Modellierung und Simulation der Anisotropie der kosmischen

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Modellierung und Simulation der
Anisotropie der kosmischen
Mikrowellenhintergrundstrahlung
Diplomarbeit von
Dirk Meyer
18. August 2003
Hauptberichter : Prof. Dr. G. Wunner
Mitberichter : Prof. Dr. U. Weiß
Institut für Theoretische Physik Teil 1
Universität Stuttgart
Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre, daß ich diese Arbeit selbständig verfaßt und keine anderen als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Stuttgart,
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
v
Tabellenverzeichnis
vii
1 Einleitung
1.1
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2 Überblick über die Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.3
3
Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Übersicht
2.1
5
Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung . . . . . . . . . .
5
2.2 Überblick über die Anisotropien in der CMBR . . . . . . . . . . .
7
2.3
Akustische Oszillationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2.4
Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.5
Der Sachs-Wolfe-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.6
Eichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
3 Kosmologische Grundlagen
25
3.1
Die Robertson-Walker-Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3.2
Die Friedmann-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
3.3
Lösungen der Friedmann-Gleichung: Einige Weltmodelle . . . . .
33
i
ii
Inhaltsverzeichnis
3.4
Kosmische Rotverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
3.5
Inflationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
4 Gaußsche Zufallsfelder
43
4.1
Zufallsvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
4.2
Die multivariate Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
4.3
Zufallsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
4.4
Gaußsche Zufallsfelder auf der Kugeloberfläche . . . . . . . . . . .
48
4.5
Realisierungen und Abschätzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . .
51
5 Boltzmann-Gleichung für Photonen
53
5.1
Photonen in gestörter Robertson-Walker-Metrik . . . . . . . . . .
53
5.2
Stoßfreie Boltzmann-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
5.3
Normalmoden und ihre Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . .
66
5.4
Verallgemeinerte Legendre-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . .
68
5.5
Entwicklung der Boltzmann-Gleichung nach Multipolmomenten .
70
6 Akustische Oszillationen
75
6.1
Der Energie-Impuls-Tensor eines nicht perfekten Fluids . . . . . .
75
6.2
Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors . . . . . . . . . . . . . . .
79
6.2.1
Die Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
6.2.2
Die Euler-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
6.3
Das Photon-Baryon-Fluid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
6.4
Die Oszillator-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
6.5
Numerische Lösung der Oszillatorgleichung . . . . . . . . . . . . .
90
6.5.1
Simulation ohne Rückwirkung auf die Potentiale . . . . . .
90
6.5.2
Simulation mit Rückwirkung auf die Potentiale . . . . . .
91
Inhaltsverzeichnis
7 Zusammenfassung
A ANHANG
iii
99
101
A.1 Die Christoffelsymbole der gestörten Metrik . . . . . . . . . . . . 101
Literatur
105
iv
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
2.1 Darstellung der Anisotropien der CMBR: Boomerang-Experiment
im Vergleich zu COBE DMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2
8
Ein typisches Winkelleistungsspektrum mit Fehlerbereichen verschiedener Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.3
Beispiel für akustische Oszillationen . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.4
Schematische Darstellung der Entstehung der akustischen Peaks
aus oszillierenden Moden des Photon-Baryon-Fluids . . . . . . . .
23
Veranschaulichung der Koordinaten der Robertson-Walker-Metrik
für den Fall k = +1 in zwei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . .
28
3.2
Dynamik verschiedener Universen ohne kosmologische Konstante .
35
3.3
Dynamik verschiedener Universen mit positiver kosmologischer Konstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.4
Veranschaulichung zur Herleitung der kosmischen Rotverschiebung
38
5.1
Verlaufsdiagramm für die Herleitung der Gleichung für die Helligkeitstemperaturfluktuationen der Photonen . . . . . . . . . . . . .
54
Schematische Darstellung der Rotverschiebung im expandierenden
Universum mit zeitlich veränderlichen Potentialfluktuationen . . .
61
6.1
Verlaufsdiagramm für die Herleitung der Oszillator-Gleichung . .
76
6.2
Akustische Oszillationen für krümmungskonstante Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
3.1
5.2
6.3
Akustische Oszillationen für adiabatische Anfangsbedingungen, Vergleich mit analytischer Lösung, Baryonensog . . . . . . . . . . . . 92
v
vi
Abbildungsverzeichnis
6.4
Die Oszillationen der ersten vier Peaks für unser Universum . . .
93
6.5
Die Oszillationen der ersten vier Peaks für ein geschlossenes Universum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Einfluß des Potentialzerfalls auf die Oszillationen . . . . . . . . .
98
6.6
Tabellenverzeichnis
2.1 Abhängigkeit der Potentialfluktuation Ψ vom Skalenfaktor für adiabatische und krümmungskonstante Anfangsbedingungen in verschiedenen Epochen des Universums . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2
3.1
21
Aufschlüsselung der Skalenfaktor-Abhängigkeit der Potentialfluktuationen Ψ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Bezeichnungen der verschiedenen Energiedichten . . . . . . . . . .
32
vii
viii
Tabellenverzeichnis
Kapitel 1
Einleitung
1.1
Einleitung
Die Frage, mit der sich die Kosmologie beschäftigt, die Frage nach dem Woher
und Wohin der Welt als Ganzem ist eine der ältesten und bedeutendsten der
Menschheitsgeschichte. Es gibt kein Volk ohne Schöpfungsmythos, keine Religion
ohne eine Erklärung, wie die Welt entstand und welches Schicksal ihr bestimmt
ist.
Die wissenschaftliche Behandlung dieser Frage hingegen ist erst seit relativ kurzer Zeit möglich. Nicht einmal hundert Jahre ist es her, daß Albert Einstein mit
der Allgemeinen Relativitätstheorie die theoretische Grundlage für die Kosmologie legte. War Isaac Newton noch von der absoluten Existenz von Raum und
Zeit ausgegangen, so erlaubt die Relativitätstheorie die Beschäftigung mit Entstehung und Werdegang auch dieser grundlegenden Erfahrungstatsachen selbst,
und dadurch mit allem, was dem Menschen verstandesmäßig nur greifbar ist.
Jedoch verhindern einige prinzipielle Einschränkungen, daß unser Verständnis des
Universums je so fundiert werden kann wie das der Gegenstände anderer physikalischer Disziplinen: Zum einen ist das Universum definitionsgemäß einmalig,
wodurch wir nie in der Lage sein werden, Vergleiche anzustellen und herauszufinden, wie das Universum noch hätte aussehen können.
Zum anderen haben wir nicht die Möglichkeit, gezielte Experimente am Universum durchzuführen, um unser Wissen deduktiv zu überprüfen. Wir können in
der Kosmologie letztlich nur einen möglichen, plausiblen Weg der Entwicklung
des Universums aufzeigen, aber nie im physikalischen Sinne experimentell beweisen, daß dieser Weg auch wirklich beschritten wurde.
1
2
Kapitel 1. Einleitung
Die Allgemeine Relativitätstheorie erlaubt eine ganze Reihe verschiedener Weltmodelle. Die Kosmologie litt über eine lange Zeit unter einem Mangel an präzisen
Beobachtungsdaten, die es erlauben zu entscheiden, welches dieser Modelle auf
das Universum tatsächlich zutrifft. Erst jüngst hat sich dies geändert: Durch Messung der Anisotropie1 der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung.
Das Interessante an der Mikrowellenhintergrundstrahlung ist, daß sie ein Bild des
Universums im sehr jungen Alter von rund 380.000 Jahren zeigt.2 Vorher stand die
Strahlung in ständiger Wechselwirkung mit dem ionisierten kosmischen Plasma,
erst nachdem sich Atome gebildet hatten, konnte die Strahlung frei durch das All
strömen und Informationen aus der Frühzeit des Universums zu uns tragen.
Die physikalischen Prozesse, die in der Anfangsphase des Universums herrschten, haben in der Mikrowellenhintergrundstrahlung als Anisotropien ihre Spuren
hinterlassen. Die wichtigsten dieser Prozesse sind die akustischen Oszillationen
des kosmischen Fluids. Sie sind die Ursache für Anisotropien etwa von der Größe eines Grades (und kleiner) und erlauben, nachdem wir sie verstanden haben,
die bisher präziseste Messung der kosmologischen Parameter wie Materiedichte,
Raumkrümmung, Hubble-Konstante, sowie Art und Größe der kosmologischen
Konstante.
Anfang diesen Jahres veröffentlichte das WMAP-Experiment[2], bei dem mittels
einer Raumsonde der komplette Mikrowellenhimmel mit bisher nicht erreichter
Präzision vermessen wurde, die ersten Daten. Demnach ist unser Universum 13, 7
Milliarden Jahre alt und expandiert (anders als lange vermutet) beschleunigt.
Wir wissen jetzt, daß die Arten von Energie und Materie, die wir kennen, nur
unbedeutend zur Energie des Universums beitragen. Der überwiegende Anteil
besteht aus dunkler Materie und dunkler Energie, deren Zusammensetzung wir
nicht verstehen.
Für eine wissenschaftliche Antwort auf die alten Menschheitsrätsel ist also die Beschäftigung mit der Anisotropie der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung
unumgänglich. Sie ist notwendig, aber vermutlich - leider? - nicht hinreichend.
1
Richtungsabhängigkeit. Gemeint ist, daß die Temperatur der auf der Erde empfangenen
Mikrowellenhintergrundstrahlung nicht in jeder Richtung gleich ist.
2
Wir blicken allerdings nicht in unsere eigene Vergangenheit, sondern sehen die Vergangenheit der Orte des Universums, an denen 380.000 Jahre nach dem Urknall die Strahlung sich
auszubreiten begann.
1.2. Überblick über die Arbeit
1.2
3
Überblick über die Arbeit
Kapitel 2 gibt eine Übersicht über den Schwerpunkt dieser Arbeit, die akustischen
Oszillationen, und erläutert den Sachs-Wolfe-Effekt.
Kapitel 3 zeichnet ein knappes Bild der Kosmologie als Grundlage für den Rest
der Arbeit, und erläutert Begriffe, die im Übersichtskapitel bereits angerissen
wurden.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit den statistischen Eigenschaften der Anisotropien
und zielt auf das Verständnis des Winkelleistungsspektrums als einer häufig gewählten Darstellungsweise der Anisotropien der Hintergrundstrahlung.
Kapitel 5 besteht im Wesentlichen aus der Herleitung der Boltzmann-Gleichung
für die Photonentemperatur aus einer allgemeinrelativistischen Störungstheorie.
Die Boltzmann-Gleichung ist eine Voraussetzung für das folgende Kapitel.
Kapitel 6 ist die direkte Fortführung von Kapitel 5 und hat zum Ziel, die OszillatorGleichung, die die akustischen Oszillationen analytisch erfaßt, herzuleiten. Weitere Voraussetzungen, wie Kontinuitäts- und Eulergleichung für die Materie werden ebenfalls abgeleitet. Abschließend werden die Oszillationen durch numerische
Integration der hergeleiteten Gleichungen simuliert. Dieses und das vorherige Kapitel orientieren sich stark an der PhD-Thesis von Wayne Hu[34].
Kapitel 7 stellt schließlich die Ergebnisse noch einmal im Zusammenhang dar.
1.3
Konventionen
Sofern nicht anders angegeben, wird, wie üblich, durch Wahl geeigneter Einheiten
die Lichtgeschwindigkeit auf eins gesetzt.
Punkte über Größen symbolisieren partielle Ableitungen nach der konformen Zeit
η, außer in Kap. 3, wo sie Ableitungen nach t angeben.
Die Signatur des Minkowski-Tensors ist (−1, 1, 1, 1). Die nullte Komponente repräsentiert die Zeit.
Lateinische Indizes laufen über den Raumanteil 1 . . . 3, griechische über die volle
Raumzeit 0 . . . 3.
Ein Semikolon vor einem Index Aµ ;ν bedeutet, wie auch das Symbol Dµ , die
kovariante Ableitung.
Der Dichtekontrast der Spezies x, δx , ist in Newtonscher Eichung gegeben, während ∆x dieselbe Größe in Gesamtmaterie-Eichung darstellt.
4
Kapitel 1. Einleitung
Kapitel 2
Übersicht
2.1
Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung
Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung, die das gesamte Weltall gleichmäßig durchzieht, ist kosmischen Ursprungs, entsteht also nicht in astrophysikalischen Objekten wie Galaxien oder Sternen und stammt aus der Zeit, als das
Universum durchsichtig wurde.
Davor bildeten Photonen, Elektronen und Atomkerne (bzw. einzelne Protonen)
das sogenannte Photon-Baryon-Fluid. Im Anfangszustand war dieses Fluid sehr
heiß (allerdings in der für uns bedeutsamen Phase weit weniger heiß als das
Plasma in der Sonne - es fanden keine Kernprozesse statt), so daß es nach der
Saha-Gleichung thermisch ionisiert war und es freie Elektronen gab, mit denen die
Photonen durch Thomson-Streuung gekoppelt waren. Die Thomson-Streuung ist
eine niederenergetische Variante des Compton-Effektes, bei der der Rückstoß des
Elektrons vernachlässigbar ist. Die Koppelung war so stark, daß die mittlere freie
Weglänge eines Photons vergleichbar mit der eines Elektrons war. Das Universum
war also optisch dicht, d.h. undurchsichtig. Die Elektronen ihrerseits tauschten
mit den Protonen Energie über die elektromagnetische Coulomb-Wechselwirkung
aus.
Die Systeme der Photonen, Elektronen und Protonen waren stark gekoppelt und
hatten genügend Zeit für Energieaustausch, so daß sie im thermischen Gleichgewicht waren. Für die Photonen ergibt sich dabei ein Planck-Spektrum, das die
selbe Temperatur wie die Elektronen und Protonen hat (man spricht in dieser
Phase dabei auch von der Temperatur des Universums).
5
6
Kapitel 2. Übersicht
Im Laufe der Expansion des Universums kühlte sich das Photon-Baryon-Fluid
ab (durch die kosmische Rotverschiebung, siehe Abschnitt 3.4), bis seine Temperatur zu niedrig war, die thermische Ionisierung der Materie aufrechtzuerhalten.
Also (re)kombinierten Elektronen und Kerne zu Materie (hauptsächlich Wasserstoffatome), wodurch die Photonen freigesetzt wurden, weil ihnen der Stoßpartner
fehlte. Die Temperatur beträgt bei der Rekombination rund 3000 K, was eine Rotverschiebung von z∗ = 1089 bedeutet. Nach Messungen des WMAP-Projektes[2]
war die Rekombinationsphase etwa 379.000 Jahre nach dem Urknall. In kosmischen Maßstäben gesehen ging die Rekombination sehr schnell, so daß es keine
Verzerrungen im Planck-Spektrum der Photonen gab.
Seitdem entwickeln sich die Temperaturen von Strahlung und Materie getrennt
(Strahlung T ∼ a−1 , Materie T ∼ a−2 ), die Photonen der Hintergrundstrahlung
durchströmen frei das Weltall und werden dabei immer weiter rotverschoben, bis
die Strahlung ca. 13,7 Milliarden Jahre nach dem Urknall die Temperatur von
≈ 2, 725K[4] erreicht hat, die wir heute messen. Das Maximum eines PlanckSpektrums dieser Temperatur liegt im Mikrowellenbereich (Wellenlänge etwa im
Millimeterbereich).
Der Skalenfaktor zum Zeitpunkt der Rekombination kann abgeschätzt werden,
indem man die heutige Temperatur der Mikrowellenhintergrundstrahlung mit
T ∼ a1 zurückrechnet: Die Temperatur bei der Rekombination ist ungefähr tausend mal größer als die heutige, also muß das Universum etwa tausend mal kleiner
als heute gewesen sein. Dieser Wert ist unabhängig vom verwendeten Weltmodell.
Um die richtige Vorstellung von der Ausbreitung der Photonen zu haben, ist es
wichtig zu wissen, daß das Universum im Urknall vollständig entstanden ist. Es ist
nicht so, daß es expandiert, indem am Rand“ neuer Raum entsteht. Vielmehr war
”
aller Raum schon direkt nach dem Urknall bereits vorhanden. Die Expansion des
Universums ist die Änderung einer inneren Eigenschaft des Raumes, Skalenfaktor
genannt, die bewirkt, daß die Abstände auf kosmischen Skalen immer größer
werden.
Zudem ist das Universum sehr viel größer als der Teil, den wir davon beobachten
können. Das ist der Teil, aus dem Licht (oder andere Teilchen, deren Geschwindigkeiten die des Lichts nicht überschreiten können) seit dem Urknall die Zeit
hatte, uns zu erreichen. Alles, was weiter weg liegt, ist für uns unbeobachtbar
und kann uns auch nicht beeinflussen.
Wenn wir die Hintergrundstrahlung untersuchen, sehen wir eine Strahlung, die
vor 13,7 Milliarden Jahren auf einer Kugeloberfläche um uns herum entstanden
ist, die so weit weg ist, daß das Licht gerade 13,7 Milliarden Jahre gebraucht hat,
uns zu erreichen. Wir sehen so die Vergangenheit dieser Orte, die sich natürlich
mittlerweile 13,7 Milliarden Jahre lang weiterentwickelt haben und heute vermut-
2.2. Überblick über die Anisotropien in der CMBR
7
lich so ähnlich aussehen wie das Universum in unserer Nähe, z. B. sind dort jetzt
Galaxien, Sterne und Planeten entstanden. Würde man an diesen Orten zum jetzigen Zeitpunkt die Hintergrundstrahlung beobachten, würde man die Strahlung
sehen, die bei uns vor 13,7 Milliarden Jahren frei wurde.
2.2
Überblick über die Anisotropien in der CMBR
Die Anisotropien in der Temperatur der CMBR1 bilden physikalische Prozesse aus
der Frühzeit des Universums ab, als seine Strukturen noch wesentlich einfacher
als heute waren. Um genau zu sein, sind die Anisotropien entstanden zwischen
Inflation, die nach heutzutage favorisierter Theorie die Anfangsfluktuationen etwa
10−34 s nach dem Urknall geschaffen hat, und der Rekombination von Protonen
und Elektronen etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall.
Fluktuationen in der Energiedichte und kleine Störungen in der Metrik sind Ursache der Schwankungen in der Photonentemperatur, die wir heute als Anisotropien
am Himmel sehen. Dieselben Fluktuationen waren auch Keime für die gravitative Entstehung von Galaxien. Andere Theorien der Strukturbildung, wie etwa
Zusammenballung von Materie aufgrund elektromagnetischer Kräfte, scheinen
heutzutage unwahrscheinlich.
Die intrinsischen Anisotropien, also diejenigen, die von Inhomogenitäten der primordialen Energieverteilung herrühren2 , sind sehr klein. Ihre relative Fluktuation
liegt im Bereich ∆T
≈ 10−5 . Mittels Abbildung (2.1) kann man sich ein Bild der
T
Anisotropien machen.
Das Grundprinzip, das die Beobachtung der Temperaturanisotropien der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung interessant macht, ist, daß physikalische
Prozesse 380.000 Jahre lang auf die kosmische Materie einwirkten und die Temperatur der Photonen veränderten, bis sich die Photonen in der Rekombinationsphase abkoppelten. Seitdem bewegen sie sich ungestört durch das Universum und
tragen dadurch eine Art Momentaufnahme des Zustands der kosmischen Materie
380.000 Jahre nach dem Urknall zu uns.
Je nach räumlicher Ausdehnung der Temperaturanisotropien sind verschiedene
physikalische Effekte wirksam. Daher bietet es sich an, die Anisotropien nach
ihrem Multipolmoment (also ihrer Größe“) zu zerlegen. Das geschieht im soge”
1
Cosmic Microwave Background Radiation, kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung
also nicht die Dipolanisotropie, sie wird als Bewegung der Erde relativ zum Ruhebezugssystem der CMBR gedeutet
2
8
Kapitel 2. Übersicht
Abb. 2.1: Darstellung der Anisotropien der CMBR: Boomerang-Experiment im
Vergleich zu COBE DMR
Der gelb und rote Farbbereich stellt Erhöhungen der Temperatur der Mikrowellenhintergrundstrahlung gegenüber der Durchschnittstemperatur von 2,725K dar, Blau
und Grün symbolisieren Erniedrigungen. Der kleine schwarze Punkt rechts unten im
Kasten ist die Größe des Vollmondes. Das COBE-DMR-Experiment hat 1992 den ganzen Himmel mit einer Auflösung von 7◦ vermessen. Es war das erste Experiment, das
Anisotropien in der Temperatur der CMBR entdeckt hat. Auf dem COBE-Bild sieht
man Fluktuationen mit Überhorizontgröße, die die Anfangsbedingungen widerspiegeln.
Boomerang hat 1998 nur einen Ausschnitt von etwa 100◦ ·30◦ gemessen, allerdings mit
einer Auflösung von 0,2◦ , so daß man auf dem Bild auch Fluktuationen erkennt, die
von akustischen Oszillationen herrühren. Das Bild ist der Boomerang-Homepage [9]
entnommen.
nannten Winkelleistungsspektrum oder Cl -Diagramm. Ein typisches Cl -Diagramm
ist in Abb. 2.2 gezeigt.
Die Einteilung nach Ausdehnung der Temperaturanisotropien kann wie folgt getroffen werden.
• Monopol: Die Amplitude des Monopols der Anisotropie ist einfach die
Durchschnittstemperatur. Sie beträgt nach dem COBE FIRAS Experiment
T = 2, 725K ± 0, 002K [4].
• Dipol: Das Dipolmoment der von WMAP gemessenen Temperaturverteilung ist ∆T = 3, 346mK±0, 017mK[2]. Es wird erklärt über den Dopplereffekt durch die Eigenbewegung der Erde relativ zum von der Hintergrund-
2.2. Überblick über die Anisotropien in der CMBR
9
Abb. 2.2: Ein typisches Winkelleistungsspektrum mit Fehlerbereichen verschiedener Experimente
Auf der x-Achse ist die Multipolzahl l logarithmisch abgetragen, der Winkel am Him◦
mel, der der Multipolzahl entspricht, ist etwa Θ ≈ 180
l . Auf der linken Seite sieht man
also großwinklige Anisotropien (intrinsische, also ohne den Dipol), nach rechts werden sie kleiner. Nach oben ist die Temperaturdifferenz zur Durchschnittstemperatur
dargestellt. Von links nach rechts erkennt man das Sachs-Wolfe-Plateau, auf dem die
Temperaturdifferenz einigermaßen konstant bleibt, dann den ersten akustischen Peak
bei l ≈ 200 und weitere akustische Peaks, die zunehmend gedämpft sind. Das Bild
stammt von [10].
strahlung definierten Bezugssystem. Die Richtung des Dipols und damit die
Bewegungsrichtung der Erde ist (l|b) = (263,◦ 85 ± 0,◦ 1|48,◦ 25 ± 0,◦ 04) [2],
wobei l galaktische Länge und b galaktische Breite bedeuten.
Ein eventueller Anteil eines intrinsischen Dipolmoments kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber vom Doppler-Dipolmoment nicht zu unterscheiden. Die höheren intrinsischen Momente sind allesamt um zwei Größenordnungen niedriger als das Dipolmoment. Das Dipolmoment wird gewöhnlich
von Karten der intrinsischen Anisotropien abgezogen, da es die viel kleineren höheren Momente überdecken würde.
• großwinklige intrinsische Anisotropien (& 1◦ ): Unter intrinsischen
Anisotropien versteht man Anisotropien, die aufgrund von Prozessen in der
kosmischen Materie selbst entstanden sind, im Gegensatz zur Dopplerverschiebung durch die Eigenbewegung der Erde bei der Dipolanisotropie.
≈ 10−5 . GroßDie Amplitude großwinkliger Temperaturanisotropien ist ∆T
T
winklig nennt man Anisotropien, die im Raum eine Ausdehnung hatten, die
auch bei der Rekombination noch außerhalb des Kausalitätshorizontes la-
10
Kapitel 2. Übersicht
gen. Der einzig mögliche physikalische Prozeß in diesem Größenbereich ist
das Fallen der kosmischen Materie in das Gravitationspotential. Das Fluid
in großwinkligen Moden konnte sich noch nicht kontrahieren und Schwingungen ausführen, es zeigen sich in ihnen also die Anfangsbedingungen der
Energiedichtefluktuationen durch den Sachs-Wolfe-Effekt (siehe Kap. 2.5).
Das beobachtete Sachs-Wolfe-Plateau im Cl -Diagramm läßt auf ein skaleninvariantes Spektrum der primordialen Energiedichtefluktuationen schließen. (Skaleninvariant bedeutet, daß die Amplitude der Energiedichtefluktuation nicht von ihrer Wellenlänge abhängt.)
Die Messungen von COBE 1992 mit einer Auflösung von 7◦ deckten nur
großwinklige Anisotropien ab.
• kleinwinklige intrinsische Anisotropien (. 1◦ ): Dieser Größenbereich
ist für die Bestimmung kosmologischer Parameter der interessanteste. Das
Photon-Baryon-Fluid in Moden dieser Ausdehnung hat zu oszillieren begonnen und mindestens eine halbe Oszillationsperiode durchlaufen. Es hat
sich also, je nach Anfangsbedingungen, mindestens einmal kontrahiert bzw.
verdünnt3 . Die treibende Kraft für die Oszillationen ist der Photonendruck,
der dem Versuch der Gravitation entgegenwirkt, die kosmische Materie zusammenzuziehen. Gradienten in der Photonenenergiedichtefluktuation sind
Quellen des Photonendrucks.
Die akustischen Peaks, die von den Moden erzeugt werden, die bei der Rekombination im Zustand maximaler Kompression bzw. Verdünnung sind,
stehen zueinander in einem harmonischen Verhältnis, das bestimmt wird
vom Schallhorizont, also der Entfernung, die Dichtestörungen im PhotonBaryon-Fluid bis zur Rekombination zurücklegen können.
Der Schallhorizont liefert die einfachste Möglichkeit, einen kosmologischen
Parameter aus dem Cl -Diagramm herauszulesen: die Krümmung des Raumanteils des Universums, charakterisiert durch Ωk . Wenn man nämlich eine
physikalische Länge an einem weit entfernten Ort im Universum kennt, kann
man daraus, wie groß diese Länge bei uns erscheint, auf die Krümmung
des Raumes schließen, da Lichtstrahlen je nach Raumgeometrie parallel,
aufeinander zu oder voneinander weg gekrümmt laufen. Das BoomerangExperiment und WMAP haben auf dieser Basis gezeigt, daß der Raum des
Universums flach ist.
Die Amplitudenverhältnisse ungerader und gerader Peaks (von Moden, die
bei der Rekombination gerade maximal komprimiert bzw. verdünnt waren)
lassen Rückschlüsse auf den Baryoneninhalt des Universums zu (der zugrundeliegende Effekt ist der Baryonensog).
Kleinwinklige Anisotropien werden zunehmend dadurch gedämpft, daß sich
während der Rekombination (die nicht instantan stattfindet), während der
die mittlere freie Weglänge der Photonen anwächst, warme“ und kalte“
”
”
3
Annahme adiabatischer Anfangsbedingungen
2.3. Akustische Oszillationen
11
Photonen mischen und so auf kleinen Skalen die Anisotropien ausradieren.
Dieser Effekt heißt Silk-Dämpfung.
Grundsätzlich ist nur eine statistische Beschreibung der Anisotropien möglich, da
wir natürlich nicht die exakten Anfangsbedingungen kennen, sondern nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Wert machen können.
Die Inflationstheorie sagt für die Fluktuationen ein Gaußsches Zufallsfeld voraus,
dessen statistische Eigenschaften durch das Winkelleistungsspektrum eindeutig
bestimmt sind. Wir werden diesen Aspekt in Kapitel 4 weiterverfolgen.
2.3
Akustische Oszillationen
Da die Fluktuationen im frühen Kosmos betragsmäßig sehr klein waren, kann
man zu ihrer Modellierung eine allgemeinrelativistische lineare Störungstheorie
anwenden, die alle Terme höherer als erster Ordnung in den Fluktuationen vernachlässigt. Die Linearität erlaubt es, Fluktuationen nach Normalmoden zu entwickeln (im flachen Raum ist das eine Fourier-Entwicklung) und nur die Dynamik
einer einzelnen Mode zu betrachten, was die Rechnung und die Anschauung sehr
vereinfacht.
Beispielsweise wird die (skalare) Potentialfluktuation entwickelt
Ψ(~x, t) =
∞
X
Ψi (t) · Qi (~x) .
(2.1)
i=0
Allerdings wird der Index i sowohl beim Entwicklungskoeffizienten Ψi als auch
der skalaren Normalmode Qi weggelassen (bei letzterer vermeidet man so die Verwechslung mit vektoriellen Normalmoden), da gewöhnlich im Entwicklungsraum
argumentiert wird.
Die Photonentemperatur (bzw. ihre Fluktuation) ist eine Funktion des Ortes
~x und der Richtung ~γ . Die Richtung der Lichtausbreitung ist wichtig, da durch
den Doppler-Effekt die Photonentemperatur auch von der Bewegungsrichtung des
Photon-Baryon-Fluids abhängt. Die Richtungsabhängigkeit der Photonentemperaturfluktuationen Θ wird (zusätzlich zur Entwicklung der Raumabhängigkeit)
einer Multipolentwicklung (nach verallgemeinerten Legendre-Polynomen) unterzogen. Im flachen Raum ist schematisch
Θ(~x, ~γ , t) =
∞ X
∞
X
Θij (t)Qi (~x)Pj (~γ ) .
(2.2)
i=0 j=0
Wieder wird der Modenindex i fallen gelassen, da immer nur eine einzelne Mode
betrachtet wird.
12
Kapitel 2. Übersicht
Der Entwicklungskoeffizient der Photonentemperatur4 oszilliert in einer Potentialfluktuation. Für ein Spielzeug“-Modell, in dem das Universum schon immer
”
materiedominiert war (dann ist die Potentialfluktuation zeitlich konstant) und es
keine Baryonen im Photon-Baryon-Fluid gibt (die Materie also ausschließlich aus
nichtbaryonischer CDM5 besteht), lautet die Oszillator-Gleichung
1
1
Θ̈0 + k 2 Θ0 = − k 2 Ψ .
3
3
(2.3)
Punkte kennzeichnen die Ableitung nach der konformen Zeit η. Ohne Baryonen
ist die Schallgeschwindigkeit cs = √13 (eigentlich cs = √c3 , aber c := 1) zeitlich
konstant.
Die Gleichung gilt, wie erwähnt, im Entwicklungsraum. Im Ortsraum wird −k 2
zum Laplace-Operator. Auch ohne eine Gravitationspotentialfluktuation Ψ würde das Fluid oszillieren, weil der Photonendruck im Fluid die primordialen Photonenenergiedichteschwankungen auszugleichen versucht6 . Dann hätte man die
Gleichung eines nichtangeregten harmonischen Oszillators.
Liegt ein Gravitationspotential vor, wird in unserem Spielzeugmodell der Nullpunkt der Schwingung verschoben, denn man kann Ψ und Θ0 zusammenfassen,
weil Ψ statisch ist: Θ0 → Θ0 + Ψ
1
(Θ0 ¨+ Ψ) + k 2 (Θ0 + Ψ) = 0 .
3
(2.4)
Die Größe Θ0 + Ψ ist allgemein die beobachtete Temperaturfluktuation, da zur
intrinsischen Temperaturfluktuation Θ0 die Rotverschiebung hinzukommt, weil
die Photonen bei Rekombination aus dem Potential heraus müssen. (Ψ < 0, um
die Analogie mit einem Gravitationspotential zu unterstützen).
Ein Beispiel für die Oszillation einer Mode in diesem Spielzeugsystem ist in Abbildung 2.3 zu sehen.
Die Schwingungsperiode P ist proportional zur Wellenlänge λ der Mode P ∼ k1 ∼
λ. Diese Eigenschaft ist es, die für die harmonische Abfolge der akustischen Peaks
im Winkelleistungsspektrum sorgt7 .
Die Entstehung der akustischen Peaks im Cl -Diagramm aus den Oszillationen des
Photon-Baryon-Fluids ist in Abbildung 2.4 veranschaulicht.
4
um genau zu sein: der Monopol des Entwicklungskoeffizienten der Photonentemperaturfluktuation
5
Cold Dark Matter: kalte dunkle Materie
6
Das wären allerdings weder adiabatische noch krümmungskonstante Anfangsbedingungen.
7
dabei ist es nicht wichtig, ob die Schwingung periodisch bzgl. η, a oder t ist. Sie ist es nur
bzgl. η. Wichtig ist allein P ∼ λ. Deswegen stört auch nicht, wenn cs nicht konstant ist
2.3. Akustische Oszillationen
1
13
1
eff. Temperaturfluktuation |Θ0 +√Ψ|
|Vγ / 3|
eff. Temperaturfluktuation |Θ0 + Ψ|
√
|Vγ / 3|
0.9
0.8
0.1
1
k = 0.042 MPc
0.7
0.6
0.5
0.01
0.4
0.3
0.001
0.2
k=
0.0001
1e-06
0.1
1
0.042 MPc
1e-05
0
0.0001
Skalenfaktor a
0.001
0
1
2
3
4
5
6
7
Skalenfaktor a [10−4 ]
8
9
10
Abb. 2.3: Beispiel für akustische Oszillationen
Oszillation der Mode, die den 5. Peak im Cl -Diagramm erzeugt. Die Rekombination
1
bei a ≈ 1000
friert die Schwingung gerade bei maximaler Kompression (und damit maximaler Temperatur) ein.
Man sieht die selben Daten, links in logarithmischer, rechts in linearer Auftragung. Auf
dem rechten Bild fällt auf, daß die Schwingungsperiode immer größer wird. Das liegt
an der Auftragung über dem Skalenfaktor und hat auf die Harmonizität der Peaks im
Cl -Diagramm keinen Einfluß.
Man sieht auch gut die Phasenverschiebung um π2 zwischen Temperatur und Geschwindigkeit, wie es für akustische Oszillationen der Fall sein sollte.
Das Universum ist in dieser Rechnung materiedominiert, die Anfangsbedingungen der
Fluktuationen entsprechen adiabatischen. Ωr ≈ 0 Ωm = 0, 3 Ωb = 0 Ωk ≈ 0, 5
km
ΩΛ = 0, 2 H0 = 50 sMpc
.
Als ersten Schritt auf dem Weg zu einem realistischen Modell lassen wir Baryonen
zu. Die Oszillator-Gleichung wird
Θ̈0 +
1 1
1
Ṙ
Θ̇0 +
k 2 Θ0 = − k 2 Ψ .
1+R
31+R
3
(2.5)
b
R(η) ist das Baryonen- zu Photonen-Impulsdichteverhältnis R = ρργb +p
. Mit den
+pγ
Zustandsgleichungen für Materie (u. a. Baryonen) pb = 0 und Photonen pγ = 31 ργ
3ρb
. Deshalb wird R oft auch als Baryoneninhalt interpretiert. Setzt
wird R = 4ρ
γ
man die Skalenfaktorabhängigkeit der Dichten ein, sieht man, daß R eine Art
Ṙ
umskalierter Skalenfaktor ist: R ∼ a. Damit ergibt sich auch R
= ȧa .
Aus dem Term vor Θ0 können wir als Schallgeschwindigkeit cs = √
1
3(1+R)
ablesen.
Damit ist die Schallgeschwindigkeit nach Hinzunehmen der Baryonen zeitabhängig. Der Weg, den der Schall zurücklegen kann, der Schallhorizont rs , ist
Z η
rs (η) =
cs (η 0 )dη 0 .
(2.6)
0
Der Schallhorizont zum Zeitpunkt der Rekombination rs (η∗ ) legt die fundamentale Skala der akustischen Peaks fest. Die Wellenlängen der Moden, die die Peaks
14
Kapitel 2. Übersicht
verursachen, haben ein ganzzahliges Verhältnis zum Schallhorizont. Mit Hilfe dieser physikalischen Länge, die man modellunabhängig berechnen kann, läßt sich
die Krümmung des Raumes bestimmen, indem man mißt, wie groß die Mode heute in der Mikrowellenhintergrundstrahlung erscheint (also wo die Peaks liegen).
Viele Experimente (u. a. Boomerang und WMAP) haben gezeigt, daß der Raum
des Weltalls flach ist.
Die Baryonen beeinflussen nicht nur die Schallgeschwindigkeit im Photon-BaryonFluid, sie ändern auch die Oszillationen. Dieser Effekt wird Baryonensog8 genannt. Er führt zu einer stetigen Verschiebung des Nullpunktes der Schwingung,
weswegen die Amplitude der Kompressionspeaks gegenüber den Verdünnungspeaks immer weiter erhöht wird. In Potentialmulden wird das Fluid von Schwingung zu Schwingung immer stärker komprimiert (und entsprechend in Potentialhügeln stärker verdünnt), während die Verdünnung in den Mulden (und Komprimierung in Hügeln) schwächer wird.
Der physikalische Grund des Baryonensogs ist die Erhöhung der effektiven Masse des Photon-Baryon-Fluids, was zu einer Verstärkung des gravitativen Falls in
Potentialmulden führt, ohne daß gleichzeitig der Gegendruck (Photonendruck) erhöht würde, da Baryonen drucklos sind. Multipliziert man die Oszillatorgleichung
(2.5) mit 1 + R
1
1
(1 + R)Θ̈0 + ṘΘ̇0 + k 2 Θ0 = − k 2 (1 + R)Ψ
3
3
(2.7)
und vergleicht mit der entsprechenden Gleichung für R = 0 (also ohne Baryonen),
sieht man, daß R die Trägheit (Term vor Θ̈0 ) und den Gravitationsterm erhöht.
Der Baryonensog bietet die Möglichkeit der Bestimmung des Baryoneninhalts des
Universums, also des Parameters Ωb , den man aus dem Verhältnis der Amplituden
der geraden und ungeraden Peaks im Cl -Spektrum errechnen kann. Das WMAPExperiment kommt dabei auf Ωb = 0, 044 (zum Vergleich: Ωm = 0, 27, d.h. nur
etwa 16% der Materie ist baryonisch, und selbst von diesem Teil ist noch ein
Großteil dunkle Materie.)
Die Evolution des Baryoneninhalts trägt einen kleinen Dämpfungseffekt und eine
leichte Verschiebung der Harmonizität der Peaks bei.
Gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Realität. Die Potentiale sind in
Wirklichkeit nicht konstant, wie wir angenommen haben, weil die Änderung
der Photonenenergiedichte während der Schwingung in der strahlungsdominierten Epoche auf die Potentiale (bzw. Metrik) zurückwirkt. Bei Materiedominanz,
wenn also die Energiedichte der Materie die Metrik bestimmt, ist die Rückwirkung bei weitem nicht so stark, da in realistischen Modellen der Großteil der
8
engl.: Baryon drag
2.4. Anfangsbedingungen
15
Materie als nichtbaryonische CDM vorliegt, die sich an akustischen Oszillationen
nicht beteiligt (Teilchen, die als Kandidaten für die CDM gelten, sind nur schwach
wechselwirkend, und unterliegen im für uns Wesentlichen nur der Gravitation).
Vernachlässigen wir kurz den (für Oszillationen so wesentlichen) Photonendruck,
indem wir Überhorizontmoden betrachten. Dann ist die Potentialfluktuation Ψ in
der strahlungsdominierten Epoche konstant, denn die Abschwächung der Fluktuation durch die kosmische Expansion wird durch den Fall der kosmischen Materie (bzw. besser: Energie) in die Fluktuation gerade kompensiert. Für die materiedominierte Epoche gilt dasselbe9 .
Wenn nun aber die akustische Oszillation einer Mode in der strahlungsdominierten Epoche einsetzt, ist der kontinuierliche Fall in die Potentiale nicht mehr frei,
sondern gebremst. Dann kann die Potentialfluktuation ihren Wert nicht halten
und wird von der Expansion gedämpft. Das Timing des Potentialzerfalls ist dadurch so festgelegt, daß der Zerfall am größten ist, wenn das Fluid das erste Mal in
der Phase maximaler Kompression ist, denn dann ist der freie Fall der Photonen
im Gravitationspotential endgültig gestoppt. Auf die Oszillation wirkt das verstärkend, denn das Fluid muß beim Verdünnen ( Zurückschwingen“) nicht mehr
”
gegen ein so großes Gravitationspotential ansteigen. Ist das Potential erst einmal
zerfallen, oszilliert das Fluid ohne Anregung mit höherer Amplitude weiter bis
zur Rekombination.
Berücksichtigt man die Evolution der Potentialfluktuationen Ψ und Φ (bzw. Störungen des Zeit- und Raumanteils der Metrik), so lautet die volle OszillatorGleichung
!
Ṙ
1 1
Ṙ
1
Θ̈0 +
Θ̇0 +
k 2 Θ0 = −
Φ̇ + k 2 Ψ + Φ̈ .
(2.8)
1+R
31+R
1+R
3
Näherungsweise10 gilt Φ = −Ψ.
2.4
Anfangsbedingungen
Herrschen adiabatische Anfangsbedingungen, so existieren zum Anfangszeitpunkt
keine Entropiefluktuationen S des kosmischen Fluids (räumliche Variationen des
Anzahldichteverhältnisses zwischen Baryonen und Photonen)[34]
nb
3
δ
= ∆b − ∆γ =: S ,
(2.9)
nγ
4
9
10
auch wenn die Konstanten Ψr und Ψm unterschiedlich sind.
unter Vernachlässigung des anisotropen Drucks der Neutrinos
16
Kapitel 2. Übersicht
sondern Fluktuationen in der Energiedichte und damit, aufgrund der gravitativen
Rückwirkungen, auch Potentialfluktuationen Ψ = −Φ.
Für die Anfangsbedingung der Temperaturfluktuationen gilt
1
Θ0 (0) = − Ψ(0) .
2
(2.10)
Ein besseres Wort für adiabatische Anfangsbedingungen wäre isentrop, da sich
adiabatisch auf einen zeitlichen Prozeß bezieht, was hier aber nicht gemeint ist,
sondern eine ortsunabhängige Verteilung des Anzahldichteverhältnisses von Strahlung und Materie.
Die Inflationstheorie produziert adiabatische Anfangsbedingungen. Quantenmechanische Fluktuationen werden durch die inflationäre Expansion des Universums
auf Skalen gebracht, die sogar größer als der Kausalitätshorizont nach der Inflation sein können.
Oft ist auch von krümmungskonstanten11 Anfangsbedingungen die Rede, auch
wenn nach neueren experimentellen Ergebnissen[2] unwahrscheinlich scheint, daß
sie in der Realität vorlagen.
Krümmungskonstante Anfangsbedingungen bedeutet, daß die Raumzeitkrümmung nicht gestört ist. Es gibt daher keine Potentialfluktuationen und es gibt
keine Fluktuationen der in der Anfangszeit des Universums gravitativ dominanten Energieform: der Strahlung. Fluktuationen existieren aber in der Baryonenverteilung, also auch im Anzahldichteverhältnis von Baryonen zu Photonen, der
Entropie S.
In diesem Fall gilt für die Temperaturfluktuationen
Θ0 (0) = Ψ(0) = 0 .
(2.11)
Die zeitliche Entwicklung von den Anfangsbedingungen weg geschieht für Photonen und Baryonen in jedem Fall adiabatisch. Nichtadiabatische Entwicklung
läge vor, wenn sich das Anzahldichteverhältnis zwischen Baryonen und Photonen verändern würde. Bei Überhorizont-Fluktuationen (kη << 1) geschieht das
nicht, weil nach der Euler-Gleichung unterschiedliche Anfangsgeschwindigkeiten
der beiden Fluide durch die Expansion weggedämpft werden, bei kleinwinkligen
Anisotropien sind Photonen und Baryonen enggekoppelt, so daß sie sich nicht
getrennt entwickeln können. Adiabatizität der Evolution
˙ γ = 4∆
˙b
∆
3
11
engl.: isocurvature
(2.12)
2.5. Der Sachs-Wolfe-Effekt
17
ist eine der Engkopplungsbedingungen.
Mit der Euler-Gleichung für Materie bzw. Strahlung in Gesamtmaterie-Eichung12
können wir zeigen, daß auch für Überhorizont-Fluktuationen Adiabatizität gewährleistet ist[34]
ȧ
V̇m = − Vm + kΨ
a
ȧ
1
V̇r = − VT + kΨ + k∆r
a
4
(2.13)
(2.14)
Diese Gleichungen beschreiben die Änderungen der Geschwindigkeiten des Materiebzw. Strahlungsfluids. Die Terme ∼ aȧ beschreiben die Dämpfung der Fluidgeschwindigkeiten durch die kosmische Expansion, kΨ den gravitativen Fall der
Fluide in die Potentialfluktuation. In der Gleichung für Strahlung gibt es noch
einen Term proportional zum Dichtegradienten, den Photonendruck repräsentierend, der dem gravitativen Fall in die Potentialfluktuation entgegenwirkt (Ψ < 0).
Dieser Term fällt für großwinklige Fluktuationen (größer als der Kausalitätshorizont) weg, da keine kausalen Wechselwirkungen wie die Thomson-Streuung möglich sind.
Wir sehen, daß individuelle Anfangsgeschwindigkeiten von der Expansion exponentiell gedämpft werden, und die einzige Quelle für Geschwindigkeiten der gravitative Fall in die Potentialfluktuation ist, der für Strahlung und Materie gleich ist.
Die Fluide können sich also nicht voneinander wegbewegen, das Anzahldichteverhältnis und damit die Entropie bleiben konstant, die Entwicklung ist adiabatisch,
unabhängig von den Anfangsbedingungen.
2.5
Der Sachs-Wolfe-Effekt
Sachs und Wolfe fanden 1967 heraus ([7],[8],[34]), daß man aus der Amplitude
der großwinkligen Anisotropien in der Mikrowellenhintergrundstrahlung auf die
intrinsischen Materiefluktuationen zurückschließen kann, wie sie beispielsweise
von der Inflation erzeugt wurden. Sehr grob gesagt, besteht der normale SachsWolfe-Effekt (SW-Effekt) daraus, daß Photonenenergien beim Austritt aus einer
Potentialfluktuation gravitationsrotverschoben werden (bzw. blauverschoben je
nachdem, ob die Potentialfluktuation negativ oder positiv ist): Θ0 → Θ0 + Ψ.
Dazu kommt ein Zeitdilatations-Effekt gegenüber dem homogenen RobertsonWalker-Raum
√
dt = 1 + 2ΨdtRW ≈ (1 + Ψ)dtRW ,
(2.15)
12
engl.: Total matter gauge
18
Kapitel 2. Übersicht
der bewirkt, daß man in Potentialfluktuationen das Universum zu einem anderen
Zeitpunkt sieht, zu dem die Photonentemperatur noch höher oder schon niedriger
war.
Großwinklig bedeutet, daß die Materie der jeweiligen Mode bis zur Rekombination
nicht kausal wechselwirken konnte, so daß sie nur der Gravitation der Potentialfluktuation ausgesetzt war. Prozesse wie beispielsweise akustische Oszillationen
sind ausgeschlossen, da zwischen den Teilchen keine kausalen Wechselwirkungen
möglich sind und es somit keinen Photonendruck gibt. Deshalb mißt man mit den
Überhorizont-Anisotropien die Anfangsbedingungen. (Man interpretiert heute die
relativ grob aufgelösten COBE-Daten als Messung der Anfangsbedingungen.)
Die Boltzmann-Gleichung (5.132) vereinfacht sich für Überhorizontmoden zu13
Θ̇0 = −Φ̇ ≈ Ψ̇ .
(2.16)
Diese Gleichung enthält den Zeitdilatationsterm in der Form, daß ein sich änderndes Potential Ψ̇ eine Änderung der Temperatur Θ̇0 hervorruft.
Integration von 0 bis η∗ ergibt für die effektive, nach Austritt aus der Potentialfluktuation beobachtete Photonentemperaturfluktuation
[Θ0 + Ψ](η∗ ) = Θ0 (0) + 2Ψ(η∗ ) − Ψ(0) .
(2.17)
Nach der Rekombination propagieren die Photonen durch das Universum bis zu
uns, wobei die weiter existierenden Potentialfluktuationen ihre Temperatur nicht
verändern, weil die Rotverschiebung beim Herausklettern aus einem Gravitationspotential genau von der Blauverschiebung durch das Hineinfallen kompensiert
wird14 . Es kommt also nur darauf an, in welche Potentialfluktuation das Photon
hinein geboren“ wurde, nicht darauf, welche anderen Fluktuationen es danach
”
noch durchlief. Die Temperatur wird nur noch von der kosmologischen Rotverschiebung betroffen.
Adiabatische Anfangsbedingungen verlangen, daß Θ0 (0) = − 21 Ψ(0). Setzen wir
das in (2.17) ein, erhalten wir
3
[Θ0 + Ψ](η∗ ) = 2Ψ(η∗ ) − Ψ(0)
2
(2.18)
Eine Potentialfluktuation Ψ ist während der strahlungs- und materiedominierten Epochen konstant15 , allerdings fällt sie beim Übergang von einer zur anderen
13
Ψ = −Φ, wenn der anisotrope Druck vernachlässigt wird.
Das gilt nicht für zeitveränderliche Potentiale: siehe ISW-Effekt
15
Expansionsdämpfung der Energiefluktuation und Fallen in das Potential kompensieren sich.
Das gilt jedoch nur, wenn der Photonendruck das Fallen nicht bremst. Dann, also bei Unterhorizontfluktuationen (die deswegen auch akustisch oszillieren), verfällt das Potential.
14
2.5. Der Sachs-Wolfe-Effekt
19
9
Epoche auf 10
ihres Wertes. Wenn die letzte Streuung des Photons in der materie9
dominierten Epoche liegt, ist Ψ(η∗ ) = 10
Ψ(0), ansonsten natürlich Ψ(η∗ ) = Ψ(0).
Es kommt also bei der Größe des Sachs-Wolfe-Effekts darauf an, ob die letzte
Streuung noch in der strahlungsdominierten, oder schon der materiedominierten
Epoche stattfand. Je nach Modell des Universums kommt beides vor. Die effektive
Temperaturfluktuation ist damit
1
1
Ψ(η
)[=
Ψ(0)]
strahlungsdominiert
∗
2
2
[Θ0 + Ψ](η∗ ) =
.
(2.19)
1
Ψ(η∗ )
materiedominiert
3
Die letzte Zeile ist das vielzitierte Sachs-Wolfe-Ergebnis.
Diese Lösung gilt allerdings nicht, wenn die letzte Streuung im Zwischenbereich
der Epochen stattfand. Dann benötigt man die genaue Zeitabhängigkeit der Potentialfluktuation, nicht die asymptotischen Lösungen, die hier verwendet wurden.
Bei krümmungskonstanten Anfangsbedingungen ist Θ0 (0) = Ψ(0) = 0, so daß
[Θ0 + Ψ](η∗ ) = 2Ψ(η∗ ) .
(2.20)
Weil Ψ(0) ganz herausfällt und nicht mehr zur Ψ(η∗ ) in Beziehung gesetzt werden
muß, entfällt hier die Unterscheidung zwischen letzter Streuung in strahlungsoder materiedominierter Epoche.
Leider ist das obige Verwenden der Boltzmann-Gleichung nicht sehr intuitiv, da
in ihr der Zeitdilatationseffekt nicht offen hervortritt. Wir können diesen Effekt
plausibel machen, indem wir uns vorstellen, daß in einem Gravitationspotential
die Zeit gedehnt ist, und man das Universum zu einem etwas anderen Zeitpunkt
sieht, wenn man in der Hintergrundstrahlung auf eine Dichtefluktuation schaut.
Da sich mit der Zeit durch die kosmische Rotverschiebung auch die Temperatur
der im Universum enthaltenen Strahlung ändert, bewirkt dieser etwas andere
Zeitpunkt eine Temperaturverschiebung.
Da T ∼ a−1 ist, gilt
δT
δa
=−
T
a
(2.21)
2
und da a ∼ t 3(1+w) , wenn die Zustandsgleichung der dominanten Energieform
p = wρ ist, ist
δa
2
δt
=
.
(2.22)
a
3(1 + w) t
Da dt = (1 + Ψ)dtRW ist, ist die relative Zeitverschiebung δtt = Ψ. Also insgesamt
1
δT
2
− 2 Ψ strahlungsdominiert
=−
Ψ=
,
(2.23)
− 23 Ψ materiedominiert
T
3(1 + w)
20
Kapitel 2. Übersicht
womit wir den rechten Teil des Ergebnisses (2.19) reproduziert haben. Und das
ist gerade der Teil, der nicht mit der Gravitationsrotverschiebung zu erklären ist.
Zum Vergleich beachte man, daß in (2.19) Ψ(η∗ ) auch auf der linken Seite steht.
Wie bereits angedeutet, gibt es auch eine Temperaturverschiebung, wenn sich
das Potential zeitlich ändert. In diesem Fall spricht man vom integrierten SachsWolfe-Effekt (ISW-Effekt). Das Prinzip ist ganz einfach: Bei einem zeitabhängigen Potential heben sich Blau- und Rotverschiebung beim Eintritt in das bzw.
Austritt aus dem Potential nicht mehr gegenseitig auf, weil sich das Potential
verändert hat, während sich das Photon in der Fluktuation befand.
Um die Gesamtverschiebung der Temperatur zu erhalten, muß man über den
ganzen Weg des Photons integrieren. Daher der Name des Effekts. Potentialänderungen spielen in den folgenden Situationen eine Rolle:
• früher ISW-Effekt bei krümmungskonstanten Anfangsbedingungen: Herrschen diese Anfangsbedingungen, dann steigt das Potential während der strahlungsdominierten Epoche an, bis die Mode innerhalb des
Kausalitätshorizontes kommt, wo sie beginnt, akustisch zu schwingen (siehe Abb. 6.6). Dann sinkt das Potential wieder (wie auch bei adiabatischen
Anfangsbedingungen). Kommt also eine Mode während der Strahlungsdominanz in den Kausalitätshorizont, hat das Potential noch nicht seine volle
Größe entfaltet. Es sinkt also von einem niedrigeren Niveau aus und gibt
dem Photon damit beim Sinken weniger Energie mit als bei einer größeren
Mode, die später, während der Materiedominanz, in den Horizont eintritt.
Große Moden (kleine k und l) werden also gegenüber kleineren verstärkt.
• früher ISW-Effekt bei adiabatischen Anfangsbedingungen: Wenn
die Mode in den Kausalitätshorizont eintritt, bremst der Photonendruck
den gravitativen Fall in das Potential und kehrt ihn sogar um. Da die Energiedichte nicht mehr steigt, kann das expansionsgedämpfte Potential nicht
konstant gehalten werden. Das Potential sinkt also, was die Temperatur
kleiner Moden erhöht.
• später ISW-Effekt: Auch in den Krümmungs- und Λ-dominierten Epochen ist das Potential zeitabhängig, vorausgesetzt es ist für die betrachtete
Mode noch nicht ganz verschwunden.
Zur Erläuterung betrachte man Tabelle 2.1. Sie zeigt die Skalenfaktor-Abhängigkeit
des Potentials bei adiabatischen und krümmungskonstanten Anfangsbedingungen
in verschiedenen Epochen des Universums für Überhorizont-Fluktuationen. Sobald der Photonendruck eine Rolle spielt, sobald also die Mode in den Horizont
eingetreten ist, ändert sich die Abhängigkeit, die Potentiale verfallen.
2.6. Eichungen
RD
MD
CD, ΛD
21
adiabatisch
krümmungskonstant
1
aS0
Ψ0
8
9
1
Ψ
S
10 0
5 0
nicht konstant
nicht konstant
Tab. 2.1: Abhängigkeit der Potentialfluktuation Ψ vom Skalenfaktor für adiabatische und krümmungskonstante Anfangsbedingungen in verschiedenen Epochen
des Universums
Nach [34].
adiabatisch
RD
MD
krümmungskonstant RD
MD
ρT
∼ a14
∼ a13
∼ a14
∼ a13
∆T
∼ a2
∼a
∼ a3
∼a
Ψ ∼ a2 ρT ∆T
const
const
∼a
const
Tab. 2.2: Aufschlüsselung der Skalenfaktor-Abhängigkeit der Potentialfluktuationen Ψ
Nach [34].
Um die Tabelle plausibel zu machen, betrachten wir, wie sie zustande kommt. Die
Poisson-Gleichung, die Energiedichtefluktuationen ∆T mit dem Potential Φ ≈
−Ψ verknüpft, lautet[34]
2
a
2
(k − 3K)Φ = 4πG
ρT ∆T .
(2.24)
a0
Die Proportionalitäten sind in Tabelle 2.2 zusammengestellt.
2.6
Eichungen
Eine Errungenschaft der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Möglichkeit der
freien Wahl eines Koordinatensystems. Diese Möglichkeit offenbart aber oft auch,
daß gewisse, intuitiv klare Konzepte letztlich keine objektive Bedeutung haben.
Der Begriff einer Fluktuation ist ein solches Konzept. Es gibt keine koordinatensystemunabhängige Interpretation einer Dichtefluktuation (z.B.). Man kann
immer die Zeitkoordinate so umdefinieren, daß die Fluktuationen zu jedem Zeitpunkt verschwinden.
Denn wenn wir uns vorstellen, es gäbe eine sinusförmige Dichteschwankung im
Universum, dann könnten wir die Hyperflächen konstanter Zeit ebenfalls sinusförmig ansetzen, so daß auf diesen Flächen konstanter Zeit überall die selbe Dichte
22
Kapitel 2. Übersicht
wäre. Damit gäbe es in diesem Koordinatensystem keine Dichtefluktuationen.
Diese Arbeit bedient sich der sogenannten Newtonschen Eichung. Dabei ist der
metrische Tensor diagonal, was die Summengleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie sehr vereinfacht und durch die Entkopplung von Raum- und Zeitkoordinaten (gi0 = g0i = 0) eine eindeutige Identifikation der nullten Koordinate
mit der Zeit möglich macht.
Die Diagonalelemente der Metrik in Newtonscher Eichung sind im einzelnen
g00 = −[1 + 2Ψ(~x, t)]
2
a
gij =
[1 + 2Φ(~x, t)]γij ,
a0
(2.25)
wobei γij die (diagonale) ungestörte Robertson-Walker-Metrik ist.
Ψ, die Zeitkomponente der Störung, wird als Newtonsches Potential bezeichnet,
weil in der Schwachfeldnäherung der Allgemeinen Relativitätstheorie (also beim
Newtonschen Grenzfall) das Newtonsche Potential in der Zeitkomponente an gleicher Stelle steht.
Φ ist die Störung der Raumkomponenten, sie wirkt wie eine lokale Modifikation
der kosmischen Expansion, ihre zeitliche Änderung führt zu einer lokalen kosmischen Rotverschiebung.
Die Newtonsche Eichung erlaubt durch die Diagonalform ihrer Metrik nur die Beschreibung skalarer Fluktuationen. Für vektorielle oder tensorielle Störungen (die
zur Betrachtung der Polarisation der Hintergrundstrahlung und zur Beschreibung
von Gravitationswellen notwendig sind, was jedoch in dieser Arbeit nicht benötigt
wird), bedient man sich der synchronen Eichung, bei der Fluktuationen in allen
Metrikelementen berücksichtigt sind. Die synchrone Eichung hat jedoch selbst
noch Eichfreiheitsgrade und führt zu schwerer interpretierbaren Ergebnissen als
die Newtonsche Eichung.
2.6. Eichungen
23
1. Peak
λ
2. Peak
Zeit
0
Rekombination
Abb. 2.4: Schematische Darstellung der Entstehung der akustischen Peaks aus
oszillierenden Moden des Photon-Baryon-Fluids
Nach der Inflation (10−34 s nach dem Urknall, hier als 0 gekennzeichnet) begannen alle Moden mit der Oszillation. Da die Oszillationsperiode proportional zur Größe der
Mode ist, oszillieren große Fluktuationen langsamer als kleine. Nach der Rekombination breiten sich die vorher im Photon-Baryon-Fluid gebundenen Photonen frei aus und
liefern uns Informationen über die Temperatur der Region, aus der sie kommen.
Das Fluid der größten Mode in der Abbildung hat bei der Rekombination gerade begonnen, zu kontrahieren und hat die größte Geschwindigkeit innerhalb des Oszillationszyklus eingenommen. Die Temperatur weicht nicht vom Durchschnitt ab.
Das Fluid in der zweiten Mode von oben ist bei der Rekombination maximal kontrahiert
und hat die größte Temperatur. Das produziert in der Mikrowellenhintergrundstrahlung eine sinusförmige Temperaturfluktuation mit der Wellenlänge der Mode, was wir
als Peak bei der der Wellenlänge entsprechenden Multipolzahl sehen.
Die nächste Mode hat sich bereits kontrahiert und schwingt bei der Rekombination gerade wieder zurück, die letzte Mode der Abbildung hat das Zurückschwingen vollendet
und ist gerade maximal verdünnt. Und so fort.
Man sollte allerdings beachten, daß sich das Wort Kompression auf den Zustand des
Photon-Baryon-Fluids in Vertiefungen der Potentialmode bezieht. Eine Mode (vorzustellen als sin kx) umfaßt natürlich auch Erhöhungen des Potentials. Dort ist das
Photon-Baryon-Fluid zum gleichen Zeitpunkt im Zustand der maximalen Verdünnung.
Bildidee nach [11].
24
Kapitel 2. Übersicht
Kapitel 3
Kosmologische Grundlagen
3.1
Die Robertson-Walker-Metrik
Die erste Frage bei der mathematischen Beschreibung des Universums ist die nach
seiner Metrik. Die Metrik legt die Eigenschaften der Raumzeit fest, sie ermöglicht
es, physikalische Objekte mittels Koordinaten zu beschreiben.
Im Formalismus der Allgemeinen Relativitätstheorie hat der metrische Tensor,
der die Metrik der Raumzeit festlegt, 10 Komponenten (der metr. Tensor ist
symmetrisch), die allerdings nicht alle unabhängig voneinander sind, da immer
allgemeine Koordinatentransformationen zugelassen sind, die nur die Form der
Metrik, nicht aber der Raumzeit verändern. Berücksichtigt man dies, zählt man
6 unabhängige Komponenten. Wir benötigen weitergehende Forderungen an das
Universum, die die Parameter der Metrik weiter einschränken.
Dazu bedienen wir uns einer Hypothese, die mittlerweile gut bestätigt ist: dem
kosmologischen Prinzip.
Das kosmologische Prinzip besagt, daß das Universum über großen Skalen gemittelt homogen und isotrop ist. Das bedeutet, daß kein Punkt vor dem anderen
ausgezeichnet ist, und läßt gleichzeitig auf kleinen Skalen die Struktur zu, die wir
im Universum finden, wie z.B. Sterne, Galaxien und Galaxienhaufen.
Das kosmologische Prinzip stellt eine starke Einschränkung an die Form der Metrik dar, es läßt (abgesehen von immer möglichen Koordinatentransformationen)
nur noch einen freien Parameter zu: den kosmischen Skalenfaktor, der mit der
Zeit variiert und die Expansion beschreibt.
Die Metrik, die das kosmologische Prinzip realisiert, ist die Robertson-WalkerMetrik. Ihr Raumanteil ist ein Raum konstanter Krümmung (um die Homoge25
26
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
nitätsforderung zu erfüllen). Wir betrachten zunächst einen dreidimensionalen
Raum konstanter Krümmung in Polarkoordinaten, wie sie für die Kosmologie
zweckmäßig sind. Wir entwickeln verschiedene Versionen der Metrik, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Eine vorläufige Version der Metrik lautet
ds2 =
1
dr2 + r2 (dθ2 + sin2 θdφ2 ) .
1 − K(t)r2
(3.1)
K bezeichnet die Krümmung und ist eine kontinuierliche Größe. Wie leicht zu
sehen ist, beschreibt K = 0 einen flachen Raum. Einen Raum mit positiver
Krümmung nennt man sphärisch oder geschlossen. Man kann ihn sich als die
dreidimensionale Oberfläche einer in einen vierdimensionalen euklidischen Raum
eingebetteten vierdimensionalen Kugel vorstellen.
Ein Raum mit negativer Krümmung wird hyperbolisch oder offen genannt. Man
kann ihn nicht global in einen höherdimensionalen euklidischen Raum einbetten,
eine lokale Analogie ist ein Sattelpunkt.
Die Radiuskoordinate dieser Metrik ist dadurch definiert, daß eine Kugel, deren
Punkte alle denselben Koordinatenwert für r, beispielsweise r = r0 haben, die
Oberfläche 4πr02 hat, wie im flachen Raum (siehe Abb. 3.1). Man muß jedoch
beachten, daß r0 nicht der Eigenradius dieser Kugel ist. Für den Eigenradius a(r)
gilt bei positivem K
Z a(r)
Z r
√
dr0
1
√
= √ arcsin(r K) .
a(r) =
ds =
(3.2)
1 − Kr02
K
0
0
Für negatives oder verschwindendes K beachte man
√
1
√

1
 √K arcsin(r K)
√ arcsin(r K) =  r
p
 √ 1 arsinh(r |K|)
K
|K|

K >0
K =0
K <0
.
(3.3)
(für K = 0 im Limes K → 0.)
Der Radius r hat hier noch anschaulich die Dimension einer Länge, die Krümmung
eins durch Länge im Quadrat.
Der Winkelanteil ist der selbe wie bei der Metrik eines flachen Raumes in Polarkoordinaten, was die Isotropieforderung erfüllt. Die Krümmung kann sich nur in
der Radiuskoordinate äußern.
Die Bezeichnungen offen und geschlossen werden in der Kosmologie oft mißverständlich verwendet. Per Definition beziehen sie sich darauf, ob der Raum endliche
Größe hat (wie eine Kugeloberfläche) oder nicht. Da im Falle von Weltmodellen
ohne kosmologische Konstante (die man bis vor einigen Jahren favorisierte) die
Offenheit bzw. Geschlossenheit des Raums damit verknüpft ist, ob das Universum
ewig expandiert (im offenen Fall) oder wieder kollabiert (im geschlossenen Fall),
3.1. Die Robertson-Walker-Metrik
27
werden die Begriffe oft auch in diesem Sinne verwendet. Verschwindet die kosmologische Konstante nicht, kann man diese Verknüpfung nicht mehr herstellen. Es
sind dann Weltmodelle vorstellbar, in denen das Universum beispielsweise einen
geschlossenen Raum besitzt, es aber durch die kosmologische Abstoßung nie kollabiert, sondern beschleunigt expandiert. Man sollte daher diese Begriffe heute
nur noch im Sinne ihrer eigentlichen Definition verwenden.
Wir führen nun eine Variablensubstitution ein, indem wir die Krümmung in Vorzeichen k und Krümmungsradius R aufteilen und die Radiuskoordinate in Einheiten des Krümmungsradius messen:
K(t) =
k
R2 (t)
,
k ∈ {−1, 0, 1};
σ :=
r
R(t)
(3.4)
Damit ergibt sich die Metrik zu
1
2
2
2
2
2
2
2
ds = R (t)
dσ + σ dθ + sin θ dφ
.
1 − kσ 2
(3.5)
k wird Krümmungsindex genannt, für R ist die Bezeichnung Skalenfaktor gebräuchlicher. Er hat die Dimension einer Länge. In diesen Koordinaten ist der
Eigenradius a
Z σ

√
dσ
1
arcsin σ k = +1
√
= R(t) · √ arcsin( kσ) = R(t) ·  σ
a = R(t)
. (3.6)
k=0
2
arsinh σ k = −1
1 − kσ
k
0
Gewöhnlich geht man noch weiter und führt eine winkelartige Radiuskoordinate
ein, die im sphärischen Fall vorstellbar ist als eine Art Azimutalwinkel wie in
dreidimensionalen Polarkoordinaten.
σ wird ersetzt durch χ mit der Substitution

√
1
sin χ
σ = √ sin( kχ) =  χ
sinh χ
k
Die Metrik wird dabei zu
h
2
2
2
ds = R (t) dχ +
|
sin2 χ
χ2
sinh2 χ
1
k
k = +1
k=0
k = −1
{z
√
sin2 ( kχ)
k = +1
k=0
k = −1
.
dθ2 + sin2 θdφ2
(3.7)
i
.
(3.8)
}
Eigenlängen können in diesem Koordinatensystem ganz einfach ausgedrückt werden
a(t) = R(t) · χ .
(3.9)
Damit hat man die kosmische Expansion von eventuellen Eigenbewegungen absepariert.
28
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
a
r
R(t)
χ
Abb. 3.1: Veranschaulichung der Koordinaten der Robertson-Walker-Metrik für
den Fall k = +1 in zwei Dimensionen
Der betrachtete, gekrümmte Raum ist die Kugeloberfläche, a (grün) ist der Eigenradius des Kreises (blau), den man auf der Kugeloberfläche messen würde, R(t) ist der
Skalenfaktor. r ist die Radiuskoordinate der Metrik (3.1). Sie ist nicht mitbewegt, d.
h. wenn man die Kugel aufbläst, ändert sich die Radiuskoordinate r0 eines Punktes
auf dem blauen Kreis. χ schließlich ist die winkelartige, mitbewegte Radiuskoordinate aus der Metrik (3.8). Die χ-Koordinate der Kreispunkte bleibt, im Gegensatz zur
r-Koordinate, konstant bei Änderungen des Skalenfaktors.
Nimmt man nun die Zeitkoordinate hinzu, erhält man eine Metrik, die die Raumzeit des Universums entsprechend dem kosmologischen Prinzip beschreibt (c := 1)
h
i
sin2 χ
k = +1
2
2
2
2
ds = dt − R (t) dχ + χ2 2 k = 0
dθ2 + sin2 θdφ2 .
(3.10)
sinh χ
k = −1
Hier ist t die sog. Koordinatenzeit, das ist die Eigenzeit eines ruhenden Teilchens.
Häufig wird die konforme Zeit η eingeführt
dη :=
dt
.
R
Die Robertson-Walker-Metrik erhält damit die Form
h
i
sin2 χ
k = +1
2
2
2
2
2
2
2
2
ds = R (η) dη − dχ − χ 2 k = 0
dθ + sin θdφ
.
sinh χ
(3.11)
(3.12)
k = −1
Bezüglich der Krümmung der Raumzeit sollte man anmerken: Der Begriff flach
bezieht sich nur auf den Raumanteil der Raumzeit. Auch ein flaches Universum
hat eine gekrümmte Raumzeit, da der flache Raum expandiert (und damit auch
nicht euklidisch ist).
3.2. Die Friedmann-Gleichung
3.2
29
Die Friedmann-Gleichung
Das kosmologische Prinzip sagt nichts über die Zeitabhängigkeit des Skalenfaktors
aus.1 Diese Information bekommen wir aus den Feldgleichungen der Allgemeinen
Relativitätstheorie. Dies ist das erste Mal, daß wir sie benötigen.
Die Einsteinschen Feldgleichungen stellen die Beziehung her zwischen Energieverteilung (ausgedrückt durch den Energie-Impuls-Tensor Tµν ) und der Raumgeometrie (in Form des metrischen Tensors gµν ). Die Einsteinschen Feldgleichungen
lauten
1
8πG
Rµν − Rgµν = − 4 Tµν − Λgµν .
2
c
(3.13)
Dabei ist Rµν der Ricci-Tensor, der sich als Kontraktion aus dem Krümmungstensor ergibt, der wiederum durch die Metrik gegeben ist. Die Spur des Ricci-Tensors
R = Rµ µ ist der Krümmungsskalar (entspricht der Gaußschen Krümmung) und
Λ die kosmologische Konstante, die Einstein ursprünglich einführte, um ein statisches Universum zu erhalten.
Ein positives Λ wirkt wie eine kosmische Abstoßung auf großen Skalen. Üblicherweise wird in der Literatur Λ Null gesetzt, die Weltmodelle, die man dann erhält,
werden Friedmann-Modelle genannt. Neuere Messungen (von Ia-Supernovae z.
B. durch das Supernova Cosmology Project [1] und des Mikrowellenhintergrunds
durch das WMAP-Projekt [2]) zeigen nicht nur, daß das plausibelste Weltmodell
eines mit kosmologischer Konstante ist, sie zeigen auch, daß die Dynamik des Universums heute von der kosmologischen Konstante dominiert wird. Darum führen
wir sie von Anfang an ein.
Man kann die kosmologische Konstante auch in den Energie-Impuls-Tensor hineinziehen, wo sie als Energieform mit negativem Druck wirkt. Diese Energieform
wird dunkle Energie genannt, weil man, wie bei der dunklen Materie, nicht weiß,
woraus sie besteht.
Wir berechnen zunächst die linke Seite der Feldgleichungen (3.13). Dazu benötigen zuerst wir die Christoffelsymbole. Allgemein lauten sie
Γλµν
1
1
= g λκ
2
∂gµκ ∂gνκ ∂gµν
+
−
∂xν
∂xµ
∂xκ
.
(3.14)
Es gibt ein sog. starkes kosmologisches Prinzip, das sogar fordert, daß der vierdimensionale
Raum maximal symmetrisch ist. Damit wäre eine Zeitentwicklung der Metrik ausgeschlossen.
Doch sind die Theorien (Steady-State-Theorien), die darauf basieren, heutzutage experimentell
widerlegt.
30
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
Mit dem zur Metrik (3.10) gehörenden metrischen Tensor

1
0
0
0
 0 −R2 (t)
0
0
(gµν ) = 
 0
0
−R2 (t)S 2 (χ)
0
2
0
0
0
−R (t)S 2 (χ) sin2 θ

sin χ
S(χ) =  χ
sinh χ
und g µν =
1
gµν


 ,

(3.15)
k = +1
k=0
k = −1
(3.16)
für diagonale Matrizen erhält man die Christoffelsymbole
Γ0ii = − Ṙ
g
R ii
Γ122 = −S ∂S
∂χ
Γ221 = Γ212 =
Γ331 = Γ313 =
1
S
1
S
Γi0j = Γij0 = Ṙ
δi
R j
∂S
1
Γ33 = −S ∂χ sin2 θ
.
Γ233 = − sin θ cos θ
Γ332 = Γ323 = cot θ
∂S
∂χ
∂S
∂χ
Die restlichen Christoffelsymbole sind Null.
Der Ricci-Tensor ist allgemein definiert als
Rµκ = R
λ
µλκ
∂Γλµλ ∂Γλµκ
=
−
+ Γηµλ Γλκη − Γηµκ Γλλη
κ
λ
∂x
∂x
(3.17)
Für die Robertson-Walker-Metrik (3.10) wird er diagonal, mit den Diagonalelementen
2
R00 = 3 äa , Rij = äa + 2 ȧa2 + R2k2 gij ,
(3.18)
wobei der auf seinen heutigen Wert R0 normierte Skalenfaktor a =
wurde.
R(t)
R0
eingeführt
Der Krümmungsskalar ist
R=R
µ
µ
=6
ä ȧ2
k
+ 2+ 2
a a
R
.
(3.19)
Jetzt haben wir alle Komponenten der linken Seite der Feldgleichungen (3.13)
beisammen.
Da der Ricci-Tensor und die Metrik diagonal sind, muß der Energie-Impuls-Tensor
es im mitbewegten Koordinatensystem der Robertson-Walker-Metrik auch sein.
Wegen der räumlichen Isotropie müssen die Raumkomponenten identisch sein,
und wegen der räumlichen Homogenität darf der Energie-Impuls-Tensor nur von
der Zeit abhängen, nicht vom Ort.
3.2. Die Friedmann-Gleichung
31
Diese Bedingungen erfüllt der Energie-Impuls-Tensor eines

ρa (t)
0
0
0

0
−p
(t)
0
0
a
(T µ ν ) = 
 0
0
−pa (t)
0
0
0
0
−pa (t)
perfekten Fluids


 .

(3.20)
ρa ist die Energiedichte und pa der Druck des kosmischen Fluids. Der EnergieImpuls-Tensor ist die Summe der Energie-Impuls-Tensoren aller attraktiv wirkenden Energieformen (deshalb der Index a).
Wir setzen ihn in die Feldgleichungen (3.13) ein. Die (0, 0)-Komponente ergibt
die Friedmann-Gleichung
H(t)2 =
8πG
k
Λ
ρa (t) − 2 + .
3
R
3
(3.21)
km
H(t) := ȧa ist die Hubble-Konstante, deren heutiger Wert H0 ≈ 71 s·MPc
[2] ist.
Die Friedmann-Gleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung des Skalenfaktors,
also den Verlauf der Expansion des Universums.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß der Raumanteil der Feldgleichungen
(3.13)
ä
ȧ2
2k
ä ȧ2
k
+ 2 2 + 2 gij − 3
+
+
gij = 8πGpa gij − Λgij
(3.22)
a
a
R
a a2 R 2
zur zweiten Friedmann-Gleichung führt
ä
k
H 2 + 2 = −8πGpa − 2 + Λ .
a
R
(3.23)
Will man die Friedmann-Gleichung (3.21) lösen, so ergibt sich das Problem, daß
man die Zeitentwicklung der Dichte nicht kennt. Sie hängt ab von der Zustandsgleichung der Energieform x
px = wx ρx .
(3.24)
Materie beispielsweise ist nichtrelativistisch und daher drucklos (wm = 0), für
relativistische Teilchen (z. B. Photonen) ist wr = 13 .
Die Zeitentwicklung der Dichte können wir aus der Kontinuitätsgleichung für die
jeweilige Energieform herleiten. Die Kontinuitätsgleichung ist die nullte Komponente des kovarianten Erhaltungssatzes des jeweiligen Energie-Impuls-Tensors.
T λ µ;λ = 0
∂λ T λ 0 + Γλλκ T κ 0 − Γκ0λ T λ κ = 0
(3.25)
(3.26)
32
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
baryonische
Materie
|
baryonische
dunkle Materie
{z
{z
}
ρm (Materie)
|
{z
ρa (attraktiv)
|
Strahlung
dunkle
Energie
}
ρb (baryonisch)
|
nichtbaryonische
dunkle Materie
|
{z
}
ρr (radiation)
}
{z
ρ
| {z }
ρΛ
}
Tab. 3.1: Bezeichnungen der verschiedenen Energiedichten
Damit erhalten wir
ρ̇x = −3H(ρx + px ) .
(3.27)
Daraus können wir die Dichte als Funktion des Skalenfaktors bestimmen (H =
1 da
einsetzen)
a dt
dρ
da
= −3(1 + wx )
ρ
a
−3(1+wx )
a
ρ(a) = ρ0 ·
a0
(3.28)
(3.29)
Für Materie ergibt sich ρm ∼ a−3 , was man sich anschaulich erklären kann durch
die Expansion eines Volumenelements proportional zur dritten Potenz des Skalenfaktors bei gleichzeitiger Erhaltung der Teilchenanzahldichte.
Die Photonenenergiedichte gehorcht ρr ∼ a−4 . Der gegenüber der Materie zusätzliche Energiedichteverlust um eine Potenz spiegelt die kosmologische Rotverschiebung wider.
Nach dem Stefan-Boltzmann-Gesetz für die Energiedichte eines thermischen Photonengases gilt ρ ∼ T 4 , wobei T ∼ a1 ist. Dies könnte als alternative Herleitung
der Kontinuitätsgleichung für Photonen aufgefaßt werden (wenn wir nur bereits
gezeigt hätten, daß die Temperatur eines Schwarzkörperspektrums sich antiproportional zum Skalenfaktor verhält).
Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung können wir die Zeitabhängigkeiten der Dichten in der Friedmann-Gleichung eliminieren. Wir trennen die attraktiven Ener-
3.3. Lösungen der Friedmann-Gleichung: Einige Weltmodelle
33
gieformen in Strahlung und Materie. Zu den Bezeichnungen siehe Tab. 3.1.
8πG
8πG
k
Λ
ρr +
ρm − 2 +
(3.30)
3"
3
R
3
#
−4
−3
−2
R
8πG
R
k
Λ
8πG
R
+
− 2 2
+
= H02
ρr,0
ρm,0
3H02
R0
3H02
R0
R0 H0 R0
3H02
(3.31)
" #
−3
−2
−4
R
R
R
(3.32)
= H02 Ωr
+ Ωm
+ Ωk
+ ΩΛ
R0
R0
R0
H2 =
Hierbei haben wir die Ω-Parameter eingeführt, konstante Größen, die das Verhält3H 2
nis der heutigen Energiedichte zur kritischen Energiedichte ρc = 8πG0 darstellen.
Ωr := ρρr,0
= 8πG
ρ
Ωm := ρm,0
=
ρc
3H02 r,0
c
Λ
k
ΩΛ := 3H 2
Ωk := − R2 H 2
0
0
8πG
ρ
3H02 m,0
(3.33)
0
Man beachte, daß in der Definition von Ωk ein Minuszeichen steht. D. h. positives Ωk entspricht einem negativ gekrümmten Raum und umgekehrt. Die kritische
Energiedichte ist diejenige Energiedichte, die das Universum heute überschreiten
müßte, damit es gerade noch rekollabieren würde, wenn die kosmologische Konstante verschwindet. (Die Grenze zwischen Kollaps und ewiger Expansion ist das
Friedmann-Weltmodell mit flachem Raum, siehe Abb. 3.2.)
Heute gilt
Ωm + Ωk + ΩΛ = 1
(3.34)
(Ωr ist so klein, daß es vernachlässigbar ist.)
Manche Autoren [3] definieren die Ω-Parameter zeitabhängig (also nicht mit den
heutigen Werten für Dichten und Hubble-Konstante). Dann gilt (3.34) immer,
was für die graphische Auftragung ganz geschickt ist. Wir machen dies jedoch
nicht.
3.3
Lösungen der Friedmann-Gleichung: Einige
Weltmodelle
Betrachten wir (3.32), so sehen wir, daß die Dynamik des Universums zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Energieformen dominiert wird. Von kleinen
zu großen Weltradien sind dies Strahlungs-, Materie-, Krümmungs- und Lambdadominanz. Nicht jedes Universum durchläuft alle diese Phasen (ein flaches z.B.
ist natürlich nie krümmungsdominiert), aber die Reihenfolge bleibt gleich.
34
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
Aufgrund dieser Vereinfachungen können wir die Friedmann-Gleichung (3.32) für
den Skalenfaktor in einer von einer Energieform dominierten Phase näherungsweise analytisch lösen. Die akustischen Oszillationen, die für die Anisotropien
der Mikrowellenhintergrundstrahlung im Gradbereich verantwortlich sind, existieren in der strahlungsdominierten Epoche, und je nach Weltmodell auch in der
materiedominierten.
• Strahlungsdominanz Die Friedmann-Gleichung (3.32) reduziert sich auf
p
ȧ
= H0 Ωr a−2 ,
(3.35)
a
p
√
was die Lösung a(t) = 2H0 Ωr t1/2 besitzt. Diese Lösung beschreibt die
Anfangsphase eines jeden Weltmodells, das mit kleinen Skalenfaktoren begann, d. h. in einem Urknall, die Lösung ist unabhängig von den weiteren
kosmologischen Parametern.
Die strahlungsdominierte Phase endet spätestens bei Strahlungs-MaterieGleichheit. Dann hat der Skalenfaktor den Wert aeq .
−3
Ωr a−4
eq = Ωm aeq
Der entsprechende Zeitpunkt ist teq =
⇒ aeq =
Ωr
Ωm
(3.36)
3/2
1
Ω Ω−2
m .
2H0 r
• Materiedominanz Analoge Rechnung wie bei Strahlungsdominanz,
bloß
√
3
2/3
mit dem Materie-Term ergibt näherungsweise a(t) = ( 2 H0 Ωm ) · t2/3 .
Der Fehler, den man dadurch macht, daß man ab t = 0 und nicht t =
teq integriert (also die strahlungsdominierte Phase ignoriert), ist von der
Größenordnung ΩΩmr , für unser Universum ca. 3 · 10−4 .
3.4
Kosmische Rotverschiebung
Die kosmische Rotverschiebung ist die Frequenzänderung elektromagnetischer
Strahlung zwischen Emission und Absorption aufgrund der Expansion des Universums (allgemeiner gesagt, aufgrund der zeitlichen Änderung des Skalenfaktors).
Sie ist gedanklich zu trennen von der Gravitationsrotverschiebung, die durch einen
Unterschied im Gravitationspotential des Emitters und Absorbers entsteht.
Die kosmische Rotverschiebung ist keine Frequenzverschiebung aufgrund des DopplerEffekts (etwa weil sich der Emitter sehr schnell vom Absorber wegbewegt), auch
wenn dies gerne behauptet wird. Diese Identifikation funktioniert nur für (im
kosmologischen Sinne) kurze Entfernungen, wo das lineare Hubble-Gesetz gilt.
3.4. Kosmische Rotverschiebung
35
Skalenfaktor
(normiert auf heutigen Wert)
4
3.5
Ωm = 1 Ωk = 0
Ωm = 3 Ωk = −2
Ωm = 0.1 Ωk = 0.9
flach
geschlossen
offen
3
2.5
2
1.5
1
0.5
0
-10
0
10
20
30
40
Zeit (Milliarden Jahre)
Abb. 3.2: Dynamik verschiedener Universen ohne kosmologische Konstante
Wir befinden uns heute bei t = 0. Alle Modelle haben die Hubble-Konstante H0 =
km
71 s·MPc
, wie unser Universum nach WMAP[2]. Das geschlossene Modell kollabiert wieder, weil seine Massendichte so groß ist, daß sie eine Rekontraktion bewirkt, das flache
stellt die Grenze zwischen kollabierenden und ewig expandierenden Universen dar. Die
offenen Modelle erreichen die Krümmungsdominanz und expandieren danach linear.
Die Rotverschiebung z ist allgemein definiert als die relative Wellenlängenänderung zwischen Emission und Absorption, bezogen auf die Emissionswellenlänge
z :=
λabs − λemit
λabs
=
−1 ,
λemit
λemit
(3.37)
νemit
−1 .
νabs
(3.38)
ausgedrückt in Frequenzen
z=
Wir wollen die Rotverschiebung aufgrund der Zeitabhängigkeit der RobertsonWalker-Metrik (3.10) berechnen. Dazu betrachten wir ein radiales Lichtsignal
(dφ = dθ = 0), das zur Zeit te an einem Ort der Radiuskoordinate χe mit der
Periode ∆te emittiert wird. Die entsprechenden Koordinaten des Absorptionsereignisses tragen den Index a. Der Ursprung des Koordinatensystems liegt am
Absorptionsort, so daß χa = 0 ist.
Die Gleichung, die die Ausbreitung des Lichtsignals beschreibt, ist ds = 0, also
dt = R(t)dχ .
(3.39)
36
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
Skalenfaktor
(normiert auf heutigen Wert)
4
3.5
flach
geschlossen
kollabierend
Ωm = 0.3 Ωk = 0
Ωm = 4.3 Ωk = −4
Ωm = 6.3 Ωk = −6
3
2.5
2
k→ Λ
1.5
m→k
k→m
m→ Λ
1
m→k
0.5
0
-10
0
10
20
30
40
Zeit (Milliarden Jahre)
Abb. 3.3: Dynamik verschiedener Universen mit positiver kosmologischer Konstante
km
Alle Modelle haben die Hubble-Konstante H0 = 71 s·MPc
und ΩΛ = 0.7. Die Massendichte des geschlossenen Modells liegt über der kritischen Dichte (Ωm > 1),
kollabiert aber wegen der kosmologischen Konstante nicht wie das entsprechende
Modell in Abb. 3.2. Das kollabierende Weltmodell hat eine so hohe Massendichte,
daß es die Phase der Lambdadominanz nicht erreicht. Die Pfeile zeigen die Punkte, an denen das Universum in eine neue Epoche übertritt. Die Dominanz der
neuen Energieform ist an diesen Punkten allerdings noch nicht voll entwickelt,
das Universum befindet sich in einer Übergangsphase.
Wir greifen einen einzelnen Wellenberg (oder allgemeiner, einen Punkt konstanter
Phase) heraus und berechnen seine Laufzeit
Z ta
Z χe
dt
=
dχ .
(3.40)
te R(t)
0
Das Vertauschen der Integrationsgrenzen des Integrals auf der rechten Seite drückt
aus, daß das Signal radial auf uns zu läuft, also in negativer χ-Richtung.
Analog gilt für den direkt folgenden (also ∆te später emittierten) Wellenberg
Z ta +∆ta
Z χe
dt
=
dχ .
(3.41)
0
te +∆te R(t)
∆ta ist die Periode des Signals am Absorptionsort nach der Rotverschiebung. Der
rechte Teil der Gleichung ist der selbe wie für den ersten Wellenberg, da sich an
3.4. Kosmische Rotverschiebung
37
den Koordinaten der Orte natürlich nichts geändert hat (χ ist ja mitbewegt).
Also gilt
Z ta
Z ta +∆ta
dt
dt
=
.
(3.42)
te R(t)
te +∆te R(t)
Die Integrale können nicht direkt gelöst werden, da R(t) erst einmal unbekannt,
bzw. abhängig vom Weltmodell ist. Bezeichnen wir aber die Stammfunktion von
1
mit F (t), so können wir schreiben
R(t)
F (ta ) − F (te ) = F (ta + ∆ta ) − F (te + ∆te )
(3.43)
Die Perioden ∆te und ∆ta sind im Vergleich zur Laufzeit des Signals sehr kurz,
wir entwickeln daher die Terme auf der rechten Seite nach Taylor
dF
dF
− ∆te
=0
dt |ta
dt |te
1
1
∆ta
− ∆te
=0
R(ta )
R(te )
∆ta
(3.44)
(3.45)
und erhalten
∆ta
Ra
=
∆te
Re
νe
Ra
=
.
νa
Re
(3.46)
(3.47)
Die Perioden verhalten sich also wie die Skalenfaktoren bei der Emission (Re )
bzw. der Absorption (Ra ), die Frequenzen umgekehrt.
Damit wird die kosmische Rotverschiebung zu
z=
Ra
−1
Re
(3.48)
Oft bezieht man die Rotverschiebung auf den heutigen Zeitpunkt und verwendet
die Rotverschiebung (die in der Kosmographie oft einzige einfach meßbare Größe)
als Entfernungsmaß
1
z = −1 .
(3.49)
a
Eine anschaulichere Herleitung als über eine Taylorentwicklung ist möglich, wenn
wir Abbildung 3.4 betrachten.
Gleichung (3.42) besagt, daß die Flächen A1 und A2 gleich groß sind, denn man
38
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
kann den überlappenden Teil abziehen
Z
ta
te
Z
te +∆te
te
|
dt
+
R(t)
{z
}
Z
ta
te +∆te
dt
=
R(t)
dt
=
R(t)
Z
ta +∆ta
te +∆te
Z ta
te +∆te
dt
R(t)
dt
+
R(t)
A1
Z
te +∆te
te
dt
=
R(t)
Z
ta +∆ta
ta
dt
.
R(t)
(3.50)
Z
ta +∆ta
ta
|
dt
R(t)
{z
}
(3.51)
A2
(3.52)
Unter der Annahme, daß die Änderung des Skalenfaktors während der Dauer einer Periode vernachlässigbar ist (für sichtbares Licht größenordnungsmäßig
10−14 s gegenüber mehreren Millionen Jahren Laufzeit, bis die Rotverschiebung
relevant wird), kann man die Flächen als Rechtecke approximieren und erhält
Gleichung (3.46).
1
R(t)
Universum expandiert
A1
A2
∆te
te
∆t
ta a
t
Abb. 3.4: Veranschaulichung zur Herleitung der kosmischen Rotverschiebung
Gleichung (3.42) besagt, daß die Flächen A1 und A2 gleich groß sind. Unter der Annahme, daß sich während einer Periode des Lichtsignals der Skalenfaktor nicht ändert,
1
erhält man (3.46). Der genaue Verlauf der Funktion R(t)
ist unbekannt und wird auch
nicht benötigt. Es muß nicht einmal gewährleistet sein, daß sie monoton fallend ist,
was sie in einem expandierenden Universum jedoch ist. Ansonsten wäre die kosmische
Rotverschiebung nicht als eindeutiges Entfernungsmaß verwendbar.
3.4. Kosmische Rotverschiebung
39
Die Frage, die sich hier anschließt, ist die, wie sich ein Schwarzkörperspektrum
bei kosmischer Expansion verhält. Jeder einzelne Frequenzbereich wird rotverschoben, was bedeutet das für das gesamte Spektrum? Kurz gesagt, es bleibt ein
Schwarzkörperspektrum, aber mit einer anderen Temperatur.
Die Planck-Formel für die Energiedichte uν pro Frequenz- und Volumenintervall
lautet
2h ν 3
uν (ν)dV = 3 hν
dV .
(3.53)
c e kT − 1
Bei der kosmischen Expansion verhält sich die Frequenz nach (3.47) reziprok zum
kosmischen Skalenfaktor a
νa aa = νe ae .
(3.54)
Wir vergleichen mitbewegte Volumina, die die gleiche Anzahl Photonen enthalten,
also muß das Volumenelement dVa die Expansion mitmachen
dVa
dVe
= 3 .
3
ae
aa
(3.55)
Wir formen die spektrale Energiedichte zum Emissionszeitpunkt mit Hilfe der
letzten beiden Beziehungen um (drücken sie mit Variablen des Absorptionszeitpunktes aus)
( aaae )3 νa3
a3e
dVe
= 3 dVa
hνe
h aaa νa
a
e
exp[ kT
]
−
1
a
exp[
]−1
e
νe3
=
kTe
3
νa
dVa
h aaa νa
exp[ kTe e ] −
.
(3.56)
(3.57)
1
Da das Ergebnis die gleiche Form wie ein Planck-Spektrum hat, ist der Beweis
erbracht. Durch Vergleich mit einem Planck-Spektrum der Temperatur Ta sehen
wir, daß gelten muß
ae
Ta = Te ,
(3.58)
aa
daß also die Temperatur eines Schwarzkörperspektrums reziprok mit der kosmischen Expansion sinkt.
Als kleines Detail sei angemerkt, daß die Temperatur eines klassischen Gases (mit
dem man die kosmische Materie beschreibt) einem anderen Gesetz gehorcht. Für
Materie ist die Besetzungszahl N eines Zustandes
2 /2mkT
m
N ∼ e−p
.
(3.59)
40
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
Die Teilchenimpulse verhalten sich bei kosmischer Expansion wie p ∼ a1 , so daß
für die Temperatur eines Materiegases gilt
Tm ∼ a−2 .
3.5
(3.60)
Inflationstheorie
Die bisher dargestellte klassische“ Kosmologie hat einige Probleme, die Wirk”
lichkeit zu beschreiben. Eines davon ist das Horizontproblem.2
Dem Horizontproblem liegt die hohe Isotropie unter anderem der Mikrowellenhintergrundstrahlung zugrunde. Die Anisotropien, also relative Abweichungen vom
Mittelwert, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt, sind sehr klein, sie liegen in
der Größenordnung 10−5 .
Um die Isotropie der Temperatur der Mikrowellenstrahlung physikalisch zu erklären (und nicht als Anfangsbedingung vorauszusetzen), muß in dem Raumbereich,
der die Fläche der letzten Streuung umfaßt, thermischer Kontakt und Energieaustausch möglich gewesen sein, damit sich ein thermodynamisches Gleichgewicht
mit überall gleicher Temperatur einstellen konnte. Das setzt voraus, daß alle seine
Sektionen kausal verknüpft waren, was jedoch nicht der Fall sein kann. Ein Lichtstrahl, der im Urknall gestartet wäre, hätte bis zur Rekombination bei weitem
nicht die Strecke zurücklegen können, um diesen Raumbereich zu durchqueren.
Das würde bedeuten, daß nur einzelne Parzellen eine einheitliche Temperatur
hatten, und daß die Temperatur der Mikrowellenhintergrundstrahlung heute über
dem gesamten Himmel stark variieren würde.
Um dieses Problem (und andere) zu umgehen, schlug Alan Guth 1981[12] eine
Inflation des Universums vor. Inflation bedeutet, daß sich das Weltall etwa 10−34 s
nach dem Urknall innerhalb sehr kurzer Zeit um den Faktor 1050 vergrößerte. Das
war dadurch möglich, daß kurzzeitig eine Energieform mit negativem Druck die
Oberhand gewann, was zu exponentiellem Wachstum des Skalenfaktors führte.
Diese Energieform dominierte nur kurz, danach ging die Entwicklung wie in der
klassischen Kosmologie weiter.
Formal folgt ein exponentielles Wachstum aus der Friedmann-Gleichung (3.21),
wenn eine Energieform dominiert, deren Dichte im Mittel konstant ist, man also
k- und Λ-Terme vernachlässigt und für ρ(t) eine mittlere Dichte ρ̄ ansetzt. Dann
2
Es gibt auch ein sog. Flachheitsproblem und ein Monopolproblem, die beide von der Inflationstheorie gelöst werden.
3.5. Inflationstheorie
41
folgt
ȧ
=
a
r
8πG
ρ̄ = const ,
3
also
a ∼ exp
r
8πG
ρ̄ .
3
(3.61)
(3.62)
Dadurch ist das Horizontproblem gelöst, denn man kann jetzt sagen, daß wir in
einem Bereich des Universums leben, der vor der Inflation in kausalem Kontakt
stand. Die Inflation dehnte ihn bis weit über die Größe des beobachtbaren Universum auf (mit Überlichtgeschwindigkeit“, falls man dieses Bild wünscht, obwohl
”
es nicht viel Sinn macht, weil mit Geschwindigkeit eine Bewegung im Raum, und
nicht die Veränderung des Raumes selbst gemeint ist).
Die Inflationstheorie bringt einige weitere Konsequenzen mit sich. Sie sagt voraus,
daß der Raum flach ist, egal wie die Krümmung des Raumes vor der Inflation war.
Die Krümmung jedes maximalsymmetrischen Raumes geht gegen Null, wenn der
Skalenfaktor anwächst.
Des weiteren liefert sie auch eine Begründung für die gravitative Entstehung von
Strukturen im Universum, denn man kann sich die Energiedichteschwankungen,
die es notwendigerweise als Galaxienkeime gegeben haben muß, vorstellen als
quantenmechanische Energiedichtefluktuationen, die von der Inflation auf kosmische Dimensionen vergrößert wurden.
Die Inflationstheorie sagt für die Fluktuationen adiabatische Anfangsbedingungen in Form eines Gaußschen Zufallsfeldes und ein skaleninvariantes primordiales
Spektrum3 voraus.
Die Inflationstheorie gilt heute noch nicht als bestätigt, es gibt aber starke Indizien, daß die Grundannahme korrekt ist. Gerade die Messung der Anisotropien
der Hintergrundstrahlung gibt zahlreiche Hinweise (Adiabatizität und Gaußförmigkeit der Anfangsbedingungen, Flachheit des Raumes).
3
auch Harrison-Zel’dovich-Spektrum genannt
42
Kapitel 3. Kosmologische Grundlagen
Kapitel 4
Gaußsche Zufallsfelder
Zufallsfelder sind die Grundlage der theoretischen Beschreibung des Dichtekontrastes und damit der Temperaturfluktuationen der Mikrowellenhintergrundstrahlung. Ein Zufallsfeld ist ein mehrdimensionales Kontinuum von korrelierten Zufallsvariablen. Die beobachteten Fluktuationen in der Hintergrundstrahlung stellen eine einzelne Realisierung des theoretischen Zufallsfelds dar.
Nach der Inflationstheorie erwartet man ein homogen-isotropes Gaußsches Zufallsfeld, das den einfachsten Fall eines Zufallsfelds darstellt. In Theorien, die
von topologischen Defekten ausgehen, haben die Fluktuationen nicht-gaußschen
Charakter. Aber auch in diesen Theorien sind die Methoden, die auf der Basis
der Gaußschen Zufallsfelder entwickelt wurden, von Bedeutung, insbesondere das
sogenannte Winkelleistungsspektrum (im Englischen angular power spectrum“).
”
Ein homogen-isotropes Gaußsches Zufallsfeld ist durch das Leistungsspektrum
vollständig festgelegt, während im nicht-gaußschen Fall weitere Merkmale wie
z.B. das Bispektrum (3-Punkt-Korrelationen) herangezogen werden müssen. Im
Folgenden befassen wir uns mit Zufallsfeldern, mit spezieller Betonung der Gaußschen Zufallsfelder.
4.1
Zufallsvariable
Eine kontinuierliche Zufallsvariable (oder zufällige Größe) U ist eine meßbare
Abbildung, die den Ausgang eines Zufallsexperiments auf mathematische Größen
(z.B. die reellen Zahlen) abbildet und deren Zustandsraum stetig ist [14]. Der Zustandsraum einer Zufallsvariable wird gebildet von allen möglichen Ausgängen des
Zufallsexperiments. Dieser Begriff ist zu trennen von dem des Parameterraums,
der später wichtig wird, wenn mehrere Zufallsvariable betrachtet werden.
43
44
Kapitel 4. Gaußsche Zufallsfelder
Um eine Zufallsvariable genauer zu charakterisieren, betrachtet man die Wahrscheinlichkeiten, mit denen Realisierungen der Zufallsvariablen auftreten. Sie werden durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion oder eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion P (u) (die die Ableitung der Verteilungsfunktion ist) beschrieben. P (u)du gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, daß eine Realisierung der Zufallsvariable U im Bereich [u, u + du] liegt.
Generell kann man den Erwartungswert einer Funktion f der Zufallsvariable einführen als
Z
∞
hf i =
f (u)P (u)du
(4.1)
−∞
Dies dient als Definition der spitzen Klammern. Die Normierung der Wahrscheinlichkeitsdichte auf 1 kann damit ausgedrückt werden als
h1i = 1
(4.2)
Im allgemeinen macht es Sinn, Mittelwert und Varianz der Zufallsvariable zu
betrachten. Der Mittelwert von U ist der Erwartungswert der Funktion u:
hui =
Z
∞
uP (u)du
(4.3)
−∞
Er beschreibt den Schwerpunkt der Wahrscheinlichkeitsdichte.
Die Varianz ist die mittlere quadratische Abweichung vom Mittelwert:
var u =
2 u − hui
= hu2 i − 2 uhui + hui2 = hu2 i − hui2
(4.4)
Die Varianz gibt die Streuung um den Mittelwert an.
Höhere Varianzen nennt man Zentralmomente. Das i-te Zentralmoment ist
h(u − hui)i i .
(4.5)
Unter dem i-ten Moment versteht man den Erwartungswert hui i.
Im Falle einer normalverteilten Zufallsvariable ist die Wahrscheinlichkeitsdichte
eine Gauß-Funktion:
−(u−µ)2
1
P (u) = √
e 2σ2
(4.6)
2πσ
wobei µ = hui der Mittelwert ist und σ 2 der Varianz entspricht. In diesem speziellen Fall gibt der Mittelwert die Lage des Hochpunkts an, die Varianz charakterisiert die Breite der Verteilung.
4.2. Die multivariate Normalverteilung
4.2
45
Die multivariate Normalverteilung
R
Endlich viele Zufallsvariable {u1 , u2 , . . . , un } (die man als einen Vektor ~u ∈ n
auffassen kann) haben einen diskreten Parameterraum. Der Parameterraum beinhaltet die als Index zulässigen Werte, hier also z.B. die natürlichen Zahlen von 1
bis n. In diesem Abschnitt werden kontinuierliche Zufallsvariable mit diskretem
Parameterraum betrachtet.
Der Erwartungswert hf i einer Funktion f der Zufallsvariablen ist jetzt
Z
hf i =
du1 . . . dun f (u1 , . . . , un ) P (u1 , . . . , un )
Rn
(4.7)
P (u1 , u2 , . . . , un ) ist die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichte aller Zufallsvariablen. Sie beinhaltet die vollständige Information über den Zufallsvektor. Auch sie
ist auf 1 normiert:
Z
du1 . . . dun P (u1 , . . . , u2 ) = h1i = 1
(4.8)
Rn
Die Wahrscheinlichkeitsdichten der einzelnen Zufallsvariablen (Randdichten genannt) erhält man aus der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsdichte durch Integration über alle anderen Zufallsvariablen:
Z ∞
Z ∞
Pi (ui ) =
···
du1 . . . dui−1 dui+1 . . . dun P (u1 , . . . , ui , . . . , un )
(4.9)
−∞
−∞
Die Randdichten genügen nicht zur vollständigen Beschreibung des Zufallsvektors. Man hat zusätzlich zur Festlegung der Randdichten die Freiheit, paarweise
(2-Punkt-)Kovarianzen zwischen den Zufallsvariablen festzulegen:
cov(ui , uj ) = ui − hui i · uj − huj i
(4.10)
Dies geschieht durch die Kovarianzmatrix Σ~u , deren Komponenten (Σ~u )ij die Kovarianzen der i-ten mit der j-ten Zufallsvariable darstellen. Die Kovarianzmatrix
ist symmetrisch, und die Diagonalelemente sind die im vorigen Abschnitt eingeführten Varianzen der einzelnen Zufallsvariablen. Wenn die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichte in die Randdichten faktorisiert, wenn also gilt
P (u1 , . . . , un ) = P1 (u1 ) · . . . · Pn (un )
(4.11)
dann sind die Zufallsvariablen voneinander unabhängig. Die Kovarianzmatrix ist
in diesem Fall diagonal.
46
Kapitel 4. Gaußsche Zufallsfelder
Die Korrelation gibt die Größe der paarweisen Abhängigkeit zweier Zufallsgrößen an. Der Zusammenhang zwischen Kovarianz und Korrelation ist eng, eine
Umnormierung der Diagonalelemente (i = j) auf 1 nämlich:
corr(ui , uj ) = √
cov(ui , uj )
var ui · var uj
(4.12)
In der Kovarianzmatrix ist also auch die vollständige Information über Korrelationen der Zufallsgrößen enthalten.
Für eine gaußsche gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichte kann man die Formel
explizit angeben: Die sog. multivariate Normalverteilung ist die Verallgemeinerung der Normalverteilung für endlich viele Zufallsvariable und hat als Wahrscheinlichkeitsdichte:
n
1
1
P (~u) = (2π)− 2 |Σ~u |− 2 e− 2 (~u−~µ)
T Σ−1 (~
u−~
µ)
u
~
(4.13)
Diese Wahrscheinlichkeitsdichte ist vollständig charakterisiert durch den Vektor
der Mittelwerte ~µ und die Kovarianzmatrix Σ~u .
Die einzelnen Variablen sind jeweils normalverteilt. Daß die Randdichten gaußsch
sind, ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend für ein Vorliegen der multivariaten Normalverteilung.
4.3
Zufallsfelder
Geht man über zu stetigen Parameterräumen, betrachtet also ein Kontinuum
von Zufallsvariablen u(x), und ist dieser Parameterraum mehrdimensional, so
spricht man von einem Zufallsfeld u(~x) mit ~x ∈ N . Ist der Parameterraum
eindimensional, liegt ein stetiger stochastischer Prozeß vor.
R
Im Gegensatz zum vorigen Abschnitt ist im jetzigen der Parameter ~x ein Vektor
im N . Zuvor war die Zufallsvariable ~u ∈ n . Vektorwertige Zufallsfelder, bei
denen sowohl Parameter wie auch Zufallsvariable Vektoren sind, sollen hier nicht
betrachtet werden.
R
R
Im Falle der Mikrowellenhintergrundstrahlung ist der Parameterraum die Himmelskugel. Jeder Punkt auf ihr stellt eine eigene Zufallsvariable mit eigener Randverteilung dar.
Eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichte läßt sich für Zufallsfelder nicht angeben, man behilft sich damit, beliebige endliche Mengen von Zufallsvariablen
des Feldes zu betrachten. Für ein Gaußsches Zufallsfeld sind diese sogenannten
4.3. Zufallsfelder
47
endlich-dimensionalen gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsdichten jeweils multivariate Normalverteilungen.
An die Stelle der Mittelwerte µn = hun i tritt eine Mittelwertfunktion µ(~x),
und die Kovarianzmatrix Σij = cov(ui , uj ) wird durch eine Kovarianzfunktion
B(~x1 , ~x2 ) ersetzt, die im allgemeinen von zwei Parametern abhängt. Sie wird auch
2-Punkt-Kovarianzfunktion genannt. Sind beide Parameter identisch, erhält man
die Varianz am Punkt ~xi :
var U (~xi ) = B(~xi , ~xi )
(4.14)
Oft trifft man auf die 2-Punkt-Korrelationsfunktion (auch normierte Kovarianzfunktion genannt), die analog zur Definition der Korrelation (4.12) definiert ist
als die Kovarianzfunktion geteilt durch die Wurzeln der einzelnen Varianzen.
Ein Zufallsfeld heißt homogen im engeren Sinne, wenn jede endlich-dimensionale
gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichte P beliebiger n Zufallsvariable
U (~x1 ), U (~x2 ), . . . , U (~xn )
invariant unter Translationen im Parameterraum ist. Es gilt dann:
P U (~x1 ), U (~x2 ), . . . , U (~xn ) = P U (~x1 +~a), U (~x2 +~a), . . . , U (~xn +~a) ∀~a (4.15)
Folgen hieraus sind zum einen, daß die Mittelwertfunktion µ(~x) eine Konstante
ist und daß zum anderen die Kovarianzfunktion B(~x1 , ~x2 ) nur noch vom Differenzvektor ~r = ~x1 − ~x2 zweier Zufallsvariable abhängen kann, nicht mehr von
deren absoluter Position.
Oft genügt es, sich auf diese beiden Bedingungen zu beschränken. Man spricht
dann von Homogenität im weiteren Sinne. Es gilt also nicht die Translationsinvarianz (4.15), sondern nur
µ(~x) = konstant
und B = B(~r)
(4.16)
(4.17)
Für reelle Gaußsche Felder ist Homogenität im weiteren Sinne gleichbedeutend
mit Homogenität im engeren Sinne [15].
Man kann für ein homogenes Feld als ganzes eine Varianz des Feldes angeben, die
offensichtlich B(0) ist. Im Zusammenhang mit stochastischen Prozessen (im stetigen Fall: eindimensionalen Zufallsfeldern) spricht man von Stationarität anstelle
von Homogenität, womit aber das selbe gemeint ist.
Analog zur Homogenität werden die Begriffe Isotropie im engeren und weiteren
Sinn eingeführt. Die Isotropie eines Zufallsfelds im engeren Sinn ist die Invarianz
48
Kapitel 4. Gaußsche Zufallsfelder
aller gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilungen unter Rotationen im Parameterraum. Die Kovarianzfunktion hängt dann nur noch vom Betrag des Abstandsvektors r = |~r| ab:
B = B(r)
(4.18)
Wendet man diese Begriffe für ein Zufallsfeld auf einer Kugeloberfläche an, muß
man zwischen zwei verschiedenen Isotropiebegriffen unterscheiden: Die hier eingeführte zweidimensionale Isotropie von einem Punkt auf der Kugeloberfläche
aus, und die dreidimensionale Isotropie vom Standpunkt eines Beobachters im
Kugelmittelpunkt. Letztere Isotropie entspricht der Homogenität des Zufallsfelds
auf der Kugeloberfläche.
Aufgrund des kosmologischen Prinzips, das besagt, daß das Weltall auf großen
Skalen homogen und in jedem Punkt isotrop ist, kann man an das der Beschreibung der Hintergrundstrahlung dienende Zufallsfeld die Forderungen der (zweidimensionalen) Isotropie und Homogenität stellen: Aus der dreidimensionalen
Isotropie vom Kugelmittelpunkt aus folgt die Homogenität des Zufallsfelds, und
aus der dreidimensionalen Isotropie von jedem Punkt der Oberfläche aus folgt die
Isotropie des Zufallsfelds.
4.4
Gaußsche Zufallsfelder auf der Kugeloberfläche
Ist ein Zufallsfeld auf der Kugeloberfläche definiert, liegt es nahe, es nach dem
vollständigen, orthonormierten System der Kugelflächenfunktionen Ylm zu entwickeln und sich anzuschauen, wie sich Bedingungen beispielsweise der (statistischen) Isotropie in die Entwicklungskoeffizienten übersetzen. Die Multipolzahl l
beschreibt den Winkel im Bogenmaß θ ≈ πl .
ˆ
Die Entwicklung eines Zufallsfelds u(~k) nach Kugelflächenfunktionen und ihre
Rücktransformation lauten wie folgt
∞ X
l
X
ˆ
ˆ
~
u(k) =
alm Ylm (~k)
(4.19)
l=0 m=−l
alm =
Z
ˆ ∗ ~ˆ ~ˆ
d~kYlm
(k)u(k)
(4.20)
Ω
wobei die Entwicklungskoeffizienten alm komplex sind. Für ein reelles Feld (wie
es bei der Mikrowellenhintergrundstrahlung vorliegt) gilt
a∗lm = (−1)m al(−m)
(4.21)
4.4. Gaußsche Zufallsfelder auf der Kugeloberfläche
49
R ˆ
Bei den Integralen der Form Ω d~k wird jeweils über alle Einheitsvektoren inteR 2π
Rπ
griert. Eine andere Parametrisierung wäre beispielsweise 0 dϕ 0 dϑ sin ϑ mit
Polarwinkel ϑ und Azimutwinkel ϕ.
Die so erhaltenen Entwicklungskoeffizienten alm sind nach Vorhersage der Inflationstheorie gaußsche Zufallsvariable [27].
Für Rechnungen nützlich ist die Orthonormalitätsbedingung
Z
ˆ
ˆ
ˆ
d~k Ylm (~k)Yl∗0 m0 (~k) = δll0 δmm0
(4.22)
Ω
Eine Funktion A(ϑ), die nicht vom Azimutwinkel ϕ abhängt, kann nach LegendrePolynomen Pl entwickelt werden:
A(ϑ) =
∞
X
2l + 1
4π
l=0
Al = 2π
Z
Al Pl (cos ϑ)
(4.23)
π
A(ϑ)Pl (cos ϑ) sin ϑdϑ
(4.24)
0
(Hierbei wurde zur späteren Bequemlichkeit ein zusätzlicher Faktor 2π eingeführt.)
Im Folgenden wollen wir in Erweiterung des Ergebnisses von [24] (Fourier-Entwicklungen
im ebenen Raum betreffend) zeigen, daß die die Kovarianzmatrix der Kugelflächen-Entwicklungskoeffizienten alm eines isotropen Zufallsfelds diagonal ist. Im
Laufe der Herleitung stößt man auf den wichtigen Begriff des Winkelleistungsspektrums.
Für die Herleitung wird ein Zufallsfeld vorausgesetzt, dessen Mittelwerte Null
sind, wie es für die Fluktuationen der Mikrowellenhintergrundstrahlung der Fall
ist. Im Laufe der Rechnung wird verwendet, daß dieses Feld isotrop ist, daß also
die Kovarianz eine Funktion nur des Zwischenwinkels ist:
ˆ
ˆ
hu(~k1 )u(~k2 )i = C(θ)
(4.25)
Wir formen das Additionstheorem der Kugelflächenfunktionen
ˆ ˆ
Pl (~k1 · ~k2 ) =
l
4π X
ˆ
ˆ
∗ ~
Ylm (~k1 )Ylm
(k2 )
2l + 1 m=−l
(4.26)
ˆ
ˆ
in eine andere Form um. Dabei sind die Vektoren ~k1 und ~k2 normiert, so daß
~kˆ1~kˆ2 = cos θ ist, mit θ als Zwischenwinkel der beiden Vektoren. Multiplikation des
50
Kapitel 4. Gaußsche Zufallsfelder
Additionstheorems (4.26) mit einer reellen Zahl Cl (abhängig von l), Integration
R ˆ
ˆ
d~k2 Yl0 m0 (~k2 ) und Anwendung der Orthonormalitätsrelation (4.22) ergibt:
Ω
2l + 1
Cl
4π
Z
Ω
Z
l
X
ˆ
ˆ
ˆ
ˆ ~ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
∗ ~
~
~
~
~
dk2 Yl0 m0 (k2 )Pl (k1 · k2 ) = Cl
Ylm (k1 ) d~k2 Yl0 m0 (~k2 )Ylm
(k2 )
Ω
m=−l
(4.27)
= Cl
l
X
ˆ
Ylm (~k1 )δll0 δmm0
(4.28)
m=−l
ˆ
= Cl Ylm0 (~k1 )δll0
Nun summieren wir über alle l:
Z
∞
∞
X
X
2l + 1
ˆ
ˆ
ˆ ~ˆ
ˆ
~
~
~
Cl dk2 Yl0 m0 (k2 )Pl (k1 · k2 ) =
Cl Ylm0 (~k1 )δll0
4π
Ω
l=0
l=0
Z
∞
ˆ
ˆ X 2l + 1
ˆ ˆ
ˆ
d~k2 Yl0 m0 (~k2 )
Cl Pl (~k1 · ~k2 ) = Cl0 Yl0 m0 (~k1 )
4π
Ω
|l=0
{z
}
Legendre-Entwicklung von C(θ)
Z
ˆ
ˆ
ˆ
d~k2 Yl0 m0 (~k2 )C(θ) = Cl0 Yl0 m0 (~k1 )
(4.29)
(4.30)
(4.31)
(4.32)
Ω
Die im vorletzten Schritt eingeführte Funktion C(θ) ist eine beliebige Funktion
des Winkels θ zwischen den Vektoren ~k1 und ~k2 . Die Legendre-Entwicklungskoeffizienten
von C(θ) sind die (als beliebig vorausgesetzten) Cl . Im nächsten Schritt werden
wir sie mit der Kovarianzfunktion identifizieren.
Die Kovarianzmatrix Σlml0 m0 der Entwicklungskoeffizienten alm eines isotropen
ˆ
Zufallsfelds u(~k) ist:
Z
Z
ˆ ∗ ~ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
ˆ ∗
~
~
Σlml0 m0 = halm al0 m0 i =
dk1 Ylm (k1 )u(k1 ) ·
d~k2 Yl0 m0 (~k2 )u(~k2 )
(4.33)
0
Ω
Ω
Z
Z
ˆ ∗ ~ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
~
=
dk1 Ylm (k1 )
d~k2 Yl0 m0 (~k2 ) hu(~k1 )u(~k2 )i
(4.34)
|
{z
}
Ω
Ω0
= C(θ) wg. Isotropie
Z
Z
ˆ
ˆ ∗ ~ˆ
ˆ
ˆ ∗ ~ˆ
~
~
d~k1 Ylm
(k1 )Yl0 m0 (~k1 )
(4.35)
=
dk1 Ylm (k1 )Cl0 Yl0 m0 (k1 ) = Cl0
Ω
= Cl δll0 δmm0
Ω
(4.36)
In Zeile (4.35) wurde (4.32) verwendet.
Dieses Ergebnis bedeutet, daß bei homogen-isotropen Zufallsfeldern die Koeffizi-
4.5. Realisierungen und Abschätzfunktionen
51
enten alm der Entwicklung des Zufallsfelds nach Kugelflächenfunktionen unkorreliert sind.
halm a∗l0 m0 i = Cl δll0 δmm0
(4.37)
Die Varianzen Cl sind frei wählbar und bestimmen eindeutig ein homogen-isotropen
Gaußsches Zufallsfeld. Das ist eine große Vereinfachung, den das Zufallsfeld kann
vollständig charakterisiert werden durch sein Winkelleistungsspektrum Cl . Daher
ist das Winkelleistungsspektrum die standardmäßig benutzte Darstellungsmethode der Temperaturanisotropien, wie in Abb. 2.2. Spricht man von (akustischen)
Peaks, so sind Peaks im Winkelleistungsspektrum gemeint.
Physikalisch gibt das Winkelleistungsspektrum die Leistung in einer Kugelmode
◦
l (anders gesagt, des Multipols l) der Winkelausdehnung Θ ≈ 180l an.
4.5
Realisierungen und Abschätzfunktionen
Die bisher betrachteten theoretischen Mittelwerte und Varianzen sind dem Experiment nicht zugänglich. Es sind Mittelwerte über ein Ensemble von Universen[22].
Wenn man Ergodizität des Feldes annimmt, kann man sie auch als räumliche Mittelwerte über alle Beobachterpositionen in unserem Universum auffassen.
Doch auch verschiedene Beobachterpositionen sind uns nicht zugänglich. Um aus
dem gemessenen Temperaturkontrast δT das Winkelleistungsspektrum zu berechnen, kann man δT nach Kugelflächenfunktionen (mit Koeffizienten alm ) entwickeln und die Varianzen nach [22][20] abschätzen als Durchschnitt der Betragsquadrate der Entwicklungskoeffizienten für das selbe l:
Cl =
l
X
1
|alm |2
2l + 1 m=−l
(4.38)
Diese Größe ist sinnvoller Weise unabhängig von der Wahl der Achsen [18],[27].
Üblicherweise wird in Diagrammen, die das Winkelleistungsspektrum zeigen, nicht
Cl , sondern l(l + 1)Cl über l abgetragen, weil für ein skaleninvariantes primor1
diales Spektrum δk ∼ k (im einfachsten Fall) Cl ∼ l(l+1)
ist. Siehe dazu [28] und
[29].
Aus dieser Wahl der Auftragung ergibt sich für ein skaleninvariantes primordiales Fluktuationsspektrum (Harrison-Zel’dovich-Spektrum genannt), wie es von
der Inflationstheorie vorausgesagt wird, ein flaches Sachs-Wolfe-Plateau im Cl Diagramm. (Dieses Plateau liegt bei niedrigen Multipolzahlen.)
52
Kapitel 4. Gaußsche Zufallsfelder
Da die alm Zufallsvariable sind und nur eine Realisierung des Zufallsfelds zu Messungen zur Verfügung steht, gibt es eine prinzipielle Ungenauigkeit bei Messungen, die sogenannte kosmische Varianz, egal wie genau das Experiment durchgeführt wird.
Zu jeder Multipol-Ordnung l gibt es 2l + 1 Entartungen, über die in (4.38) gemittelt wird. Das bedeutet, daß die kosmische Varianz in Cl bei kleinen Multipolen
groß ist und mit wachsender Multipol-Ordnung sinkt. Nach [20] und [31] beträgt
die kosmische Varianz der Cl in gaußschen Theorien
2
σkosm
= Cl2
2
2l + 1
(4.39)
Kapitel 5
Boltzmann-Gleichung für
Photonen
Um die Photonentemperatur in einer gestörten Metrik und ihre Wechselwirkung
Baryonen beschreiben zu können, greifen wir auf die mikroskopische Betrachtungsweise der Boltzmann-Gleichung zurück. Dieses Kapitel leitet daraus die
Gleichung für die Helligkeitstemperaturfluktuation der Photonen her. Im nächsten Kapitel werden wir die hier gewonnenen Größen mit einer fluiddynamischen
Behandlung verknüpfen.
Zu Anfang dieses Kapitels rechnen wir im physikalischen Raum, erst nachdem
in Abschnitt 5.3 Normalmoden für den gekrümmten Raum eingeführt wurden,
gehen wir in den Raum der Normalmoden über und betrachten nur noch einzelne
Moden.
Eine Übersicht über die Herleitung in diesem Kapitel ist in Abbildung 5.1 dargestellt.
5.1
Photonen in gestörter Robertson-Walker-Metrik
Als ersten Schritt der Herleitung der Boltzmann-Gleichung für Photonen benötigen wir einen Ausdruck für die Energieänderung (Rotverschiebung) eines Photons, das sich durch einen Raum mit zeitveränderlichem Skalenfaktor und kleinen
Fluktuationen der Metrik bewegt.
53
54
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Metrik (5.1) Newtonsche Eichung
g00 = −[1 + 2Ψ(~x, t)]
gij = ( aa0 )2 [1 + 2Φ(~x, t)]γij
γij . . . ungestörte RW-Metrik
Boltzmann-Gleichung ohne Stoßterm (5.81)
∂f
∂f dxi
∂f dp
∂f dγ i
∂t + ∂xi dt + ∂p dt + ∂γ i dt = 0
Geodätengl. für Photonen (5.18)
α β
p p
dpµ
∂gνα
µν 1 ∂gαβ
=
g
−
ν
β
dt
2 ∂x
p0
∂x
Rotverschiebung der Photonenenergie
(5.32)
1 dp
1 da
∂Φ
∂Ψ a0 i
p dt = − a dt + ∂t + ∂xi a γ
Planck-Verteilungsfunktion
für Bose-Einstein-Gas
f (p) = exp[ 1p ]−1
Stoßfreie Helligkeitsgleichung
∂
i ∂
Θ̇ + γ i ∂x
i (Θ + Ψ) + γ̇ ∂γ i Θ + Φ̇ = 0
Beschreibt Photonen(helligkeits)temperatur in
gestörter RW-Metrik, ohne WW mit e− .
kT
Helligkeitstemperatur
(5.71)
R∞
4Θ = ρ1γ 0 p3 f dp − 1
Elektronenverteilung nach Boltzmann
E
exp[− kT
]
Thomson-Streuung
Stoßterm
Helligkeitsgleichung mit Stoßterm (5.119)
∂
i ∂
i
Θ̇ + γ i ∂x
i (Θ + Ψ) + γ̇ ∂γ i Θ + Φ̇ = τ (Θ0 − Θ − γi vb +
Multipol-Zerlegung (5.132ff)
Θ̇0 = − k3 Θ1 − Φ̇
1/2
Θ̇1 = k(Θ0 + Ψ − 25 K2 Θ2 ) − τ (Θ1 − iVb )
..
.
1
ij
16 γi γj Πγ )
Verallgemeinerung von Normalmoden
und Legendre-Polynomen in
gekrümmten Räumen, Abschnitt 5.3
Abb. 5.1: Verlaufsdiagramm für die Herleitung der Gleichung für die Helligkeitstemperaturfluktuationen der Photonen
Die gestörte Metrik ist in Newtonscher Eichung
g00 = −[1 + 2Ψ(~x, t)]
g0i = gi0 = 0
2
a
gij =
[1 + 2Φ(~x, t)]γij .
a0
(5.1)
Der auf seinen heutigen Wert normierte Skalenfaktor ist mit a bezeichnet, a0
ist eine Normierungskonstante, um a auf einen anderen Wert zu normieren. So
wird im Zusammenhang mit akustischen Oszillationen a oft auf den Wert aeq der
Strahlungs-Materie-Gleichheit umskaliert.
5.1. Photonen in gestörter Robertson-Walker-Metrik
γij ist der Raumanteil der ungestörten Robertson-Walker-Metrik
2
a
2
RW
µ
ν
2
ds = gµν dx dx = −dt +
γij dxi dxj
a0
h
i
sin2 χ
k = +1
i
j
2
2
γij dx dx = R0 dχ + χ2 2 k = 0
dθ2 + sin2 θdφ2 .
sinh χ
55
(5.2)
(5.3)
k = −1
Das entspricht den Konventionen in von [34] (Kapitel 2). Es erfolgt noch keine
Aufspaltung nach Normalmoden, die Metrik beschreibt den physikalischen Raum.
Man beachte, daß die Signatur der Metrik (−1, 1, 1, 1) ist.
Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie lautet die Geodätengleichung (Bewegungsgleichung) für Photonen [32]
α
β
d2 xµ
µ dx dx
+
Γ
=0.
αβ
dλ2
dλ dλ
(5.4)
Das Christoffelsymbol (engl. affine connection“), das die Abweichung der Pho”
tonentrajektorie aufgrund von Gravitationskräften beschreibt, läßt sich aus der
Metrik berechnen durch
1 h ∂gκν ∂gκµ ∂gµν i
+
−
.
(5.5)
Γλµν = g λκ
2
∂xµ
∂xν
∂xκ
Der Bahnparameter λ in der Bewegungsgleichung (5.4) sei so gewählt, daß
dx0
d
dx0 d
d
(a)
⇒
=
= p0
(b).
(5.6)
p =
0
dλ
dλ
dλ dx
dt
dx0 ist nach Definition das Koordinatenzeitdifferential dt (Die Einheiten seien so
gewählt, daß die Lichtgeschwindigkeit auf eins gesetzt ist).
0
Für das Verhältnis der Raumkomponenten des Viererimpulses zur Zeitkomponente gilt allgemein (nicht nur für Photonen)
pi
dxi
=
.
p0
dt
(5.7)
Diese Gleichung werden wir benutzen, um in der Geodätengleichung die Zeitableitungen durch den Photonenimpuls zu ersetzen. Da sie nur eine Bedingung für
die Raumkomponenten des Impulses liefert, müssen wir Raum- und Zeitkomponenten getrennt behandeln. Für den zweiten Term der Geodätengleichung (5.4)
entsteht der Ausdruck
α
β
j
i
j
µ
µ
µ
µ
0 2
0 2 dx
0 2 dx dx
0 2 dx dx
= Γ00 (p ) + 2Γ0j (p )
+ Γij (p )
Γαβ (p )
dt dt
dt
dt dt
= Γµ00 (p0 )2 + 2Γµ0j p0 pj + Γµij pi pj
= Γµαβ pα pβ .
(5.8)
56
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Wir betrachten zunächst die Zeitkomponente (µ = 0) der Geodätengleichung (5.4)
α
β
d2 x0
0 dx dx
+
Γ
=0.
αβ
dλ2
dλ dλ
(5.9)
Mit (5.6a) ersetzen wir den ersten Term
dxα dxβ
d 0
p + Γ0αβ
=0.
dλ
dλ dλ
d
dλ
durch
d
dt
(5.10)
ausgedrückt mittels (5.6b) ergibt
p0
dxα dxβ
dp0
+ Γ0αβ (p0 )2
= 0.
dt
dt dt
(5.11)
Mit (5.8) drücken wir die Zeitableitungen im zweiten Term durch Impulse aus
p0
dp0
+ Γ0αβ pα pβ = 0 .
dt
(5.12)
Der Rest besteht aus dem Ausdrücken des Christoffelsymbols durch den metrischen Tensor (5.5)
p0
dp0 1 0κ h ∂gκβ ∂gκα ∂gαβ i α β
+ g
+
−
p p =0
dt
2
∂xα
∂xβ
∂xκ
dp0
∂gκα pα pβ
0κ 1 ∂gαβ
=g
−
.
dt
2 ∂xκ
∂xβ
p0
(5.13)
Dies ist die Zeitkomponente der Geodätengleichung (5.4) für Photonen.
Wir berechnen nun auch die Raumkomponenten
α
β
d2 xi
i dx dx
+
Γ
=0.
αβ
dλ2
dλ dλ
(5.14)
Wir können hier nicht wie bei der Zeitkomponente im ersten Term die Ableitungen
nach λ durch Zeitableitungen direkt durch (5.6a) ersetzen, sondern wenden für
beide Terme (5.6b) an
p0
d 0 dxi dxα dxβ
p
+ Γiαβ (p0 )2
=0.
dt
dt
dt dt
(5.15)
Wieder gehen wir über zu Impulsen mit (5.7) und (5.8)
p
0 dp
i
dt
+ Γiαβ pα pβ = 0 .
(5.16)
5.1. Photonen in gestörter Robertson-Walker-Metrik
57
Wir drücken das Christoffelsymbol wie gehabt durch den metrischen Tensor nach
(5.5) aus
h
∂gκα i pα pβ
dpi
iκ 1 ∂gαβ
=g
−
.
(5.17)
dt
2 ∂xκ
∂xβ p0
Vergleicht man dies mit (5.13), so sieht man, daß die Gleichungen dieselbe Form
haben, und man für alle Komponenten (Zeit und Raum) gemeinsam schreiben
kann
dpµ
∂gκα pα pβ
µκ 1 ∂gαβ
=g
−
.
(5.18)
dt
2 ∂xκ
∂xβ
p0
Diese Gleichung beschreibt allgemein die Zeitentwicklung des Photonenimpulses
pµ in einer Metrik gµν . Sie ist allerdings wegen der einzeln auftretenden Komponente p0 keine allgemein-kovariante Tensorgleichung, was an der speziellen Wahl
des Bahnparameters liegt.
Verwenden wir für die nullte Komponente dieser Gleichung, daß der metrische
Tensor (5.1) diagonal ist, erhalten wir
1 ∂gij pi pj
1 ∂g00 0 ∂g00 i
dp0
00
=g
−
p −
p
.
(5.19)
dt
2 ∂x0 p0
2 ∂x0
∂xi
Nun setzen wir die konkrete Form der Metrik ein, verwenden
∂g00
∂t
= −2 ∂Ψ
∂t
∂g00
∂xi
∂Ψ
= −2 ∂x
i
a
1 da
a ∂Φ
∂gij
=2
(1 + 2Φ)
+
γij
∂t
a0
a0 dt a0 ∂t
(5.20)
(5.21)
und erhalten
dp0
= −(1 − 2Ψ)
dt
"
a
a0
2 1 da ∂Φ
(1 + 2Φ)
+
a dt
∂t
#
pi pj ∂Ψ 0
∂Ψ i
γij 0 +
p + 2 ip .
p
∂t
∂x
(5.22)
Im Term γij pj wirkt die Metrik des ungestörten Raumes auf die Raumkomponenten eines raum-zeitlichen Vierervektors. Wir müssen den Term separat berechnen
und vermuten, daß er proportional zu pi ist
2
a
µ
j
[1 + 2Φ]γij pj .
(5.23)
pi = giµ p = gij p =
a0
Also ist (in erster Ordnung)
j
γij p =
a 2
0
a
(1 − 2Φ)pi .
(5.24)
58
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Wir zerlegen den Raumanteil des Viererimpulses in Betrag p und Richtung γ i
bezüglich eines lokalen Inertialsystems. Wie wir später sehen werden, ist p die
Energie des Photons in diesem lokalen Inertialsystem.
Der Vektor γ i ist ein Vektor im Raumanteil der ungestörten Robertson-WalkerMetrik, sein Index wird daher mit γij heruntergezogen.
Der Zusammenhang dieser Größen mit den Viererimpulskomponenten des gestörten Raumes ist (Herleitung später)1
p0 = (1 − Ψ)p
a0
pi = (1 − Φ) · pγ i
a
(5.25)
(5.26)
Wir sehen, daß tatsächlich p2 = pi pi , p also der Betrag ist.
Wir setzen diese Trennung des Impulses in Betrag und Richtung und γij pj ein
und multiplizieren in erster Ordnung aus
dp0
1 da ∂Φ (p)2 ∂Ψ 0
∂Ψ i
= − (1 − 2Ψ)
+
+
p + 2 ip
.
(5.27)
dt
a dt
∂t
p0
∂t
∂x
Aus
p = (1 + Ψ)p0
folgt
pi =
(p)2
p0
a0
(1
a
= (1 + Ψ)p und damit (wie immer in erster Ordnung)
dp0
∂Ψ
1 da
∂Φ
∂Ψ i
=−
p + (1 − Ψ)
p+
p + 2 ip
.
dt
∂t
a dt
∂t
∂x
(5.28)
(5.29)
− Φ)pγ i eingesetzt gibt
∂Ψ da 1
1 dp0
∂Φ
∂Ψ a0 =−
+
(1 − Ψ) +
+ 2 i γi .
p dt
∂t
dt a
∂t
∂x a
(5.30)
Es ist nur ein kleiner Schritt, wir müssen noch p0 durch die Energie p ausdrücken.
Man erhält dp
, indem man Gleichung (5.28) nach t ableitet und in erster Ordnung
dt
0
nähert (p = p für Terme, die schon erster Ordnung in Ψ oder Φ sind)
∂Ψ dxµ
= dΨ
∂xµ dt
dt
z
}|
{
1 dp
1 dp0
∂Ψ ∂Ψ dxi
=
(1 + Ψ) +
+ i
.
p dt
p dt
∂t
∂x dt
(5.31)
da 1 ∂Φ ∂Ψ a 1 dp
0
=−
+
+ i γi .
p dt
dt a
∂t
∂x a
(5.32)
Einsetzen von (5.30)
1
Erstere Formel ist in [34] falsch angegeben.
5.1. Photonen in gestörter Robertson-Walker-Metrik
59
Damit haben wir die gesuchte Rotverschiebungsbeziehung hergeleitet. Der erste
Term ist die Rotverschiebung aufgrund des kosmischen Expansion, der zweite
beschreibt den Einfluß der Änderung der Fluktuation des Raumanteils der Metrik, die wie eine lokale Expansion wirkt, und der dritte Term entspricht einer
Gravitationsrotverschiebung durch Fluktuationen des Newtonschen Gravitationspotentials. Im physikalischen Raum ist dieser letzte Term die Richtungsableitung
von Ψ.
Nun zum Beweis, daß (5.28) gilt
p 2
pi pi
pi pj
dxi dxj
=
=
g
=
g
ij
ij
p0
(p0 )2
p0 p0
dt dt
(5.33)
Das Wegelement ist bei einer raum-zeit-entkoppelten Metrik (d.h. g0i = gi0 = 0)
ds2 = g00 dt2 + gij dxi dxj .
(5.34)
Für ein Photon ist ds = 0:
gij
dxi dxj
= −g00
dt dt
(5.35)
Es läßt sich also fortführen
p 2
p0
= −g00 = 1 + 2Ψ
(5.36)
und damit in erster Ordnung
p = (1 + Ψ)p0
(5.37)
Darüberhinaus gibt es eine anschaulichere Interpretation dieser Beziehung, aus
der wir auch die Raumkomponenten ablesen können. Wir betrachten ein Photon
in einem lokalen Inertialsystem. Dort ist die nullte Komponente des Impulses die
Energie des Photons (c = 1):


E (= p)


p̄1

(p̄α ) = 
(5.38)
2


p̄
p̄3
Eine lokale Koordinatentransformation des Impulses p̄ im lokalen Inertialsystem
in das allgemeine der gestörten Metrik ergibt die Beziehung der Energie zur nullten Komponente des Impulses im allgemeinen System. Einfacher ist es, koordinatensystemunabhängige (skalare) Größen zu betrachten:
p̄α p̄α = pµ pµ
(5.39)
60
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Die Minkowski-Metrik diag(−1, γijflach ) in Polarkoordinaten wird verwendet. Lokal
ist auch die allgemeine Metrik flach.
−E 2 + γijflach pi pj = gµν pµ pν
(5.40)
= −(1 + 2Ψ)(p0 )2 +
a
a0
2
(1 + 2Φ)γijflach pi pj
(5.41)
Daraus kann man folgende Zuordnung ablesen:
E = (1 + Ψ)p0
a
p̄i = (1 + Φ)pi
a0
(= p)
(= pγ i )
(5.42)
(5.43)
Anschauliche Deutung der Rotverschiebungsbeziehung
Um die Bedeutung der Terme in (5.32) zu verstehen, nehmen wir zunächst an,
die räumlichen Änderungen der Metrikstörungen (Potentiale) Ψ und Φ seien vernachlässigbar und betrachten nur ihre zeitliche Abhängigkeit.
Die Periode ∆t0 einer Schwingung eines ruhenden Erregers in einem lokalen Inertialsystem wird in einem Koordinatensystem mit Gravitationspotential zu einem
Zeitintervall ∆t1 gedehnt (siehe z.B. [32]):
1
∆t1 = (−g00 )− 2 ∆t0
(5.44)
Wir betrachten die Emission einer elektromagnetischen Welle (Ereignis 1, t1 ) und
vergleichen diese Welle an einem späteren Ereignis 2 (t2 ) mit einer von dort ausgehenden Welle gleicher Periode. Ziel ist, die Rotverschiebung (im Photonenbild:
den Energieverlust) bei diesem Prozeß zu berechnen. (Siehe Abb. 5.2).
Für ein Zeitintervall ∆t1 im Gravitationspotential Ψ(t1 ) bei Ereignis 1 und ∆t2
im Potential Ψ(t2 ) bei Ereignis 2 gilt nach (5.44) in erster Ordnung:
∆t1 = (1 − Ψ(t1 ))∆t0
∆t2 = (1 − Ψ(t2 ))∆t00
(5.45)
(5.46)
∆t0 und ∆t00 sind die Eigenperioden (Eigenzeitintervalle) der bei Ereignis 1 bzw.
Ereignis 2 emittierten Wellen.
Die Emission der Welle bei Ereignis 1 mit der Eigenperiode ∆t0 geschieht mit der
Periode ∆t1 . Die Periode wird bei der Ausbreitung zu Ereignis 2 weiter gestreckt.
Licht läuft auf Nullgeodäten ds = 0. In erster Ordnung:
(1 + Ψ)dt =
1
a
(1 + Φ)(−K)− 2 dχ
a0
(5.47)
5.1. Photonen in gestörter Robertson-Walker-Metrik
61
Ausbreitung (kosmologische Rotverschiebung)
∆t1
∆t3
∆t2
Ψ(t1 )
Ψ(t2 )
∆t00
∆t0
Ereignis 1
Ereignis 2
Abb. 5.2: Schematische Darstellung der Rotverschiebung im expandierenden Universum mit zeitlich veränderlichen Potentialfluktuationen
Eine elektromagnetische Welle mit der Inertialperiode ∆t0 hat im Potential Ψ(t1 ) eine
gedehnte Periode ∆t1 (Ereignis 1). Bei der Ausbreitung zu einem späteren Ereignis
2 wird die Welle durch die (lokale) Expansion des Universums weiter rotverschoben.
Bei Ereignis 2 wird sie mit einer von diesem Punkt ausgehenden Welle verglichen,
deren Inertialperiode ∆t00 gerade so groß gewählt wird, daß ihre Periode im Gravitationspotential Ψ(t2 ) identisch mit der der eintreffenden Welle ist. Der punktierte Pfeil
symbolisiert den Gang der Rechnung.
Ein Wellenberg bewege sich von Ereignis 1 zu Ereignis 2. In einem Koordinatensystem, das seinen Ursprung am Ort von Ereignis 2 hat, gilt:
Z t2
Z 0
1
a0
(1 + Ψ(t) − Φ(t))dt =
(−K)− 2 dχ
(5.48)
t1 a(t)
χ1
Analog für den Wellenberg eine Periode später:
Z
t2 +∆t3
t1 +∆t1
a0
(1 + Ψ(t) − Φ(t))dt =
a(t)
Z
0
1
(−K)− 2 dχ
(5.49)
χ1
Man beachte, daß ∆t3 die Periode der bei Ereignis 1 emittierten Welle beim Ereignis 2 ist, wohingegen die Periode der zu Ereignis 2 herangezogenen Vergleichswelle
mit ∆t2 bezeichnet wird.
Z
t2
t1
1
(1 + Ψ(t) − Φ(t))dt =
a(t)
Z
t2 +∆t3
t1 +∆t1
1
(1 + Ψ(t) − Φ(t))dt
a(t)
(5.50)
Die Integrationsbereiche obiger Gleichung überlappen sich zu einem großen Teil,
außer von t1 bis t1 + ∆t1 und t2 bis t2 + ∆t3 . Die Integrale sind genau dann gleich,
62
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
wenn die sich nicht überlappenden Teilstücke gleich groß sind:
Z t2 +∆t3
Z t1 +∆t1
1
1
(1 + Ψ(t) − Φ(t))dt =
(1 + Ψ(t) − Φ(t))dt
a(t)
a(t)
t1
t2
(5.51)
Unter der Näherung, daß sich der Integrand nicht ändert während der Dauer einer
Schwingungsperiode ∆t1 bzw. ∆t3 (die sehr klein sind gegenüber der gesamten
Ausbreitungszeit der Welle), kann man schreiben:
1
1
(1 + Ψ(t1 ) − Φ(t1 ))∆t1 =
(1 + Ψ(t2 ) − Φ(t2 ))∆t3
a(t1 )
a(t2 )
a(t2 ) 1 + Ψ(t1 ) − Φ(t1 )
∆t1
a(t1 ) 1 + Ψ(t2 ) − Φ(t2 )
a(t2 ) 1 − Ψ(t2 ) + Φ(t2 )
∆t1
=
a(t1 ) 1 − Ψ(t1 ) + Φ(t1 )
a(t2 ) 1 − Ψ(t2 ) + Φ(t2 )
∆t0
=
a(t1 )
1 + Φ(t1 )
∆t3 =
(5.52)
(5.53)
(5.54)
(5.55)
Dabei wurde im zweiten Schritt in erster Ordnung gerechnet, im dritten Schritt
(5.45) benutzt. Wir haben damit berechnet, welche Periode ∆t3 eine bei Ereignis
1 mit der Eigenperiode ∆t0 emittierte Welle bei Ereignis 2 hat.
Wir suchen nun die Eigenperiode ∆t00 einer bei Ereignis 2 emittierten Welle, die
bei Ereignis 2 dieselbe Periode hat wie die von Ereignis 1 erzeugte bei Ereignis
2. Wir fordern somit
∆t2 = ∆t3
(5.56)
Mit (5.46) und (5.55) folgt daraus
(1 − Ψ(t2 ))∆t00 =
a(t2 ) 1 − Ψ(t2 ) + Φ(t2 )
∆t0
a(t1 )
1 + Φ(t1 )
∆t00
a(t2 ) 1 + Φ(t2 )
=
∆t0
a(t1 ) 1 + Φ(t1 )
(5.57)
(5.58)
1
Da die Photonenenergie p ∼ ∆t
ist, gilt für die bei Ereignis 1 emittierte Welle
das Verhältnis ihrer Energie bei Ereignis 1 zu ihrer Energie bei Ereignis 2:
∆t00
a(t2 ) 1 + Φ(t2 )
p1
=
=
p2
∆t0
a(t1 ) 1 + Φ(t1 )
(5.59)
Wir haben nun die Rotverschiebung für gestörte Metriken verallgemeinert.2
2
Das Ergebnis ist die korrigierte Version von (2.20) in [34]. Dort ist der reziproke Wert
angegeben. Zur Plausibilitätsprüfung kann man ein statisches Potential Φ annehmen und nur
den Einfluß der Expansion des Universums betrachten. Dann muß bei steigendem Skalenfaktor
a die Photonenenergie sinken. Bei [34] führt diese Betrachtung zu einem Widerspruch. (Man
beachte, daß in [34] t1 < t0 ist.)
5.2. Stoßfreie Boltzmann-Gleichung
63
Wir wollen nun die relative Energieänderung des Photons herleiten, indem wir
zwei infinitesimal aufeinanderfolgende Zeitpunkte betrachten:
t2 = t1 + δt
(5.60)
Die Taylorentwicklungen der zeitabhängigen Größen lauten in erster Ordnung:
dp
δt
dt
da
a(t2 ) = a(t1 ) + δt
dt
∂Φ
Φ(t2 ) = Φ(t1 ) +
δt
∂t
p2 = p1 +
(5.61)
(5.62)
(5.63)
(5.59) wird damit zu
δt 1 + Φ + ∂Φ
δt
a + da
dt
∂t
=
·
a
1+Φ
p + dp
δt
dt
1 dp
1 da
∂Φ 1−
δt = 1 +
δt 1 + (1−Φ) δt
p dt
a dt
∂t
∂Φ 1 da
1 dp
=−
−
.
p dt
∂t
a dt
p
(5.64)
(5.65)
(5.66)
Damit sind die ersten zwei Terme in (5.32) alternativ hergeleitet. Der letzte Term
ergibt sich analog zur Gravitationsrotverschiebung.
5.2
Stoßfreie Boltzmann-Gleichung
Die Beschreibung der Photonen ist gegeben durch die Boltzmann-Gleichung
df
=0.
dt
(5.67)
Für die Verteilungsfunktion f = f (t, xi , p, γ i ) lautet die Boltzmann-Gleichung
ohne Stoßterm:
∂f
∂f dxi ∂f dp
∂f dγ i
+ i
+
+
=0
(5.68)
∂t
∂x dt
∂p dt ∂γ i dt
dp
dt
kennen wir aus (5.32) (deshalb haben wir (5.32) hergeleitet). Um aus der
Verteilungsfunktion im Phasenraum zu einer Energiedichte im physikalischen
64
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Raum (die Dichte“ ist allerdings noch richtungsabhängig) und mit dem Stefan”
Boltzmannschen Gesetz letztendlich zu einer Gleichung für die Photonentemperatur zu kommen, multiplizieren wir zunächst mit der spektralen Energie p und
integrieren anschließend über diese (das Volumen“element ist p2 dp).
”
Die spektrale Energie p hängt als Zustandsgröße im Phasenraum nicht explizit
i
von der Zeit ab. Außerdem wird verwendet, daß in nullter Ordnung dx
= aa0 γ i
dt
ist.
∂
∂f a0
∂f da 1 ∂Φ ∂Ψ a0 i ∂f dγ i
(pf ) + p i γ i − p2
+
+ i γ +p i
= 0 (5.69)
∂t
∂x a
∂p |dt a
∂t{z ∂x a }
∂γ dt
A
∂
∂t
Z
a0
∂
p f dp + γ i i
a ∂x
3
Z
3
p f dp −
Z
dγ i ∂
p
dp (A) +
∂p
dt ∂γ i
4 ∂f
Z
p3 f dp = 0 (5.70)
Wir definieren die Helligkeitstemperaturfluktuation Θ zu
Z
1 ∞ 3
p f dp − 1
4Θ :=
ργ 0
(5.71)
und rechnen weiter:
a0
∂
∂
(ργ (4Θ + 1)) + γ i i (ργ (4Θ + 1))
a ∂x
Z∂t
i
dγ
∂
∞
− p4 f 0 −4 p3 f dp (A) +
(ργ (4Θ + 1)) = 0
dt ∂γ i
| {z }
| {z }
=0−0
(5.72)
ργ (4Θ+1)
ργ ist die über Raum und alle Richtungen gemittelte Energiedichte der Photonen
(im physikalischen Raum). Sie hängt explizit nur von der Zeit ab. Ausdrücken
der Zeitableitungen durch konforme Zeit3 dη = aa0 dt:
a0 ∂ργ
a0 ∂Θ
a0
∂Θ
(4Θ + 1) + 4ργ
+ 4 γ i ργ i
a ∂η
a ∂η
a
∂x
i
a0 da a0 ∂Φ ∂Ψ a0 i
a0 dγ
∂Θ
+4ργ (4Θ + 1)
+
+ i γ +4
ργ i = 0
2
a dη
a ∂η
∂x a
a dη ∂γ
∂Θ
ρ̇γ (4Θ + 1) + 4ργ Θ̇ + 4ργ γ i i
∂x
ȧ
∂Ψ
∂Θ
+ Φ̇ + γ i i + 4ργ γ̇ i i = 0
+4ργ (4Θ + 1)
a
∂x
∂γ
(5.73)
(5.74)
Ein Punkt kennzeichnet die partielle Ableitung nach der konformen Zeit. Vernachlässigung höherer Terme in den Fluktuationen führt zu
Θ̇ + γ i
3
∂
∂Θ
1 ρ̇γ
ȧ
(Θ + Ψ) + γ̇ i i + Φ̇ +
(4Θ + 1) + (4Θ + 1) = 0 .
i
∂x
∂γ
4 ργ
a
Ein kleiner Lapsus in [34]: dort fehlt a0 .
(5.75)
5.2. Stoßfreie Boltzmann-Gleichung
65
Der unterstrichene Term ist 0, weil ργ ∼ T 4 (Stefan-Boltzmann) und T ∼ a1 ,
wodurch ργ ∼ a14 und letztlich ρ̇ργγ = −4 ȧa . Die Kontinuitätsgleichung für Photonen
führt auch auf diese Beziehung.
Interpretation der Größe Θ
Die Helligkeitstemperatur eines beliebigen Strahlungsspektrums ist definiert als
die Temperatur desjenigen Schwarzkörperspektrums, das die gleiche Energieabstrahlung wie das betrachtete besitzt. Θ bezeichnet relative Fluktuationen gegenüber der räumlich und über alle Richtungen gemittelten Energiedichte ργ .
Die Photonenenergiedichte wird ausgedrückt als Abweichung von ihrem Mittelwert ργ (η):
Z ∞
i
i
δργ (η, x , γ ) = 4π
p3 f (η, xi , p, γ i )dp − ργ
(5.76)
Z0 ∞
4π
δργ
=
p3 f dp − 1 = 4Θ(η, xi , γ i ) .
(5.77)
ργ
ργ 0
Der Zusammenhang der relativen Energiedichtefluktuation mit der relativen Temperaturfluktuation lautet wegen ργ ∼ T 4 für ein Schwarzkörperspektrum
δργ
δT
=4
.
ργ
T
(5.78)
Zur konzeptionellen Unterscheidung von Helligkeitstemperatur und Schwarzkörpertemperatur T machen wir uns klar, daß die Helligkeitstemperatur über die
Energieabstrahlung irgend eines Spektrums definiert ist, T hingegen der freie
Parameter eines Planck-Spektrums ist. Die Helligkeitstemperatur eines PlanckSpektrums ist natürlich gleich T , nur ist sie allgemeiner.
Relative Helligkeitstemperaturfluktuationen sind daher äquivalent zu relativen
Temperaturfluktuationen:
δT
(5.79)
Θ=
T
Gleichung (5.75) können wir umschreiben
Θ̇ + Ψ̇ + γ i
∂
∂Φ
(Θ + Ψ) + γ̇ i i = Ψ̇ − Φ̇
i
∂x
∂γ
(5.80)
Da Ψ nicht von der Richtung γ i , sondern nur von η und xi abhängt, kann man es
im letzten Term auf der linken Seite dem Θ zuschlagen. So kann man schreiben
i
i
(zur Erinnerung: in nullter Ordnung ist γ i = aa0 dx
= dx
)
dt
dη
d
(Θ + Ψ) = Ψ̇ − Φ̇ .
dη
(5.81)
66
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Θ + Ψ ist die effektive Temperaturfluktuation, die man am Himmel sieht, da zu
der intrinsischen Temperatur die Gravitationsrotverschiebung beim Austritt aus
der Potentialfluktuation hinzukommt.
5.3
Normalmoden und ihre Eigenschaften
Ziel dieses Abschnittes ist es, eine Verallgemeinerung der ebenen Wellen auf den
gekrümmten (3er-)Raum zu finden. Entwickelt man Fluktuationen und Potentiale nach diesen verallgemeinerten ebenen Wellen, so entkoppeln in der linearen
Störungstheorie die einzelnen Moden, was die Rechnungen stark vereinfacht.
Die Eigenfunktionen Q des kovarianten räumlichen Laplace-Operators (d.h. des
Beltrami-Operators) stellen diese Verallgemeinerung dar
∆Q = ∗Di ∗Di Q = −k 2 Q .
(5.82)
Der Operator ∗Di stellt die kovariante Ableitung auf dem dreidimensionalen räumlichen, ungestörten Robertson-Walker-Unterraum dar, der durch die Metrik γij
und die Christoffelsymbole ∗Γijk charakterisiert wird.
Eine Unterscheidung von der kovarianten Ableitung im gestörten Viererraum nur
über griechische oder lateinische Indizes ist nicht möglich, da in der kovarianten
Ableitung implizit weitere Summationen vorhanden sind. So ist beispielsweise
Dj Aj = ∂j Aj + Γjjµ Aµ .
(5.83)
Die Kontraktion mit dem Christoffelsymbol läuft über die vollen vier Komponenten, auch wenn sich die Kontraktion mit der kovarianten Ableitung nur auf die
Raumkomponenten bezieht. Hingegen ist
Dj B j = ∂j B j + ∗Γjjk B k .
∗
(5.84)
Die kovariante Ableitung eines Skalars A ist allgemein identisch mit der partiellen
Ableitung (dem Gradienten), also auch
∗
Di A = ∂i A .
(5.85)
Wir müssen eine weitergehende Forderung als (5.82) an die Q voraussetzen4 , die
für die weiteren Rechnungen nötig ist. Die Funktionen Q müssen sogar
∂i Q = iki Q
4
[34] tut dies implizit
(5.86)
5.3. Normalmoden und ihre Eigenschaften
67
erfüllen. Man sieht leicht, daß daraus (5.82) folgt.
Vektoren und Tensoren (die zur Beschreibung der Fluidgeschwindigkeit in Kap. 6
und des anisotropen Spannungstensors benötigt werden) können dargestellt werden durch
1
ki
Qi := −i ∂i Q = Q
k
k
1
1
1
k i kj
Qij := −( 2 Q;ij + γij Q) = ( 2 − γij )Q
k
3
k
3
(5.87)
(5.88)
wobei ein Semikolon die kovariante Ableitung bezüglich der 3er-Metrik γij bezeichnet.
Es gilt
Qi Qi = Q2
denn Qi Qi =
ki k i 2
Q
k2
(5.89)
= Q2 .
Weiterhin gilt für die Kontraktion des Christoffelsymbols der 3er-Metrik
∗ i
Γij Qj
=0,
(5.90)
denn unter Verwendung von (5.87) ist
∗
Di ∗Di Q = ∗Di (∂ i Q) = ik ∗Di Qi = ik(∂i Qi + ∗Γiij Qj )
= ∂i ∂ i Q + ik ∗Γiij Qj
(5.91)
Aber für die Eigenfunktionen Q ist wegen (5.86) ∗Di ∗Di Q = ∂i ∂ i Q, also gilt die
Behauptung.
Weitere Eigenschaften der Eigenfunktionen Q werden für die folgenden Rechnungen nützlich sein. Zum einen ist
∗ i
D Qi = ikQ ,
(5.92)
denn ∗Di Qi = − ki ∗Di∗Di Q = − ki (−k 2 ) Q = ikQ.
Es gilt auch
∗
Dj ∗Dj Qi = (2K − k 2 )Qi .
(5.93)
Das Prinzip des Beweises dafür ist es, die kovarianten Ableitungen zu tauschen,
bis ein ∗Di vorne steht.
i
i
Dj ∗Dj Qi = − ∗Dj ∗Dj ∗Di Q = − ∗Dj ∗Di ∗Dj Q = ∗Dj ∗Di Qj
k
k
= γ jl∗Dj ∗Di Ql = γ jl ∗Di ∗Dj Ql − Qk Rk lij
∗
= ∗Di ∗Dl Ql − Qk Rkj ij
(5.94)
(5.95)
(5.96)
68
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Es ist Rkj ij = Rk i , der gemischte Ricci-Tensor.
i
= − ∗Di ∗Dl∗Dl Q − Qk γ kl Rli
k
(5.97)
Nach [32] ist der Ricci-Tensor für den Raumanteil eines maximalsymmetrischen
Raumes Rli = −2Kγli .
i
= − (−k 2 )∗Di Q + 2KQk γ kl γli
k
∗
= ik Di Q + 2KQi = (2K − k 2 )Qi
(5.98)
(5.99)
Aus Umformungen der Definition von Qij nach (5.88) sieht man des weiteren
1
∗
Dj Qi = −ik Qij − γij Q .
(5.100)
3
Die Spur der Qij verschwindet, also
Qi i = 0
(5.101)
Denn Qi i = −( k12 ∗Di ∗Di Q + 13 δ i i Q) = −(−Q + Q) = 0.
Die Kontraktion der Qij mit der kovarianten Ableitung ist
∗ j
D Qij =
2i 2
(k − 3K)Qi
3k
(5.102)
Denn
i∗ j
1 j
i∗ ∗ j
1∗
D Qij = Dj Qi = Dj (− D Qi − δi Q) = −
Dj D Qi + Di Q
(5.103)
k
3
k
3
i
1
i
1
2
=−
(−k + 2K)Qi + ikQi = − −ik + 2 K + ik Qi (5.104)
k
3
k
3
2i 2
=
(k − 3K)Qi
(5.105)
3k
∗ j
5.4
∗
j
∗
Verallgemeinerte Legendre-Polynome
Die Photonentemperatur ist nicht nur eine Funktion des Ortes, sondern auch des
Winkels, da die Ausbreitungsrichtung der Photonen über den Doppler-Effekt die
von der Erde aus beobachtete Temperatur beeinflußt. Um die Winkelabhängigkeit
5.4. Verallgemeinerte Legendre-Polynome
69
nach Multipolen zu entwickeln, verwenden wir das Funktionensystem der Gl nach
[34].
Gl (~x, ~γˆ , ~k) = (−k)−l∗Di1 · · · ∗Dil Q(~x, ~k)Pli1 ...il (~k, ~γˆ )
(5.106)
wobei
P0 = 1
P1i = γ i
1
P2ij = (3γ i γ j − γ ij )
2
l
2l + 1 (i1 i2 ...il+1 )
i3 ...il+1 )
i1 ...il+1
Pl+1
=
γ Pl
−
γ (i1 i2 Pl−1
l+1
l+1
(5.107)
(5.108)
(5.109)
Die Klammern bezeichnen Symmetrisierung bezüglich der Indizes.
Für Dipol und Quadrupol lauten die Funktionen explizit5
G1 = −iγ i Qi
3
G2 = − γ i γ j Qij .
2
(5.110)
(5.111)
Im flachen Raum vereinfachen sich die Gl zu
~
Gl = (−i)l eik~x Pl (~k~γˆ ) .
Die Gl erfüllen eine Rekursionsbeziehung
d
l
l+1
i∗
γ Di G l =
G[~x(η), ~γ (η)] = k
Kl Gl−1 −
Gl+1 .
dη
2l + 1
2l + 1
(5.112)
(5.113)
Die vollständige Entwicklung einer orts- und winkelabhängigen Funktion lautet
F (~x, ~γˆ ) =
X
∞
X
√
|~k|≥ −K l=0
−1/2
Fl (~k)Ml
Gl (~x, ~γˆ , ~k) .
(5.114)
k ist die Wellenzahl, die Kl sind Normierungsfaktoren, die mit den Ml zusammenhängen:
Ml ≡
l
Y
Kl 0
(5.115)
l0 =0
K0 = 1
Kl = 1 − (l2 − 1)
5
Qi .
(5.116)
K
k2
l≥1
(5.117)
Die von [34] differierenden Vorfaktoren entstehen durch die unterschiedliche Definition der
70
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Es ist praktisch für die folgenden Rechnungen, einige Werte explizit auszurechnen:
M0
M1
M2
M3
5.5
=1
= K1 = 1
= K2
= K2 K3
K1 = 1
K2 = 1 − 3 kK2
(5.118)
Entwicklung der Boltzmann-Gleichung nach
Multipolmomenten
Die Gleichung für die Photonentemperatur mit Berücksichtigung des Stoßterms
nach [34] im reellen Raum lautet
d
1
ij
i
(Θ + Ψ) = Ψ̇ − Φ̇ + τ Θ0 − Θ + γi vb + γi γj Πγ .
(5.119)
dη
16
Dabei ist τ = ane σT der Streuparameter, ne die Dichte der freien Elektronen
und σT = 6.6524 · 10−25 cm2 ist der Thomson-Streuquerschnitt. Nach [33] ist der
klassische differentielle Thomson-Streuquerschnitt
dσT
3
= πσT (1 + cos2 θ) .
dΩ
16
(5.120)
θ ist der Streuwinkel. Diese Winkelabhängigkeit ist verantwortlich für den Quadrupolterm ∼ γi γj Πij
γ im Stoßterm.
Wir zerlegen diese Gleichung in die einzelnen Multipolmomente, um eine Hierarchie gekoppelter Momentengleichungen zu erhalten. Die Photonen(helligkeits)temperatur
Θ wird entwickelt
Θ(η, ~x, ~γˆ ) =
∞
X
1
−
Θl (η)Ml 2 Gl (~x, ~γˆ ) .
(5.121)
l=0
Damit sind Θl die Entwicklungskoeffizienten, Ml Normierungsfaktoren und die
Gl sind die auf den gekrümmten Raum verallgemeinerten Basisfunktionen einer
kombinierten Fourier- und Multipolentwicklung (Verallgemeinerte ebene Wellen
und Legendre-Polynome).
Wir verwenden die Rekursionsbeziehung der Gl
d
l
l+1
ˆ
Gl (~x(η), ~γ (η)) = k
Kl Gl−1 −
Gl+1 .
dη
2l + 1
2l + 1
(5.122)
k ist die Wellenzahl, die Kl sind die im letzten Unterkapitel eingeführten Normierungsfaktoren.
5.5. Entwicklung der Boltzmann-Gleichung nach Multipolmomenten
71
Wir zerlegen zunächst die linke Seite von (5.119)
∞
d
d X
d −1
Θl (η)Ml 2 Gl (~x(η), ~γˆ (η)) +
(Θ + Ψ) =
Ψ0 (η)G0 (~x(η), ~γˆ (η)) .
dη
dη l=0
dη
(5.123)
Hierbei ist Ψ0 die Metrikfluktuation im Entwicklungsraum, der Index wird jedoch
gleich wieder fallengelassen.
=
∞
X
−1
Θ̇l Ml 2 Gl
+
l=0
∞
X
− 12
Θl Ml
l=0
d
d
Gl + Ψ̇G0 + Ψ G0
dη
dη
(5.124)
Anwenden der Rekursionsformel (5.122)
=
∞
X
−1
Θ̇l Ml 2 Gl
+
l=0
∞
X
−1
Θl Ml 2 k
l=0
l
l+1
Kl Gl−1 −
Gl+1
2l + 1
2l + 1
+ Ψ̇G0 − ΨkG1
(5.125)
Trennen der zweiten Summe und Indexverschiebung l0 = l − 1 bzw. l00 = l + 1
=
∞
X
−1
Θ̇l Ml 2 Gl
+
∞
X
−1
2
Θl00 −1 Ml00 −1
k
l00 =1
−1
2
Θl0 +1 Ml0 +1
k
l0 =−1
l=0
−
∞
X
l0 + 1
Kl0 +1 Gl0
2l0 + 3
l00
Gl00 + Ψ̇G0 − kΨG1
2l00 − 1
(5.126)
die dritte Summe kann wegen des Faktors l00 auch ab l00 = 0 laufen. Das selbe
Argument gilt für die zweite Summe. Nun alle Terme unter eine Summe:
∞ X
l+1
l
− 12
− 12
− 12
Kl+1 − Θl−1 Ml−1 k
Gl
=
Θ̇l Ml + Θl+1 Ml+1 k
2l
+
3
2l
−
1
l=0
+ Ψ̇G0 − kΨG1
(5.127)
Die Zerlegung der rechten Seite von (5.119) ist einfacher. Wir drücken die Metrikfluktuationen durch ihre Entwicklungskoeffizienten aus und lassen, nachdem jetzt
darauf hingewiesen wurde, die Indizes wieder fallen (Beachte: partielle Ableitung
nach η, daher keine Produktregel)
Ψ̇ = Ψ̇0 G0
Φ̇ = Φ̇0 G0
(5.128)
Ferner lauten die Beziehungen zwischen den Größen ~vb , Πij
γ im realen Raum und
Vb , Πγ im Entwicklungsraum
γi vbi = iVb G1
2
γi γj Πij
γ = − Πγ G 2 .
3
(5.129)
72
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Ersteres, weil G1 = −iγi Qi und vbi = Vb Qi , letzteres, weil Πγ der Entwicklungs3 i j
ij
ij
koeffizient von Πij
γ ist: Πγ = Πγ Q und G2 = − 2 γ γ Qij .
Damit wird (5.119) insgesamt zu
∞ X
−1
Θ̇l Ml 2
+
−1
Θl+1 Ml+12 k
l=0
l+1
l
−1
Kl+1 − Θl−1 Ml−12 k
2l + 3
2l − 1
= Ψ̇G0 − Φ̇G0 + τ̇
Θ0 G0 −
∞
X
−1
Θl Ml 2 Gl
l=0
Gl + Ψ̇G0 − kΨG1
1
+ iVb G1 − Πγ G2
24
!
.
(5.130)
Die nullte Komponente (l = 0) lautet unter Verwendung der Definition von Ml
nach (5.118):
1
= −Φ̇ + τ (Θ0 − Θ0 )
3
k
⇒ Θ̇0 = − Θ1 − Φ̇
3
Θ̇0 + Θ1 k
(5.131)
(5.132)
Die erste Komponente (l = 1):
−1/2
Θ̇1 + Θ2 K2
2
k K2 − Θ0 k − kΨ = τ (−Θ1 + iVb )
(5.133)
5
2 1/2
⇒ Θ̇1 = k(Θ0 + Ψ − K2 Θ2 ) − τ (Θ1 − iVb )
5
(5.134)
Die zweite Komponente (l = 2):
−1/2
Θ̇2 K2
2
1
−1/2
−1/2 3
− Πγ )
K3 k K3 − Θ1 k = τ (−Θ2 K2
7
3 24
2 1/2
3 1/2
1 1/2
⇒ Θ̇2 = k
K Θ1 − K3 Θ3 − τ (Θ2 + K2 Πγ )
3 2
7
24
−1/2
+ Θ3 K2
(5.135)
(5.136)
Πγ läßt sich, wie wir später zeigen, mit Θ2 zusammenfassen:
Πγ = −
12 −1/2
K
Θ2
5 2
(5.137)
und damit erhält man
Θ̇2 = k
2 1/2
3 1/2
K2 Θ1 − K3 Θ3
3
7
−
9
τ Θ2 .
10
(5.138)
5.5. Entwicklung der Boltzmann-Gleichung nach Multipolmomenten
73
Die höheren Momente (l > 2):
l+1
l
−1/2
−1/2
Kl+1 − Θl−1 Ml−1 k
= −τ Θl Ml
(5.139)
2l + 3
2l − 1
l
−1/2 l + 1
1/2
Θ̇l + Θl+1 Kl+1 k
Kl+1 − Θl−1 Kl k
= −τ Θl
(5.140)
2l + 3
2l − 1
−1/2
Θ̇l Ml
−1/2
+ Θl+1 Ml+1 k
Θ̇l = k
l
l + 1 1/2
1/2
Kl Θl−1 −
K Θl+1
2l − 1
2l + 3 l+1
− τ Θl
(5.141)
Damit sind wir am Ziel dieses Kapitels und haben die Hierarchie der Multipolmomente der Photonentemperatur hergeleitet.
Der Beweis, daß (5.137) gilt, steht noch aus. Hierzu müssen wir etwas vorgreifen
und die Euler-Gleichung für die Spezies ’x’ benützen
ȧ
ẇx
δpx /δρx
2
wx
Vx −
ikδx − ik
K2 Πx −ikΨ . (5.142)
V̇x = − (1−3wx )Vx −
a
1 + wx
1 + wx
3 1 + wx
δpx
Für ein Fluid, das nur aus Photonen besteht, ist δρ
= wx =
x
erhält
δγ 1
V̇γ = −ik( + K2 Πγ + Ψ)
4
6
1
3
und ẇx = 0. Man
(5.143)
Mit den Beziehungen (6.76ab), die die mikroskopisch eingeführten Größen mit
denen der Fluiddynamik verknüpfen, ergibt sich die Euler-Gleichung für Photonen
zu
1
Θ̇1 = k(Θ0 − K2 Πγ + Ψ) .
(5.144)
6
Vergleicht man das mit (5.134), ergibt sich, daß (5.137) gilt. Damit hat man eine
Beziehung zwischen der Fluiddynamik (Euler-Gl., allg. ’anisotropic stress’ Πγ )
und der Compton-Streuung der Photonen (Quadrupolmomente Πij
γ ) hergestellt.
Bei der Herleitung der Hierarchie von Multipolmomenten haben wir einige Einschränkungen nicht gemacht: Zum einen haben wir außer beim Streuterm nirgends verwendet, daß es sich um Photonen handelt. Die Gleichungen gelten somit
auch für masselose Neutrinos, wenn man τ = 0 setzt. Neutrinos wechselwirken
nicht, außer in einer sehr frühen, für uns uninteressanten Anfangsphase des Universums.
Des weiteren haben wir nicht benötigt, daß ein Planck-Spektrum vorliegt. Stattdessen haben wir die Helligkeitstemperatur eingeführt, die allgemein für jedes
Spektrum verwendbar ist, mit der Energiedichte zusammenhängt und für ein
Planck-Spektrum mit der Schwarzkörpertemperatur übereinstimmt.
74
Kapitel 5. Boltzmann-Gleichung für Photonen
Außerdem haben wir auch nicht davon gesprochen, daß die Boltzmann-Hierarchie
nur innerhalb des Photon-Baryon-Fluids gilt. Diese Gleichungen beschreiben die
Photonen auch noch nach der Rekombination, also in der Phase der freien Ausbreitung bis zu uns. Die Gleichungen bewirken dann, daß Leistung vom Monopol und Dipol in höhere Multipole transportiert wird, bis wir ein komplettes
Cl − Spektrum von Multipolen haben. Anschaulich kann man sich vorstellen,
in einer ebenen Welle einer Temperaturfluktuationsmode zu sitzen. Zeichnen wir
um unseren Ort einen ganz kleinen Kreis (klein gegenüber der Wellenlänge der
Mode), so beschreiben wir alle Orte, von denen aus Photonen ganz kurz nach
der Rekombination zu uns kommen können. Die Temperatur entlang des kleinen
Kreises variiert praktisch nicht, so daß wir nur einen Monopol der Temperatur
sehen. Je später der Zeitpunkt, desto größer wird der Kreis. Wenn er etwa die
Größe einer Viertel Wellenlänge hat, sehen wir einen Dipol. Je größer der Kreis
wird, desto höhere Multipole werden für uns sichtbar.
Kapitel 6
Akustische Oszillationen
Dieses Kapitel ergänzt das vorhergehende durch eine fluiddynamische Beschreibung der Materie, die auch die Photonen von einer weiteren Seite beleuchtet. Im
zweiten Teil dieses Kapitels werden wir soweit sein, die Gleichung, die die akustischen Oszillationen beschreibt, aufstellen zu können. Ein Abschnitt über die
numerische Lösung der Oszillator-Gleichung beschließt das Kapitel. Eine Übersicht über die Herleitungen dieses Kapitels ist mit Abbildung 6.1 gegeben.
6.1
Der Energie-Impuls-Tensor eines nicht perfekten Fluids
Nach [35] lautet der Energie-Impuls-Tensor eines nicht perfekten Fluids allgemein
T µν = (ρ + p)uµ uν + pg µν + Σµν .
(6.1)
uµ ist die Vierergeschwindigkeit des Fluids im gewählten Koordinatensystem.
Der räumliche Spannungstensor in einem lokal flachen Bezugssystem ist T i j =
pδ i j + Σi j . Σ kann also als anisotroper Anteil des Drucks verstanden werden.
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann man annehmen, daß Σµν spurfrei
und orthogonal zum Fluß des Fluids ist
Σµ µ = 0
(6.2)
Σµ ν u ν = 0 .
(6.3)
Um diese allgemeine Form des Energie-Impuls-Tensors auf unseren Fall anzuwenden, müssen wir zunächst die Vierergeschwindigkeit des Fluids in gestörter
75
76
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
Metrik (6.4)
2
g00 = − aa0 (1 + 2ΨQ)
2
gij = aa0 (1 + 2ΦQ)γij
Christoffelsymbole
(Anhang A.1)
Energie-Impuls-Tensor (6.29)
in gestörter Metrik
Kovariante Erhaltung
Dµ T µ ν = 0
Kontinuitätsgleichung (6.50)
x
δ̇x + (1 + wx )(ikVx + 3Φ̇) + 3 ȧa wx δp
−
δ
x =0
px
Euler-Gleichung (6.75)
V̇x = − ȧa (1 − 3wx )Vx −
ẇx
1+wx Vx
Nullte Ordnung in der
Streuzeit τ̇ −1
Engkopplungs-Bedingungen (6.87ff)
V γ = Vb
δ̇γ = 43 δ̇b
Θl = 0 (l ≥ 2)
−
δpx /δρx
1+wx ikδx
x
− 23 ik ww
(1 − 3 kK2 )Πx − ikΨ
x +1
Multipol-Zerlegung (5.132ff)
Θ̇0 = − k3 Θ1 − Φ̇
1/2
Θ̇1 = k(Θ0 + Ψ − 25 K2 Θ2 ) − τ̇ (Θ1 − iVb )
..
.
Oszillatorgleichung (6.102)
1
Ṙ
Ṙ
Θ̈0 + 1+R
Θ̇0 + 13 1+R
k 2 Θ0 = − 1+R
Φ̇ + 13 k 2 Ψ + Φ̈
Abb. 6.1: Verlaufsdiagramm für die Herleitung der Oszillator-Gleichung
Metrik betrachten.
In diesem Kapitel verwenden wir die Metrik für eine Normalmode Q und von
vorneherein die konforme Zeit als Zeitkoordinate. Die Metrik hat dann folgende
Form:
2
a
(1 + 2ΨQ)
g00 = −
a0
g0i = gi0 = 0
2
a
gij =
(1 + 2ΦQ) γij
(6.4)
a0
γij ist der Raumanteil der ungestörten Robertson-Walker-Metrik (5.3). Q (eigentlich Qk , aber wir lassen die Wellenzahl k als Index fallen, damit keine Verwechslung mit den vektoriellen Normalmoden möglich ist) sind die Eigenfunktionen
des relativistischen räumlichen Laplace-Operators (Beltrami-Operator), also die
Verallgemeinerung ebener Wellen auf gekrümmte Räume wie in Abschnitt 5.3
6.1. Der Energie-Impuls-Tensor eines nicht perfekten Fluids
77
besprochen. Ψ und Φ sind damit die Entwicklungskoeffizienten der Potentiale.
Die Bezeichnungen sind die selben wie für die entsprechenden Funktionen im
Ortsraum.
Die Vierergeschwindigkeit muß die Normierungsbedingung erfüllen
gµν uµ uν = −1
(6.5)
Wir führen die Dreier-Koordinatengeschwindigkeit v i ein
vi =
ui
dxi
=
dx0
u0
⇒ ui = v i u 0
(6.6)
Die Indizes der Dreiergeschwindigkeit werden in erster Ordnung mit der ungestörten 3-Metrik γij gehoben und gesenkt. Das Rechnen in erster Ordnung erlaubt
einige Vernachlässigungen. Die Dreiergeschwindigkeit (Strömungsgeschwindigkeit
des Fluids) ist klein gegen die Lichtgeschwindigkeit v i 1, daher werden Terme
der Ordnung v 2 vernachlässigt. Das schließt nicht aus, daß die Geschwindigkeiten
der Konstituenten des Fluids relativistisch sein können. Des weiteren vernachlässigen wir Produkte zwischen Potentialstörungen und der Geschwindigkeit.
Über die Normierungsbedingung können wir die kontravarianten Komponenten
der Vierergeschwindigkeit in der Metrik (6.4) bestimmen. Zunächst die nullte
Komponente
2
2
g00 u0 + gij u0 v i v j = −1
(6.7)
2
2
2
2
a
a
(1 + 2ΨQ) u0 +
(1 + 2ΦQ) u0 γij v i v j = −1
(6.8)
−
a0
a0
2 a0 2
(6.9)
u0 (1 + 2ΨQ) − (1 + 2ΦQ) v 2 =
a
2 a0 2
u0 1 − v 2 + 2 ΨQ − ΦQv 2 =
(6.10)
a
a 2
ΨQ − ΦQv 2
0
0 2
2
u
1−v
1+2
=
(6.11)
2
1−v
a
Bis hierhin ist die Rechnung exakt, doch nun vernachlässigen wir sukzessive Terme
höherer Ordnung.
a 2 1 ΨQ − ΦQv 2
0
0 2
u
=
1−2
(6.12)
a
1 − v2
1 − v2
a0
1
Ψ − Φv 2
0
1−
Q
(6.13)
u = √
a 1 − v2
1 − v2
a0
u0 =
[1 − ΨQ]
(6.14)
a
78
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
Wir können nun die kontravariante Vierergeschwindigkeit (in erster Ordnung)
angeben
a0 1 − ΨQ
µ
(u ) =
.
(6.15)
vi
a
Die kovarianten Komponenten erhalten wir wie gewohnt durch das Herunterziehen des Index mit der 4-Metrik
2
a0
a
a
µ
0
u0 = g0µ u = g00 u = −
(1 + 2ΨQ) (1 − ΨQ) = − (1 + ΨQ) (6.16)
a0
a
a0
µ
a
a0
2
ui = giµ u = gij u =
(1 + 2ΦQ) γij v j u0
2
a
a0
=
(1 + 2ΦQ) γij v j (1 − ΨQ)
a0
a
a
a
(1 + 2ΦQ − ΨQ) vi ≈ vi .
=
a0
a0
Somit ist
j
a
(uµ ) =
a0
− (1 + ΨQ)
vi
.
(6.17)
(6.18)
(6.19)
(6.20)
Als weitere Vorarbeit, um den Energie-Impuls-Tensor in der gestörten Metrik
anzugeben, betrachten wir die anisotrope Spannung Σµ ν . Da sie oBdA orthogonal
zur Vierergeschwindigkeit des Fluidflusses ist, folgt in Newtonscher Eichung
Σµ ν u ν = 0
(6.21)
Σµ 0 u0 + Σµ i ui = 0
a0
a0
Σµ 0 (1 − ΨQ) + Σµ i v i = 0
a
a
Σµ 0 = 0
(6.22)
(6.23)
(6.24)
Das Produkt von Σµ ν mit Ψ wurde ebenso wie der Term ∼ v i vernachlässigt, da
sie von höherer Ordnung als erster sind.
Wir sind nun in der Lage, den Energie-Impuls-Tensor explizit auszurechnen, wobei wiederum Produkte zwischen Fluktuationen δρ, δp, Σµ ν und der Dreiergeschwindigkeit als Produkte kleiner Größen vernachlässigt werden. Der anisotrope
Druck wird zerlegt nach Σi j = Σx Qi j , die Fluidgeschwindigkeit in vi = Vx Qi .
Der Index x kennzeichnet verschiedene Teilchensorten1 . Wir führen Störungen
1
In [34] sind jeweils Entwicklungskoeffizienten des Dichtekontrastes, der Dreiergeschwindigkeit und der anisotropen Spannung angegeben. Durch Vergleich zeigt sich der Zusammenhang
zwischen dem hier verwendeten anisotropen Druck und dem bei W. Hu
1
Σx = Πx
px
(6.25)
6.2. Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors
79
des Drucks und der Dichte ein
ρ → ρx (t) + δρ(t)Q(xi ) p → px (t) + δp(t)Q(xi ) .
(6.26)
x
und betrachten den gemischten
Den Dichtekontrast definieren wir als δx = δρ
ρx
Energie-Impuls-Tensor, um Vorfaktoren aus der Metrik zu vermeiden.
T µ ν = (ρx + δρx Q + px + δpx Q)uµ uν + (px + δpx Q)δ µ ν + Σµ ν
a0
a
T 0 0 = −(ρx + δρx Q + px + δpx Q) (1 − ΨQ) (1 + ΨQ) + px + δpx
a
a0
= −(ρx + δρx Q) = −(1 + δx Q)ρx
T 0 i = (ρx + δρx Q + px + δpx Q)u0 ui
a0
a
= (ρx + δρx Q + px + δpx Q) (1 − ΨQ) Vx Qi
a
a0
= (ρx + px )Vx Qi
(6.27)
T i 0 = (ρx + δρx Q + px + δpx Q)ui u0
a
a0
= −(ρx + δρx Q + px + δpx Q) Vx Qi (1 + ΨQ)
a
a0
i
= −(ρx + px )Vx Q
(6.33)
T i j = (ρx + δρx Q + px + δpx Q)ui uj + (px + δpx Q)δ i j + Σx Qi j
a0
a
= (ρx + δρx Q + px + δpx Q) Vx Qi Vx Qi + (px + δpx Q)δ i j
a
a0
i
+ Σx Q j
δpx
1
i
i
= px 1 +
Q δ j + Σx Q j
px
px
(6.28)
(6.29)
(6.30)
(6.31)
(6.32)
(6.34)
(6.35)
(6.36)
(6.37)
(6.38)
Dies sind in erster Ordnung die Komponenten des auf unser Problem angewandten Energie-Impuls-Tensors eines allgemeinen Fluids.
6.2
Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors
Der kovariante Erhaltungssatz für den Energie-Impuls-Tensor lautet
Dµ T µ ν = 0 .
(6.39)
Wir verwenden
2 den gemischten Energie-Impuls-Tensor, weil wir uns dadurch Terme wie aa0 (1 − 2ΨQ) und Anwendungen der Produktregel sparen.
Die nullte Komponente (ν = 0) liefert die relativistische Verallgemeinerung der
80
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
Kontinuitätsgleichung der baryonischen Materie, die Raumkomponenten ergeben
die Euler-Gleichung.
Die benötigten Christoffelsymbole der gestörten Metrik sind in Anhang A.1 hergeleitet.
6.2.1
Die Kontinuitätsgleichung
Wir betrachten zunächst die nullte Komponente des Erhaltungssatzes (6.39) und
trennen in Zeit- und Raumanteile
Dµ T µ 0 = ∂µ T µ 0 + Γµµλ T λ 0 − Γλ0µ T µ λ
= ∂0 T
0
= ∂0 T
0
0
0
+ ∂i T
i
+ ∂i T
i
0
+
0
+
(6.40)
Γ00λ T λ 0 + Γiiλ T λ 0 − Γλ00 T 0 λ − Γλ0i T i λ
Γ000 T 0 0 + Γ00i T i 0 + Γii0 T 0 0 + Γiij T j 0
− Γ000 T 0 0 − Γi00 T 0 i − Γ00i T i 0 − Γj0i T i j
= ∂0 T 0 0 + ∂i T i 0 + Γii0 T 0 0 + Γiij T j 0 −
Γj0i T i j
(6.41)
(6.42)
(6.43)
Der Term Γi00 T 0 i kann vernachlässigt werden, da er das Produkt zweier kleiner
Größen ist: Γi00 ∼ Ψ, T 0 i ∼ Vx .
ȧ
= −δ̇x Qρx − ρ̇x − δx ρ̇x Q − (ρx + px )Vx ∂i Q −
+ Φ̇Q δ i i (1 + δx Q) ρx
a
ȧ
δpx i
i
∗ i
j
j
i
− Γij (ρx + px )Vx Q −
+ Φ̇Q δ i px δ j +
δ j Q + Πx Q j
(6.44)
a
px
|
{z
}
=0
ȧ
= −δ̇x Qρx − ρ̇x − δx ρ̇x Q − ik(ρx + px )Vx Q − 3
+ Φ̇Q (1 + δx Q) ρx
a
ȧ
δpx
j
−
+ Φ̇Q px 3 + 3
Q + Πx Q j
(6.45)
a
px
ȧ
ȧ
= −δ̇x Qρx − ρ̇x − δx ρ̇x Q − ik(ρx + px )Vx Q − 3
+ Φ̇Q + δx Q ρx
a
a
ȧ
δpx ȧ
− 3px
+ Φ̇Q +
Q
(6.46)
a
px a
i
der unterklammerte Term verschwindet wegen (5.90). Mit dem Koeffizienten
6.2. Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors
wx :=
px
ρx
81
der Zustandsgleichung folgt weiter
ρ̇x
ρ̇x
ȧ
δ̇x Q +
+ δx Q + ik(1 + wx )Vx Q + 3(wx + 1)
+ Φ̇Q
ρx
ρx
a
δpx
ȧ
+3
δx + wx
Q = 0 . (6.47)
a
px
Die Kontinuitätsgleichung sei in nullter Ordnung erfüllt, die Terme nullter Ordnung verschwinden also aus obiger Gleichung
ρ̇x
ȧ
= −3(wx + 1) .
ρx
a
Dann bleiben nur noch die Terme erster Ordnung übrig
ρ̇x
ȧ
δpx
δ̇x + δx + (1 + wx )(ikVx + 3Φ̇) + 3
δx + wx
=0
ρx
a
px
ȧ
δpx
δ̇x + (1 + wx )(ikVx + 3Φ̇) + 3 wx
− δx = 0 .
a
px
(6.48)
(6.49)
(6.50)
Bei der Interpretation dieser Gleichung müssen wir im Hinterkopf behalten, daß
sie im Fourier-Raum gilt. Die Größen Dichtekontrast δx , Fluidgeschwindigkeit Vx ,
x
Potentialfluktuation Φ und Druckkontrast δp
sind jeweils Fourierkomponenten.
px
Dem Term ikVx im entspricht im reellen Raum die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes. Der letzte Term ist ein Entropieterm und verschwindet für ein reines Fluid (alle Komponenten haben die selbe Zustandsgleichung), denn dann ist
δpx
= δx , weil sich wx kürzt.
px
Für Materie (wx = 0) erhält man die Gleichung
δ̇m + ikVm + 3Φ̇ = 0 .
(6.51)
Die ersten beiden Terme sind die gewohnten, der dritte Term stellt eine relativistische Korrektur dar, die auf die Expansion des Raumes zurückgeht. Der Faktor
3 drückt die Reaktion von Materie auf Raumdehnung aus.
6.2.2
Die Euler-Gleichung
Die Raumkomponenten der Erhaltungsgleichung ergeben die relativistische Verallgemeinerung der Euler-Gleichung in erster Ordnung. Wir zerlegen die Summe
und betrachten die beiden Terme einzeln
Dµ T µ i = D0 T 0 i + Dj T j i .
(6.52)
82
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
D0 T 0 i = ∂0 T 0 i + Γ00µ T µ i − Γλ0i T 0 λ
(6.53)
= ∂0 T 0 i + Γ000 T 0 i + Γ00j T j i − Γ00i T 0 0 − Γj0i T 0 j
ȧ
= ∂0 [(ρx + px )Vx Qi ] + ( + Ψ̇Q)(ρx + px )Vx Qi
a
δpx
1
j
j
+ ikΨQj px (1 +
Q)δ i + Σx Q i
px
px
ȧ
+ ikΨQi (1 + δx Q)ρx − ( + Φ̇Q)δ j i (ρx + px )Vx Qj
a
= (ρ̇x + ṗx )Vx Qi + (ρx + px )V̇x Qi + ikΨ(ρx + px )Qi
ρ̇x + ṗx
Vx + (1 + wx )V̇x + ikΨ(1 + wx ) Qi ρx
=
ρx
ρ̇x ρ̇x
=
+ wx + ẇx Vx + (1 + wx )(V̇x + ikΨ) Qi ρx
ρx ρx
ρ̇x
=
(wx + 1) + ẇx Vx + (1 + wx )(V̇x + ikΨ) Qi ρx
ρx
(6.54)
(6.55)
(6.56)
(6.57)
(6.58)
(6.59)
Die unterstrichenen Terme sind zweiter Ordnung in den Störungen und wurden
vernachlässigt. Außerdem wurde verwendet, daß
ρ̇x
ẇx =
ρx
ṗx
− wx
ρ̇x
⇒
ṗx
ρ̇x
= wx + ẇx .
ρx
ρx
(6.60)
Nun zum zweiten Term
Dj T j i = ∂j T j i + Γjjµ T µ i − Γλji T j λ
= ∂j T j i +
Γjj0 T 0 i
+
Γjjk T k i
(6.61)
− Γ0ji T j 0 − Γkji T j k
= ∗Dj T j i + Γjj0 T 0 i − Γ0ji T j 0 .
(6.62)
(6.63)
Die letzte Zeile gilt nur, d. h. die Kontraktionen der unterstrichenen Christoffelsymbole im gestörten Raum über die Raumkomponenten lassen sich zur ungestörten kovarianten 3er-Ableitung zusammenfassen, weil sich die Störterme in den
unterstrichenen Christoffelsymbolen in dieser Kombination gegenseitig aufheben:
Γjjk T k i = ∗Γjjk T k i + ikΦ(Qk δ j j + Qj δ j k − Qj γjk )px δ j i
= ∗Γjjk T k i + 3ikΦpx Qi
Γkji T j k = ∗Γkji T j k + ikΦ(Qi δ k j + Qj δ k i − Qk γji )px δ j k
= ∗Γkji T j k + 3ikΦpx Qi
(6.64)
(6.65)
(6.66)
(6.67)
6.2. Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors
83
Wir setzen die Berechnung des zweiten Termes fort
ȧ
Dj T j i = ∗Dj T j i + 4 (ρx + px )Vx Qi
a
ȧ
= δpx ∗Di Q + Σx ∗Dj Qj i + 4 (ρx + px )Vx Qi
a
2i
ȧ
2
= ikδpx Qi +
Σx (k − 3K)Qi + 4 (ρx + px )Vx Qi
3k
a
2
K
ȧ
δpx
= ik
δx + ikwx Πx 1 − 3 2 + 4 (1 + wx )Vx Qi ρx .
δρx
3
k
a
(6.68)
(6.69)
(6.70)
(6.71)
Wir können nun die beiden Terme zur Euler-Gleichung zusammensetzen
D0 T 0 i + Dj T j i = 0
(6.72)
ρ̇x
(wx + 1) + ẇx Vx + (1 + wx )(V̇x + ikΨ) Qi ρx
ρx
2
K
ȧ
δpx
= − ik
δx + ikwx Πx (1 − 3 2 ) + 4 (1 + wx )Vx Qi ρx (6.73)
δρx
3
k
a
ρ̇x
ȧ
ẇx
δpx /δρx
V̇x = −
+4
Vx −
Vx − ik
δx
ρx
a
1 + wx
wx + 1
2
wx
K
Πx (1 − 3 2 ) − ikΨ
− ik
3 wx + 1
k
ȧ
ẇx
δpx /δρx
= − (1 − 3wx )Vx −
Vx −
ikδx
a
1 + wx
1 + wx
2
wx
K
− ik
(1 − 3 2 )Πx − ikΨ .
3 wx + 1
k
(6.74)
(6.75)
Im letzten Schritt wurde die Kontinuitätsgleichung nullter Ordnung (6.48) verwendet. Gleichung (6.75) ist die gesuchte Euler-Gleichung.2
Der erste Term auf der rechten Seite stellt die Dämpfung der Geschwindigkeit
aufgrund der Expansion des Universums dar. Der zweite Term ist ein Entropieterm, der auf Änderungen der Zustandsgleichung reagiert, die es bei einem reinen
Fluid nicht gibt. Der dritte Term beschreibt den Photonendruck aufgrund eines Gradienten im Dichtekontrast (für Materie ist dieser Term Null). Der vierte
Term repräsentiert die Wirkung des anisotropen Drucks. Der letzte Term lautet
2
Die gegenüber [34] differierenden Vorzeichen entstehen aus der unterschiedlichen Definition
der vektoriellen und tensoriellen Normalmoden bei [34]. Aus diesen Definitionen folgt Vx =
−iVxHu und Πx = −ΠHu
x .
84
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
im Ortsraum −gradΨ und beschreibt die Beschleunigung des Fluids durch Fallen
in eine Potentialfluktuation.
Euler-Gleichung für baryonische Materie
Die bisherige Betrachtung vom Standpunkt der Fluiddynamik aus hat Stöße
zwischen Teilchen verschiedener Spezies nicht berücksichtigt. Relevant sind die
Stöße durch Thomson-Streuung der Elektronen mit den Photonen. Zum Glück
ist es nicht notwendig, den Stoßterm mikroskopisch herzuleiten, da wir bereits
die Boltzmann-Gleichung des Stoßpartners, also der Photonen, kennen, und Impuls(dichte)erhaltung bezüglich der Stöße gilt.
Die folgenden Beziehungen stellen Identifikationen der Größen in der Euler-Gleichung
und der Boltzmann-Gleichung der Photonen her
1
Θ0 := δγ
4
Θ1 := iVγ
5p
Θ2 = −
K2 Π γ .
12
(6.76)
Höhere Multipole können in der Euler-Gleichung nicht vorkommen, da die Allgemeine Relativitätstheorie eine Tensortheorie 2. Stufe ist.
Wir bezeichnen die Änderung der Fluidgeschwindigkeit aufgrund von Stößen mit
δVx . Ausgeschlossen sind damit beispielsweise Änderungen aufgrund der kosmologischen Expansion oder gravitativer Wechselwirkungen.
Impulserhaltung ergibt
(1 + wγ )ργ δVγ + (1 + wb )ρb δVb = 0
⇒ δVb = −
δVγ
4 ργ
δVγ = −
3 ρb
R
mit dem Baryon-Photon-Impulsdichteverhältnis R =
gen (6.48)
Ṙ
R
=
ȧ
a
(6.77)
(6.78)
3 ρb
.
4 ργ
Man beachte, daß we-
ist.
Aus der Boltzmann-Gleichung für das Photonentemperaturdipolmoment (5.134)
folgt
δVγ = −τ (Vγ − Vb ) .
(6.79)
Die Euler-Gleichung für Baryonen (wb = 0) mit Stoßterm δVb lautet
ȧ
V̇b = − Vb − ikΨ + δVb ,
a
(6.80)
6.3. Das Photon-Baryon-Fluid
also
ȧ
1
V̇b = − Vb − ikΨ + τ (Vγ − Vb ) .
a
R
85
(6.81)
Jetzt haben wir die Beschreibungen aller Komponenten beisammen.
6.3
Das Photon-Baryon-Fluid
Die Skalen, die uns interessieren, sind die, die bereits in den kausalen Horizont
eingetreten sind, so daß sie akustische Oszillationen ausführen können. Dort sind
aufgrund der Compton-Streuung Elektronen und Photonen eng gekoppelt, die
Elektronen mit den Protonen wiederum aufgrund der Coulomb-Wechselwirkung.
Die mittlere freie Weglänge eines Photons ist so klein, daß man das System in
sehr guter Näherung als ein einziges Fluid ansehen kann. Auf diese Art gelangt
man zu physikalisch interpretierbaren analytischen Gleichungen. Im Englischen
wird diese Vorgehensweise als tight coupling approximation“ bezeichnet. Ohne
”
diese Näherung bliebe nur eine unanschauliche, numerische Lösung.
Die Näherung besteht darin, daß man Boltzmann- und Euler-Gleichung der Photonen bzw. Elektronen nach Potenzen der mittleren stoßfreien Zeit τ −1 entwickelt.
Die Näherung bricht zusammen, sobald die Rekombination beginnt, da dann die
Zeit zwischen Stößen stark anwächst. Allerdings genügt auch dann eine Entwicklung um eine weitere Ordnung, um Effekte wie die Silk-Dämpfung beschreiben
zu können, was hier jedoch nicht gezeigt werden soll.
Zur besseren Übersicht zunächst eine Zusammenstellung der wichtigsten Gleichungen. Monopol- und Dipolmoment der Photonentemperatur lauten
k
Θ̇0 = − Θ1 − Φ̇
(6.82)
3
2 1/2
Θ̇1 = k(Θ0 + Ψ − K2 Θ2 ) − τ (Θ1 − iVb ) ,
5
(6.83)
sowie Kontinuitäts- und Eulergleichung der Baryonen in erster Ordnung in den
Störungen
δ̇b + ikVb + 3Φ̇ = 0
(6.84)
1
ȧ
(6.85)
V̇b = − Vb − ikΨ + τ (Vγ − Vb ) ,
a
R
und nochmals die Übersetzungsbeziehungen zwischen den mikroskopischen Variablen der Boltzmann-Gleichung und den fluiddynamischen Größen
1
5p
Θ0 = δγ
Θ1 = iVγ
Θ2 = −
K2 Π γ .
(6.86)
4
12
86
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
In nullter Ordnung der Compton-Streuzeit τ −1 ergeben sich daraus die Engkopplungsidentitäten ( tight coupling“)
”
Vγ = Vb
4
δ̇γ = δ̇b
3
Θl = 0 (l ≥ 2) .
(6.87)
(6.88)
(6.89)
(6.87) folgt sowohl aus der Euler-Gleichung (6.85) für Baryonen als auch aus der
Gleichung für das Dipolmoment der Photonentemperatur (6.83) durch Nullsetzen
des Streuterms.
Zur Herleitung von (6.88) eliminiert man Φ̇ aus der Boltzmann-Gleichung für den
Monopol der Photonentemperatur (6.82) und der Kontinuitätsgleichung erster
Ordnung (6.84) für Baryonen
4
δ̇γ = − ikVγ − 4Φ̇
3
δ̇b = −ikVb − 3Φ̇ .
(6.90)
(6.91)
(6.89) sieht man, wenn man die Streuterme in der Boltzmanngleichung der höheren Multipole (5.138) und (5.141) Null setzt.
Diese beiden Gleichungen lassen eine anschauliche Interpretation zu. Die Änderung des Photonenenergiedichtekontrastes δ̇γ erfolgt aufgrund der Divergenz des
Geschwindigkeitsfeldes. Der Faktor 43 übersetzt Anzahldichteerhaltung in Energiedichteerhaltung, weil
√
ργ ∼ T 4 , T ∼ 3 n ⇒ ργ ∼ n4/3 .
(6.92)
Da die Gleichung nicht von diesen Größen selbst, sondern von relativen Fluktuationen dieser Größen handelt, wird der Exponent zum Vorfaktor3 . Φ beschreibt
die Verzerrung der räumlichen Metrik durch Fluktuationen. Der Φ̇-Term führt
zu einer Änderung der Photonenenergiedichte in der Fluktuation analog zur kosmischen Expansion (drei Potenzen durch Änderung des Volumenelements, eine
Potenz durch Rotverschiebung).
Für Baryonen ist die Energiedichte proportional zur Anzahldichte, deshalb steht
in der entsprechenden Kontinuitätsgleichung die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes ohne Vorfaktor, und die Expansion führt zu einer Abnahme der Energiedichte proportional zur dritten Potenz aufgrund der Ausdehnung des Volumenelements.
3
Das läßt sich allgemein an Größen A und B zeigen
A ∼ B n → δA ∼ nB n−1 δB →
δA
δB
=n
.
A
B
(6.93)
6.4. Die Oszillator-Gleichung
87
Die Engkopplungsidentitäten besagen, daß sich die Kombination von Photonen
und Baryonen wie ein einzelnes Fluid verhält, so daß die Geschwindigkeiten der
Komponenten gleich sind. Die Zeitentwicklung der Fluktuationen ist adiabatisch
(nicht zu verwechseln mit adiabatischen oder besser isentropen Anfangsbedingungen), und die Streuprozesse sind isotrop im Ruhesystem des Fluids.
Setzt man die Engkopplungsidentitäten wieder in Euler- bzw. Boltzmann-Gleichung
ein, erhält man die Gleichungen erster Ordnung in der Streuzeit
k
Θ̇0 = − Θ1 − Φ̇
3
Ṙ
1
Θ̇1 = −
Θ1 +
kΘ0 + kΨ .
1+R
1+R
(6.94)
(6.95)
(6.95) entsteht durch Elimination des Streutermes aus der Euler-Gleichung (6.85)
der Baryonen und der Boltzmann-Gleichung des Photonentemperaturdipols (6.83),
wonach man die Engkopplungsidentitäten verwendet.
1
ȧ
V̇γ = k( δγ + Ψ) − R(V̇b + Vb − kΨ)
4
a
k
ȧ
V̇γ + RV̇γ = δγ + kΨ − R Vb + kRΨ
4
a
k
(1 + R)V̇γ = δγ − ṘVb + (1 + R)kΨ
4
1
Ṙ
Θ̇1 =
kΘ0 −
Θ1 + kΨ
1+R
1+R
Zusätzlich wurde verwendet, daß
6.4
Ṙ
R
=
ȧ
a
(6.96)
(6.97)
(6.98)
(6.99)
ist.
Die Oszillator-Gleichung
Nun haben wir alle Komponenten beisammen, die wir benötigen, um eine Gleichung für die Photonentemperatur herzuleiten, die an die eines harmonischen
Oszillators erinnert. Dazu müssen wir nur noch die zwei Gleichungen (6.94) und
(6.95) erster Ordnung in eine Gleichung zweiter Ordnung umformen.
Wir lösen (6.94) nach Θ1 auf und differenzieren nach der Zeit
3
Θ1 = − (Θ̇0 + Φ̇)
k
3
Θ̇1 = − (Θ̈0 + Φ̈) ,
k
(6.100)
(6.101)
88
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
setzen diese Beziehungen in (6.95) ein und erhalten die Oszillatorgleichung
!
1 1
Ṙ
1 2
Ṙ
2
Θ̈0 +
Θ̇0 +
k Θ0 = −
Φ̇ + k Ψ + Φ̈ .
(6.102)
1+R
31+R
1+R
3
Bei der Interpretation dieser Gleichung sollten wir im Hinterkopf behalten, daß
Θ0 und die Potentiale Größen im Fourier-Raum sind.
Wir führen die Schallgeschwindigkeit ein
c2s :=
ṗγ
1 1
=
.
ρ̇γ + ρ̇b
31+R
(6.103)
Der homogene Teil der Oszillatorgleichung läßt sich damit schreiben als
Θ̈0 +
Ṙ
Θ̇0 + k 2 c2s Θ0 = 0 .
1+R
(6.104)
Diese Gleichung ist im Prinzip der eines harmonischen Oszillators sehr ähnlich, allerdings ist der Koeffizient R (und damit auch cs ) zeitabhängig. Unter der Annahme, daß sich die Koeffizienten nur langsam ändern im Vergleich zur Schwingungsperiode des Oszillators, können wir die homogene Lösung finden. Der folgende
Lösungsweg ist als WKB-Näherung bekannt. Wir machen einen Ansatz wie beim
harmonischen Oszillator, nur daß wir für Amplitude und Phase Zeitabhängigkeiten zulassen, um die sich langsam verändernden Koeffizienten berücksichtigen zu
können:
Θ0 (η) = A(η)eiS(η) .
(6.105)
Dann sind die Zeitableitungen
Θ̇0 = ȦeiS + iAeiS Ṡ =
Ȧ
+ iṠ
A
!
Θ0 ,
Θ̈0 = ÄeiS + 2iȦeiS Ṡ − AeiS (Ṡ)2 + iAeiS S̈ =
(6.106)
Ä
Ȧ
+ 2i Ṡ − (Ṡ)2 + iS̈
A
A
!
Θ0 .
(6.107)
Real- und Imaginärteil der homogenen Oszillatorgleichung, die beide unabhängig
voneinander Null werden müssen, lauten dann
Re:
Im:
Ä
Ṙ Ȧ
− (Ṡ)2 +
+ k 2 c2s = 0
A
1+RA
Ȧ
Ṙ
2 Ṡ + S̈ +
Ṡ = 0 .
A
1+R
(6.108)
(6.109)
6.4. Die Oszillator-Gleichung
89
Die WKB-Näherung geht davon aus, daß der Term Ä
gegenüber dem Term k 2 c2s
A
Ṙ Ȧ
vernachlässigbar ist. Darüberhinaus können wir auch den Term 1+R
vernachA
lässigen, da er, wie wir sehen werden, wenn wir die homogene Oszillatorgleichung
Ṙ2
gelöst haben, (1+R)
2 ist, und damit das Quadrat der (betragsmäßig als klein angenommenen) Zeitableitung.
Nach diesen Näherungen bleibt vom Realteil nur noch übrig
Ṡ = kcs ,
was direkt integriert werden kann zu
Z
S=k
(6.110)
η
cs (η 0 )dη 0 .
(6.111)
0
Das Integral der Schallgeschwindigkeit über die Zeit definiert den Schallhorizont
rs (η).
Wir setzen Ṡ = kcs in den Imaginärteil ein und erhalten
2
wobei wir verwendet haben, daß
2 ln
s
A(η) = A(η0 )
Ȧ
ċs
=
,
A
cs
Ṙ
1+R
(6.112)
= −2 ċcss ist. Integration über η ergibt
A(η)
cs (η)
= ln
A(η0 )
cs (η0 )
p
cs (η)
∼ cs (η) ∼ (1 + R)−1/4 .
cs (η0 )
(6.113)
(6.114)
Die genauen Vorfaktoren sind hier nicht wichtig, da die Amplitude erst durch die
Anfangsbedingungen vollständig festgelegt wird.
Wir können jetzt nachträglich, wie angekündigt, die obige Näherung rechtfertigen,
denn wir sehen, daß gilt
Ȧ
Ṙ
∼
.
(6.115)
A
1+R
Die reelle, homogene Lösung der Oszillatorgleichung lautet also
Θ0 (η) = C1 (1 + R)−1/4 sin(krs ) + C2 (1 + R)−1/4 cos(krs ) ,
mit dem Schallhorizont
rs (η) :=
Z
0
(6.116)
η
cs (η 0 )dη 0 .
(6.117)
90
6.5
6.5.1
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
Numerische Lösung der Oszillatorgleichung
Simulation ohne Rückwirkung auf die Potentiale
Mit dem Runge-Kutta-Verfahren 4. Ordnung werden die Gleichungen (6.94) und
(6.95) der ersten Ableitungen nach der konformen Zeit integriert. Da der Skalenfaktor in Diagrammen ein anschaulicheres Konzept als die konforme Zeit ist,
da d
d
werden die Gleichungen zuerst mit dη
= dη
nach dem Skalenfaktor parametrida
siert
−1
dΘ0
k da
dΦ
=−
−
(6.118)
da
3 dη
da
−1
−1
dΘ1
dR/da
1
da
da
=−
Θ1 +
k
Θ0 + k
Ψ.
(6.119)
da
1+R
1+R
dη
dη
Den Faktor
da
dη
bekommen wir aus der Friedmann-Gleichung (3.32).
Die Schrittweite des Runge-Kutta-Algorithmus wird nach einem einfachen Schema dynamisch angepaßt. Wenn ein Integrationsschritt zu einer zu großen Steigerung (∆ >PREC) der zu integrierenden Größe führen würde, wird der Zeitschritt
halbiert (aber nicht unter einen gewissen Grenzwert) und der letzte Schritt wiederholt. Umgekehrt wird bei einer zu kleinen Steigerung (∆ < 0.1·PREC) der Zeitschritt verdoppelt (wiederum natürlich nicht unbeschränkt), der letzte Schritt
aber nicht wiederholt.
Die Anfangsbedingungen legen den Startwerten folgende Einschränkungen auf.
Im adiabatischen Fall
1
Θ0 (0) = − Ψ(0) Θ1 (0) = 0
2
(6.120)
Der freie Parameter Ψ(0) wird willkürlich auf −1 gesetzt. Er bestimmt nur die
Skalierung.
Im krümmungskonstanten Fall
Θ0 (0) = 0 Θ1 (0) = 0
(6.121)
Die Potentialfluktuation Ψ ist nicht dynamische Größe der Simulation, sie wird
vielmehr von außen plausibel vorgegeben. Im adiabatischen Fall ist sie konstant,
im krümmungskonstanten wächst sie linear mit dem Skalenfaktor bis
√
1 + 8 kkeq
aH ≈ aeq 2
(6.122)
k
4 keq
6.5. Numerische Lösung der Oszillatorgleichung
mit
keq =
s
2
91
Ωm
H0
aeq
(6.123)
erreicht ist.
Ergebnisse der Simulation sind in den Abbildungen 6.2 und 6.3 zu sehen, sowie
Abb. 2.3 im Überblicksteil.
0.01
1
k = 0, 1 MPc
|Θ0 +
√Ψ| numerisch
|Vγ / 3| numerisch
Modell von −Ψ
0.001
aH
0.0001
1e-06
1e-05
aeq
0.0001
a
a0
0.001
a∗
Abb. 6.2: Akustische Oszillationen für krümmungskonstante Anfangsbedingungen
Das Potential ist nicht dynamische Variable, sondern wird von außen vorgegeben.
Es steigt linear (siehe Tab. 2.2) bis a = 5aH , wo der Photonendruck beginnt, den
gravitativen Fall in das Potential zu behindern, so daß der Fall die Expansionsdämpfung nicht mehr überkompensieren kann. Das Potential sinkt deshalb wieder.
Man sieht den verstärkenden Effekt des Potentialverfalls auf die Oszillationsamplitude. Der Zeitpunkt 5aH und der Abfall ∼ a1 wurden so gewählt, um den numerischen Simulationen von [34] zu entsprechen. Die kosmologischen Parameter lauten
km
Ωr = 1, 6 · 10−4 Ωm = Ωb = 0, 2 Ωk = 0, 39984 ΩΛ = 0, 4 H0 = 50 s·MPc
6.5.2
Simulation mit Rückwirkung auf die Potentiale
Bisher war es ausreichend, nur die Komponenten des kosmologischen Fluids zu
betrachten, die an den akustischen Oszillationen teilnehmen (die Baryonen und
Photonen). Wenn wir jedoch die Rückwirkung der Entwicklung des Fluids auf die
92
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
1
1
k = 0.08 MPc
|Θ0 + Ψ| mit Baryonensog (numerisch)
0.1
|Θ0 + Ψ| ohne Baryonensog (analytisch)
0.01
aH
0.001
1e-06
1e-05
a
a0
aeq
0.0001
0.001
Abb. 6.3: Akustische Oszillationen für adiabatische Anfangsbedingungen, Vergleich mit analytischer Lösung, Baryonensog
Diese Grafik zeigt akustische Oszillationen mit adiabatischen Anfangsbedingungen.
Die numerische Kurve berücksichtigt den Baryonensog, der die effektive Masse der
Schwingung erhöht und so Kompressionspeaks gegenüber Verdünnungspeaks erhöht.
Das Potential ist konstant auf Ψ = −1 gesetzt, was der Wirklichkeit nicht gerecht
wird, da das Potential nicht aufrecht erhalten werden kann, sobald der Photonendruck
den gravitativen Fall bremst und sogar umkehrt. Bei der analytische Rechnung ist
Ψ = 0, weswegen es keinen Baryonensog gibt. Die kosmologischen Parameter lauten
km
Ωr = 1 · 10−4 Ωm = 0, 3 Ωb = 0, 05 Ωk = 0, 4999 ΩΛ = 0, 2 H0 = 50 s·MPc
Gravitationspotentiale Ψ und Φ mitberücksichtigen wollen, benötigen wir Gleichungen für alle Komponenten des Fluids, also auch für die Neutrinos und die
kollisionslose d. h. nichtbaryonische dunkle Materie, da diese ebenfalls Anteil an
der Gesamtenergiedichte und damit am Gravitationspotential haben.
Die Boltzmann-Hierarchie (5.132)-(5.141) aus Kapitel 5 gilt jeweils ohne Stoßterm
für relativistische Strahlung jeder Art, also auch für Neutrinos, und die dunkle
Materie wird beschrieben von der Kontinuitätsgleichung (6.51) und der EulerGleichung für Baryonen (6.81), bloß ohne Stoßterm.
Eine Schwierigkeit ist, daß im Urknall eine Singularität vorliegt, daher können
viele Größen zu diesem Zeitpunkt nicht definiert werden. Die Simulation benötigt
also Anfangsbedingungen zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Universum bereits
etwas entwickelt hat. Die Bedienung des Programmes soll möglichst einfach gehalten werden und die Eingabe unphysikalischer Anfangsbedingungen unmöglich
6.5. Numerische Lösung der Oszillatorgleichung
0.9
0.9
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.5
0.4
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1
0
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
0
0.9
0.9
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.5
0.4
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1
0
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
0
93
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
Abb. 6.4: Die Oszillationen der ersten vier Peaks für unser Universum
Auf der X-Achse ist der Skalenfaktor a abgetragen, bei a = 0.001 ist die Rekombination. Die schwarze Kurve zeigt jeweils die effektive Temperaturfluktuation
|Θ0 + Ψ|, die
√
blaue die Geschwindigkeit des Photon-Baryon-Fluids |Vγ / 3|. Die Wellenzahlen sind
der Reihenfolge nach (jeweils MPc−1 ) k = 0, 0224 0, 0382 0, 0596 0, 0776. Die kosmologischen Parameter der Simulation sind die unseres Universums nach WMAP [2]:
Ωr = 8, 4 · 10−5 Ωm = 0, 27 Ωb = 0, 044 Ωk = −8, 4 · 10−5 ≈ 0 ΩΛ = 0, 73 H0 =
km
71 s·MPc
.
sein. Deshalb werden analytische Lösungen und Näherungen aus [34] verwendet,
um aus den grundlegenden Parametern Φ(0), S(0), Sbc (0) und Sγν (0) abgeleitete Größen wie das Potential Φ oder den Dichtekontrast zum Startzeitpunkt der
Simulation zu erhalten. Die analytischen Lösungen und Näherungen gelten in
den strahlungs- und materiedominierten Epochen vor Einsetzen der akustischen
Oszillationen. Die folgenden Gleichungen sind angegeben für den auf StrahlungsMaterie-Gleichheit normierten Skalenfaktor, so daß aeq := 1 und a0 = ΩΩmr ist.
Der Dichtekontrast in Gesamtmaterie-Eichung für kleine Skalenfaktoren a lautet
∆T = Φ(0) · UA + S(0) · UI
(6.124)
2 3K
2
8
16 16 √
1
6 k
1− 2
a3 + a2 − a −
+
a+1
UA =
5 keq
k
9
9
9
9
a(a + 1)
(6.125)
√
2 2
4
k
3K 3a + 22a + 24 + 4(4 + 3a) 1 + a 3
√
UI =
1− 2
a . (6.126)
15 keq
k
(1 + a)(4 + 3a)(1 + 1 + a)4
94
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
0.9
0.9
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.5
0.4
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1
0
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
0
0.9
0.9
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.5
0.4
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1
0
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
0
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
0
0.0002
0.0004
0.0006
0.0008
0.001
Abb. 6.5: Die Oszillationen der ersten vier Peaks für ein geschlossenes Universum
Die Diagramme und ihre Beschriftung entsprechen denen von Abbildung 6.4. Man sieht,
daß aufgrund des kleineren Baryonenparameters Ωb die Amplitudendifferenz zwischen
Kompressions- und Verdünnungspeaks kleiner ist als in Abbildung 6.4. Die Wellenzahlen sind der Reihenfolge nach (jeweils MPc−1 ) k = 0, 0358 0, 0661 0, 1014 0, 1337.
Die kosmologischen Parameter der Simulation sind Ωr = 8, 4 · 10−5 Ωm = 1, 6 Ωb =
km
0, 02 Ωk = −1.000084 ≈ −1 ΩΛ = 0, 4 H0 = 71 s·MPc
.
keq ist die Skala, die den Horizont zum Zeitpunkt der Strahlungs-Materie-Gleichheit
gerade unterschreitet
r
2
Ωm H 0 ,
(6.127)
keq =
Ωr
was aus dem Ausdruck für die Wellenzahlq
der Mode, die gerade in den Horizont
Ωr
Ω
ȧ
m
eintritt, folgt kH := a = Ωm aH ≈ H0 √aΩr a1 + 1.
K ist die heutige Krümmung
K = −H02 Ωk .
(6.128)
Für die Anfangsgeschwindigkeit VT = Vx , die für alle Komponenten des Fluids
gleich ist, benötigt man die Ableitung des Dichtekontrastes nach dem Skalenfaktor
d∆T
dUA
dUI
= Φ(0) ·
+ S(0) ·
da
da
da
(6.129)
6.5. Numerische Lösung der Oszillatorgleichung
6
dUA
=
da
5
√
95
2 k
3K
1− 2
(6.130)
keq
k
√
√
√
1 + a(18a3 + 9a4 ) + 16( 1 + a − 1) + 8a(4 1 + a − 5) + 2a2 (5 1 + a − 12)
√
5
9a2 1 + a
(6.131)
2 dUI
4
k
3K
=
1− 2
da
15 keq
k
√
√
√
5
2
a + 30a 1 + a + 5a4 (3 + 1 + a) + a3 (44 + 30 1 + a)
.
√
√
5
1 + a (1 + 1 + a)5
(6.132)
(6.133)
Die Anfangsgeschwindigkeit ist
3 ȧ
1
1+a
VT = −
2
k a 1 − 3K/k 4 + 3a
d∆T
1
a
−
∆T
da
1+a
Mit der Entropiefluktuation zwischen den Komponenten x und y
nx
∆x
∆y
Sxy = δ
=
−
ny
1 + wx 1 + wy
.
(6.134)
(6.135)
und der Additivität der absoluten Dichtefluktuationen
ρx+y ∆x+y = ρx ∆x + ρy ∆y
(6.136)
lauten die einzelnen Dichtekontraste in Gesamtmaterie-Eichung
∆T ρT − S(0)ρm
ρr + 34 ρm
3
= S(0) + ∆r
4
ρb
= ∆m − Sbc (0)
ρm
4
ργ
= ∆r − Sγν (0)
3
ρr
4
= Sγν (0) + ∆ν
3
:= ∆γ .
∆r =
(6.137)
∆m
(6.138)
∆c
∆ν
∆γ
∆b
(6.139)
(6.140)
(6.141)
(6.142)
Da die Entwicklung von Überhorizontmoden adiabatisch erfolgt, die Entropie also
konstant bleibt, kann man in diesen Gleichungen die gegebenen Entropien zum
Zeitpunkt Null verwenden, anstatt der Entropien zum Startzeitpunkt, der von den
96
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
Dichten gegeben wird. Allerdings muß man darauf achten, daß man den Startzeitpunkt der Simulation früh ansetzt, da sonst Moden mit hoher Wellenzahl schon
den Horizont unterschritten haben, wo die Entwicklung unter Umständen (bei
krümmungskonstanten Anfangsbedingungen) nicht mehr adiabatisch verläuft.
Die Energiedichten ρm , ρr , ρb und ργ sind durch (3.29) gegeben.
Die Umrechnung der Kontraste von Gesamtmaterie-Eichung (die wir für die Berechnung der Anfangsbedingungen verwenden) in Newtonsche Eichung (in der
die Simulation abläuft) ist gegeben durch
∆x := δxT = δxN + 3(1 + wx )
ȧ vTN
.
a a
(6.143)
Die Geschwindigkeiten haben in beiden Eichungen die selben Werte.
Die zu lösenden Differentialgleichungen lauten
d∆T
da
dΘ0
da
dΘ1
da
dN0
da
dN1
da
dδb
da
dVb
da
dδc
da
dVc
da
wT
K
VT
= 3 ∆T − 1 − 3 2 (1 + wT )k
a
k
ȧ
k
dΦ
= − Θ1 −
3ȧ
da
dR
1
k
= − da Θ1 +
kΘ0 + Ψ
1+R
(1 + R)ȧ
ȧ
k
dΦ
= − N1 −
3ȧ
da
k
= (N0 + Ψ)
ȧ
dΘ0
=3
da
dΘ1
=
da
k
dΦ
= − Vc − 3
ȧ
da
Vc k
=− + Ψ.
a
ȧ
(6.144)
(6.145)
(6.146)
(6.147)
(6.148)
(6.149)
(6.150)
(6.151)
(6.152)
ν
der Zustandsparameter der Gesamtmaterie,
Dabei ist wT = ρpTT = ργ +ρpγν+p
+ρb +ρc
die Geschwindigkeit der Gesamtmaterie errechnet
sich aus den GeschwindigkeiP
1
ten der einzelnen Spezies wie VT = ρT +p
(1
+
w
x )ρx Vx . Das Baryon-Photonx
T
Impulsdichteverhältnis R ist wie in (6.78) zu berechnen.
6.5. Numerische Lösung der Oszillatorgleichung
97
Die Poisson-Gleichung
2
a
(k − 3K)Φ = 4πG
ρT ∆T
a0
2
a
2
k (Ψ + Φ) = −8πG
p T ΠT
a0
2
(6.153)
(6.154)
wird umnormiert auf aeq := 1 und der anisotrope Druck ΠT vernachlässigt, so
daß die Gravitationspotentiale lauten
2
3 keq
1
1+a
Ψ=−
∆T
(6.155)
2
4 k
1 − 3K/k a2
Φ = −Ψ .
(6.156)
Damit kann man auch die Ableitung
dΦ
3
=
da
4
keq
k
2
K
1
(1 − 3 2 )−1 2
k
a
dΦ
da
angeben
1+a
d∆T
∆T − 2
∆T + (1 + a)
a
da
.
(6.157)
Die Integrationsmethode ist der selbe Runge-Kutta-Algorithmus wie im vorigen
Abschnitt.
Die Graphen der Abbildung 6.6 zeigen Simulationen des Potentials auf die vorgestellte Weise.
98
Kapitel 6. Akustische Oszillationen
k = 0, 08 MPc−1 , adi
1.5
1
k = 0, 08 MPc−1 , adi
Θ0 +√Ψ
Vγ / 3
Ψ
1
0.5
0.1
0
0.01
−0.5
|Θ0 +√Ψ|
|Vγ / 3|
|Ψ|
0.001
1e−06
−1
1e−05
0.0001
0.001
−1.5
0
0.0002 0.0004 0.0006 0.0008 0.001
a/a0
a/a0
k = 0, 1 MPc−1 , kk
0.01
0.02
|Θ0 +√Ψ|
|Vγ / 3|
|Ψ|
k = 0, 1 MPc−1 , kk
Θ0 +√Ψ
Vγ / 3
Ψ
0.015
0.01
0.005
0
0.001
−0.005
−0.01
0.0001
1e−06
1e−05
0.0001
a/a0
0.001
−0.015
0
0.0002 0.0004 0.0006 0.0008 0.001
a/a0
Abb. 6.6: Einfluß des Potentialzerfalls auf die Oszillationen
Links Beträge in doppelt logarithmischer Auftragung, rechts linear. Oben adiabatische
Anfangsbedingungen, unten krümmungskonstante.
Oben: Anders als in Abb. 6.3 kann jetzt auch die Rückwirkung der Oszillationen auf
das Potential berücksichtigt werden. Man sieht, wie das Potential anfänglich konstant
bleibt, um bei Einsetzen der Oszillationen zu zerfallen und damit die Oszillationen zu
verstärken. Man beachte die gegenüber Abb. 6.3 erhöhte Oszillationsamplitude.
Unten: Im Gegensatz zu Abb. 6.2 war bei dieser Simulation das Gravitationspotential Ψ
Teil der Simulation. Man sieht, wie bei krümmungskonstanten Anfangsbedingungen die
Potentialfluktuation erzeugt werden und anwachsen, bis der Photonendruck relevant
wird und die Potentialfluktuation wieder abfällt. Der Potentialzerfall führt zu einer
Anhebung der Schwingungsamplitude. Der anisotrope Druck ist hier vernachlässigt.
Die Parameter lauten für die oberen Bilder Ωr = 10−4 ; Ων = 6, 476 · 10−5 ; Ωm = 0, 3;
km
Ωb = 0, 05; Ωk = 0, 4999; ΩΛ = 0, 2; H0 = 50 s·MPc
; Φ(0) = 1; S(0) = 0; Sbc (0) = 0;
Sγν (0) = 0
und für die unteren Ωr = 1, 6 · 10−4 ; Ων = 6, 476 · 10−5 ; Ωm = Ωb = 0, 2; Ωk = 0, 39984;
km
ΩΛ = 0, 4; H0 = 50 s·MPc
; Φ(0) = 0; S(0) = 0, 7; Sbc (0) = 0, 7; Sγν (0) = 0
Kapitel 7
Zusammenfassung
In dieser Arbeit haben wir einen Aspekt eines heute sehr wichtigen Gebietes
der Kosmologie beleuchtet. Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung erlaubt zum ersten Mal in der Geschichte die präzise Bestimmung des Weltmodells,
das unser Universum beschreibt. Das Schlüsselelement dabei sind die akustischen
Oszillationen, deren mathematische Beschreibung wir anhand von [34] aus grundlegenden Prinzipien der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Fluiddynamik
hergeleitet haben.
Das Resultat waren Gleichungen, die weit mehr als die akustischen Oszillationen
oder das Photon-Baryon-Fluid beschreiben. Es sind gewissermaßen Grundgleichungen einer Kosmologie erster Ordnung, die, im Gegensatz zur Standardkosmologie, kleine Abweichungen von Homogenität und Isotropie des kosmologischen
Prinzips zulassen. Die Zielrichtung dieser Arbeit waren jedoch die akustischen Oszillationen.
Ausgangspunkt war die Robertson-Walker-Metrik mit kleinen Störungen in Newtonscher Eichung, die Geodätengleichung der Allgemeinen Relativitätstheorie und
die Form des Energie-Impuls-Tensors eines allgemeinen Fluids.
Den Strahlungsanteil der kosmischen Materie haben wir durch die Helligkeitsgleichung beschrieben, die auf eine mikroskopische Betrachtung mittels der BoltzmannGleichung zurückgeht. Nachdem wir Normalmoden auf gekrümmte Räume verallgemeinert haben, gelangten wir zu einer Hierarchie gekoppelter Gleichungen
für die Multipolmomente der Helligkeitstemperatur der Strahlung. Diese Gleichungen beschreiben sowohl Photonen wie auch masselose Neutrinos sowohl vor,
während wie nach der Phase der akustischen Oszillationen.
Die Gleichungen zur Beschreibung der Materie gehen auf einen fluiddynamischen
Ansatz zurück, nämlich die Erhaltung des Energie-Impuls-Tensors für ein allge99
100
Kapitel 7. Zusammenfassung
meines Fluid. Dabei haben wir die Allgemeinheit der resultierenden Kontinuitätsund Euler-Gleichung nicht durch die Annahme eines perfekten Fluids eingeschränkt, obwohl wir letztlich keinen Gebrauch davon gemacht haben.
Durch die Engkopplungs-Näherung, deren Annahme einer kurzen mittleren Streuzeit zwischen Photonen und Elektronen in der Phase der akustischen Oszillationen sehr gut erfüllt ist, sind wir zu einer Beschreibung des Photon-Baryon-Fluids
gelangt, aus der die Oszillator-Gleichung hervorging, die die akustischen Oszillationen und die Einwirkungen der metrischen Fluktuationen darauf beschreibt.
Abschließend haben wir eine genäherte analytische Lösung des homogenen Teils
der Oszillator-Gleichung gewonnen und konnten die Gleichung numerisch vollständig lösen, einschließlich der Rückwirkung der Oszillationen auf die Metrik.
Anhang A
ANHANG
A.1
Die Christoffelsymbole der gestörten Metrik
Die Christoffelsymbole sind allgemein
1 λκ ∂gµκ ∂gνκ ∂gµν
λ
+
−
.
Γµν = g
2
∂xν
∂xµ
∂xκ
Für die Metrik
2
a
g00 = −
(1 + 2ΨQ)
a0
und ihre Inverse
a 2
0
(1 − 2ΨQ)
g 00 = −
a
2
g0i = gi0 = 0
gij =
g 0i = g i0 = 0
g ij =
a 2
a
a0
0
a
(A.1)
(1 + 2ΦQ)γij (A.2)
(1 − 2ΦQ)γ ij (A.3)
ergeben sich die folgenden Christoffelsymbole in erster Ordnung. γij ist hierbei
der Raumanteil der ungestörten 3er-Metrik.
1 ∂g00
Γi00 = − g ij j
2 ∂x
2
a
1 a0 2
ij
(1 − 2ΦQ)γ
2Ψ∂j Q
=
2 a
a0
= (1 − 2ΦQ)γ ij ikΨQj
= ikΨQi
(A.4)
(A.5)
(A.6)
(A.7)
101
102
Anhang A. ANHANG
1 ∂gjk
Γij0 = Γi0j = g ik 0
2
∂x
1 a0 2
a ȧ
a
ik
=
(1 − 2ΦQ)γ · 2
(1 + 2ΦQ) + Φ̇Q γjk
2 a
a0 a0
a0
ȧ
a
a0
= (1 − 2ΦQ)
(1 + 2ΦQ) + Φ̇Q δ i j
a
a0
a0
ȧ
=
+ Φ̇Q δ i j
a
Γijk
(A.8)
(A.9)
(A.10)
(A.11)
1 il ∂gjl ∂gkl ∂gjk
= g
+
−
(A.12)
2
∂xk
∂xj
∂xl
2
2
1 a0 2
a
∂Q
a
∂γjl
il
=
(1 − 2ΦQ)γ
2Φ k γjl +
(1 + 2ΦQ) k
2 a
a0
∂x
a0
∂x
2
2
a
∂Q
a
∂γkl
+
2Φ j γkl +
(1 + 2ΦQ) j
a0
∂x
a0
∂x
2
2
a
∂Q
a
∂γjk
−
2Φ l γjk −
(1 + 2ΦQ) j
(A.13)
a0
∂x
a0
∂x
∂Q
∂Q
∂Q
= (1 − 2ΦQ)γ il Φ
γjl + j γkl − l γjk
k
∂x
∂x
∂x
1
∂γjl ∂γkl ∂γjk
+ γ il
+
−
(A.14)
2
∂xk
∂xj
∂xl
|
{z
}
∗Γi
jk
= ∗Γijk + ikΦ Qk δ i j + Qj δ i k − Qi γjk
1 ∂g00
Γ000 = g 00 0
2
∂x
2 1 a0 2
a
ȧ
=
(1 − 2ΨQ)
2 (1 + 2ΨQ) + 2Ψ̇Q
2 a
a0
a
ȧ
= + Ψ̇Q
a
1 ∂g00
Γ0i0 = Γ00i = g 00 i
2
∂x
2
2
a
1 a0
(1 − 2ΨQ)
2Ψ∂i Q
=
2 a
a0
= ikΨQi
(A.15)
(A.16)
(A.17)
(A.18)
(A.19)
(A.20)
(A.21)
A.1. Die Christoffelsymbole der gestörten Metrik
1 ∂gij
Γ0ij = − g 00 0
2
∂x
1 a0 2
a ȧ
a
=
(1 − 2ΨQ)2
(1 + 2ΦQ) + Φ̇Q γij
2 a
a0 a0
a0
ȧ
= (1 − 2ΨQ + 2ΦQ)γij + Φ̇Qγij
a
ȧ
ȧ
ȧ
=
+ −2 Ψ + 2 Φ + Φ̇ Q γij
a
a
a
103
(A.22)
(A.23)
(A.24)
(A.25)
Nachfolgend berechnen wir die partiellen Ableitungen des Energie-Impuls-Tensors.
∂0 T 0 0 = −δ̇x Qρx − (1 + δx Q)ρ̇x
(A.26)
∂i T i 0 = −(ρx + px )Vx ∂i Qi = −ik(ρx + px )Vx Q
(A.27)
104
Anhang A. ANHANG
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Danksagung
Ich danke allen, die am Zustandekommen dieser Diplomarbeit beteiligt waren,
im besonderen meinem Betreuer und Hauptberichter Prof. Dr. G. Wunner und
meinem Mitberichter Prof. Dr. U. Weiß, sowie den Mitgliedern des Instituts.
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