Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder

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Frühe Hilfen für
verhaltens- und
emotional gestörte
Kinder
Andrea M. Beetz
Dipl.-Psych., Dr. phil.
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Literatur
• Gasteiger-Klicpera, Julius und Klicpera (Hrsg.) (2008).
Sonderpädagogik der sozialen und emotionalen Entwicklung.
Band 3. Hogrefe Verlag.
• Julius, Schlosser und Goetze (2000). Kontrollierte
Einzelfallstudien. Hogrefe Verlag.
• Suess und Pfeifer (1999). Frühe Hilfen. Psychosozial-Verlag.
• Thurmair und Naggl (2007). Praxis der Frühförderung.
Reinhardt Verlag.
• Papousek, Schieche, Wurmser (2004). Regulationsstörungen
der frühen Kindheit. Hans Huber Verlag.
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Struktur
• Was sind Frühe Hilfen?
• Störung des Verhaltens und emotionale Störungsbilder
• Diagnostik
• Entwicklungspsychopathologie
• Prävention im Vorschulalter
• Frühinterventionsprogramme
• Bindungsbasierte Frühe Hilfen
• Evaluation Früher Hilfen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung
Kissgen (2008):
• Verhaltensauffälligkeiten:
– sind persistent
– ungünstige Prognose
– hohe Kosten
• Intervention:
– Verhalten des Kindes
– Belastung der Eltern und Erzieher/Lehrer
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Frühförderung
Kissgen (2008):
• Frühförderung seit 1973 (Dt. Bildungsrat, Speck): Förderung
behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder
Speck (1996): Definition
Ein Komplex medizinisch, pädagogisch, psychologisch und
sozialrehabilitativer Hilfen,
die darauf ausgerichtet sind, die Entwicklung eines Kindes und
sein Leben-Lernen in seiner Lebenswelt in den ersten
Lebensjahren unterstützend zu begleiten,
wenn diesbezüglich Auffälligkeiten und Gefährdungen vorliegen.
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Frühförderung
Kissgen (2008):
• Politische Vorgaben seit 1989, (1999)
• Ziel:
Persönlichkeitsentfaltung des Kindes, selbstbestimmtes Leben,
gesellschaftliche Teilhabe
(Verhütung des Auftretens von Behinderung)
• Bundessozialhilfegesetz (BSHG), Kinder- und
Jugendhilfegesetz (KJHG)
• Umsetzung Bundesländerspezifisch
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Frühförderung
Frühförderung
• Ausgangspunkt: Kinder, die in den ersten 3 Jahren gehäuft
aggressive oder oppositionelle Verhaltensweisen zeigen, sind
gefährdet sich zu kriminellen Jugendlichen/Erwachsenen zu
entwickeln
• Dissozialität
• Frühe Prävention nötig
• Altersbereich Frühförderung: vor dem Schuleintritt
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Frühförderung
• Hellbrügge (1981), Pechstein (1981): kurative Ansätze der
Sozialpädiatrie
• Heute: Einbezug des Umfeldes
• Ziel: Persönlichkeitsentfaltung des Kindes, Verhütung von
Beeinträchtigungen
• Bundessozialhilfegesetz (BSHG), Kinder- und
Jugendhilfegesetz (KJHG)
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Frühförderung
Frühförderung – Inhalte
• Früher:
Kind im Mittelpunkt;
Eltern als Trainer/Verantwortliche (oft ja aber Teil des
Problems)
• Heute: kleinere Zentren auch in Peripherie;
Hausfrühförderung, - Arbeit nach den Prinzipien:
• Interdisziplinarität
• Ganzheitlichkeit
• Familienorientierung
• Soziale Integration
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Frühförderung
• Interdisziplinarität:
Zusammenwirken verschiedener Berufsgruppen im
Betreuungsprozess (komplex und Unteilbarkeit der
kindlichen Entwicklung sozial, psychisch, physisch
• Ganzheitlichkeit (Sohns 2000):
Kind mit all seinen Bedürfnissen und
Entwicklungsmöglichkeiten, soziale Eigenheit und
Einmaligkeit; nicht primär Defizitbehebung (motorisch
etc.), Bedeutung der Umwelteinflüsse (sozial, familiär) die
wenig Handlungsspielraum bieten
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Frühförderung
• Familienorientierung
Begleitungs- und Beratungsangebote an Familie, konkrete
Hilfen um Alltagsbelastung zu reduzieren
Gewohnte häusliche Umgebung!!!
• Soziale Integration
Lebensumfeld so normal wie möglich gestalten,
gemeinsamen Tagesablauf mit gleichaltrigen Kindern,
soziale Integration
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Frühförderung
Zielgruppen
• Nicht nur behinderte Kinder (körperlich, geistig)
• Alle, die eine Auffälligkeit in der
• physischen,
• emotionalen,
• sozialen,
• sprachlichen, oder
• kognitiven Entwicklung zeigen
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Frühförderung
Zielgruppen
• Häufig: nicht primär das Problem der Kindes, sondern die
daraus resultierende Erziehungsschwierigkeit führt Eltern zur
Frühförderung
• Auch bereits bei „Auffälligkeiten“ (scheinbar kleine
Probleme)
• Z. B. Teilleistungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen
• Frühförderung bis zum schulpflichtigen Alter (in manchen
Bundesländern länger)
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Frühförderung
Zielgruppen
• Bsp.: Studie der heilpädagogischen Frühförderungseinrichtung
der Caritas NRW: (1997).
• Alter: niedrigster Durschnitt 1,7 Jahre
• Höchster Durchschnitt 4,1 Jahre
• Alle 18 Einrichtungen: Durchschnitt 2,9 Jahre
• Spezialisierung auf bestimmte Altersgruppen
• In Bayern: ca 2/3 der Betreuten sind im Alter von 4-7
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Frühförderung
Ziele:
KIND:
• Kompetenzen des Kindes fördern
• Entwicklung des Selbsterlebens und Selbstwertgefühls
• Integration in die Lebenswelt
ELTERN:
• Kompetenz im Umgang mit Kind stärken
• Unterstützung bei Auseinandersetzung mit ihrer Situation
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Frühförderung
Prinzipien:
1. Ganzheitlichkeit:
Orientierung der Angebote in der Diagnostik, Therapie und
Förderung auf den Kontext der kindlichen
Gesamtentwicklung
- im Gegensatz zur Betonung eines Teilaspekts: Integration
z. B. Förderplan, Fallbesprechung, Entwicklungsdiagnostik
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Frühförderung
4 Prinzipien:
2. Familienorientierung:
Einbettung in den primären Entwicklungskontext (Familie)
Wirksamkeit erhöhen (Verständigung mit Eltern und Kind)
Verantwortung der Eltern in der Fürsorge für Kind wird
geachtet
daher auch: aufsuchende (mobile) Arbeitsweise –
Familiennähe (in Bayern ca 25 km von regionaler Einrichtung
bis Wohnung) – erlaubt kontinuierliche, wöchentliche
Betreuung
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Frühförderung
4 Prinzipien:
3. Interdisziplinarität
medizinisch-therapeutisch
psychologisch
pädagogisch
- am besten innerhalb einer Institution
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Frühförderung
4 Prinzipien:
4. Vernetzung
Einbettung in umgebende Systeme:
- Kind und Familie: informelle (verwandte und bekannte)
und formelle (Therapeuten, Behörden) Netzwerke
- regionale Strukturen: Einsatz für Weiterentwicklung der
Ressourcen in der Region
- Vernetzung mit Niedergelassenen Therapeuten,
Selbsthilfegruppen, Schulen, Kindergarten
- EMPOWERMENT: den Eltern Transparenz geben, und bei
Hilfe suchen unterstützen
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Frühförderung
Organisation
• Unterscheidung:
Heilpädagogisch vs. medizinisch-therapeutisch (Physio-,
Ergotherapie, Logopädie)
Einbeziehung der Eltern-Kind-Interaktion
• Meist ambulant,
• Z.B. Hausfrühförderung
• Begleitung der Erziehung im Kindergarten
• aber große Variabilität ob in Zentrum oder zuhause
• Regionale Frühförderstellen und überregionale
sozialpädiatrische Zentren
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Wirksamkeit Frühförderung
Wirksamkeit wenig wissenschaftlich belegt
- Heterogenität der Zielgruppen, Organisationsstrukturen,
Angebote
- Methodische Mängel, keine eigenen Meßinstrumente für
Therapieerfolge (Largo 1997)
- Gibson und Harris (1988): Kinder mit Behinderungen: kaum
ersichtliche Fortschritte die später erhalten und sichtbar bleiben
- ANDERS: bei umweltbedingten Entwicklungsgefährdungen
- Intervention kann die spätere Problematik durchbrechen
-Frühe Intervention erheblich kostengünstiger (Barnett und
Escobar 1990) wenn in Kindheit statt Jugend
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Wirksamkeit Frühförderung
Heute: Erfolgsfaktoren (Speck 2003):
• Positive Einstellung der Eltern zum Kind
• Relativ objektive Einsicht der Eltern in die Problematik
des Kindes
• Ein gewisses Intelligenzniveau
• Möglichst ungestörtes häusliches Milieu
• Gesicherte soziale, finanzielle, räumliche und zeitliche
Gegebenheiten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Wirksamkeit Frühförderung
Erfolgsfaktoren (Barnett und Escobar 1990):
v.a. wirksam wenn Auffälligkeiten durch eingeschränkte Lebens
und Sozialisationsverhältnisse entstehen; Effektiv wenn:
- Frühzeitiger Beginn der Maßnahme
- Kontinuität und langfristige Maßnahme
- Hohe Intensität und Mehrdimensionalität (zuhause,
Kindergarten und Hort)
- Flexibel an individuelle Bedürfnisse des Kindes und seiner
Umwelt angepaßt
- Fokus auf eine besonders gefährdete Risikogruppe
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung Verhaltensauffällige
Frühförderung – Verhaltensauffällige Kinder
• 13-35% der 3-6-Jährigen zeigen Verhaltensauffälligkeiten
• Professionell betreut (Frühförderung) werden 4-5% der
Kinder in diesem Alter (Deutschland, BW), davon 5% wegen
Verhaltensauffälligkeit, 95% wegen anderer Problematiken
• Wünschenswert: Zero To Three (National Center for Infants,
Toddlers, and Families, 1999) ZTT-DC:0-3; einheitliches
Klassifikationssystem
• Neu: auch Beziehungsverhalten Eltern-Kind wird beurteilt
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung Verhaltensauffällige
Frühförderung – Verhaltensauffällige Kinder
• V.a. Verbesserung der Peer-Beziehung, Kooperationsfähigkeit,
soziale Regeln
• VH-A : Negative Auswirkungen auf Status in der Gruppe
• 62% der Dreijährigen VH-A sind auch mit 8 noch auffällig
(Richman, Stefenson and Graham 1982)
• 90% der VH-A in Kindergarten haben psychische Störung mit
12 Jahren (Lerner et al 1985)
• Risikofaktor für Drogenmissbrauch
• Kosten: psychische Störungen an Platz 2 (1=kardiovaskulär,
4= Krebs)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung
Ablauf einer Frühförderung:
1) Eingangsphase: Kontakt zu Eltern und Kind herstellen
- Entwicklungsdiagnostik
- Aufnahme elterlicher Anliegen
- Arbeitsbündnis
2) Förderung/Therapie:
-Verantwortung einer Frühförderin/Therapeutin
- Therapie/ psychologische/pädagogische Unterstützung des
Kindes – und der Eltern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung
Ablauf einer Frühförderung:
3) Abschluss
- Abschluss rechtzeitig ankündigen und besprechen
(Eltern/Kind)
- Bilanz ziehen
- Abschied nehmen
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Frühförderung - Eingangsphase
Erstgespräch und Anamnese
• Erstkontakt meist telefonisch (schon Teil der Frühförderung)
• Erstes persönliches Gespräch (je nach Bedarf schon in der
gleichen Woche) (mit oder ohne Kind?, zuhause oder in
Zentrum?, wann und wie lange?)
• Erstgespräch: Sorgen, Probleme, Erklärungen, auch positives
am Kind?, was schon probiert?, welche Lösungen?,
Ressourcen der Familie, des Kindes?, Anliegen an die
Frühförderung
• Anamnesebogen (www.fruehfoerderung-bayern.de)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung - Eingangsphase
Mehrdimensionale Diagnostik: (nach ICD-10, ICF)
• 5 Dimensionen:
• Allgemeine Entwicklung und Kognition
• Körperlich-neurologischer Befund
• Teilleistungen (Abweichungen in einem spezifischen
Bereich, der deutlich von der Entwicklung abweicht)
• Verhalten, soziale und emotionale Entwicklung (Bindung
bei Säuglingen)
• Entwicklungsbedingungen: Belastung und Ressourcen
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Frühförderung - Eingangsphase
Diagnostik:
1) Allgemeine Entwicklung und Kognition:
•
Bayley Scales of Infant Development II (Reuner et al
2007): 1-42 Monate; Aufmerksamkeit/Wahrnehmung,
Sozialvh, Motorik, Exploration, Problemlösen, Sprache)
•
Sprachentwicklung: Elternfragebogen ELFRA 1 und 2
(Grimm & Doil 2000): 12-24 Monaten
Snijders-Oomen Nonverbaler Intelligenztest SON-R 2 ½
(Tellegen et al 2005)
•
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Frühförderung - Eingangsphase
Diagnostik:
1) Allgemeine Entwicklung und Kognition:
• Kaufman Assessment Battery for Children K-ABC
(Melchers & Preuß 1991) (Denken, Intelligenz):
Vorschulbereich ab 4 ½
• Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik für das
2. und 3. Lebensjahr MFED 2-3 (Köhler & Egelkraut
1984)
• Wiener Entwicklungstest WET 2 (Kastner &Deimann
2002)
• Sprachentwicklungstest für 2-Jährige SET-k2 (Grimm
2000); SET-K3-5
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Frühförderung - Eingangsphase
Diagnostik:
2) Medizinische Diagnostik:
Screenings für Neugeborene: Hören und Sehen
wünschenswert: Fragebögen für Früherkennung von
Risikokindern (ELFRA) in Praxen (evtl. Früherkennung von
Autismus)
U-Untersuchungen: meist nur das, was wirklich schon ins
Auge fällt
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Frühförderung - Eingangsphase
Diagnostik:
3) Fachspezifische Diagnostik:
• Pädagogisch-audiologisch
• Blinden- und Sehbehindertenpädagogik
• Heilpädagogische Förderdiagnostik
• Physiotherapeutische Diagnostik
• Ergotherapeutische Diagnostik
• Logopädische Diagnostik
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Frühförderung - Eingangsphase
Diagnostik:
3) Fachspezifische Diagnostik:
Heilpädagogische Förderdiagnostik:
Inhalt: Spielen und Lernen: Neugier, Interesse, Aufmerksamkeit,
Lern – und Arbeitsverhalten, feinmotorische Koordination,
Kulturtechniken, vorschulische Fähigkeiten;
Selbständigkeit im Alltag: soziale und emotionale
Kompetenz, Selbstvertrauen etc.
Bewegung
Methoden: Screening, Beobachtung, Fragebogen, Hausbesuch,
Interaktionsbeobachtung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung-Eingangsphase
Interdisziplinäre Fallberatung:
• Gesamtbild des Kindes
• Erstellung eines Förderplanes
• Interner Förder- und Behandlungsplan:
–
–
–
–
Dauer
Setting: Gruppe, einzeln
Ort
Schwerpunkte
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung-Eingangsphase
Diagnosemitteilung und Behandlungsempfehlung:
- Realistisch
- Einfühlsam
- Frühzeitig
- Dennoch Basis für Zusammenarbeit schaffen
- Deckung der Diagnostik mit Einschätzung der Eltern
- Schriftliches Gutachten
- Empfehlungen
- Förderplan für Kind, Förderplan für Eltern!
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CBCL
Dimensionale Diagnostik:
Child Behavior Checklist – deutsche Version (CBCL) (Achenbach)
-
meist verwendetes Instrument
Frage bögen (Alter 4-18 Jahre; auch englische Version für 1 ½ - 5 Jahre)
1. Teil: Erfragen von Kompetenzen
2. Teil: 120 Einzelsymptome (Verhalten, Emotion, körperliche
Beschwerden)
Antwort auf einer dreistufigen Skala ( nicht zutreffend, manchmal, häufig)
Elternfragebogen und Lehrerfragebogen (TRF, Teacher Report Form)
Auch self-report ab 12 Jahre
8 Problemskalen: die meisten zuordbar zu externalisierend/internalisierend
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Klassifikation - SDQ
Dimensionale Diagnostik:
Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ) (Goodman 1997)
- Verhaltensauffälligkeiten und Stärken
-
Fremdreport, ab 11 auch Selbstreport
-
25 items, ausgewogen positiv und negativ – höhere Akzeptanz?
-
Skalen: Prosozialität, Hyperaktivität, emotionale Probleme, Probleme im
Umgang mit Gleichaltrigen, externalisierende Verhaltensprobleme
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Klassifikation – CASCAP-D
Dimensionale Diagnostik:
Psychopathologisches Befundsystem für Kinder und Jugendliche
-
Beurteilung durch Therapeuten /Psychiater (nicht Eltern, Lehrer)
-
98 Items
-
Keine direkten Diagnosen;
-
4 Dimensionen: Aggressiv-dissoziales Verhalten; hyperkinetische
Auffälligkeiten, depressive Symptome, Angstsymptome
-
Störungsspezifische Fragebögen zusätzlich
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Klassifikation – DISYPS
Dimensionale Diagnostik:
Diagnostik-System für psychische Störungen nach ICD-10 und DSM-IV
für Kinder und Jugendliche (DISYPS , Döpfner et al.)
•
erfasst psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen entsprechend
den Diagnosekriterien von ICD-10 und DSM-IV
•
Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörungen, Störungen des
Sozialverhaltens, Angststörungen, Depressive Störungen,
Zwangsstörungen, Tiefgreifende Entwicklungsstörungen, Tic-Störungen,
Störungen sozialer Funktionen, d.h. Bindungsstörungen und Mutismus.
•
Dabei werden die drei Beurteilungsebenen a) klinische Beurteilung, b)
Fremdbeurteilung (Eltern, Lehrer) und c) Selbstbeurteilung miteinander
kombiniert. Die klinische Beurteilung erfolgt anhand der DiagnoseChecklisten (DCL)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungsdiagnostik Checklisten
•
Kiphard (1975) : Wie weit ist mein Kind entwickelt
–
•
Beobachtungsschema
Strassmeier (2002): Frühförderung konkret
–
260 Übungen, kombiniertes Diagnose und
Förderprogramm von 1-5 Jahren; Selbstversorgung und
Socialentwicklung, Motorik, Sprache, Denken,
Wahrnehmung
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Frühförderung - Eingangsphase
Interdisziplinarität und Austausch für Gesamtdiagnostik
notwendig:
- Komplexität der Ursachen einer Störung/Auffälligkeit
- Erstellung eines Förderplanes
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Modelle der „Verhaltensstörung“
Ansätze der Intervention je nach Modell der
Entwicklungsbedingungen einer Verhaltensstörung:
-
Symptomorientiert (z.B. verhaltenstherapeutisch,
medizinisch; Ursache-Symptom-Problematik)
-
Ursachenorientiert (z. B. tiefenpsychologisch, analytisch,
bindungsbasierter Ansatz)
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Störungen des Sozialverhaltens
Komorbidität:
- Sehr häufig: zu 90% auch Störung mit
oppositionellem/aufsässigem Verhalten
- Hyperaktivität (ca 75%)
- Depressive Störungen (Außenseiterrolle)
- Alkohol- und Drogenmissbrauch
- Angststörungen (zwei Untergruppen)
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Störungen des Sozialverhaltens
Verlauf:
- Hohe Kontinuität von früher Kindheit bis Jugend- und
Erwachsenenalter
- Bis zu 81% der Kinder mit eine SSV zeigen diese auch im
Jugendalter
- Auswirkungen des Schulabschlusses, Ausbildung, Beruf,
persönliche Beziehungen, Partnerwahl
- Ca 25% haben im Erwachsenenalter eine antisoziale
Persönlichkeit und Drogenmissbrauch
Früher Beginn: schlechtere Prognose
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Störungen des Sozialverhaltens
Erziehungsverhalten der Eltern
Snyder und Patterson (1979):
-
-
Disziplinmaßnahmen (meist nicht altersadäquat, oder angemessen, oder
konsistent
Vernachlässigung, körperliche Strafen
Verstrickter Erziehungsstil: Verhalten des Kindes wird oft als
problematisch gesehen, kleinste Abweichungen werden überbewertet.
Verbale Drohungen; unter Druck setzen in der Familie; aversiv und
aggressiv zueinander
Laxer Erziehungsstil :Eltern lassen viel durchgehen oder ermutigen
aggressives Verhalten als Durchsetzungsvermögen
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ADHS/HKS
Erscheinungsbild
- Unaufmerksamkeit:
leicht ablenkbar, brechen Aufgaben abrupt ab, beginnen Neues,
Flüchtigkeitsfehler, planloses Vorgehen, wenig Strukturierung, hören nicht
zu, sind geistig abwesend
-
Impulsivität:
unzureichende Impulskontrolle, können schwer warten, (in der Schlange
stehen) (s. Marhsmallow-Experiment), stören den Unterricht
-
Hyperaktivität:
ziellose und wenig organisierte motorische Aktivität, rennen umher, stehen
auf, zappeln, rastlos
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
ADHS/HKS
Erscheinungsbild
-
Situationsspezifität:
situative Variabilität, Tageszeit, Schule/Familie/Freunde, bei längerer
geistiger Anstrengung,
oftmals Konzentration bei attraktiven Aufgaben möglich
auch in gut strukturierten Situationen besser
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ADHS/HKS
Epidemiologie
-
Untersuchungen: Lehrerurteil überschätzt die Anzahl der ADHS-Kinder
bis zu 18% werden von Lehrern als ADHS eingestuft
International: 3-7% der Kinder
1-2 Kinder pro Schulklasse
Jungen: Mädchen – 2:1 bis 9:1
-
USA: 4% der Jungen, 2% der Mädchen haben ADHS/HKS
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
ADHS/HKS
Verlauf
-
ADHS/HKS kann die Entwicklung eines Kinder erheblich beeinträchtigen
Auch noch in Spätadoleszenz Symptome der Störung: wächst sich nicht
einfach aus
-
Einschränkungen im Leistungsbereich: Rechnen, Lesen, Schreiben, IQ-Tests,
verbale Intelligenz
Antisoziales Verhalten, Alkohol, Drogenmissbrauch: erhöhtes Risiko; auch
für kriminelles Verhalten
-
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Schulaversives Verhalten
Schulabsentismus: Schüler ist nicht in Schule anwesend
Unterrichtsabsentismus: Schüler ist in Schule aber nicht im Unterrichtsraum
-
Schulphobie (Gebäude, Lehrer, Peers, Unterrichtsfächer, Räume) –
Trennungsangst, Leistungsangst
-
Schulschwänzen
-
Fernhalten (auch von Seiten der Eltern, z. B. bei Missbrauch)
-
Absentismus (von Eltern verlängerte Ferien)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Sozial unsichere Kinder
Erscheinungsbild:
- schüchtern, gehemmt, kontaktscheu
- fallen nicht gleich als problematisch auf
-
Vor allem im Kontext mit anderen und Anforderungen
- Durchsetzen eigener berechtigter Ansprüche
- Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen, Verabredungen
- Äußern eigener Meinung
Eher still, erzählen kaum etwas, sprechen leise und undeutlich, wenig
Emotionsausdruck, wirken apathisch oder weinerlich, kaum
Blickkontakt, zappeln, bewegen sich kaum frei im Raum
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Sozial unsichere Kinder
Diagnose
- Angststörung des Kindes- und Jugendalter
- Altersnormale Ängste vs. auffällige Ängste
- Manchmal nur in bestimmten Situationen
- Verhalten, Körperliche Reaktion, Kognition
-
Exploration der Eltern
Verhaltensbeobachtung
Testerhebungen, Fragebögen
Klinisches Expertenurteil
Selbsteinschätzung des Kindes
-
Z. B. Trennungsangst über das dritte Lebensjahr hinaus
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Sozial unsichere Kinder
Häufigkeit
- 15% irgendeine Art von Angststörung
- 3-4% mit Funktionseinschränkung
- 5-6% sozialer Rückzug
- 5% körperliche Beschwerden
- 12,5% der Jungen, 8,6% der Mädchen ängstlich/depressiv
-
Anscheinend eine Zunahme der Störung im Jugendalter
50% komorbid mit depressiven Symptomen (28-75%)
Bereits im Vorschulalter diagnostizierbar – Stabilität (Veränderung zu
anderer Angststörung möglich
Beeinträchtigung im Sozialkontakt; evtl. Panikstörung, Agoraphobie
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Sozial unsichere Kinder
Ursachen
Biologische Faktoren: Irritierbarkeit im Säuglingsalter (limbischhypothalamisches System – erniedrigte Erregungsschwelle)
Psychische Faktoren: verzerrte soziale Wahrnehmung, bedrohliche
Interpretation, weniger sozial kompetent, Erwartung von Ablehnung;
erhöhte Selbstaufmerksamkeit, intensive Sorgen, negative Selbstbewertung,
kein Selbstvertrauen
Soziale Faktoren: Trennungs- und Verlusterfahrungen (Scheidung, Tod,
Umzug), übermäßiges Verwöhnen; Angstniveau der Mutter.
Vermeidungsverhalten wird verstärkt; inkonsistentes Erziehungsverhalten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Depression
Erscheinungsbild
- Über längeren Zeitraum depressive Symptome (mind. 2 Wochen)
- Major Depression vs. dysthyme Störung (weniger starke Ausprägung)
- „double depression“: dysthyme Störung plus Phasen einer Major
Depression
Symptome:
- Depressive oder reizbare Stimmung
- Verlust von Interesse oder Freude
- Reduzierung der körperlichen Aktivität
- Körperliche Symptome: Müdigkeit, mehr oder weniger Schlaf,
Gewichtsveränderung
- Verlangsamtes Denken, Gefühle der Wertlosigkeit,
Konzentrationsprobleme
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Depression
Komorbidität:
-
Bei 40% auch Angststörungen
Bei 25% expansive Verhaltensstörungen
ADHS/HKS, Essstörungen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Depression
Häufigkeit
-
4,4% bei Kindern im Alter von 8-18 Jahren
Im Kleinkind – und Vorschulalter: ca 1%
Lebenszeitprävalenz bei 14-18 Jährigen: 15-20%
-
Dysthyme Störung: 0-2% im Schulalter, 1-8% der Jugendlichen
Verlauf
- Man wächst nicht einfach heraus, chronischer Verlauf, hohe Rückfallrate,
große Beeinträchtigung
- Risiko für suizidale Handlungen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Angst
Erscheinungsbild
• Symptome s. sozial unsichere Kinder
• Unterscheidung: habituelles Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit vs.
aktueller Angstzustand (trait vs. state anxiety)
• Angst: eher diffus, wenig spezifisch
• Furcht: eindeutig bestimmbare Gefahr mit der Möglichkeit der
Flucht/Vermeidung
•
•
Entwicklungstypische Ängste: Fremdeln, Trennungsangst, Dunkelangst,
Moster, Gespenster,Verletzungen, Gewitter; später schulbezogene Ängste,
Leistungsangst; gesundheitsbezogene Ängste
Meist mehrere Ängste gleichzeitig
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Angst
Unterscheidung „normale“ vs. pathologische Angst
•
Angst ohne wahrnehmbare Bedrohung
•
Der Situation, Dauer, Intensität unangepaßt
•
Kann nicht von Person unter Kontrolle gebracht werden
•
Beeinträchtig Befindlichkeit massiv
•
Nachteiliges Flucht – und Vermeidungsverhalten
•
Chronischer Verlauf
•
Behinderung bei den Entwicklungsaufgaben, Probleme in Familie,
Peergroup, Schule
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Angst
ICD-10:
•
Emotionale Störung des Kindesalter (phobische Störung, soziale
Ängstlichkeit)
•
Phobische Störungen
•
Sonstige Angststörungen (Panik, generalisierte Angststörung etc.)
•
Zwangsstörung (Zwangsgedanken und -handlungen)
•
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (akute
Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Angst
Prävalenz
• 10-15% (Petermann 1999)
• Für 8-Jährige bei 9,5%; für 14-24 Jährige bei 18,6%
Verlauf und Prognose
• Früher Beginn (vor 13. Lebensjahr) : oft chronischer Verlauf
• Je höher der Schweregrad, desto stabiler
Geschlechtsspezifisch:
• Mädchen haben 2-4mal so häufig eine Angststörung (v.a. ab 15.
Lebensjahr)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Suizidales Verhalten
•
•
•
•
•
•
Suizidversuche (Parasuizid)
Abhängig vom Lebensalter (vor der Pubertät die Ausnahme)
15-24 Jährige: 13 pro 100.000
Jungen begehen ca. 4mal so häufig Suizid, Frauen mehr Parasuizide
Höchststand im Alter (über 70 Jahre)
Dunkelziffer
•
•
•
•
•
•
Tendenz zur Wiederholung bei Parasuizid (ca. 30%)
Vielfältige Entwickungspfade
Auslöser: Zurückweisung, Angriff auf den Selbstwert
Aggression wird nach innen gerichtet
Häufiger missbraucht
Genetische Aspekte (13% bei eineiigen statt 1% bei zweieiigen Zwillingen)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Essstörungen
Erscheinungsbild
•
•
•
•
•
Essen und Beziehung hängen eng zusammen
Veränderung des modernen Familienlebens
Aussehen, Gewicht: Körperideal des Modells
Fast nur in industriellen Wohlstandsgesellschaften (Habermas 2001)
Suche nach Identität
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Essstörungen
Prävalenz
• Hohe Dunkelziffer
• Frauen: Männer 7:1 bis 10:1
•
•
•
•
Frauen: 1% Anorexie, 2-4% Bulimie
v.a. 13-25 Jahre
Kaum Zugehörigkeit zur unteren sozialen Schicht
berufliche Risikogruppen (Models)
•
•
•
Häufig eine Leistungsthematik; Selbstkontrolle als Leistung
Wahrnehmung des Körpers gestört
Oft fehlende Krankheitseinsicht
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Essstörungen
Verlauf
Anorexie:
• 40% fast vollständige Genesung;
• 30% partiell
• Chronifizierung bei 15-20%
• Exitus: 10-15%
Bulimie:
• 40-50% vollständige Genesung
• 20-30% partiell
• 20% Chronifizierung
• 0,5% Exitus
Overeating, binge eating, Adipositas
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Sucht
Alltagssüchte:
Geltungssucht, Habsucht, Computersucht, TV-Sucht (moderne Störungsbilder)
Stoffungebundene Süchte:
Internetsucht, Arbeitssucht, Essucht, Spielsucht, Kaufsucht, Sammelsucht
(Messy), Magersucht (eher Zwang)
Stoffgebundene Süchte:
Alkohol, Drogen, Tabak
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Asperger-Syndrom
Erscheinungsbild
• Die meisten Autoren sehen es als eine Variante des Autismus
• Beeinträchtigung der sozialen Beziehungen
• Besonderheiten der Sprache und Kommunikation
• Restriktive Interessen und Aktivitäten, wenig flexibel im Denken und
Handeln
• Beeinträchtigung des kreativen Spiels und der Empathie
• Häufig durchschnittliche, oder überdurchschnittliche Intelligenz
• Brauchen Rituale und Routine
• Über – oder Unterempfindlichkeiten (Geräusche, Berührung, Gerüche)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Asperger-Syndrom
Prävalenz
• 0,36% bzw. 0,7% (Verdachtsfälle)
•
Jungen:Mädchen – 4:1
Ursachen
• Genetische Faktoren: „dosisabhängige“Gene (v.a. auf X-Chromosom
gelegen)
• Hirnschädigung und Hirnfunktionsstörung (limbisches System, AmygdalaSchädigungen, Beteiligung von Frontalhirn-Schädigungen)
• Keine Theory-of-Mind (link zur Bindungsforschung)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
• Erklärungsmodelle für Entwicklungsprobleme bzw.
Einflußfaktoren der Entwicklung
• Protektive Faktoren und Risikofaktoren – identifiziert in
Einzelfallstudien und quantitativen Studien
• Wirkung der Faktoren in verschiedenen Lebensphasen
bedeutsam (z. B. Empathieentwicklung im Vorschulalter)
• Faktoren aus den Bereichen:
– intraindividuelle, familiär, soziales Umfeld
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Ziel: Phänomene der Kontinuität und des Wandels von Störungen
im Lebenslauf erklären
• Hohe Kontinuität z. B. tiefgreifende Entwicklungsstörung
Autismus, externalisierende Verhaltensstörung, aggressives
Verhalten bei Jungen
• Diskontinuität weniger gut untersucht; z. B.
– Kindliche Depression und Störung des Sozialverhaltens,
die sich nicht mehr im Erwachsenenalter finden
- Frage nach protektiven Faktoren (Lehrerbeziehung,
Partnerschaft; Fürsorge für ein Geschwisterchen)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Prognose:
- Frühe Störung sagt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
spätere Störungen voraus
- z. B. Versagen bei alterstypischen Anpassungsleistungen –
höchste Vorhersagekraft (Leistungsfähigkeit –
Leistungsfähigkeit)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Probabilistische Betrachtungsweise:
• Entstehung und Entwicklung (Ätiologie) psychosozialer
Probleme durch Zusammenspiel verschiedener personaler und
sozialer Faktoren
• Störung ist nicht unausweichliches Ergebnis;
• die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Störung ist
durch genetische, neurobiologische, psychologische und
soziale Faktoren bedingt
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Risikofaktor:
Eine Variable, die, die statistische Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten einer Störung erhöht
- z. B. Lebensereignis, Persönlichkeitsmerkmal,
Verhaltensstil, soziale Umwelt
kumulative Effekte : erst die Häufung von Risiken erhöht die
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Störung
Identische Risikofaktoren können zu unterschiedlichen Störungen
führen (Multifinalität)
Verschiedenen Risikofaktoren können zur gleichen Störung
führen (Äquifinalität)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Protektiver Faktor/Schutzfaktor:
Eine Variable, die die statistische Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten einer Störung senkt bzw. die Effekte von
Risikofaktoren kompensiert
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Identifikation von protektiven Faktoren über eine Studie auf
der Insel Kauai (Werner &Smith 1989, 1992, 2001).
- Längsschnittstudie über mehrere Jahrzehnte
- 30% der Kinder gehörten einer Hochrisikogruppe an
- 30% von diesen zeigten jedoch keine Auffälligkeit
- Psychische Resilienz (Widerstandsfähigkeit) durch
personale/soziale Schutzfaktoren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Studie Kauai: Schutzfaktoren:
- Problemlöse- und Kommunikationsfähigkeit
- Selbstwirksamkeitserwartungen
- Planungskompetenzen
- Das Vorhandensein stabiler Bindungspersonen!
Diskusssion: Ambiguität von Schutzfaktoren – daher Forschung
zu kontext- und konstellationsspezifischen
Bewältigungsprozessen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Passung, Goodness-of-Fit
Passung zwischen den Anforderungen der Umwelt und
Bewältigungskapazitäten einer Person
Entwicklung einer Störung: ja/nein
Bsp.: Migrantenkinder: in Ursprungsland/Familie angepaßt, im neuen Land
überfordert
AUCH: man sucht sich bestimmte Umweltbedingungen oder paßt
sich die Umwelt an, kontrolliert sie
Passungen werden ausgehandelt – dies kann bereits zu
übermäßigem Stress führen
Störung;
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Diathese-Stress Modell
Verletzlichkeiten/Vulnerabilitäten in der bio-psychischen Struktur einer
Person (z. B. negative Sozialisationseffekte)
starke Belastungen
Zusammenbruch funktionaler Bewältigungsmöglichkeiten
Störung/dysfunktionale Bewältigung
Chronifizierung der Störung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Veränderung durch Erfahrung (s. auch Epigenetik)
aber begrenzte Verhaltensflexibilität, bei Störung, daher oft
Häufung einer Störung über Generationen hinweg (ähnliche
Genetik und Umwelt)
Genetik
Schicksal
Die Expression von Genen im Sinne von Verhalten unterliegt
vielen Faktoren:
- Umwelterfahrungen (Erziehung, Ernährung etc.)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Beispiel für eine Entwicklungspsychopathologische
Betrachtungsweise: Störung des Sozialverhaltens (Dodge 2000)
Verschiedene Entwicklungsstufen
1. A) neuronale, endokrine, psychophysiologische Merkmale, die
das Risiko erhöhen
B) soziokultureller Kontext: Elternhaus (aggressionsbereit,
niedriger sozioökonomischer Status)
2. Durch 1 bedingte spezifische Lebenserfahrungen in den ersten
Lebensjahren – weiteres Risiko durch strenge Disziplinierung,
emotionale Vernachlässigung, Aggression
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
3. Grundschulzeit: Defizite in der Selbstregulation; mehr soziale
Zurückweisung, Schulleistungsprobleme
negative Entwicklungsspirale
- mehr negative Peerkontakte; mehr feindselige Attribution
- relative Verfügbarkeit aggressiver Verhaltensweisen
- laxer Erziehungsstil zuhause um Konflikte zu vermeiden
jeder Faktor erhöht das Risiko sukzessive
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Intraindividuelle Risikofaktoren
•
Persönlichkeitseigenschaften
•
Stile der Informationsverarbeitung
•
Emotionsregulationsfähigkeit
•
Motivation
•
Strukturelle Eigenschaften der Hirnregulation
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Intraindividuelle Risikofaktoren
1.
Neurobiologisch, temperamentsbezogen
-
Bedeutung 3 cerebraler Subsysteme – steuern Verhaltenstendenzen,
bereits in Säuglingen
- Annäherungssystem
- Verhaltenshemmungssystem (hoch: Angststörungen; niedrig: ADHS)
- Kampf/Flucht (fight-flight) System
Deren Balance/Interaktion ist beeinflußbar, z. B. durch Traumata
Temperament (schwieriges Temperament bei Säuglingen: schlechter
Schlaf-Wach-Rhythmus, , Unruhe, Gereiztheit)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Intraindividuelle Risikofaktoren
2. Emotional, motivational
Qualität der Emotionsregulation
-
Einfluss durch den Tonus des Nervus Vagus (niedriger Tonus= risk)
-
Emotionalität (Grundstimmung)
-
Emotionale Reaktivität (risk factor für
externalisierende/internalisierende Vh-Störung)
Risikofaktor: Geringe Impulskontrolle und vermeidende
Emotionsregulationsstrategie
Bindungsstile
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Intraindividuelle Risikofaktoren
3. Kognitive Risikofaktoren
Defizite im Problemlösen und Handlungsregulation
- Wahrnehmung/Interpretation von Situationen
- Generierung von Handlungsalternativen
- Entscheidung für eine Alternative
- Ausführung
- Bewertung der Handlung
SSV: z. B. negative Wahrnehmung, eingeschränkte Handlungsalternativen, niedrige
Kontrollüberzeugung, niedriger IQ, ADHS
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Soziale Risikofaktoren
Familiensystem
Immer Einfluss auf das Kind – Interaktion – Rückkoppelungsschleifen (Kind
beeinflusst auch das Elternverhalten
-
Risikofaktoren z. B. Verlust eines Familienmitglieds, Scheidung,
behindertes Geschwisterkind, finanzielle Probleme, chronische Krankheit,
psychische Störung eines Elternteils, ständiger Streit, Kriminalität,
Bindungsdesorganisation, familiäre Gewalt, Missbrauch,
Sekundäre Vulnerabilität im Diathese-Stress-Modell durch Erfahrungen
Primäre Vulnerabilität: genetische Faktoren, Frühgeburtlichkeit, körperliche
Schädigung, Geburtskomplikationen etc.
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Entwicklungspsychopathologie
Soziale Risikofaktoren
Familiensystem
Übergang zur Elternschaft bereits kritische Phase – Anpassungsleistung:
Weichenstellung für die Entwícklung der Kinder: Prävention/Intervention
bereits in der Schwangerschaft/direkt nach der Geburt
Partnerbeziehung:
- Modellcharakter für den Umgang mit Konflikten/Streitkultur
- Einfluss auf Erziehungsstil (Dimensionen Emotionalität und Kontrolle;
Faktor Inkonsistenz des Erziehungsverhaltens)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention
Ziele:
• Risiko für eine negative Entwicklung minimieren
• Verbesserung der Erziehungskompetenz der Eltern, soziale
Unterstützung der Eltern, Verbindung/Kontakt Eltern –
Kindergarten – Schule
• Verbesserung der sozialen/kognitiven Kompetenz des Kindes
• Ausbau kind- und familienbezogener Resilienzfaktoren
• Ausbau der Beziehung zu Gleichaltrigen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention
Im Vorschulalter
• Ca 20% aller Kinder zeigen klinisch relevante
Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen, Trotzverhalten, Ängste
oder Depression
• Diese Kinder sind stärker gefährdet, Misshandlungen durch
Eltern und Geschwister und Lernschwierigkeiten zu erfahren
• Später mehr gefährdet für ungeschützten Geschlechtsverkehr,
Trunkenheit, Verkehrsunfälle, Arbeitslosigkeit, Delinquenz
• Nur 1 aus 6 betroffene Familien nehmen Hilfe an
• Verhaltensstörung zeigt eine hohe Stabilität
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention
Caplan (1964)
Primärprävention:
Strategie um das Auftreten einer psychischen Störung zu reduzieren
Sekundärprävention:
Reduzierung der Dauer bestimmter Störungen
Tertiärprävention:
Strategie, um die Beeinträchtigungen durch die Störung zu
minimieren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention
Munoz, Mrazek & Haggerty (1996)
• Universelle präventive Intervention:
• Gesamte Bevölkerungsgruppe (Vorsorgeuntersuchungen etc.)
• Selektive präventive Intervention:
• Individuen oder Gruppen die bestimmte Risikofaktoren oder
bereits Symptome haben (Frühgeborene, allein Erziehende,
psychisch kranke Eltern)
• Indizierte präventive Intervention:
• Hochrisikogruppen: Personen, die Symptome zeigen, und
Risikofaktoren aufweisen, Eskalation und weitere negative
Konsequenzen verhindern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Präventionsprogramme
Ziele:
Bedingt durch Ansatzpunkt:
- Durchführungsort (gute Erreichbarkeit; home based, school
based, community based)
- Adressaten (Kind oder Eltern, oder Lehrer)
- Je jünger das Kind, desto eher Ansatz über die Eltern
- Je älter das Kind und je ausgeprägter die Symptome,
eher kindzentriert (Vermittlung von Wissen und
Fertigkeiten)
- Multi-Komponenten-Programme (Kind/Eltern)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Präventionsprogramme
Ziele:
Meta-Analysen zur Präventivintervention:
Unterschiedliche Wirksamkeit:
• Zeitpunkt des Effekts (wann messen) (oft erst Monate später)
• Rekrutierung der Stichprobe (v.a. bei universeller Prävention,
kontinuierliche Teilnahme, Motivationsprobleme)
• Dropout-Problem
• Erfolgsmaße: multidmodal (kognitiv, emotional, behavioral),
daher multimethodal (Vh-beobachtung, Fragebogen, Test,
Interview)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Präventionsprogramme
Ziele:
Lösel & Beelmann (2003): Meta-Analyse:
höchste Effekte bei kognitiv-behavioral (selektiv und indiziert
besser als universelle Prävention)
Primärprävention (z. B. Kriminalität) (Tremblay and Japel 2003)
- z.T. bereits während Schwangerschaft, z. T. im Alter von 4
- Prävention inadäquates Elternverhalten
- Effekte: weniger Folge-SS, bessere familiäre Kommunikation,
positivere Einstellung der Eltern, weniger Haftstrafen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Präventionsprogramme
Ziele:
Kognitive Fähigkeiten
– Sehr stabil, daher frühe Intervention; gekoppelt mit Vh-Problemen
– Delinquenz:
– Beginn vor 3. Geburtstag; am besten Beginn in Schwangerschaft plus
day-care-Angebote
– Bei mehrfachbelasteten Hochrisikokindern – kontinuierliche Betreuung
anstatt einer Maßnahme
– Auswirkung auf kognitive und soziale Fähigkeiten, und
Erziehungskompetenz der Eltern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung und Bindung
Sarimski (2001):
- prognostisch bedeutsamste Variable: Reponsivität der Mutter
d.h. Initiativen des Kindes aufgreifen und unterstützen
- z. B. bei geistig behinderten Kindern, Frühgeborenen,
cerebrale Bewegungsstörung
- Leyendecker (1997): Beziehung=Wirkung (von Eltern, aber
auch Durchführende der Frühförderung)
- Sensibilität und geeignete Theorie!!!
- Feinfühligkeit: kindliche Signale 1) wahrnehmen 2) richtig
interpretieren 3) angemessen und 4) prompt reagieren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühförderung und Bindung
Studie von van den Boom (1994, 1997):
- Risikostichprobe (N=100): hoch irritierbare Kinder aus
sozioökonomisch schwachen Familien
- Intervention: 3 Hausbesuche (7.-9. Lebensmonat) mit Training
der Feinfühligkeit
- Interventionsgruppe: 72% sicher gebunden
- Kontrollgruppe: 32% sicher gebunden
- Bindungssicherheit ist ein protektiver Faktor (Kissgen und
Suess 2005)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
•
Bedeutung der Passung von Kind und Umwelt (Eltern):
– Schwieriges, impulsives Kind in toleranter Familie besser als in
zwanghafter Familie
•
Unstillbares Schreien oder wenig Responsivität beeinflußt sehr
schnell die mütterliche Reaktionsbereitschaft
•
Folge/Ursache?: Überschätzung des Grades der Absichtlichkeit
(Hinde 1979) im kindlichen Verhalten durch die Eltern (Teufelskreis,
falsche Wahrnehmung, Überschätzung des Problemverhaltens
•
Hineininterpretieren von Bedeutung (mein Kind mag mich nicht):
meist Projektionen eigener elterlicher Repräsentationen (S. 42 Fall)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
3 Wege wie psychische Störungen in der Kindheit entstehen:
1) Bereits angeboren: Autismus, Störung der Kommunikation (z. B.
Behinderung)
2) Seelische Verletzung: Traumatisierung: Kind wird in besonderer
Weise bedroht und verunsichert, ohne dass Hilfe von Erwachsenen
erfolgt
3) Störung der Eltern-Kind-Interaktion in der Feinabstimmung, durch
kindliche, elterliche und situative Faktoren. Nicht extremes Trauma,
sonder alltägliche Situationen zementieren diese Formen der
Kommunikation
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
•
Auch genetische Vulnerabilitäten
•
Prävention: kleiner Eingriff (oft nur 4 Sitzungen, intermittierende
Beratungsgespräche) mit großer Wirkung
•
Durchbrechen der eskalierenden Teufelskreise (keine Engelskreise:
s. Aktivierung/Stress des Caregivings, gemeinsame Interaktion,
Deaktivierung, Oxytocin, Entspannung, happiness bei Mutter und
Kind ….)
•
Früherkennung und frühe Intervention
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
Arten der frühkindlichen Regulationsstörung:
•
•
•
•
•
Exzessives Schreien (29,4%)
Schlafstörungen (62,8%)
Fütterstörungen (40,4%)
Dysphorische Unruhe (30,1%)
Exzessives Klammern und Trotzen (20%)
•
1991: Münchner Sprechstunde für Schreibabies (N>1000
Familien 1994-1997)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
•
Kinder kamen im Alter von 0-55 Monaten
•
Tabelle S. 53 (soziodemographische Daten)
•
Zusammenhang zwischen exzessivem Schreien und späteren
Verhaltensauffälligkeiten (Fütterproblemen; Shaver 1974;
Schlafstörungen, erhöhte Ängstlichkeit
•
Vorgestellt mit 7 Monaten: nur 10% hatten vorher KEINE Symptome
•
Durchschnittlich verstreichen 9 Monate mit Symptom bis zum
Erstkontakt zur Schreisprechstunde
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
Pränatale Risikofaktoren (S. 64/66) (69%)
• Stress in der ersten Hälfte der SS (Cortisol dringt noch durch
Placentaschranke), Angst, Depressionen (zusammen 46%)
• Schwere Hyperemesis
• Vorzeitige Wehen mit Tokolyse
• Schwangerschaftsdepression
Perinatale Risikofaktoren (38,8%)
• Sectio
• Mangelgeburt (Gewicht)
Postnatal (85,4%)
• Familiäre und kindliche Atopie (Hautprobleme)
• Neurologische Auffälligkeiten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
Intuitive elterliche Kompetenzen (intuitive Parenting) (Papousek)
-
Vertrauen darin wird durch schwieriges Kind durchbrochen:
Teufelskreis)
Negatives feedback versträrkt Belastung im Übergang zur
Elternschaft, Gefühl der Hilflosigkeit, Depression, geringes
Selbstwertgefühl; Unfähigkeit
-
Frühe Orchestrierungsphase (S. 96)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
Exzessives Schreien (S. 116): 16-29% Prävalenz
Fallvignette (S. 112)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Frühkindliche Regulationsstörungen
Interventionen:
„Cds mit white noise oder intrauterinen Geräuschen, Schaukeln,
Wasserbetten, Autogeräusche-Bettchen mit Vibrationen von 55
mph,
Medikamente (Sab Simplex, Lefax) – kein signifikanter Effekt über
Placeboeffekt hinaus
Entwicklungsberatung (S. 137)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
• Ca. 20% aller Kinder haben klinisch relevante Auffälligkeiten
wie Aggressionen, Trotzverhalten, Ängste, Depressionen (z. B.
Ihle und Esse 2002)
• Gefährdet:
• Misshandlung durch Eltern zu erfahren
• Lernschwierigkeiten
• Ungeschützten Geschlechtsverkehr
• Alkohol am Steuer
• Verkehrsunfälle
• Arbeitslosigkeit
• Delinquenz
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
• Weniger als 15% der Familien, die Hilfe bräuchten, suchen
Hilfen auf
• Universelle Präventionsprogramme:
• Kindzentriert:
• Präventionsprogramm zur Verhütung von sexuellem
Missbrauch (Eck & Lohaus 1993)
• Interpersonal Cognitive Problem-Solving (Shure &
Spivack 1982)
• Good behavior Game (Kellam et al 1998)
• Second Step (Faustlos) (Grossmann et al 1997)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
• Universelle Präventionsprogramme:
• Elternzentriert:
• Triple P (Gruppentraining, Sander 1999)
• Multikomponenten-Programm:
• Seattle Social Development Project (Hawkins et al. 1992)
• Lehrerzentriert:
• Promoting Alternative Thinking Strategies (PATH,
Greenberg &Kusche 1998)
• Incredible Years Series (IYS) (Webster-Stratton et al.
2001)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
Selektive/Indizierte Präventionsprogramme:
• Kindzentriert:
• Incredible Years Series (IYS) (Webster-Stratton 2001)
• Elternzentriert:
• Incredible Years Series (IYS) (Webster-Stratton 2001)
• Parent Child Interaction Training (PCIT,
Strayhorn&Weidman 1991)
• Yale Child Welfare Project (Seitz et al 1985)
• Triple P Gruppentraining (Sanders 1999)
• Video-Interaktionstraining für Risikofamilien (Cordes &
Petermann 2001)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
Selektive/Indizierte Präventionsprogramme:
• Multikomponenten-Programme
• Montreal Prevention Experiment (Tremblay et al 195)
• Präventionsprogramm für expansives Problemverhalten
(PEP, Wolff Metternich et al 2002)
• Lehrerzentriert:
• Program for Academic Survival Skills (Greenwood et al
1997)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
Beispiele für Präventionsprogramme im Vorschulalter
Triple P (Sanders,1999)
• Ziel: Eltern Strategien lehren, um positive Beziehung zum Kind
aufzubauen, es in der Entwicklung zu fördern
• Kompetenz und Bewältigungsstrategien der Eltern erhöhen
• Emotionalen und Verhaltensproblemen der Kinder vorbeugen
• 5 Interventionsebenen mit steigender Intensität
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention – Triple P
Triple P (Sanders,1999)
Stufe 1: Universelle Informationen über Erziehung (Broschüren etc.)
Stufe 2: Kurzberatung für spezifische Erziehungsprobleme:
4 kurze (20 min) Einzelinterventionen durch Kinderarzt, Erzieher, Lehrer
Stufe 3: Kurzberatung und aktives Training:
4 Sitzungen plus Training (Rollenspiele)
Stufe 4: Intensives Elterntraining
Gruppentraining 4x 2 Stunden; Video; plus 4 Telefonkontakte
Stufe 5: Erweiterte Interventionen auf Familienebene
Familien mit zusätzlichen Konflikten wie Ehekonflikt,
Substanzmissbrauch der Mutter, Depression, und Kinder, die trotz Stufe 1-4
noch Auffälligkeiten zeigen (Hausbesuche, Kommunikationstraining,
Stressbewältigung)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention – Triple P
Evaluation:
DFG-Studie von Heinrichs et al 2006:
- 280 Familien mit Kindergartenkindern
- Verbesserung der Erziehungsverhaltens
- Weniger internalisierende und externalisierende Probleme der
Kinder
- Reduktion der Inzidenzrate (Kontrollgruppe hatte 2-3x soviele
neue internalisierende und externalisierende Auffälligkeiten)
- Weniger Depressivität der Mütter, weniger Stress
- Mehr Partnerschaftszufriedenheit
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
FAUSTLOS:
(Cierpka 2001) (=second step)
- Training von Empathie, Erkennen und Mitteilen von Gefühlen
- Impulskontrolle (soziale Problemlösung)
- Umgang mit Ärger und Wut (Selbstkontrolle)
Für den deutschen Sprachraum meist nur mäßige Effekte (Analyse;
Lösel&Beelmann 2003, 2006)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
FAUSTLOS:
• 4 Versionen für Kindergarten, 1.2.3. Klasse
• 3 Blöcke mit bis zu 20 Lektionen
• 1) Training von Empathie
2) Training der Impulskontrolle (soziale Problemlösung)
3) Umgang mit Ärger und Wut (Selbstkontrolle, Umgang mit
Kritik)
• Umsetzung durch den Lehrer in der Klasse
• Bildvorlagen mit Konfliktsituationen
• Wird gut von Lehrern angenommen, aber wenig Wirkung, eher
auf soziale Ängstlichkeit
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
Elterntraining nach Patterson (1982, 1986)
- Unangemessenes Erziehungsverhalten mit Zwangsprozesses
zwischen Eltern und Kind: Eskalation – Verhaltensprobleme
- Veränderung von 4 Familien-Management-Variablen:
• Regeln setzen
• elterliches Interesse
• Sanktionen und Kontingenzen
• Krisenbewältigung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
Elterntraining nach Patterson (1982, 1986)
Regeln setzen:
Festlegen akzeptablen und inakzeptablen Verhaltens des Kindes,
klare Absprachen, Konsequenzen
Elterliches Interesse (wissen wo das Kind ist, was es gerne tut etc.)
Positive und negative Verstärkung
Krisenbewältigung (Antizipieren und Lösen von Problemen)
Effekte: N=319 Familien mit verhaltensauffälligen Jungen; 2 Jahre
Präventionsprogramm; weniger delinquentes Verhalten, weniger
Drogenmissbrauch, häufiger in der Ursprungsklasse
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
Elterntraining nach Patterson (1982, 1986)
Effekte:
Studie Erlangen (Lösel 2001): Adaptiert für Vorschulalter
5 Sitzungen (1x wöchentlich) von 1-2 Stunden mit 2 Trainern
Positive Effekte auf Erziehungsverhalten (d=.10-.30);
KEINE Überprüfung langfristiger Effekte
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
I Can Problem Solve
Kindzentriertes Gewaltpräventionsprogramm (auch Vorschulalter)
(ICPS Shure and Spivack 1982)
Kognitiver Ansatz um interpersonelle Probleme zu lösen,
antisoziales Verhalten zu verhindern
Verhalten hat Ursachen –
Menschen können unterschiedliche Gefühle haben
Mehr als 1 Weg zur Problemlösung
Ergebnis: weniger dissoziales Verhalten, gehen besser mit Wut und
Enttäuschung um
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention im Vorschulalter
I Can Problem Solve
- Unterrichtseinheiten mit Spielen, Geschichten, Handpuppen,
Bildern, Rollenspielen
- Im Alltag ausprobieren
- Auch die Erzieher wenden neue Kommunikationsmuster an
- Erlangener Entwicklungs- und Präventionsstudie:
- 15 Sitzungen 30-60 min mit 6-10 Kindern, 3-5 Wochen, 2
Trainingsleiter
- Weniger Problemverhalten
- Kurzfristiger präventiver Effekt
- Besonders ökonomisch
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Selektive/Inzidierte Prävention im
Vorschulalter
The Incredible Years Series (IYS) (Webster-Stratton et al 2001)
•
•
•
•
Multikomponenten für Eltern, Lehrer und Kinder
Soziale und emotionale Kompetenz fördern
Verhaltensprobleme vorbeugen, Probleme reduzieren
Kinder von 2-8 Jahren mit erhöhtem Risiko oder erste Anzeichen
aggressiven, oppositionellen oder impulsiven Verhalten
• Berücksichtigung von Risikofaktoren: sozioökonomischer Status,
Psychopathologie der Eltern, Alleinerziehend
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Selektive/Inzidierte Prävention im
Vorschulalter
The Incredible Years Series (IYS) (Webster-Stratton et al 2001)
Elterntraining:
BASIC: 12-14 Wochen, 1x pro Woche 2 Stunden, 8-16 Eltern, videounterstütztes
Gruppenprogramm; positive Disziplinierungsstrategien, soziale Kompetenz
fördern
SCHOOL: schulische Kompetenz der eigenen Kinder fördern, Bezug zu Lehrern
herstellen, Hilfe bei Hausaufgabenerledigung
ADVANCE: für Familien mit zusätzlichen Risikofaktoren (Depression,
Ehekonflikte); 10-12 Wochen; kognitive Selbstmanagementstrategien,
Problemlöse – und Kommunikationsfertigkeiten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Selektive/Inzidierte Prävention im
Vorschulalter
The Incredible Years Series (IYS) (Webster-Stratton et al 2001)
Lehrertraining (Lehrer, Berater, Schulpsychologen):
6-tägiger workshop; effektive Unterrichtsstrategien; positive Beziehung zum
Schüler
Dinosaurier-Schule für Kinder mit Verhaltensproblemen:
Kleingruppen (5-6) 2x wöchentlich 1 Stunde
BASIC: 6 randomisierte Studien mit 800 Kindern:
2-3 Jahre nach Ende des Trainings: Verbesserung des Erziehungsverhaltens
und Eltern-Kind-Interaktion, Reduktion der Verhaltensprobleme
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Selektive/Inzidierte Prävention im
Vorschulalter
PEP – Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten
(Döpfner, Schürmann & Fröhlich 2002)
1) Elternprogramm (PEP-EL): Erziehungsverhalten in kritischen Situationen, in
denen expansive Verhaltensprobleme auftreten, zu ändern.
2) Erzieherprogramm (PEP-ER): parallel zum Elternprogramm, Reduktion des
Problemverhaltens im Kindergarten
Gruppenprogramm, 10 Sitzungen (1-2 Stunden)
- Memo (Wiederholung), Info, Weg, Praxis (Umsetzung im Alltag)
Auffrischsitzungen nach 3,6,9,12, und 24 Monaten.
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Selektive/Inzidierte Prävention im
Vorschulalter
FAST Track (Families and Schools Together)
• Förderung alternativer Denkstrategien
• Elterntraining
• Training sozialer Fertigkeiten
• Förderung der Eltern-Kind-Beziehung
• Hausbesuche
• Zusammenführen von Risikokindern mit Peers
• Akademisches Training
Dauer: insg. 6 Jahre; sowohl universell als auch selektiv, vermittelt von Lehrern in
der Grundschule
Identifikation von Risikokindern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Selektive/Inzidierte Prävention im
Vorschulalter
FAST Track (Families and Schools Together)
Ergebnisse:
• Risikokinder (oberste 10%):
Nach 1 Jahr:
• kaum Abnahme aggressiven und hyperaktiv störenden Verhaltens in der
Klasse
• Weniger Kinder in die Sonderschule überwiesen
• Lesefähigkeit signifikant verbessert
• Eltern setzen weniger körperliche Strafen ein, sind zufriedener
Nach 3 Jahren:
• Weniger Aggression, weniger Sonderschule, weniger klinisch relevante
Auffälligkeiten (37% vs. 27% hatten keine)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention
Training sozialer Kompetenzen
Das Konstanzer Trainingsmodell (KTM): Ausbildung der Lehrkräfte
(Humpert & Dann 2001)
•
Kompetenzaufbau von Lehrkräften im Umgang mit aggressivem und
störendem Schülerverhalten
•
Systemische Sichtweise
•
Ziele:
– Verbesserung der sozialen und pädagogischen Kompetenz der Lehrer,
Erweiterung des Handlungsrepertoires
– Vermeidung und Verringerung von aggressivem und störendem
Schülerverhaltens
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention
Training sozialer Kompetenzen
Das Konstanzer Trainingsmodell (KTM): Ausbildung der Lehrkräfte
•
Tandemprinzip: immer zwei Lehrer arbeiten zusammen (einer ist
Beobachter)
•
Unterrichtsbesuch mit Beobachtung des Verhaltens mittels
Beobachtungsbögen
•
Gemeinsame Rekonstruktion einer Problemsituation
•
Trainingsbaustein: wissenschaftliches Expertenwissen vs. subjektive
Theorien der Lehrer; neue Handlungsstrategien
•
Erprobung der neuen Verhaltensweise im Unterricht
•
Überprüfung, Platzwechsel im Tandem, Training in der Gruppe
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen
Der Standard in Deutschland und auch noch international sind:
Lerntheoretische Interventionen und Verhaltensmodifikation
Problem dabei: symptomorientiere Intervention anstatt ursachenorientiert
Risiko: Symptomverschiebung, die Ursachen (gekoppelt mit unbewußten und
sogar psychophysiologischen Anteilen, Aktivation von Emotionen,
Denkmustern, etc.) bleiben bestehen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
Förderung und Behandlung: beides absichtsvolle, fachlich
begründete Einflußnahmen
- z. B. Lernzielorientierte Förderung (z.B. bestimmte Kompetenz
erlangen)
Erfolgsfaktoren (Orth & Geenen 2004; Enders & Haberstock
2004):
- Eigentätigkeit des Kindes
- Qualität des Handeln des Kindes
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
DAHER: Motivation des Kindes:
Spielerisch:
Kind da abholen, wo es ist
Geeignete Hilfestellungen, zum nächsten Schritt
Offene Gestaltung von Situationen durch die Frühförderin
= Akt des Mitspielens, bei dem es um die absichtsvolle
Ermöglichung von Lernprozessen entlang ausgewählter
Themen geht (Klaes & Walthes 1998)
Mitmachen, Gewährenlassen, Hilfen geben, Struktur und Regeln
beachten, Umgang mit Affekten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
Oerter: nicht jedes Spiel ist lehrreich (1996):
- Kinder können auch auf niedrigerem Niveau spielen, als sie
ihrem geistigen Entwicklungsstand nach spielen könnten.
- Vgl. spielen bei Erwachsenen (Moorhuhn, etc.); Amüsieren
unterhalb des eigenen Niveaus
- Kann auch Flucht aus Alltag sein
3 Ebenen des fördernden Spiels:
- Lernen und Üben von Funktionen im Spiel
- Entwicklungsförderung im Rahmen von Spielhandlungen
- Spiel als sinnstiftende Tätigkeit
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
Oerter
3 Ebenen des fördernden Spiels:
Lernen und Üben von Funktionen im Spiel:
Besondere Spiele für die Sensorik, Konzentration etc.
Montessori Pädagogik: Spiel ist die Arbeit des Kindes
Kritik von Stern (1952): intrinsische Motivation kann abhanden
kommen; es muss auch sinnfreies Spiel (phantasieren,
Puppenspiel, etc. ) geben (allerdings wohl doch sozioemotional relevant
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
Oerter
3 Ebenen des fördernden Spiels:
Entwicklungsförderung im Handeln
- Regeln lernen, lügen und streiten lernen (Gesellschaftsspiele,
Rollenspiele)
Als sinnstiftende Tätigkeit
- dem Kind bei der Expression der Thematik freie Hand lassen
- Bsp. Turm bauen und zum Einsturz bringen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
Ist Spiel noch Spiel wenn es Förderung beinhaltet:
Leben Kind und Fördertherapeutin auf verschiedenen Planeten??
Spiel ist Spiel und Förderung ist Förderung!!! Bei älteren
Kindern kann dieser Wechsel durchaus sinnvoll sein (Spiel =
Belohnung)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Förderung und Spiel
1 Stunde pro Woche= Tropfen auf den heißen Stein?
Modell für Mutter, Lehrstunde für Kind, Hausaufgaben
(schlechtes Gewissen bei Nicht-Üben?? Kontraproduktiv!!
Spielen: Druck der Mütter „die spielen ja nur, was bringt das“?
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Humanistische Interventionen:
Spiel als natürliches Ausdrucksmedium:
•
Einblick in die Denk, Gefühls, und Handlungsstrukturen des Kindes
•
Interventionsmöglichkeiten für Pädagogik und Therapie
•
Psychologie des Unbewußten (S. Freud und Anna Freud)
•
Spielanalyse: Diagnose und Behandlung von Kindern
•
Melanie Klein (1973): kindliches Über-Ich
•
Projektionserleichterndes Spielmaterial, direkt mitspielen (Rollenspiel),
im Spiel direkt intervenieren und interpretieren (mit oder ohne
verbalisieren)
•
Abbau kindlicher Spannung durch das Spiel (Katharsis), Konfliktlösung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Humanistische Interventionen:
USA: psycho-educational approach
-
Unbewußte Handlungsantriebe
-
Auch konkrete Alltags-und Gruppenkonflikte
-
Pädagogische oder therapeutische Intervention
-
Ich Psychologie: Anliegen: Selbstkontrolle durch Selbstverstehen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Humanistische Interventionen:
Die personenzentrierte Spieltherapie (angelehnt an Carl Rogers, 1942, 1978)
•
Äußeren und inneren Fehlanpassungen des Kindes entgegenwirken
•
Beziehungskultur fördern:
–
Echtheit /Authentizität (Unverfälschtheit)
–
Akzeptanz (Anteilnahme, Wertschätzung)
–
Empathisches, einfühlendes Verstehen des Kindes
•
Voraussetzung: alle wichtigen Erfahrungen angstfrei zulassen können
•
Erfahrungslernen (Erfahrungssystem vs. verbal-symbolisches System)
–
Lernen mit kognitiven, emotionalen und handlungsbezogenen Aspekten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Die personenzentrierte Spieltherapie (angelehnt an Carl Rogers, 1942, 1978)
-
Entwicklung des Selbstkonzepts (zeitlich konsistent, aber wandelbar, z. B.
durch entstehende Behinderung)
-
Gestörtes Selbstkonzept: Potenziale des Selbst werden nicht (mehr) realisiert
-
Z. B. schulisch: fremdbestimmte kognitive Ziele
-
Therapie:
-
Echtheit: Kongruenz zwischen Erleben und Bewußtseinsinhalten und
Mitteilungen an den Klienten
-
Akzeptieren
-
Empathie (richtig spüren und auch so kommunizieren)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Die personenzentrierte Spieltherapie (angelehnt an Carl Rogers, 1942, 1978)
Prozessmodel (Goetze 2002)
•
Non-personales Stadium: Beziehung noch unpersönlich, noch wenig
Empathie aber starke Motivation eine Beziehung aufzubauen
•
Non-direktives Stadium: Atmosphäre der Freiheit
Gestaltung der Beziehung, Annahme des Kindes, Klima des Gewährenlassens,
Erkennen und Reflektieren von Gefühlen, Achtung vor dem Kind, Wegweisung durch
das Kind, Nicht-Beschleunigung, Grenzsetzungsprinzip
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Die personenzentrierte Spieltherapie (angelehnt an Carl Rogers, 1942, 1978)
Prozessmodel (Goetze 2002)
•
•
Klientenzentriertes Stadium
–
Exaktes Wahrnehmen und feinfühliges Reagieren, auch konfrontativere
Verbalisierungen möglich
–
Ziele: Problemlöseverhalten, emotionale Ebene, aktionale Ebene
Personenzentriertes Stadium
–
Belastungsfähige Beziehung, Konfrontationen und Generalisierungen,
–
Abschiedsstrategien, partnerschaftliches Verhältnis
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Die personenzentrierte Spieltherapie (angelehnt an Carl Rogers, 1942, 1978)
Materialien:
•
Übliche Gesellschaftsspiele, Kommunikationsspiele und kreative Medien
(Malen, Knete etc)
•
Rollenspiele, Entspannungsübung, Metaphern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Spieltherapie
Die personenzentrierte Spieltherapie (angelehnt an Carl Rogers, 1942, 1978)
Effektivitätsnachweis
Bratton & Ray (2000): 100 Fallstudien, Wirksamkeit bei vielen Störungsbildern
(Angst, Enuresis, Trichotillomanie, selektiver Mutismus)
Ray, Bratton, Rhine & Jones (2001): Meta-Analyse
- 180 Untersuchungen: Zuwachs von .73 SD Einheiten in Therapiegruppe
- humanistisch – nondirektiv: Effektstärke: .93
- verhaltenstherapeutisch – direktiv: Effektstärke: .73
- Einfluß der elterlichen Beteiligung
Filialtherapie: Einsatz von Elternteil ( oder auch Peers)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen – Spieltherapie
Therapeutisch orientierte Spielgruppen
•
In Grundschulen
•
Gruppenstadium: Lehrerin reflektiert die Konflikte der Kinder und deren
Streben nach Macht und Kontrolle
•
Arbeitsstadium: Gruppe soll als Einheit agieren
•
Sozio-emotionale Förderung
Sandkastenarbeit (allein oder in Gruppe)
Spieltherapeutisch orientierte Tutorenprogramme (ältere helfen jüngeren
Schülern)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
TAG 2
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung und Caregiving
Beschrieben in der Bindungstheorie von J. Bowlby (und M.
Ainsworth)
•
Bindung und Caregiving (Pflegeverhalten) sind komplementäre
Verhaltenssysteme
•
Biologisch angelegt, mit Hormonen und Stressregulation eng verknüpft
•
Wichtige Funktion im gesamte Lebenslauf
•
Bindung und Caregiving auch im Erwachsenenalter
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungstheorie
John Bowlby: Bindungstheorie (1960)
•
•
basierend auf Beobachtungen von Mutter-Kind Dyaden zuhause
und Kindern in Heimen
Basierend auf Forschung von Harlow und Zimmerman (1958)
€ ursprünglich: Mutter-Kind-Bindung
€ Seit den 1990ern: Erwachsenenbindung (adult attachment),
Partnerbindung
€ Bindung zwischen Mensch und Tier
Bindung ist ein wichtiger Aspekt eines gesunden emotionalen und
sozialen Lebens von der Wiege bis zum Grab.(Bowlby 1969/1982)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Verhaltenssysteme
Verhaltenssystem (George and Solomon 2000):
“ist ein biologisches System das die Regeln und Verhaltensweisen, die
mit einem bestimmten Ziel in Verbindung stehen.”
-
Bindungssystem im Kind
Pflegeverhaltenssystem beim Elternteil
Bindung und Caregiving sind komplementäre Systeme
Sie stehen in Konkurrenz zu anderen Verhaltenssystemen:
- affiliatives System (soziale Beziehungen)
- sexuelles System
- Exploration
- Angst (bei Kind und Mutter)
- Stressregulation
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungsverhaltenssystem
Ziel des Bindungsverhaltenssystems:
-
Schutz: durch das Herstellen oder Aufrechterhalten von Nähe zur
Bindungsfigur (Elternteil, jemand der mehr Ressourcen hat)
- (auch der Erhalt von Nahrung, Pflegeverhalten, und Trost )
-
Aktivierung des Systems wenn das Kind in Gefahr ist oder Stress
erlebt
-
Ziel : Schutz des Nachwuchses (reproductive fitness)
Weiteres Ziel: Stressreduktion im Kind – soziale Unterstützung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Soziale Unterstützung
4 Formen sozialer Unterstützung:
-
Instrumentale Unterstützung
Unterstützung durch Information
Vor allem in engen und vertrauensvollen Beziehungen:
-
Emotionale Unterstützung
Physischer Kontakt (Ditzen et al. 2007)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungsverhalten
Bindungsverhaltensweisen beinhalten:
Alle Aktionen die darauf abzielen, Nähe herzustellen und aufrecht zu
erhalten
-
Augenkontakt,
-
weinen,
-
rufen,
-
Hände ausstrecken,
-
sich auf jemanden zubewegen,
-
sich am Elternteil festhalten, Widerstand gegen Trennung leisten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungssystem - Aktivierung
Das Bindungsverhaltenssystem wird aktiviert durch :
Internale Reize:
– Krankheit,
– Müdigkeit
– Hunger
– Schmerz
– Angst
– negative Emotionen
Externale Reize:
Situationen die Stress und
Angst auslösen (weil potentiell
gefährlich)
- Trennung von Pflegeperson
- physische Gefahr
- Anwesenheit von Fremden
- unbekannte Umgebung
– Hormone (Oxytozin)
- Sturm mit Blitz und Donner
- Dunkelheit
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungssystem Deaktivierung
Das Bindungsverhaltenssystem wird deaktiviert durch:
-
Nähe zur Bezugsperson (Körperkontakt)
-
Adäquates Pflegeverhalten
-
Reduktion von Stress,
-
Gefühl der Sicherheit
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Pflegeverhalten
Das Ziel des Pflegeverhaltenssystems ist der Schutz der Nachkommen
Pflegeverhalten beinhaltet:
Alle Aktionen die darauf abzielen, Nähe des Kindes herzustellen und
aufrechtzuerhalten und Fürsorge zu zeigen, die Stress beim Kind
reduzieren (Hunger, Schmerz etc)
-
e.g. Blickkontakt, Zurückholen, Rufen, Hochheben, hingehen,
berühren,
-
Füttern, umsorgen, beruhigen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Pflegeverhalten - Aktivierung
Pflegeverhalten wird aktiviert durch:
Situationen, die Eltern als angstauslösend, gefährlich, oder
stressauslösend für das Kind wahrnehmen
Internale Reize/Auslöser:
– Hormonspiegel(Oxytozin)
– Kulturelle Ansichten über richtiges Pflegeverhalten
(Fütterzeiten, Alleinschlafen etc)
– Müdigkeit, Krankheit des Elternteils (sich versichern, dass das
Kind nah ist, da man weniger Aufmerksamkeit aufbringen
kann)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Pflegeverhalten - Aktivierung
Pflegeverhalten wird aktiviert durch :
Externale Reize/Auslöser:
• Situationen die Stress und Angst auslösen und
gefährlich für das Kind sind
•
S. die externalen Auslöser beim Kind (attachment)
•
Kindliche Merkmale: Kindchenschema (auch bei Tieren, see e.g.
Füttern von Tieren im Zoo, oder fremde Hunde)
•
Beeinflust durch eigene Bindung der Mutter
Aktivierung hängt von der Sensitivität (korrekte Wahrnehmung von
Bindungssignalen ab (Responsivität= adäquates Pflegeverhalten)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Pflegeverhalten - Deaktivierung
Das Bindungsverhaltenssystem wird deaktiviert durch:
-
Nähe des Kindes zur Bindungsperson (Körperkontakt)
-
Deaktivierung des kindlichen Bindungsverhaltens
-
Erfolgreiche Stressreduktion beim Kind
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungssystem - Emotionen
Die erfolgreiche Deaktivierung von Bindung und Pflegeverhalten wird
von starken Empfindungen von Freude und Zufriedenheit begleitet.
Erfolgloses Bindungs- und Pflegeverhalten (Aktivierung ohne
Deaktivierung) ist verbunden mit Stress, Angst, Verzweiflung und
Gefühlen der Hilflosigkeit, Ärger, Depression
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interaktion von Verhaltenssystemen
Bindung und Exploration:
Die Bindungsfigur dient als:
- Sicherer Hafen bei Stress
- Sichere Basis für Exploration wenn das Bindungssystem deaktiviert
ist und ein Gefühl der Sicherheit vorherrscht (s. playground
behavior)
-
Balance zwischen den beiden Systemen bei sicheren Kindern –
Fähigkeit zu lernen (intellektuell und sozial)
- Bindung steht auch in Konkurrenz mit dem affiliativen System, nach
den ersten beiden Lebensjahren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interaktion von Verhaltenssystem
Pflegeverhalten:
Das Pflegeverhaltenssystem steht in Konkurrenz mit weiteren
Verhaltenssystemen: Balance ist wichtig für gesunde Mutter-Kind
Beziehung
- Das Sexualverhaltenssystem
- Eigenes Bindungssystem (Eltern, Partner)
- Pflegeverhalten für ein weiteres Kind
- Affiliatives System (Freunde)
- Explorationssystem (Arbeit)
- Die Wichtigkeit des Pflegesystems verschiebt sich gemäß der
Entwicklung des Kindes (z. B. Trennungen über mehrere Stunden
sind erträglich)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Internales Arbeitsmodell (IWM)
-
Internale kognitive Repräsentation
-
durch diese werden bindungsrelevante Erfahrungen evaluiert,
emotional beurteilt und organisiert
-
Beinhaltet Erwartungen über sich selbst (Selbstwert, Kompetenz)
und die Pflegeperson (verläßlich, vertrauenswürdig, adäquat,
sensitiv)
-
Das IWM von Bindung entwickelt sich im ersten Lebensjahr durch
wachsende Erfahrung mit den Bindungspersonen
-
IWM von Pflegeverhalten ist verbunden mit den eigenen
Erfahrungen von erhaltener Fürsorge, eigenem Bindungssystem,
und Selbstkonzept (als gute Pflegeperson)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Internales Arbeitsmodell (IWM)
-
Funktion des IWM (Bowlby 1980):
...soziales Verhalten anderer und sich selbst in echten Beziehungen
zu antizipieren und zu simulieren um dem Individuum
antizipatorisches Verhalten zu ermöglichen
-
Unbewußt in der Kindheit
Bewußtseinsfähiger im Erwachsenenalter (aber nicht ganz)
Beobachtbar bei Kindern (Verhalten, Strange Situation Test,
Experimente zur Wiedervereinigung)
Nur teilweise durch projektive Tests erfaßbar (Adult Attachment
Projective), Interviews,(Adult attachment interview), oder
Fragebögen
-
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Sichere Bindung
Primärstrategie: zielt auf sichere Bindung ab
Konditionale Sekundärstrategien entwickeln sich, wenn das
Bindungsverhalten des Kindes nicht adäquat und konsistent
beantwortet wird. Dann entwickelt sich unsichere Bindung:
Die unsichere Bindung dient immer noch einer organisierten Strategie:
Schutz und Fürsorge von einer suboptimalen Pflegeperson und
Umwelt zu bekommen
Sichere Bindung:
Vertrauen in die Verfügbarkeit einer Bindungsfigur; wird beruhigt durch
die Nähe einer Bindungsfigur, zeit Trennungsschmerz, und zeigt
offen Bindungsverhalten bei Stress/Gefahr/ Trennung.
Exploration; Offenheit für eigene Gefühle und die anderer, gute
Emotionsregulation ;
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Unsichere Bindung
Sekundärstrategien: Unsichere Bindung
Unsicher-vermeidend (auch „abwertend“ bei Erwachsenen)
Zeigt bei Stress (z. B. Trennung) kein Bindungsverhalten, hat aber
physiologisch hohen Stress (cortisol, Spangler and Schieche 1998)
versucht sich selbst zu beruhigen oder abzulenken durch Exploration,
Herunterregulieren von Emotionen, Abwehrstrategie= Deaktivierung,
negative Emotionen werden nicht adäquat reguliert
Anpassung an eine Pflegeperson die nicht sensitiv und repsonsiv ist
wenn Bindungsverhalten gezeigt wird. Keine Offenheit für Gefühle
(selbst und andere), wenig Selbstwert.
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Unsichere Bindung
Sekundärstrategien: Unsichere Bindung
Unsicher-ambivalent (auch „verwickelt“ bei Erwachsenen)
Kind ist sehr anhänglich, bleibt immer nah bei Bindungsfigur, wenig
Exploration, BF ist als unzuverlässig und unvorhersehbar
hinsichtlich Responsivität und Verfügbarkeit abgebildet
Im Schulalter immer noch anhänglich/klettenhaft, wehrt sich gegen
Trennung, dauernde Aktivierung des Bindungssystems
Ärger gegenüber BF wegen wahrgenommenen Mangels an
Aufmerksamkeit
Negative Emotionen sind nicht adäquat reguliert, eher ein Mangel an
Regulation
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungsdesorganisation
Sichere, aber auch unsichere Bindung sind organisierte
Strategien – die Pflegeperson gibt immerhin noch Fürsorge, die
„gut genug“ ist
Verlust der Organisation = Desorganisation (Main & Solomon, 1986)
Zusammenbruch des Bindungsverhaltenssystems
- Das Kind sieht sich als hilflos und verletzlich in angstauslösenden
Situationen an, die Bindungsfigur gibt keine Sicherheit
-
Verletzende Erfahrungen können nicht in das IWM integriert werden,
werden in einem extra, segregiertem System abgebildet (nicht
bewußt zugängig)
-
Angst im Bindungskontext – emotionale
Ausbrüche/Aggression/Einfrieren -kontrollierendes Verhalten
gegenüber Pflegeperson
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindungsdesorganisation
Bindungsdesorganisation ist wie eine hoch-unsichere Bindung
Ursachen
- Vernachlässigung oder Zurückweisung durch Eltern
- Missbrauch durch Eltern
- Drohungen das Kind zu verlassen
- Verlust einer Pflegeperson (ohne adäquate Fürsorge einer anderen
Bindungsperson)
Kontinuum von Bindungskategorien:
Vermeidend ………………...Sicher ………………Ambivalent
Zusätzlich: Bindungsdesorganisation: ja/nein (Schweregrad)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung und psychische Gesundheit
Eine unsichere Bindung, v.a. eine Desorganisation, ist ein Risikofaktor
für die sozio-.emotionale Entwicklung
Bindung in der Normalbevölkerung (see Hartmann 2005)
Sicher:
60-70%
Unsicher:
30% (mehr vermeidend als ambivalent)
Desorganisation:
10-15%
Wahrscheinlich mehr unsichere heute!!!
Höhere Prävalenz unsicherer/desorganisierter Bindung in
klinischen Stichproben:
Sichere Bindung ist ein protektiver Faktor für die Entwicklung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung und psychische Gesundheit
Höhere Prävalenz unsicherer/desorganisierter Bindung in
klinischer Population :
– Angststörungen
- Psychosomatische Störungen
- Depression
Ungefähr 90% der Kinder in Schulen für Erziehungshilfe haben eine
unsichere Bindung, ungefährt 60-70% eine desorganisierte Bindung
Eine sichere Bindung ist ein protektiver Faktor für die Entwicklung
(Werner &Smith 1989, 1992, 2001)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Caregiving – flexible Integration
George und Solomon 2008:
Caregiving das mit sichere Bindung einhergeht:
-
flexibel, balanciert, integriert
Wissen über Selbst und das Kind,
Kooperation zwischen Mutter und Kind
commitment (Verbindlichkeit)
joy of parenting (Freude an der Elternschaft)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Caregiving – Unsichere Bindung
George und Solomon 2008:
Mütter unsicher gebundener Kinder geben immer noch Schutz und
Fürsorge, aber brauchen Abwehrmechanismen, um zurecht zu
kommen – Sekundärstrategie
Caregiving in Verbindung mit unsicher-vermeidender Bindung:
-
Deaktivierung, um bindungsbedingten Stress aus dem Bewußtsein
zu entfernen
-
Umgeht die Aktivierung des Caregiving Systems
-
Wichtigkeit von Caregiving ist erniedrigt (andere Verhaltenssystems
sind vorrangiger)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Caregiving – unsichere Bindung
Caregiving in Verbindung mit unsicher-vermeidender Bindung :
-
„distanced protection“ ( distanziertes Beschützen) : das Kind aus der
Distanz überwachen, die Pflege anderen übertragen
-
Ablehnung der kindlichen Bindungsbedürfnisse
-
Keine Freude am Elternsein
-
Betonung der Disziplin
-
Mangel an Intimität
-
Stärkere Aktivierung von Exploration und Affiliations
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Caregiving – unsichere Bindung
Caregiving in Verbindung mit unsicher-ambivalenter Bindung :
-
Kognitive Abtrennung als Abwehrmechanismus (Abtrennung der
Emotion und Information von der Quelle) – nur Teile, nicht das
Gesamtbild werden wahrgenommen
-
Erhöhte Aktivierung des Pflegesystems
-
„close protection“ – nahes Beschützen (das Kind in der Nähe halten)
-
Positive Einstellung und Wahrnehmung von Kind und Elternsein
-
Ständige Sorge, Gefühl der Schuld über eigene Ineffektivität Gefühl
der Unzulänglichkeit
-
Wenig Exploration und Affiliation
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Caregiving – Desorganisierte Bindung
Ein deaktiviertes/funktionsuntüchtiges Pflegeverhaltenssystem
-
Verzicht auf Pflegeverhalten(selten vollständig, s.
Vernachlässigung)
-
Gefühl der Hilflosigkeit, des Misslingens von Schutz, eigene
Bindungsdesorganisation
-
Verfehlt potentiell das Ziel des Pflegeverhaltenssystems
-
Pflegeperson selbst löst Angst beim Kind aus
-
Kind wird als kleiner Teufel wahrgenommen, der die Mutter zum
Kontrollverlust bringt
-
Einschränkung des Pflegeverhaltens (verläßt die Wohnung)
-
Rollenumkehr, Kind als kleiner Engel
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Ontogenese
Das Bindungssystem existiert von Geburt an
- Entwickelt sich inhaltlich während der ersten Lebensjahre, 1. Jahr ist
am wichtigsten
- Nach 6-8 Monaten ist eine echte Bindung aufgebaut
(Bindungsperson wird bevorzugt)
Das Pflegeverhaltenssystem ist bereits in der Kindheit vorhanden
- Inkomplett und nicht stabil
- Entwickelt sich in der Pubertät und vollends mit der eigenen
Elternschaft
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Transmission
Transmission von Bindungsrepräsentationen auf andere
Bindungsfiguren, aber auch alle anderen langfristigeren und
engeren Interaktionspartner (Freunde, Partner)
Unsichere/desorganisierte Bindung wird zementiert, wenn keine
konstanten neuen Erfahrungen, die nicht ins vorhanden Bild
assimiliert werden, vorhanden sind – erst dann wird akkommodiert;
z. B. Therapie, Lehrer-Beziehung, bindungsgeleitete Intervention .
Caregiving: keine Studien: aber es ist wahrscheinlich dass das eigene
Caregiving System auf andere Personen (z. B. Partner) übertragen
wird
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung, Stress und Soziale Unterstützung
Maunder & Hunter (2001)nehmen folgende Effekte unsicherer Bindung
auf Stressreaktionen an:
•
Wahrnehmung von erhöhtem Stress
•
Reduzierte Wirksamkeit von sozialer Unterstützung hinsichtlich des
Abpufferns von Stress
•
Abnahme adäquater physiologischer Stressreaktionen
Personen mit unsicherer/desorganisierter Bindung können emotionale
Unterstützung und Körperkontakt einer anderen Person nicht zur
Stressregulation nutzen - die andere Person kann sogar den Stress
erhöhen
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Kriterien für Bindung
Achtung: Nicht jede Beziehung ist eine Bindung!!!
Kriterien (Ainsworth (1991) :
1. Bindungsfiguren müssen eine verläßliche Quelle von Trost und
Beruhigung sein, die auch Exploration erlaubt (sichere Basis)
2. Bindungsfiguren werden bei emotionalem Stress aufgesucht um
Nähe und Sicherheit zu erhalten ( sicherer Hafen)
3. Die Nähe zur Bindungsfigur ist mit positiven Emotionen verbunden
(Aufrechterhalten von Nähe)
4. Trennungen von der Bindungsfigur sind mit negativen Emotionen
assoziiert (Trennungsschmerz, Vermissen, Sehnsucht)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung in Mensch-Tier-Beziehung
Mensch-Tier Beziehungen können die Kriterien erfüllen (e.g. Kurdek
2008)
1. Sichere Basis
2. Sicherer Hafen
3. Aufrechterhalten von Nähe und positive Emotionen
4. Trennungsschmerz
Aspekte von Pflegeverhaltenssystem im MTB : Rollenwechsel wie
auch in Partnerbindung
- z.B. Füttern, pflegen, rufen (schon bei Kindern)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung zu Tieren
Bindung zu Tieren:
€ Nicht jede MTB ist eine Bindung!!!
•
Tiere können nicht aktiv Emotionen, Ärger oder Angst, beim
Menschen regulieren: ABER subjektiv wird das Tier als soziale
Unterstützung wahrgenommen
•
Verhalten des Tieres entspricht menschlichen Emotionen und
Verhalten direkt (no double-bind)
•
Tiere geben Trost und Gefühl der Sicherheit und Liebe
Kurdek (2008, 2009): keine Transmission unsicherer Bindung auf Tiere
– daher als sozialer Unterstützer für unsicher gebundene möglich
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung und Fremdunterbringung
Fremdunterbringung:
- Im Heim
- In Pflegefamilien
Gründe:
- Vernachlässigung, Misshandlung
- Inhaftierung der Mutter
- Drogen/Alkohol
- Psychiatrische Erkrankung (s. auch postpartale Depression)
- Elternteil krank
- Behinderung des Kindes
- Adoption
- Berufstätigkeit der Mutter
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Bindung und Fremdunterbringung
Fremdunterbringung:
-
Immer eine Unterbrechung der Bindungsbeziehung, auch Beziehung zum
misshandelnden Elternteil
Einige Kinder entschließen sich innerlich, sich nicht mehr zu binden
Großes Mißtrauen nach Bindungsabbrüchen
Daher: Übergänge erleichtern
Feste Bezugspersonen auch in Wohnheimgruppen – Schwierigkeiten:
Personal wechselt häufig, Beziehungsabbrüche, auch Urlaub etc. Feiertage
Bei psychiatrischer Erkrankung der Mutter:
- evtl. Mutter-Kind-Aufnahme: auch psychiatrische Betreuung des Kindes
gewährleisten,
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Prävention und Intervention - Bestseller
JEDES KIND KANN SCHLAFEN LERNEN (Kast-Zahn & Morgenroth
2007, GU Verlage)
JEDES KIND KANN REGELN LERNEN
Johanna Haarer: Die Mutter und ihr erstes Kind (3. Reich) (1930,
Neuauflage um Hitler bereinigt 1949; letzte Ausgabe 1987!!!!!) –
Distanz, Strenge, Disziplin
Einfluß solcher Erziehungsratgeber – Bestseller auf Generationen????
WAS MACHT DAS IM BEREICH DER BINDUNG!!!! GRUNDLAGE
SOZIO-EMOTIONALER KOMPETENZ!!!
Evolutionsbiologischer Erklärungsansatz!
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
Steps towards effective, enjoyable parenting
Hochrisikofamilien – bindungsbasierte Intervention (Egeland und Erickson
2004)
Ansatz beim Kind und Bezugsperson
Minnesota Parent Child Project (MPCP; 1975):
• aufwändige prospektive Längsschnittstudie
• 267 Schwangere mit mehreren Risikofaktoren (kein Schulabschluss,
unterhalb der Armutsgrenze, Alter 12-34; ungewollt schwanger, oft kein
fester Partner; Drogenerfahrung, Gewalt, sexueller Missbrauch etc.)
• Mehrere Untersuchungen in der Kindheit bis heute
• 15% hatten bis zum 4. Lebensjahr eine Traumatisierung erfahren
• 66% der misshandelten Frauen misshandelten ihre Kinder NICHT!
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
• 66% der misshandelten Frauen misshandelten ihre Kinder NICHT!
Schutzfaktoren:
Emotional unterstützende Personen (Eltern, Pflegeeltern)
Stabile und intakte Partnerschaft
Intensive, mind. 6 Monate Beratung oder Psychotherapie
Eigene Erfahrungen der Mutter sind weniger bedeutend, als ihre Einstellung
und Integration früherer Erfahrungen für die Umsorgung des eigenen
Kindes
Bindungsklassifikation des Kindes im Altern von 1 Jahr sagt
Problemlöseverhalten mit 3-4 voraus
Sicher gebundene Kinder haben besseres Selbstwertgefühlt, Selbstvertrauen,
Ego-Resilienz, Impulskontrolle etc.
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
Unsicher gebundene Kinder sind abhängiger und anlehnungsbedürftiger im
Kindergarten. Oft hilflos oder indirekte Art der Kontaktaufnahme.
Weniger im Spiel mit Gleichaltrigen.
Eine sichere Bindung ist in jedem Fall die günstigste für die Entwicklung
verschiedener Kompetenzen.
Prinzipien von STEEP
• Unterstützung von Mutter-Kind Paaren, Bindungssicherheit fördern
• Sozial-ökologische Ausrichtung (Einbezug des sozialen Umfeldes)
• Individualisierte Vorgehensweise, angemessene Wahrnehmung des
eigenen Kindes
• Jede Familie, jede Mutter, jedes Kind hat Stärken
• Veränderung geschieht in bedeutsamen Beziehungen
• 8 Ziele
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
8 Ziele von STEEP
1.
Förderung gesunder sowie realistischer Einstellung und Erwartung
bezüglich Schwangerschaft, Geburt, Erziehung und Eltern-KindBeziehung
2.
Vermittlung von Grundlagenwissen zur kindlichen Entwicklung und
Förderung realistischer Erwartungen bezüglich kindlichen Verhaltens
3.
Förderung feinfühliger und vorhersagbarer Reaktionen der Eltern auf die
Signale des Kindes
4.
Befähigung der Eltern zur Perspektivenübernahme (seeing is believing;
Videoaufnahmen besprechen)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
8 Ziele von STEEP
5. Bereitstellung einer Sicherheit vermittelnden und entwicklungsförderlichen
häuslichen Umgebung (Spielsachen, Sicherheit)
6. Hilfestellung für die Eltern bei der Etablierung sozialer Hilfen für sich und
ihr Kind (Gruppentreffen)
7. Hilfestellung für Eltern bei der Etablierung angemessener
Handlungsstrategien im Alltag (staatliche/städtische Hilfen)
8. Aufbau und Stärkung der Kompetenzen und des Selbstbewusstseins der
Eltern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
Umsetzung im Alltag
•
•
•
•
Gut ausgebildete und feinfühlige Beraterinnen
Laufzeit etwas über 2 Jahre mit Beginn in Schwangerschaft
Hausbesuche (90 min)
Gruppensitzungen alle 2 Wochen
Evaluation
Interventionsgruppe (N=80), Kontrollgruppe (N=74)
STEEP:
• Besseres Verständnis für die Entwicklung des Kindes, mehr Kompetenz
im Lebensalltag, weniger depressive Symptome
• Seltener Folgeschwangerschaft innerhalb 2 Jahre
• Höhere Feinfühligkeit
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung - STEEP
Evaluation
Interventionsgruppe (N=80), Kontrollgruppe (N=74)
STEEP:
• Besseres Verständnis für die Entwicklung des Kindes, mehr Kompetenz
im Lebensalltag, weniger depressive Symptome
• Seltener Folgeschwangerschaft innerhalb 2 Jahre
• Höhere Feinfühligkeit
• Keine Unterschiede bei Bindungsstatus
• Weniger Desorganisation als in Kontrollgruppe
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Bindungsgeleitete Intervention in der schulischen Erziehungshilfe
•
Hohe Prävalenz von Gewalt - , Verlust-, Vernachlässungserfahrunge bei
Kindern in Settings der Erziehungshilfe im Vgl. zur Regelschule
•
Unsichere Bindungsmuster (ca 90 %; ca 60% desorganisiert)
•
Unsichere Bindung: Geringere Sozialkompetenz, mehr Symptome
•
Transformierbarkeit der Bindungsrepräsentation (von sicher zu unsicher z.
B .durch Scheidung der Eltern)
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Bindungsgeleitete Intervention in der schulischen Erziehungshilfe
•
Am ehesten korrigierende Beziehungserfahrungen im
therapeutischen/pädagogischen Setting
•
Problem: Transfer der pathologischen Beziehungsstrategien auf die
Lehrer-Schüler Beziehung; von beiden Parteien
•
Lehrer verbringen viel Zeit mit den Kindern
•
Vermittlung einer Diskontinuitätserfahrung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Pädagogische Strategien
•
Neue Bindungserlebnisse ermöglichen, damit sich das Kind von alten
Bindungsmustern lösen kann – andere als responsiv und fürsorgend, sich
selbst als wertvoll und liebenswert
•
Feinfühligkeit der Lehrer steigern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Pädagogische Strategien
•
Neue Bindungserlebnisse ermöglichen, damit sich das Kind von alten
Bindungsmustern lösen kann – andere als responsiv und fürsorgend, sich
selbst als wertvoll und liebenswert
•
ZIEL: Feinfühligkeit der Lehrer steigern
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Ambivalent unsichere Kinder:
• Bindungsfiguren sind unzuverlässig und inkonsistent im Verhalten
•
Bindungssystem ist chronisch/sehr häufig aktiviert – abhängiges
Verhalten gegenüber Bezugsperson, wenig Exploration
•
Entgegenwirken: viel Regelmäßigkeit und Konsistenz in der LehrerSchüler Beziehung
•
Z. B. an jedem Schultag oder festen Termin Zeit für das Kind nimmt, oder
feste Begrüßungsrituale
•
Terminabsagen: Wut des Kindes
•
Ferien: Übergangsobjekte (Winnicott) – Postkarte, Gegenstand
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Ambivalent unsichere Kinder:
Probleme im Schulsetting:
• Beziehungsunterbrechungen (Ferien)
• Lehrer kann die massiven Bindungsbedürfnisse so nicht befriedigen – Wut
des Kindes und Provokationen
• komplementäres Verhalten des Lehrer (Zurückweisung) (diesem ist durch
Training entgegenzuwirken)
• Verbalisieren der Emotionen durch nicht erfüllte Bindungsbedürfnisse
(zeigt Feinfühligkeit)
• Schwierig: diese Kinder warten lange Zeit nur darauf, wieder enttäuscht
zu werden, zur Bestätigung ihre Beziehungsschemas
• In Verhaltensmodifikation: keine Aufmerksamkeit auf störendes
Verhalten. In Bindungsgeleiteter Intervention: Verbalisieren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Unsicher - vermeidende Kinder:
• Angst vor Zurückweisung oder Misshandlung
• Meiden Augenkontakt zu Lehrer und physischem Abstand
• Weigerung, Beziehung einzugehen
• Überkontrollierende und omipotent
Strategien
• Lehrer sollte Vermeidung akzeptieren
•
Feinfühlig auf Kontrollbedürfnisse reagieren (Freiheit über Lernmaterial )
•
Dyadische Aktionen (Spiel, v.a. von Versorgungssituationen) von Lehrer
und Kind
•
Sachorientierte Beziehung
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Probleme bei unsicher-vermeidender Bindung
•
Beziehung ist dann erst etabliert, wenn das Kind wieder beginnt alte
Beziehungserfahrungen in dieser Dyade auszuagieren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Desorganisiert gebundene Kinder
•
Sie selbst sind vulnerabel und hilflos in angstauslösenden Situationen
•
Bindungsfigur bietet keine Sicherheit in solchen Situationen
•
Schmerzvolle _Bindungserfahrungen werden in einem abgetrennten
System gespeichert
•
Unkontrollierte Durchbrüche des segregated systems
•
Zeigen kontrollierendes (strafend oder fürsorglich) Verhalten gegenüber
der Bindungsfigur
•
Intervention auf Verhaltenseben und Repräsentationsebene
•
Integration von segregated systems in Psychotherapie
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Desorganisiert gebundene Kinder
Intervention auf Verhaltensebene:
•
Kinder dissoziieren während Unterricht, oder Durchbruch von Emotionen
bei Bindungsstress (mit altem Trauma assoziiert, z. B. Trennung)
•
In sichere Situation mit Kind gehen
•
Kontrollierendes Verhalten des Kindes: wenn Bezugspersonen in
Situationen von Stress selbst außer Kontrolle geraten (schlagen etc.)
•
Kind übernimmt aggressives Modell der Bindungsfigur
•
Konfrontation des Kindes mit inkompatiblen Beziehungserfahrungen
(nicht strafend, wie so oft zu beobachten) – Metaphern mit Tieren
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Desorganisiert gebundene Kinder
Intervention auf Verhaltensebene:
•
Lehrer als sichere Basis/safe haven
•
Kindliche Bedürnisse erst einmal verbalisieren,sobald Identifikation mit
Tier in Geschichte, dann feinfühlig reagieren
•
Alternative Strategien der Ärgerregulation
•
Fürsorglich-kontrollierend: Verstärkung durch Rückzug der
Bindungsperson/Elternteil
•
Lehrer darf die Rolle des zu Versorgenden nicht annehmen, sondern zeigt,
dass er der Verantwortliche ist
•
Metapherngeschichten;
•
Lehrer zeigt Fürsorgeverhalten
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Interventionen - Bindung
Verabschiedung
• Wenn Kind an Regelschule zurückkehrt oder Ende der Schulzeit
• Reaktivierung von Trennungstraumata
• Erklären, wieso und warum: weil Kind so viele Fortschritte gemacht hat,
nicht weil der Lehrer es nicht mehr mag
Primat der Beziehung (Hillenbrand 1999) bei Intervention mit
verhaltensgestörten Kindern
Pilotstudie (Taumer 2004): Multiple-Baseline-Design
• Ambivalente: mehr Exploration, weniger Abhängigkeit
• Weniger externalisierende Symptome
Sicher gebundenen Lehrern fallen bindungsgeleitete
Interventionen/Feinfühligkeit leicht – unsichere Bindung beim Lehrer ist
problematisch
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Evaluation von Frühen Hilfen
•
•
•
•
•
•
•
•
Schwierig: Selbstselektion der Teilnehmer
Kriterien, Instrumente
Sehr individuell
Prospektive Studien (Alter -9 Monate bis 18 Jahre)
Kontrollgruppen (ethische Problematik)
Gelder aufrechnen
Indikation, Erfolgschancen
Einbezug des Umfeldes
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Kontakt:
[email protected]
Tel.: 09131 4000 455
Andrea M. Beetz – Frühe Hilfen für verhaltens- und emotional gestörte Kinder – SS 2010
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