit, also wie Bude beschreibt, zu einem
Prekaritäts- und Entkopplungsempfinden führen können. Bezug nehmend auf Kronauer
ist hinzuzufügen, dass Individuen gesellschaftliche Normen akzeptiert und verinnerlicht
haben müssen, um sich ausgegrenzt fühlen zu können. Scheiternserfahrungen,
Ohnmachtsgefühle oder das Empfinden von Chancen- und Machtlosigkeit sowie
Zukunftsängste haben ihren Bezugspunkt in der Gesellschaft. Es ist schließlich eine Frage
der individuellen (materiellen, sozialen und psychischen) Ressourcen und Kompetenzen,
die, biographisch erworben, sehr ungleich verteilt sind (vgl. Vogel 2006). Deshalb kommt
es zu sehr verschiedenen Formen des Gefährdungsmanagements und die „alltägliche
Lebensführung“ (vgl. etwa: Voß 1995) weist eine zwar eingeschränkte, aber gestaltbare
Variabilität auf.
Besonderes Merkmal dieser modernen objektiven Gefährdungslagen ist nicht nur ihre
Mehrdimensionalität, sondern insbesondere eine bislang nicht gekannte Komplexität, die
kaum die notwendige Reflexion der eigenen Lage erlaubt. Die gesellschaftlichen
Anforderungen einer „Reflexiven Moderne“ (Beck et al. 2004, Beck & Holzer 2004) und
ihrer neuartigen „Politischen Ökonomie der Unsicherheit“ können immer weniger mit den
vorhandenen traditionellen individuellen Ressourcen und Kompetenzen bewältigt und
„normalisiert“ werden (Mutz et al. 1995). Das Leben wird zu einem offenen Projekt. Eine
„gelingende Identität“ wird Aufgabe alltäglicher Lebensbewältigung – hierauf hat der
Sozialpsychologe Heiner Keupp in vielen seiner Schriften hingewiesen (vgl. z.B. Keupp
2004). Die in empirischen Studien beobachteten Bastel- und Patchworkbiographien
(Hitzler; Keupp) beruhen allerdings weniger auf autonomen Lebensentwürfen; sie sind
vielmehr Ausdruck dieser „gefühlten gesellschaftlichen Ungleichheit und Unsicherheit“
(Vogel 2006, 345) und stellen allenfalls einen kreativen Umgang mit „negativen
Individualisierungen“ dar.
Dabei ergeben sich beachtliche Unterschiede, ob sich Menschen in einer prekären oder
entkoppelten Lebenslage befinden und wie sie diese bewältigen können (siehe weiter
unten). Prekarität bedeutet, dass es immer wieder möglich ist, eine Erwerbstätigkeit
aufzunehmen oder Lebensgemeinschaften einzugehen und dass damit der Verbleib in
dieser sozialen Lage möglich ist. Prekäre Beschäftigungssituationen sind durch
diskontinuierliche Erwerbstätigkeiten gekennzeichnet („dynamische Arbeitslosigkeit“),
eine solche soziale Lage (mal beschäftigt, mal arbeitslos) kann durchaus relativ stabil
sein
(„stabile
Diskontinuität“).
Die
persönliche
Lebenssituation
etwa
von
Alleinerziehenden oder gering Verdienenden kann in hohem Maße prekär sein, obwohl sie
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die aber keine ausreichende materielle Absicherung
9
gewährleistet 7 - und es gilt festzuhalten, dass es selbst den „Mittelklassen … an ihren
weißen Kragen geht“ (Kronauer 2006, 27).
Entkoppelung ist eher gleichzusetzen mit Langzeitarbeitslosigkeit und relativ andauernde
Exklusion aus dem Beschäftigungssystem. Kennzeichen prekärer Strukturen in Familie
und Lebensgemeinschaften sind temporäre Diskontinuität und zugleich gelegentliche
Stabilität. Entkoppelte haben charakteristischerweise kaum noch Aussichten, der
Exklusion zu „entkommen“, weil die notwendigen Zugänge (assets) verschlossen sind.
Entkoppelung in den persönlichen Nahbeziehungen bedeutet eine soziale Isolation, die
stabile Partnerschaften erschwert.
In einer prekären sozialen Lage gibt es meist noch ein relativ dichtes soziales
Beziehungsgeflecht, also „bonding social capital“, das sich aber als so geschlossen
erweist, dass es die Personen an diese soziale Lage bindet und somit zu einem
allmählichen Abbau von „linking“ und „bridging social capital“ führt. Dem entsprechend
ist die soziale, kulturelle oder politische Teilhabe in einer prekären Lebenssituation zwar
eingeschränkt, aber immerhin so umfassend, dass es das geringe soziale Kapital
stabilisiert. Eine entkoppelte soziale Lage ist dem gegenüber gekennzeichnet durch ein
insgesamt wenig dichtes und instabiles Beziehungsgeflecht, das den sozialen
Zusammenhalt brüchig werden lässt. 8
Auf der individuellen Ebene geht es um die Erfahrung dieser „um sich greifenden
Mikroturbulenzen“ (Bude & Willisch 2006, 11): Im Anschluss an Dörre und Mitarbeiter
kann für die Zone der Integration das Gefühl der Statusunsicherheit festgestellt werden.
In der Prekarität sind individuelle Ressourcen und Kompetenzen vorhanden, die zwar
keine Überwindung dieser sozialen Lage erlauben, aber dennoch relative Stabilität in der
Zone der Prekarität ermöglichen. In den Begriffen von Dörre und Mitarbeitern wären dies
die Typen der „Realistischen“ und „Zufriedenen“, also jene Personen, denen es aufgrund
ihrer Ressourcenausstattung gelingt, es sich in der Prekarität „einzurichten“. Diese
Situation ist durchaus nicht nur aus einer Mangelperspektive zu betrachten, sondern es
gilt vielmehr auch die vorhandenen Kompetenzen in den Blick zu nehmen, die ein
gelingendes Gefährdungsmanagement ermöglichen. Zur Prekarität gehört auch eine
spezifische Statuserfahrung und somit Reflexion und Bewußtheit der eigenen sozialen
Lage: Charakteristisch ist die Erfahrung einer permanenten Überlastung, gepaart mit
einer Apathie, die daraus resultiert, diese Lebenssituation nicht verändern zu können.
Folge ist eine spezifische Form sozialer Unsicherheit, weshalb bei den Prekären ein
ständig angestrengtes „Normalisieren“ zu beobachten ist, um Identität in der Prekarität
zu stabilisieren. Entkopplung bedeutet hingegen, dass die individuellen Ressourcen und
Kompetenzen bereits sehr eingeschränkt und geschwächt sind; hier herrscht das Gefühl
der „Überflüssigkeit“ (Bude) oder „Nutzlosigkeit“ (Sennett) vor.
Es ist natürlich in erster Linie eine empirische Frage, ob sich gleichsam zwischen Drinnen
und Draußen eine von „Kern“ und „Rand“ abgrenzbare soziale Lage der Prekarität
identifizieren lässt. Konzeptionell von einer sozialen Lage der Prekarität zu sprechen
7
„Bedürftigkeit trotz Arbeit ist längst Realität“ (Bury, zit. nach Deutsches Ärzteblatt 2007, 19)
8
Eine „geringe Außenorientierung erschwert … innovative Prozesse“ und: „Eine weitere Schwachstelle stellt die
Verletzlichkeit starker Kernnentze … dar (Bien & Weidacher 2004, 117).
10
macht nur dann Sinn, wenn es einerseits gelingt, im Hinblick auf die genannten
objektiven Dimensionen Erwerbstätigkeit, Nahbeziehungen, soziales Kapital und Teilhabe
sowie subjektivem Empfinden und Ressourcenmanagement derartige „Grenzen“ und
entsprechende
Charakteristika
nachzuweisen;
es
geht
um
„eine
präzisere
Ortsbestimmung sozialer Brüche und Gefährdungen“ (Vogel 2006, 351). Eine Empirie von
Prekarisierungs- und Exklusionsprozessen ist jedoch andererseits unterdeterminiert,
würde man diese als sozial abgeschlossene Lebenslagen konzipieren. Vielmehr ist in
Anlehnung an die empirischen Ergebnisse von Dörre und Mitarbeitern von
Überschneidungen mit den Zonen Integration und Entkopplung, nämlich (in der Sprache
von Baumann) von fluiden Rändern auszugehen. Dies sind zur einen Seite hin „die
Hoffenden“ und „die Veränderungswilligen“, zur anderen Seite hin die von Exklusion
Bedrohten. Das Konzept der sozialen Lage hat genau den Vorzug, Beides - relative
Geschlossenheit und zugleich Offenheit der Zonen an ihren Rändern - angemessen zu
berücksichtigen.
Für eine analytisch „getrennte“ Empirie von Prekarisierungs- und Exklusionsprozessen
spricht die begründete theoretische Vermutung, dass wir es in vielfacher Hinsicht mit
Entgrenzungen zu tun haben (zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsformen,
Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit, Arbeits- und Lebenswelt usw.). Entgrenzung
bezeichnet die Auflösung der bisherigen Grenzen, hier zwischen Inklusion und
Entkopplung. Es entstehen in dieser gesellschaftlichen Umbruchsituation Ambivalenzen
und Uneindeutigkeiten oder, um mit Habermas (1996) zu sprechen, „Neue
Unübersichtlichkeiten“: Bisher vertraute Selbstverständlichkeiten sind brüchig geworden
oder haben ihre allgemeine Gültigkeit verloren, neue gesellschaftliche Ordnungen oder
gar feste Strukturen – von Prekaritätsprozessen – sind noch nicht erkennbar. In dieser
unübersichtlichen Gemengelage entsteht einerseits eine neue Zone, andererseits gibt es
dazwischen wiederum im Baumannschen Sinne fluide Ränder. Wir finden also sowohl
fluide Strukturen, als auch Stabilität in den jeweiligen Zonen. In den einzelnen Zonen
gibt es jeweils temporär und gleichzeitig dauerhaft Zugehörige.
2. Prekarisierung, Exklusion und psychische Störungen
2.1 Allgemeine Befunde
Psychische Störungen sind kein Randphänomen, sondern inzwischen weit verbreitet:
Jedes Jahr leiden in der Europäischen Union 27% (83 Millionen) Männer und Frauen unter
psychischen Störungen, einige chronisch, einige episodisch, einige nur einmalig für einige
Wochen. Die Lebenszeitprävalenz für die Entwicklung einer psychischen Störung beträgt
ungefähr 50%, d.h. jeder Zweite entwickelt einmal in seinem Leben eine psychische
Störung.
Epidemiologischen
Studien
zufolge
sind
die
am
meisten
verbreiteten
psychischen Störungen in der Europäischen Union Angst und Depression, gefolgt von
somatoformen und Abhängigkeitsstörungen (Weltgesundheitsreport der WHO 2001a;
siehe auch: Wittchen & Jacobi 2005). Die Rate der stationär mit der primären Diagnose
11
Depression Behandelten stieg in Deutschland in den letzten vier Jahren um 40% (Stoppe
et al. 2006). Man rechnet damit, dass bis zum Jahr 2020 affektive Störungen
(Depressionen) in den entwickelten Industriestaaten die zweithäufigste Ursache von
Erkrankungen sein werden (WHO 2001a, 11). In Deutschland sind Angsterkrankungen
sogar weiter verbreitet als depressive Störungen (Wittchen et al. 1999, Weber et al.
2006). 9 Wittchen (2005) weist allerdings darauf hin, dass zwar Ängste, Depressionen
und Substanzmissbrauch 10 , aber nicht psychische Störungen im Allgemeinen angestiegen
sind.
Surveys zeigen, dass in Deutschland insbesondere Verarmungs- und Zukunftsängste
gestiegen sind: Die Bielefelder Langzeitstudie (Heitmeyer 2006) zeigt eine Erhöhung der
Angst vor Arbeitslosigkeit bei deutschen Erwachsenen zwischen 2002 und 2005 von 21%
auf 29%. In diesem Zeitraum stiegen die Befürchtungen, dass sich die eigene
wirtschaftliche Basis verschlechtern wird, von 24% auf 38%. Diese Entwicklung wurde
durch die Einführung der Hartz IV-Gesetze forciert. Die Forscher konstatieren: „Die
Ergebnisse zeigen ein Konglomerat aus Angst, Unsicherheit und Machtlosigkeit, das von
wachsender Orientierungslosigkeit begleitet wird“ (Heitmeyer & Hüpping 2006, 11). Die
Studie
„Deutscher
Angstindex“
der
Versicherungsgruppe
R+V
zeigt
deutliche
Steigerungsraten der Lebensangst: Während 1991 25% der Deutschen der Zukunft mit
„großer Angst“ gegenüber standen, waren dies 2005 mehr als 50%. Die Deutschen
fürchten sich insbesondere vor eigener Arbeitslosigkeit, sinkendem Lebensstandard und
schwerer Krankheit (zit. nach Greiner et al. 2006, 14). Von Bedeutung ist hierbei, dass
es sich nicht um bereits exkludierte Personengruppen (die „Entkoppelten“) handelt,
sondern dass eine wachsende Zahl von Befragten aus der sozialen Mitte diese
Prekarisierungs- und Exklusionsängste hat: „40% der Befragten in mittleren sozialen
Lagen und sogar ein Viertel in gehobener Position äußern große oder sehr große Angst
vor Arbeitslosigkeit“ (Heitmeyer & Hüpping 2006). Diese Personen erleben sich selbst in
einer bedrohlichen sozialen Lage.
Auch bei Jugendlichen sind die Ängste in den vergangenen Jahren angestiegen. Die Shell
Jugendstudie 2006 (Hurrelmann & Albert 2006) zeigt, dass der Anteil Jugendlicher, die
befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren bzw. keine adäquate Beschäftigung zu finden,
im Jahr 2002 noch bei 55% lag, 2006 waren es bereits 69%. Auch die allgemeine Angst
vor der schlechten wirtschaftlichen Lage und vor steigender Armut nahm in den letzten
vier Jahren von 62% auf 66% zu. Dieser Druck, so die Autoren, führe zu vermehrten
gesundheitlichen Problemen. 11 Emotionale Belastungen entstehen offensichtlich sehr
früh, weil mögliche Prekarisierungs- und Exklusionsprozesse schon im Jugendalter
antizipiert werden. Gefühle von Unsicherheit sind nicht nur bei den bereits „abgehängten“
Hauptschülern verbreitet (die sich oft schon im jugendlichen Alter als Verlierer erleben),
sondern insbesondere auch bei der kommenden Generation, die eine mittlere oder obere
9 Dies kommt jedoch in den auf Arbeitsunfähigkeitsdaten basierenden Statistiken nicht zum Ausdruck, da
Angststörungen seltener als Depressionen zu Krankschreibungen führen (Lademann et al. 2006).
10 Hier spielt die Steigerung des Alkoholkonsums eine herausragende Rolle. Zusätzlich ist der steigende
Konsum von psychoaktiven Medikamenten, vor allem Beruhigungs- und Schmerzmitteln, zu berücksichtigen
(Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren 2006; Huber 2007).
11 Mädchen reagieren darauf mit depressiven Verstimmungen und psychosomatischen Störungen, Jungen
versuchen den Druck aggressiv nach außen loszuwerden (Hurrelmann & Albert 2006)
12
soziale Position anstreben: 38% der Hauptschüler, aber auch nur 57% der Gymnasiasten
blicken mit Zuversicht in die Zukunft. Man kann von weit verbreiteten latenten Ängsten
sprechen, die aber nicht etwa zu Renitenz und Auflehnung, sondern tendenziell eher zu
Anpassung und extremer Leistungsorientierung führen.
2.2 Psychische Störungen, Erwerbsarbeit und Armut
Untersuchungen
zu
psychischen
Störungen
und
verschiedenen
Aspekten
der
Erwerbsarbeit folgen dem klassischen Muster früher Arbeits- oder Arbeitslosenstudien. 12
Im Hinblick auf die oben geschilderten jüngsten Entwicklungen, wie Arbeitsverdichtung,
instabile
Beschäftigungen
oder
Erfahrungen
dynamischer
Arbeitslosigkeit
gibt
es
Vermutungen, aber keine systematischen Studien.
Die Ergebnisse vorhandener Studien sind jedoch durchaus aufschlussreich, weil sie nicht
unbedingt den intuitiven Vorannahmen entsprechen. Zwar wird allgemein als Ursache für
die steigende Inzidenz psychischer Störungen genannt: „Belastungen durch den Wegfall
sozialer Strukturen, die steigende Arbeitslosigkeit, die wachsende Zahl unsicherer
Arbeitsverhältnisse sowie die Zunahme von Arbeitsbelastungen“ (Lademann et al. 2006,
127); 13 auch eine Studie der EU geht davon aus, dass Stress am Arbeitsplatz und
“schlechte
Arbeitsbedingungen“
Gemeinschaft 2005, 9).
14
zu
psychischen
Störungen
führen
(Europäische
Erwerbsarbeit entwickelt sich zu einem „Balanceakt zwischen
Selbstverwirklichung und Erschöpfung“ (Unger 2008, o.S.). In aktuellen Untersuchungen
wurden jedoch spezifischere Risikofaktoren identifiziert, die eine andere Gewichtung nahe
legen (vgl. Unger 2008):
- Geringer Handlungs- und Entscheidungsspielraum, ungerechte Entscheidungen: Es
fehlen Einflussmöglichkeiten auf Gestaltung und Strukturierung der Arbeitsaufgaben, der
Abläufe oder Zielstellungen; erschwert wird die Situation durch willkürliche oder
ungerechte Entscheidungen von Vorgesetzten.
- Fehlende soziale Unterstützung, soziale Isolation (auch „Mobbing“-Prozesse): Schlechte
Teamarbeit, unbewältigte Konflikte oder mangelnde Kooperation stellen eine erhebliche
Belastung dar. Abwertung, Ausgrenzung oder kollektive Gegnerschaft verschärfen die
Problematik.
12
Psychische Auswirkungen der Arbeitslosigkeit werden in diesem Beitrag nicht behandelt – aber auch hier sind
die allgemeinen Ergebnisse eindeutig, denn bei der Gruppe der Arbeitslosen ist in der EU der Prozentsatz
psychischer Probleme doppelt so hoch wie bei Erwerbstätigen (European Community 2006 ; siehe auch Stoppe
et al. 2006). Offen bleibt bei diesen Daten immer, ob Arbeitslose mehr emotionale Probleme haben oder ob sie
sich durch diese stärker eingeschränkt fühlen; zumindest kann gefolgert werden, dass psychische Probleme die
Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschweren (European Community 2006, 25).
13 “Work represents two major sources of stressors that can contribute to poor mental health: work stress and
unemployment. Such stressors can increase the incidence of depression, anxiety, burnout, alcohol-related
problems, cardiovascular illness and suicidal behaviour.” (WHO 2004, 32)
14 Anders herum formuliert: „Der Abbau von Stressoren im Arbeitsumfeld sind der Gesundheit und der Wirtschaftsentwicklung zuträglich“ (Europäische Gemeinschaft 2005, 9).
13
- Geringe Wertschätzung und Anerkennung, schlechte Entlohnung (unausgewogene
Gratifikation): Wenn auf den Gratifikationsebenen (Geld, Anerkennung/Status) der
„Gegenwert“ unangemessen erscheint, verursacht dies ein Gefühl der Wertlosigkeit.
- Hohe persönliche Verausgabung und besonders starkes berufliches Engagement:
intensives Commitment, fehlende Grenzziehungen und unausgewogene Work-LifeBalance stellen ein weiteres erhebliches Risiko dar.
Es handelt sich hierbei vor allem um das das „innere“ Gefüge der sozialen Beziehungen
und deren Gestaltungsmöglichkeiten sowie das Gefühl der eigenen Wertigkeit. Die
üblicherweise
genannten
(Arbeitsverdichtung)
Umstrukturierungen,
Stress-
und
bzw.
Belastungsfaktoren,
Arbeitsplatzunsicherheit
mangelnde
sowie
Aufstiegsmöglichkeiten
oder
wie
Arbeitsbelastung
schnelle
fehlende
betriebliche
Fort-
und
Weiterbildung, also die „äußeren“ Bedingungen, folgen erst in zweiter Linie.
Gleichzeitig ist die umgekehrte Wirkrichtung zu betonen, dass nämlich psychische
Störungen wiederum die Arbeitsleistung beeinträchtigen. In einer Umfrage der European
Community (2006) geben rund 10% der befragten Erwerbstätigen an, dass ihre
Arbeitsleistung durch psychische Probleme eingeschränkt ist, 6% weisen deshalb auch
Fehlzeiten auf. In Deutschland sinken seit Jahren die Krankmeldungen erwerbstätiger
Personen, aber der Anteil von Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Störungen steigt
kontinuierlich an; auch der Anteil psychischer und psychosomatischer Erkrankungen an
der krankheitsbedingten Frühinvalidität/ Frühberentung hat zugenommen (Deutsches
Ärzteblatt 2006). Dabei sind nach entsprechenden Studien der deutschen Krankenkassen
die Arbeitsunfähigkeitstage auf Grund psychischer Störungen ungleich verteilt: sie
steigen überproportional im Dienstleistungsbereich (Gesundheits- und Sozialbereich,
Banken und Versicherungen), während sie im Verarbeitenden Gewerbe (vor allem im
Baugewerbe) eher selten auftreten (Lademann et al. 2006).
Wie
für
den
Bereich
der
Erwerbsarbeit
gilt
auch
für
Prekarisierungs-
und
Exklusionsprozesse, dass diese aus psychologischer Sicht nicht systematisch untersucht
wurden. Zwar gibt es unzählige Studien zu Armut und Gesundheit bzw. psychische
Erkrankung; es fehlt aber an psychologischen Forschungen, die die Dynamik von
Armutsverläufen
berücksichtigen
oder
prekäre
Lebenslagen
(Abstiegsbedrohung,
Arbeitsbelastung) mit einbeziehen.
Inzwischen wird nicht bezweifelt, dass soziale Lage und Gesundheit in einem engen
Zusammenhang zu sehen sind: „Armut ist ungesund“ – so die prägnante Formulierung
im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts (Riester 2007, 272).
Dies gilt für körperliche ebenso wie für die psychische Gesundheit: „Ein niedriger sozialer
und wirtschaftlicher Status erhöht die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen“
(Europäische Gemeinschaft 2005, 11). Eine Zusammenschau von 234 psychiatrischen
internationalen Fachblättern zum Thema Armut und Gesundheit kommt zum Ergebnis:
„Armut ist das Gesundheitsrisiko schlechthin“ (Bartens 2007, 18). Ein Survey des RobertKoch-Instituts aus den Jahren 2003-2005 zeigt, dass Kinder aus sozial benachteiligten
Familien in allen Bereichen von Gesundheit und Lebensqualität schlechtere Ergebnisse
14
aufweisen. Auffällig ist zudem eine Verschiebung von akuten zu chronischen Krankheiten
und von somatischen zu psychischen Störungen (Lampert & Kurth 2007). 15
2.3 Psychische Störungen im gesellschaftlichen Wandel
Das in Gesamteuropa steigende Auftreten von Depressionen und Ängsten sowie der
erhöhte Konsum von psychoaktiven (= die Befindlichkeit beeinflussende) Substanzen
können als (fehlgeschlagene, dysfunktionale) Kompensationsversuche einer „Politischen
Ökonomie der Unsicherheit“ (Beck) und daraus resultierender individueller An- bzw.
Überforderungen verstanden werden. Dies wird deutlich, wenn die zentralen Symptome
der drei gestiegenen Störungsbereiche und deren funktionale Bedeutung betrachtet
werden:
Zentrale
Kriterien
einer
Depression
sind
Gefühle
der
Hilflosigkeit
und
Hoffnungslosigkeit, negative Gedanken in Bezug auf sich selbst und die soziale Umwelt
sowie fehlender Antrieb, Grübeln und sozialer Rückzug. Im Vordergrund steht das
„passive Erleiden/ sich Fügen“. Ängste sind charakterisiert durch diffuse Gefühle der
Bedrohung und (Über-)Forderung, durch innere Anspannung, den Sorgen vor nicht
bewältigbaren Lebensaufgaben, unüberwindbaren Katastrophen oder einem Scheitern.
Hier sind „Abwehr und versuchte Absicherung“ sowie oft auch „Über-Kompensation“
vorherrschend. Psychoaktive Substanzen ermöglichen Entspannung und emotionale
Erleichterung sowie Steigerung der Funktionsfähigkeit; sie bedeuten aber auch eine
innere Flucht aus belastenden Situationen – es geht folglich um „Vermeidung“. Allen drei
Gruppen psychischer Störungen ist gemeinsam, dass sie eine aktive und eigenständige
Lebensgestaltung verhindern.
Die Daten zeigen deutlich, dass eine steigende Zahl von Menschen durch den Wandel von
Inklusionsprozessen im Kern der Gesellschaft überfordert ist. Im Deutschen Ärzteblatt
wird pointiert formuliert: „Als zwei wesentliche, gleichsam übergeordnete Bedingungen
(als
Auslöser
oder
zumindest
manifestationsfördernden
Faktor
insbesondere
bei
depressiven Störungen, Anm. d. Verf.), die derzeit Gesellschaft und Arbeitswelt
maßgeblich bestimmen, können das Primat der Ökonomie („McKinsey-Gesellschaft“) und
die Instabilität (in nahezu allen Lebenswelten) angeführt werden. Jeder Lebensbereich
wird nach ökonomischen Prinzipien ausgerichtet, wobei Effizienz die oberste Maxime
darstellt.
Die
gesamte
Gesellschaft
ist
gewissermaßen
ein
Unternehmen,
Managerverhalten wird zum Rollenideal“ (Weber et al. 2006, 171).
Insbesondere Beschäftigte im Dienstleistungssektor scheinen gefährdet zu sein. Dieser
Wirtschaftsbereich ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es keinen sichtbaren
Erfolg durch ein gelungenes Werkstück gibt und dass (oft diffuse) „soft skills“ Grundlagen
einer befriedigenden Arbeitsplatzsituation sind. Den hohen Anforderungen an soziale
Kompetenz und intrinsischer Motivation stehen geringe gesellschaftliche Anerkennung
15 Eine Sozialisation in Armut hat, auch nach einer Verbesserung der materiellen Lebenssituation, offenbar lang
anhaltende psychische Folgeschäden: Zwei amerikanische Studien (Allen 2003; Costello et al. 2003) zeigen
signifikante gesundheitliche Einschränkungen, wie Depressionen und Ängste, auch mehrere Jahre nach
Beendigung materieller Armut. Untersucht wurden Kinder eines Stammes von Cherokee Indianern, deren Eltern
durch den Bau eines Kasinos auf ihrem Territorium in kurzer Zeit vermögend wurden.
15
und oftmals niedrige Entlohnung (insbesondere in den sozialen Berufen) gegenüber.
Somit bündeln sich gerade hier mehrere der oben geschilderten Risikofaktoren. Dies
stimmt mit den oben genannten Untersuchungen überein, die auf die Bedeutsamkeit der
sozialen Beziehungen und deren Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsbereich hinweisen.
Sennetts (2005) Überlegungen zur Gegenständlichkeit als eine Grundlage für das Gefühl
der eigenen Wertigkeit finden hier ihre empirische Basis. Hinzu kommen die belastenden
„äußeren“ Bedingungen, wie Arbeitsverdichtung und Beschäftigungsunsicherheit. Häufig
bemühen
sich
die
Beschäftigten,
Leistungsanforderungen
zu
durch
entsprechen;
erhöhte
sie
Arbeitsintensität
versuchen,
den
befürchtete
Leistungseinschränkungen auszugleichen und einem möglichen Scheitern zuvor zu
kommen. Genau dies führt aber wiederum zu einer erhöhten Konzentration auf die
Erwerbsarbeit und zu einer Verschärfung einer ohnehin „schiefen“ Work-Life-Balance.
3. Sozialpolitik: Soziale und Psychische Auswirkungen
3.1 „Reform“ und Wandel
Nach der Jahrtausendwende kam es in der Arbeitsmarktpolitik zu einem besonderen
Einschnitt: Das alte, schon überwunden geglaubte Paradigma der Vollbeschäftigung
wurde wieder entdeckt und zur Leitlinie der Beschäftigungspolitik (Wolfgang Clement:
„Vollbeschäftigung ist möglich!“; Die Zeit 2004). Diese wiederum stellte das letzte Glied
in
der
Kette:
Beschäftigungspolitik-Arbeitsmarktpolitik-Wirtschaftspolitik-Finanzpolitik
dar; somit folgte die Beschäftigungspolitik letztlich den vermeintlichen Erfordernissen der
Wirtschafts- und insbesondere der Finanzpolitik und die durchaus nicht falsche Formel
„Wirtschaftswachstum erzeugt Beschäftigung“ wurde zum zentralen, aber allerdings auch
alleinigen Fokus der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Pikanterweise und unerwartet setzte
gerade die „rot-grüne“ Koalition eine einseitig angebotsorientierte Wachstumspolitik
durch: Die Unternehmenssteuern wurden gesenkt und das Arbeitskräfteangebot sollte
zudem für die Unternehmen finanziell und qualitativ attraktiver werden. Hinzu kam eine
Fokussierung auf den so genannten ersten Arbeitsmarkt, während andere Formen der
Beschäftigungsförderung reduziert wurden. Selbst eindeutig beschäftigungswirksame
Bereiche, wie der Dritte Sektor oder die Soziale Ökonomie, konnten sich deshalb kaum
weiter
entwickeln.
Hingegen
Beschäftigungsförderung
Mikrounternehmen
wurden
implementiert,
(Ich-AGs).
Die
so
Folgen
stark
etwa
sind
individualisierte
die
Gründung
bekannt:
Formen
der
meist
prekärer
Zunahme
prekärer
Beschäftigungen und weiter steigende Arbeitslosigkeit, die erst ab 2006 durch günstige
Weltwirtschaftsbedingungen gestoppt werden konnte.
Komplementär dazu wurde Sozialpolitik zum verlängerten Arm der Arbeitsmarkt- und
Beschäftigungspolitik. Sie löste sich schrittweise von ihrer genuinen Funktion, Risiken des
Erwerbsbereichs und andere soziale Gefährdungen zu flankieren und gegebenenfalls zu
16
kompensieren. Stattdessen stand erstens die „Re-Kommodifizierung“ der Arbeitskraft im
Vordergrund. 16
Damit
ist
gemeint,
dass
die
neuen
„Kunden“
der
Sozialpolitik
überwiegend als eingeschränkt verwertbare Arbeitskräfte gesehen wurden, die man nur
wieder „marktgängig“ machen müsse, um sie dem Erwerbssystem „zuzuführen“
(Nullmeiner
2004,
folgenreichen
497:
„Erziehung
Paradigmenwechsel,
wohlfahrtstaatlichen
Versorung“
zum
zu
(Bude
Markt“).
einer
&
Zweitens
„veränderten
Willisch
2006,
kam
es
zu
Grammatik
11):
einem
unserer
Während
die
Nachkriegssozialpolitik noch eindeutig ein vor- und fürsorgendes Verständnis aufwies und
das Ziel verfolgte, Risiken der Erwerbsarbeit und Gefährdungen der Lebensführung
abzuschwächen und den einmal erreichten sozialen Status bei Arbeitslosigkeit und
anderen Wechselfällen des Lebens abzusichern, setzte sich nun eine gewährleistende
Sozialpolitik der Exklusionsvermeidung durch. Es geht nun nicht mehr um eine
Entschärfung von Risiken und Gefährdungslagen, sondern darum zu verhindern, dass
Bürger durch die letzten Maschen des sozialen Netzes fallen. Somit wurde in Kauf
genommen, dass ein einmal erreichter Wohlstand und sozialer Status – etwa im Falle
langer Arbeitslosigkeit oder Krankheit – prekär wurden oder gar verloren gehen.
Gleichzeitig wurde drittens – analog zur Beschäftigungspolitik – der individualisierende
Charakter von Sozialpolitik verschärft: Der durchaus innovative Ansatz der sozialen
Aktivierung und die Betonung einer eigenverantwortlichen Lebensführung wurden
umgewendet in eine weit reichende Privatisierung sozialer Risiken – eine neoliberale
Staatsauffassung
lieferte
die
notwendige
Rhetorik
für
diese
Ausprägung
der
Sozialstaatsreform.
Ein treffendes Beispiel aus diesem Reformpaket der frühen 2000er Jahre ist hier
aufschlussreich:
kann,
sind
„Hartz IV“ und „Ein-Euro-Jobs“, 17 die man als Kernstück betrachten
Ausdruck
des
skizzierten
Wandels
mit
den
Bestandteilen:
Re-
Kommodifizierung, Paradigmenwechsel und Privatisierung sozialer Risiken.
Zur Erinnerung: Die Hartz-Kommission wurde eingesetzt, um Defizite bei der Vermittlung
von Arbeitslosen zu beseitigen. Es ging um eine schnelle und weniger bürokratische
Integration der Arbeitslosen in eine reguläre Beschäftigung des ersten Arbeitsmarktes
und gleichzeitig um die Frage, wie zusätzliche, finanziell „attraktive“ Beschäftigungen in
den Kommunen und im Dritten Sektor geschaffen werden könnten. Das
Verwaltungshandeln der Arbeitsämter sollte folglich optimiert werden. 18 Die zu Gesetz
gewordenen Maßnahmen setzen jedoch nicht bei der Verwaltung an, sondern
insbesondere bei den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern selbst.
Die Parole „Fordern und Fördern“ zielt auf die Marktgängigkeit der Arbeitskraft. Damit
wird
die
Sozialpolitik
zu
einer
der
Arbeitsmarkt-
und
Beschäftigungspolitik
nachgeordneten Instanz der „Zurichtung“ – Kommodifizierung – von Arbeitskräften. Da
der reguläre Arbeitsmarkt jedoch gar nicht in der Lage war, diese Arbeitskräfte zu
16
Offe weist darauf hin, dass der Begriff „Re-Kommodifizierung“ eigentlich unpräzise ist, weil der
Wohlfahrtsstaat schon immer nicht nur dekommodifizierende und emanzipatorische Funktionen hatte, sondern
zugleich auch soziale Kontrolle und Zurichtung für die Marktgesellschaft bedeutete; er spricht von „interne
Exklusion“; siehe auch Bourdieu, der von „intern Ausgegrenzten“ spricht (Offe 1996; Bourdieu 1997). Der
Erwerbszwang wurde niemals gänzlich ausgesetzt (vgl. Lessenich 1999).
17 Im Rahmen von Hartz IV werden die Leistungsempfänger unter Androhung von Leistungskürzungen
verpflichtet, gemeinnützige Arbeit zu leisten. Die Träger der Sozial-Jobs sind nicht zur Qualifikation verpflichtet;
im Krankheitsfall gibt es keine Lohnfortzahlung und es ist keine Unfallrente vorgesehen.
18 Deswegen waren von Hartz IV auch niemals ernsthaft Beschäftigungsimpulse oder gar arbeitspolitische
Integrationsleistungen zu erwarten.
17
absorbieren, wurde „Fordern und Fördern“ folgerichtig mit einem neuen Sozial-JobSystem verknüpft, das eindeutig jenseits des Erwerbssystems liegt und den Arbeitsmarkt
nicht
weiter
belastet.
Da
es
sich
bei
den
„Ein-Euro-Jobs“
nicht
um
reguläre
Beschäftigungen handelt, wurde in der Reformrhetorik zwar Integration proklamiert,
verstärkt wurden aber Prekarisierungstendenzen. Die Betreffenden bleiben außerhalb der
gesellschaftlichen Kern-Zone und Inklusion wird genau durch diese Konstruktion fast
unmöglich gemacht. Allerdings wird gänzliche Exklusion dadurch vermieden, dass ein
„Ein-Euro-Zuverdienst“
zu
den
Sozialleistungen
möglich
gemacht
wurde.
Diese
„Gewährleistung“ ist allerdings verknüpft mit dem individuellen (Wohl-)Verhalten der
betreffenden Personen – deshalb der Zwang zur Aufnahme von „Ein-Euro-Jobs“.
Im Hinblick auf Prekarisierungstendenzen wirkt verschärfend, dass in sozialen Notlagen
in einem weiten Umfange persönliche Vermögen eingesetzt werden müssen und auf die
Sozialleistungen angerechnet werden. Auch hier wird wieder deutlich, dass Statuserhalt
und damit ein „Abbremsen“ von Prekarisierungsprozessen gar nicht angezielt ist – im
Gegenteil: Die Verwundbarkeit ist durch die aktuelle Sozialpolitik größer geworden und
ebenso das Risiko, sehr schnell in die Zone der Exkludierten „abzurutschen“ – es kommt
allenfalls zu einer neuen Form der „sekundären Integration“ (Land & Willisch 2006, 82).
In diesem Sinne kann man durchaus von einer „Dynamisierung der Prekarität“ sprechen
– die Sozialpolitik selbst wurde zum „Generator von Individualisierungsprozessen“ (Bude
& Willisch 2006, 13).
Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Schere zwischen Reichen und
Armen ohnehin weiter öffnet, wie die Bielefelder Langzeitstudie zeigt (Heitmeyer &
Hüpping 2006): Das Nettoeinkommen hat demnach im Zeitraum von 1993 – 2004 bei
dem reichsten Viertel Deutschlands um 28% zugenommen, während es bei dem ärmsten
Viertel um 50% abgenommen hat. Besonders betroffen sind Frauen, vor allem allein
erziehende
Mütter
und
Kinder
sowie
Menschen
mit
Migrationshintergrund
und
Zuwanderer. Eine OECD-Studie (2007) warnt zudem vor einer steigenden Altersarmut in
Deutschland. Hinzu komme, dass in Deutschland Beruf und Familie besonders schlecht
vereinbar seien, was zu einer Verschlechterung der finanziellen Lage von Familien führe.
Hurrelmann & Albert (2006) schätzen, dass es etwa 15 Prozent definitiv überforderte
Elternhäuser gibt; dies stehe in einem engen Zusammenhang mit mangelnder Bildung
und materieller Armut: „Armut macht die Menschen unsouverän, Väter verlieren ihre
Rolle, Mütter ihre Gelassenheit, es entsteht eine Atmosphäre der Haltlosigkeit, oft
kommen
Alkoholprobleme
hinzu,
und
die
Kinder
wachsen
an
der
Grenze
der
Verwahrlosung auf.“ Natürlich gebe es Jugendliche, die sich aus eigenen Kräften aus den
schwierigsten Verhältnissen befreien könnten, aber auf zehn bis 15 Prozent müsse man
die Zahl der schwer belasteten jungen Leute – darunter deutlich mehr Jungen als
Mädchen – durchaus schätzen, so Hurrelmann und Albert (2006). Diese Entwicklung
bestätigen Untersuchungen der Europäischen Gemeinschaft und es wird betont, wie eng
der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und erhöhtem Erkrankungsrisiko ist, der sich
bei Arbeitsplatzverlust und Arbeitslosigkeit nur noch verstärkt. Sie könnten die
„Selbstachtung
beeinträchtigen
und
Depressionen
verursachen“
(Europäische
Gemeinschaft 2005, 11).
18
Zugleich wurden mit den Reformen die Mittel für psychosoziale Initiativen und
Einrichtungen (wie sozialpsychiatrische Dienste, Beratungsstellen, Jugendämter etc.)
deutlich eingeschränkt oder gar gestrichen – und dies, wie gezeigt, bei einem gleichzeitig
steigenden
gesetzlichen
Bedarf.
Durch
Krankenkassen
Psychotherapie
für
die
Kostenübernahme
wird
Menschen
zwar
aus
der
allen
von
Psychotherapie
einkommensunabhängige
Bevölkerungsschichten
durch
die
Zugang
zu
möglich;
dennoch
übersteigt selbst in gut versorgten Gebieten die Nachfrage das Angebot. Lange
Suchphasen und Wartezeiten vor Therapiebeginn sind nicht selten. Epidemiologische
Studien zeigen, dass jährlich zwei Drittel aller psychischen Störungen unbehandelt
bleiben; nur einer von vier Betroffenen (26%) erhält zumindest eine minimale
Intervention (z.B. eine kurze Beratung, ein kurzes Gespräch mit dem Hausarzt); lediglich
10% der Betroffenen erhalten eine angemessene Behandlung (vgl. Wittchen & Jacobi,
2002). Oft vergehen viele Jahre und manchmal Jahrzehnte, bevor eine erste einschlägige
Behandlung eingeleitet wird. Häufig bekommen Betroffene ausschließlich medikamentöse
Behandlung
(ohne
Psychotherapie)
psychotherapeutischer
psychische
Störungen
–
dies
gilt
Versorgung
wie
Deutschland
verlaufen
häufig
chronisch
auch
für
(dies.
und
Länder
2005).
es
19
mit
guter
Unbehandelte
entstehen
zusätzliche
Komplikationen. Wittchen (2005) spricht von einer „Besorgnis erregend niedrigen
Behandlungsrate von psychischen Störungen, die in keinem anderen Bereich der Medizin
in diesem Ausmaß bisher beobachtet werden konnte.“ Als eine mögliche, aber nicht
ausreichende Erklärung nennt er die anhaltende Stigmatisierung psychischer Störungen.
Die deutliche psychosoziale Unterversorgung wird durch veränderte politische und
mediale Stigmatisierungsprozesse verschärft. Während in den 1960er/70er Jahren aus
einer
Betroffenheitsperspektive
„ausgeleuchtet“ und die
die
mangelnde
soziale
Notlage
Inanspruchnahme
in
all
ihren
Dimensionen
sozialpolitischer
Leistungen
beklagt wurde, steht in den vergangenen 20 Jahren (wieder) der Missbrauch öffentlicher
Leistungen (Stichwort: „Sozialschmarotzer“) im Vordergrund – verknüpft mit der
Behauptung, dass die Betroffenen gesellschaftliche Inklusionsangebote, insbesondere des
Arbeitsmarktes, ohne erkennbaren Grund ablehnten.20 Dabei werden gerade in jüngster
Zeit
Überlastungsphänomene
durchaus
wahrgenommen:
Extremfälle
von
vernachlässigten, schwer misshandelten und sogar getöteten Kindern völlig überforderter
Eltern füllen die Medien. Dies mag einerseits sogar zu einer stärkeren Sensibilität führen,
sie wird politisch jedoch dadurch „abgefangen“, indem ganze Bevölkerungsgruppen („die
sozialistische Sozialisation der Ostdeutschen“) und/ oder Professionelle („die Behörden“)
dafür verantwortlich gemacht werden; die Medien reagieren ihrerseits mit einer
gleichsam ergänzenden Form öffentlicher Ersatzberatung: Auffallend ist beispielsweise,
dass im Fernsehen nach Jahren der Selbstdarstellungen in unzähligen Talk-Shows
19 Die Kosten für psychotherapeutische Leistungen liegen in der EU weit unter 1% der durch psychische
Störungen verursachten Gesamtkosten von jährlich fast 300 Milliarden Euro (European Brain Council und ECNPArbeitsgruppe, zit. nach Wittchen 2005). Eine Verbesserung der Versorgungslage würde sich demnach auch
finanziell lohnen!
20 Dass diese Strategie zu einer Entlastung der politischen Systeme und deren Verantwortlichkeit durchaus
seine Funktion hat, sei an dieser Stelle nur angemerkt.
19
unterschiedliche Sendungen mit konkreten Hilfestellungen (Erziehungsberatung der
„Super-Nanny“, Lebensberatung, Schuldnerberatung etc.) angeboten werden.
3.2 Gestaltung des Sozialen: Für eine Psychotherapie, die Verwirklichungschancen schafft
Die jüngsten Reformen der Sozialpolitik zielten dezidiert nicht, wie von vielen erhofft, auf
eine Gestaltung des Sozialen: Dies wäre ein Paradigmenwechsel gewesen, der der
gesellschaftlichen Entwicklung in Arbeitswelt und Lebensführung angemessen gewesen
wäre. Ein solcher Paradigmenwechsel hätte mehr als ein politisches Verständnis dafür
erfordert, dass eine ausschließlich vor- und fürsorgende Sozialpolitik historisch obsolet
geworden ist: Eben weil das Soziale durch sich verschärfende Prekarisierungs- und
Exklusionsprozesse zunehmend gefährdet ist und sich sozialer Zusammenhalt immer
weniger „von alleine“ einstellt, wäre eine gestaltende Sozialpolitik notwendig gewesen,
die durch alternative Formen politischer und staatlicher Steuerung Arbeit und Soziales
integriert. Beispielsweise hätten – als wesentliches Element zur Gestaltung des Sozialen
–
die
Debatten
um
das
bürgerschaftliche
Engagement
dem
sozialpolitischen
Reformprozess (der zeitgleich zur Enquete Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen
Engagements“ von 2000 bis 2002 stattfand) wesentliche zivilgesellschaftliche Impulse
geben können.
Einer das Soziale gestaltende, zivilgesellschaftlich ausgerichteten Sozialpolitik auf der
Makroebene entspricht eine psychotherapeutische Praxis auf der Mikroebene, die bei der
Befähigung der Menschen einerseits und dem sozialen Umfeld andererseits gleichzeitig
ansetzt – eine Herausforderung, der Psychotherapie in der derzeitigen Form nicht
gewachsen ist.
Psychosoziale
Beratung
und
Psychotherapie
sind
als
eine
Form
des
„sozialen
Geleitschutzes“ (Kieselbach, zit. nach Greiner et al. 2006, 15) auf der individuellen Ebene
geeignet, auf den Wandel der Inklusionsmodi sowie veränderte Prekarisierungs- und
Exklusionsprozesse zu reagieren; 21 sie können „Verwirklichungschancen“ im Sinne des
Nobelpreisträgers Amartya Sen schaffen. Er meint damit die Möglichkeiten und
Fähigkeiten von Menschen, „ein Leben führen zu können, für das sie sich mit guten
Gründen entscheiden konnten und das die Grundlagen der Selbstachtung nicht in Frage
stellt“ (zit. nach: Deutscher Bundestag 2005, 9). Eine traditionelle Psychotherapie, die
„kranke
Individuen“
als
Einzelpersonen
behandelt,
wie
dies
in
unserem
Krankenkassensystem vorgegeben ist, kann genau dies nicht leisten und kann deshalb
langfristig nur in begrenztem Rahmen hilfreich sein. Erschwerend kommt hinzu, dass
psychotherapeutische
Praxis
immer
in
einem
Feld
von
gesellschaftlichen
Stigmatisierungen und Vorurteilen stattfindet – dies gilt verschärft für den Personenkreis
der von Prekarisierung Bedrohten oder gar bereits Exkludierten. Gerade ihnen wird
21 „Generell kann die Unterstützung vulnerabler Gruppen die psychische Gesundheit verbessern, den sozialen
Zusammenhalt stärken und soziale und wirtschaftliche Belastungen vermeiden helfen“ (Europäische Gemeinschaft 2005, 11).
20
häufig unterstellt, sie seien selbst an ihrer Erkrankung schuld oder sie stellten eine
Gefahr für andere dar (Bericht der Europakommission 2006); ihnen wird persönliche
Schwäche, Unfähigkeit oder gar Faulheit vorgeworfen (Resolution der APA zu Armut und
sozioökonomischem Status 2000). Armut und körperliche bzw. psychische Krankheit
führen zu einer doppelten Stigmatisierung, die soziale Beziehungen beschädigt und die
ohnehin geringen gesellschaftlichen Teilhabechancen verkleinert; die persönlich erlebte
Scham
und
dadurch
eingeschränkte
Handlungs-
und
Bewältigungsmöglichkeiten
verstärken die Abwärtsspirale: „Stigma verschlimmert das persönliche Leiden und soziale
Ausgrenzung kann den Zugang zu Wohnraum und Beschäftigung verwehren. Die Angst,
gebrandmarkt zu werden, hält Menschen oft davon ab, Hilfe zu suchen“ (Europäische
Gemeinschaft 2005, 12). „Der Erkrankte selbst verinnerlicht oftmals die Stigmatisierung
und Diskriminierung. Dieses Phänomen wird als eine ‚zweite Erkrankung’ bezeichnet“
(Deutsches Ärzteblatt 2006, 172). Diese Selbstabwertung verhindert ein Gefühl der
Selbstwirksamkeit
und
verringert
die
Motivation
für
Veränderungen.
Derartige
Schuldzuschreibungen demütigen, lähmen und/oder verärgern und beeinträchtigen
sowohl
die
Suche
nach
adäquater
Unterstützung
als
auch
eine
hilfreiche
psychotherapeutische Praxis in erheblichem Maße. Der 2. Reichtums- und Armutsbericht
der Bundesregierung spricht von „Kooperationsblockaden“ (2005, 132), die es gerade
Menschen in extremen Notlagen schwer mache, professionelle Hilfe zu suchen. Die
Blockaden
im
medizinischen
Versorgungssystem,
in
dem
psychische
Störungen
überwiegend gar nicht oder medikamentös behandelt werden statt in Psychotherapie zu
überweisen, erschweren die Situation, denn die Unterdrückung und Abschwächung der
Symptome, wie sie durch Medikamente bewirkt werden, reichen in den meisten Fällen
nicht zu einer nachhaltigen Bewältigung der hier skizzierten neuen Herausforderungen.
Zunehmende und neuartige Prekarisierungs- und Exklusionsprozesse sowie Wandel der
Inklusionsformen bedeuten zunächst, dass sich der Kreis der Klienten erweitert und
zugleich verändert: Insbesondere im ambulanten Bereich ist zu beobachten, dass nicht
mehr nur die früher dominierende Mittelschicht, sondern zunehmend auch Personen in
prekären oder exkludierten Lebenslagen eine Psychotherapie aufsuchen; insbesondere ist
hier die Gruppe mit Migrationshintergrund zu nennen, die zumindest in urbanen Räumen
häufiger als früher zu den Klienten gehört. Zusätzlich kommen auch Menschen in die
Psychotherapie, die auf den ersten Blick gut integriert erscheinen, aber dennoch
erhebliche Angst- oder Depressionssymptome aufweisen. Die Folge ist, dass sich die
Form der psychotherapeutischen Praxis verändert: Die therapeutischen Aufgaben werden
vielfältiger und sie erfordern eine weitere Spannbreite von Interventionen.
Angesichts der geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungen liegt es nahe, auch eine
Veränderung des Selbstbilds von Psychotherapeuten anzuzielen. Das medizinische
Krankheits- und Behandlungsmodell, das von einem behandlungsbedürftigen Individuum
ausgeht, wird unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen zunehmend obsolet (vgl.
Kühnlein 2001; 2002). Eine neue Form der psychotherapeutischen Offenheit ist
gefordert: Es gilt, als Psychotherapeut sensibel für die Verschiedenartigkeit von
„äußeren“
Arbeits-
und
Lebensbedingungen
der
Patienten
zu
sein,
die
die
Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen objektiv einschränken – aber gleichzeitig der
21
psychotherapeutischen Praxis nicht unmittelbar zugänglich sind. Insbesondere bei der
Behandlung von Ängsten und Depressionen sind, wie oben skizziert, nicht nur
innerpsychische Vorgänge, sondern darüber hinaus stärker die gesellschaftlichen An- und
Überforderungen
(wie
unausgewogene
Gratifikation
oder
unsichere
Beschäftigungsverhältnisse usw.) sowie das soziale Umfeld und kulturelle Besonderheiten
der jeweiligen KlientInnen in die psychotherapeutischen Überlegungen einzubeziehen. 22
Es geht darum, die eigenen Anteile der KlientInnen einerseits und gesellschaftliche
Rahmenbedingungen andererseits der persönlichen Einsicht zugänglich zu machen: In
der Psychotherapie sollten die Betroffenen angeleitet werden, sich selbst und die eigene
Lebenssituation im gesellschaftlichen Kontext angemessen verstehen zu können.
Dies bedeutet jedoch, dass Psychotherapeuten selbst besser in der Lage sein müssen, die
Besonderheiten sowie deren spezifische Formen der gesellschaftlichen Bearbeitung
(durch Behörden, Jugendämter, Beratungsstellen usw.) moderner Inklusions- und
Ausgrenzungsprozesse zu verstehen. Für spezifische Problemstellungen können stärkere
beratenden Anteile oder sogar konkrete Hilfestellungen (wie gemeinsames Ausfüllen von
Formularen, Verfassen von Schriftsätzen oder gar Begleitung bei Behördengängen) oder
der Aufbau von psychosozialen Netzwerken sowie Kontakte zu anderen Personenkreisen
und Organisationen notwendig werden, um das soziale Umfeld angemessen zu
berücksichtigen. Dazu gilt es in der psychotherapeutischen Praxis Anknüpfungspunkte für
die beratende Dimension zu finden und entsprechende Reflexionshorizonte zu eröffnen.
Eine Integration der oben geschilderten gesellschaftlichen Veränderungsprozesse und
deren Auswirkungen auf die Individuen in die psychotherapeutische Praxis bedeutet,
nicht (mehr) nur vorrangig die Beseitigung einer diagnostizierten Erkrankung oder einer
aktuellen Krise im Blick zu haben, sondern darüber hinaus eine grundlegende Fähigkeit
zur Problembewältigung aufzubauen. Wenn die Analysen von Baumann (2008) oder
Sennett (2005) zur „Flüchtigkeit der Zeit“ und damit verbundener weiter steigender
Angst vor Unsicherheit zutreffend sind, dann muss die Notwendig der Flexibilität im
Umgang mit ständig Neuem und Wechselndem erkannt und erarbeitet sowie daraus
folgend die Antizipation immer wieder wechselnder Arbeits- und Lebensbedingungen
„eingeübt“ werden. 23
Dabei geht es neben der Bewältigung von Defiziten zentral um Ressourcen- und
Kompetenzüberzeugungen, d.h. eine Stärkung des Selbstvertrauens in die eigenen
sozialen und psychischen Kräfte. Letzten Endes muss es darum gehen, Personen
langfristig zu befähigen, eigene Wege selbstständiger Bewältigung zu finden und somit
Autonomie zu gewinnen. Eine solche Befähigung zu aktiven Gestaltungsmöglichkeiten
kann dabei zu einer Form der Identitätsarbeit werden, die eine Gratwanderung zwischen
realistischer Anpassung und konstruktivem Widerstand bedeutet. Dazu gehört ebenso die
Entfaltung einer „Kultur des Scheiterns“ (Keupp 2007b, 529): Misserfolg darf nicht nur
22 “Finally, it can be pointed out that those respondents who feel that information on psychological problems is
easily found say somewhat more often that emotional problems have never caused them to accomplish less or
to be more careless with normal activities than those who indicate that finding information is difficult”
(European Commission 2006, 23).
23 So formuliert Kieselbach (2006) pointiert: „Wir müssen nicht nur Inflation oder Wirtschaftswachstum kontrollieren, sondern auch den Menschen besser auf kritische Lebensereignisse vorbereiten“ (zit. nach Greiner et
al., 15).
22
als (trauriger) Fehlschlag, sondern muss auch als Chance zum Neuanfang und als Basis
für Lernprozesse verstanden werden.
Letztlich ist jedoch zu beachten, dass psychosoziale Beratung und Psychotherapie immer
nur in begrenztem Maße zur Bewältigung der oben geschilderten gesellschaftlichen
Entwicklungen hilfreich sein kann. Vielmehr sind die Inklusionsbedingungen selbst sowie
Maßnahmen von Politik und Staat, insbesondere die Sozialpolitik, die derartige
Prekarisierungs- und Exklusionsprozesse auslösen und sogar verstärken, kritisch zu
hinterfragen. Gerade auch im Hinblick auf die Prävention psychischer Belastungen und
Erkrankungen darf der Diskurshorizont nicht auf den sozialen Nahbereich beschränkt
bleiben, sondern muß sehr viel umfassender gesehen werden. Es geht im Kern um das
Wirtschaftssystem selbst, das auf Konkurrenz beruht und den „Stärkeren“ belohnt und
somit entsprechende Verhaltensweisen fördert. Darin eingebettet sind die Strukturen des
Arbeitsmarktes zu sehen, der genau nach diesem Muster soziale Ungleichheiten
produziert und manifestiert. Menschen, die aus welchen Gründen auch immer in diesem
Konkurrenzgefüge
nicht
„mithalten“
können,
geraten
in
der
„Kultur
des
neuen
Kapitalismus“ (Sennett) in eine Preakarisierungs- und Exklusionsspirale. Vielmehr
bräuchte es wettbewerbsgeschützte Räume, in denen Prekarisierte und Exkludierte im
Sinne von Hannah Arendt aktive Menschen sein können, sowie sichere Phasen der NichtErwerbstätigkeit, aus denen heraus der Wechsel in eine reguläre Beschäftigung immer
wieder möglich ist. In diesem Sinne müßten sich Wirtschaftssystem und Arbeitsmarkt
zivilisieren, damit Erwerbspersonen zugleich auch wirkliche Bürger sein können. Das
Gegenteil passiert: Während sich Staat und Politik von wirtschaftlichen Aktivitäten (also
aus dem Inklusionskern der Gesellschaft!) zurückziehen und Steuerungskompetenzen
privatisiert werden (Stichwort: Deregulierung), wird in den Zonen der Prekärität und der
Entkopplung um so mehr Einfluss genommen. Analog zur „Durchstaatlichung“ kann von
einer „Durchregulierung“ gesprochen werden; politische und staatliche Maßnahmen
haben in diesem Bereich „weit mehr Einfluss auf die Lebenskonstruktionen der Einzelnen
… als zuvor“ (Bude & Willisch 2006, 12). In der Folge herrscht hier „Abhängigkeit von
Markt und Staat“ (Kronauer 2006, 32, Herv. IK/GM). Bürgerstatus und soziale
Bürgerrechte in diesen Zonen werden eben nicht gefördert oder aber auch nur gewährt –
sondern zunehmend eingeschränkt. Das gleiche gilt im übrigen für die psychosoziale
Versorgung: Durchstaatlichung und Durchregulierung haben nicht zu einer Ausweitung
der Behandlungsmöglichkeiten, sondern zu deren Einschränkung geführt.
23
LITERATUR
Allen, Colin (2003), Relieving Poverty For Mental Health, in: Psychology Today Online. Verfügbar unter:
http://psychologytoday.com/articles/pto-20031021-000001.html [Letzter Zugriff am 12.03.2008].
American Psychological Association (APA) (2000), Resolution on Poverty and Socioeconomic Status, passed by
Council August 6. Verfügbar unter: http://www.apa.org/pi/urban/povres.html [Letzter Zugriff am 12.03.2008].
Arendt, Hannah (2002< Erstausgabe 1958>), Vita activa oder vom tätigen Leben. München: Piper.
Baumann, Zygmunt (2008), Flüchtige Zeiten. Leben in der Ungewissheit. Hamburg: Hamburger Edition.
Bartens, Werner (2007), Die größte Gefahr von allen, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 244 vom 23.10., S. 18
Beck, Ulrich (1986), Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/ M.: Suhrkamp.
Beck, Ulrich/ Bonß, Wolfgang/ Lau, Christoph (2004), Entgrenzung erzwingt Entscheidung : Was ist neu an der
Theorie reflexiver Modernisierung? in: Ulrich Beck / Christoph Lau, Entgrenzung und Entscheidung,
Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 13-62.
Beck, Ulrich/ Holzer, Boris (2004), Wie global ist die Weltrisikogesellschaft? in Beck, Ulrich / Lau, Christoph
(Hrsg.), Entgrenzung und Entscheidung, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 421-439.
Berger, Peter A. (1990), Ungleichheitsphasen. Stabilität und Instabilität als Aspekte ungleicher Lebenslagen, in:
Peter Berger/ Stefan Hradil (Hrsg.): Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile. Sonderband 7, Soziale Welt, S.
319-350.
Berger, Peter A./ Sopp, Peter (1995) (Hrsg.), Sozialstruktur und Lebenslauf. Opladen: Leske + Budrich.
Bien, Walter/ Weidacher, Alois (Hrsg. 2004), Leben neben der Wohlstandsgesellschaft. Familien in prekären
lebenslagen. Wiesbaden: VS-Verlag.
Bilke, Oliver/ Haid, Oliver/ Willma, Stefan (2006),
Materielle Armut als Risikofaktor bei kinder- und
jugendpsychiatrischen Erkrankungen. 12. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit (Ms). Verfügbar
unter: http://www.gesundheitberlin.de/download/Bilke_Haid_Willma.pdf [Letzter Zugriff am 12.03.2008].
Böhnke, Petra/ Delhey, Jan (1999), Lebensstandard und Armut im vereinten Deutschland. Verfügbar unter
http://skylla.wz-berlin.de/pdf/1999/iii99-408.pdf [Letzter Zugriff am 10.11.07].
Bühring, Petra/ Merten, Martina (2007), Gefährdungen frühzeitig erkennen, in: Deutsches Ärzteblatt. Heft 1. S.
18-19.
Bonß, Wolfgang/ Heinze, Rolf G. (1984), Arbeit, Lohnarbeit, ohne Arbeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Bourdieu, Pierre (1997), Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft.
Konstanz: UVK.
Brinkmann, Ulrich / Dörre, Klaus/ Silke Röbenack (gemeinsam mit Klaus Kraemer und Frederic Speidel),
Prekäre Arbeit – Ursachen, Ausmaß, soziale Folgen und subjektive Verarbeitungsformen unsicherer
Beschäftigungsverhältnisse. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.
Bude, Heinz (2004), Das Phänomen der Exklusion. Der Widerstreit zwischen gesellschaftlicher Erfahrung und
soziologischer Rekonstruktion, in: Mittelweg 36, 4, S. 3-15.
Bude, Heinz/ Lantermann, Ernst-Dieter (2006), Soziale Exklusion und Exklusionsempfinden, in: Kölner
Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2(58), S. 232-252.
Bude, Heinz / Willisch, Andreas (2006), Das Problem der Exklusion, in: Heinz Bude/ Andreas Willisch (Hrsg.),
Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte, Entbehrliche, Überflüssige. Hamburg: Hamburger Edition, S. 7-23.
Buhr, Petra (1998), Verschwimmende Grenzen. Wo fängt Armut an und wann hört sie auf? in: Frank
Hillebrandt/ Georg Kneer/ Klaus Kraemer (Hrsg), Verlust der Sicherheit? Lebensstile zwischen
Multioptionalität und Knappheit. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 26-51.
Buhr, Petra/ Leibfried, Stephan (1993), What a difference a day makes. Messung der Dauer des
Sozialhilfebezugs und ihre sozialpolitische Bedeutung, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge. Jg. 73, 5, S. 179-184.
Castel, Robert (2000), Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit. Konstanz: UVK.
Club of Rome (2007), Der Club of Rome. Verfügbar unter: http://www.clubofrome.de/ [Letzter Zugriff am
04.03.2007].
Costello, E. Jane/ Compton, Scott N./ Keeler, Gordon/ Angold, Adrian (2003), Relationships Between Poverty
and Psychopathology. A Natural Experiment, in: JAMA, Journal of the American Medical Association 290 (15).
2023-2029.
Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (2006), Jahrbuch Sucht 2006. Geesthacht: Neuland.
Deutscher Bundestag (2005), Lebenslagen in Deutschland. Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht. Berlin.
Deutsches Ärzteblatt (2006), Gegen Stigmatisierung psychische Kranker. Heft 4, S. 172.
Deutsches Ärzteblatt (2007), Armut ist ungesund. Heft 6, S. 272.
Dietz, Berthold. (1997), Soziologie der Armut. Eine Einführung. Frankfurt/M.: Campus.
Diewald, Martin (1991), Soziale Beziehungen. Verlust oder Liberalisierung? Soziale Unterstützung in informellen
Netzwerken. Berlin: Rainer Bohn Verlag.
24
Diewald, Martin (2003), Kapital oder Kompensation, Erwerbsbiografien von Männern und die sozialen
Beziehungen zu Verwandten und Freinden, in: Berliner Journal für Soziologie, 13, 2, S. 213-238.
Die Zeit (2004), Vollbeschäftigung ist möglich. Ein ZEIT-Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang
Clement über die Fortsetzung der Reformpolitik, die Proteste gegen Hartz IV und die Kontrolle der
Energiepreise. Verfügbar unter http://www.zeit.de/2004/40/Clement-Interview [Letzter Zugriff am
05.03.2007].
Dörre, Klaus/ Kraemer, Klaus/ Speidel, Frederic (2003), Prekäre Beschäftigungsverhältnisse – Ursache von
sozialer Desintegration und Rechtsextremismus. Projektbericht zur Zwischenbegutachtung. November 2003,
Recklinghausen (Ms).
Dörre, Klaus (2003), Neubildung von gesellschaftlichen Klassen. Zur Aktualität des
Klassenbegriffs, in: Joachim Bischoff/ Paul Boccara/ Robert Castel/ Klaus Dörre
(Hrsg.), Klassen und soziale Bewegungen. Strukturen im modernen Kapitalismus.
Hamburg: VSA Verlag, S.18-32.
Dörre, Klaus (2005), Prekäre Beschäftigung - subjektive Verarbeitungsformen
Konsequenzen.
Vortrag
auf
der
Sektionstagung
Industriesoziologie.
http://www.industriesoziologie.de/downloads/08-sektionstagungen/03herbsttagung_2005/vortraege/Doerre_Vortrag.pdf [Letzter Zugriff am 05.05.2007].
und arbeitspolitische
Verfügbar
unter:
Dörre, Klaus (2006), Arbeitnehmer zweiter Klasse? Politik der Entprekarisierung statt Klassenkampf zwischen
Arbeitnehmern, in: spw 148, Dortmund.
Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages (2002)
(Hrsg.), Bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft. Schriftenreihe Band 1. Opladen: Leske +
Budrich.
Ehrenberg, Alain (2004), Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. Frankfurt/M.:
Campus.
Europäische Gemeinschaft (2005), Grünbuch. Die psychische Gesundheit der Bevölkerung verbessern –
Entwicklung einer Strategie für die Förderung der psychischen Gesundheit in der Europäischen Union.
Brüssel.
European Commission (2006), Special Eurobarometer 248: Mental well-being. Bruxelles.
Gaschke, Susanne (2006), Mensch, Alter, in: Die Zeit Nr. 39 vom 21.09.2006
Greiner, Kerstin/ Baumann, Marc/ Müller, Frank (2006), Haus und vorbei. Die Angst vor dem sozialen Abstieg
hat inzwischen auch die Mittelklasse erreicht, in: Süddeutsche Zeitung Magazin vom 31.03.2006, S. 8-15.
Grünewald, Stephan (2007), Deutschland auf der Couch. Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und
Leidenschaft. Frankfurt/M: Campus.
Habermas, Jürgen (1996), Die neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V., Frankfurt/ M.:
Suhrkamp.
Hacket, Anne/ Janowicz, Cedric/ Kühnlein, Irene / Mutz, Gerd (2001), Erwerbsarbeit, bürgerschaftliches
Engagement und Eigenarbeit: Pluralisierung – Entgrenzung – Gestaltung. Interner Bericht der Münchner
Projektgruppe für Sozialforschung (MPS) an den Sonderforschungsbereich 536 ‘Reflexive Modernisierung‘ der
DFG. München.
Heitmeyer, Wilhelm/ Hüpping, Sandra (2006), Auf dem Weg in eine inhumane Gesellschaft, in: Süddeutsche
Zeitung Nr. 243 vom 21./22.10.2006.
Hradil, Stefan (1987), Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen und Schichten
zu Lagen und Milieus. Opladen: Leske + Budrich.
Huber, Brigitte (2007), Medikamentenabhängigkeit – die stille Sucht, in: Bayerisches Ärzteblatt 4/2007, S. 209.
Hurrelmann, Klaus/ Albert, Mathias (2006), Jugend 2006. Die 15. Shell-Jugendstudie. Eine pragmatische
Generation unter Druck. Frankfurt/M.: Fischer.
Keupp, Heiner (1999), Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Reinbek
b.Hamburg: Rowohlt.
Keupp, Heiner (2004), Von der Normal- zur Patchworkbiographie. Vortrag bei der Tagung der Evangelischen
Akademie Tutzing „Lebensgeschichte und Lebenssinn“ am 12. März 2004 in Rothenburg. Verfügbar unter
www.ev-akademie-tutzing.de/doku/programm/get_it.php?ID=154 [Letzter Zugriff am 05.05.2007].
Keupp, Heiner (2007a), Und die im Dunklen sieht man nicht: Von der alten und der neuen Armut und ihren
psychosozialen Konsequenzen, in: Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 1/2007, S. 9-24.
Keupp, Heiner (2007b), Wege aus einer erschöpften Gesellschaft – eine Empowermentperspektive, in:
Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 3/2007, S. 525-540.
Kieselbach, Thomas/ Wacker, Ali (1987), Individuelle und gesellschaftliche Kosten der Massenarbeitslosigkeit.
Psychologische Theorie und Praxis. Weinheim: Deutscher Studienverlag.
Kronauer, Martin (2002), Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus.
Frankfurt/M: Campus.
Kronauer, Martin (2006), „Exklusion“ als Kategorie einer kritischen Gesellschaftsanalyse. Vorschläge für eine
anstehende Debatte, in: Heinz Bude/ Andreas Willisch (Hrsg.), Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte,
Entbehrliche, Überflüssige. Hamburg: Hamburger Edition, S. 27-45.
25
Kronauer, Martin (2007), Inklusion – Exklusion: ein Klärungsversuch. Vortrag auf dem 10. Forum Weiterbildung
des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung. Bonn.
Kronauer, Martin/ Vogel, Berthold (1998), Spaltet Arbeitslosigkeit die Gesellschaft?, in: Peter A. Berger/
Miachael Vester (Hrsg.), Alte Ungleichheiten. Neue Spaltungen. Opladen: Leske + Budrich.
Kühnlein, Irene (2001), Psychotherapie, in: Keupp, Heiner/ Weber, Klaus (Hrsg.), Psychologie - Ein Grundkurs.
Reinbek b. Hamburg: rororo, S. 331-339.
Kühnlein, Irene (2002), Wie Psychotherapie verändert. Eine Langzeitstudie über Bedeutung und Auswirkungen
psychotherapeutischer Behandlung im Lebensverlauf. Weinheim: Juventa.
Lademann, Julia/ Mertesacker, Heike/ Gebhardt, Birke (2006), Psychische Erkrankungen im Fokus der
Gesundheitsreporte der Krankenkassen, in: Psychotherapeutenjournal 2/2006, S. 123-139.
Lampert, Thomas/ Kurth, Bärbel-Maria (2007), Sozialer Status und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen,
in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 11, November 2007, 521-526.
Land, Rainer/ Willisch, Andreas (2006), Das Problem mit der Exklusion. Das Konzept des „sekundären
Integrationsmudus“, in: Heinz Bude/ Andreas Willisch (Hrsg.), Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte,
Entbehrliche, Überflüssige. Hamburg: Hamburger Edition, S. 70-93.
Leibfried, Stephan/ Voges, Wolfgang (Hrsg.) (1992), Armut im modernen Wohlfahrtsstaat, Sonderheft 32,
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 1992.
Leibfried, Stephan/ Leisering, Lutz/ Buhr, Petra/ Ludwig, Monika/ Olk, Thomas/ Voges, Wolfgang (Hrsg.)
(1995), Zeit der Armut. Lebensläufe im Sozialstaat. Frankfurt/M: Suhrkamp.
Leisering, Lutz (1993), Zwischen Verdrängung und Dramatisierung. Zur Wissenssoziologie der Armut in der
bundesrepublikanischen Gesellschaft, in: Soziale Welt 44, S. 486-511.
Lessenich, Stephan (1999), Vorwärts – und nicht vergessen. Die neue deutsche Sozialstaatsdebatte und die
Dialektik sozialpolitischer Intervention, in PROKLA 29, S. 411-430.
Ludwig, Monika (1996),
Westdeutscher Verlag.
Armutskarrieren:
zwischen
Abstieg
und
Aufstieg
im
Sozialstaat.
Opladen:
Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang (2001), Die Armut der Gesellschaft. Opladen: Leske + Budrich.
Matthes, Joachim (Hrsg.) (1983), Krise der Arbeitsgesellschaft?
Soziologentages in Bamberg 1982. Frankfurt/M./New York: Campus.
Verhandlungen
des
21.
Deutschen
Mückenberger, Ulrich (1985), Die Krise des Normalarbeitsverhältnis, in: Zeitschrift für Sozialreform 31, S. 415434, 457-475.
Mutz, Gerd (1995), Erwerbsbiographische Diskontinuitäten in West- und Ostdeutschland. Eine Systematisierung
ungleichheitsrelevanter Deutungsmuster, in: Peter A. Berger & Peter Sopp (Hrsg.), Sozialstruktur und
Lebenslauf. Opladen: Leske + Budrich, S. 205-233.
Mutz, Gerd (1997), Dynamische Arbeitslosigkeit und diskontinuierliche Erwerbsverläufe. Wie stehen die
Chancen für eine zukünftige Tätigkeitsgesellschaft? in: Berliner Debatte Initial, 6, 5, S. 23-36.
Mutz, Gerd (1999), Strukturen einer Neuen Arbeitsgesellschaft. Der Zwang zur Gestaltung der Zeit, in: Aus
Politik und Zeitgeschichte, Heft B 9, S. 3-11.
Mutz, Gerd/ Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang/ Bonß, Wolfgang/ Eder, Klaus/ Koenen, & Elmar J. (1995). Diskontinuierliche Erwerbsverläufe. Analysen zur postindustriellen Arbeitslosigkeit. Opladen: Leske + Budrich.
Mutz, Gerd/ Kühnlein, Irene/ Holzer, Boris (1997), Struktur der Erwerbsorientierungen und
Beschäftigungserwartungen west- und ostdeutscher Erwerbspersonen. (Gutachten im Auftrag der
Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen). München: MPS.
Nullmeier, Frank (2004), Vermarktlichung des Sozialstaats, in: WSI-Mitteilungen 57, 9/ S. 495-500.
Offe, Claus (1996), Moderne ‚Barberei’: Der Naturzustand im Kleinformat? in: Max Miller/ Hans-Georg Soeffner
(Hrsg.), Modernität und Barberei: Soziologische Zeitdiagnose am Ende des 20. Jahrhunderts. Frankfurt/M.:
Suhrkamp, S. 258-289.
Putnam, Robert D. (2000): Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community. New York: Simon
& Schuster.
Riester, Sabine (2007), Armut ist ungesund, in: Deutsches Ärzteblatt, Juni 2007, S. 272.
Schmid, Günther (2000), Arbeitsplätze der Zukunft: Von standardisierten zu variablen Arbeitsverhältnissen, in:
Kocka, Jürgen/ Offe, Claus (Hrsg.), Geschichte und Zukunft der Arbeit. Frankfurt/M.: Campus S. 269-292.
Sennett, Richard (2005), Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berlin Verlag.
Stoppe, Gabriela/ Bramesfeld, Anke/ Schwartz, Friedrich-Wilhelm
Bestandaufnahme und Perspektiven. Springer: Heidelberg.
(2006),
Volkskrankheit
Depression?
Unger, Hans-Peter (2008): Bevor der Job krank macht. Wie uns die heutige Arbeitswelt in die seelische
Erschöpfung treibt und was man dagegen tun kann. Vortrag auf der Fachveranstaltung „Seelische Gesundheit
am Arbeitsplatz“, 19.02.2008, München.
Voß, G. Günter (1995), Entwicklung und Eckpunkte des theoretischen Konzepts, in: Projektgruppe "Alltägliche
Lebensführung" (Hrsg.), Alltägliche Lebensführung. Arrangements zwischen Traditionalität und
Modernisierung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Wacker, Ali (1983), Arbeitslosigkeit. Soziale und psychische Folgen. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt.
26
Weber, Andreas/ Hörmann, Georg/ Köllner, Volker, Psychische und Verhaltensstörungen. Die Epidemie des 21.
Jahrhunderts? in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 4, April 2006, S. 169-172.
WHO
(2001a),
World
Health
Report
2001,
11.
http://www.who.int/whr/2001/en/whr01_en.pdf [Letzter Zugriff am 12.03.2008].
Verfügbar
WHO
(2001b),
Strengthening
mental
health
promotion,
Geneva.
Verfügbar
http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs220/en/ [Letzter Zugriff am 12.03.2008].
unter:
unter:
WHO
(2004),
Prevention
of
Mental
Disorders.
Geneva.
Verfügbar
unter:
http://www.who.int/mental_health/evidence/en/prevention_of_mental_disorders_sr.pdf [Letzter Zugriff am
12.03.2008].
Wittchen, Hans-Ulrich/ Müller, N./ Pfister, H./ Winter, S./ Schmidtkunz, B. (1999), Affektive, somatoforme und
Angststörungen in Deutschland – Erste Ergebnisse des bundesweiten Zusatzsurveys „Psychische Störungen“.
Gesundheitswesen, 61, Sonderheft 2, S. 216-222.
Wittchen, Hans-Ulrich/ Jacobi, F. (2002), Die Versorgungssituation psychischer Störungen in Deutschland. Eine
klinischepidemiologische
Abschätzung
anhand
des
Bundes-Gesundheitssurveys
1998.
Psychotherapeutenjournal, 0, S. 6-15.
Wittchen, Hans-Ulrich (2005), Psychische Störungen in Deutschland und der EU. Größenordnung und
Belastung. Vortrag auf dem 1. Deutschen Präventionskongress.
Wittchen, Hans-Ulrich & Jacobi, F. (2005). Size and burden of mental disorders in Europe – a critical review and
appraisal of 27 studies. European Neuropsychopharmacology, 15, 357-376.
Woolcock, Michael (2001), The Place of Social Capital in Understanding Social and Economic Outcomes, in:
ISUMA, Spring, S.11-17.
27
Herunterladen