„SOCS-Proteine: Die molekulare Feuerwehr bei Entzündungen“

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„SOCS-Proteine: Die molekulare Feuerwehr bei
Entzündungen“
Edgar Sawatzky, Meike Egert und Maria Stec
Es ist Winter. Wieder einmal ist die Hochsaison für Erkältungen angebrochen und
infektiöse Viren und Bakterien ringen mit dem Immunsystem um die Vorherrschaft im
menschlichen Körper. Doch dieser Kampf ist häufig schnell vorbei, denn eine Erkältung ist
meistens nur von geringer Dauer und die betreffenden Personen sind nach kurzer Zeit
wieder völlig gesund. Aber wie funktioniert das eigentlich, das Gesundwerden? Dies ist die
Geschichte vom Gesundwerden und wie das Gesundwerden auch krank machen kann.
Das Immunsystem des menschlichen Körpers hat im Laufe der Evolution eine Vielzahl an
Strategien entwickelt, um Erkrankungen erfolgreich zu bekämpfen. Dazu gehören vor
allem Entzündungsreaktionen, welche durch ein komplexes Zusammenspiel von
verschiedenen Immunzellen ausgelöst werden. Das Ziel einer Entzündungsreaktion ist es,
von Viren infizierte Zellen und Bakterien abzutöten oder zu neutralisieren, um eine weitere
Ausbreitung der Infektion zu verhindern. Durch die Reaktion des Immunsystems erfolgt
zwar zunächst eine Bekämpfung der Erreger im infizierten Gewebe, doch wie klingt sie
wieder ab? Als Folge einer dauerhaften Entzündung könnte gesundes Gewebe geschädigt
oder im schlimmsten Fall eine Autoimmunerkrankung hervorgerufen werden. Daher hat
der Körper Regulationsmechanismen entwickelt, die zum Ende einer Entzündung führen,
nachdem die Erreger erfolgreich bekämpft wurden. Einer dieser Mechanismen ist auf die
SOCS-Proteine (engl. Suppressor of Cytokine Signaling) zurückzuführen. Diese
intrazellulären Moleküle der Immunzellen werden bei Entzündungen gebildet, um deren
Verlauf zu steuern. Dabei unterbrechen sie bestimmte Signalwege, die durch Botenstoffe
des Immunsystems (Cytokine) ausgelöst werden, und verhindern so, dass es zu weiteren
Entzündungsprozessen kommt. SOCS-Proteine sind daher mit dafür verantwortlich, dass
eine Entzündung nach einer Krankheit abklingen kann und spielen somit eine wichtige
Rolle im Prozess der Genesung.
Doch diese Regulationsstrategie zum Abklingen von Entzündungen ist ein
zweischneidiges Schwert. Eine Vielzahl von Krankheitserregern vom Grippevirus Influenza
A bis hin zum Immunschwächevirus HIV nutzen die SOCS-Proteine, um sich Zutritt in die
Zellen zu verschaffen. Dringen die Krankheitserreger in den Körper ein, so erzwingen sie
die Bildung der SOCS-Proteine, noch bevor das Immunsystem auf die Infektion reagieren
kann. Dies führt dazu, dass die intrazelluläre Signaltransduktion in den Immunzellen
unterbrochen wird, ehe es zur wichtigen Entzündung kommen kann, so dass das
Immunsystem nur schwach oder gar nicht auf die Infektion reagiert.
Was sind SOCS-Proteine?
Die Funktion der SOCS-Proteine, Unterdrückung von Entzündungsvorgängen, hat im
Bereich der Entwicklung antiinflammatorischer Wirkstoffe großes Interesse hervorgerufen.
Diese Proteine werden durch Cytokine induziert und in Immunzellen exprimiert, in denen
sie dann intrazellulär ihre Wirkung entfalten [1]. Die wichtigsten an inflammatorischen
Prozessen beteiligten Immunzellen sind dabei vorrangig Dendritische Zellen, T- und BLymphozyten, sowie Makrophagen. (Abb.1)
Die SOCS-Familie setzt sich aus acht Mitgliedern zusammen, deren primäre Aufgabe in
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der Immunregulation liegt. Zu ihr zählen die Proteine SOCS-1 bis 7 und CIS (engl.:
Cytokine Inducible SRC homology 2 (SH2)-domain containing protein). Strukturell haben
alle Mitglieder eine zentrale SH2-Domäne, sowie eine SOCS-box mit dem serin- und
aspartatreichen SADADSADASDS Motiv gemein. Daneben besitzen SOCS-1 und SOCS3 zusätzlich eine Kinaseinhibitorregion (KIR). [2]
SOCS-1 und SOCS-3 sind die beiden wichtigsten
Immunregulatoren der SOCS-Familie. Ihre Expression
findet zell- und stimulationsspezifisch statt, wobei sie
durch Interleukine, Interferone, aber auch durch
bakterielle Lipopolysaccharide (LPS) induziert werden
können. Auf Grund ihrer schnellen Expression und ihrer
kurzen Halbwertszeit von 1 bis 2 Stunden sind SOCSProteine sehr effiziente Regulatoren für die Cytokininduzierte Signalweiterleitung innerhalb einer Zelle.
Wie und wo genau wirken die SOCS-Proteine?
Abbildung 1: Kommen Antigen präsentierende
Zellen (APC) mit Mikroben in Kontakt, so
stimulieren sie verschiedene Zelltypen wie CD4+,
CD8+ oder NK-Zellen. Diese wiederum
sekretieren Cytokine, welche an die Rezeptoren
einer Vielzahl von Immunzellen binden. Dies
führt dazu, dass APCs zu einer erhöhten MHCExpression, B-Zellen zur Antikörperbildung und
T-Zellen zur Proliferation angeregt, sowie
Makrophagen aktiviert werden. SOCS-Proteine
können direkt nach der Bindung der Cytokine
diese Effekte auf die einzelnen Zelltypen
unterbinden.
Gelangen Pathogene in den Körper und kommen
bestimmte Immunzellen mit ihnen in Kontakt, so werden,
wie bereits beschrieben, verschiedene Cytokine
sekretiert, die an Rezeptoren weiterer Zellen binden.
Über verschiedene Mechanismen findet schließlich eine
Signalübertragung in das Zellinnere statt, wobei der
JAK/STAT-Signalweg einen der wichtigsten darstellt.
(Abb. 2A)
Die Aktivierung des JAK/STAT-Signalweges wird durch
Bindung des Cytokins an den entsprechenden
Cytokinrezeptor initiiert. Diese Rezeptoren sind
Transmembranrezeptoren, welche zwar keine eigene
Kinaseaktivität besitzen, jedoch auf der intrazellulären
Seite mit einer Klasse von Tyrosinkinasen, den JanusKinasen (JAK), assoziiert sind. Bindet ein Cytokin an seinen Rezeptor, so findet in einem
initialen Schritt eine Dimerisierung zweier Rezeptoren statt. Auf Grund der räumlichen
Nähe kommt es so zur gegenseitigen Transphosphorylierung der rezeptorassoziierten
JAK-Kinasen, die anschließend die Tyrosin-Reste der cytoplasmatischen Domänen der
Rezeptoren phosphorylieren können. An diese phosphorylierten Rezeptordomänen
können STAT-Proteine (engl.: Signal Transducer and Activator of Transcription) über ihre
SH2-Domäne binden und ebenfalls von den JAKs an ihren Tyrosinresten phosphoryliert
werden. Nach ihrer Phosphorylierung dimerisieren die STAT-Proteine und dissoziieren
vom Rezeptor. Die so aktivierten STATs können anschließend in den Zellkern wandern, wo
sie als Transkriptionsfaktoren wirken und die Gentranskription für anti-virale Proteine
aktivieren.
Die unkontrollierte STAT-Aktivierung kann die Ursache für eine Vielzahl von chronischen
Entzündungen und der Entstehung von verschiedenen Tumorarten sein. Um dies zu
vermeiden, muss eine hemmende Regulation dieses Signalweges stattfinden. Zu den
Negativregulatoren gehört unter anderem die Familie der SOCS-Proteine. Sie sind
Feedback-Inhibitoren, die nach der Aktivierung des JAK/STAT-Signalwegs induziert
werden und den JAK/STAT-Signalweg danach unterbinden. (Abb. 2B)
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Es werden dabei vier unterschiedliche Möglichkeiten
zur Hemmung der Signalübertragung mit Hilfe der
SOCS-Proteinen unterschieden: [2]
Abbildung 2: A: Induktion des JAK/STATSignalweges durch Cytokine: Nach der Bindung der
STAT-Proteine an den Transmembranrezeptor und
ihrer Phosphorylierung (1), dimerisieren sie und
dissoziieren ins Cytosol (2). Diese Dimere können
im Zellkern als Transkriptionsfaktoren fungieren (3)
und führen u.a. zur Expression von SOCSProteinen.
B: Unterbrechung des JAK/STAT-Signalweges
durch Bindung der SOCS-Proteine an der SH2Bindedomänen am Rezeptor (1), Bindung an die
JAK-Kinasen (2), sowie SOCS induzierter Abbau
der JAK-Kinasen (3) und des Cytokinrezeptors (4)
durch das Proteasom. [2]
I. Durch Bindung an den bereits phosphorylierten
Rezeptor mit ihrer SH2-Domäne können SOCSProteine die Bindestelle für STAT-Proteine
blockieren, sodass STATs nicht phosphoryliert
werden können.
II. SOCS-Proteine binden direkt mit ihrer
Kinaseinhibitor-Domäne (KIR) an JAK-Kinasen
und inhibieren so deren Kinaseaktivität.
III.SOCS-Proteine können über ihre SOCS-boxDomäne an die JAKs binden und so deren
Abbau durch das Proteasom initiieren.
IV.Auf Grund der Bindung von SOCS-Proteinen
über die SOCS-box an den Cytokinrezeptor wird
dieser durch das Proteasom abgebaut.
Bei einer Infektion durch Viren werden als eine der
wichtigsten
Cytokinfamilien
Interferone
(IFN)
freigesetzt, welche unter anderem den JAK/STATSignalweg induzieren. Sie setzen sich prinzipiell aus
zwei Subfamilien zusammen: Die Typ I Interferone
(IFNα und IFNβ) werden als Frühantwort auf virale Pathogene von infizierten Zellen
gebildet und lösen nach der Bindung an einem Transmembranrezeptor, dem Interferonα/β-Rezeptor, auf einer Zielzelle zwei wichtige Mechanismen aus:
1. Infizierte Zellen präsentieren verstärkt virale Antigene über den MHC-I
Proteinkomplex auf ihrer Oberfläche und können so von zytotoxischen T-Zellen
(CTL) erkannt und abgetötet werden.
2. Bei nicht infizierten Zellen werden Proteine gebildet, welche die virale Replikation
intrazellulär unterdrücken und diese Zellen gegen den Virus quasi immunisieren.
Die Wirkung der Typ II IFN (IFNγ) liegt hauptsächlich in der Stimulierung und Aktivierung
von diversen Immunzellen, wie Makrophagen, B-Lymphozyten, etc..
Die Kehrseite der Medaille
Im Lauf der Evolution haben einige Viren jedoch Mechanismen entwickelt, die gezielt die
Immunantwort des Körpers unterdrücken. Dabei spielt vor allem der durch Interferone
induzierte Signalweg eine wichtige Rolle, da diese Viren die Expression von SOCSProteinen induzieren und somit die Signalkette nach Bindung der Interferone an den
Rezeptor unterbrechen können. [3, 4]
Ein bekanntes Beispiel eines solchen Virus ist der Immunschwächevirus HIV-1. Werden
beispielsweise Monozyten durch HIV-1 infiziert, so führt die Anwesenheit des viralen
Proteins Tat zur Expression von SOCS-2 innerhalb dieser Zellen. Dies hat zur Folge, dass
die durch IFNγ ausgelöste Signalkaskade blockiert wird, da SOCS-2 die
Tyrosinphosphorylierung von STAT-1 inhibiert, sodass die Zelle nicht oder nur schwach auf
die Anwesenheit von IFNγ reagieren kann. Auch bei Makrophagen, einem der wichtigsten
Zelltypen für die HIV-1 Replikation, kann in Anwesenheit von HIV-1 Tat eine verstärkte
SOCS-Expression nachgewiesen werden. Dabei wird vor allem SOCS-3 exprimiert,
welches an den Typ-I IFN-Rezeptorkomplex bindet, sodass keine Signale, die durch Typ-I
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Interferone induziert werden, in den Zellkern weitergeleitet werden. Infolgedessen werden
keine Proteine gebildet, die die virale Replikation unterdrücken, sodass sich der Virus
ungestört in den Makrophagen vermehren kann.
Aussicht
Auch wenn die Funktion der SOCS-Proteine ursprünglich in einer schützenden Wirkung
für einen Organismus liegt, so können sie auch von Viren dazu genutzt werden, um die
Chancen für eine Infektion zu verbessern, wie es am Beispiel von HIV-1 gezeigt wurde.
Trotzdem, oder gerade deswegen, bieten SOCS-Proteine einen interessanten
therapeutischen Ansatzpunkt zur Behandlung von Krankheiten. Auch wenn der
momentane Stand der Technik noch nicht ausgereift ist, so könnte doch in siRNA (engl.
small interfering-RNA) eine Lösung liegen. Diese RNA bindet gezielt an der mRNA der
SOCS-Proteine, sodass diese nicht mehr gebildet werden und so die Immunblockade
durch die SOCS-Proteine gebrochen wird. Doch diese Technik bleibt vorerst zumindest für
therapeutische Zwecke nur eine Vision, könnte jedoch in nicht all zu ferner Zukunft ein
Wundermittel bei der Behandlung des HIV1 Virus darstellen und somit generell ein
entscheidender Schritt bei der Heilung viraler Erkrankungen sein.
Take-Home-Message:
• SOCS-Proteine sind intrazelluläre Moleküle der Immunzellen und werden bei
Entzündungen gebildet, um diese runter zu regulieren.
• Sie sind Feedback-Inhibitoren, die nach der Aktivierung des JAK/STAT-Signalwegs
induziert werden und den JAK/STAT-Signalweg anschließend unterbinden.
• Einige Pathogene haben Strategien entwickelt, um SOCS-Proteine gezielt zu
induzieren und somit eine Immunreaktion zu unterbinden.
• Eine gezielte Hemmung der SOCS-Proteine kann ein Ansatzpunkt für neue
Therapien bei der Bekämpfung viraler Erkrankungen sein.
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Kontakt:
Schlauer Fuchs
Der Artikel wurde im Rahmen des
Studienprojektes
HighChem
des
Fachbereichs Chemie der Technischen
Universität Darmstadt verfasst (s. Woche 2).
Die Autoren, Edgar Sawatzky, Meike Egert
und Maria Stec, sind Studierende des Fachs
Chemie (Master) an der TU Darmstadt
Unsere Schlaue-Fuchs-Frage zu
diesem Beitrag lautete:
Welches sind die wichtigsten an
inflammatorischen
Prozessen
beteiligten Immunzellen?
(E-Mail:[email protected],
[email protected]).
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Katja
Schmitz
(E-Mail: [email protected]).
Literatur:
[1] M. Kubo, T. Hanada, A. Yoshimura, Nature Immunology, 2003, 4, 1169-1176.
[2] D. C. Palmer, N. P. Restifo, Trends in Immunology, 2009, 30, 592-602.
[3] L. N. Akhtar, E. N. Benveniste, Journal of Virology, 2011, 85, 1912-1921.
[4] W. S. Alexander, R. Starr, J. E. Fenner, G. L. Scott, E. Handman, N. S. Sprigg, J. E. Corbin, A. L.
Cornish, R. Darwiche, C. M. Owczarek, T. W. H. Kay, N. A. Nicola, P. J. Hertzog, D. Metcalf, D. J. Hilton,
Cell, 1999, 98, 597-608.
[5] S. M. Cheng, J. C. B. Li, S. S. Lin, D. C. W. Lee, L. Liu, Z. W. Chen, A. S. Y. Lau, Blood, 2009, 113,
5192-5201.
[6] L. N. Akhtar, H. W. Qin, M. T. Muldowney, L. L. Yanagisawa, O. Kutsch, J. E. Clements, E. N.
Benveniste, Journal of Immunology, 2010, 185, 2393-2404.
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