„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mitglieder

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Rede auf der Gedenkveranstaltung zum 94. Jahrestag der Ermordung
von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 19. Januar 2013 in Döbeln
„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mitglieder einer Partei
[…] ist keine Freiheit. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Nicht
wegen des Fanatismus der 'Gerechtigkeit', sondern weil all das Belebende, Heilsame
und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung
versagt, wenn die 'Freiheit' zum Privilegium wird“
Liebe Genossinnen und Genossen, Werte Anwesende,
dieses bekannte Zitat stammt von Rosa Luxemburg. Freiheit war für sie eines der
höchsten Güter. Und weil sie sich zeitlebens die Freiheit nahm Dinge auszusprechen,
die für andere unbequem waren, musste sie sterben. Vor 94 Jahren, am 15. Januar
1919, wurden sie und Karl Liebknecht in ihrem Versteck aufgegriffen, zum Verhör
gebracht und dort schwer misshandelt. Danach wurden beide mit einem Auto
weggebracht und erschossen.
Diesen beiden Menschen wollen wir heute hier gedenken. Wir wollen vor allem an
ihr Leben, ihr Wirken und ihre Ideen erinnern.
Beide waren große Denker, die Gleichheit in Freiheit und Solidarität erstrebten –
ohne das eine dem anderem unterzuordnen. Was von ihnen überliefert ist, ist aber
nicht nur irgendein theoretisches Gebäude – es sind ihre politischen Positionen: ihre
kompromisslosen Forderungen nach Demokratie und nach Öffentlichkeit in der
Linken sowie ihr unbestechliches Beharren auf der Freiheit als der grundlegenden
Bedingung für jede emanzipatorische Bewegung.
An Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erinnern ist aber mehr, als nur
geschichtliche Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Es geht auch um das Jetzt und das
Heute. Ihre Ideen – auch wenn sie vielen nicht bekannt sind und manchen sogar als
veraltet gelten mögen – haben von ihrer politischen Klarheit, ihrer historischen
Einzigartigkeit und ihrer sprachlichen Schärfe nichts verloren. Rosa Luxemburg hatte
Recht, als sie in ihrem letzten Aufsatz schrieb: „Ich war, ich bin, ich werde sein!“
Nehmen wir nur ihr „Freiheits-Zitat“. Sie spricht davon, dass es keine wirkliche
Freiheit wäre, wenn es diese Freiheit nur für bestimmte Menschen gäbe. In unserer
heutigen Gesellschaft, so hat es den Anschein, gibt es wirklich nur Freiheit für
bestimmte Gruppen. Da werden Menschen gezwungen ihr Privatleben vollkommen
offen zu legen um Sozialleistungen zu erhalten, die ihnen rechtmäßig eigentlich
zustehen. Oder sie müssen eine Arbeit annehmen, obwohl sie wissen, dass sie davon
nicht ihre Familien ernähren können.
Freiheit nur für die Anhänger einer Regierung, bzw. man kann sogar sagen Freiheit
nur für die Regierung, könnte sogar das neue Motto Sachsens werden. Wahlkreise
werden so zugeschnitten, dass sie der Regierungskoalition genehm sind. Proteste von
Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Studierenden gegen die sächsische
Bildungspolitik werden von der Regierung ignoriert oder mit den Worten „Es wäre ja
alles in bester Ordnung“ als nichtig bzw. sogar als Panikmache erklärt. Friedliche
Demonstrantinnen und Demonstranten, welche sich mit Blockaden gegen
Neonaziaufmärsche stellen und damit ihre Grundrechte wahrnehmen, werden von
den bürgerlichen Parteien und Medien als linke Chaoten hingestellt und von der
sächsischen Justiz mehrere Jahre strafrechtlich verfolgt. Teilweise werden sie dann
auch zu unangemessenen harten Strafen verurteilt, ohne konkrete Beweise für ihre
Schuld, wie ein jüngstes Beispiel zeigt.
Rosa Luxemburg schrieb 1918: „Das öffentliche Leben der Staaten mit beschränkter
Freiheit ist eben deshalb so dürftig, so armselig, so schematisch, so unfruchtbar, weil
es durch die Ausschließung der Demokratie die lebendigen Quellen allen geistigen
Reichtums und Fortschritts absperrt.“ Wir müssen daher dafür sorgen, dass Freiheit
wieder das ist was sie sein sollte. Die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen
verschiedenen Möglichkeiten auswählen und entscheiden zu können.
Ein weiteres Vermächtnis von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ist der Kampf
für eine friedliche und gerechte Welt. Von beidem sind wir heute weit entfernt. Wir
erleben wie Krieg wieder ungehemmt zum Mittel für die Durchsetzung globaler
politischer und wirtschaftlicher Interessen wird. Deutsche Waffen und deutsche
Soldaten sind weltweit mit dabei. Mit Hartz IV, einer steigenden Zahl bei Fällen von
Kinder- und Altersarmut und einer immer stärker werdenden Ungleichverteilung von
Vermögen zeigt sich zudem der große Riss in unserer Gesellschaft. Statt in der Krise
die zur Rechenschaft zu ziehen, die sie verursacht haben, werden Schüler, Studenten,
Angestellte und Rentner zur Kasse gebeten.
Das bedingungslose Nein zum Krieg sowie der Kampf gegen die soziale
Ungerechtigkeit ist vor allem für die deutsche Linke ein Vermächtnis von Luxemburg
und Liebknecht, welches es weiterzuführen gilt.
In der heutigen Zeit erleben wir auch einen wieder erstarkenden Nationalismus. Die
Idee eines einheitlichen und solidarischen Europas wird immer wieder in Frage
gestellt, vor allem von den Medien. Da werden die südeuropäischen Ländern, allen
voran Griechenland, als zu schwach dargestellt um weiter im dem Gefüge der
Europäischen Union zu verbleiben. Nur noch die wirtschaftlich starken Nationen
sollen die EU bilden.
Rosa Luxemburg lehnte 1914 die Idee von „Vereinigten Staaten von Europa“ ab.
Aber nicht weil sie den Gedanken von vereinigten Völkern für falsch hielt. Nein, ihre
Ablehnung begründete sich darin, dass sie in dieser Idee die Herrschaft des Kapitals
sah. Sie befürchtete, dass sich einzelne wirtschaftlich starke Länder in den
Vordergrund drängen und die anderen Nationen bzw. Völker unterdrücken. Genau
dies passiert heute, indem Griechenland unter Federführung der deutschen Politik zu
drastischen Sparmaßnahmen gezwungen wird und ökonomisch so noch mehr ins
Abseits gedrängt wird – während unter anderem der deutsche Staat und seine Banken
durch die hohen Zinsen die der griechische Staat für die Hilfen zahlen muss, noch
Gewinne erzielt.
Rosa Luxemburgs Befürchtungen werden somit wahr. Auch wenn sie damals die Idee
von „Vereinigten Staaten von Europa“ ablehnte, so deckt sich doch die eigentliche
Intention der EU auch mit ihrem Verständnis von Nationen. Denn für Luxemburg war
eine Nation kein Staatsgebilde, sondern eine Gruppe von Menschen, ein Volk. Und
dieses kann sich über nationalstaatliche Grenzen hinaus entwickeln und bilden.
Dieser Gedanke eines gemeinsamen Volkes über Grenzen hinweg, prägt auch die
Europäische Union. Diesen Gedanken eines gemeinsamen und solidarischen Volkes
in Europa, dafür streiten auch die linken Kräfte heute in Europa. Dass das Ziel eines
einheitlichen Europas in Zeiten der Krise von national geprägten Politikern und
Medien nicht kaputt gemacht wird.
Die Entfaltung der realen Demokratie war auch das Ziel von beiden. Sie wollten den
Unterdrückungsapparat des bürgerlichen Staates nicht durch einen neuen ersetzen.
Sondern sie sahen in der Gestaltungskraft der Volksmassen die Triebfeder der
Revolution. Jede Einschränkung der Demokratie konnte nur eine zeitweilige,
erzwungene, dem Wesen des Sozialismus fremde Erscheinung sein. Wir wissen, dass
sich diese Auffassung in der internationalen kommunistischen Bewegung in der
Praxis nicht durchgesetzt hat, dass der Mangel an Demokratie eine der Ursachen für
das Misslingen des sozialistischen Experimentes in Europa war.
Das Vertrauen von Rosa Luxemburg in die Macht und Kraft der Massen hat nicht nur
für eine, aus heutiger Sicht ferne demokratisch sozialistische Gesellschaft Bedeutung.
Es geht auch um unser Verständnis heutiger Politik und Organisation. Denn wenn das
Volk selbst der Gestalter der Geschichte sein soll, dann ist der wesentliche Inhalt
linker Politik darauf zu richten, die Menschen selbst zum Handeln zu befähigen. Aller
vier Jahre ein Kreuz machen zu dürfen ist zu wenig. Nicht die Parteien, nicht die
Regierung und auch nicht die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollen für das
Volk handeln, sondern dem Volk helfen seine Geschicke selbst in die Hand zu
nehmen. Dazu bedarf es aber einer Transparenz, einer Öffentlichkeit von politischen
Abläufen. Rosa Luxemburg meinte zu Recht, dass Öffentlichkeit die erste Bedingung
jeder Demokratie wäre. Diese fehlt aber heutzutage meistens. Daher ist es
notwendiger denn je, diese Öffentlichkeit einzufordern.
Vor 94 Jahren hat die Reaktion Rosa Luxemburg sowie Karl Liebknecht getötet. Ihre
Ideen jedoch, sind lebendiger denn je. Deshalb möchte ich zum Schluss folgende
Worte von Karl Liebknecht vortragen:
„Himmelhoch schlagen die Wogen der Ereignisse - wir sind es gewohnt, vom Gipfel
in die Tiefe geschleudert zu werden. Aber unser Schiff zieht seinen geraden Kurs fest
und stolz dahin bis zum Ziel. Und ob wir dann noch leben werden, wenn es erreicht
wird – leben wird unser Programm; es wird die Welt der erlösten Menschheit
beherrschen.
Trotz alledem!“
Danke Rosa! Danke Karl! Danke, all ihr Namenlosen, die ihr für Freiheit, Frieden
und soziale Gerechtigkeit gestritten und gekämpft habt!
Ich bitte Euch um ein schweigendes Gedenken.
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