Algebra und Diskrete Mathematik 1

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Dietlinde Lau
Algebra und
Diskrete Mathematik 1
Grundbegriffe der Mathematik,
Algebraische Strukturen 1,
Lineare Algebra und Analytische Geometrie,
Numerische Algebra
13
Professor Dr. Dietlinde Lau
Universität Rostock
FB Mathematik
Universitätsplatz 1
18055 Rostock
Deutschland
e-mail: [email protected]
Mathematics Subject Classification (2000): 15-01, 65Fxx
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Vorwort
Soll ich mich im allgemeinen Sinne über Pädago”
gik äußern, so will ich folgende Betrachtung vorausschicken: Man kann das pädagogische Problem mathematisch formulieren, indem man die individuellen Qualitäten des Lehrers und seiner n Schüler als ebensoviele
Unbekannte einführt und verlangt, eine Funktion von
(n + 1) Variablen F (x0 , . . . , xn ) unter gegebenen Nebenbedingungen zu einem Maximum zu machen. Ließe
sich dieses Problem eines Tages entsprechend den bisher realisierten Fortschritten der psychologischen Wissenschaft direkt mathematisch behandeln, so wäre die
(praktische) Pädagogik von da ab eine Wissenschaft, —
solange das aber nicht der Fall ist, muß sie als Kunst
gelten.“
(F. Klein (1849 – 1926) in seinem Vortrag: Über Auf”
gabe und Methode des mathematischen Unterrichts an
Universitäten“)
Das vorliegende Buch ist aus Vorlesungen entstanden, die die Autorin für
Physik-, Mathematik- und insbesondere Informatikstudenten zur Linearen Algebra und analytischen Geometrie bzw. im Rahmen eines Grundkurses Mathematik für die Informatikstudenten an der Universität Rostock gehalten
hat.
Eingedenk der Probleme, die insbesondere viele Studienanfänger mit dem Fach
Mathematik als solches, der Umstellung von der Schulvermittlung des Fachs
Mathematik zum (komprimierten) Vorlesungsstil an den Universitäten haben
und wegen des Heranführens an die Beweistechniken der Mathematik, wird
versucht, die wichtigsten Beweise sehr ausführlich darzustellen und sie durch
Beispiele vor- und nachzubereiten. Wert wird außerdem darauf gelegt, Teile
der Schulmathematik zu wiederholen und zu ergänzen.
Anliegen des Buches ist es auch, diejenigen Teile des Vorlesungsstoffes, die
aus Zeitgründen sehr kurz behandelt werden müssen, zu ergänzen.
VI
Vorwort
Besonders wichtige Teile (meist gewisse Sätze) der einzelnen Kapitel sind
schattiert, und Teile, die beim ersten Lesen übergangen werden können bzw.
zu den zwar wichtigen, aber in Vorlesungen meist nicht angegebenen Teilen
des hier vermittelten Stoffes gehören, sind im Kleindruck angegeben.
Um möglichst eng an der Vorlesungsvermittlung des Stoffes zu sein, sind Definitionen und Sätze unter Verwendung von (platzsparenden) Symbolen —
meist aus der mathematischen Logik — formuliert, die eingangs des ersten
Kapitels erläutert werden. Für besonders oft auftretende Begriffe werden außerdem — wie in der Vorlesung — Abkürzungen1 eingeführt.
Es sei darauf verwiesen, daß einzelne Kapitel auch unabhängig von den anderen Kapiteln lesbar sind, so daß man nicht gezwungen ist, zum Verständnis z.B. von Kapitel 3 die beiden vorherigen zu lesen. Die einzelnen Kapitel
sind numeriert und sind wiederum in einzelne — mit einer neuen Zählung
beginnende — Abschnitte untergliedert. Sätze und Lemmata aus Kapitel x,
Abschnitt y, werden in der Form x.y.i fortlaufend numeriert. Das Ende eines
Beweises wird durch kenntlich gemacht.
Die Abkürzung ÜA steht für Übungsaufgabe. Da sich bekanntlich das Verständnis für Mathematik über das Bearbeiten von Aufgaben vertiefen läßt, sind
nicht nur im nachfolgenden Text eine Reihe von Übungsaufgaben angegeben,
sondern zu jedem der Kapitel 1 – 15 findet man in den Kapiteln 16 – 18 eine
Zusammenstellung von Übungsaufgaben, anhand der die Leser testen können,
ob sie den behandelten Stoff verstanden haben und ob sie ihn auch anwenden
können. Die Anzahl der Aufgaben ist so gewählt, daß genügend Aufgaben
für die zur Vorlesung gehörenden wöchentlichen Übungen und Hausaufgaben
sowie für das Selbstudium vorhanden sind.
Zum Inhalt:
Kapitel 1 beginnt mit einer Zusammenstellung von mathematischen Begriffen
(wie z.B. die Begriffe: Menge, Relation, Korrespondenz, Abbildung, Operation,
Graph, ...) die in späteren Kapiteln, aber auch in vielen hier nicht behandelten
Gebieten der Mathematik zu den Grundbegriffen gehören.
Dem Anfänger wird erfahrungsgemäß die Abstraktheit“ dieser Begriffe etwas
”
zu schaffen machen, jedoch ist es — eine langjährige Erfahrung — nur eine
Frage der Zeit und der Übung, bis man sich daran gewöhnt hat bzw. man es
lernt, den Nutzen dieser Begriffsbildungen zu erkennen. Den Lesern sei gerade
für dieses Kapitel die Bearbeitung der Übungsaufgaben aus 16.1 empfohlen,
um sich möglichst schnell diesen Begriffsapparat über die Anwendungen zu
erschließen.
Kapitel 2 führt kurz in die — für die Entwicklung der Mathematik der letzten
zwei Jahrhunderte sehr wichtige — Denkweise, nämlich der in algebraischen
”
Strukturen“, ein. Behandelt werden einige Grundlagen aus der Theorie der
1
Eine Liste der verwendeten Symbole und Abkürzungen sowie Hinweise, auf welcher Seite sie eingeführt wurden, findet man ab S. 475.
Vorwort
VII
Halbgruppen, Gruppen, Ringe, Körper, Verbände und Booleschen Algebren.
Sie dienen außerdem als erste Vorbereitung auf Methoden und Denkweisen in
der Theoretischen Informatik. Eine Fortsetzung findet dieses Kapitel im Teil
III von Band 2, wo u.a. auch weitere Eigenschaften von Körpern hergeleitet
werden und Anwendungen der Körpertheorie (z.B. in der Codierungstheorie)
gezeigt werden.
Der in den Kapiteln 3 – 11 behandelte Stoff wird allgemein zur sogenannten
Linearen Algebra und analytischen Geometrie gerechnet und ist nach soviel
Abstrakten“ in den ersten beiden Kapiteln eine Art Erholung“. Anwendun”
”
gen dieser Teile der Mathematik sind entweder sofort oder leichter erkennbar.
Da ein erster Schwerpunkt unserer Überlegungen Lösungsmethoden und Lösbarkeitskriterien für beliebige lineare Gleichungssysteme sind, werden im Kapitel 3 zunächst Hilfsmittel dazu — nämlich die Determinanten und Matrizen —
vorgestellt und ihre Eigenschaften ermittelt. Die anschließende Untersuchung
der linearen Gleichungssysteme ist dann sehr einfach und — spart man einmal
den rein numerischen Aspekt (wie Rundungsfehler u.ä.) bei der Behandlung
von Gleichungssystemen aus, mit denen wir uns später befassen werden — für
die nachfolgenden Kapitel ausreichend behandelt. Es sei hier bereits darauf
verwiesen, daß die Matrizen und Determinanten auch Anwendungen haben,
die weit über die hier behandelten hinausgehen.
Mit den im Kapitel 4 eingeführten Vektorraumbegriff wird einer der grundlegenden und Verbindungen schaffender Begriff aus der Algebra, Analysis,
Geometrie und mathematischen Physik behandelt. So lassen sich z.B. die Anschauungsebene bzw. der Anschauungsraum, in denen man Geometrie betreiben kann, mit Hilfe des Vektorraumbegriffs einheitlich beschreiben und zu
sogenannten affinen Punkträumen verallgemeinern, was im Kapitel 5 gezeigt
wird. Wir beginnen in diesem Abschnitt auch mit der Wiederholung geometrischer Grundaufgaben.
Besonders wichtig und interessant sind Vektorräume mit Skalarprodukt, die
im Mittelpunkt des Kapitels 6 stehen.
Auch hier soll die Leistungsfähigkeit der neuen Begriffen zunächst anhand von
Anwendungen in der Geometrie — genauer bei der Behandlung der euklidischen und unitären affinen Punkträume — im Kapitel 7 erläutert werden.
In Vorbereitung auf Kapitel 9 behandeln wir im Kapitel 8 die sogenannten
Eigenwerte, Eigenvektoren und Normalformen von Matrizen. Auch hier behandeln wir Begriffe und Sätze, die nicht nur in der Linearen Algebra eine
Rolle spielen. Es sei hier schon angemerkt, daß für das Verständnis von Kapitel 9 nur die Aussagen über die Eigenwerte, Eigenvektoren und Normalformen
von symmetrische Matrizen aus Kapitel 8 benötigt werden. Die Ergebnisse
über Normalformen für beliebige Matrizen (u.a. die Jordansche Normalform)
werden im Kapitel 10 verwendet.
Im Kapitel 9 geht es u.a. um die Frage, welche geometrischen Objekte durch
Gleichungen, in denen (grob gesagt) die Variablen höchstens im Quadrat vor-
VIII
Vorwort
kommen, beschrieben werden können. Das hierbei entwickelte Verfahren —
die sogenannte Hauptachsentransformation — wird es uns ermöglichen, ausgehend von gewissen Gleichungen, die Bedingungen für die Koordinaten gewisser geometrischer Objekte angeben — durch reines Rechnen — Lage und
Typ dieser Objekte zu erfassen. Eingesetzt werden dabei auch viele in vorherigen Kapitel eingeführten Hilfsmittel (wie z.B. die Matrizen), durch die
unsere durchzuführenden Überlegungen und Rechnungen erst übersichtlich
und durchschaubarer werden.
Mit den Kapiteln 3 – 9 (mit Ausnahme gewisser Aussagen über Normalformen von Matrizen) haben wir einen gewissen Grundstandard, den man auch
in vielen anderen Büchern über Lineare Algebra und analytischer Geometrie
findet, behandelt.
Um den Leser den Einstieg in weiterführende Literatur 2 zu ermöglichen, sind
in den Kapiteln 10 und 11 Begriffe und Sätze zusammengestellt, die in meist
für Mathematiker geschriebenen Büchern viel früher eingeführt werden, um
den hier in den Kapitel 3 – 9 behandelten Stoff allgemeiner zu erarbeiten.
Konkret geht es im Kapitel 10 um Eigenschaften sogenannter lineare Abbildungen zwischen Vektorräumen und im Kapitel 11 um Eigenschaften affiner
Abbildungen zwischen Punkträumen. Da in der Vorlesung meist nicht viel Zeit
ist, den Inhalt von Kapitel 10 und 11 sowie den von gewissen Teilen von Kapitel 8 ausführlich zu behandeln, seien diese Kapitel den Lesern insbesondere
für das Selbstudium empfohlen.
Der Inhalt der Kapitel 12 – 14 wird üblicherweise der Numerischen Mathematik zugeordnet. Unter Numerischer Mathematik bzw. unter Numerik versteht man diejenigen Teile der Mathematik, in denen mathematische Größen
aus gegebenen Zahlen auch zahlenmäßig berechnet werden. Insbesondere
beschäftigt sich die Numerik mit dem Aufstellen von Rechenvorschriften,
nach denen aus Eingangsdaten, die oft mit (bekannten) Fehlern behaftet
sind, die gewünschten Ausgangsdaten mit abschätzbarer Genauigkeit berechnet werden. Die Numerik setzt in der Regel dort ein, wo ein Problem (z.B.
der Algebra oder Analysis) als gelöst angesehen werden kann, weil z.B. die
Existenz einer Lösung nachgewiesen oder ein Lösungsalgorithmus (möglicherweise aus unendlich vielen Schritten bestehend) gefunden wurde. Bei der konkreten Ermittlung der Lösung eines Problems ergeben sich dann aber eine Reihe von Schwierigkeiten, die numerische Verfahren erfordern. Welche Schwierigkeiten dies sind und welche Lösungsansätze es zum Beheben dieser Schwierigkeiten gibt, wird im Kapitel 12 erläutert.
Im Kapitel 13 geht es um Näherungsverfahren zum Lösen von Gleichungen.
Grundlage fast aller angegebenen Verfahren ist dabei der sogenannte Banachsche Fixpunktsatz.
2
Damit ist nicht nur Literatur zur Linearen Algebra und analytischen Geometrie,
sondern auch Literatur zur Funktionalanalysis gemeint.
Vorwort
IX
Kapitel 14 setzt unsere Untersuchungen zu linearen Gleichungssystemen (kurz:
LGS), die jeweils nur genau eine Lösung besitzen, fort. Es wird erläutert,
warum für LGS mit sogenannter schlechter Kondition unsere Lösungsverfahren aus Kapitel 3 beim praktischen Rechnen (auf dem Computer oder per
Hand) i.w. unbrauchbar sind und Näherungsverfahren für das Lösen solcher
LGS entwickelt, die nicht nur für schlecht konditionierte LGS geeignet sind.
Im kurzen Kapitel 15 über Interpolation wird (unter Verwendung von zwei
Ergebnissen aus Kapitel 3) das Interpolationsproblem mit Polynomen gelöst.
Anwenden lassen sich die hierbei erzielten Resultate z.B. bei der numerischen
Integration.
Die in den Kapiteln 13 – 15 vorgestellten Verfahren gehören bereits zur angewandten Mathematik. Mehr über die Anwendungen der in diesem Band zusammengestellten mathematischen Gebiete sowie eine Fortsetzung der Theorie
findet der Leser dann im Band 2, der aus den Teilen
• Lineare Optimierung
• Graphen und Algorithmen
• Algebraische Strukturen und Allgemeine Algebra mit Anwendungen
besteht.
Große Teile der im Band 2 behandelten Gebiete rechnet man zur sogenannten
Diskreten Mathematik. Das Wort diskret“ steht hierbei natürlich nicht
”
für verschwiegen“ oder unauffällig“, sondern charakterisiert Teilbereiche der
”
”
Mathematik, die sich vorrangig mit endlichen Mengen beschäftigen. Dies geschieht zwar in fast jedem Teilbereich der Mathematik, jedoch hat die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung dazu geführt, daß früher (wegen des großen Rechenaufwandes“) nicht praktikable Algorithmen inzwischen
”
ihre Anwendungen und Verbesserungen erfahren haben. Seit einigen Jahren
ist es deshalb üblich, Gebiete der Mathematik, die gewisse Anwendungen in
der Informatik besitzen oder die sich durch den enormen Aufschwung der elektronischen Datenverarbeitung entwickelten, unter dem Oberbegriff Diskrete
”
Mathematik“ zusammenzufassen. Inzwischen ist die Diskrete Mathematik mit
ihren Kernbereichen Kombinatorik, Graphentheorie, Algorithmentheorie, Optimierung und Theorie der diskreten Strukturen eine Grundlagenwissenschaft
für Mathematiker und Informatiker. Anliegen von Band 2 wird es sein – aufbauend auf Band 1 – für ausgewählte Gebiete der Diskreten Mathematik dies
nachzuweisen. Insbesondere soll gezeigt werden, wie effektiv sich der vorher
behandelte mathematische Apparat“ beim Lösen der verschiedensten — ins”
besondere auch praktischen — Aufgaben einsetzen läßt.
Nicht versäumen möchte ich es, mich bei Herrn Dipl.-Math. Hans-Christian
Pahlig zu bedanken, der die erste LATEX–Fassung des vorliegenden Buches aus
einer — von der Verfasserin von einigen Jahren auf den PC 1715 geschriebenen — alten Computervariante entwickelt hat, wobei insbesondere von ihm
sämtliche Zeichnungen neu entworfen und programmiert wurden.
X
Vorwort
Meinen Rostocker Kollegen Herrn Prof. Dr. R. Knörr, Herrn Dr. F. Leitenberger und Frau Dr. K. Mahrhold gilt mein Dank für die kritische Durchsicht
einzelner Kapitel und einiger Änderungs- und Ergänzungsvorschläge.
Bei den Mitarbeitern des Springer-Verlages möchte ich für die sehr angenehme
Zusammenarbeit bedanken.
Rostock, im November 2003
Dietlinde Lau
Inhaltsverzeichnis
Teil I Grundbegriffe der Mathematik und Algebraische Strukturen
1
Mathematische Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1 Logische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Elemente der Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Korrespondenzen, Abbildungen und Verknüpfungen . . . . . . . . . .
1.5 Mächtigkeiten, Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Boolesche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
4
15
21
27
35
45
2
Klassische algebraische Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 Halbgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Ringe und Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Verbände und Boolesche Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
54
60
76
87
Teil II Lineare Algebra und analytische Geometrie
3
Lineare Gleichungssysteme, Determinanten und Matrizen . 101
3.1 Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3.2 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
3.3 Rang von Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
3.4 Lösbarkeitskriterien und Lösungsverfahren für LGS . . . . . . . . . . 137
4
Vektorräume über einem Körper K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
4.1 Die Definition eines Vektorraums über K, Beispiele . . . . . . . . . . 151
4.2 Untervektorräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
4.3 Lineare Abhängigkeit und lineare Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . 158
4.4 Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
XII
Inhaltsverzeichnis
4.5 Lineare Unabhängigkeit und Basen über einem
Untervektorrraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
4.6 Dimensionssätze, Isomorphie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
4.7 Koordinaten, Basistransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
→
→
4.8 Anwendungen der Vektoren aus V2 bzw. V3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
5
Affine Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
5.1 Die Definition eines affinen Raumes, Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . 183
5.2 Koordinaten und Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
5.3 Affine Unterräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
5.4 Schnitt und Verbindung affiner Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
5.5 Parallele affine Unterräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6
Vektorräume mit Skalarprodukt (Unitäre und Euklidische
VR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
→
→
6.1 Das Skalarprodukt in V2 bzw. V3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
6.2 Das Skalarprodukt in Vektorräumen über den Körpern R
oder C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
6.3 Norm (Betrag) von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
6.4 Winkel zwischen Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
6.5 Orthogonalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
6.6 Das Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
7
Euklidische und unitäre affine Punkträume . . . . . . . . . . . . . . . . 235
7.1 Abstandsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
7.2 Winkel- und Volumenmessung in Euklidischen Punkträumen . . 238
7.3 Koordinatentransformationen in kartesischen
Koordinatensystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
8
Eigenwerte, Eigenvektoren und Normalformen von
Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
8.1 Motivation, Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
8.2 Eigenwerte von Matrizen und Nullstellen von Polynomen . . . . . 253
8.3 Verallgemeinerte Eigenräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
8.4 Überführung von symmetrische Matrizen in Diagonalgestalt . . . 273
8.5 Jordansche Normalformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
9
Hyperflächen 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
9.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
9.2 Hauptachsentransformation (Beweis von Satz 9.1.1) . . . . . . . . . . 294
9.3 Klassifikation der Kurven 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
9.4 Klassifikation der Flächen 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Inhaltsverzeichnis
XIII
10 Lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
10.1 Allgemeines über lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
10.2 Adjungierte Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
10.3 Normale Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
10.4 Selbstadjungierte und antiselbstadjungierte Abbildungen . . . . . 338
10.5 Unitäre und orthogonale Abbildungen, Isometrien . . . . . . . . . . . 339
10.6 Normalformen linearer Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
10.7 Gruppen aus linearen Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
11 Affine Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
11.1 Allgemeines über affine Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
11.2 Gruppen gewisser affiner Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
11.3 Einige Invarianten affiner Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Teil III Numerische Algebra
12 Einführung in die Numerische Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . . 355
12.1 Fehlertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
12.2 Fehlerfortpflanzung bei differenzierbaren Funktionen . . . . . . . . . 357
12.3 Maschinenzahlen, Rundungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
12.4 Intervallarithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
13 Gleichungsauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
13.1 Problemstellung, geometrische Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
13.2 Der Banachsche Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
13.3 Das Newton–Verfahren, die Regula falsi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
13.4 Polynomgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
13.4.1 Abschätzungen für Polynomnullstellen . . . . . . . . . . . . . . . 378
13.4.2 Das Horner–Schema und das zweizeilige Horner–Schema 379
13.4.3 Verfahren zur Nullstellenberechnung von pm . . . . . . . . . . 382
14 Lineare Gleichungssysteme mit genau einer Lösung . . . . . . . . 385
14.1 Der Gauß–Algorithmus (mit Pivotisierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
14.2 Vektor- und Matrizennormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
14.3 Die Kondition von LGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
14.4 Elementare Iterationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
14.4.1 Das Jacobi–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
14.4.2 Das Gauß–Seidel–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
14.4.3 Konvergenzbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
14.5 Projektionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
14.5.1 Grundidee der Projektionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
14.5.2 Projektion auf Hyperebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
14.5.3 Gradientenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
XIV
Inhaltsverzeichnis
15 Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
15.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
15.2 Interpolation mit Polynomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
Teil IV Übungsaufgaben
16 Übungsaufgaben zum Teil I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
16.1 Aufgaben zum Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
16.2 Aufgaben zum Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
17 Übungsaufgaben zum Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
17.1 Aufgaben zum Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
17.2 Aufgaben zum Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
17.3 Aufgaben zum Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
17.4 Aufgaben zum Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
17.5 Aufgaben zum Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
17.6 Aufgaben zum Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
17.7 Aufgaben zum Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450
17.8 Aufgaben zum Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
17.9 Aufgaben zum Kapitel 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
18 Übungsaufgaben zum Teil III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
18.1 Aufgaben zum Kapitel 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
18.2 Aufgaben zum Kapitel 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
18.3 Aufgaben zum Kapitel 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
18.4 Aufgaben zum Kapitel 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
Teil I
Grundbegriffe der Mathematik und
Algebraische Strukturen
1
Mathematische Grundbegriffe
1.1 Logische Zeichen
In vielen mathematischen Gebieten hat es sich als zweckmäßig erwiesen, bestimmte Formulierungen durch Verwendung logischer Zeichen zu formalisieren. Nachfolgend sind die von uns verwendeten wichtigsten Symbole in einer
Tabelle zusammengefaßt:
Zeichen
Lesart
∧
und
∨
oder
¬
nicht
=⇒
wenn - dann; daraus folgt
⇐⇒
genau dann, wenn
:=
definitionsgleich
:⇐⇒
definitionsgemäß äquivalent
∃
es existiert (mindestens) ein
∃!
es existiert genau ein
∀
für alle
Das Zeichen := benutzen wir, um z.B. die Bezeichnung A durch eine Formel
ϕ zu erklären, wobei dann A := ϕ geschrieben wird. Wird A dagegen durch
einen umgangssprachlichen Satz S, der entweder wahr oder falsch ist, erklärt,
schreiben wir A :⇐⇒ S.
4
1 Mathematische Grundbegriffe
Um Klammern zu sparen, schreiben wir anstelle von ∃x ( E ) (gelesen: Es
”
existiert ein x mit der Eigenschaft E“) kurz ∃x : E. Entsprechendes sei für
Formeln, die das Zeichen ∀ enthalten, vereinbart. Außerdem steht ∀x ∃y : ...
für ∀x (∃y (...)), usw.
Erste Anwendungen obiger Zeichen folgen im nächsten Abschnitt, so daß wir
hier auf Beispiele verzichten können. Die mathematische Theorie zu diesen
Zeichen ist Gegenstand der sogenannten Aussagenlogik und Prädikatenlogik,
von denen wir Teile im Abschnitt 1.6 behandeln werden.
1.2 Elemente der Mengenlehre
Wir beginnen mit der Einführung des Mengenbegriffs nach dessen Begründer
Georg Cantor1 :
Definition“ Eine Menge ist jede Zusammenfassung von bestimmten,
”
wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens –
welche die Elemente dieser Menge genannt werden – zu einem Ganzen.
Das Wort Definition steht hier in Anführungszeichen, da der zu erklärende
Begriff Menge mittels weiterer, undefinierter Begriffe (z.B. Objekt) erläutert
wird. Unter einer echten Definition versteht man dagegen die Erklärung eines neuen Begriffs aus bereits definierten Begriffen. Wir werden weiter unten
sehen, daß die obige Definition sehr schnell zu Unklarheiten und sogar zu logischen Widersprüchen (!) führt. Man hat deshalb versucht (bzw. man versucht
immer noch), den Mengenbegriff exakter zu fassen. Das ist jedoch letztlich
unmöglich, denn irgendwelche Begriffe muß man undefiniert lassen, um die
erste Definition einer Theorie angeben zu können. Es ist jedoch gelungen2 ,
den Mengenbegriff so einzuführen, daß zumindest bis heute keine logischen
Widersprüche herleitbar waren. Dieser exakte Weg der Begründung der Mengenlehre kann hier jedoch aus Platzgründen nicht angegeben werden. Wir
bleiben also bei der obigen naiven Definition“, müssen jedoch beim Umgang
”
damit vorsichtig sein. Warum das so ist, wird nach der Angabe einiger Vereinbarungen und Bezeichnungen an zwei Beispielen erläutert.
Zunächst einige Vereinbarungen:
1
2
Georg Cantor (1845–1918). Er schrieb von 1875 bis 1884 grundlegende Arbeiten
zur Mengenlehre und legte damit das Fundament für das moderne Verständnis
vom Wesen der Mathematik.
Wer mehr über Cantor und die später noch erwähnten Mathematikern wissen
möchte, sei auf [Mes 73] oder [Wuß-A 89] verwiesen. Einen ersten Überblick über
die Geschichte der Mathematik mit vielen Verweisen auf weitere Literatur findet
man in [Wuß 89]. Historische Anmerkungen zu den in diesem Band behandelten
Teilgebieten der Mathematik, die über eine Kurzübersicht hinausgehen, entnehme
man [Alt 2003], [Scr-S 2003] und [Bri 83].
Siehe z.B. [Ass 75].
1.2 Elemente der Mengenlehre
Bezeichnungen für Mengen:
große Buchstaben;
Bezeichnungen für die Elemente der Mengen:
kleine Buchstaben;
5
Kurzschreibweise für x ist Element von M“:
x ∈ M;
”
Kurzschreibweise für x ist nicht Element von M“: x ∈
/ M.
”
Eine Menge M kann man (u.a.) auf drei Arten angeben:
(1.) Durch eine (unmißverständliche) verbale Formulierung.
Beispiel M sei die Menge aller im Jahre 2000 an der Rostocker Universität immatrikulierten Studenten.
(2.) Durch Aufzählen (falls möglich) der Elemente a1 , a2 , . . . der Menge M .
Wir schreiben: M = {a1 , a2 , . . .}.
(3.) Durch eine charakteristische Eigenschaft E für Objekte aus einer Grundgesamtheit G, die genau den Elementen von M zukommen soll.
Wir schreiben: M := {x | x ∈ G erfüllt E} oder
M := {x ∈ G | x erfüllt E}.
Beispiel
G :={1, 2, 3, 4, . . .}
(die Menge der natürlichen Zahlen),
M := {x ∈ G | x ist eine gerade Zahl}.
Nun zwei Beispiele zur Erläuterung der Schwierigkeiten mit dem oben definierten Mengenbegriff.
Erstes Beispiel
Ist
A := . . . . {{{{{{{{ a }}}}}}}}. . . .
unendlich
viele
Klammern
eine Menge?
Diese Frage ist nach obiger Definition einer Menge nicht zu beantworten. Wer
A als Menge akzeptieren will (er muß es nicht!), der hat als nächstes zu klären,
ob A ∈ A gilt.
Zweites Beispiel
Sei M := {x | x Menge ∧ x ∈
/ x}, d.h., M ist die Menge aller Mengen, die
sich nicht selbst enthalten. M ist nach obiger Definition“ offensichtlich eine
”
Menge. Jedoch
aus M ∈ M folgt M ∈
/ M und
aus M ∈
/ M folgt M ∈ M .
Zitat aus [Lid-P 82]:
6
1 Mathematische Grundbegriffe
Wie man sich dreht und wendet: es geht nicht — es bleibt uns nur der
”
Strick!“
Das obige zweite Beispiel heißt nach Bertrand Russell (1872 - 1970) Russellsches Paradoxon, obwohl es nicht nur paradox ist, sondern in eine logische
Sackgasse führt.
Halten wir also fest:
Vorsicht bei zu großzügiger Mengenbildung! Man vermeide unendlich viele
Klammern (d.h., man bilde nur in endlich vielen Schritten aus bekannten
Mengen neue Mengen) und definiere nicht so global, wie etwa M sei die
”
Menge aller Mengen“!
Besonders häufig auftretende Mengen erhalten von uns besondere Bezeichnungen und Namen:
N := {1, 2, 3, . . .}
Menge der natürlichen Zahlen
P := {2, 3, 5, 7, 11, . . .}
Menge der Primzahlen
Z := {0, 1, −1, 2, −2, . . .}
Q := {x | ∃a ∈ Z ∃b ∈ N : x =
Menge der ganzen Zahlen
a
b}
Menge der rationalen Zahlen
R := {x | x ist ein (endlicher oder unendlicher) Dezimalbruch} Menge der reellen Zahlen
C := {x | ∃a ∈ R ∃b ∈ R :
x = a + bi ∧ i2 = −1} Menge der komplexen Zahlen
(Ausführlich wird C im Abschnitt 2.3 behandelt.)
N0 := {0, 1, 2, 3, . . .}
X + := {x ∈ X | x > 0} für X ∈ {Z, Q, R}
X0+ := {x ∈ X | x ≥ 0} für X ∈ {Z, Q, R}
[a, b] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}
[a, b) := {x ∈ R | a ≤ x < b}
(a, b] := {x ∈ R | a < x ≤ b}
(a, b) := {x ∈ R | a < x < b}
Auf eine exakte Definition der Zahlenmengen N, Z, Q und R wollen wir an dieser Stelle verzichten und uns mit der naiven Vorstellung begnügen, daß man
sich die reellen Zahlen geometrisch als Punkte auf einer Geraden vorstellen
kann, wobei Q die Gerade noch nicht, jedoch R diese Gerade ausfüllt“.
”
Die üblichen Rechenregeln für die Zahlenmengen N0 , Z, Q, R setzen wir nachfolgend als bekannt voraus. Als spezielle Eigenschaft von N (bzw. N0 ) sei le-
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