Ingrid Lausund HOIMWÄRTS NACH AMERIKA Westernkomödie © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1 Uraufführung April 1998 Theater Ravensburg, Regie Ingrid Lausund. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2006 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Pe r s o n e n Ludwig Gotthilf Scheufele HansJakob Scheufele, sein jüngerer Bruder Betty Bull Das Stück spielt in Amerika zur Zeit des Wilden Westens. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 3 1. Szene Eine Steinwüste. Ein großer Felsen ragt ins Bild. Vorne ein verdorrter Baum mit einem einzigen Ast. Später Nachmittag. Westernmusik. Die Scheufele-Brüder mühen sich mit einem überladenen Karren ab; der ramponierte Rest eines Planwagens. Die Kisten auf dem Wagen sind so dilettantisch befestigt, daß kleine Unebenheiten im Boden alles ins Schwanken bringen. Die Männer haben sich offensichtlich verlaufen, sie sind am Ende ihrer Kraft. Die Erschöpfung der beiden und die Sperrigkeit des Wagens bedingen haarsträubende Schlepp- und Schiebemanöver. Der Wagen bricht zusammen. Ludwig holt mit einer Leiter die Wasserflasche, die ganz oben auf dem Gepäck festgemacht ist. Sie trinken. Ludwig HansJakob, der große rote Felse, vorgeschtern, kasch die erinnere, da wo ma rechts abboge sind? Jakob Ja, was isch damit? Ludwig Da hättet ma solle links abbiege. Jakob Und i sag dir, der Weg stimmt. Kasch mirs glaube. Ludwig Und i sag dir, mir hättet links abbiege solle. Jakob Was wettet mir? Ludwig Du woisch, i wett it. Jakob Weil de woisch, daß i recht han. Ludwig Noi, weils gege die Schrift isch. (Sie haben den letzten Schluck Wasser getrunken.) Jakob Heut abend sind mir in Buffalo Head. Du, dann ganget mir ins beschte Hotel am Platze mit m Kronleuchter in meim Zimmer und mit ara Badwanne. Und dann kauf i mir n ganzes Faß Bier und sag zu dem große Neger: „Des bringscht itz nauf!“. Des muß der mache, weil i han des Bier zahlt. Und dann sag i: „Und itz leerscht des Bier in die Badwanne!“ Des macht der au. Und des schäumt … na geb i dem 10 Cent Trinkgeld … Ludwig Des isch zuviel! Jakob Hascht recht, 5 Cent, und dann leg i mi in die Badwanne voll Bier und bleib drin, bis koin Tropfe mehr übrig isch. (Ludwig nimmt die Wasserflasche.) Ludwig Koin Tropfe mehr übrig. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 5 Jakob Heit auf d nacht sind mir in Buffalo Head … Ludwig HansJakob, mir sind falsch. Mir hättet links abbiege solle. Jakob Und i sag dir, mir sind richtig. Was wettescht? (Ludwig hat sich ein paar Schritte vom Wagen entfernt, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Er hebt einen Knopf auf, der im Sand liegt.) Ludwig Also gut, wettet mir. Jakob Was? Ludwig Um 5 Dollar. Jakob Her auf! Ludwig Um 5 Dollar, schlag ei. Jakob Her auf han i gsagt! Du hascht noch nie gwettet. Ludwig 5, daß ma falsch sind, und nomal 5, daß ma bis heut auf d nacht verreckt sind. Jakob Her endlich auf mit dem bleede Geschwätz. Du Defätischt, du Hängerlasser, du … 10 Dollar? Ludwig Von mir aus 20. Jakob 20. Abgmacht. Schlag ei. (Sie schlagen ein.) (Lacht.) Hahaha 20 Dollar! Haha! Siehscht du, was des isch? Da, die Rille da? Woisch du, was des isch? Des sind Spure! Wagespure! Da waret Leit. Des hoißt, daß ma richtig sind. I hans gwußt! Hahaa! (Ludwig zeigt ihm den Knopf.) Ludwig Da, gugg amal. Jakob N Knopf, haha! Hascht n Knopf verlore? Mei Lieber, du hascht n Knopf verlore und 20 Dollar. Haha! Heut abend gang i … Ludwig HansJakob, den Knopf han i vor drei Tag verlore. Jakob Und? 6 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Ludwig Da isch er gelege. Jakob Ja guck, was du fürn Glück hascht. Hahaha, der hätt leicht verlore sei könne … der Knopf … der… Knopf… (In einer langen, schmerzhaften Pause erkennt HansJakob das Ausmaß der Tragödie.) Ludwig HansJakob … Jakob Laß du mi in Ruh. Du bischt schuld mit deim blöde Knopf. Warum hascht it aufpaßt? Warum hascht n verlore? Warum! Du Verlierer! Hättscht halt oifach vor drei Tage s Maul aufgmacht und gsagt: „I han mein Knopf verlore.“ Dann hätt mir n gesucht, und dann hätte ma den scho vor drei Tag gfunde … itz isch natürlich alles zu spät … zu spät … zu spät!! (Er weint.) Ludwig Isch guat, HansJakob, isch guat. Itz isch guat. Her auf zum Plärre. (Jakob weint.) Herrschaftzeite! Hörscht itzt auf!! (Jakob reißt sich zusammen.) Jakob Los komm. Mir müsset weiter. (Ludwig setzt sich.) Ludwig Pscht. Hör mal … wie ruhig des da hanna isch. Jakob Ludwig komm, mir ganget itz rechts. Da iber de Berg … Buffalo Head muß da liege. Ohne Gepäck kenne mirs schaffe. Ludwig Und unser Wage? Jakob Den sperre mr ab. Komm, ganget mr … Ludwig Glei. Laß mi no a bißle verschnaufe … so ruhig da hanna. (Jakob setzt sich auch. Erschöpftes Schweigen.) Jakob Gugg amal, der Stoi. Der isch ja scheee. Der sieht grad aus wie n kloiner Fisch. Ludwig Wie n kloiner Fisch. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 7 Jakob Wie kommt itzt so n kloiner Fisch mitten in die Wüschte. Schad, daß er tot isch, sonst hätte ma n frage kenne … noi, hätte ma it … ts, n kloiner Fisch … gugg mal, da isch no oiner … und no oiner … des isch n ganzer Schwarm. Woisch, was des hoißt? Da muß Wasser in der Nähe sei … ha klar, da gibts a Wasser. Und wo s Wasser gibt, da ischt das Bier nicht weit … komm! Ludwig HansJakob, der Fisch isch n Stoi. Jakob (Versucht zu verstehen.) Der Fisch isch n Stoi. Der Fisch isch n Stoi … und was hoißt des? Ludwig Des hoißt, daß uns der Herrgott ein Zeichen gsandt hat. Der Fisch hoißt Liebe und der Stoi hoißt Ewigkeit. HansJakob, isch Zeit, daß ma hoimganget. Verstohscht? Jakob Noinoinoi … i sag dir, was des Zeiche hoißt. Des hoißt, daß de als kloiner Fisch it nach Buffalo Head kommscht. Aber i bin koi kloiner Fisch. Stand auf … komm! Ludwig Noi, i stand nemme auf. I ka nemme. Jakob Na trag i di. I bin koi kloiner Fisch. Ludwig Awa, du verlupfsch mi doch gar it. Des schaffscht koine 10 Meter, koine 10 Meter, koine 10 Meter … (Jakob versucht, Ludwig zu tragen. Sie trudeln im Kreis.) Jakob I bin koi kloiner Fisch. I bin koi kloiner Fisch! Nimm die Tasche … (Sie brechen zusammen.) Ludwig S hat koin Sinn mehr. Vor fünf Minute hent mir unser letschtes Wasser austrunke. Ab jetzt send mer am Verfaule. Laß uns die Zeit nutze, daß mer unsern Friede mit dem Herrgott machet. Jakob Du willsch mi im Stich lasse! Ludwig I laß di it im Stich. I gang mit dir Hand in Hand, bis hin vor den Herrgott. Jakob Aber i gang it mit dir. I will it krepiere wie n Hund, des sag i dir! Da hanna willscht du sterbe? In dieser heidnischen Wüste? Da, nebe dem Coyoteschiß? Oifach da liegebleibe, bis dich die Viecher fresset, bis dr der Wind d Knoche in alle Richtunge verblast! Und womöglich findet 8 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH dich n Wilder und macht aus deine Finger a Halskett für sei Frau. Wenn i sterb, will i auf m ordentliche Friedhof begrabe werde! Ludwig (Sehr ruhig.) Itzt guck amal, wenn dir oiner n guate Wein gebe tät, aber in era alte Flasch und ohne Etikett, na tätscht doch den Wein trotzdem meege. Schau, und grad so machts der Herrgott au. Der guckt it aufs Grab, der guckt, was des für n Mensch war, der drin isch. Noi, da hanna isch n guater Platz, wo uns der Hergott hingführt hat. (Jakob versucht, ein Streichholz anzuzünden.) Was machscht? Jakob I zünd de Wage a. Na rauchts. Vielleicht siehts die Kavallerie. Ludwig Bei dir rauchts au. D Wage anzünde! Wär besser, wenn de die Zeit zum Beichte nüzte tätscht. Da brauscht noch lang gnug dafür. Jakob Du gibscht auf, bloß wege dem blöde Fisch! Des Zeiche isch vielleicht gar it für uns. Des isch vielleicht des Zeichen, was nächsten Monat n flüchtiger Mörder finden soll, auf daß er sich bekehre. Noi, des isch mir zu vage. Da paß auf!! (Mischt ein Kartenspiel.) So. Da, zieh! Wenn de des Pik-As ziehscht, na glaub is. Ludwig Hascht du n Deifel im Leib? Willscht mitm Herrgott Karte spiele? (Jakob zieht selber eine Karte.) Jakob Kreuz zwei. Haha! Hahaha! Ludwig Ja, HansJakob zwoi Kreuze. Oins für dich, und oins für mich. Jakob Aber i han Pik As gsagt! Ludwig So, du hascht Pik As gsagt! Der kleine HansJakob sagt dem Herrgott, wann er zum Sterbe hätt. Ja, wer bischt denn du! Jakob I will gar it sterbe, i will it … Ludwig Herrschaftzeita, da kasch schreie wie de willscht, aber die kalte Hand des Todes packt dich doch, und je mehr de laufe willscht, um so mehr zwingt se dich. Verstohscht?! Des einzige, was uns bleibt, isch, daß ma dem Tod mit Würde entgeega tretet … (Jakob will weglaufen, stolpert und fällt hin.) © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 9