Editorial: Behandlungsplanung in der Psychotherapie

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Editorial
Behandlungsplanung in der Psychotherapie
E
ine sorgfältige Behandlungsplanung und
therapeutische Zielsetzung sind Kernelement jedweder psychotherapeutischer Intervention – von der kurzfristigen Krisenintervention bis zur analytischen Langzeittherapie. Bei
der Beantragung im Rahmen der Richtlinienpsychotherapie muss die Wahl des jeweiligen Behandlungsverfahrens gesondert begründet und
dargestellt werden, inwieweit sich die Therapieziele mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreichen lassen. Das Therapieziel sollte von Therapeut und Patient gemeinsam formuliert werden
und für den Patienten möglichst klar und affektiv
besetzt sein. Psychodynamische Therapieansätze
folgen dabei neben der von vielen Patienten fokussierten Symptomverbesserung meist einer beziehungszentrierten Grundorientierung. Für die
weitere Behandlungsplanung können Therapieziele, Problemkonstellation und biografische sowie weitere biopsychosoziale Informationen
über den Patienten in der Formulierung eines therapeutischen Fokus zusammengeführt werden.
Bereits diese ersten Schritte der Behandlungsplanung bergen im klinischen Alltag oftmals
Schwierigkeiten. So können Zielvorstellungen
von Patient und Therapeut, zum Beispiel bei somatoformen Störungen, zu Behandlungsbeginn
in relevanter Weise differieren oder der Patient ist
anfänglich aufgrund struktureller Schwierigkeiten gar nicht in der Lage, realistische und konkrete Ziele zu formulieren. Im stationären Kontext
oder im Rahmen der Krisenintervention beginnt
die Behandlung nicht selten schon bevor die Erhebung wichtiger anamnestischer Informationen
abgeschlossen ist.
Wenngleich die Planung des therapeutischen
Prozedere integrativer Bestandteil jeder psychotherapeutischen Schulrichtung ist, werden hier
jedoch am stärksten auch die Unterschiede der
Therapieschulen deutlich.
Autoren dieser Ausgabe
Das vorliegende Heft fokussiert auf die Behandlungsplanung als klinische Herausforderung und
zugleich Kernelement zeitgemäßer Psychotherapie.
Ausgehend von der hohen klinischen und epidemiologischen Bedeutung depressiver Störungsbilder haben Norbert Hartkamp, Boppard,
und Matthias Franz, Düsseldorf, ein Forschungsprojekt konzipiert, das den Effekten stationärer
psychodynamischer Psychotherapie bei depressiven Störungen nachgeht. Neben der Hauptthese einer globalen Wirksamkeit stationärer Psychotherapie auf klinisch-kategorial definierte
depressive Erkrankungen und subsyndromale
Depressivität bei weiblichen Patientinnen soll
die These geprüft werden, ob sich die erreichbaren Effektstärken psychodynamisch-psychotherapeutischer Krankenhausbehandlung in Abhängigkeit vom clusteranalytisch differenzierten,
prototypischen, therapeutischen Setting differenzieren lassen. Die Originalarbeit im vorliegenden Heft stellt den aktuellen Stand sowie erste Ergebnisse der Studie vor.
Claas Lahmann, München, Martin Sack,
München, und Joram Ronel, München, stellen in
ihrer Übersichtsarbeit eine aktuell laufende multizentrische Behandlungsstudie zur psychosomatischen Intervention bei somatoformen Störungen (PISO-Studie) vor. Die Studie untersucht die
Wirksamkeit einer dreiphasigen, manualisierten
psychodynamisch orientierten Kurzzeitpsychotherapie im Vergleich zu verbesserter medizi-
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Editorial
nischer Standardbehandlung bei somatoformen
Störungen und versucht dabei, die speziellen Bedürfnisse von Patienten mit medizinisch nicht
ausreichend erklärbaren Körperbeschwerden zu
berücksichtigen. Der Schwerpunkt des Beitrags
liegt in der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes und der daraus abgeleiteten Konzeptualisierung des störungsorientierten Therapiemanuals. Unter der Rubrik Aktuelle Wissenschaft berichten Mechthild Neises, Hannover, Peter Malewski, Hannover, und Elke Watermann, Hannover, von einer Untersuchung gynäkologischer
Patienten nach einem therapeutischen Erstgespräch. Die 442 eingeschlossenen Patientinnen
wurden ambulant oder konsiliarisch betreut und
wurden gut ein Jahr mittels Fragebögen bezüglich der Gesprächserinnerung, der Zufriedenheit
über die erfolgte psychosomatische Betreuung
sowie Effektivität der Gespräche befragt. Ein Drittel der Patientinnen hatte psychosomatische Erkrankungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt und Kinderwunsch. Ein weiteres
Drittel hatte somatopsychische Störungen im
Rahmen einer Tumorerkrankung und das letzte
Drittel litt unter psychosomatischen Erkrankungen in Verbindung mit der Menstruation, Somatisierungsstörungen oder Sexualstörungen. Die
Auswertung der Daten zeigte, dass besonders Patientinnen, die sich im Kontext von Schwangerschaft, Geburt oder Kinderwunsch vorstellten,
am stärksten von den therapeutischen Gesprächen profitierten.
In Ergänzung der Behandlungsplanung als
Themenschwerpunkt greifen Friedemann Pfäfflin, Ulm, und Katja Kalmykova, Moskau, das
Thema der Supervision auf, die für die Sicherung
psychotherapeutischer Qualität und Umsetzung
behandlungstechnischer Planungen von großer
Bedeutung ist. Die Autoren schildern ihre Erfahrungen mit der Technik der E-Mail-Supervision,
einem Ansatz der sich aus der defizitären psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildungssituation in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion
entwickelt hat.
Den Abschluss des Heftes bildet der Beitrag
von Barbara Groth, Kleve, die in Ihrer Kasuistik
von der tiefenpsychologisch fundierten Behandlung einer in der Kindheit sexuell traumatisierten
Patientin berichtet, die durch die Arbeit mit Pferden erweitert wurde. Die bei früh traumatisierten
Menschen häufig implizit gespeicherten belastenden Erinnerungen werden in der Arbeit und
dem physischen Kontakt mit Pferden häufig reaktiviert. Da diese Reaktivierung jedoch nicht in der
Beziehung zu einem Mensch erfolgt und der
Kontakt zum Pferd im therapeutischen Rahmen
gut steuerbar ist, können die in einem unbelasteten Kontext geweckten Gefühle und Erinnerungen im weiteren Therapieverlauf sukzessive bearbeitet und integriert werden.
Claas Lahmann (München)
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