Reversible Tau-Pathologie in Mäusen Reversible tau pathology in

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Jahrbuch 2010/2011 | Mandelkow , Eckhard | Reversible Tau-Pathologie in Mäusen
Reversible Tau-Pathologie in Mäusen
Reversible tau pathology in mice
Mandelkow , Eckhard
Max-Planck-Arbeitsgruppen für strukturelle Molekularbiologie am DESY, Hamburg
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Mikrotubuli sind Proteinfasern, die für die Form, die Bew egung und die Teilung der Zellen eine große Rolle
spielen. Bei der Alzheimer-Krankheit bildet das normalerw eise an Mikrotubuli gebundene Tau-Protein
charakteristische Ablagerungen in den Nervenzellen. Transgene Zell- und Mausmodelle zeigten, dass der
Verlust an Synapsen und das Absterben der Nervenzellen bei der Alzheimer-Krankheit mit der Aggregation von
Tau zusammenhängt. Die damit verbundene Beeinträchtigung der Lernfähigkeit bei Mäusen kann durch
Unterbinden der Tau-Aggregation w ieder rückgängig gemacht w erden.
Summary
Microtubules are protein fibres that are essential for determining the cells' shape, for cellular motion and cell
division. In Alzheimer's disease, the microtubule-associated Tau protein, w hich is normally bound to the
microtubule surface, forms characteristic aggregates in nerve cells. Transgenic cell and mouse models show ed
that the loss of synapses and neurons in Alzheimer's disease correlates w ith the aggregation of Tau. The
concomitant impairment of learning and memory in mice can be reversed by suppression of Tau aggregation.
Das richtige Zusammenw irken der Mikrotubuli mit verschiedenen Arten assoziierter Proteine ist entscheidend
für die Aufrechterhaltung lebensw ichtiger Funktionen w ie dem intrazellulären Stofftransport, der Lokalisierung
zellulärer Substrukturen sow ie der Differenzierung und Polarisierung der Zellen. Die Abteilung „Zytoskelett“
der Max-Planck-Arbeitsgruppen in Hamburg befasst sich hauptsächlich mit dem Tau-Protein, zu dessen
Funktionen es gehört, an die Oberfläche der Mikrotubuli zu binden und sie dadurch zu stabilisieren. Eine
Fehlregulierung der Interaktion von Tau und Mikrotubuli führt zu krankhaften Veränderungen, die letztlich zum
Absterben von Neuronen führen können. Charakteristisch für die Alzheimer-Krankheit ist unter anderem die
Aggregation von Tau zu „neurofibrillären Bündeln“, die sich im Innern der Zellen ablagern.
Die Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind bis heute w eitgehend unbekannt. Um die entscheidenden Faktoren
zu ermitteln, w urden in Hamburg transgene Mausmodelle entw ickelt, bei denen sich die Expression von
aggregationsfördernden und aggregationshemmenden Tau-Mutanten gezielt an- und w ieder abschalten lässt
[1]. Diese Methode erlaubt es, den Einfluss von Zeitpunkt und Dauer der Tau-Expression beziehungsw eise
Tau-Aggregation zu bestimmen, und zw ar auf molekularer und zellulärer Ebene sow ie auch auf der Ebene von
Lernen und Gedächtnis.
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Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass die pathologischen Veränderungen von der Aggregationsfähigkeit der
Tau-Mutante, nicht von der Tau-Expression an sich abhängen. Die toxische W irkung der Tau-Aggregation zeigt
sich am Verlust von Synapsen und Neuronen in denselben Hirnregionen, die auch beim Menschen bei der
Alzheimer-Krankheit betroffen sind, insbesondere im Hippokampus, der für die dauerhafte Speicherung von
Gedächtnisinhalten eine zentrale Rolle spielt. W ie die w eiteren Untersuchungen ergaben, führt das Abschalten
der aggregationsfördernden (d.h. toxischen) Tau-Mutante zu einer Erholung der Anzahl der Synapsen, und
diese Erholung geht einher mit einer W iederherstellung der Gedächtnisleistungen in Verhaltenstests.
Synaptische Plastizität im Hippokampus
Langanhaltende Expression einer aggregationsfördernden Mutante des humanen Taus in transgenen Mäusen
führt zur Ablagerung von Tau in Form neurofibrillärer Bündel (Abb. 1a). Diese Tau-Ablagerungen treten
besonders im Hippokampus auf und bestehen aus einer Mischung der humanen Tau-Mutante und des
endogenen Tau-Proteins der Maus.
A bb. 1: P a thologische Aggre ga tion von Ta u in de r
Hippok a m pus-R e gion von tra nsge ne n Mä use n. (a )
La nga nha lte nde Ex pre ssion (10 Mona te ) de r
a ggre ga tionsförde rnde n Ta u-Muta nte führt zu Ta uAbla ge runge n in de n R e gione n C A1 und C A3 de s
Hippok a m pus. (b) Ve rgle ich e ine r W ildtyp-Ma us (W T) und
e ine r tra nsge ne n Ma us na ch 10-m ona tige r Ex pre ssion de r
a ggre ga tionsförde rnde n Ta u-Muta nte (P ro-Aggr.). Die
Ne urone n-spe zifische Fä rbung ze igt de n Ve rlust von Ne urone n
in de r C A3-R e gion.
© Ma x -P la nck -Arbe itsgruppe n für struk ture lle
Mole k ula rbiologie a m DESY/a us [2]
Die pathologische Ablagerung von Tau führt zunächst zu einem Verlust der Funktionsfähigkeit der Neurone,
zur
Abnahme
der
Zahl
der
Synapsen
bis
hin
zum
Absterben
der
Nervenzellen.
Die
reduzierte
Funktionstüchtigkeit der Nervenzellen zeigt sich auch in der elektrophysiologischen Analyse als verminderte
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Erregbarkeit der Reizleitung (Rückgang der long-term potentiation, LTP). Diese Effekte sind zumindest teilw eise
reversibel. Nach dem Abschalten der Expression des aggregationsfördernden Tau-Proteins kommt es zu einem
leichten Rückgang der Ablagerungen und zu einer Erholung der LTP und der Synapsen, die für die
Reizübertragung zw ischen den Neuronen verantw ortlich sind, w ährend der Verlust der Neuronen unverändert
bleibt. Da sich die Menge der Tau-Ablagerungen nach dem Abschalten der humanen Tau-Mutante nur w enig
ändert, ist zu vermuten, dass der pathogene Effekt nicht von den Tau-Ablagerungen selbst ausgeht, sondern
von der humanen toxischen Tau-Mutante in der Form von Oligomeren (toxische Vorstufen der Aggregation).
Räumliche Lernfähigkeit von Mäusen mit Tau-Pathologie
Der Verlust der Synapsen und Neuronen nach längerer Expression der aggregationsfördernden, toxischen
Tau-Mutante hat eine deutliche Verschlechterung der räumlichen Lernleistung der Mäuse zur Folge. Im Morriswate-maze-Test (Abb. 2) braucht eine W ildtyp-Maus nach einer standardisierten Trainingsphase nur w enige
Sekunden, um eine Plattform in einem Bassin zu erreichen, die unter der Oberfläche im trüben Wasser
verdeckt ist (Abb. 2a).
A bb. 2: Te st de r rä um liche n Le rnfä higk e it von Mä use n. Die
Aufga be be ste ht da rin, e ine unte r de r W a sse robe rflä che
be findliche P la ttform wie de rzufinde n, na chde m die Ma us in
e ine r Tra iningspha se die P osition de r P la ttform ge le rnt ha t
(Morris-water–maze-Te st). (a ) W ildtyp-Ma us, (b) tra ngsge ne
Ma us na ch m e hrm ona tige r Ex pre ssion de r tox ische n Ta uMuta nte , (c) die se lbe tra nsge ne Ma us, na ch Abscha lte n de r
Ex pre ssion de r tox ische n Ta u-Muta nte (4 W oche n). Die rote n
Linie n ze ige n die Spur de r Suchbe we gung.
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Mole k ula rbiologie a m DESY
Eine transgene Maus, in der das toxische Tau über längere Zeit exprimiert w urde, braucht deutlich länger und
findet die Plattform nur zufälligerw eise, w eil sie sich trotz der Lernphase offensichtlich nicht an die Position der
Plattform erinnern kann (Abb. 2b). Nach dem Abschalten des toxischen Tau-Proteins normalisiert sich die
Lernfähigkeit der Maus w ieder, sodass nach einer Lernphase dieselbe Maus jetzt zielstrebig auf die Plattform
zuschw immt (Abb. 2c). Diese Verhaltenstests deuten darauf hin, dass die krankhaften Veränderungen infolge
der Expression des toxischen Tau-Proteins zumindest in einer frühen Phase der Pathogenese w ieder
rückgängig gemacht w erden können.
[1] A. Sydow, E. M. Mandelkow:
The "prion-like" propagation of mouse and human tau aggregates in an inducible mouse model of
tauopathy.
Neurodegenerative Diseases 7, 28-31 (2010).
[2] A. Sydow, A. van der Jeugd, F. Zheng, T. Ahmed, D. Balschun, O. Petrova, D. Drexler, L. Zhou, G. Rune,
E. Mandelkow, R. d'Hooge, C. Alzheimer, E. M. Mandelkow:
Tau-induced defects in synaptic plasticity, learning and memory are reversible in a regulatable transgenic
mouse model.
Journal of Neuroscience 31, 2511-2525 (2011).
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