3D-Zellkulturenmodell für effizientere Tumorforschung

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3D-Zellkulturenmodell für effizientere Tumorforschung
Die Entwicklung von Tumortherapeutika ist ein langwieriger Prozess, da Ergebnisse, die im
Labor in vitro gewonnen werden, oft von dem abweichen, was später im lebenden Organismus
passiert. Deshalb wird jetzt unter der Leitung von Prof. Dr. Margareta Müller von der
Hochschule Furtwangen ein neues Zellkulturmodell entwickelt, das die In-vitro-Bedingungen
denen der Realität anpasst.
Prof. Dr. Margarete Müller (Mitte) und ihr Team konzipieren ein 3D-Zellkulturmodell, das die Tumorforschung
verbessert und Tierversuche verringert. © Hochschule Furtwangen/ Bernd Müller
Entsteht eine bösartige Wucherung im Körper, so besteht dieses Tumorgewebe nicht allein aus
spezialisierten Tumorzellen, sondern unter anderem auch aus einem intakten
Blutgefäßsystem. Dieses ernährt den Tumor sowie das sogenannte Stroma, die
Mikroumgebung des Tumors, welches sich aus gesunden Zellen zusammensetzt. In dieser
tumorfördernden Umgebung kann das entartete Gewebe wachsen und seine Metastasierung
einleiten. Es wird bereits seit einigen Jahren vermutet, dass Krebs besonders dann ideale
Bedingungen vorfindet, wenn das Stroma durch eine Entzündung im Körper aktiviert wird.
Generell sind Entzündungsreaktionen des Körpers ein schneller und limitierter Vorgang. Unter
bestimmten Bedingungen löst sich die Entzündung allerdings nicht rasch auf, sondern bleibt
erhalten und kann mitunter sogar chronisch werden. Forscher sehen deshalb einen kausalen
Zusammenhang zwischen solchen chronischen, klinisch oft kaum wahrnehmbaren
Entzündungen und dem Wachstum von Tumoren durch eine Aktivierung des Stromas.
Bisher konnte jedoch im Zellmodell noch nicht nachgewiesen werden, wie diese Komponenten
genau miteinander in Beziehung stehen, da die Zellkulturen zwar Tumorzellen, nicht aber die
Entzündungszellen mit einschließen. Ein neues Modell soll nun ermöglichen, das
Zusammenspiel verschiedener Zelltypen zu simulieren, indem unterschiedliche Zellarten wie
zum Beispiel Tumorzellen, Entzündungszellen und andere stromale Zellen in ein
dreidimensionales Modell integriert werden. „So können wir aufzeigen, welche Rolle die
Interaktion verschiedener Zellen im Gewebeverband für die Entstehung und Progression von
Tumoren spielt", erklärt Prof. Dr. Margareta Müller von der Fakultät Medical and Life Sciences
der Hochschule Furtwangen. Die Forscherin leitet derzeit ein bundesweites Projekt zu Brustund Lungenkarzinomen, das ein 3D-Tumor-Mikroumgebungs-Modell (3D-TuMiMo) zur
Darstellung des Tumorwachstums in Relation zum Umgebungsgewebe konzipiert.
Neues Verfahren reduziert Abweichungen zwischen Modell und
Organismus
Traditionell werden in der Grundlagenforschung und in Screeningsystemen der
Pharmaindustrie zweidimensionale In-vitro-Zellkulturen verwendet, weil sie gut etabliert,
kontrollierbar und gezielt manipulierbar sind. Allerdings vernachlässigt die 2D-Zellkultur die
Mikroumgebung einer Zelle, sodass die Ergebnisse deutlich von dem abweichen, was der
Versuch am lebenden Organismus (in vivo), zum Beispiel an einer Maus, zeigt. „Die In-vivoVersuche liefern zwar relevante Daten, leiden aber wiederum an der eingeschränkten
Manipulierbarkeit des Systems und den deutlichen Abweichungen in der Physiologie vom
menschlichen und tierischen Organismus", beschreibt Prof. Müller die Situation. Daher
kommen vermehrt 3D-Zellkulturmodelle zum Einsatz, die die Interaktionsanalyse zwischen
verschiedenen humanen Zelltypen und der extrazellulären Matrix erlauben. Allerdings basieren
diese Modelle überwiegend auf biologischen Matrices, deren von Charge zu Charge variierende
Zusammensetzungen die Reproduzierbarkeit der erhaltenen Daten einschränkt. „Zudem
enthalten diese Modelle meist nicht alle in der Tumorumgebung relevanten Zellen, sondern
konzentrieren sich meist auf die Interaktion von zwei, höchstens drei spezifischen Zelltypen",
erläutert die Leiterin der Forschungsgruppe.
Vorteil: Detaillierte Analyse verschiedener Zelltypen
Um dem entgegenzuwirken arbeitet Margareta Müller an einem 3D-Modell, das in einer
extrazellulären Matrix verschiedene Zelltypen der Tumormikroumgebung wie Endothelzellen,
Entzündungszellen und Fibroblasten integriert. Für das Modell kommen nur chemisch
definierte, synthetisch inerte Matrices auf Basis eines Hydrogels zur Anwendung, um die
Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Dazu werden analytische Methoden zur
Quantifizierung von Proteasen, Zytokinen sowie neu synthetisierter Proteine der extrazellulären
Matrix entwickelt. Die Verwendung des chemisch inerten Hydrogels erlaubt es, Störfaktoren zu
eliminieren, um im Versuch deutlichere Ergebnisse zu erzielen. „Diese Kombination von
inertem Hydrogel, 3D-Tumor-Stroma-Krebsmodell und multiplexer, quantitativer
Proteomanalytik der neu gebildeten Proteine stellt einen neuen Ansatz in der Entwicklung der
3D-in-vitro-Tumormodelle dar, der das Zusammenspiel der Zellen im In-vitro-Modell genauer
untersucht", erklärt Prof. Müller.
Vielversprechende Alternative zu Tierversuchen
Bisher liegen noch wenige Daten darüber vor, wie Tumorwachstumsfaktoren wie zum Beispiel
Entzündungen die Bindung bestimmter Zelloberflächenrezeptoren beeinflussen. Um dies zu
analysieren, bedarf es der Etablierung
komplexer Zell-Interaktionsmodelle. „Solche
Modelle werden zur realitätsnahen Testung von
Tumortherapeutika dringend benötigt", so die
Professorin. Das Projekt trägt dazu bei, solche
komplexen Modellsysteme für die TumorStroma-Interaktion in synthetischen Matrices
für die Grundlagenforschung und die
pharmazeutischen Screeningverfahren
zugänglich zu machen.
Erste Untersuchungen belegen, dass die
Induktion einer tumorfördernden
entzündlichen Umgebung sowie die
Aktivierung von tumorfördernden Fibroblasten
auch im 3D-TuMiMo beobachtet werden
können. „Das bedeutet, dass unser neues
Zellkulturmodell mit einem Modell auf der
Basis einer Matrix aus tierischem Kollagen, und
sogar mit In-vivo-Modellen zum Beispiel in der
Maus, vergleichbar ist", erläutert die
Professorin. Dadurch kann die Anzahl der
Tierversuche deutlich minimiert werden. Doch
damit sind Prof. Müller und ihre Arbeitsgruppe
Das 3D-Tumor-Mikroumgebungs-Modell erlaubt es, das noch nicht am Ziel. „Für die Zukunft haben wir
Zusammenspiel der Zellen im Tumorgewebe in vitro
uns vorgenommen, tumorfördernde
genauer zu untersuchen. © Hochschule Furtwangen/
Entzündungen mit Hilfe des gut
Bernd Müller
kontrollierbaren 3D-TuMiMo gezielt in Richtung
einer Antitumor-Entzündung zu manipulieren.
So soll die Invasion der Tumorzellen in das Umgebungsgewebe und eine weitere Aktivierung
der karzinomunterstützenden Mikroumgebung verhindert werden, sodass Tumorwachstum
und –progression gehemmt werden", sagt Prof. Müller abschließend.
Fachbeitrag
29.06.2015
Eva Botzenhart-Eggstein
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. rer. nat. habil. Margareta Müller
Studiengangsleiterin Biomedical Engineering
Hochschule Furtwangen, Fakultät Medical and Life Sciences
Campus Villingen-Schwenningen, Raum C 2.10
Tel.: 07720 307-4231
Fax: 07720 307-4725
E-Mail: muem(at)hs-furtwangen.de
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Zellkulturtechnik: Mit Nervenfasern von Fröschen fing alles an
Tierversuche: Alternativen dringend gesucht
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