Befund von Schweinerothlaufbazillen im Stuhle eines ikteris chen

Werbung
No. S
DETJTSCIIE MEDICINISCBIE WOCIrENSCHIUFT
II. Aus dem Königlichen Insiltut für experimentelle
Therapie in Frankfurt a. M.
(Direktor : Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Ehrlich.)
Befund von Schweinerothlaufbazillen im
Stuhle eines ikteris chen Kindes.
von Dr. R. Lubowski, Assistenten der bakteriologischen
Abtheilung.
Bis vor kurzem war es nicht bekannt, dass der Bacillus des
Schweinerothlaufs im Stande sei, bei dem Menschen Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Die Erfahrung zeigte, dass das
Fleisch rothlaufkranker Schweine von sehr vielen Menschen ohne
Störung ihrer Gesundheit genossen werden konnte und dass
beim Hantiren mit den Kadavern rothlanfkranker Schweine eine
besondere Vorsicht nicht nöthig sei (1). Trotzdem aber der
Schweinerothlaufbacillus als ein für die Menschen harmloser
Saprophyt angesehen wurde, wurden doch Bestimmungen erlassen,
welche den Verkauf des Fleisches rothlaufkranker Schweine nur
nach Kochen, Pökeln oder Räucliein gestatteten. So wird denn
wohl allerwärts das Fleisch rothlaufkranker Schweine nur unter
diesen Vorsichtsmaassregeln verkauft.
In neuerer Zeit sind nun doch einige Fälle [Hildebrand,
Mayer (3), Casper (4), Hartmann (5)1 bekannt geworden, welche darauf hinweisen, dass der Bacillus des Schweinerothlaufs
denn doch fiir den Menschen nicht so völlig harmlos ist. Es handelt
sich allerdings bei diesen Fällen theils um Laboratoriumsinfektionen,
indem bei Immunisirung Verletzungen der Experimentatoren und
Infektionen mit Schweinerothlaufreinkulturen vorgekommen sind,
zum Theil auch um Infektion beim Schlachten rothlaufkranker
Schweine. In allen Fällen traten leichtere erysipelartige Affektionen auf, welche vom Orte der Infektion ausgingen und gele.gentlich zu Schwellungen der benachbarten Gelenke führten. Der
Verlauf war in allen Fällen ein guter.
Der folgende Fall, dessen Material ich der Freundlichkeit des
behandelnden Arztes, Herrn Sanitätsrath H. Rehn hierseibst, verdanke, dürfte, zumal es sich hier um eine intestinale Erkrankung,
nicht um eine Wundinfektion handelt, vielleicht interessiren.
Ein fünfjähriges Kind erkrankte ohne deutliches Fieber an
einem mit Ikterus und anfänglichem Erbrechen einhergehenden
Darmkatarrh, ohne dass Erscheinungen anderer Art bemerkt
wurden. Der Verlauf war ein durchaus gutartiger, und schon
nach kurzer Zeit war das Kind bis auf einen unterdessen acquirirten Keuchhusten wieder hergestellt. Eine Ursache für die Erkrankung war trotz eingehender Recherchen nicht zu ermitteln.
Während des Bestehens des Ikterus wurde uns eine Stuhlprobe, welche unter allen Kautelen entnommen war, zur Untersuchung eingeschickt. Der Stuhl wurde unmittelbar nach der
Defäkation mit Hilfe eines sterilen Spatels entnommen, der sofort
wieder in seine sterile Umhüllung (weites Reagenzrohr) gesteckt
wurde. Die Probe wurde dem Institut alsbald überbracht.
Die Isolirung der Keime geschah nach dem Kruse'schen
Ausstrichverfahren, aber nicht mit dem Platinpinsel, sondern mit
kleinen, trocken sterilisirten Wattekügelchen, wie es seit längerer
Zeit mit gutem Erfolge bei uns üblich ist. Bei Anwendung von
mehreren Kügelchen erhält man so in den letzten Strichen isolirte
Colonicen.
Das Resultat der Züchtung war von vornherein ein auffallendes, indem neben nur vereinzelten Colonicen gewöhnlicher Darmbewohner eine ausserordentlich grosse Zahl kleiner, durchsichtiger,
streptococcenartiger Colonicen aufging, die in den letzten Verdünnungen allein vorhanden waren.
Die Reinkultur ergab kleine, feine Bazillen ohne deutliche
Eigenbewegung, die sich nach Gram nicht entfärbten, Bouillon
wolkig trübten, dabei H2S bildeten und auf Agar als feiner hauchartiger Belag wuchsen. Im Gelatinestich entwickelten sich längs
des Stiches kleine knollige') Vegetationen; nach einigen Ueberimpfungen trat dann gläserbürstenartiges Wachsthum ein.
Die Thierversuche ergaben eine sehr starke Pathogenität für
Mäuse, welche schon bei subkutaner oder intraperitonealer Einverleibung von 0,001 ccm einer eintägigen Bouillonkultur in 2-3
Tagen starben. Nach Verfütterung infizirter Nahrung trat Tod
binnen fünf Tagen ein.
Aus allen diesen Merkmalen ging somit die Zugehörigkeit unserer Bazillen zur Gruppe des Schweinerothlaufbacillus mit Sicherheit hervor, es könnte höchstens die Frage aufgeworfen werden,
ob unser Bacillus etwa eine neue Spezies dieser Gruppe darstellte. Es wurde dabei allerdings von der Voraussetzung ausgegangen, dass der Bacillus der Mäusesepsis und der Bacillus
des Schweinerothlaufs identisch sind, eine Meinung, deren Giltigkeit wohl immer allgemeiner wird.
Zum Beweise der Identität mit dem Schweinerothlaufbacillus
wurden Schutzvorsuche mit dem spezifischen S chwein erothiaufHeilserum (Susserin, Farbwerke Höchst) angestellt. 0,1, 0,05,
0,01 ccm Susserin wurden je einer weissen Maus subkutan injizirt. 24 Stunden später erhielten sie sämmtlich 0,01 ccm einer
eintägigen Bouillonkultur un seres Bacillus subkutan. Der gleiche
Versuch wurde später mit zweitägiger Kultur und bei intraperitonealer Infektion an grauen Mäusen nach dem Verfahren von
M arx (7) wiederholt.
In beiden Reihen starben die Controllniäuse am dritten Tage
(bei Verwendung der eintägigen Kultur), am zweiten Tage (bei
Verwendung der zweitägigen Kultur), und in beiden Reihen
schützte 0,1 cern Susserin die Mäuse dauernd gegen die Bazillen.
Die kleineren Dosen Serum verzögerten den Eintritt des Todes
um mehrere Tage.
Damit war die Identität unserer Kultur mit dem echten Ba-
cillus des Schweinerothlaufs erwiesen. Der Virulenzgrad unserer
Kultur ist als ein besonders hoher anzusprechen ; das folgt einmal
schon aus dem am zweiten Tage erfolgenden Tode der Versuchsthiere. und ferner aus dem Vergleich unserer Kultur mit dem im
diesseitigen Institut zu den amtlichen Prüfungen verwendeten
Schweinerothlaufstamme. Denn zum Schutze gegen den Institutsstamm war eine etwas geringere Menge Susserin nöthig, als zum
Schutze gegen unseren Stamm.
Nach Ablauf des Ikterus, und zwar etwa zwei Wochen nach
der Entnahme der ersten Probe, wurde eine zweite Stuhiprobe
des Patienten untersucht, in der es mir auf keine Weise gelang,
die Rothlaufbazillen nochmals nachzuweisen.
Die wichtigste Frage nun, in welchem Zusammenhang die
Rothlaufbazillen mit dem Krankheitsbild standen, lässt sich natfir-
lick auf Grund dieses einen einzigen Befundes in keiner Weise
entscheiden; indes spricht ihr starkes Ueberwiegen in den Fäces
über alle anderen Arten, ihr Verschwinden nach Ablauf der Erkrankung und schliesslich die Erwägung, dass auch beim Thier
der Darm als gewöhnliche Eintrittspforte (8) der Rothlaufinfektiön
gilt, für ihre ätiologische Rolle in diesem Falle. Ob dem Befund
eine allgemeinere Bedeutung zukommt, werden erst Untersuchungen zahlreicher Fälle ergeben können. Ich selbst habe
bisher in einem klinisch ähnlichen Falle Rothlaufbazillen im Stuhl
nicht finden können.
Es beweist aber dieser Fall schon, dass die Schweinerothlauf-
bazillen sich gelegentlich - vielleicht allerdings nur unter ganz
besonderen Bedingungen - im Menschendarm ausserordentlich
vermehren können. Und berücksichtigt man die erwähnten Fälle
von Schweinerothlaufwundinfektion, so wird man doch den
Schweinerothlaufbacillus nicht als einen für den Menschen völlig
gleichgiltigen Mikroben ansehen dürfen.
Eine Gelegenheit zur Darminfektion ist aber sicherlich nicht
allzu selten, wenn man die enorme Verbreitung des Rothiaufs der
Schweine berücksichtigt und wenn man in Betracht zieht, dass
nach den Untersuchungen von Petri (6) der Rothlaufbacillus im
Fleisch durch die üblichen Zubereitungs- und Conservirungsverfahren nicht allzu leicht abzutödten ist. Man wird vielleicht in
dieser Beziehung sein Augenmerk auf Wurst und Schinken zu
richten haben.
Litteratur.
1. Ostertag, Zeitschrift für Fleisch- und Milehhygiene Bd. VII,
No. 11. - 2. Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau. - 3. Mayer,
Zeitschrift für Medizinalbeamte 1899, No. 18. - 4. Casper, Deutsche
thierärztliche Wocheuschrift, 7. Jahrgang (1899). No. 50. - 5. Hartmann, Berliner thierärztliche Wochenschrift 1900, No. 13. - 6. Petri,
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt Bd. VII, No. 2. 7. Marx, Deutsche thierärztliche Wochenschrift 1901, No. 6. - 8 Oit,
Deutsche thierarztliche Wochenschrift 1901, No. 5.
') Dies atypische Wachsthuin ist schon mehrfach beocachtet.
cf. Flügg e, Mikroorganismen 3. Auflage, IT, S. 442.
Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.
116
Herunterladen