Betriebliche Organisation und Geschäftsprozesse - ISB

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Staatsinstitut fü r Schulpädagogik und Bildungsforschung
Abteilung Berufliche Schulen
Arabellastr. 1, 81925 Mü nchen
Betriebliche Organisation und Geschäftsprozesse
Unterrichtsmaterial fü r Lehrpersonal
in IT-Berufen
IT-Berufe – Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
1
VORWORT
1
2
DIE BETRIEBLICHE ORGANISATION
2
2.1
Allgemeines
2.1.1
Begriff
2.1.2
Organisationsgrad
2.1.3
Organisationsgrundsätze
2.1.4
Arten der Organisation
2
2
2
2
3
2.2
Aufbauorganisation
2.2.1
Die betrieblichen Funktionen
2.2.2
Entstehung der Aufbauorganisation
2.2.3
Die Abteilungsbildung
4
4
7
9
2.2.3.1
2.2.3.2
2.2.3.3
2.2.3.4
2.2.3.5
2.2.4
2.2.5
Die Abteilungsbildung nach Funktionen
Die Abteilungsbildung nach Objekten
Die Abteilungsbildung nach Regionen
Die Kombination von Sparten- und Funktionsorganisation
Zentralisation und Dezentralisation
Leitungssysteme
Fü hrungstechniken
2.3
Die Ablauforganisation
2.3.1
Begriff
2.3.2
Darstellungsmö
glichkeiten
2.3.2.1
2.3.2.2
2.4
3
Das Balkendiagramm (= Gantt-Diagramm)
Die Netzplantechnik
Literaturhinweise
VOM ABLAUF ZUM PROZESS
3.1
Schwächen der funktionsorientierten Organisation
3.2
Prozessorientierte Organisation
3.2.1
Was ist also ein Prozess?
3.2.2
Prozessorientierte Sichtweise
3.2.3
Prozessorientierte Leistungsketten
3.2.4
Gestaltung betriebswirtschaftlicher Prozesse
3.2.4.1
3.2.4.2
3.2.4.3
3.2.5
4
4.1
Die fü nf Schritte zur Prozessorientierung
Fords beschleunigter Einkaufsprozess
Die durchgängige Versorgungskette
Literaturhinweise
ABBILDUNGSMÖ GLICHKEITEN VON BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHEN
PROZESSEN
Ablauf der Prozessanalyse
4.2
Abbildungsmö
glichkeiten
4.2.1
Balkendiagramm (Gantt-Diagramm)
4.2.2
Ablaufdiagramme
4.2.3
Programmablaufplan
4.2.4
Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK)
9
9
10
10
11
12
13
14
14
14
14
16
24
25
25
29
29
30
31
33
33
34
35
36
37
37
38
38
38
43
47
IT-Berufe – Inhaltsverzeichnis
4.2.5
5
Literaturhinweise
OPTIMIERUNG UND KONTROLLE VON GESCHÄ FTSPROZESSEN
59
60
5.1
Optimierung von Geschäftsprozessen
60
5.2
Kontrolle von Geschäftsprozessen
61
5.3
Literaturhinweise
63
6
DIE LEISTUNGS-, GELD- UND INFORMATIONSFLÜ SSE EINES BETRIEBES
ALS BEISPIEL FÜ R UNTERNEHMENSÜ BERGREIFENDE PROZESSE
64
6.1
Leistungs-, Geld- und Informationsflü sse
64
6.2
Data-Warehousing
65
6.3
Database Marketing
68
6.4
Electronic Data Interchange (= EDI)
69
6.5
Verkauf via Internet (Onlineshopping)
71
6.6
Literaturhinweise
72
7
MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES
72
IT-Berufe – Vorwort
1
Vorwort
Die vorläufigen Lehrplanrichtlinien fü r IT-Berufe verfolgen eine berufsfeldü bergreifende Konzeption. In allen
IT-Berufen sollen neben informations- und kommunikationstechnischen Inhalten auch betriebswirtschaftliche,
volkswirtschaftliche und organisatorische Grundlagen von Geschäftsprozessen vermittelt werden. Dies impliziert
eine prozessorientierte Sichtweise der Betriebswirtschaftslehre, die sich in den Lehrplanrichtlinien insbesondere
im Fach „Betriebswirtschaftliche Prozesse“ niederschlägt.
Der Aufbau dieses Unterrichtsmaterials ist eng mit dem Aufbau des Faches „Betriebswirtschaftliche Prozesse“ in
den Lehrplanrichtlinien verknü pft. Der Schwerpunkt der Inhalte liegt dabei beim Lerngebiet 3 „Geschäftsprozesse und betriebliche Organisation“ .
Ausgehend von der betrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation erfolgt eine Ü berleitung zum
Geschäftsprozess. Dabei wird zunächst dargestellt, wo die Unterschiede zwischen einer funktional orientierten
und einer prozessorientierten Sichtweise im Unternehmen liegen. Danach werden die verschiedenen
Abbildungsmöglichkeiten betriebswirtschaftlicher Prozesse, wie z. B. Gantt-Diagramme, Ablaufdiagramme,
Programmablaufpläne sowie Ereignisgesteuerte Prozessketten, behandelt. Schlie ß lich wird der Frage
nachgegangen, wie Geschäftsprozesse kontrolliert und optimiert werden können. Ging es bis da hin
hauptsächlich um unternehmensinterne Geschäftsprozesse, so werden im letzten Kapitel des
Unterrichtsmaterials, ausgehend von den Leistungs- Geld- und Informationsflü ssen eines Betriebes,
verschiedene Beispiele fü r die Optimierung unternehmensü bergreifender Prozesse dargestellt.
Neben fachlichen Informationen findet der Leser zahlreiche Hinweise fü r die Umsetzung der Lehrplaninhalte im
Unterricht. Zeitgleich mit diesem Unterrichtsmaterial entstand das fächerü bergreifende Unterrichtsprojekt
„Qualitätsgerechte Implementierung vernetzter Systeme“ . Das Unterrichtsprojekt steht unter:
http://www.isb.bayern.de/bes zum Download zur Verfü gung. Im vorliegenden Unterrichtsmaterial sind in den
einzelnen Kapiteln zahlreiche Querverweise zu diesem Unterrichtsprojekt angegeben.. Dies ermöglicht eine
fächerü bergreifende Umsetzung der Lehrplaninhalte im Unterricht.
1
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2
Die betriebliche Organisation
2.1 Allgemeines
2.1.1 Begriff
Der Begriff der Organisation ist mehrdeutig. Zwei Inhalte sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht fü r die Definition des
Begriffs „Organisation“ von Bedeutung:
(1) Tätigkeit
Organisation ist eine Tätigkeit, die ausgefü hrt wird oder wurde.
(2) Vorgabe
Organisation ist das Ergebnis der Organisationstätigkeit. Damit ist die Organisation
•
•
•
Struktur,
Regelwerk,
Gefü ge.
Fü r die Organisationsmitglieder ist sie eine Vorgabe.
In jedem Fall ist die Organisation ein System. Dieser Systemgedanke sollte in der Definition verdeutlicht werden.
Organisation ist ein System von dauerhaften Regelungen, welche die Aufgabenbereiche der Aufgabenträger und die Art
und Weise der Aufgabenerfü llung festlegen. Organisation meint aber auch die Tätigkeit, einem Unternehmen eine
Ordnung, eine dauerhafte Struktur zu geben.
2.1.2 Organisationsgrad
Ein kennzeichnendes Merkmal der Organisation ist ihre zeitliche Auslegung. Daher können folgende Begriffe
unterschieden werden:
Organisation
Disposition
Improvisation
generelle Regelungen
fallweise Regelungen
spontane Regelungen
auf Dauer angelegte Regelungen
sich wiederholender Vorgänge
im Voraus geplante Regelungen fü r
Einzelfälle
nicht vorab geplante Regelungen fü r
unerwartete Fälle
Ziel: Stabilität
Ziel: Flexibilität
Ziel: Wirtschaftlichkeit
2.1.3 Organisationsgrundsätze
1. Die Organisation muss wirtschaftlich sein.
Wie jede andere betriebliche Entscheidung sind auch organisatorische Maß nahmen vom Kostengedanken geprägt. Das
Wirtschaftlichkeitsprinzip besagt, dass mit gegebenen Mitteln ein Maximum an Erfolg (= Maximalprinzip) oder ein
vorgegebener Erfolg mit einem Minimum an Mitteln (= Minimalprinzip) erreicht werden soll.
2. Die Organisation muss zweckmä ßig sein.
Eine organisatorische Maß nahme muss dem betrieblichen Zweck dienen und ihm angepasst sein. Hierzu ist eine exakte
Planung und realistische Einschätzung der betrieblichen Bedü rfnisse nötig. Andernfalls besteht die Gefahr der Ü beroder Unterorganisation.
2
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
3. Die Organisation muss gleichzeitig flexibel und stabil sein.
Eine Organisation muss so konzipiert sein, dass sie sich an notwendige Veränderungen des Betriebsablaufs innerhalb
eines gewissen Rahmens anpassen kann. Dadurch erreicht sie die Beständigkeit, die nötig ist, um einen gleichartigen
Ablauf ü ber einen gewissen Zeitraum zu gewährleisten. Besser keine Regel, als jeden Monat neue Regeln aufzustellen.
4. Die Organisation muss klar sein.
Organisatorische Festlegungen mü ssen fü r die Mitarbeiter eindeutig erkennbar und nachvollziehbar sein. Laufende
Rü ckfragen wegen Unklarheiten verzögern die Bearbeitung und verursachen Fehler.
2.1.4 Arten der Organisation
Organisation wird sowohl in der Organisationstheorie als auch in der Organisationspraxis in Aufbau- und
Ablauforganisation gegliedert.
Organisation
Aufbauorganisation
Ablauforganisation
Langfristig festgelegtes Gefü ge einzelner betrieblicher
Abteilungen oder Funktionsbereiche.
Hierarchie, aus der die Weisungsbefugnisse abgeleitet werden können (= statisch).
Gestaltung des Arbeitsablaufes im Unternehmen (eher
kurzfristig, d. h. dynamisch)
Fragen:
Wie sind die Aufgaben verteilt?
Welche Stellen sollen gebildet werden?
Welche Mitarbeiter sollen die Stellen besetzen?
Welchen Rang nimmt die jeweilige Stelle ein?
Wer kann wem Weisungen erteilen?
Frage:
Wie sollen die Aufgaben bearbeitet werden?
3
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2 Aufbauorganisation
2.2.1 Die betrieblichen Funktionen
Als Einstieg eignet es sich, die Tä tigkeiten aus dem Unterrichtsprojekt „Qualitä tsgesicherte Implementierung vernetzter
Systeme“den Schülern ungeordnet vorzulegen und von den Tä tigkeiten auf die betrieblichen Funktionen zu schließen.
Auf die zusä tzliche Funktion „Fertigung“eines Industriebetriebes sollten die Schüler zusä tzlich hingewiesen werden.
Arbeitsaufgabenverteilung (Zuständigkeiten) in einem Handelsunternehmen:
Betriebliche Funktionen
Tätigkeiten
Geschäftsfü hrung, Marketing, Controlling
Geschäftsfü hrung, Produktkonzeption, Entwicklung
Kunden-Bonitätsprü fung, Reklamations- und Mahnwesen
Rechnungswesen (Fibu, Kreditoren)
Rechnungswesen (Fibu, Debitoren)
Rechnungswesen (KuL-Rechnung, Statistik, Jahresabschluss,
Finanzierung)
Personalwesen (Personalfü hrung, Entgeltabrechnung)
Produktgruppen Bü romöbel, Beleuchtung, Bü rotechnik und -geräte
(Beschaffungsmarktbearbeitung, Angebotsprü fung, Bestellwesen)
Produktgruppen Bü roorganisationsmittel, Schreibgeräte und
Schreibtischzubehör (Beschaffungsmarktbearbeitung,
Angebotsprü fung, Bestellwesen)
Terminkontrolle, Rechnungsprü fung
Ø Verfü gbarkeitsprü fung, Disposition, Lagerkontrolle
Ø Lagerbuchhaltung, Lagerstatistik
Ø Warenannahme und -eingangsprü fung,
Warenausgabe bzw. Versand der Ware
Ø Wareneinlagerung, Lagerpflege
Ø Verpacken der Ware und Bereitstellen zum Versand
Ø Verpacken der Ware und Bereitstellen zum Versand
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
Marketing, Versandorganisation
Auftragsannahme (vorwiegend telefonisch), Auftragserfassung
und -bearbeitung
Auftragsannahme (vorwiegend schriftlich), Auftragserfassung und
-bearbeitung
Rechnungsstellung,
Versandvorbereitung (Lieferschein)
Arbeitsablaufü berwachung und -kontrolle, EDV-Wartung und
-betreuung
4
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Im Folgenden sollen die Funktionen eines Industriebetriebes ü berblicksmäß ig dargestellt werden. Dabei soll zwischen
Grund- und Querschnittsfunktionen unterschieden werden.
Funktionen eines Industriebetriebes
(Aufgaben zur Erreichung des Sachziels)
Sachziel
Produktion und Verkauf von Waren
Grundfunktionen
Querschnittsfunktionen
Aufgaben, die sich aus dem eigentlichen
Leistungszusammenhang ergeben.
Aufgaben, die sich auf den gesamten Betrieb beziehen.
Einkauf
Z. B.:
• Bedarf ermitteln
• Bezugsquellen ermitteln
• Angebote einholen
• Angebote vergleichen
• Bestellung durchfü hren
• Wareneingang
kontrollieren
Hinweis:
Lernstoff wird gemä ß
Lehrplan je nach Fachrichtung in der 11. bzw. 12.
Klasse vertieft.
Grundfunktionen und ihre Teilaufgaben
Lagerung
Fertigung
Z. B.:
Z. B.:
• Lagerbestand ü berwachen • Entwicklung (CAD)
• Produktionsprogramm
• Lagerbestand optimieren
bestimmen (PPS)
• Lagerbewegung buchen
• Fertigungsverfahren
• Lagerkennziffern
(CIM)
berechnen
• TQM
Hinweis:
Lernstoff wird für die
Systemkaufleute/Informatikkaufleute gemä ß Lehrplan in
der 12. Klasse vertieft.
Für Fachinformatiker und
Systemelektroniker ist keine
spä tere Vertiefung gemä ß
Lehrplan vorgesehen, daher
müssen die Lerninhalte
Lagerung in der 10. Klasse
überblicksmä ßig behandelt
werden. Die Lagerkennziffern
kö nnten im Rahmen des
Controllings, 12. Klasse,
behandelt werden.
Hinweis:
Die Lerninhalte werden
unter Punkt 8: „Die
Informations-, Leistungsund Geldflüsse als
Beispiel für
unternehmensübergreifende Prozesse“
vertieft.
Verkauf
Z. B.:
• Marketing durchfü hren
• Anfragen bearbeiten
• Kalkulation durchfü hren
• Angebote schreiben
• Aufträge abwickeln
• Rechnungen schreiben
Hinweis:
Lernstoff wird in der 11.
Klasse gemä ß Lehrplan für
alle Fachrichtungen vertieft.
5
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Personalwirtschaft
Z. B.:
• Personalbestandsanalyse
• Personalbedarfsbestimmung
• Personalbeschaffung
• Personaleinsatz
• Personalfü hrung
• Personalentwicklung
• Personalkostenmanagement
• Personalfreisetzung
• Arbeitsrecht
• Sozialversicherungen
Hinweis:
Schneider/Zindel/Lö tzerich/
Münscher: Entscheidungsfeld
Betrieb, 2. Aufl., Winklers, 1998,
S. 315
Querschnittsfunktionen und ihre Teilaufgaben
Finanzwirtschaft
Informationswirtschaft
Z. B.:
Z. B.:
• Einrichten eines Management• Kapitalbedarfs- und InvestitionsInformationssystems (Personal-,
rechnung
Marketing-, Produktions-, Finanz• Finanzierung planen
und Rechnungswesen-,
• Finanzierungsgrundsätze beachten
Materialwirtschafts-, Umwelt• Finanzierungskennzahlen berechnen
informationssysteme)
• Leasing, Franchise, Factoring als
•
externe Kommunikation (z. B. DFÜ )
Alternativen betrachten
• Verarbeitung von Daten
• Zahlungsverkehr durchfü hren
• Homepage gestalten
• Finanzbuchhaltung durchfü hren
• Datenschutz beachten
• Bilanzanalyse
• E-Commerce einfü hren
• Kosten- und Leistungsrechnung
• Datensicherheit gewährleisten
• Statistiken erstellen
• Controlling
Hinweis:
Hinweis:
Lernstoff wird gemä ß Lehrplan je nach
Datenschutz und Datensicherheit sind
Fachrichtung in der 11. bzw. 12. Klasse
im Lehrplan für das Fach IT-Systeme
vertieft. Teile der Finanzwirtschaft sind
berücksichtigt.
für Fachinformatiker und SystemE-Commerce und Homepage kö nnen
elektroniker im Lehrplan nicht
im Rahmen des Marketings
vorgesehen (z. B. Finanzbuchhaltung,
(11. Klasse) angesprochen werden.
Bilanzanalyse).
Im Rahmen des Ziel- und Planungskonzeptes läuft der betriebliche Leistungsprozess ab. Dieser kann in 2 Phasen
unterteilt werden:
Leistungserstellung
Leistungsverwertung
Leitung
Verwaltung
Beschaffung
Transport
Lagerhaltung
Transport
Fertigung
Transport
Lagerhaltung
Transport
Vertrieb
Finanzwirtschaft
In der Leistungserstellung können folgende Funktionen unterschieden werden:
1. Die Beschaffung
2. Die Lagerhaltung:
Aufbewahrung der Werkstoffe, bis sie in die Fertigung gehen
3. Die Fertigung
In der Leistungsverwertung können folgende Funktionen unterschieden werden:
1. Die Lagerhaltung:
Aufbewahrung der Fertigerzeugnisse bis zum Versand
2. Der Vertrieb
Daneben gibt es noch so genannte betriebliche Querschnittsfunktionen, wie z. B.
1. Die Verwaltung:
a) Die Informationswirtschaft
b) Die Personalwirtschaft
2. Die Finanzwirtschaft
6
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2.2 Entstehung der Aufbauorganisation
Man kö nnte nun als Einstieg die Tä tigkeiten aus 2.2.1 mit Zeitvorgaben versehen, um den Schülern die Aufgabensynthese zu erlä utern. (Z. B:. In der
UBF GmbH herrscht die 37,5-Stunden-Woche. Wie viele Stellen müssen gebildet werden?, vgl. Unterrichtsprojekt: „Qualitä tsgerechte
Implementierung vernetzter Systeme“)
Stellen
sind zuständig fü r
Dauer pro Tag
Produktgruppen Büromö bel, Beleuchtung, Bürotechnik und -gerä te:
Beschaffungsmarktbearbeitung
Angebotsprü fung
Bestellwesen
Terminkontrolle
Rechnungsprü fung
1 Std.
2,5 Std.
4 Std.
3 Std.
4,5 Std.
Danach kö nnte man den Arbeitsauftrag an die Schüler verteilen, 4 bis 5 Stellen im Unternehmen neu zu besetzen. Aus vorliegenden Bewerbungen
sowie den Stellenbeschreibungen kö nnten die Schüler die richtigen Mitarbeiter aussuchen. Die Analyse von Bewerbungsschreiben kö nnte im Rahmen
des Deutschunterrichts erfolgen.
Die Aufbauorganisation entsteht in mehreren Teilschritten:
Teilschritte
Beispiel:
Aufgabenanalyse
Gesamtaufgabe
(= Aufgabengliederung) Die
Verkauf von Waren
Gesamtaufgabe wird in Hauptund Teilaufgaben bis hin zu
einzelnen Tätigkeiten
gegliedert
Aufgabensynthese
(= Stellenbildung)
Fü r zusammengehörende
Teilaufgaben werden Stellen
gebildet.
Teilaufgaben
Marketing/Werbung
Auftragserfassung
Auftragsbearbeitung
Rechnungsstellung
Hauptaufgaben
Verkauf
Lager
Allg. Verwaltung
Einkauf
Organisation/EDV
Teilaufgaben
Marketing/Werbung
Auftragserfassung
Auftragsbearbeitung
Rechnungsstellung
Versandvorbereitung
Stellen
Stelle VK1
Stelle VK2
Stelle VK3
Stelle VK4
Versandvorbereitung
Aufgabenverteilung
(= Stellenbesetzung)
Jeder Stelle wird eine
Arbeitskraft zugeteilt.
Stelle
Stelle VK1
Stelle VK2
Stelle VK3
Stelle VK4
Arbeitskraft
Frau Trab
Frau Kolb
Frau Brehm
Herr Zapf
Abteilungsbildung
Fü r zusammengehörende
Stellen werden Abteilungen
gebildet.
Stelle
Stelle VK1
Stelle VK2
Stelle VK3
Stelle VK4
Abteilung
Verkauf
Nun sind noch einige Begriffe zu klären:
Stelle = kleinste organisatorische Einheit in einem Unternehmen. Sie ist letztlich der Wirkungsbereich einer
Arbeitskraft.
7
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Die Stellenbeschreibung
Die Stellenbeschreibung dient der ausfü hrlichen Erläuterung einer bestimmten Stelle.
Beispiel einer Stellenbeschreibung
1. Positionsbezeichnung
Sachbearbeiter Einkauf „Produktgruppen Bü roorganisationsmittel, Schreibgeräte und Schreibtischzubehör“ .
2. Hauptaufgaben
Fü hrt alle Beschaffungsaufgaben fü r die oben beschriebenen Produktgruppen durch, fü hrt Preisverhandlungen
zusammen mit dem Abteilungsleiter und beobachtet die Marktlage.
3. Haupttätigkeiten und Verantwortlichkeiten
Ø Beobachtung der Bestände
Ø Prü fung der Bedarfsanforderungen und Ermittlung des Bedarfs
Ø Ermittlung der Bezugsquellen
Ø Prü fung und Bearbeitung der Angebote
Ø Empfang von Vertretern
Ø Fü hrung von Verhandlungen mit Lieferanten ü ber Preise und Bezugsbedingungen (gemeinsam mit dem
Abteilungsleiter)
Ø Aufgabe von Bestellungen
4. Entscheidungsbefugnis
Entscheidet im Rahmen normaler innerbetrieblicher Vorgänge selbstständig, bei Fü hrung von Verhandlungen mit
Lieferanten liegt die Entscheidung beim Abteilungsleiter. Eine besondere externe Unterschriftenberechtigung ist
nicht vorgesehen.
5. Anforderungen und Qualifikationen
Ø Muss mindestens einen mittleren Schulabschluss, eine kaufmännische Ausbildung und 3 bis 5 Jahre
Berufserfahrung, davon mindestens 2 Jahre Einkaufstätigkeit nachweisen.
Ø 1 Jahr Branchenerfahrung sowie Erfahrungen mit der Datenverarbeitung wären vorteilhaft.
Ø An persönlichen Anforderungen sind Verhandlungsgeschick, Kontaktfähigkeit, gute Umgangsformen sowie
analytisches Denkvermögen Bedingung.
Die Stellenbeschreibung gibt Auskunft ü ber:
•
Die Position
•
Die Haupttätigkeiten der Mitarbeiter
•
Die Verantwortung der Mitarbeiter
•
Die Entscheidungsbefugnis (= Kompetenz) der Mitarbeiter
•
Die Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter
Die Stellenbeschreibung schafft Klarheit ü ber den Inhalt einer Stelle.
Dies ist vor allem bei Neubesetzungen durch Beförderungen vorhandener oder bei Einstellung neuer Mitarbeiter
wichtig.
Abteilung
Organisationseinheit mehrerer zusammengehörender Stellen unter einheitlicher Leitung. In dem
oben dargestellten Fall werden die Abteilungen nach dem Verrichtungsprinzip gebildet, d. h. die
Abteilungsbildung orientiert sich an den auszufü hrenden Aufgaben und Verrichtungen. Eine
Abteilungsbildung kann sich aber auch an dem Objektprinzip orientieren, d. h. die Abteilungen
werden nach den Arbeitsobjekten, z. B. den Produkten, gegliedert. In der Praxis ist eine
Kombination aus Verrichtungs- und Objektprinzip verbreitet.
Das Ergebnis der Aufbauorganisation ist eine horizontale (gleichgeordnete Abteilungen) und vertikale (ü ber- bzw.
untergeordnete Abteilungen) Gliederung des Unternehmens die Organisationsstruktur. Diese wird in Organisationsplänen und -schaubildern (Organigrammen) schriftlich festgehalten.
8
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2.3 Die Abteilungsbildung
2.2.3.1
Die Abteilungsbildung nach Funktionen
Man spricht von einer Funktionsorganisation, wenn unmittelbar unterhalb der Geschäftsleitung Abteilungen nach den
Grundfunktionen des Betriebes, also nach dem Verrichtungsprinzip, gebildet werden.
Org/
EDV
Geschäftsleitung
Sekretariat
Verwaltung
Einkauf
Lager
Verkauf
Personalwirtschaft
Finanzwirtschaft
Die Funktionsorganisation ist bei kleineren und mittleren Unternehmen sowie bei Unternehmen mit einem einheitlichen
Produktionsprogramm vorherrschend.
2.2.3.2
Die Abteilungsbildung nach Objekten
Man spricht von einer Spartenorganisation (= divisionale Organisation), wenn unmittelbar unterhalb der
Geschäftsleitung Abteilungen nach Produktgruppen (Sparten), also nach Objekten, gebildet werden.
Geschäftsleitung
Bü romöbel
Bü roorganisation
Beleuchtung
Bü rotechnik
Schreibtische
Sitzmöbel
Die Spartenorganisation findet bei Unternehmen mit stark differenzierter Produktionspalette Anwendung. Hier ist es
möglich, Entscheidungs- und Verantwortungsbefugnisse auf die Bereichsleiter zu ü bertragen. Auch können die Sparten
leicht kostenmäß ig gegeneinander abgegrenzt werden (Profitcenters). So erkennt man die Orte der Entstehung von
Gewinnen und Verlusten.
9
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2.3.3
Die Abteilungsbildung nach Regionen
Geschäftsleitung
Inland
Norden
Ausland
Sü den
Europa
USA
Die Organisation nach Regionen wird insbesondere bei Unternehmen angewandt, die weltweit tätig sind, um besser auf
regionale Gegebenheiten reagieren zu können (= Dezentralisation).
2.2.3.4
Die Kombination von Sparten- und Funktionsorganisation
Org/
EDV
Geschäftsleitung
Sekretariat
Verkauf
Einkauf
Lager
Verwaltung
Bü romöbel
Beleuchtung
10
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2.3.5
Zentralisation und Dezentralisation
Aufgaben können in einem Unternehmen zentral oder dezentral erledigt werden.
Beispiel:
Ein groß er Computerkonzern hat eine zentrale Einkaufsabteilung, die fü r das gesamte Unternehmen mit
allen Filialen die Waren beschafft.
Zentralisation bedeutet die Zusammenfassung gleichartiger Aufgaben zu Stellen oder Abteilungen.
Beispiel:
Jede Filiale hat ihre eigene Einkaufsabteilung und organisiert den Einkauf selbstständig.
Dezentralisation ist die Verteilung gleichartiger Aufgaben auf verschiedene, voneinander unabhängige Stellen.
Vorteile der Zentralisation
F weniger Bedarf an Personal und Sachmitteln
F Einsatz von Spezialisten
F bessere Kontrolle möglich
Vorteile der Dezentralisation
F Sachkenntnis der Mitarbeiter vor Ort
F Entlastung der oberen Leitungsstelle
F Zeit- und Wegersparnis
F Motivation durch Ü bertragung von Verantwortung
11
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2.4 Leitungssysteme
Grundtypen
Einliniensystem
Mehrliniensystem
Stabliniensystem
Kombinierte Formen
Spartenorganisation
Matrixorganisation
Aufgabe Forschung
Fertigung
Absatz
Projekt
Projekt
A
Projekt
B
Merkmale:
Merkmale:
Merkmale:
Merkmale:
FJede Stelle erhä lt nur von einer FJeder Stelle sind mehrere Vor- FKombination aus Einlinien- u. FDie Sparten sind eigene
Instanz Anweisungen.
setzte mit unterschiedlichen
Mehrliniensystem
Unternehmensbereiche, die
Funktionen zugeordnet, die
Spartenleiter sind für die GeFJede Stelle ist nur einer
FZu den Linienstellen treten
Instanz verantwortlich.
Weisungen erteilen dürfen.
Stä be, die als Spezialisten
schä fte eigenverantwortlich.
beratend wirken.
FJeder Mitarbeiter hat nur einen FJeder Mitarbeiter hat mehrere
FNeben die Sparten treten
Vorgesetzten.
Vorgesetzte.
dann noch ZentralabFDie Stä be haben keine Weisungsbefugnisse, sondern
teilungen, die jetzt gemeinFDer Dienstweg ist klar:
Der Befehlsweg geht von oben Grundsatz des kü rzesten
Unterstützungsfunktion.
same Aufgaben für die
nach unten, der Meldeweg von Weges (Arbeitsteilung)
Sparten übernehmen und der
unten nach oben.
Geschä ftsleitung direkt
Grundsatz der einheitlichen
unterstellt sind.
Auftragserteilung und
Fzwei gleichrangige Stellen
können nur über die gemeinGrundsatz der Arbeitsteilung
same Vorgesetztenstelle Informationen austauschen.
Grundsatz der einheitlichen
Auftragserteilung
Vorteile:
FEindeutige Dienstwege
FKeine Kompetenzstreitigkeit
FErleichterte Kontrolle
Vorteile:
Vorteile:
FVerkürzung der Dienstwege
FVorteile des Einlinien- und
Mehrliniensystems
FSpezialisierung der Instanzen
FFlexibles System
FVorgesetzte werden durch
Spezialisten beraten und entlastet.
Nachteile:
Nachteile:
Nachteile:
FStarres System
FAbstimmungsprobleme
FExpertenmacht der Stä be
FÜ berlastung der Vorgesetzten FKompetenzprobleme
FKeine Weisungsbefugnis der
Stä be
FLange Dienstwege
FSchwierigere Kontrolle
Merkmale:
FKombination aus Funktionsund Spartenorganisation
FSchnittpunkte zwischen den
einzelnen Abteilungen werden
gebildet, um Beziehungen
zwischen Abteilungen zu ermöglichen.
FEs gibt weitgehend gleichberechtigte Abteilungen, die Geschä ftsleitung greift nur bei
Unstimmigkeiten ein.
Vorteile:
FSpezialisierung
FKurze Informationswege
FFlexibles System
Vorteile:
FFörderung der Zusammenarbeit
FUnkomplizierte Entscheidungswege
FEntlastung der Geschä ftsleitg.
Nachteile:
FHöhere Kosten durch Dezentralisierung
FGefahr der Spartenkonkurrenz
Nachteile:
FKompetenzprobleme
FVerantwortlichkeiten unklar
FKonflikte zwischen Managern
12
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.2.5 Fü hrungstechniken
Fü hrungstechniken
sind Rahmenvorgaben
fü r alle Weisungsbefugten
Arten der
Fü hrungstechniken
Management by
Objectives
Fü hrung durch Zielvereinbarungen
Beurteilung der Fü hrungstechniken:
Fü hrungstechniken Vorteile fü r den
Vorgesetzten
Management by
Beteiligung an der
Objectives
Entscheidungsfindung
und -umsetzung
Entlastung von
Einzeltätigkeiten
Management by
Starke Entlastung
Delegation
Kein Kontrollaufwand
Management by
Exception
Entlastung von
Routineaufgaben
Geringer Kontrollaufwand
Management by
Delegation
Management by
Exception
Fü hrung durch Ü bertragung von
Verantwortung und Entscheidungsbefugnis
Fü hrung nach dem
Ausnahmeprinzip
(Vorgesetzte greifen nur bei
auß ergewöhnlichen Maß nahmen
ein.)
Nachteile fü r den
Vorgesetzten
Kontrolltätigkeiten
(Er muss die
Einhaltung der Ziele
kontrollieren.)
Vorteile fü r die
Mitarbeiter
Breiter Entscheidungsspielraum
Kenntnis der Ziele
Motivation
Nachteile fü r die
Mitarbeiter
Ü berlastung und
Frustration bei zu
hohen Zielvorgaben
Verlust des
Ü berblicks
Hohe Selbstständigkeit
Hohe Motivation
Schnellere Entscheidungsfindung
Hohe Motivation
Schnellere Entscheidungsfindung
Flexibilität
Geringeres Risiko
Haftung
Evtl. Ü berforderung
Kontrolle der Einhaltung der Kompetenzspielräume
Gefahr von Fehlentscheidungen
Evtl. Unterforderung
Wichtige Entscheidungen sind dem
Vorgesetzten
vorbehalten =>
Frustration
13
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.3 Die Ablauforganisation
2.3.1 Begriff
Definition nach REFA:
Ziel:
Ablauforganisation ist das zeitliche und örtliche Hinter- und Nebeneinander der zur
Erledigung der Aufgabe anstehenden Arbeiten.
1. Minimierung der Durchlaufzeit (z. B. von der Kundenanfrage bis zur Lieferung)
2. Optimierung der Kapazitätsauslastung (weder Ü berlastungen noch Leerlauf)
Dabei wird erfasst:
•
Was ist zu tun? (Teilaufgaben und Einzeltätigkeiten)
•
Wo (in welchen Abteilungen, an welchen Maschinen)
sind die einzelnen Tätigkeiten zu erledigen?
•
Wann soll damit begonnen werden?
•
In welcher Reihenfolge sind die Tätigkeiten zu erledigen?
•
Welche Mitarbeiter sollen eingesetzt werden?
Aufbauorganisation
Ablauforganisation
Arbeitsanalyse
Arbeitssynthese
stellt den betrieblichen Rahmen dar, ist also statisch.
stellt das betriebliche Geschehen dar, ist also dynamisch.
2.3.2 Darstellungsmö
glichkeiten
Darstellungsmöglichkeiten:
verbale Darstellung
grafische Darstellung
Zu den grafischen Darstellungsmöglichkeiten
• der Ablaufplanung (siehe Modellierung von Prozessketten) gehören:
• Datenflusspläne
• Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK)
•
der Zeitplanung gehören:
• Balkendiagramm
• Netzplan
Durch ein Schaubild kann ein besserer Gesamtü berblick ü ber den Arbeitsablauf gewonnen werden.
An einem Beispiel sollen im Folgenden Balkendiagramm und Netzplan erläutert werden.
2.3.2.1
Das Balkendiagramm (= Gantt-Diagramm)
Ein Balkendiagramm besteht aus folgenden Elementen:
einer Vorgangsliste aller Vorgänge
einer waagrechten Zeitachse, auf der man die jeweiligen Zeiteinheiten einträgt
einem Balken fü r jeden Vorgang, der in seiner Länge der jeweiligen Dauer des Vorgangs
entspricht
Typische Einsatzgebiete fü r Balkendiagramme sind:
* Fertigungspläne
* Maschinenbelegungspläne
* Terminü bersichten
* Urlaubspläne
* Einsatzpläne fü r Mitarbeiter
14
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Situation:
Es soll eine Zeitplanung fü r das Projekt „Umstellung der Textverarbeitung auf EDV“ durchgefü hrt
werden. Dazu liegt folgende Vorgangsliste vor:
Nr. des
Vorgangs
Vorgangsbezeichnung
Entscheindung der Geschäftsleitung
Angebote einholen
Mitarbeiterinformation
Testen des Gerätes 1
Testen des Gerätes 2
Testen des Gerätes 3
Auswahl der Lieferanten
Lieferung
Raumauswahl
Elektroinstallation
Computeraufstellen
Mitarbeiterschulung
Arbeitsaufnahme
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Dauer in
Tagen
Vorgänge
2
14
1
1
2
1
1
5
2
2
1
7
1
1
1
2
2
2
4-6
7
7
9
8,10
3,11
12
Wie sieht nun das Balkendiagramm zu obigem Beispiel aus?
Lö
sung zum Projekt: Umstellung der Textverarbeitung auf EDV
Vorgangs-Nr.
Dauer in Tagen
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Das Balkendiagramm liefert folgende Informationen:
1. Die Dauer des Gesamtprojektes (hier 33 Tage)
2. Die geplanten Anfangs- und Endzeitpunkte der Vorgänge
3. Die parallel verlaufenden Vorgänge
Allerdings liefert das Balkendiagramm keine exakten Informationen ü ber die Abhängigkeiten der einzelnen
Vorgänge. Somit ist es nicht fü r komplexe Projekte geeignet. Fü r solche Aufgaben bietet sich die
Netzplantechnik an.
15
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.3.2.2
Die Netzplantechnik
Definition nach DIN 69900:
Alle Verfahren zur Analyse, Beschreibung, Planung und Steuerung von Abläufen auf der Grundlage der
Graphentheorie, wobei Zeit, Kosten, Einsatzmittel und weitere Einflussgröß en berü cksichtigt werden können.
Insbesondere bei komplexen Projekten ist die Netzplantechnik zu bevorzugen. Dieser zeigt die ei nzelnen
Tätigkeiten in ihrer Abfolge und gegenseitigen Abhängigkeit (Vorteil gegenü ber dem Gantt-Diagramm) auf.
Die Erstellung eines Netzplanes erfolgt in 4 Schritten:
(1) Alle anfallenden Arbeiten sind zu ermitteln (Projektstrukturplan).
(2) Die gegenseitigen Abhängigkeiten und die Dauer der einzelnen Vorgänge sind in einer
Vorgangsliste zusammenzustellen.
(3) Das Netzplanschema ist aufzustellen (Ablaufplanung).
(4) Die Zeitberechnungen sind auszufü hren (Zeitplanung).
Die Ablaufplanung
Fü r die Erstellung eines Netzplanes gelten folgende Regeln:
1. Jeder Vorgang wird als Knoten, d. h. als Rechteck, mit Vorgangsnummer und Vorgangsbezeichnung
gezeichnet.
1
2.
Knoten werden gemäß der zeitlichen Reihenfolge von links nach rechts gezeichnet. Unmittelbar
aufeinander folgende Vorgänge werden durch Pfeile miteinander verbunden.
1
3.
Installation
Installation
2
Test
Können mehrere Vorgänge erst beginnen, wenn der gemeinsame Vorgänger beendet ist, werden sie mit
diesem durch Pfeile verbunden.
2
1
Test
Installation
3 Einarbeitung
4.
Mü ssen mehrere Vorgänge beendet sein, bevor ein neuer Vorgang beginnt, so wird jeder von ihnen mit dem
Nachfolger durch einen Pfeil verbunden.
2
Test
4
Start
3 Einarbeitung
16
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Die Zeitplanung
Neben den Angaben „Vorgangsnummer“ und „Vorgangsbezeichnung“ enthält jeder Knoten auch noch die
Angaben ü ber
1. die Dauer, die der Vorgang benötigt
2. den frühesten Anfangszeitpunkt
3. den frühesten Endzeitpunkt
4. den spä testen Anfangszeitpunkt
5. den spä testen Endzeitpunkt
6. den Gesamtpuffer
7. den freien Puffer
(D)
(FAZ)
(FEZ)
(SAZ)
(SEZ)
(GP)
(FP)
Vorgangsliste
Vorwärtsrechnung
Rü ckwärtsrechnung
kritischer
Weg
Damit sieht ein Knoten folgendermaß en aus:
FAZ
FEZ
1 Installation
D GP
FP
SAZ
SEZ
v
0
1
8
0
8
Installation
0
0
8
Die Vorwä rtsrechnung
Bei der Vorwärtsrechnung wird der frü hestmögliche Termin errechnet, zu dem ein bestimmter Vorgang
beginnen oder enden kann. Damit wird die Mindestprojektdauer ermittelt.
Fü r die Vorwärtsrechnung gelten folgende Regelungen:
(1) Der Vorgang 1 beginnt beim Zeitpunkt 0 (FAZ).
(2) Der frü heste Endzeitpunkt eines Vorgangs ergibt sich aus:
FEZ = FAZ + D.
(3) Der frü heste Anfangszeitpunkt des Nachfolgers entspricht dem frü hesten Endzeitpunkt des
Vorgängers.
0
1
8
8
Installation
12
8
2
4
Test
(4) Hat ein Vorgang mehrere Nachfolger, so ist dessen frü hester Endzeitpunkt der frü heste
Anfangszeitpunkt fü r alle Nachfolger.
0
1
8
8
Installation
12
8
2
4
Test
11
8
3 Einarbeitung
3
(5) Hat ein Vorgang mehrere unmittelbare Vorgänger, so ergibt sich sein frü hester Anfangszeitpunkt
als größ ter Wert der frü hesten Endzeitpunkte aller Vorgänger.
8
2
4
12
Test
8
11
3 Einarbeitung
3
12
4
0
12
Start
17
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
v
Die Rückwä rtsrechnung
Einige Vorgänge können später beginnen, ohne die Gesamtdauer des Projektes zu verlängern. Diese Methode
wird insbesondere angewandt, wenn ein Fertigstellungstermin eingehalten werden muss.
Fü r die Rü ckwärtsrechnung gelten folgende Regeln:
(1) Beim letzten Vorgang mü ssen frü hester und spätester Endzeitpunkt ü bereinstimmen.
(2) Der späteste Anfangszeitpunkt errechnet sich folgendermaß en:
SAZ = SEZ – D.
12
4
0
12
12
Start
12
(3) Der späteste Anfangszeitpunkt des Nachfolgers entspricht dem spätesten Endzeitpunkt aller
unmittelbaren Vorgänger.
8
12
2
Test
4
12
12
8
4
Start
12
8
11
0
3 Einarbeitung
12
12
3
9
12
(4) Haben mehrere Vorgänge nur einen gemeinsamen Vorgänger, so ist der späteste Endzeitpunkt
dieses Vorgangs gleich dem kleinsten spätesten Anfangszeitpunkt aller Nachfolger.
0
1
8
0
8
Installation
8
8
12
2
Test
4
12
8
8
11
3 Einarbeitung
3
12
9
Die Rü ckwärtsrechnung ist dann korrekt, wenn
1. der SAZ des Vorgangs 1 den Wert 0 hat
und
2. bei jedem Vorgang SAZ - FAZ = SEZ - FEZ
18
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
v
Der kritische Weg
Bei einigen Vorgängen entstehen Zeitreserven, da frü heste und späteste Termine auseinander fallen. Diese
Zeitreserven werden als Puffer bezeichnet.
Der Gesamtpuffer (GP):
Reservezeit, die einem Vorgang innerhalb des gesamten Projekts zur
Verfü gung steht. Er wird ermittelt aus:
GP = SAZ - FAZ
oder GP = SEZ -
FEZ
11
8
3 Einarbeitung
3
1
12
9
Der freie Puffer (FP):
Reservezeit, die ein Vorgang in Anspruch nehmen kann, ohne dass ein
nachfolgender Vorgang davon beeinflusst wird. Er wird ermittelt aus:
FP = FAZ des Nachfolgers - FEZ des Vorgangs
8
12
2
Test
4
0
8
12
8
11
3 Einarbeitung
3
1
9
12
12
4
0
12
12
Start
0
0
12
Bei Betrachtung des gesamten Netzplans ergibt sich ein Weg, auf dem sowohl die Gesamtpuffer als auch die
freien Puffer den Wert 0 haben. Dieser Weg wird als kritischer Weg bezeichnet. Verzögerungen bei Vorgängen,
die auf diesem kritischen Weg liegen, fü hren automatisch zu Verzögerungen des gesamten Projekts.
0
1
8
0
8
Installation
0
0
8
8
12
2
Test
4
0
0
8
12
8
11
3 Einarbeitung
3
1
1
9
12
12
4
0
12
12
Start
0
0
12
Die Anwendung der Netzplantechnik liefert folgende Informationen:
1. Ü berblick ü ber das Gesamtprojekt
2. Darstellung der Abhängigkeiten
3. detaillierte Terminplanung
4. Auswirkungen von Störungen
Die Netzplantechnik kann sowohl manuell als auch maschinell verwandt werden. Die Nutzenschwelle fü r eine
manuelle Anwendung wird bei ca. 50 Vorgängen gesehen. Ü blicherweise wird jedoch die Netzplantechnik mit
Hilfe der EDV genutzt. Es gibt zahlreiche Programme fü r die Netzplantechnik, die sich insbesondere durch ihren
Komfort, die angebotenen Aufgabenbereiche unterscheiden.
19
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Neben der Terminierung beinhaltet die Netzplantechnik oftmals weitere Aufgabenbereiche:
1. Kostenrechnung
Sie ermöglicht eine Kostenplanung bzw. eine Projektbudgetierung und Kostenü berwachung. Eingeschlossen kann eine Bestimmung der kostenoptimalen Projektdauer
sein.
2. Kapazitätsrechnung
Von der Kapazitätsbedarfsrechnung bis zur Kapazitätsoptimierung differieren die
angebotenen Techniken.
3. Sachmitteleinsatz
In einigen Techniken werden auch der Sachmitteleinsatz geplant und kontrolliert.
Wie sieht nun der Netzplan zu obigem Beispiel aus?
Zur Ü bung bzw. Vertiefung könnte man den in Aufgabe 7 des Unterrichtsprojektes „Qualitätsgesicherte
Implementierung vernetzter Systeme“ beschriebenen Netzplan am PC mittels PMS-Software erstellen lassen.
20
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
4 Gerä te-
9 Raum-
test
2 Angebote
5 Gerä te-
einholen
test
ausw ahl
7 Lieferanten-
10 Elektroinstallation
11 Computer
ausw ahl
aufstellen
12 Mitarbeiterschulung
13 Arbeitsaufnahme
8 Lieferung
1 Entscheidung
6 Gerä tetest
3 Mitarbeiterinformation
FAZ
Nr.
D
SAZ
FEZ
Vorgang
GP
FP
SEZ
GP Gesamtpuffer: SAZ - FAZ oder SEZ - FEZ
Reservezeit, die einem Vorgang innerhalb des gesamten Projekts zur Verfügung steht.
FP Freier Puffer: FAZ des Nachfolgers - FEZ des Vorgangs
Reservezeit, die ein Vorgang in Anspruch nehmen kann, ohne dass ein nachfolgender Vorgang beeinflusst wird.
21
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
16
17
19
4 Gerä tetest
1
2
16
2 Angebote
0
2
17
18
20
16
2
1
18
18
5 Gerä te2
16
1
2
0
1
16
18
18
16
17
6 Gerä te-
2
0
1
2
17
0
2
22
1
1
24
24
0
25
11 Computer
25
aufstellen
0
1
19
24
0
32
12 Mitarbeiter-
32
schulung
0
7
25
25
0
33
13 Arbeitsaufnahme
0
1
32
32
0
0
33
24
8 Lieferung
test
1
22
ausw ahl
0
1 Entscheidung
0
2
19
19
0
23
installation
1
7 Lieferanten-
test
0
21
10 Elektro-
ausw ahl
1
einholen
14
21
9 Raum-
5
1
19
0
0
24
18
3
3 Mitarbeiterinformation
1
24
22
22
25
FAZ
FEZ
Nr.
Vorgang
D
GP FP
SAZ
SEZ
22
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
Vorgangstabelle
Feinstrukturierung der Vorgänge (fü r Erstellung eines Netzplanes mittels PMS-Software):
Vorgang
Vorgangsname
1 BEARBEITUNG KUNDENAUFTRAG
2 Auftragseingang und Analyse der Kundenunterlagen
3 Kundenrücksprache und Terminbestä tigung (schriftlich)
4 ANALYSE KUNDENSYSTEM
5 Darstellung der Auftragsentwicklung beim Kunden (Ist-Zustand)
6 Analyse des Arbeitsablaufes
7 Erstellung eines Anforderungsprofiles (Fachentwurf)
8 Neugestaltung des Absatzprozesses (EPK-Diagramm)
9 ENTWICKLUNG HARDWARE
10 Festlegung der LAN-Struktur (Netzwerktyp, LAN-Architektur, Kabel)
11 Auswahl der Netzwerkkomponenten (Kabel, Server, PCs, Hubs etc.)
12 Planung der Netzwerkdienste (Drucker, E-Mail etc.)
13 Planung der Netzwerk- und Datensicherheit
14 Erstellen eines Netzwerkdiagramms (Konfigurationsplans)
15 INSTALLATION VERKABELUNG
16 Auftragsvergabe an Elektrounternehmen
17 Installation (Stromanschlüsse, Kabelschä chte, Verkabelung)
18 Test und Abnahme
19 BESCHAFFUNG HARDWARE
20 Anfrage, Angebotsvergleich und Bestellung
21 Warenlieferung (Lieferzeit)
22 Wareneingang und Kontrolle
23 Komponentenzusammenbau und Test
24 ENTWICKLUNG SOFTWARE
25 Analyse der Datenanforderung (Informationsstruktur)
26 Entwicklung eines semantischen Datenmodells (ER-Diagramm)
27 Ü bertragung in ein logisches Datenmodell (relationales Datenmodell)
28 Ü bersetzung in ein Datenbank-Schema (mittels eines DBMS)
29 Konvertierung und Einspielen des vorhandenen Datenbestandes
30 Programm- und Systemtest
31 VORBEREITUNG IMPLEMENTIERUNG
32 Vorabkonfiguration des NT-Servers
33 Netzwerkkonfiguration der Clients
34 Installation der Software
35 Konfigurations- und Softwaretest
36 IMPLEMENTIERUNG (beim Kunden)
37 Aufstellen und Anschluss der Hardwarekomponenten
38 Testen der Hardwarekomponenten
39 Einrichten des NT-Servers und Anbindung der Clients
40 Inbetriebnahme und Testlauf
41 SYSTEMFREIGABE
42 Erstellen der Kundendokumentation (Ü bergabeprotokoll)
43 Einweisung der Administratoren
44 Ü bergabe/Abnahme
45 Rechnungsstellung
46 SCHULUNG MITARBEITER
47 Erstellen von Schulungsunterlagen
48 Schulung der Mitarbeiter (in Kleingruppen nach Abteilungen)
Dauer
2t
1t
1t
8t
2t
2t
2t
2t
6t
1t
1t
2t
1t
1t
7t
1t
5t
1t
15t
1t
10t
1t
3t
15t
2t
1t
2t
5t
3t
2t
5t
1t
1t
2t
1t
4t
1t
1t
1t
1t
7t
2t
3t
1t
1t
8t
3t
5t
23
IT-Berufe – Die betriebliche Organisation
2.4 Literaturhinweise
Bensch
Bizer / Nolden
Hü bscher / Petersen / Rathgeber / Richter
/ Scharf
Kü hn / Schlick
Schneider / Zindel / Lötzerich /
Mü nscher
Schneider / Zindel / Lötzerich /
Mü nscher
Steinbuch, Pitter A.
Praktische Fälle aus der Betriebswirtschaftslehre, Kiehl, 1998
Spezielle Wirtschaftslehre – Industrie, Stam Verlag, 1997
IT-Handbuch fü r IT-Systemelektroniker, Fachinformatiker, 1. Auflage,
Westermann, 1999
Spezielle Wirtschaftslehre Industrie, 2. Auflage, Gehlen, 1998
Entscheidungsfeld Betrieb, 2. Auflage, Winklers, 1998
Facts Industriebetriebslehre, Winklers, 1998
Organisation, 10. Auflage, Ludwigshafen (Rhein), Kiehl, 1997 (Olfert,
Klaus: Kompendium der praktischen Betriebswirtschaft)
24
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
3
Vom Ablauf zum Prozess
3.1 Schwächen der funktionsorientierten Organisation
Der Verschärfung der Wettbewerbssituation in den 80er Jahren wurde mit traditionellen Maß nahmen begegnet.
Es erfolgte eine Senkung der Lohnstü ckkosten durch Rationalisierung und Kauf neuer Maschinen, eine
Verlagerung eines Teiles oder des ganzen Unternehmens in Länder mit gü nstigeren Rahmenbedingungen (z. B.
Niedriglohnlä nder, oder in Lä nder mit weniger strengen Umweltschutzauflagen), die Investition in neue
Verfahren zur Sicherung der Produktqualität und/oder die Intensivierung der Vertriebsaktivitäten.
Der Erfolg stellte sich nicht wie erwartet ein, weil die einzelnen Maß nahmen sich in ihrer Auswirkung zum Teil
widersprechen. So bewirkt z. B.
•
ein hoher Automatisierungsgrad
è eine sinkende Flexibilität hinsichtlich der
Kundenwü nsche
•
eine Freisetzung von Mitarbeitern
è eine freiwillige Kü ndigung der
Leistungsfähigen
•
sozialverträgliches Freisetzen
è Entlassung junger, motivierter Leute
Frü hpensionierung erfahrener Kräfte
•
Sparen an Ausstattung und Personal è Verlängerung der Arbeitszeit, Ü berstunden
hohe Arbeitsintensität, Qualitätsverschlechterung
In der funktional orientierten Organisation sollte das Gesamtziel Gewinn- und/oder Umsatz-maximierung
erreicht werden, indem die einzelnen Abteilungen ihr individuelles Optimum anstreben.
Ausgehend von der Idealvorstellung jeder Abteilung bedeutet dies:
•
hohe Auslastung der Anlagen (Produktion)
•
niedrige Lagerkosten (Logistik)
•
niedrige Einkaufspreise fü r Rohstoffe und Teile (Einkauf)
•
Termintreue, Flexibilität und kurze Lieferzeiten (Vertrieb)
•
Einhaltung der Qualitätsvorgaben (Qualitätssicherung)
Die Zielverfolgung der einzelnen Abteilung verhindert das Optimum der Zielerfü llung der Gesamtheit der
Abteilungen.
Am Beispiel der folgenden drei Wirkungsketten kann dies gemeinsam mit den Schü lern veranschaulicht werden.
Unternehmensziele
(Gewinn, Umsatz etc.)
werden auf die
Unternehmenshierarchie
ü bertragen.
Logistik:
niedrige Bestä nde
Vertrieb
Produktion:
hohe Auslastung
Qualitä t:
Einhaltung der Vorgaben
Einkauf:
niedrige
Einkaufspreise
25
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
Quelle: Landesinstitut fü r Erziehung und Unterricht, Baden-Wü rttemberg
4.1 Blatt 2
Wirkungskette „ hohe Auslastung der Anlagen bzw. Mitarbeiter“
Logistik:
hohe Bestä nde an halbfertigen
und fertigen Waren
Produktion:
hohe Auslastung durch das
Vorziehen von Aufträ gen
Qualitä t:
Einhaltung der Vorgaben
Probleme wegen hoher
Auslastung
Vertrieb:
Termintreue wegen
früher Fertigung è
keine
kurzfristigen oder
individuellen
Ä nderungen der
Produktion möglich
Einkauf:
niedrige Einkaufspreise
Groß e Teilelose
Damit hohe Auslastung möglich ist, muss ein Vorrat an Aufträgen vorhanden sein.
Entstehen an einem bestimmten Produktionstag Auslastungslü cken, so wird ein späterer Auftrag vorgezogen.
Folge?
•
gleichbleibend hohe Auslastung, aber Lagern von End- und Zwischenprodukten è zusätzliche
Lagerkosten
•
Einkauf è Planung wird einfacher, größ ere Lose fü hren zu gü nstigeren Einkaufspreisen
•
Vertrieb è einerseits ist die Termintreue sichergestellt, andererseits sind kurzfristige Reaktionen auf
Markt- oder Kundenwü nsche nicht möglich
•
Qualität è eventuell Probleme durch hohe Auslastung von Maschinen und Mitarbeitern
26
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
Quelle: Landesinstitut fü r Erziehung und Unterricht, Baden-Wü rttemberg
4.1 Blatt 3
Wirkungskette „ Kundenorientierung“
Logistik:
hohe Lagerbestä nde wegen
hoher Lieferbereitschaft
Vertrieb:
Kundenorientierung
kurze Lieferzeiten
hohe Termintreue
kurze Produktzyklen
individuelle Produkte
Produktion:
Kapazitä t müssen
vorgehalten werden
von Aufträgen
Qualitä t:
Probleme wegen kurzer
Lieferzeit
Einkauf:
hohe Einkaufspreise
wegen kleiner Lose
Kundenorientierung bedeutet kurze und exakt eingehaltene Lieferzeiten, Ä nderungen aufgrund der Marktdynamik
mü ssen möglich sein.
Folge?
•
Produktion è Kapazitäten mü ssen vorgehalten werden
•
Einkauf
è nur kleinere Lose, dies erhöht die Beschaffungskosten, keine
Mengenrabatte erzielbar
•
Lager
è hohe Lieferbereitschaft bedeutet Vorhalten von Materialien und
damit hohe Lagerbestände
•
Qualität
è Fertigung unter Zeitdruck kann zu Qualitätseinbuß en fü hren
27
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
Quelle: Landesinstitut fü r Erziehung und Unterricht, Baden-Wü rttemberg
4.1 Blatt 4
Wirkungskette „ Just in time durch niedrige Bestände“
Logistik:
niedrige Lagerbestä nde Reduzierung
der Lagerbestä nde durch just in time
Produktion:
niedrige Auslastung,
Kapazitä t wird vorgehalten
Qualitä t:
gut, wegen niedriger
Intensitä t
Vertrieb:
geringe Termintreue
wegen Fehlbestä nden
Flexibilitä t wegen
Kapazitä tsreserven
Einkauf:
hohe Einkaufspreise
wegen kleiner Lose
Durch Reduzierung der Bestände kann die Logistik ihre Kosten reduzieren und damit ihr Ziel
erreichen.
Folge?
•
Produktion è nur noch kurzfristige Planung möglich
Kapazitäten sind nicht ausgelastet
Maschinen bleiben wegen Materialmangel stehen
•
Einkauf
è nur kleinere Lose, dies erhöht die Beschaffungskosten, keine
Mengenrabatte erzielbar
•
Vertrieb
è einerseits ist die Termintreue in Frage gestellt, andererseits sind
kurzfristige Ä nderungen am Endergebnis möglich
•
Qualität
è eine niedrige Arbeitsintensität lässt gute Arbeitsergebnisse erwarten
28
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
Warum Prozessorientierung?
Neben den beschriebenen Zielkonflikten war in der Verwaltung aber bei der Bearbeitung eines Vorgangs durch
mehrere Sachbearbeiter nach wie vor mit erheblichen Leer- und Wartezeiten zu rechnen.
Folge:
Jeder Sachbearbeiter musste sich neu einarbeiten.
Bis zu 90% Leer- und Wartezeiten fielen dabei an.
Folge:
•
•
•
Die Vorgänge dauerten sehr lange,
hohe Bearbeitungskosten fielen an,
der Kunde wanderte zur schnelleren Konkurrenz ab.
Am Beispiel von IBMs Absatzfinanzierungsprozess wird dies noch einmal veranschaulicht:
Telefonist
Antrag
aufnehmen
Finanzierungsanfrage
vom Vertrieb
Spezialist
Antrag
prüfen
Spezialist
Spezialist
Schreibkraft
Konditionen
definieren
Zins
festsetzen
Angebot
verfassen
durchschnittliche Durchlaufzeit 6 Tage
d. h. 6 Tage, in denen das Geschäft wegen der ausbleibenden
Finanzierungszusage noch „platzen“ könnte
Kunde erhält
Angebot
Eventuell tragen hier die Schüler mit ihren Erfahrungen über die Dauer von Vorgä ngen im Ausbildungsbetrieb bei.
3.2 Prozessorientierte Organisation
3.2.1 Was ist also ein Prozess?
Ein Prozess wird verstanden als die zeitliche und sachlogische Abfolge von Funktionen, die zur Bearbeitung
eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts notwendig sind und eine Wertschöpfung erbringen.
Ein Objekt ist z. B.
eine Rechnung: Die Bearbeitungsschritte sind in diesem Fall
Rechnungseingang è Rechnungsprü fung è Rechnungsausgleich.
ein Kundenauftrag: Die Bearbeitungsschritte (siehe Gehlenbuch S. 56)
gehen von der Prü fung des Kreditlimits bis zum Zahlungseingang.
Die Kette von Tätigkeiten (Prozesskette) kann in diesem Beispiel
von einem Sachbearbeiter alleine erledigt werden.
29
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
Der Prozess ist durch Folgendes gekennzeichnet:
• Er wird durch ein Ereignis ausgelöst und endet erst, wenn das Prozessziel erreicht ist
• Er wird in der Regel arbeitsteilig organisiert, d. h. in Teilprozesse zerlegt
• Prozesse sind auf Wiederholung angelegt
• Prozesse haben definierte Ergebnisse, z. B. Produkte, Dienstleistungen, Informationen
• Prozesse haben definierte Kunden:
externe und interne (also auch an jeder Schnittstelle des Teilprozesses)
• Prozesse sind messbar: Zeit (z. B. Durchlaufzeit), Kosten (z. B. Prozesskosten ), Qualität (z. B.
verschiedene Qualitätsmaß e)
• Prozesse sind zu steuern (Prozessverantwortlicher)
Hinweis zur Einfü hrung:
Das Interesse fü r die Einfü hrung könnte mit einem aktuellen Bezug geweckt werden, z. B. von einer gerade
aktuellen Fusion innerhalb einer Branche oder auch branchen- oder länderü bergreifend, aus der sich die Frage
nach den „Synergieeffekten“ ergibt, die von den Managern beschworen werden.
Beispiel: „Wal Mart“ drä ngt auf den deutschen Lebensmitteleinzelhandelsmarkt mit dem Versprechen „günstigere Preise und besserer
Service“. Da am deutschen Markt die Preise deutlich niedriger sind als z. B. in Frankreich, die Gewinnspannen aber eher
unterdurchschnittlich sind, stellt sich die Frage nach dem unter-
nehmerischen Spielraum.
•
Globalisierung und Marktmacht: Wal- Mart ist weltweit prä sent und kö nnte einen Preiskrieg
übereine lä ngere Zeit finanzieren:
•
Sind bei Wal- Mart die Prozessablä ufe besser strukturiert und wie? (3.3 bis 3.6)
•
Z. B. Informationsfluss von der Scannerkasse zum Lieferanten è geschlossenes
Warenwirtschaftssystem è Verminderung der Kapitalbindung durch Optimierung des
Warenbestandes
Diese Einfü hrung ist in leistungsstarken Klassen als Einstieg mit Diskussion sehr gut geeignet, in schwächeren
Klassen mit weniger wirtschaftspolitischem Interesse muss nach Bedarf gekü rzt werden.
3.2.2 Prozessorientierte Sichtweise
v
Prozessorientierung erfordert eine um 90° gedrehte Sichtweise der Unternehmertä tigkeit
- traditionelle Sichtweise: vertikal
- prozessorientierte Sichtweise: horizontal
- Integration vor- und nachgelagerter
Schritte zu einem Prozess
è Rü ckbesinnung auf den Wertschöpfungsprozess als Ausgangspunkt der unternehmerischen Tätigkeit
30
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
v
Prozessorientierung erfordert eine kundenorientierte Sichtweise der Wertschö pfung z. B. von der
Kundenanfrage bis zur vom Kunden abgenommenen Lö sung
v
Prozessorientierung bezieht sich auf alle internen Unternehmensprozesse
Steuerungsprozesse
der primären und sekundären Prozesse
Primäre Geschäftsprozesse
direkter Bezug zum externen
Kundennutzen (Kernprozesse)
Sekundäre Geschäftsprozesse
Steuerungsprozesse
z.B. Controlling (Planung u. Berichtswesen)
primäre Geschäftsprozesse
z.B. Produktentwicklung, Auftra gsabwicklung, Kundenservice
sekundäre Geschäftsprozesse
z. B. Instandhaltung, Personalbereitstel lung
v
Prozessorientierung erfordert einen Blick über die Unternehmensgrenzen hinaus
Lieferer
Ausgangspunkt fü r die neue Konfiguration von Unternehmen ist die
ganzheitliche, auf die marktorientierte Leistungserstellung
ausgerichtete Wertschöpfungskette
Kunde
Unternehmung
3.2.3 Prozessorientierte Leistungsketten
v
am Beispiel Automobilproduktion
v
Hersteller
Designstudio
F&E
Design
Zulieferer
Rohstoffpr.
Hersteller
Teilefertig.
Montage
Materialfluss
Hä ndlernetz in der
Nutzungsphase
Vertrieb
Service
Hersteller
Entsorgung
Nutzung
durch Kunden
Informationsfluss
31
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
Neudefinition der Leistungskette am Beispiel Benetton (weltweiter Textilan bieter)
Jeder Teilprozess ist nur durch die Schnittstelle mit dem nächsten Prozess verbunden. Der Teilprozess „Färben“
kam frü her nach dem Teilprozess „Garnproduktion“ . Obwohl weltweit vertreten, ist es möglich, täglich die
neuesten Absatzinformationen zu bü ndeln und auszuwerten. Dadurch, dass der Teilprozess „Färben“ erst nach
dem Teilprozess „Stricken, Nähen“ kommt, ist es Benetton möglich, binnen kü rzester Zeit auf Veränderungen,
z. B. neue Farbtrends am Absatzmarkt, zu reagieren. Wie aus der Leistungskette ersichtlich, ü bernimmt Benetton
nur noch das Design und die Vertriebslogistik.
Benetton
Lieferanten
Subunternehmer
Subunternehmer
Subunternehmer
Benetton
Design
Garnprod.
Weben
Stricken
Nä hen
Fä rben
Vertriebslogistik
intern
Markt
Mischform
Mischform
Mischform
v
Franchisenehmer
Einzelhandel
inkl. Rechnung
u. Lieferschein
Mischform
intern
Mö gliche Abwicklungsformen für jeden Schritt der Leistungskette
dezentral
Entscheidungsbefugnisse
kurzfristiger Kaufvertrag
langfristiger Kaufvertrag
Lizenzen
Franchising
Kapitalbeteiligung
Joint-Venture
Finanz - Holding
Management-Holding
divisionale Organisation
funktionale Organisation
zentral
im Unternehmen
Eigentumsrechte
am Markt
Anhand dieser Ü bersicht kann auf die verschiedenen Formen von Finanzierung und Konzentration eingegangen
werden. Am Anfang war der Unternehmer fü r alles zuständig. Alle Aufgaben waren zentral gebü ndelt.
Trend: schrittweises Abgeben von Funktionen und Risiken, z. B. Franchising und Lizenzen als eine Möglichkeit,
sich auf Kernprozesse zu beschränken und durch Outsourcing fehlende Bereiche, z. B. Marketing oder
Forschung und Entwicklung, hereinzunehmen bis zum kurzfristigen Kaufvertrag als Extremfall der
Risikoabwälzung.
32
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
3.2.4 Gestaltung betriebswirtschaftlicher Prozesse
3.2.4.1
Die fü nf Schritte zur Prozessorientierung
Prozesse
definieren
Prozesse
rekonstruieren
Prozessziele
definieren
Prozesse
optimieren
Strukturierung der Aktivitäten
Ø Kunden
Ø Ergebnisse
Ø Messgröß en
Identifizierung von
Prozessabläufen, -ressourcen und
Darstellung durch Messgröß en im
Ist-Zustand (siehe auch Punkt 5)
internes/externes Benchmarking
Ø Prozess Benchmarks
(Zeit, Kosten, Qualität)
Ø Best-Practice = effizientester
Weg der Zielerreichung
bezogen auf die Organisation
Ø
Ø
Ø
laufendes Prozessmanagement
Analyse
Ø
Ø
Neugestaltung der
Prozessabläufe
Arbeitsgestaltung und
organisatorische Verankerung
(siehe auch Punkt 7)
Verankerung der
Prozesssteuerung
Verknü pfung mit
Anreizsystemen
Organisation
Controlling
33
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
3.2.4.2
Fords beschleunigter Einkaufsprozess:
Durch die Einfü hrung eines Online-Datenbanksystems wurde die Voraussetzung dafü r geschaffen, Reibungsverluste an den Abteilungsgrenzen zu minimieren oder ganz zu eliminieren .
Neuer Einkaufsprozess
Einkaufsabteilung
Bestellung
Eintrag in
Datenbank
Ergebnisse
Warenannahme
Rechnungsabtlg.
Finanzabteilung
Warenannahme
Rechnungsbearbeitung
Bezahlung
75%
Einsparungen
Vergleich der Lfg
mit DB-Eintrag
Ü bereinstimmung?
jaè Annahme
è Eintrag in DB
Vergleich der ER
mit DB-Eintrag
Ü bereinstimmung
u. Wareneingang?
jaèRechnungsanweisung
automatisierte
Zahlungsausführung
Qualitä tsverbesserung
Online-Datenbanksystem
Quelle: Hammer 1990
Ü bergang zum Gutschriftsverfahren: Dies fü hrt zu einer weiteren Vereinfachung
Einkaufsprozess mit Gutschriftsverfahren
Einkaufsabteilung
Bestellung
Eintrag in
Datenbank
Warenannahme
Warenannahme
Finanzabteilung
Zahlungsanweisung
Vergleich der Lfg mit DB-Eintrag
Bei Ü bereinstimmung
è Annahme
è Zahlungsanweisung
Lieferschein gilt gleichzeitig
als Rechnung
Bezahlung
Eintrag in
Datenbank
zusä tzliche
Potenziale
An
diesem
Beispiel
kö nnen die Schüler der
10.
Klasse
bereits
Erfahrungen aus ihrem
Ausbildungsbetrieb einbringen und die Unterschiede der Ablä ufe bei
der Bearbeitung der Eingangsrechnung darstellen und vergleichen.
Online-Datenbanksystem
Hinweis auf EDI = Electronic Data Interchange: „umfasst den Austausch von Daten zwischen Unternehmen per
Datenfernü bertragung, um Geschäftsprozesse zu rationalisieren“ .
34
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
3.2.4.3
Die durchgängige Versorgungskette
Die Optimierung des gesamten Prozesses zwischen Hersteller, Handel und Konsument von der isolierten
Verarbeitung von Informations- und Warenflü ssen zur durchgängigen Versorgungskette
zeitgerechter, papierloser, fehlerfreier und
gegenseitiger Informationsfluß durch EDI
Bestellverlauf
Lieferant
Lager
Spediteur
Handel
Verbraucher
Lieferant
Lager
Warenfluss
Spediteur
Handel
Verbraucher
Versorgung
Nachfrage
Minimierung der
Versorgungskosten
Maximierung der
Filialleistung am Standort
reibungsloser, kontinuierlicher und
verbrauchsorientierter Warenfluss
Die unterschiedlichen Stufen der Integration auf dem Weg zur durchgängigen
Versorgungskette
Schü ler liefern dazu Beispiele aus dem Ausbildungsbetrieb
zunehmende Integration
Ø
„manuelles ECR“
manueller
Stammdatenabgleich
Ø
Ø
Bestellung via Fax
Ø
Ø
Ø
kein Austausch von
Abverkaufszahlen
Abgleich der
Verkaufsdaten und
Bestellungen via EDI
automatische Ü bermittlung
der Verkaufszahlen an
Hersteller
Ø
Lieferanzeige via EDI
Ø
Ø
Lieferanzeige per Fax
Hersteller verantwortlich fü r
Auffü llung der Händlerregale
Ø
Ø
nicht automatisierter
Rechnungsabgleich
automatischer
Rechnungsabgleich ü ber
EDI
Ø
Hersteller erhält festen
Anteil pro verkauftem Stü ck
Ø
„klassische Lieferkette“
Stammdatenabgleich
via EDI
„integrierte Versorgungskette“
Ø gemeinsame
Stammdatenbasis
elektronisches
Gutschriftsverfahren
EDI stellt ein wesentliches Instrument zur
Steuerung und Optimierung des Warenflusses dar
35
IT-Berufe – Vom Ablauf zum Prozess
3.2.5 Literaturhinweise
Landesinstitut fü r
Unterricht, Stuttgart
Neuburger, H.
Döring / Hagel / Piek
Medien Institut Bremen
Erziehung
und Geschäftsprozessorientierte Betriebswirtschaftslehre
Präsentationsunterlagen der LMU Mü nchen
Wirtschafts- und Geschäftsprozesse, Basiswissen IT-Berufe, Stam Verlag,
Köln
IT-Ausbildung
Band 1: Geschäftsprozesse und betriebliche Organisation
Band 8: Fachwörter mit Begriffsbestimmungen
36
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
4
Abbildungsmöglichkeiten von betriebswirtschaftlichen
Prozessen
Mit Hilfe der Modellbildung kann ü ber die Abstraktion vom komplexen Sachverhalt die Neugestaltung der
betrieblichen Abläufe wesentlich vereinfacht werden. Ziel der Modellbildung ist es, durch Konzentration auf die
untersuchungsrelevanten Komponenten und ihrer Beziehungen die Transparenz der ablauforganisatorischen
Zusammenhänge zu erhöhen.
4.1 Ablauf der Prozessanalyse
Die Analyse von Geschäftsprozessen ist in der Regel kein Selbstzweck, sondern erfolgt vor dem Hintergrund
bestimmter Zielsetzungen. Viele Unternehmen ü berprü fen bei der Einfü hrung neuer EDV-Systeme die
bestehenden Prozesse auf ihre weitere Gü ltigkeit und nehmen gegebenenfalls Ä nderungen vor. Dieser Vorgang
wird als Geschäftsprozessoptimierung oder Business Process Reengineering (BPR) bezeichnet.
Die Prozessanalyse erfolgt in zwei Schritten:
(1) Identifikation der Kernprozesse
Mit dem BPR verfolgt das Unternehmen bestimmte Ziele. Solche Ziele können Minimierung der Kosten bzw.
Durchlaufzeiten, Erhöhung der Qualität oder Kundenzufriedenheit sein. Vor diesem Hintergrund mü ssen die
Kernprozesse herausgefiltert werden, die den größ ten Anteil zur Erreichung dieser Ziele beitragen.
(2) Modellierung des Ist-Zustandes und Analyse des Ist-Zustandes (Schwachstellenanalyse)
Der ausgewählte Prozess muss nun in Teilprozesse und einzelne Prozesselemente (Arbeitsabläufe) zerlegt
werden. Diese sind dann nach der zeitlichen Reihenfolge ihrer Bearbeitung zu ordnen. Es wird hierbei
aufgezeigt, welche Teilprozesse abgeschlossen sein mü ssen, bevor mit einem weiteren Teilprozess begonnen
werden kann, welche Arbeiten die Aufgabenträger zu erledigen haben und welche Zeit hierfü r benötigt wird.
Auch werden Schnittstellen zu anderen Prozessen und Schwachstellen wie z. B. unzureichende ITSystemunterstü tzung aufgedeckt. Um den Ist-Zustand abzubilden, bedient man sich dabei des gesamten
ablauforganisatorischen Dokumentationsinstrumentariums.
37
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
4.2 Abbildungsmöglichkeiten
4.2.1 Balkendiagramm (Gantt-Diagramm)
Mit dem Balkendiagramm können zwar Geschäftsprozesse abgebildet werden, aber komplexe Abläufe sind nicht
darstellbar. Haupteinsatzgebiet des Gantt-Diagramms stellt daher die Darstellung der Ablauforganisation dar.
Hierzu wird auf die Ausfü hrungen im Punkt 2.3.2.1 verwiesen.
4.2.2 Ablaufdiagramme
Das Ablaufdiagramm ist leicht verständlich und ermöglicht durch Verwendung der fü nf Grundsymbole eine
weitgehend detaillierte Darstellung. Im Prinzip handelt es sich bei dem Ablaufdiagramm um eine Darstellung
verschiedener Angaben in Matrixform, wie etwa das „Was“ und das „Wer“ einer Aktivität.
Grundelemente:
Bearbeitung
Transport
Kontrolle
Lagerung
Verzögerung
38
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Ablaufdiagramm: Auftragsbearbeitung in der Abteilung Versand
Nr. Stufen des Arbeitsablaufs
Symbole
Weg
in m
=
Sachbearbeiter erhält Bestellschein von Poststelle
30
=
Meldung an Poststelle, dass Lieferschein fehlt
2 Lieferscheinkopien von Poststelle an Sachbearbeiter
Sachbearbeiter trennt Kopien
=
30
=
50
=
=
Lagerkartenfü hrer legt Kopie ab
Sachbearbeiter fü gt Bestellschein und 2. Kopie des
Lieferscheins zusammen
=
Sachbearbeiter prü ft Ü bereinstimmung
=
Sachbearbeiter prü ft Konditionen
=
Sachbearbeiter gibt Lieferschein und Bestellschein an
Fakturisten weiter
Fakturist schreibt Rechnung
15
=
Sachbearbeiter gibt eine Kopie an Lagerkartenfü hrer
Lagerkartenfü hrer verbucht Lieferung
Zeit in
Min.
=
15
=
25
=
Fakturist gibt Lieferschein, Bestellschein und
Rechnung an Rechnungsprü fer weiter
Rechnungsprü fer kontrolliert Mengen, Preise,
Konditionen und Adresse
=
Rechnungsprü fer gibt die korrekten Unterlagen an den
Sachbearbeiter zurü ck
=
30
=
Sachbearbeiter legt diese ab
4
6
3
1
2
180
15
Hinweis fü r den Unterrichtseinsatz:
Den Schülern wird die Auftragsbearbeitung in der Abteilung Versand in Textform vorgelegt, den sie in 16 Teilschritte zerlegen sollen. Als
Hilfestellung kann hierzu das Unterstreichen der relevanten Satzteile empfohlen werden. Die unterstrichenen Textpassagen müssen nun in
kurze Sä tze umformuliert werden, die dann in chronologischer Reihenfolge in die zweite Spalte des Ablaufdiagramms eingetragen werden
müssen. Zum Schluss wird den 16 Arbeitsschritten jeweils ein Grundelement zugeordnet, die zu einer Ablauflinie verbunden werden.
39
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Ablaufdiagramm: Auftragsbearbeitung in der Abteilung Versand
Der Sachbearbeiter der Versandabteilung erhält von der Poststelle einen Bestellschein. Bei der Ü bergabe der
Unterlagen stellt er fest, dass der benötigte Lieferschein fehlt. Daraufhin ü bersendet die Poststelle an den
Sachbearbeiter die zwei gewü nschten Kopien. Der Sachbearbeiter trennt die Kopien und gibt einen Durchschlag
an den Lagerkartenfü hrer weiter. Dieser verbucht die Lieferung und legt die Kopie ab. Währenddessen fü gt der
Sachbearbeiter der Versandabteilung die zweite Kopie des Lieferscheins mit dem vorher eingegangenen
Bestellschein zusammen und prü ft deren Ü bereinstimmung. Nachdem der Sachbearbeiter noch die Konditionen
kontrolliert hat, gibt er den Lieferschein und den Bestellschein an den Fakturisten weiter. Der Fakturist schreibt
daraufhin die Rechnung. Lieferschein, Bestellschein und Rechnung werden anschlie ß end dem Rechnungsprü fer
ü bergeben, der Menge, Preis, Konditionen und Adresse ü berprü ft. Zuletzt werden die korrekten Unterlagen vom
Rechnungsprü fer an den Sachbearbeiter zurü ckgegeben, der diese dann ablegt.
Nr. Stufen des Arbeitsablaufs
Weg
in m
Symbole
Zeit in
Min.
30
15
30
50
15
25
30
4
6
3
1
2
180
15
40
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
In Ablaufdiagrammen muss der Schwerpunkt nicht auf der Darstellung der Tätigkeiten ü ber die Grundelemente
liegen, sondern er kann sich auch auf die Visualisierung der Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen richten.
Anhand folgenden Beispiels soll dies dargestellt werden.
Eingang des Kundenauftrags
sichten, Stempel, verteilen
Auslieferungsauftrag
erstellen
Prü fen, ob bestellte
Ware vorrätig
Kundenauftrag
0
Auslieferungsauftrag
0
Auslieferungsauftrag
0
Offene Posten auf
Rü ckstände prü fen
Auslieferungsauftrag
Rechnung mit Lieferschein
ausschreiben (Formularsatz)
Auslieferungsauftrag,
Lieferschein, Rechnung
Ware zusammenstellen und
verpacken
Auslieferungsauftrag,
Lieferschein
0
0
Lieferschein beilegen,
Rechnung buchen
Rechnung, Ware
0
Versandpapiere ausschreiben
Auslieferungsauftrag, Ware
Ware verladen, Rü ckgabe des
Auslieferungsauftrags an Vertrieb
Auslieferungsauftrag, Ware
0
Rechnung mit
Auslieferungsauftrag vergleichen
Rechnung,
Auslieferungsauftrag
0
0
Rechnung an Kunden senden
Rechnung
0
Auslieferungsauftrag an
Auß endienst senden
Auslieferungsauftrag
0
0
00
0
0
0
0
0
41
Verweildauer (Std.)
Zeitdauer (min)
Logistik
Fakturierung
Fertigwarenlager
Sachmittel
Vertrieb
Prozessverlauf
Verwaltung
Lfd
Nr.
Rechnungswesen
Ablaufdiagramm: Bearbeitung einer Kundenbestellung
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
42
Zeitdauer (min)
Logistik
Rechnungswesen
Fakturierung
Fertigwarenlager
Sachmittel
Vertrieb
Prozessverlauf
Verwaltung
Lfd
Nr.
Verweildauer (Std.)
Ablaufdiagramm: Bearbeitung einer Kundenbestellung
In der Abteilung Verwaltung werden eingehende Kundenaufträge zunächst gesichtet, mit einen Stempel
versehen und dann an den Vertrieb weitergeleitet. Hier wird dann ein Auslieferungsauftrag erstellt, der an das
Fertigwarenlager ü bergeben wird. Das Fertigwarenlager prü ft, ob die Bestellung vorrätig ist, und gibt den
Auslieferungsauftrag ans Rechnungswesen weiter, das nun kontrolliert, ob noch offenen Posten bei diesen
Kunden bestehen. Nun wird der Auslieferungsauftrag an die Fakturierung weitergegeben, die die Rechnung und
den Lieferschein ausstellt. Die nun dort vorliegenden Formulare werden dann folgendermaß en weitergeleitet:
Den Auslieferungsauftrag und den Lieferschein erhält das Fertigwarenlager, die Rechnung erhält das
Rechnungswesen. Im Fertigwarenlager wird die Ware zusammengestellt, verpackt und gemeinsam mit
Lieferschein und Auslieferungsauftrag an die Logistik weitergegeben. Gleichzeitig wird im Rechnungswesen die
Rechnung verbucht. Die Logistik stellt die Versandpapiere aus, verlädt die Ware zusammen mit dem
Lieferschein und gibt den Auslieferungsauftrag zurü ck an den Vertrieb. Der Vertrieb vergleicht nun den
Auslieferungsauftrag mit der vom Rechnungswesen eingegangenen Rechnung. Auslieferungsauftrag und
Rechnung werden an die Verwaltung weitergegeben, wobei diese die Rechnung an den Kunden schickt und den
Auslieferungsauftrag dem Auß endienst zusendet.
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
4.2.3 Programmablaufplan
Programmablaufpläne bestehen aus Sinnbildern mit zugehörigem Text und richtungsanzeigenden
Verbindungslinien. Hier stehen Art und zeitliche Reihenfolge der Operationen und die möglichen
Verzweigungen eines Ablaufes in ihrer Abhängigkeit von Bedingungen im Vordergrund. Die Sinnbilder der
Programmablaufpläne ermöglichen eine Darstellung von allgemeinen Verarbeitungsschritten. Eine Darstellung
der benötigten Ressourcen bzw. der Inputobjekte und der beteiligten Unternehmenseinheiten ist nicht möglich.
Die Beschreibung ist auf eine sequenzielle Reihenfolgebeziehung beschränkt, sodass parallele Verläufe nicht
abgebildet werden können. Als Symbole werden verwendet:
Operation allgemein
Ablauflinie (flow line)
Verzweigung
Zusammenfü hrung
Unterprogramm
Ü bergangsstelle
Programmmodifikation
Grenzstelle
Operation von Hand
Eingabe, Ausgabe
Bemerkung
Beispiel : Bestellungsabwicklung
Der Lagerbestand wird daraufhin ü berprü ft, ob der Meldebestand erreicht ist. Ist dieser nicht erreicht, so erfolgt
die Ü berprü fung zu einem späteren Zeitpunkt; ist er erreicht, muss neue Ware angefordert werden. Eine sofortige
Bestellung kann nur dann erfolgen, wenn fü r diesen Artikel keine Angebotseinholung notwendig ist.
Anderenfalls mü ssen Angebote eingeholt werden. Nicht termingerechte Angebote mü ssen angemahnt werden,
sonst können sie gleich geprü ft und verglichen werden. Kommt man zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis,
muss mit den Lieferanten verhandelt werden. Bei einem zufrieden stellenden Ergebnis wird der geeignete
Lieferant ausgewählt und an die nicht berü cksichtigten Anbieter wird eine Absage geschrieben. Anschließ end
wird bei dem ausgewählten Lieferanten bestellt.
43
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Programmablaufplan: Bestellungsabwicklung
Lagerbestand ü berprü fen
nein
Ist Meldebestand erreicht?
ja
Bestellungsanforderung
nein
Angebotseinholung notwendig?
ja
Angebotseinholung
Mahnung
nein
Angebote termingerecht
vorhanden
ja
Angebotsprü fung
Angebotsvergleich
Verhandlungen
mit Lieferanten
nein
Ergebnis des Angebotsvergleichs
zufrieden stellend
ja
Lieferantenauswahl
Absage an nicht berü cksichtigte
Anbieter
Bestellung
44
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Ü bung: Angebotserstellung
Die Anlagenbau GmbH bekommt eine schriftliche bzw. telefonische Kundenanfrage fü r die Erstellung einer
kleinen Hausbrauerei. Nun ü berprü ft die Anlagenbau GmbH, ob der Auftrag fü r sie machbar ist. Wenn nicht,
wird eine Absage erteilt, anderenfalls fü hrt sie eine Risikoabschätzung mittels Feasibility-Studie durch. Ist das
Risiko zu hoch, wird eine Absage erteilt, sonst wird ein Angebot erstellt. Hierfü r mü ssen die Angebotsdaten
ermittelt, Termine festgelegt sowie die Vorkalkulation und der Angebotsentwurf erstellt werden. Der Kunde
kann nun entscheiden, ob er dieses Angebot annimmt. Wenn er Ä nderungswü nsche hat, mü ssen Angebotsdaten,
Termine, Vorkalkulation und Angebotsentwurf neu ausgearbeitet werden. Ansonsten wird das Angebot
verbindlich.
Kunde
telefonisch,
schriftlich
Kundenanfrage
nein
machbar
Absage
QM-Plan
Risikoabschä tzung
nein
Feasibility-Studie
=Machbarkeitsstudie
Angebotserstellung
Absage
ja
Angebotsdaten
ermitteln
Termine
festlegen
Vorkalkulation
Angebotsentw urf
ja
Ä nderungsw unsch
des Kunden
nein
45
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Ü bung: Angebotserstellung
Die Anlagenbau GmbH bekommt eine schriftliche bzw. telefonische Kundenanfrage fü r die Erstellung einer
kleinen Hausbrauerei. Nun ü berprü ft die Anlagenbau GmbH, ob der Auftrag fü r sie machbar ist. Wenn nicht,
wird eine Absage erteilt, anderenfalls fü hrt sie eine Risikoabschätzung mittels Feasibility-Studie durch. Ist das
Risiko zu hoch, wird eine Absage erteilt, sonst wird ein Angebot erstellt. Hierfü r mü ssen die Angebotsdaten
ermittelt, Termine festgelegt sowie die Vorkalkulation und der Angebotsentwurf erstellt werden. Der Kunde
kann nun entscheiden, ob er dieses Angebot annimmt. Wenn er Ä nderungswü nsche hat, mü ssen Angebotsdaten,
Termine, Vorkalkulation und Angebotsentwurf neu ausgearbeitet werden. Ansonsten wird das Angebot
verbindlich.
46
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
4.2.4 Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK)
Die EPK-Methode ist das zentrale Element innerhalb der Geschäftsprozessmodellierung, da sie unterschiedliche
Schwerpunkte (Sichten) zur Beschreibung von Geschäftsprozessen ermöglicht. Neben der Ablaufstruktur zeigt
sie, wie Daten, Funktionen und Organisationseinheiten miteinander verbunden werden.
In der Organisationssicht wird die Zuordnung von Aufgaben auf betriebliche Aufgabenträger bzw. Unternehmensorganisationseinheiten bestimmt. Somit ist eine Prozessverfolgung ü ber mehrere Organisationseinheiten möglich. Da die Betriebsorganisation in der Regel nicht nach Geschäftsprozessen aufgebaut ist, lassen
sich so kontraproduktive Strukturen leicht aufzeigen.
Die Datensicht beschreibt die Zustände der am Prozess beteiligten Informationsobjekte. Auß erdem kann zu
jedem Informationsobjekt angegeben werden, von welcher organisatorischen Einheit es kommt bzw. zu welcher
organisatorischer Einheit es hingeschickt werden soll.
Die Funktionssicht enthält die Funktionen und Teilfunktionen eines Geschäftsprozesses (z. B. beim Wareneingang: „Ware prü fen“ ). Diese werden immer von Ereignissen angestoß en. Das Zusammenspiel von Funktionen und Ereignissen beschreibt den Prozessablauf.
Bei der professionellen Modellierung wird fü r jede dieser Sichten ein Fachkonzept, ein DV-Konzept und eine
Implementierung vorgesehen. Am Ende dieses Kapitels befindet sich ein Beispiel, das diese verschiedenen
Sichtweisen berü cksichtigt. Im Rahmen des Unterrichts Betriebswirtschaftliche Prozesse in der 10. Klasse sollte
man sich auf die Abbildung des betrieblichen Ablaufs beschränken (Fachkonzept).
Das Fachkonzept beschreibt dabei den Soll-Geschäftsprozess. Das DV-Konzept ü bersetzt und konkretisiert die
Anforderungen des Fachkonzepts in die Begriffswelt der Datenverarbeitung (erfolgt im Fach Programmierung
und Anwendungsentwicklung). Beschreibungsgegenstände sind Datenbankdesign (z. B. Entity-RelationshipModelle), Funktionsbeschreibungen (z. B. Struktogramme) usw. Bei der technischen Implementierung wird das
DV-Konzept in ein konkretes System, bestehend aus Hard- und Software, umgesetzt.
47
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Darstellung von Geschäftsprozessen mit der EPK-Methode
Die EPK-Methode besteht aus folgenden Elementen:
Bezeichnung
Symbol
Definition
Ereignis
Das Ereignis beschreibt das Eingetretensein
eines Zustandes, der eine Folge bewirkt.
Die Funktion beschreibt die Transformation
von einem Ereigniszustand in einen
Zielzustand.
Funktion
Verknü pfungsoperatoren
exkl. oder
und
Der Verknü pfungsoperator beschreibt die
logischen Verbindungen zwischen Ereignissen
und Funktionen bzw. Prozessen.
oder
Kontrollfluss
Prozesswegweiser
Organisatorische Einheit
Informationsobjekt
Der Kontrollfluss beschreibt die zeitlichsachlogischen Abhängigkeiten von
Ereignissen und Funktionen.
Der Prozesswegweiser zeigt die Verbindung
von einem bzw. zu einem anderen Prozess.
Die organisatorische Einheit beschreibt die
Gliederungsstruktur eines Unternehmens
(zeigt, wer was machen soll).
Ein Informationsobjekt beschreibt, welche
Informationen zur erfolgreichen
Aufgabenbearbeitung notwendig sind.
Informationsfluss
Der Informationsfluss gibt an, ob von einer
Funktion gelesen, geändert oder geschrieben
wird.
Organisatorische Einheiten
Zuordnung
Die organisatorische Einheitszuordnung
beschreibt, welche Einheit (Mitarbeiter) die
Funktion bearbeitet.
Mit der Methode der „Ereignisgesteuerten Prozesskette“ wird der betriebliche Ablauf in seinen zeitlichlogischen Abhängigkeiten von Ereignissen und Aufgaben (Funktionen) dargestellt. Der Auslösemechanismus
der Funktionen wird als Ereignis bezeichnet. Ereignisse stoß en einzelne Funktionen an und determinieren somit
die Ablauflogik. Durch die Zuordnung von Ereignissen zu Funktionen, die wiederum ein oder mehrere
Ereignisse erzeugen können, erhält man eine zusammengehörende Aufgaben- oder Funktionsabfolge. Die
Grundobjekte der Prozessstruktur „Ereignis“ und „Funktion“ werden ü ber eine gestrichelte Linie miteinander
verbunden (Kontrollfluss). Wichtig ist, dass eine EPK immer mit mindestens einem Ereignis (Startereignis) und
mit mindestens einem Schlussereignis (Endergebnis) abgeschlossen wird. Mit diesen beiden Grundelementen,
die ü ber verschiedene Verknü pfungsoperatoren verbunden werden, ist die Prozesskette eindeutig und transparent
beschreibbar. Die mit der Funktionsausfü hrung betrauten organisatorischen Einheiten sowie die in eine Funktion
ein- und ausgehenden Informationsobjekte komplettieren die Prozessstruktur zu einer ganzheitlichen
Aufgabenablaufbeschreibung.
48
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Somit ergibt sich folgende Grundstruktur einer EPK-Darstellung:
Ereignis
Info.objekt
Org.einheit
Funktion
Info.objekt
xor
Ereignis
Ereignis
Beispiel: Vom Wareneingang bis zur Bezahlung
Nachdem die Ware angeliefert ist, wird sie mit dem Posten auf dem Lieferschein verglichen. Sollten
Unstimmigkeiten vorhanden sein, wird die Ware abgelehnt, sonst wird sie angenommen und der Lieferschein
erfasst. Nun werden Ware und Lieferschein getrennt. Die Ware wird eingelagert, der Lieferschein wird an die
Abteilung Einkauf weitergegeben, wo er bei Rechnungseingang, ebenso wie die Bestellung, zur Rechnungsprü fung herangezogen wird. Ist alles in Ordnung, wird die Rechnung bezahlt.
49
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
EPK-Darstellung: Vom Wareneingang bis zur Bezahlung
Ware
angenommen
Warenannahme
abgelehnt
Lieferschein
erfassen
Lieferschein
Lieferschein
erfasst
Ü bergabe
Lieferschein
Wareneingang
Ware
einlagern
Ware ist
eingelagert
Lieferschein
bei
Rechnung bei
Einkauf
Bestellung
Lieferschein
Rechnung
Rechnung
prüfen
Einkauf
Rechnung
geprüft
Rechnung
bezahlen
Rechnung
bezahlt
50
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Hinweis fü r den Unterrichtseinsatz
Um die Schüler zu befä higen, einen Geschä ftsprozess mit Hilfe der EPK-Technik darstellen zu kö nnen, sollte
man ihnen einen Prozess schildern und gleichzeitig ein unbeschriftetes Ablaufdiagramm vorlegen. Die Schüler
müssen dann den Text zergliedern und in das vorgegebene Schema einfügen.
(vgl. hierzu Arbeitsblatt EPK-Darstellung: Bezahlung und Verbuchung einer Eingangsrechnung)
Im nä chsten Schritt wird nur der Prozess verbal geschildert. Das Ablaufdiagramm muss jetzt vollstä ndig erstellt
werden.
Beispiel 1: Bezahlung und Verbuchung einer Eingangsrechnung
Die eingegangene Lieferantenrechnung wird von der Rechnungskontrolle mit Hilfe der Bestellkopie und dem
Wareneingangsschein geprü ft. Erweist sich die Eingangsrechnung als fehlerhaft, so wird von der Rechnungskontrolle ein Begleitschreiben erstellt, in welchem der Rechnungsfehler ausgewiesen und dargestellt wird.
Begleitschreiben und fehlerhafte Rechnung werden an den Lieferanten zurü ckgeschickt.
Ist die Eingangsrechnung fehlerfrei, so wird sie von der Buchhaltung verbucht. Die Konten werden in der
Kontendatei fortgeschrieben und der Buchungssatz in der Buchungsdatei gespeichert.
L-Rech.
ist eingegangen
Rechnungskontrolle
Rechnung
Bestellkopie
Rechnungsprü fung
Wareneingangsschein
Rechnungskontrolle
Buchhaltung
Rechnung
fehlerfrei
Rechnung
fehlerhaft
fehlerhafte
Rechnung
Kontendatei
Verbuchung
Begleitschreiben erstellen
Buchungsdatei
Begleitschreiben
Rechnung
verbucht
Rechnung
retourniert
51
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
EPK-Darstellung: Bezahlung und Verbuchung einer Eingangsrechnung
Die eingegangene Lieferantenrechnung wird von der Rechnungskontrolle mit Hilfe der Bestellkopie und dem
Wareneingangsschein geprü ft. Erweist sich die Eingangsrechnung als fehlerhaft, so wird von der Rechnungskontrolle ein Begleitschreiben erstellt, in welchem der Rechnungsfehler ausgewiesen und dargestellt wird.
Begleitschreiben und fehlerhafte Rechnung werden an den Lieferanten zurü ckgeschickt.
Ist die Eingangsrechnung fehlerfrei, so wird sie von der Buchhaltung verbucht. Die Konten werden in der
Kontendatei fortgeschrieben und der Buchungssatz in der Buchungsdatei gespeichert.
52
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Zusammenfassendes Beispiel:
Fallbeschreibung
Beim Wareneingang wird die Ware an der Laderampe angenommen. Dabei vergleicht der annehmende
Lagerarbeiter den Lieferschein des LKW-Fahrers mit den offenen Bestellungen aus seinem Ordner. Ist ein
Bestellschein vorhanden, so wird die Ware angenommen, ist kein Bestellschein vorhanden, wird der Fahrer
weggeschickt. Danach wird die Ware hinsichtlich Typ und Menge in Augenschein genommen. Hierzu werden
Lieferschein und Bestellschein verglichen. Ist alles in Ordnung, erhält der Bestellschein den Stempel „Ware
eingetroffen“ und wird abgeheftet, ist die Lieferung augenscheinlich fehlerhaft, wird die „Annahme verweigert“ ,
ist nur eine Teilmenge geliefert, wird die gelieferte Menge vermerkt. Die Angaben werden auch auf dem
Lieferschein notiert, von dem eine Kopie einbehalten wird.
Organisationssicht
Die betriebliche Aufbauorganisation, auf der eine ereignisgesteuerte Prozesskette basiert, wird in einem
klassischen hierarchischen Organigramm abgebildet. Hieraus werden die Verantwortlichen und die zugeordneten
Mitarbeiter erkenntlich. Die Abbildung zeigt das Organigramm eines Lagers.
Lager
Wareneingang
Lagertransport
Hermann
Meier
Karl
Napp
Warenausgang
Ernst
Neger
Datensicht
Zur Darstellung eines Datenmodells soll ein einfaches Entity-Relationship-Modell (vergleiche hierzu das
Fach Projektierung und Anwendungsentwicklung) verwendet werden. In der neu eingefü hrten Tabelle
„Wareneingänge“ sind die teilgelieferten Mengen einer Bestellung mit Datum erfasst.
Teile
Bestellungen
Lieferer
Eingänge
53
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Feldbeschreibung der relevanten Tabelle:
Relation Teile
(TeileNummer, Bezeichnungen, Lagernummer, Teileart,...)
Relation Lieferer
(LiefererNummer, Name, PLZ,...)
Relation Bestellungen
(BestellNummer, Teilenummer, Menge, Preis, Lieferernummer, Bestelldatum, LieferungKomplett)
Relation Eingänge
(EingangsNummer, BestellNummer, Lieferdatum, Menge, Teillieferung)
Erläuterung:
Primärschlü ssel fett, Fremdschlü ssel unterstrichen, Teilelieferung ist ein logische Feld
Funktionssicht
Der Sachbearbeiter könnte in Zusammenarbeit mit dem DV-Spezialisten die folgende Bildschirmmaske zur
Unterstü tzung der Bearbeitungsfunktion vorschlagen:
Nach Eingabe der Bestellnummer laut Lieferschein erscheint die Bestellung samt Historie. Der Sachbearbeiter
kann jetzt seine Aufgaben durchfü hren und die Lieferung sachgerecht erfassen.
Die Masken können in einer ereignisorientierten, visuellen Programmiersprache (z. B. Visual Basic, VBA,
Delphi) mit Zugriff auf eine Datenbank (z. B. MS-Access) realisiert werden.
Prozesskette mit manueller Abwicklung (Ist-Analyse):
Die Verbindung erfolgt mit Hilfe von Pfeilen. Dabei bedeutet ein Pfeil mit Doppelspitze, dass Informationen in
die Funktion ein- und zurü ckfließ en. Ein einfacher Pfeil gibt den Informationsfluss an.
Die Verbindung zwischen Ereignissen und Funktionen erfolgt mit einfachen Pfeilen. Erzeugt eine Funktion
unterschiedliche Ausgangsereignisse, wird ein Operator zwischengeschaltet.
54
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Eingangslager
Ware
trifft ein
Lieferschein
identifizieren
Lieferschein
Bestellungen
Lieferung
abweisen
Eingangslager
XOR
Lieferung
identifiziert
Ware prü fen
Lieferung
abweisen
XOR
Lief. als T eillief.
kennzeichnen
Lief. als
vollständig
kennzeichnen
Prozesskette mit automatisierter Abwicklung im DV-System (Soll-Konzept)
Bei DV-gestü tzte Abwicklung wird ein neues Informationsobjekt „Wareneingänge“ eingefü hrt. Dieses dient der
DV-technischen Erfassung von Teilmengenlieferungen.
Identifiziert werden die Wareneingänge ü ber einen eigenen Schlü ssel. Durch die Einfü hrung der Tabelle
„Wareneingänge“ ist auch eine Kontrolle ü ber den Stand einer bzw. aller Lieferungen bzw. eine Lieferhistorie
möglich. In der manuellen Abwicklung sind diese Informationen nur mü hsam zu gewinnen.
55
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Eingangslager
Ware
trifft ein
Lieferschein
identifizieren
Lieferschein
Bestellungen
Lieferung
abweisen
XOR
Wareneingänge
Eingangslager
Lieferung
identifiziert
Ware prü fen,
offenen Menge
kontrollieren
und Menge im
DV-System
erfassen
Lieferung
abweisen
Lief. als T eillief.
kennzeichnen
XOR
XOR
Lief. als vollständig kennzeichnen
DV-Konzept – technische Konzeption
Zur Umsetzung wird ein ereignis-/objektorientiertes Programmiersystem und eine relationale Datenbank
verwendet. Das System soll lauffähig auf einem PC mit 32bit-Microsoft-Betriebssystem sein. Es soll ein
Standard-Pentium-Rechner eingesetzt werden.
Technische Implementierung
Bei der technischen Implementierung kann in diesem Fall z. B. das Softwareentwicklungssystem Visual Basic
unter Windows 95 und die Datenbank MS-Access verwendet werden. Dabei wird ein Zugriff mittels SQL auf die
Datenbank realisiert.
56
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Ü bungsaufgaben:
• Schriftliche Abschlussprü fung IHK-Gemeinschaftsstelle fü r bundeseinheitliche kaufmännische
Abschluss- und Zwischenprü fungen Sommer 2000 IT-Systemkaufmann Ganzheitliche Aufgabe II
•
Schriftliche Abschlussprü fung Baden-Wü rttemberg Winter 1999/2000 IT-Systemkaufmann
Ganzheitliche Aufgabe I
Im Folgendem wird die Abschlussprü fung von Baden-Wü rttemberg abgebildet:
Ausgangsituation:
Die Baumarktkette „FOOS“ verfolgt das Ziel, durch innovative Produktprogrammgestaltung zu den Do-ityourself-Kunden auch Handwerker, Architekten und Wiederverkäufer anzusprechen. Deshalb hat sie den
Fliesenmarkt „Fliesen Stupp“ aufgekauft und dessen Firmenbezeichnung in „Design-Fliesen GmbH“ geändert.
Der neue Geschäftsfü hrer der „Design-Fliesen GmbH“ beauftragt die Dialog GmbH, ein Systemberatungsunternehmen, bei der Sie als IT-Systemkaufmann/-frau beschäftigt sind, mit der Lösung des folgenden
Problems:
Bisher war es in der Firma nicht ü blich, bei der Bezahlung von Lieferantenrechnungen Skonto abzuziehen,
sondern es wurde der letztendlich sehr teure Lieferantenkredit in Anspruch genommen. Die Bearbeitung soll
daher ü berdacht werden.
Arbeitsauftrag
Erstellen Sie ein Prozessmodell (Organisationseinheit, Ereignisse, Funktionen, Informationsobje kte), das den
Ablauf des Prü fens, Buchens und Bezahlens einer Lieferantenrechnung abbildet (= ereignisgesteuerte
Prozesskette).
57
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
Einkauf
Rechnung
eingetroffen
Rechnung sachlich
u. rechnerisch
prü fen
Bestellung
Artikel
Rechnung
korrekt
Rechnung
weist
Mängel auf
RE-Mängel klären
und korrigieren
Bestellung
(Reklamation)
Korrigierte
RE erstellt/
eingetroffen
RE-Beleg an
Buchhaltung
weiterleiten
Geprüfter
RE-Beleg
eingetroffen
Disponentenentscheidung über
Skontoausnutzung
Rw/ Buchhaltung
Entscheidung
zur Zahlungsmodalität
getroffen
Beleg buchen
Finanzplan
Liquidität
FiBu Kreditoren
Sachkonten
RE-Beleg
gebucht
Zahlungstermin
erreicht
Bestellung
Zahlung durchführen u. buchen
FiBu Kreditoren
Sachkonten
Rechnung
bezahlt
Beleg
archivieren
Registratur
Archiv
Rechnungsbearbeitung
abgeschlossen
58
IT-Berufe – Abbildung von betriebswirtschaftlichen Prozessen
4.2.5 Literaturhinweise
Döring, T., Hagel, H., Piek, M.
Gaitanides, M.
Hü bscher, H. u. a.
Keller, G., Teufel, T.
Kracke P., Beilschmidt, L.
Kretschmar, T.
Landesinstitut fü r Erziehung und Unterricht –
Stuttgart
Scheer, A-W.
Vossen G., Becker, J. u. a.
Basiswissen IT-Berufe,
Wirtschafts- und Geschäftsprozesse, Köln 2000
Prozessorganisation, Mü nchen 1983
IT-Handbuch, IT-Systemelektroniker/-in Fachinformatiker/-in,
1. Auflage Braunschweig 1999
SAP R/3 prozessorientiert anwenden,
2. Auflage Bonn 1998
Informations- und Telekommunikationstechnik,
Kernqualifikationen, Bad Homburg 1999
Reengineering in der Unternehmung,
Göttingen 1997
Geschäftsprozessorientierte Betriebswirtschaftslehre. in: ZPGMitteilungen,
Ausgabe 21. September 1999
Prozessorientierte Unternehmensmodellierung,
Wiesbaden 1994
Geschäftsprozessmodellierung und Workflow-Management,
Modelle, Methoden, Werkzeuge,
1. Auflage Bonn 1996
59
IT-Berufe – Optimierung und Kontrolle von Geschäftsprozessen
5
Optimierung und Kontrolle von Geschäftsprozessen
Durch regelmäß ige Analysen lassen sich die eingefü hrten Prozesse zeitnah auf ihren Erfolg ü berprü fen. Dies
dient der ständigen Verbesserung und Optimierung (kaizen, oder KVP = kontinuierlicher Verbesserungsprozess) nach dem Motto „Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte“ . Werden mit den
laufenden Betriebs- und Verwaltungsprozessen die angestrebten Geschäftsergebnisse entlang der Wertschöpfungskette auch tatsächlich erreicht? Die Hauptaufgabe besteht also in erster Linie darin, die durch
Zielvereinbarung festgelegten Planwerte (Soll-Größ en) mit den im Prozess tatsächlich realisierten Ist-Größ en
zu vergleichen. Entsprechend der schnellen Veränderungen auf dem IT-Sektor muss ständig hinterfragt werden,
ob das Optimum von gestern auch heute noch zeitgemäß ist.
5.1 Optimierung von Geschäftsprozessen
Folgende Schritte fü hren zum Ziel:
•
Ablaufoptimierung, z. B. Soll-Ist-Abweichungen beseitigen oder durch neue Maschinen oder
Anwendungssysteme eine Beschleunigung erreichen, bis hin zur Automatisierung der Prozesse
•
Prozesse eliminieren, wenn sie keinen Beitrag zur Wertschöpfung leisten
•
Prozesse zusammenfassen und Personaleinsparung oder eine bessere Auslastung erre ichen
•
Prozesse auslagern
• intern, an andere Prozessbearbeiter im Unternehmen, wenn Teilvorgänge gleichzeitig oder
gleichartig durchgefü hrt werden
• extern, wenn die Prozessleistung gü nstiger erbracht wird (outsourcing), die einzelnen Bereiche im
Unternehmen mü ssen sich der Konkurrenz von auß en stellen (Der genaue Kostenvergleich ist
erst in der 12. Klasse im Fach Controlling durchführbar, wenn die Schüler die Einteilung in
fixe und variable Kosten sowie die Deckungsbeitragsrechnung kennen.)
Entscheidend fü r den Erfolg des Geschäftsprozesses ist das Prozessergebnis
als Beitrag
•
zur Erhöhung der Wertschöpfung
•
zur Befriedigung des Kundenbedü rfnisses
Die Klärung bringen die vielen möglichen Antworten auf die Fragen
•
warum ist der Kunde mit unserem Produkt zufrieden?
•
warum bleibt der Kunde dem Unternehmen treu?
•
warum ist der Kunde zur Konkurrenz abgewandert?
•
warum ist es nicht gelungen, jemanden als Kunden zu gewinnen?
60
IT-Berufe – Optimierung und Kontrolle von Geschäftsprozessen
5.2 Kontrolle von Geschäftsprozessen
Wie erfolgreich die Geschäftsprozesse im Unternehmen abgewickelt werden, entscheidet der Kunde.
Der Kunde ist dann zufrieden, wenn seine Erwartungen hinsichtlich
•
Qualität des Produktes oder der Dienstleistung
•
Kosten fü r das Produkt oder die Dienstleistung
•
•
Lieferzeit und Liefertreue
Mehr- oder Zusatzleistungen, z. B. Service, Rufbereitschaft usw., erfü llt werden.
Verschiedene Verfahren und Messgröß en zur Kontrolle der Erfolgsfaktoren
•
Ermittlung der Kundenzufriedenheit
(die ausfü hrliche Antwort auf diese Fragen ist Stoff der 11. Klasse)
-„die Kunden verstehen lernen”
-Mitarbeiter permanent sensibilisieren
-Kundenorientierung als Unternehmensphilosophie impleme ntieren
periodische Erfassung und Analyse von Daten
zur:
Ø Beschwerdeeanalyse
Ø Lost und Non-Customer-Analyse
Ø Kundenstrukturen, -segmente
Ø Entwicklungen, Trends
Daten verdichten
zu CSI und CLI
Ø
Ø
Identifikation von Standardprozessen und
kritischen Ablä ufen, z. B. Installationen,
Wartungen,
Reparaturen,
Reklamationen,
Beratungsgesprä chen, Service-Leistungen etc.
marketingpolitische Maß nahmen konzipieren,
um diese Prozesse und Entscheidungen zu
optimieren
Messen, Prüfen und Optimieren der
Kundenbindung und Kundenzufriedenheit
Ü berprüfen der Wirksamkeit der Maß nahmen
CSI = Customer Satisfaction Index = Kundenzufriedenheit
CLI = Customer Loyalities Index = Kundentreue
•
Nutzwertanalyse: Sie gibt Antwort auf die Frage, was die Maß nahme fü r den Gesamtprozess
bringt,und soll blinden Aktionismus vermeiden helfen (Instrument, z. B. ABC-Analyse).
•
Bearbeitungszeiten und Kosten fü r Kundenaufträge: Was kosten uns die einzelnen Teilprozesse
wirklich, wie teuer ist es, eine Rechnung zu schreiben, die Verbuchung des Zahlungseingangs, lohnt
sich die Einfü hrung von Edifact, was kostet es uns und welche Arbeitvorgänge fallen weg?
•
Kriterien des Qualitätsmanagements
Was ist Qualität? die Ü bereinstimmung von Soll und Ist
Das Soll bestimmt der Kunde
61
IT-Berufe – Optimierung und Kontrolle von Geschäftsprozessen
Konkrete Beispiele zu QM:
•
Ausschuss- oder Fehlerquoten
Jeder Fehler muss frü hzeitig erkannt und beseitigt werden.
Gegenü berstellung von Fehlern und ihren Fehlerfolgekosten:
z. B. Firma Eberle: Regler fü r Haushalte
ein fehlerhafter Transistor kostet
-,10 EUR
die Beseitigung eingebauter Fehlerteile kostet
1,00 EUR
die Korrektur bei der Endkontrolle kostet
10,00 EUR
die Reklamation durch den Kunden kostet
100,00 EUR
z. B. Wirtschaftlichkeit der Stichproben bei der dynamischen Wareneingangsprü fung
Wie viel Prü faufwand ist erforderlich?
è Der Prü faufwand verringert sich, wenn die Lieferung ü ber längere Zeit einwandfrei
war.
è Er erhöht sich sofort wieder bei neuem Fehlerauftritt.
z. B. Problem Vertauschungen:
Lösung:
Codekarte der Anforderung
Codemarkierung am Regal
•
•
Speicherstift
Der Rechner überprüft die
Ü bereinstimmung und
kontrolliert gleichzeitig.
Stö
rfälle im Betriebsablauf, z. B. durch Maschinenausfall oder Fehlplanung
Die Verantwortlichkeit erhöhen durch genaue Dokumentation der Wartung
Produkthaftung = die Haftung des Herstellers oder Importeurs fü r Schäden, die durch das
Produkt entstanden sind.
(Bekannt bei den Schülern sind die amerikanischen Beispiele: Katze in
der Mikrowelle trocknen oder Verbr ühung durch heißen Kaffe bei Mc
Donalds)
Durch ein gut dokumentiertes QM-System kann der Hersteller beweisen, dass
das Produkt fehlerfrei in den Verkehr kam
der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte und damit die
Haftung ausschließ en.
•
Betriebliche Kennzahlen
Kapitalproduktivität, Arbeitsproduktivität
Wirtschaftlichkeit
Rentabilität
(ist im Lehrplan bereits im 1. Halbjahr vorgesehen; eine weitere Vertiefung erfolgt in Jahrgangsstufe 12 Controlling)
•
Benchmarking
Vergleichbare Prozesse werden firmenintern (oder bei der Konkurrenz) untersucht und bewertet.
Warum sind die anderen so erfolgreich? Was macht sie so erfolgreich?
62
IT-Berufe – Optimierung und Kontrolle von Geschäftsprozessen
5.3 Literaturhinweise
Döring, T., Hagel, H., Piek, M.
Wirtschafts- und Geschäftsprozesse
Stam Verlag, Köln
Medien-Institut Bremen
Lernfelder und Kernkompetenzen
Band 1
Der Betrieb und sein Umfeld
Geschäftsprozesse und betriebliche
Organisation
Band 7
Rechnungswesen und Controlling
Bayerisches Staatsministerium fü r Wirtschaft, Verkehr und Qualitätsmanagement fü r kleiner und mittlere
Unternehmen
Technologie
Tel. 089/21 62-0
Fax 089/21 62-2665
63
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
6
Die Leistungs-, Geld- und Informationsflü sse eines Betriebes
als Beispiel fü r unternehmensü bergreifende Prozesse
Als Ausgangspunkt wird Aufgabe 3a) des Unterrichtsprojektes „Qualitä tsgesicherte Implementierung vernetzter
Systeme“herangezogen. In einer IST-Analyse sollen die Schüler zunä chst die internen Informationsflüsse sowie
die Leistungs-, Geld- und Informationsflüsse zu externen Kunden nach Erhalt eines Kundenauftrags
beschreiben. Als Hilfe steht ihnen das unten dargestellte Bild zur Verfügung. Anhand dieses Bildes lä sst sich
dann die gesamte Leistungs-, Geld- und Informationskette eines Betriebes mit den Schülern erarbeiten.
6.1 Leistungs-, Geld- und Informationsflü sse
Kreditinstitute
Einkauf
Kunden
Lieferanten
Rechnungswesen
Verkauf
Lager
64
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
DV-technische Prozessunterstü tzung - Die Informationsflü sse des Unternehmens
Mit Hilfe der Schü lererfahrungen können die folgenden neuen Kommunikationstechniken erarbeitet werden. Die
immer kü rzeren Reaktionszeiten im Unternehmensalltag erfordern eine durchgängige informationstechnische
Unterstü tzung der Geschäftsprozesse.
Neue Techniken der Bü rokommunikation ermöglichen und erzwingen grundlegende Reorganisation der
Informationsverarbeitung und -abläufe. DV-Systeme mü ssen auf einer unternehmensweiten Datenbank basieren
und die Ausfü hrung der Prozesse mit entsprechender Funktionalität unterstü tzen. Die Programme lassen sich an
ständig ändernde Prozesse anpassen. Auch ein Zugriff auf das weltweite Datennetz zur Kommunikation mit
Kunden, Lieferanten und Zweigwerken ist notwendig. Eine zentrale Rolle spielt dabei der E-Commerce.
Hierunter werden alle Formen der digitalen Unterstü tzung von Geschäftsprozessen verstanden. Im Business-tobusiness-Bereich spricht man von Electronic Data Interchange (EDI und EDIFACT), im Business-to-consumerBereich von Onlineshopping. Der elektronische Informationsaustausch zwischen Geschäftspartnern auf Basis
von Standards und Normen wird wesentlich schneller, sicherer und in der Regel zugleich kostengü nstiger
abgewickelt als bei herkömmlicher Technik. Zu beachten ist allerdings, dass auch die innerbetrieblichen
Informationsflü sse optimiert werden mü ssen.
6.2 Data-Warehousing
Unternehmen verfü gen in ihren DV-Systemen ü ber riesige Datenbestände, die oftmals ü ber eine Vielzahl von
Hardwareplattformen verstreut sind. In diesen Datenbergen verbirgt sich eine Vielzahl wertvoller Informationen,
ohne dass jemand weiß , wo sie sich befinden und was sie möglicherweise enthalten könnten. Das DataWarehouse hilft, das versteckte Wissen aufzuspü ren.
Um unternehmensinterne und -externe Veränderungen frü hzeitig erkennen und eventuell sogar prognostizieren
zu können, mü ssen den Entscheidungsträgern aller Unternehmensbereiche zum richtigen Zeitpunkt alle
relevanten Daten und Informationen zur Verfü gung stehen. Das Data-Warehouse ist deshalb eine Datenbank, die
nicht in erster Linie der Rationalisierung von Geschäftsabläufen, sondern der strategischen Informationsgewinnung dient. Information at your fingertip, d. h. Informationen auf Knopfdruck auch fü r die
Fachabteilungen des Unternehmens. Somit stellt das Data-Warehouse das Fundament fü r computergestü tzte
Entscheidungsfindung auf oberen Ebenen eines Unternehmens dar, wobei das Data-Warehouse den Managern
Informationen in strukturierter Form bereitstellt. Die Inhalte des Datenpools sind nach den besonderen
Informationsbedü rfnissen der Nutzer gespeichert und die Datenbank ermöglicht, im Unterschied zu
konventionellen Datenbanken, sehr komplexe und vielschichtige Abfragen und Analysen. Um die Daten zu
finden, muss die eingesetzte Software systemoffen sein. Sie greift auf alle f ü r die Entscheidungsfindung
relevanten Daten zu, und zwar ü ber sämtliche Betriebssysteme und Hardwareplattformen hinweg.
Typische Einsatzgebiete sind:
• Marketing-Entscheidungen (z. B. Zielgruppenmarketing, Analyse der Kundenzufriedenheit)
• Betrugserkennung bei Versicherungen
• Risk-Management bei Banken
Das Data-Warehouse ist nach Objekten (Produkte, Kunden, Märkte usw.) aufgebaut. Herzstü ck des DataWarehouses ist eine Metadatenbank, in der Kopien von Informationen aus mehreren Unternehmensdatenbanken (Vertriebs-, Lieferer-, Artikeldatenbanken, usw.) auf unterschiedlichen Hardwareplattformen
gesammelt und fü r die Anwender speziell aufbereitet und verdichtet werden. Dazu ist es nötig, die verteilten
Informationen in einen einheitlichen Datenbestand zu integrieren. Nicht die physikalische Zentralisation der
Daten, sondern deren logische Verknü pfung ist entscheidend. Zudem werden die Daten konsolidiert, d. h.
Inkonsistenzen der Datenbestände sowie Fehler, z. B. unterschiedliche Schlü ssel fü r identische Kundengruppen,
werden bereinigt.
65
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
Die aufbereiteten Daten lassen sich mit bestimmten Tools auswerten:
Ø Data Marts
kleine Informationssammlungen aus einem Informationspool, z. B. jeder einzelne Teilmarkt
Ø
Data Mining
Herkömmliche
Datenanalyse
Hypothesengenerierung
Anwender
Data
Mining
i.e.S.
Scannen
der
Datenbasis
Auswahl
der
Methode
Analyse
der
Datenbasis
StatistikExperte
IV-Experte/
-Syst.
Hypothesengenerierung
Zusammenfassung der
Ergebnisse
StatistikExperte
Analyse der Datenbasis /
Ergebnisausgabe
Interpretation der
Ergebnisse
Anwender
Interpretation
Interpretati
der
Ergebnison der
se
Ergebnisse
Anwender
Data-Mining-System
Data
Mining
Data
Mining
i.e.S.
i.w.S.
Scannen
der
Datenbasis
Hypothesengenerierung
Analyse der Datenbasis /
Ergebnisausgabe
Anwender
Anwender
Data-Mining-System
Interpretation
der Ergebnisse
Anwender
Die Datenmustererkennung filtert automatisch die bedeutsamsten und aussagekräftigsten Muster aus
groß en Datenmengen anhand bestimmter Hypothesen und präsentiert sie dem Anwender unter Angabe
der Verlässlichkeit in verständlicher Form. Der Anwender muss die Ergebnisse nur noch fachlich
beurteilen und fü r Entscheidungen nutzen.
„Knowledge Discovery is the nontrivial
extraction of implicit, previously unknown,
and potentially useful information from
data.” [FrPi91, 3]
Verfahrenseffizienz
Bewältigung von
Rohdaten
Allgemeine
Verwendbarkeit
Muster (Beispiel)
Wenn Artikelgruppe =
Tourenrä der, dann DB1 =
niedrig
Mit Sicherheit = 0,8-0,9
Interessantheit
der Ergebnisse
Autonomie
Verständlichkeit
der Ergebnisse
Sicherheit
3636 487587 9859 690507m 6060
uzreu894 949kf,m40 0407 mk,k 0ß4ß
76585 43984 kjdkj 984598 874393 87
64376432 983b kds 82 kodm 90w ß3ß
73289 9239432 9823jds 90ßkj 909 oöl
kjs pios aisß904 odso04964 ß0432 ß2 ß
rewiokf 43894re 9843re 984jr 3903 i90rri iitr
piore iotr 90gl4rd 9k45f 945i 9mf5 pol
66
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
•
•
Beispiele:
Das Data-Mining-Werkzeug hilft beispielsweise einem Kreditsachbearbeiter, die Merkmale zu identifizieren, die solvente Kunden beschreiben, und damit abzuschätzen, ob ein Kunde ein geringes oder
hohes Kreditrisiko darstellt.
Untersuchung von Konsumentendaten und Ableiten von Verhaltensprofilen. Die Daten enthielten Informationen zu mehr als 1.000 verschiedenen Produkten in mehreren 100.000 Haushalten. Insgesamt
dienten rund 1.300 Attribute zur Beschreibung der Haushalte.
Population
Target:
Erster Bausparvertrag
Alter
18-25
Einkommen
18-25
Familienstand
18-25
Haushaltsgröß e
18-25
Hausbesitz
18-25
Bildung
18-25
%
%
Regel
„Personen, die
zum ersten Mal
ja
nein
einen Bausparvertrag aballe
schließ en, sind
Subpopulation stark überreprä sentiert in
der Gruppe der
26- bis
35-jä hrigen.“
ja
nein
26-35 Jahre
Datenbank: Bausparer
•
Analyse des Einkaufsverhaltens in Supermärkten. Im Rahmen einer Warenkorbanalyse waren Regeln
aufzufinden, die Abhängigkeiten zwischen dem Verkauf verschiedener Produkte beschreiben. Es ergab
sich beispielsweise, dass zu 90 % Brot und Butter gemeinsam mit Milch eingekauft werden. Mit solchen
Regeln lassen sich Hinweise auf die optimale Regalanordnung geben.
Warenkorbdaten
Hypothesengenerierung
Regelbildung
67
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
Ø
OLAP-Tools (= Online Analytical Processing, d. h. mehrdimensionale Analysen von Datenbeständen, die
man aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann)
München
Produkt
Köln
Laser
Region
Tintenstrahl
Zeit
Die Kanten des Würfels entsprechen den Dimensionen, nach denen der Manager die
aggregierten Daten analysieren will. Durch Drehen und Schneiden lassen sich die
einzelnen Werte ermitteln.
6.3 Database Marketing
Definition:
i.w.S.: Lehre ü ber den Einsatz von Datenbanken aller Art fü r Marketingzwecke
i.e.S.: Lehre von der datenbankgesteuerten Kommunikation mit Marketing-Zielgruppen
Computer
Aided Selling
Direkt
Marketing
Database
Marketing
Managementinformationssysteme
Kundenspiegel
Auß endienststeuerung
Ein computerbasiertes Informations- und Entscheidungsunterstü tzungssystem, wie es hier vorliegt, sollte
folgende Möglichkeiten bieten:
•
Analyse der Position des Unternehmens im Markt
•
Abschätzung der Stärken und Schwächen des Unternehmens und der maß geblichen
Bestimmungsfaktoren des Erfolgs
•
Verstehen des Käuferverhaltens
•
Verstehen der Marktstruktur und Identifizierung geeigneter Marktsegmente
•
Aufstellung langfristiger Marketingziele fü r das Unternehmen
•
Definition des Marketing-Mix mit konkreten Vorgaben
•
Strategieumsetzung
•
EDV-gestü tzte Variantenrechnungen (Simulationen) zur Vertriebs- und Unternehmensplanung
•
Bereitstellung von Informationen ü ber die Kontaktpersonen in den Unternehmen sowie die
Kontakthistorie
68
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
Die folgende Grafik zeigt die Informationsflü sse innerhalb eines methoden- und modellgestü tzten
Informationssystems:
MarketingManager
Eingaben, Anfragen
Informationen
Stat.
Daten
MethodenBank
Dateneingaben
Modellanpassung
und Test
Modellbank
Stat. Daten
Datenabfragen
Daten
Modellergebnisse
Entscheidungen, Maß nahmen
Informationen
Benutzerschnittstelle
Expertenwissen
Datenbank
Daten
Modellergebnisse
Daten
Routine-Entscheidungen
MarketingUmfeld
6.4 Electronic Data Interchange (= EDI)
Als Eingangsbeispiel könnte die Einfü hrung von EDI bei Fendt GmbH & Co herangezogen werden.
Elektronischer Datenaustausch bei der Firma Fendt
Kunde
Fendt GmbH & Co
Bestellung
Lieferant
Lieferabruf
Zeichnung
Disposition/
Einkauf
Fertigungsunterlagen
Gut-/Lastschrift
Bestellung
SAP
Auftragsbestä tigung
Lieferschein
Lieferschein
Rechnung
Rechnung
Gut-/Lastschrift
Gut-/Lastschrift
Vertrieb/Auftragsabwicklung
Lager
Produkte
Teile
Das EDI-Projekt gewä hrleistet den sicheren und direkten Datenaustausch mit Lieferanten, um zeitkritische Bestellv orgä nge
besser abwickeln zu können.
Das EDI-Clearing-Center übernimmt die gesamten Kommunikation mit den EDI-Partnern.
69
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
Electronic Data Interchange umfasst den Austausch von Daten zwischen Unternehmen per
Datenfernü bertragung, um Geschäftsprozesse zu rationalisieren.
Problem:
Jedes Unternehmen hat individuelle Datenstrukturen und -formate, die i.d.R. nicht mit den
Daten anderer Unternehmen kompatibel sind.
Lösung: einheitlicher internationaler Standard fü r Austauschformate
EDI-Austauschformate
EDIFACT
EANCOM
EDIBDB
EDIFICE
CEFIC
EDITEX
EDIFURN
EDIOFFICE
ODETTE
SEDAS
ANSI
Erläuterungen
Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Tran sport
EDIFACT-Subset Konsumwirtschaft
EDIFACT-Subset Baumärkte
EDIFACT-Subset Elektroindustrie
EDIFACT-Subset Chemische Industrie
EDIFACT-Subset Textilindustrie
EDIFACT-Subset Möbelindustrie
EDIFACT-Subset Bü robedarf
Organization for Data Exchange by Tele Transmission in Europe
Standardregelungen einheitlicher Datensysteme
American National Standards Institute
Benötigte Komponenten:
•
Leitungsnetz fü r Datenfernü bertragung
•
Konvertierungssoftware
•
Software fü r Ein- und Auslesen von Daten
•
Rechner(-netze) auf beiden Seiten
EDI-Anwendungsbausteine
InhouseAnwendung
EDI-Standardsoftware
Ausgangsdaten
InhouseFormat
Ausgangsdaten
Sedas/EdifactFormat
Ausleseroutinen
Konvertersoftware
DFÜ Software
Einleseroutinen
70
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
Beurteilung:
Vorteile
Ø Kein Transport von Formularen in Papierform
Ø Direkte Verfü gbarkeit aller Daten durch
Speicherung
Ø Verbesserte Auswertungsmöglichkeiten
Ø Vereinfachte Archivierung
Ø Verbesserte Kontroll-/Planungsmöglichkeiten
Ø Beschleunigung der Bestell- und
Auftragszeiten
Ø Kü rzere Lieferzeiten
Ø Bessere Planung des optimalen Lagerbestands
(JIT-Lösung)
Ø Einsparung von Transportkosten durch
Bü ndelung von Lieferungen
Ø Minimierung von unproduktiver
Verwaltungsarbeit
Ø Informationsaustausch mit allen
Geschäftspartnern (Lieferer, Kunden, Banken,
Versicherungen, Transporteuren,
Marktforschungsinstituten, TelekomUnternehmen, Post, öffentliche Verwaltung)
möglich
Nachteile
Ø Kosten fü r die Beschaffung von Hard- und
Software
Ø Kosten fü r die innerbetriebliche Umstellung
der Ablauforganisation
Ø Kosten fü r die Schulung von Mitarbeitern
6.5 Verkauf via Internet (Onlineshopping)
Das Internet als elektronischer Markt eignet sich sowohl zum Informationsaustausch mit privaten als auch
gewerblichen Kunden.
Möglichkeiten fü r Unternehmen:
•
Präsentation von Produkten (Produktbeschreibung, Handbü cher, Videosequenzen, Demo-Versionen
zum downloaden)
•
Interaktive Kommunikation (Chat, E-Mail, Newsgroups)
Ø Interaktives Beziehungsmarketing (individuelles Eingehen auf die Kundenbedü rfnisse,
Beschwerdemanagement etc.)
Ø Dynamische Produktanpassung (personalisierte Information und individuelle Dienstleistung.
Vorreiter ist der bekannteste Lebensmitteleinkaufsdienst der USA „peapod“ , bei dem der Kunde
aus einem umfangreichen Warenangebot den persönlichen Einkaufszettel zusammenstellen und
sich zum gewü nschten Termin nach Hause liefern lassen kann. Zusätzlich werden auch Rezepte,
Nährwertangaben, Diätempfehlungen und vieles mehr online zur Verfü gung gestellt.)
Ø Intelligente Nachbarschaft (Online-Ansiedlung von Unternehmen auf einem virtuellen Marktplatz,
um die Angebote der einzelnen Unternehmen zu ergänzen)
Ø Communities (zielgruppenspezifische Dienstleistungskonzepte)
•
Werbung
In Deutschland werden die Möglichkeiten des Internets bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Der Einsatz von
Computern und Kommunikationstechnik darf jedoch nicht allein aufgrund technischer und kostengü nstiger
Möglichkeiten erfolgen, er muss an die betriebliche Aufgabenerfü llung angepasst werden. Ein Informationssystem besteht deshalb immer aus folgenden Komponenten:
71
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
Beurteilung
Komponenten
Brainware
Erläuterungen
Kenntnisse und Fähigkeiten der
Mitarbeiter, die zur effektiven
Nutzung des Systems nötig sind
Hardware
Software
Alle Geräte des Systems
Alle Steuerungsprogramme
Orgware
Alle organisatorischen Maß nahmen zum optimalen Betrieb des
Systems
Kommunikation
Alle Maß nahmen und Einrichtungen zur Regelung und zur
Realisation von Informationsbeziehungen
Beispiele
Kenntnis
• Ü ber die Anmeldung eines Anwenders in einem
Netzwerk
• Wie eine Software genutzt wird
• Wie Druckerstörungen behoben werden
Monitor, Drucker, Zentraleinheit
Programm zur
• Rechnungsschreibung
• Verwaltung von Kundendaten
• Datenfernü bertragung
• Regelungen ü ber die Aufbewahrung von Datenträgern
• Maß nahmen zur Sicherung von Daten gegen Verlust
• Benennung der Mitarbeiter, die Daten löschen oder
verändern dü rfen
Der Austausch von Informationen erfolgt:
• intern ü ber E-Mail, Datenbank
• extern ü ber E-Mail, EDI, Internet
Die Komponenten sind integrativ miteinander verbunden, d. h. einerseits bedingen sie einander und andererseits
ist keine Komponente verzichtbar. Schwerpunkt bei der Entwicklung und Gestaltung von modernen Informationssystemen ist eine Informations- und Kommunikationstechnologie, die einen wirkungsvollen Einsatz von
Arbeitskräften und Arbeitsmitteln auf einheitlicher technischer Basis ermöglicht.
Kü nftig wird also die sinnvolle Nutzung moderner Kommunikationstechniken und innerbetriebl icher
Informationssysteme owie die Abstimmung der Ablauforganisation auf diese Systeme ü ber den Erfolg eines
Unternehmens entscheiden.
Hinweis: Die Schüler sollten bereits hier auf die Notwendigkeit des Datenschutzes hingewiesen werden, der
dann allerdings ausführlich im Fach IT-Systeme behandelt werden sollte.
6.6 Literaturhinweise
Döring, T., Hagel, H., Piek, M.
Basiswissen IT-Berufe, Wirtschafts- und Geschäftsprozesse,
Stam, 2000
Hagedorn, Bissantz, Menens
Data-Mining (Datenmustererkennung): Stand der Forschung und
Entwicklung in: Wirtschaftsinformatik 39 (1997) 6, S. 601 - 612
IT-Handbuch fü r IT-Systemkaufmann/ -frau,
Informatikkaufmann/-frau, 1. Aufl., Westermann, 2000
Betriebswirtschaft fü r Ingenieure und Informatiker, 4. Aufl.,
Kiehl, 1996
Hü bscher, Petersen, Rathgeber,
Richter, Scharf
Specht
72
IT-Berufe – Unternehmensü bergreifende Prozesse
7
Mitglieder des Arbeitskreises
Die Mitglieder des Arbeitskreises waren:
Heuberger, Irmgard
Porsch, Erich
Reuß , Andrea
Schuster, Gü nther
Zak, Wolfgang
Mü nchen
Wiesau
Aschaffenburg
ISB Mü nchen
Passau
73
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