Frühe aktive Kundenintegration in den Innovationsprozess

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Frühe aktive Kundenintegration
in den Innovationsprozess
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Christoph H. Wecht
aus
Österreich
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Oliver Gassmann
und
Prof. Dr. Christian Belz
Dissertation Nr. 3117
Alwa & Deil Druckerei GmbH, Wien 2005
II
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 30. Juni 2005
Der Rektor:
Prof. Ernst Mohr, PhD
III
So können wir sagen, dass der dauerhafteste Beitrag, den eine Theorie zum Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis leisten kann, in den neuen Problemen besteht, die durch sie aufgedeckt werden.
Karl R. Popper
V
Vorwort
Die vorliegende Dissertation entstand während meiner Tätigkeit als Forschungsassistent am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen.
Herrn Professor Dr. Oliver Gassmann, Direktor und Leiter des Bereiches für Innovationsmanagement am oben genannten Institut, bin ich für seine wohlwollende
Unterstützung und grosszügige Förderung als Doktorvater zu besonderem Dank
verpflichtet. Unsere Zusammenarbeit war sowohl durch seine wissenschaftliche
Expertise als auch seine einfühlsame Persönlichkeit geprägt. Herrn Professor Dr.
Christian Belz danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferates und seine
wertvollen Anregungen. Während meiner Jahre am Institut durfte ich Herrn Professor Fritz Fahrni, PhD als immer souveränen Institutsleiter mit offenem Ohr für die
persönlichen Anliegen seiner Mitarbeiter kennenlernen.
Der starke Praxisbezug dieser Arbeit war nur durch die tatkräftige Unterstützung
seitens der folgenden Herren möglich: Eckard Foltin von Bayer MaterialScience in
Leverkusen, Prof. Rudolf Benz von EADS Astrium in Friedrichshafen, Reinhard
Schindler von Hilti (Geschäftsbereich Diamond Systems) in Schaan und Klaus
Vamberszky von Zumtobel Staff in Dornbirn. Für ihre fundierten Beiträge und ihr
Engagement bei meinen Interviews danke ich ihnen sehr herzlich. Zum Gelingen
der Arbeit haben auch zahlreiche weitere Interviewpartner beigetragen, denen ich
hiermit meinen grossen Dank ausspreche.
An dieser Stelle möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen am Institut für
Technologiemanagement der Universität St. Gallen danken, welche mir durch anregende und konstruktive Diskussionen wichtige Impulse für die Erstellung der Arbeit sowie moralische Unterstützung gegeben haben. Ein spezieller Dank gilt dabei
meiner Lehrstuhlkollegin Patricia Sandmeier. Zahlreiche Diskussionen mit ihr haben nicht nur zur Schärfung meiner Standpunkte, sondern auch zu mehreren gemeinsamen Publikationen auf dem Gebiet der offenen Innovationsprozesse geführt.
Mein Kollege Berislav Gaso leistete Anteil am Lektorat und stand für grundsätzliche Debatten immer zur Verfügung. Die Kollegen Javier Perez-Freije, Christoph
Kausch und Alexander Conreder waren mit ihrer Hilfsbereitschaft eine grosse Unterstützung in den letzten Phasen des Entstehungsprozesses.
Frau Dr. Ellen Enkel hat hilfreiche Beiträge zur Entwicklung und Ausgestaltung der
Forschungsmethodik geliefert. Wertvolle strukturelle und graphische Anregungen
kamen von Frau Dr. Barbara Becker.
VI
Die reibungslose organisatorische Abwicklung meiner Institutstätigkeit lag in den
Händen von Frau Hildegard Tomaschett und Frau Gudrun Neff.
Weiters danke ich meinem Weggefährten, Geschäftspartner und Freund Martin Bader. Die vielen gemeinsamen Gespräche sowie die weit über das Fachliche hinausgehenden gemeinsamen Aktivitäten hatten einen wesentlichen Anteil an der Entstehung dieser Arbeit.
Schliesslich danke ich in Liebe meinen Eltern, ohne deren Vorbild und Hilfe meine
Entwicklung nicht möglich gewesen wäre. Sie haben mich immer vorbehaltlos unterstützt und auf meinem Weg begleitet.
Leider konnte mein Schwiegervater, Herr Dipl.-Ing. Walter Steininger, die Vollendung meiner Dissertation nicht mehr erleben. Seine grosse Unterstützung werde ich
ebenso vermissen, wie seinen kompetenten, rationalen Zugang zu allen technischen
und wirtschaftlichen Themen. Meiner Frau Veronika Steininger-Wecht und meinem
Sohn Pascal schulde ich Dank für die Motivation und das grosse Verständnis für
mich und meine Arbeit, welche sie mir trotz der mehrjährigen überdurchschnittlichen Belastung erwiesen haben. Ihnen widme ich dieses Werk.
Wien, im September 2005
Christoph H. Wecht
VII
Zusammenfassung
Stetig zunehmender Innovationsdruck führt in einer wachsenden Zahl von Unternehmen zu einer Öffnung des Innovationsprozesses für Ideen externer Partner. Im
Fokus dieser Arbeit steht deshalb die Frage, wie eine aktive Integration von Kunden
in die Frühphase des Innovationsprozesses effizient und effektiv gestaltet und
durchgeführt werden kann. Eine erste Analyse beschreibt strategische Grundlagen
der frühen aktiven Kundenintegration und grenzt sie von anderen Ansätzen der Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess ab, wie der klassischen Marktforschung, der kundenspezifischen Konfiguration und der generellen Kundenorientierung. Die frühe aktive Kundenintegration wird dabei geprägt durch eine aktive Rolle des Kunden als Wertschöpfungspartner in der Frühphase des Innovationsprozesses des integrierenden Herstellers.
Innovative Vorreiterunternehmen, wie Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti
Diamond Systems und Zumtobel Staff, praktizieren frühe aktive Kundenintegration
bereits erfolgreich. Fallstudien dieser innovativen Unternehmen identifizieren für
die Praxis relevante Aspekte des Integrationsprozesses, welche in den beiden Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess als wichtigen Dimensionen der frühen aktiven Kundenintegration resultieren. Ein spezieller Schwerpunkt
der Untersuchung liegt in der Beschreibung spezifischer Rollen, welche der Hersteller den Kunden im Rahmen der frühen aktiven Kundenintegration einräumen kann.
Basierend auf eine effizienz- oder effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie der
frühen aktiven Kundenintegration können vom Hersteller, je nach spezifischem Integrationsziel, vier aktive Rollen besetzt werden, nämlich die des Kunden als Sensor, Spezialist, Spezifikator oder Selektor. Diese speziellen Kundenrollen stellen eine ergebnisorientierte spezifische Erweiterung des aus der Literatur bekannten
Lead-User-Ansatzes dar.
Der Prozess der frühen aktiven Kundenintegration ist in einen unternehmerischen
Gesamtrahmen aus Strategie, Struktur und Kultur eingebunden und besteht aus den
drei Schritten Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase. Diese
Prozesssicht ermöglicht die Weiterentwicklung der ermittelten Gestaltungsfelder
mit ihren zugeordneten Gestaltungsfaktoren zu einem konzeptionellen Managementmodell der frühen aktiven Kundenintegration. Entlang der Elemente dieses
Modells werden operative Gestaltungsempfehlungen bezüglich Ablauf und Organisation erfolgreicher früher aktiver Kundenintegration entwickelt und im Sinne einer
Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse zu abschliessenden Thesen verdichtet.
VIII
Abstract
Constantly increasing pressure to innovate leads a growing number of enterprises to
open their innovation processes to the ideas of external parties. This study focuses
on the question of how actively integrating customers into the early phase of the innovation process can be accomplished efficiently and effectively. The initial analysis describes strategic fundamentals for early customer integration and distinguishes
them from other approaches to involving customers in the innovation process, such
as market research, customized product configurations, and general customer orientation. In this context, the customer playing an active role as value creation partner
during the early phase of the manufacturer’s innovation process characterizes early
customer integration.
Innovation leaders including Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond
Systems and Zumtobel Staff already practice early customer integration successfully. Case studies of these groundbreaking enterprises highlight relevant characteristics of the integration process and demonstrate how early customer integration becomes an important element in the areas of integration structure and interaction
process. Special emphasis is put on the description of specific roles that manufacturers can assign to customers in the context of early customer integration. Depending on whether the objective of early customer integration is effectiveness or efficiency, a manufacturer has a choice between assigning the customer one of the four
active roles - sensor, specialist, specifier or selector. These specific customer roles
represent a result-oriented extension of the well-known lead user approach.
The process of early customer integration consists of an initiation, preparation, and
implementation phase and rests in the business framework of strategy, structure,
and culture. This process view facilitates the development of a conceptual management model for early customer integration including specific organizational design
factors. The elements of this model serve as the roadmap which is then used to develop more tactical recommendations regarding organization and execution of successful early customer integration and to ultimately summarize these insights into a
set of final hypotheses.
IX
Inhaltsübersicht
1
Einleitung.......................................................................................................... 1
1.1 Relevanz und Problemstellung.................................................................. 1
1.2 Zielsetzung ................................................................................................ 3
1.3 Forschungskonzeption............................................................................... 8
1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 11
2
Stand der Forschung...................................................................................... 14
2.1 Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung ............... 14
2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess........ 28
2.3 Zusammenfassung................................................................................... 40
3
Fallstudien der frühen Kundenintegration ................................................. 44
3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien ................................................ 44
3.2 Bayer MaterialScience ............................................................................ 47
3.3 EADS Astrium ........................................................................................ 61
3.4 Hilti Diamond Systems ........................................................................... 76
3.5 Zumtobel Staff......................................................................................... 91
4
Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration................................. 109
4.1 Charakteristika der frühen Kundenintegration...................................... 109
4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration.............................. 128
4.3 Zusammenfassung................................................................................. 137
5
Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration....................... 138
5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration................................................. 138
5.2 Integrationsstrategien des Herstellers.................................................... 154
5.3 Ausprägungen der frühen Kundenintegration....................................... 161
5.4 Zusammenfassung................................................................................. 164
X
6
Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration ....................... 165
6.1 Prozess der frühen Kundenintegration.................................................. 165
6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration... 170
6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen ................................................. 172
6.4 Zusammenfassung................................................................................. 204
7
Fazit ............................................................................................................... 206
7.1 Kernaussagen ........................................................................................ 206
7.2 Ausblick ................................................................................................ 217
XI
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................XIV
Tabellenverzeichnis .............................................................................................XVI
Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... XVII
1
Einleitung.......................................................................................................... 1
1.1 Relevanz und Problemstellung.................................................................. 1
1.2 Zielsetzung ................................................................................................ 3
1.2.1
Fokussierung ................................................................................ 3
1.2.2
Forschungsfragen ......................................................................... 7
1.3 Forschungskonzeption............................................................................... 8
1.3.1
Forschungsansatz ......................................................................... 8
1.3.2
Forschungsmethodik .................................................................... 9
1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 11
2
Stand der Forschung...................................................................................... 14
2.1 Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung ............... 14
2.1.1
Grundlagen auf Herstellerseite................................................... 16
2.1.2
Grundlagen des Integrationsprozesses ....................................... 20
2.1.3
Grundlagen auf Kundenseite...................................................... 24
2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess........ 28
2.2.1
Marktforschung .......................................................................... 30
2.2.2
Kundenspezifische Konfiguration.............................................. 31
2.2.3
Kundenorientierung ................................................................... 32
2.2.4
Frühe Kundenintegration ........................................................... 33
2.3 Zusammenfassung................................................................................... 40
XII
3
Fallstudien der frühen Kundenintegration ................................................. 44
3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien ................................................ 44
3.2 Bayer MaterialScience ............................................................................ 47
3.2.1
Rahmenbedingungen.................................................................. 47
3.2.2
Innovationsprozess..................................................................... 49
3.2.3
Kundenintegration...................................................................... 51
3.2.4
Zusammenfassung...................................................................... 58
3.3 EADS Astrium ........................................................................................ 61
3.3.1
Rahmenbedingungen.................................................................. 61
3.3.2
Innovationsprozess..................................................................... 65
3.3.3
Kundenintegration...................................................................... 67
3.3.4
Zusammenfassung...................................................................... 73
3.4 Hilti Diamond Systems ........................................................................... 76
3.4.1
Rahmenbedingungen.................................................................. 76
3.4.2
Innovationsprozess..................................................................... 79
3.4.3
Kundenintegration...................................................................... 80
3.4.4
Zusammenfassung...................................................................... 88
3.5 Zumtobel Staff ........................................................................................ 91
4
3.5.1
Rahmenbedingungen.................................................................. 92
3.5.2
Innovationsprozess..................................................................... 95
3.5.3
Kundenintegration...................................................................... 98
3.5.4
Zusammenfassung.................................................................... 107
Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration................................. 109
4.1 Charakteristika der frühen Kundenintegration...................................... 109
4.1.1
Vergleich der Fallstudienergebnisse ........................................ 109
4.1.2
Determinanten und Gestaltungsfelder...................................... 122
4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration.............................. 128
4.2.1
Strukturelle Gestaltung ............................................................ 129
4.2.2
Prozessuale Gestaltung ............................................................ 130
4.3 Zusammenfassung................................................................................. 137
XIII
5
Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration....................... 138
5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration................................................. 138
5.1.1
Ziele des Herstellers ................................................................. 140
5.1.2
Generische Rollen des Kunden ................................................ 142
5.1.3
Organisationale Parameter ....................................................... 148
5.2 Integrationsstrategien des Herstellers.................................................... 154
5.2.1
Fokus auf Effektivität............................................................... 154
5.2.2
Fokus auf Effizienz .................................................................. 157
5.3 Ausprägungen der frühen Kundenintegration....................................... 161
5.4 Zusammenfassung................................................................................. 164
6
Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration ....................... 165
6.1 Prozess der frühen Kundenintegration .................................................. 165
6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration ... 170
6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen ................................................. 172
6.3.1
Unternehmerischer Rahmen..................................................... 172
6.3.2
Prozessschritte.......................................................................... 179
6.4 Zusammenfassung................................................................................. 204
7
Fazit ............................................................................................................... 206
7.1 Kernaussagen ........................................................................................ 206
7.2 Ausblick ................................................................................................ 217
7.2.1
Aktuelle Entwicklungen und Trends ....................................... 218
7.2.2
Offene Forschungsschwerpunkte............................................. 226
Referenzen ............................................................................................................. 228
Anhang................................................................................................................... 244
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abgrenzung der Arbeit......................................................................... 5
Abbildung 2: Explorative Forschung als iterativer Lernprozess................................ 9
Abbildung 3: Aufbau der Arbeit............................................................................... 13
Abbildung 4: Relevante Themenfelder der Kundenintegrationsliteratur................. 16
Abbildung 5: Ansätze zur Einbeziehung des Kunden in den
Innovationsprozess ........................................................................... 29
Abbildung 6: Einordnung der frühen Kundenintegration ........................................ 39
Abbildung 7: Strategische Grundlagen der Kundenintegration ............................... 42
Abbildung 8: Datenerhebungs- und Analyseraster .................................................. 46
Abbildung 9: Organisationseinheiten des Innovationsprozesses der Bayer
MaterialScience ................................................................................ 48
Abbildung 10: Frühphase des Innovationsprozesses der Bayer MaterialScience.... 51
Abbildung 11: Übersicht der frühen Kundenintegration der Bayer
MaterialScience ................................................................................ 60
Abbildung 12: Technologische Komplexität bei Entwicklungsprojekten der
EADS Astrium.................................................................................. 63
Abbildung 13: Frühphase des Innovationsprozesses der EADS Astrium................ 66
Abbildung 14: Übersicht der frühen Kundenintegration der EADS Astrium.......... 75
Abbildung 15: Frühphase des Innovationsprozesses der Hilti Diamond
Systems ............................................................................................. 80
Abbildung 16: Partnerschaftsniveaus für Diamond Service Contractors der
Hilti Diamond Systems..................................................................... 82
Abbildung 17: Übersicht der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond
Systems ............................................................................................. 90
Abbildung 18: Wertschöpfungskette und Auftragskette der Zumtobel Staff .......... 95
Abbildung 19: Frühphase des Innovationsprozesses der Zumtobel Staff ................ 96
Abbildung 20: Übersicht der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff ........ 108
Abbildung 21: Kriterien für den Vergleich der Fallstudienergebnisse .................. 110
XV
Abbildung 22: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Bayer
MaterialScience .............................................................................. 113
Abbildung 23: Charakteristika der frühen Kundenintegration der EADS
Astrium ........................................................................................... 116
Abbildung 24: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Hilti
Diamond Systems ........................................................................... 119
Abbildung 25: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Zumtobel
Staff................................................................................................. 121
Abbildung 26: Determinanten der frühen Kundenintegration als Ergebnis der
Fallstudienanalyse........................................................................... 125
Abbildung 27: Gestaltungsfelder als Ergebnis der Fallstudienanalyse .................. 127
Abbildung 28: Einflusskette auf das Integrationsergebnis..................................... 139
Abbildung 29: Phasen des frühen Innovationsprozesses........................................ 150
Abbildung 30: Dimensionen der Kompetenzen des Kunden ................................. 154
Abbildung 31: Kundenrollen als phasenspezifische Umsetzung der
Integrationsstrategien des Herstellers ............................................. 160
Abbildung 32: Dominierende Kundenkompetenzfelder der spezifischen
Kundenrollen der frühen Kundenintegration.................................. 161
Abbildung 33: Rahmen der frühen Kundenintegration .......................................... 163
Abbildung 34: Kundenintegrationsprozess ............................................................ 166
Abbildung 35: Konzeptionelles Managementmodell der frühen
Kundenintegration .......................................................................... 171
Abbildung 36: Handlungsfelder der Initiierungsphase........................................... 184
Abbildung 37: Handlungsfelder der Vorbereitungsphase ...................................... 189
Abbildung 38: Handlungsfelder der Realisierungsphase ....................................... 202
Abbildung 39: Abfolge der Thesen im Prozess der frühen Kundenintegration ..... 205
Abbildung 40: Aktuelle Entwicklungen und Trends im Umfeld der frühen
Kundenintegration .......................................................................... 217
XVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung................ 26
Tabelle 2: Charakteristika unterschiedlicher Formen der Kundeneinbindung in
der Innovationsfrühphase ................................................................. 37
Tabelle 3: Zentrale Unterschiede der Fokussierung der frühen
Kundenintegration in den betrachteten Fallstudien........................ 124
Tabelle 4: Operative Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration ............. 136
Tabelle 5: Integrationsziele des Herstellers auf der Makroebene .......................... 141
Tabelle 6: Charakteristika generischer Kundenrollen im Innovationsprozess....... 147
Tabelle 7: Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen
Kundenintegration .......................................................................... 162
Tabelle 8: Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der Kundenrollen der
frühen Kundenintegration............................................................... 203
Tabelle 9: Thesen zur erfolgreichen frühen Kundenintegration ............................ 216
XVII
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
B-2-B
Business-to-Business
B-2-C
Business-to-Consumer
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
d. h.
das heisst
Ed.
Editor
et al.
et alii (und andere)
EUR
Euro (€)
FFE
Fuzzy Front End
F&E
Forschung und Entwicklung
Hrsg.
Herausgeber
IT
Informationstechnologie
Mrd.
Milliarden
n. a.
not applicable
OEM
Original Equipment Manufacturer
R&D
Research and Development
Tab.
Tabelle
tlw.
teilweise
u. a.
unter anderem, und andere(s)
usw.
und so weiter
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
XP
Extreme Programming
z. B.
zum Beispiel
RELEVANZ UND PROBLEMSTELLUNG
1
1.1
1
Einleitung
Relevanz und Problemstellung
Innovation wird immer mehr zur Schlüsselkompetenz erfolgreicher Unternehmen.
So ergab eine aktuelle Umfrage unter Führungskräften, dass weltweit 66 % der Befragten Innovation als eine der drei wichtigsten strategischen Prioritäten ihres Unternehmens bezeichneten. Im Einklang damit gaben 74 % an, für das Jahr 2005 im
Vergleich zu 2004 eine Erhöhung der Innovationsausgaben geplant zu haben. Die
Schwierigkeit, derartige Investitionen auch erfolgreich umzusetzen, zeigt sich darin,
dass für Europa nur knapp die Hälfte der befragten Führungskräfte mit den Erträgen, im Sinne besserer Prozesse, neuer oder verbesserter Produkte bzw. Serviceangebote, der Investitionen in Innovation zufrieden waren (Boston Consulting Group
2005). Einer der Hauptgründe dafür liegt in den Veränderungen des Wettbewerbsumfeldes, welches in immer kürzeren Abständen nach immer innovativeren Produkten verlangt. Treibende Faktoren dafür sind der beschleunigte technologische Wandel, die Globalisierung der Märkte, der als Konsequenz daraus erhöhte Wettbewerb,
die Verkürzung der Produktlebenszyklen und die sich permanent verändernden
Marktanforderungen. Kaum eine Firma kann diesen Anforderungen noch alleine
gerecht werden. Vorreiterunternehmen haben dies erkannt und bereits entsprechend
reagiert. Beispielsweise hat Procter & Gamble die Öffnung seiner Innovationsprozesse schon so weit verinnerlicht, dass in der Bezeichnung der R&D-Abteilung der
für die Forschung (Research) stehende Buchstabe R durch ein C wie im englischen
Wort „Connect“ (verbinden) ersetzt worden ist und die Abteilung nun Connect &
Develop (C&D) heisst (Sakkab 2002). Basierend auf dieser Strategie sollen bis
2010 bereits 50 % der Produktideen von aussen kommen, verglichen mit einem
momentanen Wert von rund 20 %.
Auch IBM, bekannt als Vorreiter für die professionelle und erfolgreiche Vermarktung von Technologielizenzen, hat vor kurzem begonnen, auf die Notwendigkeit
von Kollaboration zur Erzielung von Innovationen zu reagieren. So wurden rund
500 Patente – vor allem Software Codes, welche elektronischen Handel, Datenspeicherung, Bild- und Datenverarbeitung sowie Internet-Kommunikation betreffen –
freigegeben und stehen nun allen interessierten Unternehmen unentgeltlich zur Verfügung. IBM, eine Unternehmung, welche im Jahr 2004 mit 3.248 Patenten einmal
mehr die Liste der Firmen mit den meisten Patenten in den USA anführte und mehr
als 1 Mrd. US-$ durch den Verkauf und die Lizenzierung von Ideen verdiente, hat
erkannt, dass es manchmal profitabler sein kann, Technologien zu teilen, als sie
durch Schutzrechte abzusichern (Lohr 2005).
2
EINLEITUNG
Im Sinne eines Paradigmenwechsels von einer geschlossenen hin zur einer offenen
Innovation gilt es also, externe Partner in den Innovationsprozess zu integrieren
(Chesbrough 2003). Dabei wird die Rolle des Kunden als Innovationsquelle immer
wichtiger. Dies gilt einerseits für die Marketingseite einer Organisation (z. B. Belz
2002a) – neue Forschungen sprechen von „Sense and Response“-Marketing, bei
dem Kunden eine wachsende Zahl traditioneller Marketingaufgaben übernehmen
(Kotler, Jain et al. 2002) – andererseits vor allem aber für den eigentlichen Produktentwicklungsprozess. Die Entwicklung erfolgreicher innovativer Produkte stellt eine notwendige jedoch zunehmend grösser werdende Herausforderung dar (z. B.
Kim, Mauborgne 1997). Die Wissensbasis, welche hinter den meisten Produkten
liegt, wird immer vielfältiger und dynamischer. Dies führt dazu, dass Neuproduktentwicklungsteams verstärkt nach externen Ressourcen suchen, um die Lernkurven
zu überbrücken, welche mit neuen Technologien und Märkten verbunden sind (z. B.
Schilling, Hill 1998). Die Potenziale des Kunden als externe Ressource der Entwicklung innovativer Produkte sind in Theorie und Praxis schon seit langem bekannt (z. B. Rothwell, Freeman et al. 1974; von Hippel 1988; Leonard-Barton
1995). Zahlreiche empirische Studien haben gezeigt, dass die aktive Einbindung der
Kunden in den Innovationsprozess einen positiven Einfluss auf den Innovationserfolg nach sich zieht (vgl. Bacon, Beckman 1994; Murphy, Kumar 1996, 1997; Gruner, Homburg 1999; Kristensson, Magnusson et al. 2002). So wurde beispielsweise
gezeigt, dass Kundeneinbindung in die Neuproduktentwicklung die Effektivität
(d. h. den Produkt-Markt-Fit) verbessert (Brown, Eisenhardt 1995). Aber auch Manager aus der Praxis betonen in Umfragen, dass ein auf die Nachfrageseite gerichteter Fokus für die Entwicklung neuer Produkte elementar ist (z. B. Förderer, Krey
et al. 1998; n. a. 2005). Kundenintegration in den Innovationsprozess führt zu einem erfolgreicheren Produktportfolio und liefert damit die Voraussetzung für ein
profitables Wachstum im Markt. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Frühphase des Innovationsprozesses zu, da diese nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten der Neuproduktentwicklung verursacht, in ihr aber der Grossteil der
Herstellkosten und der späteren Marktakzeptanz des Produktes bestimmt werden
(vgl. z. B. Eversheim, Sossenheimer et al. 1989; Droz 1992).
Trotz aller theoretischen Bekenntnisse zur Kundeneinbindung in den Innovationsprozess bzw. die Neuproduktentwicklung haben Kunden in den meisten Branchen
bisher nur eine beschränkte, vor allem passive, Rolle bei der Entwicklung neuer
Produkte gespielt (Wayland, Cole 1997). Es können viele Gründe für die schlechte
Nutzung dieser wertvollen Ressource angeführt werden, wobei eine der stärksten
Einschränkungen möglicherweise in der schlechten Ausgestaltung (sowohl betreffend der Organisation der Einbindung als auch der Auswahl der Kunden) der jewei-
RELEVANZ UND PROBLEMSTELLUNG
3
ligen Kundeneinbindungssituation liegt. Neue Ansätze, sowie der Fokus auf die
Verbindung zwischen konkretem Ziel des Herstellers und entsprechender Rolle des
Kunden in dieser Arbeit, können dazu beitragen, dass die gesamte gemeinschaftliche Situation der Innovationsentstehung optimiert und damit die Ergebnisse verbessert werden. Zu diesen Aspekten möchte diese Arbeit, basierend auf der Analyse
von Fallstudien und theoretischen Überlegungen, einen Beitrag leisten.
1.2
Zielsetzung
1.2.1
Fokussierung
Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die herausfordernde Aufgabe der Planung,
des Aufbaus und der Durchführung der interaktiven Kundenintegration in die frühe
Innovationsphase (im Folgenden frühe Kundenintegration genannt).
Ziel der Arbeit ist die Beschreibung möglicher Ausprägungen der Kundenintegration in die frühen Phasen des Innovationsprozesses und darauf aufbauend die Entwicklung eines konzeptionellen Managementkonzeptes. Damit wird eine doppelte
Zielsetzung verfolgt. Zunächst sollen die verantwortlichen Manager des Herstellers
in die Lage versetzt werden, schnellere und fundiertere Entscheidungen über die
Gestaltung und Durchführung einer frühen Kundenintegration treffen zu können.
Die derartig gestalteten Prozesse sollen schliesslich einen Beitrag zur Erhöhung der
Erfolgsraten des Innovationsprozesses des Herstellers leisten.
Basierend auf der empirischen Untersuchung werden zunächst die verschiedenen
Ausprägungen früher Kundenintegration ermittelt und beschrieben. Darauf aufbauend werden für das strategische Management der Einbindung relevante Gestaltungsfelder identifiziert und im Rahmen des Integrationsprozesses zu einem Managementmodell entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf dem direkten Zusammenhang
zwischen der F&E und den Kunden bzw. Kontakten, welche in einem direkten Einfluss auf den Innovationsprozess resultieren. Methoden und Prozeduren, welche als
Teil des klassischen Marketingprozesses im Verlauf der Frühphase Anwendung
finden, werden dabei dezidiert ausgeschlossen.
4
EINLEITUNG
Abgrenzung der Arbeit
Zur Abgrenzung der Untersuchung einerseits und zur Sicherstellung der Durchführbarkeit andererseits wurden in mehrfacher Hinsicht Beschränkungen vorgenommen.
Zunächst erfolgt eine Fokussierung auf den Beginn des Innovationsprozesses. Diese
im angloamerikanischen Raum oft als Fuzzy Front End bezeichnete Phase unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den späteren Phasen und trägt entscheidend zum Innovationserfolg bei. Innerhalb dieses frühen Prozesssegments wird ausschliesslich das Feld der Produktinnovation betrachtet. Das gewählte Analyseobjekt
ist dabei der Integrationsprozess (bzw. das gemeinsam durchgeführte Projekt) und
das Analysesubjekt der Hersteller. Dies bedeutet, dass für alle Evaluierungen und
Empfehlungen immer die Sicht des herstellenden Unternehmens eingenommen
wird, welches Produkte an ein anderes Unternehmen – den Kunden – liefert und
diesen als externen Partner in seinen Innovationsprozess integriert. Es werden nur
Innovationen mit mittleren bis hohen Innovationshöhen betrachtet. Dadurch werden
Produktverbesserungen und -modifikationen dezidiert ausgeschlossen, welche zu
inkrementellen Innovationsschritten führen und typischerweise im Rahmen des regulären Produktmanagements der F&E-Abteilungen durchgeführt werden. Ausserdem beschränkt sich die Arbeit auf Investitionsgüter und damit auf B-2-B-Märkte,
welche sich hinsichtlich ihrer Charakteristika im Allgemeinen und bezüglich der
Einbindung von Kunden im Speziellen grundsätzlich von B-2-C-Märkten unterscheiden. Konkret werden nur die Branchen Maschinenbau und Chemie betrachtet,
welche ähnliche F&E- und Innovationsprozesse aufweisen. Eine spezielle Berücksichtigung von Branchenunterschieden, wie dies beispielsweise bei den bezüglich
Phasen, Dauer und Produktcharakteristika wesentlich unterschiedlichen Prozessen
in der Pharma- oder Elektronikbranche notwendig gewesen wäre, erfolgt daher
nicht.
Eine Zusammenfassung der Abgrenzung dieser Arbeit zeigt Abbildung 1.
ZIELSETZUNG
5
Merkmale
Varianten
Phase des
Innovationsprozesses
Innovationsfrühphase
Entwicklung
Untersuchungsobjekt
Produktinnovation
Prozessinnovation
Untersuchungsebene
Untersuchungssubjekt
Externer Partner
Innovationshöhe
Neuheitsgrad
Produkt
Prozess/Projekt
Hersteller
Zulieferer
Unternehmen
Kommerzialisierung
Sozialinnovation
Branche/Markt
Dritter
Komplementäranbieter
Niedrig
(Inkrementelle Innovationen)
Forschungseinrichtungen
Nutzer
Wettbewerber
Mittel
Investitionsgüter
B-2-B
Markt
Nation
Kunden
Hoch
(Radikale Innovationen)
Konsumgüter
B-2-C
Abbildung 1: Abgrenzung der Arbeit
Begriffliche Grundlagen
Es existiert keine allgemein gültige Definition des Begriffes Innovation. Für diese
Arbeit passend ist zunächst die Aussage von Barker (2002), welcher Innovation als
die Schaffung neuer Quellen von Kundenzufriedenheit definiert. Konkreter betrachtet, stellen Innovationen qualitative Neuerungen dar, welche von einem Unternehmen entwickelt und eingeführt werden, um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.
Eine grundlegende Unterscheidung kann zunächst nach dem Innovationsobjekt getroffen werden. Neben technischen Produktinnovationen (von einem Unternehmen
unter Nutzung neuartiger naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse eingeführte Neuerungen) werden noch Prozessinnovationen (neu im Unternehmen genutzte
Leistungserstellungsverfahren) und als eine spezielle Untergruppe Sozialinnovationen (z. B. Organisationsentwicklung) unterschieden. Im Folgenden werden dem
Fokus dieser Untersuchung entsprechend ausschliesslich Produktinnovationen betrachtet.
In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Kunde nicht nur für die bestehenden
Kunden des Produktes einer Firma, sondern auch für zukünftige (potenzielle) Kun-
6
EINLEITUNG
den, d. h. Kunden des Wettbewerbes, noch nicht angesprochene Kunden und verlorene Kunden verwendet (vgl. z. B. Dahan, Hauser 2001; Nambisan 2002).
Innovationen können weiters nach dem Innovationsgrad (oder der Innovationshöhe)
differenziert werden. Dabei werden zunächst die beiden Eckpunkte der radikalen
Innovation und der inkrementellen Innovation unterschieden. Radikale Innovationen zeichnen sich durch einen hohen Innovationsgrad qualitativer (Einfluss neuer
naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse) oder quantitativer (Anzahl der neu
gestalteten Produktbausteine) Natur aus. Im Gegensatz dazu stehen inkrementelle
Produktinnovationen. Sie verkörpern einen niedrigen Innovationsgrad, welcher immer dann ausreicht, wenn schon die Modifikation eines Produktes genügt, um
Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Mittlere Innovationshöhen gehen über diese routinemässigen Produktverbesserungen hinaus und stellen zumindest in einem eingeschränkten Markt- oder Kundensegment eine wirkliche Neuerung dar. Für die Beurteilung des Innovationsgrades einer Produktinnovation gibt es keine allgemein akzeptierten Messkriterien, da er von der jeweiligen Betrachtungsperspektive abhängt.
Diese kann beispielsweise an der Sicht des Unternehmens, des Kunden oder des
Wettbewerbs orientiert sein.
Investitionsgüter reichen von Grundstoffen über Spezialmaschinen hin zu hoch
komplexen maschinellen Anlagen und können folgendermassen charakterisiert
werden (Backhaus 2003): Als Kunden treten überwiegend industrielle Abnehmer
auf, es kommt häufig zu Systemlösungen, aus einem Paket von Produkt und Serviceleistungen, der Direktvertrieb steht als Absatzweg im Vordergrund und individuelle, persönliche Kommunikation mit dem Kunden hat einen hohen Stellenwert.
Darüber hinaus kommt es oft zu Individuallösungen bzw. zu einer Zusammenarbeit
mit dem Kunden im Rahmen der Produktentwicklung.
ZIELSETZUNG
1.2.2
7
Forschungsfragen
Die Forschung wird anhand einer Leitfrage sowie zweier Unterfragen ausgerichtet,
welche die Ausprägungen sowie die Organisation und Führung früher Kundenintegration betreffen:
Leitfrage:
Wie kann die frühe aktive Kundenintegration in den Innovationsprozess effektiv
und effizient geführt werden?
Unterfragen:
¾ Welche Ziele verfolgt der Hersteller mit der frühen aktiven Kundenintegration und welche Kundenrollen folgen daraus?
¾ Welche Determinanten und Gestaltungsfaktoren sind für die Organisation und das Management der frühen aktiven Kundenintegration relevant?
8
EINLEITUNG
1.3
Forschungskonzeption
1.3.1
Forschungsansatz
Am Ausgangspunkt dieser Arbeit steht ein Problem praktisch handelnder Menschen
bzw. Unternehmen und nicht ein erklärungsbedürftiges Phänomen, wie es typischerweise in den Grundlagenwissenschaften anzutreffen wäre. Es wird also ein
Verständnis der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Wissenschaft
zugrunde gelegt (Ulrich 1981). Entsprechend dieser Dualität ist das Ziel dieser Arbeit nicht der Aufbau allgemeiner Theorien zur Erklärung der Realität, sondern die
Gestaltung von Regeln und Modellen zur Schaffung neuer Realitäten (Ulrich 1981).
Von den drei wesentlichen Grundlagen jeder empirischen Untersuchung, dem forschungslogischen Ablauf von Entdeckungs-, Begründungs- und Verwertungszusammenhang konzentriert sich diese Arbeit auf den ersten und den letzten Schritt.
Der Entdeckungszusammenhang ist in der angewandten Wissenschaft gerade durch
das aus der Praxis entstandene Problem gegeben, während sich der Verwertungszusammenhang aus dem Beitrag zur Lösung jenes Problems über den Zwischenschritt
des Gestaltungsmodells ergibt (Friedrichs 1990; Kromrey 1995). In diesem Sinne
wird die empirische Untersuchung zur Erfassung typischer Phänomene und Probleme der Praxis und nicht zur Prüfung von Hypothesen durchgeführt.
Dieser explorative Forschungsansatz ist ein wesentlicher Bestandteil des iterativen
Lernprozesses der dieser Arbeit zugrunde liegt. Dieser kann, basierend auf Arbeiten
von Kubicek (1977), Tomczak (1992) und Gassmann (1997), wie in Abbildung 2
dargestellt visualisiert werden. Ausgehend von einem ersten theoretischen Verständnis werden Fragen an die Realität gestellt, welche gemeinsam mit den Phänomenen und Problemen der Praxis die Basis der empirischen Datensammlung bilden.
Aufbauend auf den empirischen Erkenntnissen kommt es zu einer kritischen Reflexion des gewonnenen Realitätsbildes und schliesslich wieder auf der Theorieseite
zu einer Differenzierung, Abstraktion und eventuell einem Perspektivenwechsel.
All dies beeinflusst zusammen mit der Literaturanalyse das theoretische Verständnis
und wird in einem iterativen Sinne mehrmals durchlaufen.
FORSCHUNGSKONZEPTION
9
Kritische
Kritische Reflexion
Reflexion
des
des gewonnenen
gewonnenen
Realitätsbildes
Realitätsbildes
Differenzierung,
Differenzierung,
Abstraktion,
Abstraktion,
Perspektivenwechsel
Perspektivenwechsel
Probleme
Probleme
der
der Praxis
Praxis
Literaturanalyse
Literaturanalyse
Eigene
Eigene
Konstrukte
Konstrukte
Forschung als
iterativer
Lernprozess
Theoretisches
Theoretisches
(Vor-)
(Vor-) Verständnis
Verständnis
Theorie
Datensammlung
Datensammlung
Fragen
Fragen an
an die
die
Realität
Realität
Phänomene
Phänomene
der
der Praxis
Praxis
Empirie
Quelle: In Anlehnung an Kubicek (1977), Tomczak (1992), Gassmann (1997)
Abbildung 2: Explorative Forschung als iterativer Lernprozess
Das leitende Motiv dieser Arbeit ist die Generierung und Vermittlung von praxisorientiertem Wissen. Der oben beschriebene Prozess wird daher zur Ermittlung einer Orientierungshilfe für die Erstellung und Implementierung von Managementkonzepten für die frühzeitige aktive Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess angewandt.
1.3.2
Forschungsmethodik
Die auf dem Weg zu dem aufzustellenden Modell und den Gestaltungsempfehlungen zu untersuchenden Fragestellungen sind komplex und nicht ad hoc zu beantworten. Passend zur Charakteristik eines gerade wachsenden Phänomens, bietet sich
zur Untersuchung der frühen Kundenintegration mit spezifischen aktiven Kundenrollen ein mehrstufiges Forschungsdesign an. Nach einer qualitativen Phase der Beschreibung des Phänomens und der Aufstellung erster Gestaltungsregeln können
Hypothesen aufgestellt und quantitativ überprüft werden. Die vorliegende Arbeit
bildet dabei den ersten, qualitativen Teil dieses Weges.
Aktive Kundeneinbindung in der Frühphase des Innovationsprozesses wird von
keiner der existierenden Theorien ausreichend genug beschrieben, um daraus quantitativ überprüfbare Hypothesen ableiten zu können. Daher wurde für diese Arbeit
ein qualitativer Ansatz mittels Fallstudienforschung gewählt. Zuerst soll mittels detaillierter Fallstudien der frühen Kundenintegration reichhaltiges beschreibendes
10
EINLEITUNG
Datenmaterial über die Gestaltung und Entwicklung früher Kundenintegrationsprozesse, über die organisationalen Strategien und eingesetzten Unterstützungsmechanismen sowie die Auswirkungen der frühen Kundenintegration auf die Natur und
das Ausmass der Kundenwertschöpfung gesammelt werden. Diese Fallstudiendaten
ermöglichen die Identifikation der spezifischen Charakteristika der frühen Kundenintegration aus denen Gestaltungselemente für das zu erstellende Modell abgeleitet
werden können (z. B. Elemente, welche die zeitliche Strukturierung unterstützen).
Solche Informationen sind auch für eine zukünftige quantitative Validierung des
Modells entscheidend. Darüber hinaus können die Fallstudiendaten auch für die
Auslegung passender Massnahmen der Kundenwertschöpfung spezifisch zu den
verschiedenen, noch zu identifizierenden, Rollen hilfreich sein.
Durch dieses Vorgehen ist es möglich, die Fragen nach den verschiedenen Ausprägungen der Einbindung (welche?) und den Mechanismen des Managements (wie?)
zu beantworten. Wie es für Fallstudienforschung typisch ist, finden die zu untersuchenden Ereignisse gegenwärtig statt und können vom Forscher nicht kontrolliert
werden (Yin 1994). Die Ausarbeitung von Fallstudien erlaubt eine ganzheitliche
Perspektive des untersuchten Phänomens durch die Möglichkeit einer tief gehenden
Exploration verbundener Aspekte, welche bei anderen Methoden unentdeckt blieben.
Die empirische Grundlage dieser Arbeit bilden vier tief gehende Fallstudien mit
dem Prozess der Kundenintegration in den Innovationsprozess des Herstellers als
Analyseeinheit. Zusätzlich werden im Verlauf der gesamten Studie Kurzfälle eingesetzt, um das Verständnis des Themas im jeweiligen Kontext zu vertiefen. Diese
stossen bei Praktikern auf positive Resonanz, da sie in engem Bezug zu den Aktivitäten der Praxis stehen, reichhaltigen Inhalt haben und leichter memoriert werden
können (Tsoukas 1994).
Um die Konstrukt-Validität der empirischen Studie sicherzustellen, wurden verschiedene Informationsquellen herangezogen, eine Beweiskette zur Nachvollziehbarkeit der gezogenen Schlüsse geliefert und die Berichtsentwürfe (Protokolle der
Interviews) durch Schlüsselinformanten oder in Folgeinterviews überprüft (Yin
1994). Die Verwendung verschiedener Techniken und Quellen zur Informationsbeschaffung (Methodentriangulation) erfolgte in diesem Fall durch umfassende Datenbankrecherchen sowie eine Analyse von Presseartikeln und Unternehmensveröffentlichungen als Ergänzung zu den Interviewdaten. Soweit zugänglich wurden
auch unternehmensinterne Unterlagen wie Projektmanuals oder Präsentationen analysiert. Schliesslich dienten auch die direkten Beobachtungen in Projektbespre-
FORSCHUNGSKONZEPTION
11
chungen und bei Rundgängen in F&E-Labors als Informationsquelle (Lamnek
1993).
Die Sammlung der empirischen Daten erfolgte durch mündliche Interviews. Die
aufgrund der Neuartigkeit des Phänomens vorhandenen Begriffsunsicherheiten hätten bei einer schriftlichen Befragung zu Problemen einer adäquaten Operationalisierung und damit zu Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit der Ergebnisse geführt.
Es wurden 78 Interviews in 32 Unternehmen in Europa, Asien, Afrika und den
USA durchgeführt. Zusätzlich kam es im Rahmen eines Arbeitskreises mit 11 technologieintensiven Unternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland, zu
wertvollen Einblicken in die Praxis der Öffnung des Innovationsprozesses. Darauf
aufbauend wurden gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen bereits erste Lösungsansätze für konkrete Teilprobleme des untersuchten Phänomens erarbeitet.
Die Ergebnisse der Interviews und des Arbeitskreises dienten einem tiefer gehenden
Verständnis des Problems der Praxis und in weiterer Folge der Erstellung der ersten
Fassung eines qualifizierten Interviewleitfadens. Dieser Leitfaden wurde in mehreren Durchgängen mit Praktikern und Innovationsexperten diskutiert und überarbeitet, um seine praktische Relevanz und klare Verständlichkeit sicherzustellen. Bei
den Interviews zur Erstellung der detaillierten Fallstudien wurde dieser Leitfaden
zur Strukturierung und Ergebnisdarstellung verwendet. Ein derartiges Vorgehen
fördert die Organisation des Hintergrundwissens des Forschers und stellt eine einheitliche Herangehensweise an alle Befragungen sicher (vgl. Lamnek 1993).
1.4
Aufbau der Arbeit
Das erste Kapitel behandelt die Relevanz des Themas und die Problemstellung.
Darauf aufbauend folgen die Zielsetzung der Arbeit und die Forschungsfragen. Das
Vorgehen zur Beantwortung dieser Fragen wird schliesslich in der Forschungskonzeption erläutert.
Das zweite Kapitel beginnt mit der Beschreibung ausgewählter Perspektiven der
Kundenintegrationsforschung. Dabei wird zunächst ein allgemeiner Überblick derjenigen Merkmale erstellt, welche in der Literatur unter verschiedensten Rahmenbedingungen als wesentliche strategische Grundlagen einer Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess beschrieben worden sind. Diese Aufzählung wird in
die drei Bereiche Herstellerseite, Integrationsprozess und Kundenseite gegliedert.
Zur Einordnung der Arbeit wird anschliessend ein Überblick über verschiedene generelle Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess gegeben.
Dabei werden neben der frühen Kundenintegration, welche im Fokus der Arbeit
12
EINLEITUNG
steht, Marktforschung noch vor Beginn des eigentlichen Innovationsprozesses,
kundenspezifische Konfiguration an seinem Ende sowie Kundenorientierung als
allgemeine Grundhaltung unterschieden. Aufbauend auf diese Abgrenzung und den
Literaturüberblick ergeben sich die Defizite der bisherigen Forschung.
Im dritten Kapitel folgt nach einer Vorstellung der Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien eine vertiefende Darstellung von vier Fallstudien der frühen Kundenintegration. Untersucht wurden Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond
Systems und Zumtobel Staff. Anhand von Einzelfallanalysen sowie einem Fallstudienvergleich – basierend auf einem aus der Literaturübersicht in Kapitel zwei gewonnenen Analyseraster – werden diejenigen strategischen Grundlagen identifiziert, welche hohe Relevanz für die frühe Kundenintegration aufweisen. Aus diesen
spezifischen Merkmalen können anschliessend die beiden Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und Interaktionsprozess entwickelt werden.
Das vierte Kapitel leitet aus den Zielen, welche von Herstellern mit der frühen
Kundenintegration verfolgt werden, spezifische Kundenrollen ab. Es sind dies der
Sensor, der Spezialist, der Spezifikator und der Selektor. Diese Rollen erweitern
den Lead-User-Ansatz, der ebenfalls eine Form früher Kundenintegration darstellt.
Organisation und Ablauf der frühen Kundenintegration werden im fünften Kapitel
behandelt. Zunächst erfolgt anhand von konzeptionell-theoretischen Überlegungen
eine Identifizierung der Gestaltungsfaktoren für die beiden im dritten Kapitel hergeleiteten Gestaltungsfelder. Nach einer Betrachtung des Prozesses der frühen Kundenintegration wird ein konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration entworfen. Dieses Modell dient als Grundlage der Gestaltungsempfehlungen, welche dem Prozessmodell folgend in eine Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase eingeteilt werden.
Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf aktuelle Trends und offene Fragestellungen für zukünftige Forschungsvorhaben.
Die Gesamtstruktur der Arbeit ist in Abbildung 3 dargestellt.
AUFBAU DER ARBEIT
13
1. Einleitung
1.1 Relevanz und Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Forschungskonzeption
1.4 Aufbau der Arbeit
2. Stand der Forschung
2.1 Ausgewählte Perspektiven
der Kundenintegrationsforschung
2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden
in den Innovationsprozess
3. Fallstudien der frühen
Kundenintegration
3.2 Bayer MaterialScience
4. Konzeptualisierung der
frühen Kundenintegration
3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien
3.3 EADS Astrium
3.4 Hilti Diamond Systems
4.1 Charakteristika der frühen Kundenintegration
4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration
5. Spezifische Kundenrollen
der frühen Kundenintegration
5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration
5.2 Integrationsstrategien des Herstellers
5.3 Ausprägungen der frühen Kundenintegration
6. Ablauf und Organisation
der frühen Kundenintegration
6.1 Prozess der frühen Kundenintegration
6.2 Konzeptionelles Managementmodell
der frühen Kundenintegration
6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen
7. Fazit
7.1 Kernaussagen
7.2 Ausblick
Abbildung 3: Aufbau der Arbeit
3.5 Zumtobel Staff
14
2
2.1
STAND DER FORSCHUNG
Stand der Forschung
Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung
Das Themengebiet der durch bzw. mit Kunden erzielten Innovation ist weit und
wurde in der Literatur bereits aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Für das
Feld der Produktentwicklung markieren Eric von Hippels grundlegende Publikationen in den späten 1970er-Jahren den Beginn eines neuen Forschungsstranges (von
Hippel 1976, 1977, 1978). Er plädierte als Erster explizit für die Einbindung von
Benutzern in den Ideenentstehungsprozess. Das von ihm aufgestellte „Customer
Active Paradigm“ (von Hippel 1978) stand am Anfang eines rasch wachsenden Forschungsfeldes, welches sich mit der Einbindung von Kunden nicht nur bei der Ideenentstehung, sondern in sämtliche Phasen der Produktentwicklung befasst (z. B.
Shaw 1985; Håkansson 1987; Biemans 1991; Lengnick-Hall 1996; Brockhoff 1998;
Gruner, Homburg 2000; Homburg 2000; Lüthje 2000; Brockhoff 2003). Eine Analyse bestehender Forschungsarbeiten zeigt den positiven Einfluss, welchen die Benutzereinbindung auf den Entwicklungsprozess und darauf aufbauend auf den Produkterfolg hat. So analysierte beispielsweise Shaw (1985) 34 Innovationen in der
Medizintechnik und kam zu dem Ergebnis, dass erfolgreiche Innovationen mit kontinuierlicher Interaktion mit Kunden über den gesamten Entwicklungsprozess verbunden sind. Vergleichbare Resultate lieferte eine von Maidique und Zirger (1985)
durchgeführte Analyse von 40 Produkten, welche zeigte, dass Kundeneinbindung
eine notwendige Voraussetzung für den Produkterfolg darstellte. Eine Untersuchung von Gemünden, Heydebreck et al. (1992), über Neuproduktentwicklung in
Netzwerken, fand, dass beinahe die Hälfte der untersuchten Firmen den Aufbau von
Beziehungen mit Kunden als Voraussetzung für den Innovationserfolg betrachtete.
Auch Arbeiten von Håkansson (1987), Ciccantelli und Magidson (1993), Reichart
(2002), Ford, Gadde et al. (2003), Callahan und Lasry (2004) und Lettl (2004) haben deutliche Hinweise geliefert, dass erfolgreiche Produktentwicklung signifikant
mit Beziehungen zu Kunden korreliert.
Neue Studien zeigen zwei wichtige Entwicklungen: Einerseits wird kritisch hinterfragt, ob der Kunde immer genau die Anforderungen an das neu zu entwickelnde
Produkt kennt und es daher stets von Vorteil ist, ihn so früh und so intensiv wie
möglich zu involvieren. (z. B. Leonard, Rayport 1997; Campbell, Cooper 1999;
Kohn, Niethammer 2002; Ulwick 2002). Als zweiter Trend werden seit ein paar
Jahren die neuen technologischen Möglichkeiten auch für die Kundeneinbindung
genutzt und neue Instrumente zur virtuellen Integration entwickelt (vgl. Paustian
2001; Dahan, Hauser 2002; Nambisan 2002; von Hippel, Katz 2002).
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
15
Die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehenden Innovationsprozesse mit mittlerer
bis hoher Innovationshöhe (radikale Innovationsprojekte) stellen gerade im Hinblick auf die Einbeziehung von Kunden einen Spezialfall dar. Während für Projekte
mit inkrementellen Entwicklungssprüngen alle notwendigen Schritte gut dokumentiert sind, können im Falle eines komplett neuen Produktes bzw. einer neuen Technologie Probleme mit dem möglicherweise beschränkten Nutzen der Kundenbeiträge auftreten. O’Connor (1998) schlägt als Lösung dieses Problems vor, divergentes
Denken zu betonen, Verständnis der Benutzungssituation (sowohl der gegenwärtigen als auch der zukünftigen) aufzubauen und den Zeitpunkt der ersten Interaktion
des Kunden mit dem Produkt vorzuverlegen. Ausserdem empfiehlt sie, einen Katalysator zur Verbindung von Technologien und Märkten zu installieren.
Gliederung der Literaturauswahl
Im Verlauf der letzten 25 Jahre wurde eine beeindruckende Zahl an Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Benutzereinbindung publiziert. Das Ziel dieses Literaturüberblickes ist es, mit Fokus auf die strategischen Grundlagen erfolgreicher Kundeneinbindung, die wichtigsten Beiträge zu analysieren. Damit werden der Forschungsfortschritt auf diesem Gebiet dokumentiert, bestehende Lücken aufgezeigt
und die Grundlage der vorliegenden Arbeit geliefert. Zahlreiche Studien haben strategische Grundlagen identifiziert und deren Bedeutung als notwendige Voraussetzung einer erfolgreichen Benutzereinbindung in den Neuproduktentwicklungsprozess beschrieben. Die Wichtigkeit dieser strategischen Grundlagen zeigt sich alleine
schon in der Anzahl der Studien, welche dieses Phänomen untersucht haben (z. B.
Håkansson 1987; Bruce, Leverick et al. 1995; Millson, Raj 1996; Mohr, Spekman
1996; Li, Calantone 1998; Gruner, Homburg 2000; Hutt, Stafford 2000).
Der Grossteil der untersuchten Literatur über strategische Grundlagen erfolgreicher
Kundeneinbindung kann dabei einigen zentralen Themenfeldern zugeordnet werden. Auf dem Gebiet des F&E-Managements sind dies radikale Innovationen, der
Innovationsprozess, die Produktentwicklung sowie das Fuzzy Front End. Auf der
Seite des Marketings entstammen sie den Literaturströmen zur Marktorientierung,
Kundenorientierung und dem Investitionsgütermarketing. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit und als Basis der weiteren Analyse wird die vorliegende Literatur über
strategische Fundamente der Kundeneinbindung in die drei Themenfelder Grundlagen auf Herstellerseite, Grundlagen des Integrationsprozesses und Grundlagen auf
Kundenseite eingeteilt.1 Eine Übersicht dieser Forschungsrichtungen und Themenschwerpunkte zeigt Abbildung 4.
1
Vgl. dazu ähnliche Ansätze von Brockhoff (1998) sowie Lynch und O’ Toole (2003).
16
STAND DER FORSCHUNG
In die nun folgenden Ausführungen wurden auch Forschungsarbeiten aufgenommen, welche sich nicht direkt mit Kundeneinbindung beschäftigen. Studien, welche
Themen wie Hersteller-Zulieferer-Beziehungen, Marktkompetenz, Erfolg bzw.
Misserfolg von neuen Produkten und ähnliche Untersuchungsgegenstände analysieren, wurden ebenfalls aufgenommen, wenn sie Aspekte behandeln, welche eine relevanten Einfluss auf das Konzept der Benutzereinbindung haben.
F&E Management
Radikale Innovationen
Innovationsprozess
Produktentwicklung
Fuzzy Front End
Grundlagen auf
Herstellerseite
Grundlagen des
Integrationsprozesses
Marktorientierung
Kundenorientierung
Investitionsgütermarketing
Grundlagen auf
Kundenseite
Marketing
Abbildung 4: Relevante Themenfelder der Kundenintegrationsliteratur
2.1.1
Grundlagen auf Herstellerseite
Eine wesentliche Grundlage erfolgreicher Kundeneinbindung stellt die Übereinstimmung mit der Strategie, im Sinne einer Abstimmung mit der Geschäftsstrategie,
dar. Dabei kann nur ein Verständnis des Zusammenhanges zwischen der geplanten
Kooperation und den existierenden firmeneigenen Kompetenzen zur notwendigen
Übereinstimmung führen (Johne 1994; Campbell, Cooper 1999; Tidd, Bessant et al.
2001). Ein mangelhafter Abgleich mit der internen Strategie kann unter anderem zu
einer falschen Verteilung der relevanten Ressourcen (Zeit, Geld, Technologie und
Personal) für das Integrationsprojekt führen. Dies kann in signifikanten Problemen
wie Verzögerungen, Kostensteigerung, Verschiebung des Marktauftrittes und im
schlimmsten Fall auch Misserfolg des Produktes resultieren (Biemans 1992).
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
17
Als weiterer wichtiger Erfolgsfaktor wird in der Produktenwicklungsliteratur das
Verstehen der Kundenbedürfnisse, ein elementarer Bestandteil der Kundenorientierung, angeführt. Das Konzept der Kundenorientierung entstammt dem Marketing
und basiert auf der Beschaffung und Verwendung relevanter Informationen über die
Kunden quer durch die gesamte Organisation des Herstellers (z. B. Tomczak, Belz
1994; Kleinaltenkamp, Dahlke 1998; Söllner 1998; Belz 2002a, 2002b). Es besteht
überwiegende Übereinstimmung, dass das Verstehen und die Erfüllung der Kundenbedürfnisse eine notwendige Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Produktentwicklung darstellt. Eine gemeinsame Vision des Unternehmens eingebettet in eine offene Unternehmenskultur stellt die Basis einer erfolgreichen Kundenorientierung dar (z. B. Atuahene-Gima 1996; Maron, VanBremen 1999; Koen, Ajamian
et al. 2002). Tidd, Bessant et al. (2001) empfehlen zum besseren Verständnis des
Marktes eine organisationsweite Orientierung auf neue Anregungen von aussen.
Biemans (1992) weist in diesem Zusammenhang speziell auf die Bedeutung der Unterstützung durch das obere Management hin, um eine organisatorische Atmosphäre
zu schaffen, welche die Grundlage erfolgreicher Kundeneinbindung bildet.
Ein wichtiger Forschungsaspekt für die Neuproduktentwicklung ist die Schnittstelle
zwischen der F&E-Abteilung und Marketing (vgl. Souder 1988; Bruce, Biemans
1995; Song, Montoya-Weiss et al. 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Song, Thieme
et al. 1998; Souder, Song 1998; Norrgren, Schaller 1999; Kahn 2001; Olson, Walker et al. 2001). Im Allgemeinen haben diese empirischen Studien einen positiven
Einfluss funktionsübergreifender Schnittstellen auf neu zu entwickelnde Produkte
gefunden. Durch die Bündelung firmeninterner Kompetenzen zur Entwicklung eines Produktes gelingt es, die Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen. Um diese interne Koordination zu erzielen, können beispielsweise funktionsübergreifende Teams
eingeführt werden. Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen funktionalen Einheiten erfordert dabei, wie Jassawalla und Sashittal (1998) festgestellt haben, eine grundsätzliche Bereitschaft der Teilnehmer zu Kommunikation, Koordination und Kooperation, sowie ein Verständnis der unterschiedlichen Rahmenbedingungen.
Als zentraler Punkt wird auch die Betrachtung des Innovationsprozesses als organisatorischen Lernprozess betrachtet, bestehend aus der Akquisition, Verteilung und
Nutzung von Informationen (vgl. Adams, Day et al. 1998; Li, Calantone 1998; Lukas, Ferrell 2000). Die Fähigkeit einer Firma, Kundenwissen zu extrahieren und in
den Entwicklungsprozess zu integrieren, wird von einigen Autoren als strategisches
Asset der Firma gesehen (z. B. Glazer 1991), von anderen als Kernkompetenz (z. B.
Li, Calantone 1998). In beiden Fällen ist die Auswirkung auf den Erfolg des Produktes gross. Ein funktionierender Prozess zur Einbindung von Kundenwissen trägt
18
STAND DER FORSCHUNG
wesentlich zur effektiven Kundeneinbindung bei. Aus diesem Blickwinkel spielt
das Wissen des Kunden eine entscheidende Rolle und bildet das Kernelement bei
der Auswahl der richtigen Kooperationspartner (Aslanidis, Korell 2003). Ähnliche
Überlegungen gelten auch für die Integration technischer Dienstleister in den Innovationsprozess industrieller Unternehmen (Gassmann, Hipp 2001).
Ebenfalls den Grundlagen auf der Herstellerseite sind die Methoden zuzurechnen,
welche der Hersteller zur Kundeneinbindung verwenden kann. Diese liefern allgemeine Hinweise und Anregungen, welche Aspekte zu beachten sind und wie Kundeneinbindung konkret gestaltet werden kann. Im Folgenden werden die wichtigsten und aktuellsten konkreten Ansätze kurz beschrieben, welche – abgesehen von
traditionellen Marketingmethoden – die frühe Innovationsphase betreffen.
Die bekannteste Methode der frühen Kundeneinbindung ist das Lead-User-Konzept.
In seiner Studie über die Entwicklung neuer Industrieprodukte unterscheidet von
Hippel (1986) zwischen generellen Benutzern und Lead-Usern anhand zweier Attribute: (1) Lead-User haben bestimmte Bedürfnisse bereits Monate oder Jahre bevor
diese allgemein im Markt vorhanden sein werden, und (2) sie sind in einer Position,
in der sie von einer Lösung ihrer Probleme profitieren können. Zahlreiche Studien
belegen, dass die Einbindung von derartig definierten Lead-Usern in einem höheren
Neuigkeitsgrad, höheren Verkaufszahlen und grösserer Marktakzeptanz der gemeinsam mit ihnen entwickelten Produkte resultiert, da diese Produkte die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden besser abdecken (vgl. Urban, von Hippel 1988;
Herstatt, von Hippel 1992; Lilien, Morrison et al. 2002). Die Auswahl der LeadUser und die Integration ihrer Ideen erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. Am
Beginn steht die Identifikation neuer Markttrends oder Produktmöglichkeiten. Nach
der Selektion dazu passender Lead-User werden mit ihnen und Mitarbeitern des
Herstellers gemeinsame Workshops abgehalten, in denen Informationen über die
Bedürfnisse der Kunden gesammelt und eventuell bereits erste mögliche Lösungsvorschläge und Produktkonzepte erarbeitet werden. Die so entwickelten Konzepte
müssen im Markt getestet werden, um die Relevanz der Bedürfnisse der Lead-User
für den Gesamtmarkt vorherzusagen (z. B. Herstatt, von Hippel 1992). Neue Publikationen zur Lead-User-Methode kommen zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu
traditionellen Prozessen der Ideenfindung mehr Durchbruchsinnovationen generiert
werden. Als Hauptgrund wird der Umstand der gleichzeitigen Erhebung von Bedürfnissen und Lösungsvorschlägen vom fortschrittlichsten Bereich des Zielmarktes
genannt (Lilien, Morrison et al. 2002).
Es ist schwer abzuschätzen, wie weit diese Methode in der Praxis verbreitet ist, da
viele Firmen die Bezeichnung Lead-User für Kundenrollen und Vorgehensweisen
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
19
verwenden, welche sich substanziell vom Ansatz von Hippels (1986) bzw. seiner
Weiterentwicklungen (z. B. Herstatt 2002a) unterscheiden.
Bezüglich des oben angesprochenen Problems betreffend die Nützlichkeit von
Kundenbeiträgen in den frühen Innovationsphasen existieren spezielle Ansätze,
welche versuchen, diese prinzipiellen Probleme zu umgehen. Zahlreiche Firmen
versuchen, zur Entwicklung marktnaher neuer Produkte, so eng wie möglich mit ihren Kunden in Kontakt zu treten, um deren Wünsche und Bedürfnisse so direkt und
genau wie möglich abzuschöpfen. Dieser Ansatz ist nicht unproblematisch, da die
Fähigkeit der Kunden, die Entwicklung neuer Produkte zu unterstützen, durch ihren
Erfahrungsschatz limitiert ist (Leonard, Rayport 1997). Anwender kennen normalerweise nur die momentan erhältlichen Applikationen, wodurch ihre Kompetenz
zur Auffindung komplett neuer Ideen und zur adäquaten Beschreibung derselben
beschränkt ist (Ulwick 2002). Dieses Dilemma kann aber durch die Wahl der geeigneten Methode umgangen werden. Eine Möglichkeit hierzu ist die Beobachtung
anstelle der Befragung, wie diese von Leonard und Rayport (1997) unter dem Begriff Empathic Design vorgeschlagen wurde. Dabei werden fünf Schritte durchlaufen. Am Beginn steht die Bildung eines interdisziplinären Teams, dessen Aufgabe
es ist, die Kunden bei der alltäglichen Verwendung eines Produktes zu beobachten.
Auf eine direkte Befragung der Kunden wird verzichtet. Die erhobenen Daten werden anschliessend reflektiert und analysiert. Darauf aufbauend werden durch Brainstorming Lösungsvorschläge gesucht und die ersten Prototypen entwickelt. Eine
andere Möglichkeit, trotz oben erwähnter Einschränkungen zu innovationsrelevanten Ergebnissen aus Kundenbefragungen zu gelangen, wurde von Ulwick (2002)
vorgeschlagen und stellt eine Ausprägung der Voice-of-the-Customer-(VOC)Methode dar (z. B. Griffin, Hauser 1993; Burchill, Hepner Brodie 1997; Hepner
Brodie 2000). Die Grundidee liegt dabei in einem Fokus auf den gewünschten Ergebnissen im Gegensatz zu den in klassischen Befragungen meist abgefragten möglichen Lösungsvorschlägen. Realisiert wird dies durch gründlich vorbereitete, moderierte Meetings mit Kunden, in denen die von den Kunden gewünschten Ergebnisse gesammelt werden. Diese Ergebnislisten werden anschliessend bewertet und
priorisiert und dienen als Ausgangspunkt für die weiteren Schritte des Innovationsprozesses.
In jüngster Zeit zeigen sich verstärkt Tendenzen, ganze Teile des frühen Entwicklungsprozesses auf den Kunden zu übertragen. Diese Entwicklung geht mit dem
Trend zur Verwendung neuer IT-basierter Werkzeuge zur Unterstützung der Kundeneinbindung einher. Kunden werden dadurch in die Lage versetzt, als „MitEntwickler“ an der Entwicklung neuer Produkte teilzunehmen. Beispielsweise ermöglichen virtuelle Kooperationsräume dem Benutzer, elektronische Abbildungen
20
STAND DER FORSCHUNG
physischer Produkte zu sehen und zu kritisieren (z. B. Billington 1998). Thomke
und von Hippel (2002) beschreiben so genannte „User Tool Kits for Innovation“,
mit deren Hilfe der Kunde in die Lage versetzt wird, eine komplette Serie von Entwicklungszyklen zur Entwicklung seines persönlichen Produktes zu durchlaufen.
Kombiniert mit Informationen über verwendbare Komponenten, Module und Produktbeschränkungen (z. B. produktionsbedingte Restriktionen) können diese Werkzeugsätze zeit- und kostenintensive Iterationsschleifen zwischen Herstellern und
Kunden eliminieren. Allerdings eignen sich nur bestimmte Märkte und Produkte für
diesen Ansatz (von Hippel 2001b). Die zweite Möglichkeit der Verwendung neuer
Informationstechnologien zur Verbesserung der Kundeneinbindung ist das Gebiet
der virtuellen Kundenevaluationen. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Modelle können durch den Einsatz von neuen Produktentwicklungsinstrumenten vom
Kunden schneller, mit höherer Genauigkeit und kostengünstiger beurteilt werden.
Ein „Virtual Customer Initiative“ genannter Forschungsschwerpunkt am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston erforscht und entwickelt solche
Werkzeuge (Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002).
2.1.2
Grundlagen des Integrationsprozesses
Betrachtet man die Interaktion zwischen Hersteller und Kunde, so ist ein wichtiger
strategischer Aspekt, welcher berücksichtigt werden muss, die Kompatibilität der
Kulturen, welche Ziele, Werte und Managementprozeduren umfassen (z. B. Biemans 1991; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; AtuaheneGima 1996; Kelley, Littman et al. 2001). Maron und VanBremen (1999) stellen
fest, dass das Versäumnis auf die unterschiedlichen Kulturen einzugehen, zum Ende
einer Partnerschaft führen kann. Beispielsweise können unterschiedliche Entscheidungsstile den Kollaborationserfolg hemmen, falls sie nicht korrekt identifiziert und
berücksichtigt worden sind. In ähnlicher Weise kann durch eine aggressive Kultur
ein Klima mangelnden Vertrauens entstehen, welches sich nachteilig auf die persönliche Beziehungsebene auswirkt (Hutt, Stafford 2000). Firmen, welche erfolgreich Partnerschaften betreiben, nehmen sich Zeit, diese Unterschiede bereits frühzeitig zu identifizieren und berücksichtigen sie im späteren Verlaufe der Zusammenarbeit.
Wesentlichen Einfluss auf den positiven Verlauf der Hersteller-KundenPartnerschaft in der Entwicklung neuer Produkte hat die am Anfang stehende Entwicklung von klaren Zielen, welche die Richtung der Partnerschaft leiten werden
(Tidd 1995; Millson, Raj 1996; Song, Montoya-Weiss et al. 1997). Prinzipiell gilt
für Entwicklungspartnerschaften, dass nur eine gemeinsame Festlegung der Ziele zu
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
21
gemeinsamen Erwartungen führen und beiden Seiten verdeutlichen kann, welche
kooperativen Anstrengungen notwendig sind (vgl. z.B. Mohr, Spekman 1996; Hauschildt 1998). Millson und Raj (1996) schlagen zum Festhalten der Ziele schriftliche Abkommen vor, um klare Richtungen für die gemeinsamen Programme vorzugeben und damit Unsicherheiten zu beseitigen.
Entscheidend für die erfolgreiche Einbindung von Kunden ist die Etablierung passender Strukturen. Dies bedeutet einen Abgleich zwischen den Anforderungen der
jeweiligen Entwicklungsaufgabe und den operativen Strukturen, welche diese ermöglichen (z. B. Pitta, Franzak 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Prahalad, Ramaswamy 2000; Tidd, Bessant et al. 2001; Jeppesen, Molin 2003). Um diese Balance
zu erreichen, schlagen Pitta, Franzak et al. (1996) vor, dass Firmen aus internen
funktionsübergreifenden sowie externen Teams ein organisationsübergreifendes
Team aufbauen. Innerhalb dieser Teams werden Kunden als Entwicklungspartner
angesehen und haben die gleiche Verantwortung für die Problemlösung wie die
Teilnehmer des Herstellers. Zudem empfehlen die Autoren eine Teamstruktur, welche kontinuierliche Kommunikation zwischen den Teilnehmern ermöglicht, da dadurch Missverständnisse und Konflikte vermieden werden können. Erfolgsfaktoren
derartiger organisationsübergreifender Teams sind eine klare Rollenverteilung, eindeutige Ziele sowie eine auf Charakteristika und Commitment gestützte Kundenauswahl.
Im Bereich der Neuproduktentwicklung variiert das Ausmass und die Intensität der
Benutzereinbindung in Abhängigkeit vom Beitrag, den Ressourcen und der Stufe
des Innovationsprozesses (z. B. Biemans 1992; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg
1999; Kohn, Niethammer 2002; Lettl 2004). Einer der kritischen Punkte zur Erzielung der Vorteile der Kundeneinbindung in die Produktentwicklung ist ein Verständnis für die jeweils passende Form der Einbindung. In Abhängigkeit von der
Intensität der Einbindung ändert sich der damit verbundene Aufwand nicht nur in
zeitlicher Hinsicht. Ein Hersteller, welcher nicht zwischen verschiedenen Typen der
Kundeneinbindung unterscheidet, wird am Ende genauso viel Zeit für das Management unwesentlicher Beziehungen aufbringen, wie für das lohnenderer Beziehungen. Es gilt also sicherzustellen, dass der am besten passende Partner zum richtigen
Zeitpunkt mit der richtigen Intensität der Einbindung und mit der am besten passenden Form des Managements zum Einsatz kommt (Wynstra, Pierick 2000).
Eine entscheidende Rolle bei der Kundeneinbindung spielen, so wie bei jeder Art
von Partnerschaft, die Beziehungsvariablen. Die wichtigsten in der Literatur besprochenen Einflussfaktoren auf die Beziehung zwischen Hersteller und Benutzer
sind Commitment und Vertrauen. Morgan und Hunt (1994) vergleichen erfolgrei-
22
STAND DER FORSCHUNG
che Allianzen mit Ehen und betonen, dass beide nicht einfach passieren, sondern
Commitment zu ihrem erfolgreichen Bestehen benötigen und durch Misstrauen zerstört werden können. Nur basierend auf Vertrauen und Commitment lernen Firmen,
dass durch koordinierte und gemeinsame Anstrengungen Ergebnisse erzielt werden
können, welche diejenigen bei weitem übertreffen, welche eine Firma alleine erzielen kann (z. B. Anderson, Narus 1990; Jassawalla, Sashittal 1998; Diller, Ivens
2004). Der Aufbau und die Pflege des Vertrauens resultieren aus häufiger Kommunikation zwischen den Partnern und dem Glauben an die Verlässlichkeit und Integrität des anderen. Diese Eigenschaften werden verbunden mit Konsistenz, Kompetenz, Ehrlichkeit, Fairness, Verantwortung, Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit
des Partners (z. B. Morgan, Hunt 1994; Littler, Leverick et al. 1995; Buttle 1996).
Vertrauen wird auch durch die Aufforderung zur Interaktion gefördert, welche zur
Entwicklung zwischenmenschlicher Verknüpfungen zwischen den einzelnen Mitarbeitern des Herstellers und des Kunden führt (Hutt, Stafford 2000). Zusätzlich fördern starke interpersonelle Beziehungen auch den Austausch von Informationen.
Organisationen fürchten eine opportunistische Ausbeutung dann weniger, wenn sie
mit Partnerfirmen ein hohes Niveau an „Embeddedness“ teilen (vgl. Hoecht, Trott
1999; Rindfleisch, Moorman 2001).
Der menschliche Aspekt ist wesentlich für alle Beziehungen und so sind die Handlungen und Commitments der Menschen, welche in eine kollaborative Beziehung
involviert sind elementar für deren Erfolg (Bruce, Leverick et al. 1995). Es kann einen fundamentalen Einfluss auf den Erfolg des Projektes haben, bestimmte Individuen dazu zu motivieren, eine aktive Rolle in der Entwicklung zu übernehmen.
Zahlreiche Autoren verweisen auf Einzelpersonen (sowohl vom Hersteller als auch
von Kundenfirmen), welche in der Lage sind, Unterstützung zu gewinnen, Hindernisse zu überwinden und durch ihren Willen und ihre Energie als „Produktchampions“ das Entwicklungsprojekt zur Vollendung zu treiben (Howell, Higgins 1990;
Frey 1991; Biemans 1992; Markham, Griffin 1998). Darüber hinaus betonen Tidd,
Bessant et al. (2001) die Wichtigkeit der Identifizierung anderer Schlüsselpersonen
wie organisatorischer Sponsoren, Teammitglieder und „Geschäftserneuerer“ (vgl.
dazu auch das Promotorenmodell von Hauschildt (z. B. Hauschildt, Kirchmann
2001)). Die Summe all dieser zwischenmenschlichen Faktoren wird im Sinne einer
umfassenden Interaktion mit dem Kunden auch unter dem Begriff Beziehungsmanagement zusammengefasst (z. B. Belz 1998; Alt, Puschmann et al. 2005).
Gegenseitigkeit und Reziprozität wurden in der Literatur als wesentlicher Bestandteil jeder Kollaboration identifiziert (z. B. Biemans 1992; Morgan, Hunt 1994;
Goodman, Fichman et al. 1995; Hutt, Stafford 2000). Unzufriedenheit und Ärger
können entstehen, wenn eine Seite glaubt, dass ihr Beitrag zur Neuproduktentwick-
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
23
lungsbeziehung den der anderen Seite bei weitem übersteigt. Ziel muss es daher
sein, dass auf einer von beiden anerkannten fairen Basis beide Seiten zusätzlichen
Nutzen erhalten (Bruce, Leverick et al. 1995).
Kommunikation ist ein zentraler Punkt bei der Verbindung von Menschen und darauf aufbauend beim Aufbau von Beziehungen. Der Kommunikationsprozess liegt
als wesentliche Voraussetzung den meisten Funktionen einer Organisation zugrunde. Es ist daher notwendig, eine Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten, welche
häufiger und rechtzeitiger Kommunikation dienlich ist. Nur dadurch wird eine effektive und effiziente Koordination und Steuerung der Aktivitäten, Verantwortlichkeiten und Menschen innerhalb der Hersteller-Kunden-Beziehung möglich (z. B.
Håkansson 1987; Biemans 1992; Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al.
1995; Mohr, Spekman 1996). Reguläre Kommunikation (z. B. Beratungen auf allen
Stufen oder Fortschrittsberichte) reduziert Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten der
Beziehung durch das Erreichen eines gemeinsamen Verständnisses der Ziele und
Intentionen der Partnerschaft (vgl. Conway 1995; Hutt, Stafford 2000). Dadurch
dient Kommunikation zwischen dem Hersteller und dem Kunden dem Aufbau von
Vertrauen und zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Mitgliedern beider
Unternehmen. Dies führt zu einem höheren Grad an Gegenseitigkeit und Nähe sowie zu vermehrtem Austausch von sensiblen Informationen zwischen den Beziehungspartnern (z. B. Tidd 1995; Rindfleisch, Moorman 2001). Versteckt liegende
Ängste, Bedenken, Spannungen oder Konflikte können nur dann im Guten gelöst
werden, wenn eine Beziehung durch qualitativ hochwertige Kommunikationsflüsse
charakterisiert ist (Mohr, Spekman 1996).
Ein zentraler Aspekt der Zusammenarbeit und damit vor allem auch der Kommunikation von Teams im Innovationsprozess ist die räumliche Dimension (vgl. Allen
1991). Wie Gassmann (1997) gezeigt hat, bestimmt die Dezentralität wesentlich die
Organisationsformen und das Management der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Dies gilt nicht nur für firmeninterne Konstellationen, sondern auch für die
Einbindung Externer (z. B. Kunden) in den Innovationsprozess. Wichtige Determinanten zur Auswahl der richtigen Organisationsformen sind der Innovationsgrad,
die Art des Projektes, der schwerpunktmässig übertragene Wissenstyp und die Bündelung funktionaler und technologischer Ressourcen (Gassmann, von Zedtwitz
2003). Erst die Berücksichtigung dieser Faktoren für die jeweilige Situation ermöglicht eine Entscheidung, ob überhaupt und wie Kunden in den Innovationsprozess
eingebunden werden können.
Das Controlling der Beziehung über Audits und reguläre Fortschrittsberichte wird
ebenfalls als notwendig für den Erfolg von Entwicklungskooperationen für neue
24
STAND DER FORSCHUNG
Produkte angeführt (z. B. Bruce, Leverick et al. 1995; Hutt, Stafford 2000; Brockhoff 2002). Audits sind in diesem Zusammenhang besonders wertvoll bei der Identifizierung, Isolation und Berichtigung etwaiger Probleme in der Partnerschaft. Ein
zusätzlicher Vorteil dieser Fortschrittsberichte liegt darin, dass sie zur regelmässigen Kommunikation beitragen und ein Umfeld entsteht, in dem sich jeder Partner
verpflichtet fühlt, vorher getroffene Übereinkünfte einzuhalten (Hutt, Stafford
2000).
2.1.3
Grundlagen auf Kundenseite
Charakteristika des Kunden haben ebenfalls Einfluss auf den Erfolg der gemeinschaftlichen Produktinnovation. Im Speziellen sind dies Faktoren wie die relative
Grösse der beiden Parteien (z. B. Millson, Raj 1996; Murphy, Kumar 1996), die finanzielle Attraktivität des Kunden (z. B. Gruner, Homburg 2000), der Ruf des Kunden (z. B. Gansen 1994; Brockhoff 1998; Hoecht, Trott 1999; Kelley, Littman et al.
2001), die technologische Expertise bzw. das Wissen und die Fähigkeiten des Kunden (z. B. Shaw 1985; Håkansson 1987; de Bont, Schoormans 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Schoormans, Ortt et al. 1995; Brockhoff 2003), sowie vergangene
Erfahrungen des Kunden mit partnerschaftlicher Entwicklung (z. B. Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995). Johne (1994) warnt davor, dass kooperative Hersteller als Subunternehmer für Schlüsselkunden enden könnten. Er
schlägt als Abhilfe vor, verschiedene Kundentypen zu differenzieren. Zahlreiche
Studien belegen, dass die Bedeutung verschiedener Benutzergruppen aufgrund ihrer
Charakteristika im Verlaufe des Entwicklungsprozesses variiert (z. B. Biemans
1992). So unterscheidet z. B von Hippel in seiner Studie über die Entwicklung neuer Industrieprodukte zwischen generellen Benutzern und Lead-Usern (von Hippel
1986). Letztere stellen gerade für die Innovationsfrühphase potenzielle Einbindungspartner dar.2
Ein wesentlicher Aspekt erfolgreicher Kundeneinbindung ist die Motivation der
Kunden . Dabei können drei wesentliche Elemente unterschieden werden, nämlich
materielle Entschädigungen, eine Verbesserung des Produktes und innere Antriebe.
Die ersten beiden fallen in den extrinsischen Motivationsbereich. An erster Stelle
sind die finanzielle Entschädigung bzw. sonstige materielle Abgeltung der Aufwendungen des Kunden zu nennen. Diese kann beispielsweise die Bezahlung für die
Beantwortung eines Fragebogens sein. Der zweite wesentliche Aspekt in diesem
Bereich ist die Erwartung des Kunden nach einer Problemlösung bzw. nach der
2 Details zur Lead-User-Methode siehe Abschnitte 2.1.1 und 4.2.2.
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
25
Verbesserung seiner momentanen Situation. Dieser Aspekt stellt eine der wesentlichen Säulen des Lead-User-Ansatzes dar (vgl. z. B. von Hippel 1986). Für den dritten Bereich, die intrinsische Seite der Motivationsstruktur des Kunden, kann die
Open-Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen. Neue Untersuchungen zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen (Wissensvermehrung, Erhalt besserer und günstiger Software und Spass am Programmieren) und Ego-Gratifikation (Wunsch nach Anerkennung, Reputation in der
Peergroup, Mitarbeit im Team bekannter Programmierer und die angenommene
Unersetzbarkeit für das Team) Open-Source-Entwickler antreiben (vgl. Perens
1998; Raymond 1999; Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al. 2003;
von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003). Achtenhagen, Müller-Lietzkow
et al. (2003) weisen darüber hinaus darauf hin, dass auch Karriereüberlegungen wie
das Zeigen des eigenen Talents oder die Gründung (oder Teilhabe) an OpenSource-basierten Unternehmen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Tabelle 1 fasst die wichtigsten Studien zu den betrachteten Forschungsthemen zusammen.
26
STAND DER FORSCHUNG
Forschungsthemen
Übereinstimmung mit
Studien
Biemans 1992; Johne 1994; Campbell, Cooper 1999; Tidd, Bessant et al. 2001
Grundlagen auf Kundenseite
Grundlagen des Integrationsprozesses
Grundlagen auf Herstellerseite
Strategie
Verstehen der Kundenbedürfnisse
Schnittstelle
F&E/Marketing
Organisatorischer Lernprozess
Biemans 1992; Tomczak, Belz 1994; Atuahene-Gima 1996; Kleinaltenkamp, Dahlke 1998; Söllner 1998; Maron, VanBremen 1999; Tidd, Bessant et al. 2001; Belz
2002a, 2002b; Koen, Ajamian et al. 2002
Souder 1988; Bruce, Biemans 1995; Song, Montoya-Weiss et al. 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Song, Thieme et al. 1998; Souder, Song 1998; Norrgren, Schaller 1999; Kahn 2001; Olson, Walker et al. 2001
Glazer 1991; Adams, Day et al. 1998; Li, Calantone 1998; Lukas, Ferrell 2000;
Gassmann, Hipp 2001; Aslanidis, Korell 2003
Kompatibilität der Kulturen Biemans 1991; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Atuahene-Gima 1996; Maron, VanBremen 1999; Hutt, Stafford 2000; Kelley, Littman et
al. 2001
Tidd 1995; Millson, Raj 1996; Mohr, Spekman 1996; Song, Montoya-Weiss et al.
Klare Ziele
1997; Hauschildt 1998
Pitta, Franzak et al. 1996; Pitta, Franzak 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; PrahaPassende Strukturen
lad, Ramaswamy 2000; Tidd, Bessant et al. 2001; Jeppesen, Molin 2003
Biemans 1992; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg 1999; Wynstra, Pierick 2000;
Form der Einbindung
Kohn, Niethammer 2002; Lettl 2004
Anderson, Narus 1990; Howell, Higgins 1990; Frey 1991; Biemans 1992; Morgan,
Beziehungsvariablen
Hunt 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Littler,
Leverick et al. 1995; Buttle 1996; Belz 1998; Jassawalla, Sashittal 1998; Markham,
Griffin 1998; Hoecht, Trott 1999; Hutt, Stafford 2000; Hauschildt, Kirchmann 2001;
Rindfleisch, Moorman 2001; Tidd, Bessant et al. 2001; Diller, Ivens 2004; Alt,
Puschmann et al. 2005
Håkansson 1987; Biemans 1992; Bruce, Leverick et al. 1995; Conway 1995; LittKommunikation
ler, Leverick et al. 1995; Tidd 1995; Mohr, Spekman 1996; Hutt, Stafford 2000;
Rindfleisch, Moorman 2001
Allen 1991; Gassmann 1997; Gassmann, von Zedtwitz 2003
Räumliche Dimension
Controlling
Bruce, Leverick et al. 1995; Hutt, Stafford 2000; Brockhoff 2002
Relative Grösse
Millson, Raj 1996; Murphy, Kumar 1996
Finanzielle Attraktivität
Gruner, Homburg 2000
Ruf
Gansen 1994; Brockhoff 1998; Hoecht, Trott 1999; Kelley, Littman et al. 2001
Wissen und Fähigkeiten
Shaw 1985; von Hippel 1986; Håkansson 1987; Johne 1994; Bruce, Leverick et al.
1995; de Bont, Schoormans 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Schoormans, Ortt et
al. 1995; Brockhoff 2003
Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995
Vergangene Erfahrungen
Motivation
von Hippel 1986; Perens 1998; Raymond 1999; Gassmann 2001; Achtenhagen,
Müller-Lietzkow et al. 2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003
Tabelle 1: Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung
AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG
27
Management der frühen Kundeneinbindung
Wie in den vorangehenden Abschnitten gezeigt wurde, gibt es eine grosse Zahl an
Studien aus verschiedenen Forschungsfeldern, welche spezielle Grundlagen der
Kundeneinbindung in den Innovationsprozess behandeln. Zahlreiche Studien nehmen sich auch zum Ziel, einzelne Aspekte des Managements der HerstellerKunden-Interaktion während der Neuproduktentwicklung zu beschreiben (Biemans
1991, 1992; Bidault, Cummings 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; Mohr, Spekman
1996; Athaide, Stump 1999; Campbell, Cooper 1999; Johnsen, Ford 2000). Es existieren jedoch keine umfassenden Managementmodelle für die Kundeneinbindung in
den Entwicklungsprozess im Allgemeinen und in seine Frühphase im Besonderen
(vgl. Lynch, O' Toole 2003). Diese Abwesenheit von Gestaltungsempfehlungen für
das Management hat ernsthafte Konsequenzen für den Praktiker, beeinflusst doch
die Art und Weise in der Kundeneinbindung gemanagt wird, die Ergebnisse derselben und letzten Endes den Erfolg (z. B. Håkansson 1987). Die Notwendigkeit für
Managementrichtlinien ergibt sich auch aus der grundlegenden Spannung zwischen
der Dynamik von Innovationen und der Logik von Partnerschaften. Diese Spannung
entsteht durch die Gefahr opportunen Verhaltens, des Verlustes geheimer Information, von Zuordnungsproblemen bei Eigentumsrechten, des Verlustes an direkter
Kontrolle über den Entwicklungsprozess sowie aus zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Belastungen, welche mit dem Management von Partnerschaften einhergehen (vgl. Dolan, Matthews 1993; Bidault, Cummings 1994; Littler, Leverick
et al. 1995). Diese Unsicherheiten bedeuten, dass für eine Optimierung der Kundeneinbindung und zur Überwindung der Probleme, welche damit verbunden sind,
grosse Sorgfalt auf das Management des Prozesses gelegt werden muss (Biemans
1992; Schilling, Hill 1998; Campbell, Cooper 1999). Dies gilt umso mehr bei den
im Fokus dieser Arbeit stehenden mittleren bis hohen Innovationshöhen. Radikale
Innovationsprozesse unterscheiden sich verglichen mit regulären Produktentwicklungsprozessen signifikant bezogen auf Struktur und Management. Da radikale Innovation im Kern als kreativ und inspiriert betrachtet wird, liegt die Herausforderung in der Unterstützung der Entscheidungsprozesse und in der Reduktion der Risiken. Veryzer (1998) untersuchte diskontinuierliche Produktentwicklungsprojekte
und stellte fest, dass die meisten Firmen dafür keine formellen, stark strukturierten
Prozesse anwenden. Es werden aber trotzdem konsistente Abläufe verfolgt, welche
jedoch signifikant von denen inkrementeller Projekte abweichen. Generell weisen
erstere einen explorativeren Charakter auf und sind weniger kundengetrieben. Eine
ähnliche Gegenüberstellung behandelte O’Connor (1998) mit Fokus auf Methoden
zum Erwerb und zur Nutzung von marktbezogenem Wissen. Für radikale Entwicklungsprojekte sieht sie es als vorteilhaft an, divergentes Denken zu betonen, Ver-
28
STAND DER FORSCHUNG
ständnis für die momentane und die zukünftige Benutzungssituation aufzubauen
und die Interaktion des Kunden mit dem Produkt zu beschleunigen.
Welche Rolle die Einbindung des Kunden in die frühen Phasen radikaler Innovationsprozesse spielen soll und wie diese Integration zu managen ist, wird im Rahmen
dieser Arbeit untersucht.
2.2
Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess
Wie der vorhergehende Abschnitt gezeigt hat, werden Fragestellungen bezüglich
Kundennähe, Kundeneinbindung und Kundenintegration aus zahlreichen Blickwinkeln und auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen betrachtet. Bei der Aufstellung
der im vorhergehenden Abschnitt aufgearbeiteten Literatur wurde zunächst nicht
zwischen prinzipiell verschiedenen Herangehensweisen unterschieden, sondern der
Schwerpunkt auf die Grundlagen der Kundeneinbindung gelegt. Zur Einordnung
und Fokussierung der vorliegenden Arbeit ist es nun aber notwendig, grundsätzliche
Typen der Einbeziehung des Kunden im Verlaufe des Innovationsprozesses zu unterscheiden. Dies erfolgt einerseits basierend auf den Erkenntnissen der Literaturrecherche und andererseits durch Betrachtung und Reflexion bestehender Ansätze aus
der Praxis. Im ersten Schritt werden die Grundtypen der verschiedenen Organisationsformen der Kundeneinbindung im Verlauf des gesamten Innovationsprozesses
identifiziert. Zur weiteren Vertiefung werden anschliessend drei prinzipielle Formen der Kundeneinbindung basierend auf dem Grad der Kundenaktivität eingeführt. Gemeinsam ergeben diese Betrachtungen schliesslich eine Landschaft der
Kundeneinbindung, in die das Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit eingeordnet werden kann. Dieser Ansatz soll eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten der Interaktion zwischen Hersteller und Kunden ermöglichen sowie der
thematischen Abgrenzung in Bezug auf die Innovationsprozessphasen und die Aktivität des involvierten Kunden dienen.
Die dabei erarbeiteten Kriterien fliessen durch ihre Verwendung bei der Erstellung
des Analyserasters auch in die Auswertung der Fallstudien ein. Weiters dienen die
bei dieser allgemeinen Typologisierung gewonnenen Erkenntnisse als Unterstützung bei der Konzeption des konzeptionellen Managementmodells.
Als grundlegende Struktur des Überblicks der verschiedenen Ansätze der Kundeneinbindung dient ein einfaches Trichtermodell des Innovationsprozesses.3 Prinzi3
Für eine Übersicht verschiedener Modelle des Innovationsprozesses siehe beispielsweise Gerpott (1999).
ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS
29
piell können vier grundsätzliche Wege unterschieden werden, Kunden einzubeziehen bzw. ihre Wünsche und Bedürfnisse während des Innovationsprozesses zu berücksichtigen (vgl. Abb. 5). Diese Einteilung erfolgt zunächst ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der Einbeziehung und des tatsächlichen Innovationsbeitrages des Kunden.
Kundenorientierung
In n o
Marktforschung
vati
o
nsfr
ü
hph
ase
Frühe Kundenintegration
Kundenspezifische
Konfiguration
Innovationsprozess
Abbildung 5: Ansätze zur Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess
Im Folgenden werden die für den Zweck der Einordnung dieser Arbeit wesentlichen
Aspekte der vier übergeordneten Ansätze – Marktforschung, kundenspezifische
Konfiguration, Kundenorientierung und frühe Kundenintegration – erläutert.
30
2.2.1
STAND DER FORSCHUNG
Marktforschung
Interaktion mit dem Kunden ist im gesamten Verlauf des Innovationsprozesses
wichtig. Eine zentrale Rolle spielt der Markt dabei am Anfang aller Geschäftsaktivitäten. Ein grundsätzliches Verständnis der Marktbedingungen und -verhältnisse sowie der Kundencharakteristika ist entscheidend für den Erfolg jedes neuen Produktes (vgl. Ortt, Schoormans 1993; Zaltman 1997; Adams, Day et al. 1998). Unternehmungen betreiben daher Marktforschungsaktivitäten (als Teil des gesamten
Marketingportfolios), welche von Befragungen über Beobachtungen hin zu umfassenden Absatz- und Marktanteilsprognosen reichen. Dahinter steht die Grundidee,
dass der Entwicklungsprozess desto effizienter abläuft, je besser es gelingt, das zu
entwickelnde innovative Produkt in der frühen Phase der Konzeptfindung marktgerecht zu planen (z. B. Schmidt 1996). Marktforschung und Marktprognose beinhalten die Gewinnung, Auswertung und Interpretation von Informationen über die jetzige und zukünftige Marketingsituation (z. B. Marktchancen und Kundenbedürfnisse) – also, generell betrachtet, Wissen über den Kunden und seine Bedürfnisse
(z. B. Tauber 1974; Scheer 1983; Meffert 1986; Ortt, Schoormans 1993; Tomczak,
Belz 1994; Tomczak, Reinecke 1994; Zaltman 2003; Belz 2004). Methoden, Marktinformationen zu erhalten und zu verwenden – zusammengefasst im Begriff Marktlernen („Market Learning“) –, spielen eine Schlüsselrolle in jedem erfolgreichen
Neuproduktentwicklungsprojekt. Beispiele für Marktforschung reichen von der
Sammlung von Point-of-Sales-Daten hin zu speziellen Methoden zur Erhebung von
spezifischen Marktinformationen. So verwendet beispielsweise die Migros, eine
grosse Schweizer Handelskette, ihre „Cumulus“ Stammkundenkarten zur Gewinnung von Informationen zur Optimierung des Produktportfolios und ihrer Verkaufsstrategie. Endress&Hauser, ein schweizerisches High-Tech-Unternehmen auf dem
Gebiet der Flüssigkeitsmessung, setzt zur Erlangung des notwendigen Marktwissens auf einen Experten, welcher permanent das Marktumfeld mittels Patentrecherchen, Marktdatenanalysen, Beobachtung der Geschäftsprozessentwicklung bestehender und potenzieller Kunden sowie Messe- und Konferenzbesuchen analysiert.
Aus den gesammelten Daten und Informationen wird ein monatlicher Bericht erstellt, welcher auf Geschäftsleitungsebene vorgestellt und diskutiert wird.4
In einem linearen Modell des Innovationsprozesses, wie in Abbildung 5 dargestellt,
sind derartige Aktivitäten ganz am Anfang, d. h. am linken Rand der Frühphase des
Innovationsprozesses angesiedelt. Diese klassischen Marketingaktivitäten zur Unterstützung der Entwicklung und des Vertriebes kundenorientierter Produkte und
Serviceangebote bilden eine wichtige Standardaktivität jeder Unternehmung, wer4
Interview Endress&Hauser.
ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS
31
den allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht näher betrachtet. Deren Fokus liegt
im eigentlichen Zentrum der Frühphase sowie der Auswahl einzelner spezieller
Kunden (im Gegensatz zum „Gesetz der grossen Zahl“, welches den meisten klassischen Marktforschungsaktivitäten zugrunde liegt). Marktforschung soll keinesfalls
durch frühe Kundenintegration ersetzt werden, sondern spielt eine wesentliche Rolle für das Management der Frühphase des Innovationsprozesses und unterstützt den
in dieser Untersuchung vorgestellten Ansatz beispielsweise bei der Auswahl spezieller Kunden.
2.2.2
Kundenspezifische Konfiguration
Auch am anderen Ende des Innovationsprozesses, während und nach der Neuproduktentwicklung, finden klassische Marketing- und Verkaufsaktivitäten statt, um
das neue Produkt in den Markt einzuführen. Daneben entwickelt sich ein starker
Trend hin zu Konfigurationswerkzeugen mit denen gewisse Eigenschaften neuer
Produkte an spezielle Kundenbedürfnisse angepasst werden können. Die Grundüberlegung dahinter ist die Schaffung individualisierbarer Produkte, um durch die
Realisierung von speziellen Präferenzen der Kunden, Kundeninnovationen zu ermöglichen. Da diese Individualisierung erst im späten Teil des Innovationsprozesses stattfindet, ist sie hauptsächlich auf die Konfiguration bestehender Module oder
Designelemente – aufgesetzt auf standardisierte Produktplattformen – beschränkt.
Die eigentliche Innovation aus technischer Hinsicht (und damit bezüglich der Kernkompetenz des Herstellers) passiert schon davor, nämlich im Rahmen der vorgelagerten Innovationsprozessphasen des Herstellers.
Instrumente zur Realisierung kundenspezifischer Konfigurationen reichen vom
Plattformmanagement zur Entwicklung kostengünstiger Produktvariationen, über
„Mass Customization“ vor allem in den B-2-C Märkten, (Krubasik 1988; Piller,
Stotko et al. 2003) bis hin zu „User Toolkits for Innovation“ (z. B. von Hippel, Katz
2002). Letztere stellen die bisher letzte Entwicklung eines Trends dar, welcher in
der Verwendung neuer IT-Tools zur Unterstützung der Kundenintegration liegt.
Dazu werden in der Literatur verschiedene Ansätze beschrieben, wie neue Computeralgorithmen bzw. Softwareanwendungen genutzt werden können. So wird die so
genannte „Co-Creation“ (Prahalad, Ramaswamy 2002), die Beteiligung der Kunden
bei der Entwicklung ihres „eigenen“ Produktes, in den meisten Fällen überhaupt
erst durch IT-Technologie ermöglicht. Beispielsweise können Kunden in „Virtual
Collaboration Spaces“ elektronische Abbilder physischer Produkte betrachten und
kritisieren (Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002; Nambisan 2002). Die „User Toolkits for Innovation“ sind eine aktuelle, noch weiter gehende Entwicklung, durch die
der Kunde in die Lage versetzt wird, selbstständig eine Serie von Entwicklungs-
32
STAND DER FORSCHUNG
kreisläufen durchzuführen, um seine gewünschte Konfiguration herauszufinden
(Seybold 2001; von Hippel 2001b; Thomke, von Hippel 2002). Kunden können,
mithilfe IT-basierter vom Hersteller entwickelter Baukästen, ihre eigenen Produktkonfigurationen im Rahmen eines vorgegebenen Lösungsraumes kreieren. Kombiniert mit Informationen über die Eigenschaften der einzelnen Komponenten und
Module sowie über die einschränkenden Rahmenbedingungen der Produktion können solche Werkzeuge kosten- und zeitintensive Iterationsschleifen zwischen Hersteller und Kunde eliminieren. Aufgrund der geforderten Modularisierbarkeit und
Virtualisierbarkeit kommen allerdings nur bestimmte Märkte und Produkte für diesen revolutionären Ansatz infrage (vgl. Billington 1998; Thomke, von Hippel
2002).
Sehr eng verwandt und bereits weiter verbreitet, meistens jedoch auf die Konsumentenmärkte (B-2-C) beschränkt, ist die „Mass Customization“. Basierend auf einem flexiblen Produktionssystem, modularer Produktgestaltung und hoch vernetzten Konfigurationswerkzeugen werden Endverbraucher in die Lage versetzt, ihre
ganz persönlichen Produkte zusammenzustellen (Piller, Stotko et al. 2003). Adidas,
ein deutscher Sportartikelhersteller, hat beispielsweise eine erfolgreiche „MyAdidas“-Produktlinie zur Konfiguration individueller Sportschuhe in den Markt
eingeführt.
2.2.3
Kundenorientierung
Betrachtet man die Einbeziehung der Kunden aus einer allgemeinen, übergeordneten Perspektive, so zeigt sich, dass unter dem Begriff der Kundenorientierung eine
grundsätzliche Ausrichtung auf den Kunden als Klammer über den Verlauf des gesamten Innovationsprozesses gesehen werden kann. Peters und Watermann (1982:
157) nennen diese Grundhaltung Kundenfixierung und beschreiben sie als ein
scheinbar völlig übersteigertes Bemühen um Qualität, Zuverlässigkeit oder Service
(„a seemingly unjustifiable overcommitment to some form of quality, reliability, or
service“). Dieser Ansatz setzt auf einer generellen marktorientierten Grundausrichtung während des gesamten Produktlebenszyklusses auf und verlangt eine spezielle
Geisteshaltung des Herstellers. Aufgrund dieser Grundcharakteristiken wird Kundenorientierung zur notwendigen Voraussetzung aller anderen Ausprägungen der
Einbeziehung von Kunden. Im Unterschied zu diesen liegt der Fokus bei der generellen Kundenorientierung allerdings auf traditionellen Geschäftszielen und nicht
primär auf Aspekten der Produktinnovation. Ganz deutlich wird dies am umfassenden Beziehungsmarketingansatz in B-2-B-Märkten (vgl. Krapfel Jr., Salmond et al.
1991; Belz 1998; Kotler 1999; Belz, Müllner et al. 2004; Diller, Ivens 2004).
ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS
33
Homburg (2000) hat das Konstrukt Kundennähe detailliert untersucht und herausgefunden, dass es aus den beiden Säulen der Kundennähe im Leistungsangebot sowie
der Kundennähe des Interaktionsverhaltens aufgebaut ist. Kundenbeziehungsmanagement (CRM) stellt eine im stetigen Wachstum begriffene IT-gestützte Manifestation dieses Ansatzes dar (vgl. z.B. Gibbert, Leibold et al. 2002; Rapp 2002; Alt,
Puschmann et al. 2005). Durch gezielte Aufbereitung kundenbezogener Informationen wird ein enger Kundenkontakt über die gesamte Wertschöpfungskette eines
Produktes ermöglicht. Neben dieser direkten Verbindung zu einzelnen Kunden bzw.
Kundengruppen, kann auf einer übergeordneten strategischen Ebene die so genannte Marktorientierung unterschieden werden. Betrachtet man dieses Konstrukt genauer, so zeigt sich seine übergeordnete Bedeutung für alle Marketingaktivitäten.
Prinzipiell beruht Marktorientierung auf dem Niveau auf dem (1) Geschäftseinheiten Kundeninformationen erlangen und verwenden, (2) einen auf diesen Informationen basierenden strategischen Plan entwickeln und (3) diesen Plan implementieren, um auf Kundenwünsche zu reagieren (Ruekert 1992). Alle Stammkundenloyalitätsprogramme stellen Umsetzungen dieser Gedanken dar. Lufthansa, die grösste
deutsche Fluglinie, offeriert beispielsweise ein sehr erfolgreiches Vielfliegerprogramm namens „Miles & More“. Für die Fluglinie liegt der Nutzen dabei im
engen Kontakt zu ihren wichtigsten und treuesten Kunden, welche sie gleichzeitig,
der Grundidee aller Stammkundenkarten folgend, an sich bindet. Den Kunden bietet
die Programmteilnahme einerseits das Gefühl einer erhöhten Wertschätzung durch
Lufthansa und andererseits gezielte Informations- und Servicevorteile.
2.2.4
Frühe Kundenintegration
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Kern der Innovationsfrühphase und den dort
angesiedelten Potenzialen einer Kundenintegration. Ähnlich wie die frühe Integration der Zulieferer auf der Seite des Beschaffungsmarktes, wird nun für die nachgelagerte Seite der Wertschöpfungskette das Konstrukt der frühen aktiven Kundenintegration (im Folgenden kurz frühe Kundenintegration genannt) für die Integration
von Kunden in den frühen Innovationsprozess eingeführt. Dieses definiert sich
durch drei Hauptcharakteristika:
¾ Integration von Kunden, Kunden der Kunden oder Intermediären zum Kunden (d. h. aller Partner der nachgelagerten Wertschöpfungsseite)
¾ in die Frühphase des Innovationsprozesses (das so genannte Fuzzy Front
End FFE),
34
STAND DER FORSCHUNG
¾ ausgezeichnet durch eine aktive Rolle des Kunden und damit eine Interaktivität (im Gegensatz zu den meisten anderen Methoden und Ansätzen der Kundeneinbindung im Verlaufe des Innovationsprozesses).
Hersteller betreiben frühe Kundenintegration, um die Leistung ihres Innovationsprozesses mithilfe ausgewählter Kunden zu verbessern. Das übergeordnete Integrationsziel liegt dabei in einer Erzielung besserer Innovationsresultate durch eine Erhöhung von Prozesseffektivität und -effizienz. Das Ergebnis stellen Ideen mit höherem Markt- und Geschäftspotenzial dar (vgl. von Hippel 1988; Lilien, Morrison
et al. 2002; Lettl 2004).5
Der bekannte Lead-User-Ansatz von von Hippel (1976; 1977; 1988) fällt unter diese Definition (siehe Abschnitte 2.1.1 und 5.2.2). Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Herangehensweisen, welche vor allem auf das Wissen über den Kunden konzentriert sind, spielt für die frühe Kundenintegration das Wissen des Kunden
die Hauptrolle. Das dahinter liegende Rational ist eine Integration der Kunden
durch die Übertragung spezieller Anteile am Innovationsprozess – und damit am
Wissensgenerierungsprozess – auf den Kunden. Dieser wird dadurch zu einem aktiven Mitspieler bei der Innovationsentstehung. Die frühe Kundenintegration deckt
alle Phasen der Innovationsfrühphase6 ab und zeigt verschiedene Ausprägungen,
welche
sich
durch
verschiedene
Kundenbeiträge
und
-rollen auszeichnen sowie spezielle Aktivitäten des Herstellers verlangen.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird von den grundsätzlichen Möglichkeiten der
Kundeneinbeziehung nur mehr die frühe Kundenintegration betrachtet. Zur Präzisierung der Einordnung dieser Untersuchung wird im nächsten Schritt neben dem
Verlauf des Innovationsprozesses die Kundenaktivität als zweiter Gliederungsparameter eingeführt.
Gliederungsmerkmal Grad der Kundenaktivität
Die Frage inwieweit ein einbezogener Kunde eine passive oder aktive Rolle einnimmt, ist wesentlich für eine genauere Betrachtung der verschiedenen Grundtypen
der Kundeneinbindung. Biemans (1992) schlägt vor, das Ausmass der Kundeneinbindung als Kontinuum darzustellen, welches von einer nicht interaktiven Beziehung zu einer gemeinsamen Durchführung von Aktivitäten reicht. In ähnlicher Wei5
Der Begriff Idee wird hier in einer allgemeinen, umfassenden Bedeutung verwendet und nicht als Ergebnis
eines speziellen Ideengenerierungsabschnittes der Innovationsfrühphase.
6 Siehe zu verschiedenen Modellen der Frühphase beispielsweise Bacon und Beckman (1994), Khurana und
Rosenthal (1997), Kim und Wilemon (2002) oder Herstatt und Verworn (2003). Für diese Arbeit wurde
das Modell von Koen, Ajamian et al. (2001) als Grundlage gewählt (vgl. hierzu Abschnitt 5.1.3).
ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS
35
se betrachten Athaide und Stump (1999) Produktentwicklungspartnerschaften für
neue Produkte mit Kunden zwischen zwei Extrempolen, nämlich den einseitig vom
Verkäufer geführten Interaktionen und den zweiseitigen Kooperationen. Das niedrigste Niveau der Beteiligung von Kunden zeichnet sich durch niedriges Commitment von beiden Seiten aus, während eine zweiseitige Produktentwicklungspartnerschaft ein starkes Commitment beider Seiten zum Entwicklungsprojekt beinhaltet.
Der Hersteller kann also als übergeordnetes Ziel der Kundeneinbindung einerseits
eine einseitige Informationsbeschaffung oder aber andererseits eine aktive Beteiligung des Kunden am Innovationsprozess anstreben.
Basierend auf diesen Überlegungen wird zunächst der übergeordnete Begriff Kundeneinbindung eingeführt. Unter Kundeneinbindung sollen, im weitesten Sinne aufgefasst, alle Aktivitäten verstanden werden, welche zu einer Beeinflussung des
Entwicklungs- bzw. Innovationsprozesses durch Wissen über sowie von Kunden
oder durch direkte Kundenbeiträge im Rahmen gemeinsamer Aktivitäten führen.
Eine Ebene darunter werden je nach Aktivitätsgrad des eingebundenen Kunden drei
Grundtypen unterschieden – Kundenbeobachtung, Kundenbeteiligung und Kundenintegration.7
Die Kundenbeobachtung, mit dem geringsten Grad an Kundenaktivität, zielt auf ein
besseres Verständnis der Marktseite, um daraus bessere Entwicklungsvorgaben ableiten zu können. Dem Kunden fällt dabei eine ausschliesslich passive Rolle zu, seine Loyalität kann, falls überhaupt, nur durch Kundenbindungsprogramme sichergestellt werden. Diese Arten der Kundeneinbindung wird beispielsweise durch das
Anlegen von Datenbanken mit Verkaufsdaten betrieben.
Als zweite Form hat sich die Kundenbeteiligung etabliert. Ziel dabei ist es, die
Kunden direkt in Form von Befragungen, Interviews oder Anwendungsstudien zu
involvieren und dadurch die gewünschten Informationen zu erhalten. Die Kunden
agieren noch immer in einer passiven Rolle, auch wenn sie an der Bereitstellung der
Informationen beteiligt sind. Die Initiative geht aber nach wie vor ausschliesslich
vom Hersteller aus, sodass noch nicht von einer wirklichen Partnerschaft gesprochen werden kann. Ein Beispiel für die Betrachtung des Anwendungsumfeldes eines Produktes ist die von Leonard und Rayport (1997) unter dem Begriff „Empathic
Design“ vorgeschlagene Methode.8 Die Vorteile liegen in genaueren Vorgaben für
die Produktentwicklung und einer erhöhten Kundenloyalität, da die – im Sinne der
7
Diese Definitionen wurden zur besseren Verständlichkeit aufgestellt. Entsprechend der Fokussierung dieser
Arbeit wird im weiteren Verlauf entweder der Übergriff Kundeneinbindung im allgemeinen Zusammenhang oder die spezifische Bezeichnung Kundenintegration verwendet.
8 Siehe dazu auch die Literaturübersicht in Abschnitt 2.1.
36
STAND DER FORSCHUNG
vorliegenden Arbeit immer noch passive – Rolle des Kunden durch seine direkte
Ansprache aufgewertet wird. Das Qualitiy Function Deployment (QFD) verkörpert
ebenfalls dieses Rational. Es zielt darauf ab, die Produktqualität durch eine möglichst gute Übersetzung der Kundenwünsche in die Sprache der Entwicklungsabteilung zu erhöhen (vgl. Hauser, Clausing 1988; Griffin, Hauser 1993; Schmidt 1996;
Herrmann, Huber et al. 2000).
Ziel dieser Arbeit ist es, die dritte Möglichkeit der Kundeneinbeziehung, die
Kundenintegration näher zu betrachten. Der wesentliche Unterschied zu den beiden
ersten Konzepten ist die nun aktive Rolle des Kunden. Der Hersteller setzt sich zum
Ziel, diesen Rollenwechsel seiner Kunden zu realisieren, um dadurch deren
Wissenspotenzial zu aktivieren und sie als „Mit-Entwickler“ in den Innovationsprozess zu integrieren. Bei dieser Form kommt es auf der Suche nach besseren,
innovativeren Produkten zu einer gemeinsamen Wertschöpfung mit dem Kunden.
Zusätzlich steigt mit der neuen Rolle auch die Zufriedenheit derartig eingebundener
Kunden.
Eine Gegenüberstellung dieser drei Möglichkeiten der Einbeziehung von Kunden
zeigt Tabelle 2.
ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS
37
Kundenbeobachtung
Kundenbeteiligung
Kundenintegration
Grundsatz
Je mehr man über seinen
Kunden weiss, desto besser kann man für ihn entwickeln!
Da der Kundenwunsch
das höchste Entwicklungsziel ist, muss man
den Kunden direkt nach
seinen Bedürfnissen fragen!
Aktiviere implizites Wissen und versteckte Bedürfnisse durch eine Öffnung des Innovationsprozesses für den Kunden!
Grundprinzip
Datensammlung über
Kundenbedürfnisse und
Kaufverhalten
Kundenwünsche,
-bedürfnisse und
-vorlieben werden direkt
abgefragt
Kunden werden zu „MitEntwicklern“ und ihr volles
Wissenspotenzial genutzt.
Ziele
Besseres Verständnis der
Marktseite; die Erstellung
eines möglichst scharfen
Bildes des Zielkunden
Die Stimme des Kunden
zu hören; Entdeckung
versteckter Bedürfnisse
durch Betrachtung der
Produktverwendung
Gemeinsame Wertschöpfung durch Zusammenarbeit mit dem Kunden
Informationsquellen
Datenbanken, Verkaufsdaten
Interviews, Umfragen,
Ton- und Videoaufzeichnungen
Wissen, Kreativität und
Erfahrung des Kunden
Rolle des
Kunden
Passive Rolle; Empfänger
des Produktes
Noch immer passive, aber
wichtige Rolle als Informationsquelle
Aktive Rolle; Partner im
Wertschöpfungsprozess
Rolle des
Herstellers
Versuch, Kundenloyalität
sicherzustellen
Auswahl geeigneter Kunden und falls vorteilhaft
Aufbau langfristiger Beziehungen
Rollenwechsel durch Emanzipation weg vom
Produktempfänger hin
zum aktiven „MitEntwickler“
Stärken
Verständnis des vergangenen Kundenverhaltens
Genauere Produktentwicklung; erhöhte Kundenloyalität
Bessere, innovativere
Produkte mit verkürzter
Time-to-Market; erhöhte
Kundenzufriedenheit
durch aktive Rolle
Schwächen
Nur indirekte Informationen bergen Gefahr von
Fehlinterpretationen
Erfahrungshorizont des
durchschnittlichen Kunden ist beschränkt
Risiko des Kompetenzverlustes des Herstellers
Tabelle 2: Charakteristika unterschiedlicher Formen der Kundeneinbindung in der
Innovationsfrühphase
Eine nähere Betrachtung der Kundenintegration zeigt drei prinzipielle Ausprägungen: Ausschliesslich vom Produzenten getrieben sind die ungerichteten Herstellerinitiativen (z. B. Ernst, Schnoor 2000). Ziel ist es, aktive Kundenreaktionen, wie
38
STAND DER FORSCHUNG
Feedback oder Innovationsideen zu initiieren. Hersteller können beispielsweise
Produkte auf Messen vorab ankündigen, welche noch gar nicht bzw. noch nicht
komplett, entwickelt wurden. Im Dialog mit den Kunden werden dabei Informationen generiert, um die Entscheidung über eine Weiterentwicklung zu treffen bzw.
deren Verlauf zu ändern. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Kunden direkt nach
ihren Innovationsideen zu fragen. Dies kann beispielsweise über eine Internetplattform erfolgen, welche es den Kunden ermöglicht, Ideen und Produktvorschläge an
den Hersteller zu senden. Wesentliche Fragen, welche unter anderem dabei gelöst
werden müssen, sind solche nach dem geistigen Eigentum. Manche Firmen, beispielsweise der amerikanische Werkzeughersteller DeWalt, verlangen die Zusendung einer gefaxten Verzichtserklärung, bevor sie Ideen auf dem elektronischen
Weg akzeptieren. Alle Vorgehensweisen dieses Konzeptes haben gemeinsam, dass
eine aktive Teilnahme vonseiten des Kunden notwendig ist, diese jedoch nicht gezielt ausgewählt werden. Die Interaktionsintensität ist typischerweise niedrig und
das übermittelte Wissen beinahe ausschliesslich expliziter Natur.
Auf der Seite der kundengetriebenen Ausprägungen stellen spontane Kundeninitiativen die einfachste Form dar. Dabei handelt es sich um Beschwerden oder Anregungen, welche ein Kunde ohne direkten Anstoss durch den Hersteller an diesen
übermittelt. Alle gängigen Kommunikationswege können dafür genutzt werden.
Auch hier handelt es sich um eine Interaktion niedriger Intensität, da in den meisten
Fällen nur einmalige, kurze Kontakte zwischen Kunde und Hersteller bestehen. Aus
der Sicht des Herstellers ist die Frage der Verwertbarkeit dieser Kundeninputs für
den Innovationsprozess interessant, steht allerdings nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit.
Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der dritten Form der Kundenintegration, der
auf persönliche Interaktion abzielenden gerichteten Herstellerinitiative. Diese geht
auf eine Initiative des Herstellers zurück und spricht im Gegensatz zur
ungerichteten Initiative gezielt einzelne Kunden an. Es werden die zu einer
anstehenden Problemlösung passenden Kunden gesucht und in den
Problemlösungsprozess integriert. Dies kann beispielsweise durch die Lead-UserMethode erfolgen, bei der Kunden, welche den entsprechenden von von Hippel
(1986) beschriebenen Kriterien genügen, ausgewählt und zu speziellen Workshops
eingeladen werden. Es kommt zu einer hohen Interaktionsintensität und in vielen
Fällen zum Austausch sowohl von implizitem als auch explizitem Wissen (z. B. in
Form von Berechnungen oder Prototypen).
Die vorhergehenden Ausführungen zu den beiden Gliederungsebenen sind in Abbildung 6 zusammengefasst.
ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS
39
Innovationsproz
Innovationsfrühphase
Aktivität des Kunden
Entwicklung
Kommerzialisierung
Kundenorientierung
Kundenbeobachtung
Ausrichten
der Wertschöpfung
nach den
Kunden
ess
Marktforschung
Kundenbeteiligung
Kundenspezifische
Konfiguration
Aktive Kundenteilnahme an der
Wertschöpfung
Frühe
Kundenintegration
Kundenintegration
Einfluss auf das Innovationsergebnis
Abbildung 6: Einordnung der frühen Kundenintegration
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird nur mehr der Bereich der frühen Kundenintegration betrachtet. Dabei wird ein spezieller Fokus auf die Ziele und Erwartungen
gelegt, welche einen Hersteller dazu motivieren, frühe Kundenintegration zu betreiben. Es wird gezeigt, dass abhängig vom jeweiligen Herstellerziel spezifische Rollen der integrierten Kunden resultieren. Diese Schwerpunktsetzung liefert zunächst
eine Struktur für die folgenden Überlegungen, vor allem aber leistet sie einen Beitrag zur Schliessung einer Lücke der Kundenintegrationsforschung. Bisherige Arbeiten mit Fokus auf die durch Kundenintegration zu erwartenden Ergebnisse betrachten diese Resultate meist auf einer übergeordneten unspezifischen Ebene, ohne
die Verbindung zu den resultierenden Rollen der Kunden und den Implikationen für
die Praxis herzustellen. Es wird gezeigt, dass Herstellerziele und Kundenrollen wesentliche Faktoren der Ausformung und des Managements erfolgreicher früher
Kundenintegration darstellen.
2.3
Zusammenfassung
Diese Arbeit ist im Bereich des strategischen F&E-Managements angesiedelt und
beschäftigt sich im Speziellen mit den Forschungsfeldern Innovationsmanagement
40
STAND DER FORSCHUNG
(Management der frühen Innovationsphasen), Neuproduktentwicklung und marktorientierte F&E. Darüber hinaus wird der Forschung über Kundeneinbindung in den
F&E-Prozess besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dieses Feld stellt keinen geschlossenen Bereich dar, sondern wird von Vertretern aller oben erwähnten Bereiche sowie zusätzlich des Marketings erforscht.
Betrachtet man speziell die Kundeneinbindung in die frühen Phasen des Innovationsprozesses, so kann festgestellt werden, dass bisherige Untersuchungen zu dieser
Thematik erhebliche Defizite aufweisen. Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, diese
Defizite zu thematisieren und für ausgewählte Fragestellungen zu ihrer Überwindung beizutragen.
So behandeln die meisten Arbeiten das Thema der Kundeneinbindung im grösseren
Blickwinkel der Kunden- bzw. Marktorientierung. Dabei ist eine starke Dominanz
der Marketingperspektive festzustellen. Es werden Ansätze behandelt, welche über
die Kanäle der Marketingorganisation ein noch besseres Verständnis der Kundenwünsche und -bedürfnisse ermöglichen sollen, um danach die Entwicklung neuer
Produkte entsprechend ausrichten zu können. Mit diesem Hintergrund wird auch die
Schnittstelle zwischen F&E-Abteilung und Marketing behandelt, jedoch in den
meisten Fällen, ohne auf einen direkten Kontakt zwischen Kunden und F&EMitarbeitern des Herstellers einzugehen.
Betrachtet man die Arbeiten zur Neuproduktentwicklung, so ist ein Fokus auf den
firmeninternen Entwicklungsprozess festzustellen. Es existiert eine Vielzahl an verschiedenen Einteilungen in einzelne Phasen, wobei die Einbindung Externer im
Verlaufe der Entwicklung bisher vernachlässigt worden ist. Dies gilt im Besonderen
für die frühen Phasen des Innovationsprozesses, wo die Thematik einer über die
klassische Marktorientierung hinausgehenden Öffnung gegenüber firmenfremden
Partnern – mit Ausnahme der Arbeiten von Hippels – erst in den letzten Jahren stärkeren Eingang in die Managementforschung gefunden hat.
Einige Beiträge der Innovationsliteratur konzentrieren sich auf das Ergebnis der
Einbindung Externer in den Entwicklungsprozess. Dabei werden Erfolgsfaktoren
der Integration von Kunden untersucht, welche zu besseren bzw. innovativeren
Produkten führen sollen. Die bestehenden Arbeiten betrachten aber weder die einzelnen Gestaltungselemente noch das Management der Kundeneinbindung. Sie fokussieren meistens auch auf keine spezielle Phase der Neuproduktentwicklung und
gehen nicht auf die Besonderheiten der Frühphase ein, welche zwar in ihrer Bedeutung für den Innovationserfolg unbestritten ist, oft aber nicht für die Kundenintegration empfohlen wird.
ZUSAMMENFASSUNG
41
Zahlreiche Beiträge behandeln einzelne Methoden der Kundeneinbindung und beschreiben deren Durchführung, Erfolgsfaktoren und Beschränkungen, ohne aber
zwischen verschiedenen Industrien und Anwendungen zu unterscheiden. In einer
ähnlichen Weise wie bei den ergebnisorientierten Arbeiten fehlen auch hier zumeist
Betrachtungen der Managementaspekte der Kundenintegration.
Als Grundlage der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit wurden aus
den relevanten Literaturströmen die wichtigsten strategischen Grundlagen erfolgreicher Kundeneinbindung ermittelt, welche in Abbildung 7 zusammengefasst sind.
42
STAND DER FORSCHUNG
Herstellerinterne Grundlagen
¾ Übereinstimmung mit
Strategie
¾ Verstehen der Bedürfnisse
¾ Schnittstelle F&E/Marketing
¾ Organisatorischer
Lernprozess
Kundenbezogene Grundlagen
¾ Relative Grösse
¾ Finanzielle Attraktivität
¾ Ruf
¾ Wissen und Fähigkeiten
¾ Motivation
¾ Vergangene Erfahrungen
Grundlagen des
Integrationsprozesses
¾ Kompatibilität der Kulturen
¾ Entwicklung klarer Ziele
¾ Passende Strukturen
¾ Form der Einbindung
¾ Beziehungsvariablen
¾ Kommunikation
¾ Räumliche Dimension
¾ Controlling und Auditing
Abbildung 7: Strategische Grundlagen der Kundenintegration
Eine nähere Untersuchung der in der Praxis auftretenden Ausprägungen der Kundenintegration in die frühe Innovationsphase, der jeweiligen Voraussetzungen sowie des Managements der Integration wurden in den bisherigen Untersuchungen
bislang allerdings vernachlässigt, obwohl eine zunehmende Anzahl an Unternehmen eine derartige Öffnung des Innovationsprozesses bereits vollzogen hat oder im
Begriff steht, sie zu realisieren. Darüber hinaus werden theoretisch fundierte Handlungsempfehlungen für das Management vermisst. Da empirische Untersuchungen
zum Management der Kundeneinbindung in der Innovationsfrühphase bislang fehlen, existiert auch noch kein umfassendes Gestaltungsmodell.
Zusammenfassend kann man also umfangreiche Defizite auf dem Gebiet der frühen
Kundeneinbindung mit Fokus auf spezielle Industrien, beispielsweise die Investiti-
ZUSAMMENFASSUNG
43
onsgüterbranche, feststellen. Da gerade diese Fragestellungen durch die in der heutigen Zeit notwendige Öffnung des Innovationsprozesses hohe Relevanz aufweisen,
versucht diese Arbeit, diese Defizite aufzugreifen und mittels eigener Ansätze in
gewissen Bereichen zu überwinden. Dazu wird das effektive und effiziente Management früher Kundenintegration näher betrachtet. Dabei wird ein spezieller Fokus
auf die Ziele gelegt, welche der Hersteller mit der Kundenintegration verfolgt sowie
auf die daraus folgenden Kundenbeiträge und -rollen. Darauf aufbauend werden relevante Gestaltungsfaktoren für die Organisation und das Management der frühen
und aktiven Kundenintegration identifiziert und ein konzeptionelles Managementmodell als Grundlage konkreter Gestaltungsempfehlungen erstellt.
Im nächsten Kapitel werden zunächst vier explorative Fallstudien erfolgreicher früher Kundenintegration behandelt, welche sowohl die Relevanz der Fragestellungen
aufzeigen als auch die Ableitung erfolgreicher Lösungsansätze ermöglichen.
44
3
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Fallstudien der frühen Kundenintegration
Der qualitative Forschungsansatz dieser Arbeit ermöglicht Einblicke in das Phänomen der frühen Kundenintegration sowie den Aufbau eines tiefer gehenden Verständnisses derselben. Dazu werden vier Fallstudien beschrieben und analysiert.
Beginnend mit einer Aufstellung der für die Auswahl relevanten Gemeinsamkeiten
werden im Folgenden die einzelnen Fälle anhand eines Analyserasters dargestellt
und hinsichtlich relevanter Grundlage der frühen Kundenintegration ausgewertet.
Ein abschliessender detaillierter Fallstudienvergleich ermöglicht dann die Aufstellung von Determinanten und Gestaltungsfeldern. Daneben werden auch Hinweise
auf die konkreten Ausprägungen dieser Felder für erfolgreiche frühe Kundenintegration gewonnen. Diese Erkenntnisse bilden die Basis für die vertiefenden Betrachtungen der folgenden Abschnitte sowie die Herleitung der Gestaltungsempfehlungen.
3.1
Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien
Die Auswahl der Fallstudien erfolgte mit der Intention, Erkenntnisse über das erfolgreiche Management der Kundenintegration in die frühen Innovationsphasen zu
gewinnen. Dabei lag das Hauptaugenmerk neben der prinzipiellen Vergleichbarkeit
der jeweiligen Innovationsprozesse und einer hohen Innovationsfähigkeit auf der erfolgreichen Integration von Kunden in die Innovationsfrühphase.
Die grundsätzliche Vergleichbarkeit der ausgewählten Kundenintegrationsprozesse
kann auf Basis der folgenden Gemeinsamkeiten angenommen werden. Zunächst
wurden alle vier Unternehmen aus einem einheitlichen europäischen Kulturkreis
ausgewählt, gemäss der Annahme, dass die Firmenkultur bzw. der Kulturkreis der
betrachteten Einheit die Zusammenarbeit mit den Kunden mitbestimmt. Grundsätzliche Unterschiede zwischen westlicher und fernöstlicher Managementpraxis konnten so ausgeklammert werden. Alle betrachteten Firmen haben ihren Firmensitz in
Deutschland, Österreich oder Liechtenstein und damit im deutschsprachigen Raum.
Ausserdem sind alle ausgewählten Unternehmen Innovationsführer in ihren Märkten bzw. Marktsegmenten und unternehmen grosse Anstrengungen, diese Position
auch in Zukunft zu halten. Eine derartige Innovationsführerstrategie unterscheidet
sich wesentlich von der Strategie eines „Followers“. So orientiert sich Letztere vor
allem am Wettbewerb, während Erstere verstärkt innovative Kunden als eine wesentliche Innovationsquelle betrachtet (z. B. Specht, Zörgiebel 1985; Schewe 2005).
Darüber hinaus werden im Branchenschnitt überdurchschnittlich hohe Umsatzanteile für die F&E-Aktivitäten aufgewendet. Bezüglich der Branchen erfolgte eine Fo-
GEMEINSAMKEITEN UND AUSWAHLKRITERIEN
45
kussierung auf Maschinenbau, Chemie und Elektrotechnik, die hinsichtlich der Phasen, Dauer und Produktcharakteristika der F&E- und Innovationsprozesse vergleichbar sind. Ein wesentliches Selektionskriterium war die Tätigkeit in B-2-BMärkten. Dies bedeutet, dass die integrierten Kunden in allen Fällen ebenfalls Unternehmen und keine Privatpersonen bzw. Konsumenten sind. Ein wesentliches
Charakteristikum dieser Märkte ist der Umstand, dass die meisten wesentlichen
Einkaufsentscheidungen über professionelle „Buying Center“ des Kunden abgewickelt werden (vgl. z. B. Backhaus 2003).
Die Erstellung und Analyse der Fallstudien erfolgte primär aus Sicht der F&EAbteilung. Als Ansprechpartner wurden daher Chief Technology Officer (CTO),
F&E-Manager, Ingenieure oder Leiter spezieller Kundeneinbindungsgruppen auf
Seite des Produktmanagements ausgewählt.
Struktur der Datenerhebung und Falldarstellung
Zur Erhebung der Daten und der ersten Analyse der Einzelfälle wurde ein Raster
erstellt, welches Elemente aus zweierlei Quellen enthält. Zunächst wurden die
ersten explorativen Interviews dazu verwendet, Themenblöcke zu bilden, welche
zur Beschreibung des Phänomens der frühen Kundenintegration geeignet
erscheinen. Zusätzlich fanden erste Erkenntnisse und grundsätzliche Aussagen aus
der Aufarbeitung der relevanten Literatur Anwendung, um innerhalb der einzelnen
Blöcke tiefer gehende Themenfelder hinterfragen zu können. Schliesslich wurden
noch, aus Gründen der Einordnung und prinzipiellen Vergleichbarkeit, allgemeine
Grunddaten der Unternehmen, beispielsweise die Grösse der F&E-Abteilung oder
die F&E-Intensität, erhoben. Eine detailliertere, vergleichende Analyse der
Fallstudien anhand einzelner in der Literatur identifizierter strategischer Grundlagen
erfolgt in Abschnitt 4.1.1.
Das aus diesen Elementen gebildete Raster besteht prinzipiell aus zwei Blöcken
(vgl. Abb. 8): Der erste übergeordnete Teil beschäftigt sich mit den Fragestellungen, warum es überhaupt zu frühen Kundenintegrationen kommt und in welches
Umfeld diese eingebettet sind. Diese Betrachtungen entspringen prinzipiellen strategischen Überlegungen und werden unter dem Begriff Rahmenbedingungen zusammengefasst. Der zweite Block geht tiefer ins Detail und behandelt die Fragen,
wen die Hersteller zur Integration als Partner auswählen sowie wie die Integration
ausgestaltet und geführt wird.
Dazu wird unter der Bezeichnung Organisation und Ablauf der frühen Kundenintegration eine operative Betrachtungsperspektive eingenommen. Diese grundsätzli-
46
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
che Zweiteilung entspricht im Wesentlichen einer Unterteilung in Makro- und Mikroebene (vgl. Enkel 2003).
Rahmenbedingungen
¾ Organisatorisches Umfeld
¾ Externes Umfeld
- Marktsituation
- Technologiedynamik
¾ Herstellerinterne Grundlagen
- Ergebniserwartung
- Ziele (warum?)
¾ Innovationsprozess
Organisation und Ablauf
¾ Kundenbezogene Grundlagen
- Kundencharakteristika
- Kundenauswahl (wen?)
¾ Ablauf (wie?)
- Grundlagen der Interaktion
- Methoden
¾ Management
Abbildung 8: Datenerhebungs- und Analyseraster
Die Erhebung der Daten erfolgte in mehreren Durchgängen mittels zweier, auf diesem Raster basierenden Fragebögen. Für die nun folgende ausführliche Darstellung
der einzelnen Fälle9 wird eine daraus abgeleitete, vereinfachte Struktur gewählt:
¾ Rahmenbedingungen
¾ Innovationsprozess
¾ Kundenintegration
9
Die Aussagen dieses Kapitels basieren auf Interviews bei Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff.
BAYER MATERIALSCIENCE
3.2
Bayer MaterialScience
3.2.1
Rahmenbedingungen
47
Bayer wurde im Jahre 1863, zunächst als Betrieb zur Herstellung von synthetischen
Farbstoffen gegründet und hat sich zu einem Weltkonzern der pharmazeutischen
und chemischen Industrie entwickelt. Umstrukturierungen führten im Jahre 2002
zur Schaffung einer strategischen Managementholding bestehend aus vier Divisionen – Health Care, CropScience, Polymers und Chemicals – sowie drei zentralen
Serviceabteilungen. Mit rund 24.000 Mitarbeitern erzielte die in dieser Arbeit näher
betrachtete Polymer Division im Jahr 2001 einen Umsatz von 10,8 Mrd. EUR an
120 Standorten weltweit. Im Jahr 2003 wurde diese Division in Bayer MaterialScience AG (im Folgenden Bayer MaterialScience) umgewandelt. Ihre Struktur weist
drei regionale Säulen auf – Amerika (Nord-, Süd- und Lateinamerika), Asien und
Europa/Naher Osten/Afrika –, die ihrerseits in Marketing, Service und Geschäftsentwicklung aufgeteilt sind. Auf einer übergreifenden globalen Ebene agieren Polymer Technologie, Global Operations, Polymer Innovation und klassische Stabsfunktionen wie die Personalabteilung. Die generelle Philosophie der regionalen Organisationen ist die eines „One lead to the customer“, basierend auf den vier organisatorischen Hauptsäulen Leistungsmaterialien („Performance Materials“), Leistungssysteme („Performance Systems“), Polymerlösungen und Vertrieb. Die Anforderungen des Kunden werden als leitendes Prinzip dieser operativen Einheiten
verstanden. Auch die regionalen Service Center – als Instrument des persönlichen
Kontakts mit dem Kunden – und die Geschäftsentwicklungsgruppen sind eindeutig
auf den Kunden fokussiert.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich, innerhalb der Bayer MaterialScience,
auf die Organisationseinheit Creative Center, welches die Untersuchung von zukünftigen Wachstumsmärkten vor allem durch intensive Interaktion mit Kunden
bewerkstelligt.
Organisatorisches Umfeld
Die Abteilung New Business der Bayer MaterialScience besteht aus den Segmenten
„New Technologies“, „Creative Center“, „Industry Innovation“ und „Universities &
Associations“. Letzteres Segment koordiniert Forschungsnetzwerke global und
scoutet internationale Förderprojekte. Während das Segment New Technologies
sich auf wissenschaftliches Polymerwissen und diesbezügliche Kontakte vor allem
mit Instituten und Universitäten fokussiert, konzentriert sich das Segment Creative
Center auf die Marktseite und ist deshalb für diese Arbeit von besonderem Interes-
48
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
se. In einem Radarsystem und mittels Szenarien versucht es, Aussagen für die zukünftige Entwicklung und neue Anwendungen der nächsten 15–20 Jahre vorauszusagen: Was ändert sich? Was sind die treibenden Kräfte? Was wird angetrieben?
Welche neuen Anwendungen können das aktuelle Portfolio erweitern? Das Creative
Center verfolgt klare Anwendungsideen und pflegt vor allem die Zusammenarbeit
mit den bestehenden und zukünftigen Kunden, sodass ca. 80 % der externen Kontakte mit diesen erfolgen.
Das Creative Center fokussiert innerhalb der New Business Organisation auf den
Beginn des Innovationsprozesses, indem es sich auf die Identifikation und den Start
von Zukunftsprojekten ausrichtet. Zukunftsprojekte bestehen aus einer Kombination von neuen Technologien mit neuen Märkten. Dagegen konzentriert sich das
Segment Industry Innovation auf branchenspezifisches Know-how und professionelles Projektmanagement für erste Serienanwendungen. Es arbeitet parallel zum
Creative Center an neuen Materialentwicklungen und Herstellungsprozessen. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die in den Innovationsprozess von Bayer MaterialScience involvierten Segmente und deren primäre Tätigkeitsfelder.
neu
New Technologies
Industry
Innovation
Produkt
Creative
Center
Business
Units
bekannt
Markt
neu
Abbildung 9: Organisationseinheiten des Innovationsprozesses
der Bayer MaterialScience
BAYER MATERIALSCIENCE
49
Externes Umfeld
Als industriell gefertigte Standardprodukte unterliegen Polymere und Polymerprodukte dem harten Preis- und Verdrängungswettbewerb eines Massenmarkts. Nur
durch neue Anwendungsfelder bzw. technologische Verbesserungen (z. B. industrielle Herstellung von leitfähigen Polymeren) gelingt es, sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. So werden neben der gezielten Suche nach neuen chemischen Lösungen auch immer wieder neue Konzepte in neuen Produkt- und Marktfeldern eingeführt. Ein aktuelles Beispiel einer radikalen Innovation ist die Auskleidung einer Taschenlinie des renommierten deutschen Herstellers Bree mit leuchtenden Folien der Bayer MaterialScience.
Als Rohstoffhersteller steht Bayer MaterialScience im Wettbewerb mit anderen
globalen Chemiekonzernen, wie u. a. BASF oder GE Plastics. Die Firma liefert ihre
Produkte an die weiterverarbeitende Industrie und steht damit am Anfang der Wertschöpfungskette, welche sich von Bayer aufwärts über untergeordnete Zulieferer
hin zu Tier 1 Zulieferern und schliesslich den OEMs erstreckt. Nimmt man als Beispiel die Realisierung der Vision eines Formteils mit Elektrolumineszenz, so stellt
sich diese Kette wie folgt dar: Auf Bayer als Rohstofflieferanten folgen Zulieferer
der Stufen Tier 2–3 (z. B. Lumitec AG) sowie Tier 1 (z. B. Johnson). Der OEM
(z. B. DaimlerChrysler) fertigt dann aus den zugelieferten Modulen das eigentliche
Produkt für den Konsumenten. Lumitec wurde als Kooperationspartner gesucht, um
gemeinsam die erforderlichen Technologien für leuchtende Polymerfolien zu entwickeln. Als nachgelagertes Glied in der Wertschöpfungskette fungiert Lumitec in
diesem Fall sowohl als Technologiezulieferer als auch als Kunde (Bezug von Rohstoffen von Bayer). Typischerweise werden aber die OEMs, beispielsweise deutsche Automobilhersteller, in den Innovationsprozess integriert. In den folgenden
Ausführungen ist daher, falls nicht anders erwähnt, immer von den OEMs als Kunden die Rede. Prinzipiell sind für Bayer auch alternative Businessmodelle denkbar,
beispielsweise eine Vorwärtsintegration in der oben beschriebenen Wertschöpfungskette. Zum jetzigen Zeitpunkt konzentriert sich Bayer MaterialScience aber
ausschliesslich auf den chemischen Teil der Produkte und überlässt Firmen wie
Lumitec die Verarbeitung und das Handling der Halbzeuge im Rahmen der Weiterverarbeitungsprozesse ihrer Rohstoffe.
3.2.2
Innovationsprozess
Die Frühphase des Innovationsprozesses bei Bayer MaterialScience wird nun überblicksmässig anhand der wichtigsten Schritte beschrieben. Eine detaillierte Be-
50
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
trachtung speziell unter dem Aspekt der Kundenintegration erfolgt im Abschnitt
3.2.3.10
Der eigentliche Innovationsprozess des Creative Centers der Bayer MaterialScience
wurde anhand von sieben im Idealfall hintereinander ablaufenden Prozessschritten
definiert und wird im Folgenden auch prozessual beschrieben (vgl. Abb. 10). Jedoch können diese Segmente auch in jeder beliebigen Konstellation durchlaufen
werden – d. h. sowohl nur einzelne Schritte alleine (eventuell sogar nur ein einzelner Schritt) als auch alle Schritte in beliebiger Reihenfolge ablaufen.
Am Anfang steht die Identifizierung von Gelegenheiten, Ideen und Trends. In dieser Sammlungsphase werden verschiedene hauptsächlich externe Quellen genutzt.
Darauf aufbauend erfolgt im nächsten Schritt die Entwicklung von Szenarien. Relevante Informationen werden zu Trends zusammengefasst und zu kompletten Szenarien weiterentwickelt. Der nächste Schritt beinhaltet einerseits die Aufstellung von
Roadmaps als Weg zu den jeweiligen Szenarien sowie andererseits deren Reflexion
im Markt. Dabei werden die ursprünglich aufgestellten Szenarien überprüft und angereichert. Die nächsten drei Schritte verkörpern die eigentliche Ideengenerierung.
Diese ist in einen Generierungsschritt mit speziellen Workshops mit Kunden, eine
bayer-interne Bewertung sowie eine Diskussion mit externer Beteiligung unterteilt.
Am Ende stehen Ideen, welche inhaltlich zu den aufgestellten Roadmaps passen
und unter starker aktiver Beteiligung der Kunden entwickelt wurden. Das Ergebnis
der Tätigkeit des Creative Centers ist ein Prototyp (Demonstrator) oder ein Modell
einer neuen Anwendung, welche – als letzter Schritt dieser Innovationsfrühphase –
gemeinsam mit einer Machbarkeitsstudie (in Form einer so genannten „Balanced
Innovation Card“) an das Segment Industry Innovation übergeben werden. Es folgt
die weitere Entwicklung, welche mit der Eröffnung eines klassischen Entwicklungsprojektes mit hohem Strukturierungsgrad, vorgegebene Meilensteinen und einem mittel- bis kurzfristigen Zeithorizont (Time-to-Market) beginnt.
10
Diese grundsätzliche Struktur wird auch bei den folgenden drei Fallstudien verwendet.
BAYER MATERIALSCIENCE
51
Früher Innovationsprozess
InputSammlung
Szenarienevolution
Konzeptphase
Ideenphase
Gelegenheitsphase
Szenarienreflexion
Ideengenerierung
Ideenbewertung
Ideendiskussion
Machbarkeitscheck
Abbildung 10: Frühphase des Innovationsprozesses der Bayer MaterialScience
3.2.3
Kundenintegration
Grundlagen
Die Geschäftsstrategie der Bayer MaterialScience befürwortet eindeutig das marktbezogene Arbeiten. Die Positionierung des Creative Centers mit dem speziellen
Auftrag, die Marktseite und damit die Kunden aktiv zu integrieren, ist die deutlichste Manifestation dieses Gedankens. Im Hintergrund steht eine Strategie der Bayer
Holding, welche bestimmte Wachstumsplattformen definiert (z. B. intelligente Materialien oder Biotechnologie). Das Creative Center ist Treiber bei der Umsetzung
dieser strategischen Ziele. Wie oben dargestellt, fokussiert dabei innerhalb der Abteilung New Business das Creative Center auf den Markt und das Segment New
Technologies auf die Technologie- bzw. Produktseite.
Die Bayer MaterialScience versucht diese Idee der Marktöffnung nach aussen auch
über firmeneigene Publikationen und Vorträge zu verbreiten. Die Sicherstellung einer offenen Atmosphäre gegenüber externen Anregungen kann aber letzten Endes
nur durch das Topmanagement erfolgen. Dies geschieht beispielsweise durch Mitglieder des Vorstandes im Rahmen von sozialen Events (z. B. der Weihnachtsfeier)
oder öffentlichen Auftritten. Weiterer Ausdruck der durchgängigen innovationsfreundlichen Kultur sind beispielsweise die Unternehmensleitfäden. Unter dem
Motto „Science for a better life“ werden dort die Werte des Unternehmens mit einem speziellen Fokus auf dessen Innovationsfähigkeit beschrieben.
Das Creative Center ist bestrebt, auch andere interne Gruppen früh in seine Thematik einzubinden und dadurch eine Innovationscommunity aufzubauen. Die Motivation zur Teilnahme an diesem Netzwerk hängt dabei entscheidend von der erfolg-
52
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
reichen Kommunikation von Erfolgsstorys ab (z. B. durch das Topmanagement).
Letzten Endes wird der Erfolg eines derartigen Communitymodells aber von den
beteiligten Personen bestimmt, welche geeignete Persönlichkeitsmerkmale aufweisen müssen.
Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt die offene Kommunikation bei der eigentlichen Kernaktivität, nämlich dem Kontakt nach aussen vor allem zu den Kunden. Zur Sicherstellung einer offenen Grundhaltung aufseiten ihrer Partner, legt die
Bayer MaterialScience bereitwillig ihre Szenarien und Roadmaps am Beginn der
Diskussionen mit den Kunden offen. Der Leiter des Creative Centers bezeichnet
dieses Vorgehen als „in Vorleistung gehen“ und sieht darin einen wesentlichen
Schritt zum Aufbau einer Vertrauensbasis, welche für einen fruchtbaren Austausch
unbedingt notwendig ist. Ohne grosse Vertraulichkeitsvereinbarungen muss es gelingen, durch gegenseitiges Vertrauen eine offene Atmosphäre zu schaffen. Dabei
bilden sich wiederum Communities, welche intensiv Informationen innerhalb ihrer
Grenzen austauschen. Die Vorteile der Teilnahme an diesem Austausch stellen einen Anreiz für potenzielle Partner dar, ebenfalls gemeinsame Integrationsaktivitäten
mit dem Creative Center durchzuführen. („Wer nicht teilnimmt, bekommt keine
weiteren Infos“).
Organisation
Das Creative Center versteht sich als Think Tank der Bayer MaterialScience und
möchte die „Zukunft erkennen, begleiten und gestalten“. Ziel des interdisziplinären
Teams ist es, mit neuen profitablen Produkten für verschiedenste Branchen Marktwachstum für Bayer MaterialScience zu generieren. Durch eine Erweiterung des
Blickwinkels, über die reinen Disziplinen Chemie, Physik und Ingenieurswesen
hinaus, verbunden mit Produkt- und Markterfahrung werden neue Lösungen kreiert.
Konkret setzt sich das Center aus vier Spezialisten, so genannten Markt Scouts, einem Leiter und einer Assistentin zusammen. Jeder Markt Scout bearbeitet eines der
folgenden speziellen Aufgabengebiete (intern „Flagship Programs“ genannt): Energy Management, Interface Man/Machine, Optics & Light und New Data Storage.
Einer von ihnen deckt zusätzlich die gesamte Bandbreite der Polymere ab. Die
Flagship Programs passen, im Sinne einer strategischen Verankerung, zu den von
der Bayer Holding definierten Growth Platforms wie Sustainability (auf der Ebene
des Creative Centers ist das korrespondierende Element das Energy Management).
Wesentliche Ansätze mit denen das Creative Center arbeitet, sind die Nutzung geeigneter Netzwerke, die systematische Zukunftsanalyse durch Szenariotechnik und
Methoden zur Generierung neuer Polymeranwendungen. Neben der Verwendung
BAYER MATERIALSCIENCE
53
traditioneller Methoden wie TRIZ und Szenariotechnik, versucht das Creative Center auch neue Methoden zu entwickeln. Eine Herangehensweise um dies zu erreichen, ist der Aufbau eines externen Netzwerks, welches auf der intensiven Kooperation mit bis zu zehn Studenten pro Jahr basiert. Diese Zusammenarbeit führt zur
Abfassung von wissenschaftlichen Arbeiten und stellt sicher, dass das Creative
Center auf dem neuesten Stand der Forschung und Methodik bleibt.
Innerhalb Bayers entwickelt das Creative Center ein Netzwerk, welches die Produktexpertise sowie Markt- und Branchenerfahrung der zahlreichen Materialspezialisten für Thermoplaste, Polyurethane, Klebstoffe und Lackrohstoffe nutzt. Extern
wird der Kontakt zu anderen Think Tanks gesucht, um Anregungen und Wertungen
zu Trends und Marktimpulsen aus verschiedensten Blickwinkeln zu bekommen.
Das Creative Center steht in engem Kontakt mit Zukunftsforschern, Designern,
Demographen, wissenschaftlichen Instituten, Trendsettern und den Entwicklungsabteilungen der Kunden.
Die Schnittstelle zum Marketing ist dadurch gegeben, dass sich das Creative Center
als Service für die Marketingabteilung versteht. So ist das Key Account Management bzw. das Aussendienstpersonal immer informiert und eingebunden, wenn es
zu Kundenkontakten kommt. Teilweise agieren diese Funktionen auch als „Türöffner“ oder nehmen direkt als Coaches an Treffen und Workshops zwischen Vertretern des Creative Centers und der Kunden teil.
Da das Creative Center von einem multidisziplinären Team gebildet wird, müssen
sich die Mitglieder über die jeweilige Fachsprache hinausgehend verstehen können.
Das Erfolgsrezept lautet, dass man nur dann zu ganzheitlichen Lösungen kommen
kann, wenn sich alle miteinander austauschen. Wesentlich für den Erfolg ist auch
die Bereitschaft, verschiedenartiges Wissen einzubringen und aufzunehmen sowie
eine offene Diskussionskultur. Das Not-Invented-Here-Syndrom wird durch eine
grundsätzliche Offenheit, frühes aktives Herangehen an betroffene Personen und
eine möglichst tiefe Einbindung derselben in Schranken gehalten.
Kundenauswahl
Die für die Auswahl der Kunden relevanten Charakteristika sind zunächst das Wissen und die Kompetenzen derselben. Es ist entscheidend, unterschiedliches Wissen
von verschiedenen Stellen abzugreifen. Daher werden, wenn Vertreter einer einzelnen Firma alleine die gewünschten Kompetenzen nicht aufweisen, Experten von
verschiedenen Firmen zu einem Workshop eingeladen. Dabei spielt die jeweilige
Fachkompetenz der Kunden die wesentliche Rolle. Ein weiteres Kriterium für die
Kundenauswahl kann sich aus dessen Marktstellung ergeben, beispielsweise dann,
54
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
wenn Bayer MaterialScience in einen komplett neuen Markt einsteigen will (z. B.
die Logistik). Es werden dann Partner ausgesucht, welche in ihrem Gebiet sehr gut,
aber noch nicht Kunde von Bayer sind. Sie besitzen einen anderen Blickwinkel, andere Kompetenzen und Bedürfnisse als Bayer, da sie an einer anderen Position der
Wertschöpfungskette sitzen. Dadurch erhält MaterialScience Einblick in die Zusammenhänge, Abläufe und Geschäftspotenziale möglicher neuer Marktsegmente.
Der Ruf des Kunden spielt keine grosse Rolle, viel wichtiger sind persönliche Kontakte, da sie zur Motivation der Kunden beitragen können. Auch die Grösse des
Kunden ist von untergeordneter Bedeutung. Ein hoher Innovationsgrad sowie ein
Bezug zur Problematik (d. h. beispielsweise eher Auto- als Flugzeugindustrie) sind
entscheidend. Allerdings ist eine gewisse Mindestgrösse im Hinblick auf spätere
Produktionsmengen Voraussetzung. Kunden sind für das Creative Center dann
wertvoll, wenn sie die „gleiche Sprache sprechen“. So sucht man beispielsweise bei
Siemens nicht den Kontakt zu Serienentwicklern, sondern zu Forschern oder Marktforschern. Diese Konstellation lässt sich aber nicht immer realisieren, da es oft
schwierig ist, diese Forscher zur Zusammenarbeit mit Bayer zu motivieren. Die
Teilnehmer auf Kundenseite sind bei kleinen Kunden die Entwicklungsleiter, sonst
prinzipiell hauptsächlich Vertreter der F&E (Ingenieure bzw. Entwickler). Einkäufer werden üblicherweise erst später (in den letzten beiden Schritten des frühen Innovationsprozesses) hinzugezogen. Die so beschriebenen Kunden werden bei Bayer
intern als „visionäre Entrepreneurs“ bezeichnet.
Die Kompatibilität der Firmenkulturen spielt im Rahmen der Festlegung gemeinsamer Ziele eine Rolle. So schliessen sich gewisse Firmen aus internen Gründen
von vornherein aus. Angestrebt wird ein auf das Thema passender Rollenmix. In
passenden Konstellationen wird dann an der Erzielung einer Win-Win-Situation gearbeitet. Die Rolle des Kunden wird diskutiert sowie seine Visionen – und damit
seine Eignung – in Gesprächen abgeklärt.
Ablauf
Am typischen Beginn des Prozesses werden verschiedene Quellen genutzt, um Geschäftsgelegenheiten zu identifizieren oder Ideen zu entwickeln. Die wichtigsten
davon sind Studien über zukünftige Szenarien (z. B. „Pictures of the Future“ von
Siemens), neue Materialtechnologien, welche von New Technologies geliefert werden, sowie Besuche bei Messen und Konferenzen. Basierend auf dem Input dieser
Informationsquellen besteht der nächste Schritt in einer Entwicklung von Szenarien.
Mitglieder des Creative Centers sammeln alle Hinweise, schwachen Signale und
Trendbausteine, welche sie als interessant für ihr jeweiliges Feld erachten und dis-
BAYER MATERIALSCIENCE
55
kutieren diese mit den anderen Gruppenmitgliedern. Relevante Informationsteile
werden dann zu Trends zusammengefasst und weiter angereichert, bis komplette
Szenarien entstehen.
Jeweils zwei Teammitglieder des Creative Centers werden anschliessend einem
Teilszenario zugeteilt. Mithilfe der eigenen Experten werden Roadmaps aufgebaut,
welche die Wege zu den Zukunftsbildern aus den Szenarien aufzeigen. Die Roadmaps sind also ihrem Namen entsprechend als Wege zum Erreichen der jeweiligen
Szenarien zu verstehen. Die entwickelten Szenarien und Roadmaps werden im darauf folgenden Schritt „im Markt reflektiert“: In Diskussionen mit externen Partnern,
vor allem Kunden und potenziellen Kunden, werden die Szenarien und Roadmaps
von Bayer mit denen der Partner verglichen und abgestimmt. Zur Sicherstellung einer offenen Grundhaltung aufseiten der Partner, legt Bayer MaterialScience bereitwillig ihre Szenarien und Roadmaps am Beginn der Diskussionen mit den Kunden
offen. In diesem frühen, oft präkompetitiven Stadium des Prozesses kann der Kunde
über die mit Bayer abgestimmten Ergebnisse der Workshops frei verfügen und sie
für seine Zwecke nutzen („damit zurück ins stille Kämmerlein gehen“).
Sobald die Szenarien und Roadmaps ausserhalb von Bayer MaterialScience geprüft
worden sind, werden im folgenden Schritt Ideen für die einzelnen Zukunftssituationen entwickelt. Dabei ist zu beachten, dass zwischen den beiden Schritten Szenarioreflexion und Ideengenerierung noch ein komplizierter Prozess mit bis zu neun
Zwischenschritten liegt, welche aber je nach Situation verschieden stark ausgeprägt
sind. Auch die Ideengenerierung geschieht nicht ausschliesslich intern, sondern unter Einbezug von Externen. Sobald Szenarien als interessant und relevant identifiziert worden sind, werden mögliche Partner selektiert („Mit wem würden wir das
gerne machen?“) und kontaktiert. Dabei wird ein Kreis von Experten etabliert. Der
eigentliche Workshop findet dann in einem Hotel statt und bringt insgesamt 10 bis
15 Teilnehmer zusammen, von denen nur etwa drei von Bayer kommen. Dabei werden zunächst vor allem zwei Fragen mit den Kunden abgeglichen, nämlich ob (1)
das Thema in dem Szenario prinzipiell richtig ist und (2) die angenommene zeitliche Positionierung stimmt. Das Ergebnis dieser Workshops sind dann neue Ideen
für Applikationen, inhaltlich passend zur jeweiligen Roadmap. Bayer ist sehr bemüht, alle internen Informationen, welche zum besseren Verständnis des jeweiligen
Szenarios beitragen, den externen Partnern drei Wochen im Voraus zur Verfügung
zu stellen, um eine offene Atmosphäre sicherzustellen, alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen und Zeit zu sparen. Dadurch gelingt die Vermeidung der typischen ersten Phase jeder Brainstormingsitzung, in welcher eine grosse Anzahl an
Ideen minderer Qualität produziert werden (z. B. schon bekannte Einfälle). Das
Team des Creative Centers entscheidet dann in internen Diskussionen, ob eine Idee
56
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
(als Ergebnis der Workshops) wert ist, detaillierter betrachtet zu werden oder nicht.
Falls ein Einfall als wichtig erachtet wird, wird dieser von einer bayer-internen
Creative Community bewertet. Dieses Bewertungsnetzwerk wurde erst vor kurzem
eingerichtet. Es besteht aus ca. 30 Personen – wobei rund die Hälfte davon aus der
Business Development Abteilung kommt – und erfüllt primär eine multiplikative
Funktion. Alle Mitglieder sind aufgefordert, die Themen und Projekte an denen die
Community arbeitet, in ihren jeweiligen Abteilungen zu kommunizieren und die
Expertenmeinungen von dort widerzuspiegeln.
Die Bewertung erfolgt unter Verwendung eines Ideenbewertungsblattes. Dieses
wird dabei sequenziell von allen Communitymitgliedern parallel nach dem Schulnotenprinzip (von 1 bis 10) ausgefüllt. Zusätzlich enthält das Formular Felder für
ergänzende Bemerkungen, welche ausgefüllt werden können, um die Benotung zu
erklären oder nach mehr Details zu fragen. Die Bewertungskriterien sind der Kundennutzen, der Nutzen für Bayer, die strategische Übereinstimmung und der zu erwartende Aufwand. Nach Abschluss der Bewertungsrunde erhalten die Ideenlieferanten der hoch bewerteten Ideen Feedback. In Einzelfällen kann es auch vorkommen, dass der Ideengeber eingeladen wird, an der Weiterentwicklung seiner Idee zu
partizipieren. Hoch bewertete Ideen werden mit Lead-Usern und Trendsettern diskutiert, was eine weitere Abstimmungsrunde mit der Nachfrageseite darstellt. Es
folgt also die Einholung von Feedback des Marktes und/oder der entsprechenden
Branchengruppe bei Industry Innovation durch das Creative Center. Nach Berücksichtigung dieses Marktfeedbacks und der eventuell notwendigen Anpassung
kommt es im nächsten Schritt für die verbleibenden, angereicherten Ideen zur Erstellung von Machbarkeitsstudien („Feasibility Studies“) als Teil eines umfassenden
Paketes, welches „Balanced Innovation Card“ genannt wird. Für die rund 30 Themen, welche an dieser Stelle des Prozesses parallel bearbeitet werden, gilt es vom
Creative Center gemeinsam mit der Community nun mehrere Schritte zu tun. Diese
reichen von der Funktionsanalyse bis zum abschliessenden „Tree of Needs“ (Polymerbeschreibung). Die Feasibility Study ist dabei nur ein Output. Als Endergebnis
erstellt das Creative Center die Balanced Innovation Card in Form eines Kataloges
und übergibt diese an das Industry Innovation Segment. Industry Innovation eröffnet mithilfe dieser Angaben ein Projekt, welches dann einen klar definierten Projektmanagementprozess durchläuft.
Der reale frühe Innovationsprozess des Creative Centers muss nicht notwendigerweise sämtliche Abschnitte enthalten. Es können beispielsweise ganz Schritte fehlen und nur die Schritte 1, 4 und 7 enthalten sein. So ging beispielsweise für das aktuelle Projekt „Future Living“ die Szenarienreflexion gleich in die Szenarienevolution gemeinsam mit den Kunden über. Ausserdem können oft auch andere Punkte
BAYER MATERIALSCIENCE
57
als die gezielte Sammlung von Input als Einstieg dienen. Diese Flexibilität in der
operativen Prozessdurchführung stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor für die frühen
Phasen des Innovationsmanagements dar.
Management der frühen Kundenintegration
Die Motivation der Kunden erfolgt prinzipiell durch die Schaffung einer Win-WinSituation. Es muss den Kunden also kommuniziert werden, dass sie von der Integration bei Bayer MaterialScience profitieren können. Dies kann durch exklusive
Rechte auf die Verwendung des Ergebnisses erfolgen, aber auch durch nicht direkt
greifbare Resultate. So werden die Kunden Mitglieder einer thematisch fokussierten
Kommunikationsplattform und erhalten Einblicke in aktuelle Entwicklungen und
Methoden. Oft reichen diese Faktoren aus, um einen Kundenvertreter zur Teilnahme an einer Veranstaltung zu motivieren. Folgeveranstaltungen erweisen sich dann
aber in vielen Fällen als ungleich schwieriger zu besetzen. Letztendlich muss der
Kundenvertreter Erfolge in der eigenen Firma vorweisen können, um dauerhaft an
einer Zusammenarbeit interessiert zu sein. Beim Abgleich der Szenarien gemeinsam
mit den Kunden profitieren alle Teilnehmer im gleichen Masse. Jeder Teilnehmer
kann aus dem gemeinsam erarbeiteten Ergebnis einen Nutzen ziehen, da dieses
durch den Einschluss der verschiedenen Blickwinkel und Ansätze meist hochwertiger ausfällt als die Ausgangsszenarien der einzelnen Teilnehmer. Die Protokolle
und Roadmaps der Workshops werden exklusiv für die Teilnehmer auf einer gesicherten Internetplattform zur Verfügung gestellt.
Bayer MaterialScience ist als Ergebnis der Kundenintegration sowohl an Markt- als
auch an Technologiewissen interessiert. Aus der Diskussion der Szenarien wird zunächst die Identifikation von Marktpotenzialen erwartet. Ausserdem soll sie ein
Monitoring des Marktumfeldes und damit eine Art Frühwarnsystem ermöglichen.
Die Roadmaps sollen darüber hinaus einen Überblick über die zeitliche Entwicklung der identifizierten Marktchancen sowie relevanter Technologien geben. Dadurch wird eine Entscheidung bezüglich des weiteren Vorgehens (z. B. Kompetenzen selbst aufbauen oder nur beobachten) bzw. in weiterer Folge eine Priorisierung
der Entwicklung ermöglicht.
Für grössere Projekte (z. B. Future Living) wird die operative Durchführung der
Kundenintegration an einen externen Berater ausgelagert. Dieser übernimmt auch
die Rolle eines neutralen Coaches. Er fungiert gegenüber den eingebundenen Externen als Ansprechpartner und gibt den Rahmen sowie die Zielvorstellungen vor.
Auch die Kontrolle des Integrationsprozesses läuft für grössere Projekte über diesen
58
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
externen Projektleiter. Er holt nach jedem Workshop Feedback aus dem Teilnehmerkreis ein und dokumentiert die Ergebnisse.
Der schlussendliche Erfolg des Creative Centers und damit der Kundenintegration
wird am Gesamtbild der Bayer MaterialScience gemessen. Bayer will neue Anwendungen bzw. spezifische Neuerungen auf der Polymerseite erreichen. Daher werden
klassische Kundenbefragungen durchgeführt, ob dies auch gelingt und im Markt
wahrgenommen wird. Über alle Kunden hinweg wird über die Marketingorganisation beispielsweise gefragt, wo die Stärken der Bayer AG liegen. Die übergeordnete
Erfolgsmessung erfolgt also indirekt über die Bekanntheit spezieller Produkte und
Innovationen. Daher spielt generell die Öffentlichkeitsarbeit (innerhalb und ausserhalb Bayers) eine wesentliche Rolle für das Creative Center. Artikel, in denen von
Innovationsprojekten berichtet wird, sind ein wichtiges Instrument und werden nach
der zu erwarteten Verbreitung und der Trefferquote beim Zielpublikum beurteilt.
Neben diesen nach aussen gerichteten Erfolgskriterien wird auch die Zahl der übergebenen Projekte sowie die Schnelligkeit, in der sie abgewickelt wurden, herangezogen. Dazu werden interne Ziele gesetzt (z. B. Übergabe zweier Projekte pro Jahr
in einem gewissen Fachbereich). Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Szenarioprojekte kommuniziert und die Erkenntnisse für die einzelnen Business Units
aufgearbeitet. Auch Berichte an den Vorstand, hausinterne Messen und sämtliche
Möglichkeiten der positiven Mundpropaganda (z. B. „Leute, hört euch die klingende Wand an!“ aus dem Mund eines Vorstandes) werden genutzt, um die eigenen Erfolge darzustellen und zu kommunizieren.
3.2.4
Zusammenfassung
Die Frühphase des Innovationsprozesses bei Bayer MaterialScience stellt ein sehr
gutes Beispiel früher Kundenintegration dar. Während dreier von sieben Schritten
besuchen Mitglieder des Creative Centers Kunden oder laden diese zu Brainstorming Workshops ein. Dadurch wird mehr als nur Koordination mit den
tatsächlichen Marktanforderungen sichergestellt, nämlich eine aktive Einbindung
der Kunden in die Entwicklung der Szenarien bzw. Ideen. Der Fall des Bayer
MaterialScience Creative Centers zeigt, dass es möglich ist, einen Prozess zur
Erfassung externen Inputs – mit speziellem Fokus auf Kunden – in der frühen Phase
radikaler Innovationsprojekte zu institutionalisieren. Es zeigt sich allerdings, dass
ohne ein überzeugtes Topmanagement, welches bereit ist, Ressourcen zur
Verfügung zu stellen, kein vernünftiger Ansatz möglich ist. Prozessschritte müssen
definiert, Methoden gefunden und entwickelt sowie interne und externe Netzwerke
etabliert werden, bevor erste Resultate erzielt werden können. Ein wesentlicher
BAYER MATERIALSCIENCE
59
Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Integration der Marktseite sind für das Creative
Center die Expertenworkshops (wobei der Kunde als Experte bezeichnet wird), bei
denen neben Kunden und Vertretern des Creative Centers auch Vertreter von New
Technologies und Teilnehmer aus fremden Bereichen gemeinsam Szenarien und
Roadmaps abgleichen. Dabei wird unter einem praktischen Blickwinkel im Sinne
eines Benchmarks geprüft, ob die Sicht des Creative Centers richtig ist. Ebenfalls
von entscheidender Bedeutung ist die Erkenntnis, dass man dem Kunden auch
etwas bieten muss, nämlich die Chance, seinen Horizont zu erweitern. All dies kann
nicht als zusätzliche Aufgabe zu einem regulären Job gemacht werden. Eine
überzeugte Gruppe von Mitarbeitern muss gebildet und bestärkt werden, um diesen
Prozess voranzutreiben. Nur dann kann man von einer wirklichen Berücksichtigung
der viel zitierten Wichtigkeit von Innovationen für den Markterfolg eines
Unternehmens sprechen.
Abbildung 11 gibt einen Überblick der frühen Kundenintegration bei Bayer MaterialScience.
60
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Warum? Ziele
¾ Zum besseren Verständnis der Markttrends, Abschätzung der Technologieentwicklungen und zeitlichen Einordnung
¾ In weiterer Folge zur Schaffung innovativer Produkte in neuen Märkten und Marktsegmenten
Wann? Phase
¾ In der Gelegenheitsphase zur Szenarienreflexion und Roadmaperstellung (für Technologie und Anwendung)
¾ Zur Ideengenerierung in der Ideenphase
¾ Zur Ideendiskussion in der Konzeptphase
Wen? Kundencharakteristika
¾ Kunden (vor allem die Kunden der Kunden (OEMs)) und andere Partner werden eingebunden, wenn sie für die Bearbeitung
der kommenden Trends die grösste Kompetenz und das grösste Interesse aufweisen
¾ Die wesentlichen Auswahlkriterien liegen in gemeinsamen Zielen, der passenden Kompetenz (Nutzen-Kompetenz-Verteilung)
sowie der kulturellen Kompatibilität und damit dem Potenzial, eine Win-Win-Situation auf der Basis gegenseitigen Vertrauens
aufzubauen
Wie? Prozesscharakteristika
¾ Eigenes Segment Creative Center im Bereich New Business angesiedelt
¾ Operative Instrumente sind Workshops oder bilaterale Treffen, in denen nach Vorleistung von Bayer offen über zukünftige
Entwicklungen in Form von Szenarien und Roadmaps diskutiert wird
¾ Diese Interaktionspunkte sind in einen mehrstufigen Innovationsprozess des Creative Centers eingebettet
Besonderheiten
¾ Das Alleinstellungsmerkmal des zu integrierenden Partners ist entscheidend, nicht seine Grösse oder sein Potenzial als Kunde
Abbildung 11: Übersicht der frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience
EADS ASTRIUM
3.3
EADS Astrium
3.3.1
Rahmenbedingungen
61
Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) ist, als grösstes
Luft- und Raumfahrtunternehmen in Europa und als drittgrösstes weltweit, in den
Bereichen Zivil- und Militärluftfahrt, Raumfahrt, Verteidigungssysteme und Dienstleistungen tätig. Das Unternehmen entstand 2000 aus der Fusion der deutschen
DaimlerChrysler Aerospace AG, der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen CASA. Die Hauptaktionäre der börsennotierten EADS sind die DaimlerChrysler AG und die französische Holding Sogeade mit jeweils über 30 % des Aktienkapitals. Die spanische Staatsholding Sepi besitzt 5,5 %. Im Jahr 2002 erwirtschaftete EADS einen Umsatz von 29,9 Mrd. EUR. Davon wurden etwa 80 % auf dem
zivilen und 20 % auf dem militärischen Markt erzielt. Das Unternehmen beschäftigt
an mehr als 70 Produktionsstandorten über 100.000 Mitarbeiter, vor allem in
Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien. Dazu kommen 35 Aussenbüros, welche weltweit Kontakt zu den Kunden halten. Die beiden Hauptsitze der
EADS liegen für die Funktionen Strategie, Marketing und Recht in Paris (offizieller
Firmensitz) sowie für Finanzen, Einkauf und Kommunikation in München. EADS
ist in fünf Divisionen gegliedert: Airbus, Military Transport Aircraft, Aeronautics,
Space sowie Defence and Civil Systems. Das Unternehmen zählt zu den Marktführern in der zivilen Luftfahrt, bei Verteidigungstechnologie, Hubschraubern, Raumfahrt, militärischen Transport- und Kampfflugzeugen sowie den dazugehörigen
Dienstleistungen.
Organisatorisches Umfeld
EADS Astrium – Teil der EADS Space Division – versteht sich als „Systemhaus“
und ist einer der führenden Anbieter der Raumfahrtindustrie in Bereichen der zivilen und militärischen Telekommunikationssatelliten, der Erdbeobachtung sowie bei
Wissenschafts- und Navigationsprogrammen. Astrium beschäftigt ca. 6.000 Mitarbeiter, verteilt auf die Länder Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien, war bereits für über 60 Kommunikationssatelliten Hauptvertragspartner und
ist grösster europäischer Anbieter für Wissenschafts- und Erdbeobachtungsmissionen. Im Jahre 2002 wurde ein Umsatz von ca. 2,2 Mrd. EUR erzielt. Dabei werden
bei Astrium 70 bis 80 % des Umsatzes durch Forschung und Entwicklung generiert.
95 % dieser F&E-Aufträge ergeben sich durch Fremdaufträge der Kunden und nur
5 % sind Eigenmittel bzw. freie F&E-Mittel. Etwa 30 % des Umsatzes entfallen auf
privatwirtschaftliche Projekte oder Kommunikationssatelliten für einzelne Staaten.
62
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Der grössere Umsatzanteil wird durch staatliche Projekte im Bereich der extraterrestrischen Forschung, der Erdbeobachtung und der satellitengestützten Navigation
generiert. Diese Fallstudie bezieht sich auf den Standort Friedrichshafen mit ca. 800
Mitarbeitern und Kernkompetenzen in der Fertigung von Erdbeobachtungs- und
Wissenschaftssatelliten sowie von Einzelkomponenten und wissenschaftlichen Instrumenten.
Die F&E-Quote beträgt an eigenen Aufwendungen ca. 2 % (vor wenigen Jahren lag
sie noch bei 6 %; die Reduktion wurde durch einen Einbruch des Telekommunikationsmarktes notwendig). Hauptziel der F&E-Aktivitäten ist es, Know-how aufzubauen und damit für den Kunden zu einem interessanten Geschäftspartner zu werden. Die Kunden übernehmen in dieser Frühphase des Innovationsprozesses schon
zwei Drittel bis drei Viertel der Kostenanteile. Im Grossteil der Divisionen wird die
Entwicklung von aussen bezahlt, nur der Bereich der Kommunikationssatelliten finanziert seine Entwicklung überwiegend mit Eigenmitteln. Teile der Gelder fliessen
an Partnerfirmen, mit denen exklusive Zusammenarbeit besteht.
Externes Umfeld
Die Technologiedynamik in der Raumfahrtindustrie bietet die ganze Bandbreite von
konservativ bis progressiv. Im Bereich der qualifizierten Systeme (z. B. Computer)
herrscht eine konservative Einstellung vor, während beispielsweise bei den Instrumenten und Werkstoffen sehr innovative Technologien entwickelt und genutzt werden. Bei der Raumfahrtindustrie handelt es sich insgesamt betrachtet um eine progressive Branche, welche in vielen Aspekten an der Spitze der Technologieentwicklung steht, in den kritischen Bereichen der Satellitentechnik aber aufgrund der aufwändigen Qualifikationsverfahren sehr konservativ agiert.
Betrachtet man die technologische Komplexität der von EADS Astrium angebotenen Produkte, so zeigt sich eine grosse Bandbreite von kostengünstigen Standardprodukten hin zu technologisch komplexen High-Tech-Produkten. Je nach Komplexitätsgrad variiert auch der Grad der Zusammenarbeit mit dem Kunden von wenig bis gar nicht für Standardprodukte, bis hin zu sehr intensiv bei technologischen
Vorreiterprojekten (vgl. Abb. 12).
Technologische
Komplexität
EADS ASTRIUM
63
a
sch
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s
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W
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High-Tech
¾ „Design to requirements!“
¾ Technologie als Treiber
Fi
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er u
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Low-cost
¾ „Design to cost!“
Effizienz
¾ Anforderungen als Treiber
¾ z. B.: ESA-Missionen
¾ Enge Zusammenarbeit
mit dem Auftraggeber
¾ z. B.: Wettersatelliten
¾ Teilweise
Plattformnutzung teilweise
Einzelanfertigung
¾ Budget als Treiber
¾ z. B.: Kommunikationssatelliten
¾ Wenig Zusammenarbeit
mit dem Kunden
Kosten
Abbildung 12: Technologische Komplexität bei Entwicklungsprojekten
der EADS Astrium
Auch für den Innovationsgrad der Produkte kann keine einheitliche Aussage getroffen werden. Inkrementelle Produktverbesserungen sind zwar die Regel, doch
kommt es auch immer wieder, beispielsweise bei Instrumenten wie der NIRSPECKamera für ein Weltraumteleskop, zu radikalen Durchbrüchen.
Produktlebenszyklen in der Raumfahrtindustrie liegen typischerweise bei etwa
sechs bis zwanzig Jahren. Vor der eigentlichen Nutzung liegt noch die Vorentwicklungsphase, welche je nachdem ob neue Technologien entwickelt werden müssen
oder nicht, zwei bis zehn Jahre lang dauert. Die anschliessende Entwicklung nimmt
dann zwischen zwei und fünf Jahre in Anspruch. Die eigentliche Nutzungsdauer
liegt schliesslich in der Grössenordnung von zwei bis fünfzehn Jahren. Der Markt
ist also von extrem langen Zyklen geprägt, insbesondere auch dadurch verursacht,
dass einige komplexe Technologien typischerweise bei Projektbeginn noch gar
nicht zur Verfügung stehen.
Die Raumfahrtindustrie agiert in einem öffentlichen, teilweise geschützten Markt
mit wenigen Auftragnehmern. Zu dieser Begrenztheit kommen noch langsam gewachsene Strukturen und damit eine hohe Vertrautheit der einzelnen Marktteilnehmer untereinander. Innerhalb der Branche sind persönliche Kontakte mit Kunden
häufig und werden intensiv gepflegt. Kundenzufriedenheit und Kundennähe sind
Schlüsselfaktoren für einen erfolgreichen Marktauftritt. Eine gute Reputation ist es-
64
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
senziell für die Gewinnung von weiteren Aufträgen. In den letzten Jahren kam es zu
einem Konzentrationsprozess hin zu einigen wenigen grossen Raumfahrtunternehmen. Die Hauptkonkurrenten von EADS Astrium als Systemanbieter sind Alcatel in
Frankreich sowie Alenia in Italien.
EADS Astrium erzielt den Grossteil ihres Umsatzes mit der europäischen Weltraumagentur (European Space Agency ESA). Die ESA versteht sich als ausführendes Organ und vertritt die 15 Teilnehmerstaaten bzw. handelt in deren Auftrag. Der
Umsatzanteil von Astrium mit der ESA beträgt in Deutschland ca. 80 % und in
Frankreich, wo es geführt durch das Centre National d’Etudes Spatiales (CNES) ein
einflussreiches eigenes Raumfahrtprogramm gibt, ca. 50 %. Wichtige Exportmärkte
sind zurzeit vor allem die ostasiatischen Staaten sowie in Einzelfällen auch die USA
und damit die dortige nationale Weltraumagentur National Aeronautic Space Administration (NASA). Die EADS Astrium ist bestrebt, neben dem Umsatz mit der
ESA weitere Wachstumsfelder zu erschliessen. Dies ist unter anderem aus folgenden zwei Gründen notwendig. Einerseits stagnieren die nationalen europäischen
Budgets für Raumfahrt und damit die Wachstumsmöglichkeiten für einen auf diesen
Markt fokussierten Satellitenhersteller. So führen viele Länder in Europa kein bedeutendes eigenes Raumfahrtprogramm mehr und das Forschungsbudget der ESA
wurde im Zuge genereller Sparmassnahmen ebenfalls gekürzt. Auf der anderen Seite entwickelt sich ein Trend in Richtung umfassender Geschäftsmodelle im Sinne
einer Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette von der Satellitenproduktion
über den Betrieb hin zur Vermarktung der gemessenen Daten. Die neu gegründete
Tochterfirma Infoterra (Aufbau neuer Geschäftsmodelle zur Verwertung von Satellitendaten) und die Beteiligung am europäischen Satellitennavigationssystem Galileo sind Ausdruck dieser neuen Geschäftsstrategie der EADS Astrium.
Die ESA, als Astriums grösster Auftraggeber, unterhält ein diversifiziertes Portfolio
vom Standardsatelliten bis hin zum spezialisierten Unikat. Sie umfasst zurzeit 15
Mitgliedstaaten, unter anderem auch die Schweiz, verfügt über ein Jahresbudget
von 2,852 Mrd. EUR und beinahe 2000 Mitarbeiter (Stand 2002). Der offizielle
Hauptsitz befindet sich in Paris. Das Europäische Weltraumforschungs- und Technologiezentrum ESTEC (European Space Research and Technology Centre) ist mit
Sitz in Noordwijk in den Niederlanden das Forschungs- und Entwicklungszentrum
für die meisten ESA-Raumfahrzeuge und damit direkter Kunde der EADS Astrium.
Da die ESA ihre Aufträge per Ausschreibung vergibt, hat sie ständig eine grosse
Zahl an verschiedenen Ausschreibungen als Auftraggeber zu betreuen. Es wurde
daher ein eigenes elektronisches System („emits“) für die Koordination der Ausschreibungstätigkeiten entwickelt. Sämtliche interessierten Zulieferer und Vertrags-
EADS ASTRIUM
65
partner erhalten so Zugang zu allen relevanten Informationen der Ausschreibungen.
Die grossen Teilnehmer an Ausschreibungen (wie z. B. EADS Astrium) müssen ebenfalls auf dieser Plattform eigene Ausschreibungen für Sub-Kontrakte von ESAAufträgen publizieren, sodass sich dann wiederum nachgelagerte Zulieferer und
Komponentenhersteller bei Astrium transparent bewerben können.
Eine wichtige Kundengruppe stellt schliesslich die kommerzielle Kundschaft dar.
Neben Wettersatelliten nehmen Kommunikationssatelliten für Unternehmen wie
INTELSAT, EUTELSAT und INMARSAT den Grossteil dieses Marktes ein. Im
grundsätzlichen Gegensatz zu den restlichen Astrium-Projekten handelt es sich dabei um einen typischen Markt, in dem auch klassische Instrumente wie Marketing
oder Plattformmanagement zur Kostenreduktion eingesetzt werden. Die folgenden
Ausführungen beziehen sich allerdings ausschliesslich auf die Integration der Kunden, vor allem der ESA, im Rahmen wissenschaftlicher Satellitenprojekte der
EADS Astrium.
3.3.2
Innovationsprozess
Der für EADS Astrium relevante Gesamtlebenszyklus eines Projektes setzt sich aus
einer Vorentwicklungsphase, der eigentlichen technischen Entwicklungsphase sowie einer Nutzungs- und Entsorgungsphase zusammen. Die letzten beiden Phasen
sind für den Fokus dieser Arbeit nicht relevant und werden daher im Folgenden
nicht näher betrachtet.
Der eigentliche Produktentwicklungsprozess von Astrium wird in drei grosse
Schritte unterteilt (vgl. Abb. 13), welche im Folgenden überblicksmässig beschrieben werden, um im nächsten Schritt die Ausprägungen der Kundenintegration in
den verschiedenen Phasen darstellen zu können.
66
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Früher Innovationsprozess
Gelegenheitsphase
A
Machbarkeitsstudie
Technologieidentifizierung
Ideenphase
B
Projektdefinition
und Spezifikationsentwurf
Konzeptphase
C/D
Entwicklung/
Fertigung, Test
Verifikation
Abbildung 13: Frühphase des Innovationsprozesses der EADS Astrium
In Phase A erfolgt eine Festlegung der Anforderungen an das jeweilige Projekt zusammen mit der Identifikation und Analyse der Missionselemente (Schnittstellen,
Missionsphasen). Ein Hauptpunkt ist der Machbarkeitsnachweis bezüglich Technik,
Zeit und Finanzen. Daraus ergeben sich einerseits die Identifikation von möglichen
Kosten- und Risikotreibern, Konzeptalternativen sowie eventuell bereits ein bevorzugtes Lösungskonzept und andererseits die Feststellung der Notwendigkeit von
Technologieentwicklungen. Als Fixpunkte stehen am Anfang dieser Phase eine
Mission Definition Review (MDR), in dem die Missionsdefinition überprüft wird
und am Ende die Preliminary Requirements Review (PRR), welche eine vorläufige
Anforderungsüberprüfung vornimmt.
In der folgenden Phase B wird im Rahmen einer Gesamtprojektdefinition die Produktspezifikation samt Entwicklungsplanung vorgenommen. Zusätzlich kommt es
zu einer Evaluierung des Festpreisangebots zur Durchführung des Projektes. Zu den
vielfältigen Aufgaben in dieser Phase zählen die vertiefte Analyse von alternativen
Systemlösungen, die Festlegung von Systemaufbruch und Produktbaum, das Einfrieren der Anforderungen, der Entwurf der technischen Lösungen sowie die detaillierte Erstellung von Zeit- und Kostenplänen. Zum Abschluss der Phase B wird die
System Specification Review (SSR) durchgeführt, um in die eigentliche Entwicklungsphase eintreten zu können.
Die zentrale Entwicklungsphase ist in zwei Teilschritte unterteilt. Phase C führt
vom Entwurf zur Entwicklung. An ihrem Ende ist die Gesamtentwicklung abgeschlossen und der Beginn der eigentlichen Fertigung möglich. Alle Spezifikationen,
Pläne und Fertigungsunterlagen können eingefroren werden. Ermöglicht wird dies
durch umfangreiche Detailanalysen und -entwicklungen, den Bau von Entwicklungsmodellen sowie die Überarbeitung und Festlegung aller Pläne (für Management, Entwicklung, Zeit und Kosten). Am Beginn von Phase C wird mit der Preli-
EADS ASTRIUM
67
minary Design Review (PDR) eine vorläufige Entwurfsüberprüfung als Endpunkt
mit der Critical Design Review (CDR) die abschliessende Entwurfsüberprüfung
durchgeführt. Die Laufzeiten variieren stark projektabhängig, typisch für die Raumfahrt sind ein bis zwei Jahre. Phase D schliesst mit der Fertigung, dem Zusammenbau und der Abnahme des Produktes die eigentliche Produktentwicklung ab. Dies
geschieht durch den Zusammenbau und die Hochintegration der Teilsysteme ins
Gesamtsystem, die Abnahme des Produktes mit testierter Raumfahrtqualifikation
und Systemleistung sowie die Vorbereitung der Inbetriebnahme.
3.3.3
Kundenintegration
Grundlagen
Die Kundeneinbindung ist in weiten Teilen der Astrium-Strategie explizit integriert.
Als Beispiel für eine Verankerung in der Geschäftsstrategie kann der Bereich der
Earth Observation genannt werden:
„[…] Astrium is aiming for close links with the most respected scientists and users
in order to ensure user driven missions and systems […] early involvement of scientific and institutional users is essential“.11
Das generelle Ziel von EADS Astrium bei allen Kundenkontakten ist eine möglichst frühe und umfassende Kundeneinbindung während des gesamten Innovationsprozesses. Im Gegenzug legen viele Auftraggeber Wert darauf, auch Unterauftragnehmer zu kennen und Entscheidungen über deren Einbezug zu treffen. Gerade
im Fall der Wissenschaftsmissionen der ESA finden auf strategischer Ebene (Zeithorizont 10 Jahre) bereits langfristige grundsätzliche Abstimmungen mit der ESAStrategie statt. Diese Abstimmung hat für beide Seiten den Vorteil, dass eine langfristige Planung möglich wird, welche eine effizientere Allokation von Ressourcen
zulässt.
Die spezifischen Ziele der Kundeneinbindung sind explizit verankert, beispielsweise für die Geschäftsentwicklungseinheiten:
¾ Profitabilitätssteigerung und Auftragsakquirierung zugunsten von Astrium
¾ Erstellung einer positiven Bindung zwischen dem Kunden und Astrium
¾ Kundenzufriedenheit am Ende des Auftrages zu überprüfen und zu dokumentieren
11
Interne Unterlagen EADS Astrium Earth Observation.
68
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Generell gilt, dass sich die Schlüsselpersonen des Auftraggebers wie auch des Auftragnehmers persönlich kennen (teilweise auch aus früheren Projekten). Durch eine
derartige Vertrautheit erreicht man effiziente und effektive Kommunikation als wesentliche Grundlage einer erfolgreichen Einbindung.
Organisation
Die wichtigsten organisatorischen Instrumente, welche Astrium in Bezug auf die
Kundeneinbindung einsetzt, sind zwei eng zusammenarbeitende, unter der Organisationseinheit Geschäftsentwicklung zusammengefasste Gruppen, nämlich die eigentlichen Geschäftsentwicklungseinheiten (Business Development Units) und das
Key Account Management (KAM).
Die Business Development Units wurden gezielt zur weiteren Verstärkung der Kundeneinbindung geschaffen. Diese Abteilungen besitzen zwar gewisse Ähnlichkeiten
mit herkömmlichen Marketingabteilungen, sind aber mehrheitlich mit Ingenieuren
besetzt. Für das Geschäftsfeld Erdbeobachtung, Navigation und Wissenschaft besteht die Geschäftsentwicklung aus ungefähr 20 Mitarbeitern, welche organisatorisch entsprechend der jeweiligen Key Accounts aufgestellt sind. Oberstes Ziel ist
die langfristige Planung und Zusammenarbeit mit den Kunden. Bei der so genannten Vorakquisition, also bei den ersten Kundenbesuchen, ist stets auch ein Vertreter
der Geschäftsentwicklung anwesend. Die genauen Aufgaben dieses Business Development Teams sind Vorakquisition, Aufnahme des ersten Kontaktes sowie Abstimmung mit den Kundenanforderungen. Dies ist eng verzahnt mit der Steuerung
der Angebotspolitik von EADS Astrium. Schliesslich kommt es zur Begleitung des
Vorentwicklungsprozesses, wobei zu beachten ist, dass sobald ein Auftrag gewonnen wurde, die Aktivität der Einheit zurückgeht, um schliesslich zu Beginn des eigentlichen Entwicklungsprozesses durch die Entwicklungsabteilung abgelöst zu
werden. Mit dem Einsatz von Business Development sowie den zugehörigen Key
Account Managern wird die Kundeneinbindung in dem Sinne geregelt, dass jeder
Kunde innerhalb von Astrium seinen persönlichen Ansprechpartner besitzt. Key
Account Manager innerhalb des Bereichs Erdbeobachtung betreuen die Bereiche
Wissenschaft (mit besonderem Fokus auf die ESA), Export, Bodensysteme, Navigation sowie die nationalen Account Manager einzelner Länder.
Als Hilfsmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen den Key Account Managern
Datenbanken zur Verfügung, in denen Erfahrungen („Lessons learned“) aus vergangenen Projekten, Kundenrückmeldungen und Kontaktpartner zur Verfügung
stehen.
EADS ASTRIUM
69
Kundenauswahl
Typische Merkmale der Kunden innerhalb der Raumfahrtbranche sind die Tätigkeit
sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene, die sehr grosse Erfahrung
sowie eine ausgeprägte eigene Technologiekompetenz. Dazu kommt das Umfeld
des nahezu monopolistischen Marktes auf dem, unter Verwendung transparenter
Ausschreibungsprozesse, die meisten Aufträge durch die öffentliche Hand vergeben
werden. Wichtigster Punkt für eine erfolgreiche Kundeneinbindung ist die generelle
Bereitschaft der Kunden am Innovationsprozess teilzunehmen. Astrium ist in der
angenehmen Lage, dass viele Kunden von selbst zu enger Interaktion motiviert
sind. Dabei spielen wissenschaftlicher Ehrgeiz, Forschungsdrang und kundenspezifische Lösungen, welche viele komplexe Entscheidungen vom Kunden selbst erfordern, eine entscheidende Rolle. Die relative Grösse der Kunden ist ebenso wie das
vorhandene Wissen sehr unterschiedlich, jedoch gibt es auf der Auftraggeberseite
eine Mindestgrösse, welche mit Rücksicht auf die Finanzierung eines Projekts nicht
unterschritten wird. Zusätzlich existieren, weil sich die Marktteilnehmer meistens
seit langem kennen, oft vielfältige Erfahrungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern.
Die Kunden sind also genau bekannt und es besteht meistens auch ein starker Wille
des Kunden, in den Prozess eingebunden zu werden. Auch ist der Informationsfluss
zwischen Auftraggeber und Aufragnehmer viel spontaner und informativer als dies
in anderen Branchen der Fall ist. Eine gezielte zusätzliche Motivation der Kunden
ist daher nicht notwendig. Ein kleiner Markt sowie viele Unikaterstellungen zwingen Astrium automatisch zu „Markets of One“, d. h. zur Erstellung von kundenspezifischen Lösungen und damit zu einer engen Zusammenarbeit mit den Kunden. Da
Kunden in der Raumfahrtindustrie über ein gewisses Grundniveau an Know-how
und Professionalität verfügen, kommen durchaus konstruktive Vorschläge von
Kundenseite. Die fachliche Kompetenz ist dabei bei der ESA mit Abstand am
stärksten ausgeprägt und mit der industriellen Kompetenz vergleichbar.
Ablauf
Die Phase A (Machbarkeitsstudie) wird von einem kleinen Team (drei bis zehn
Mitarbeiter) aus Generalisten mit Systemkompetenz durchgeführt. Die Teamzusammensetzung erfolgt basierend auf den jeweiligen Kompetenzen. Die Laufzeit
beträgt je nach Umfang des Projektes zwischen mehreren Wochen und einem Jahr.
Konkrete Aufgaben sind die Erstellung von Anforderungsanalyse, Funktionsanalyse, vorläufigen Spezifikationen sowie Konzeptvergleichen (Ideenwettbewerb, einfache Analysen). Die Zusammenarbeit mit dem Kunden läuft in dieser Phase im
70
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Rahmen eines transparenten, organisatorisch formalisierten Prozesses ab. Nach Erstellung eines Angebotes und der Auswahl als Kandidat folgen „Negotiation Meetings“ und im Falle einer Einigung ein Vertrag. Dabei ist bereits im Angebot die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation mit einem hohen Detaillierungsgrad beschrieben. Im Verlauf der Phase kommt es zu regelmässigen „Progress Meetings“,
bei denen neben Kundenvertretern aufseiten von Astrium die Projektleiter, Vertreter
des System Engineering und eventuell benötigte Experten teilnehmen. Neben diesen Treffen auf der operativen Ebene gibt es auch auf einer höher gelegenen Hierarchieebene Präsentationsveranstaltungen zur Halbzeit der Phase A. Am Ende steht
die Preliminary Requirements Review, welche eine vorläufige Anforderungsüberprüfung vornimmt.
In der folgenden Phase B ist der Personalaufwand mit 10 bis 30 Personen für das
Gesamtsystem etwas höher als in Phase A, die Teamzusammensetzung ist eine Mischung aus kreativen und strukturorientierten Mitarbeitern. Typische Laufzeiten in
Raumfahrtprojekten sind dafür sechs bis zwölf Monate. Zu den vielfältigen Aufgaben in dieser Phase zählen die vertiefte Analyse von alternativen Systemlösungen,
die Festlegung des Systemaufbruches, der Entwurf der technischen Lösungen sowie
die detaillierte Erstellung von Zeit- und Kostenplänen. Die Kundenintegration erfolgt dabei prinzipiell genau gleich wie in Phase A, d. h. anhand eines genau definierten Projektablaufes mit regelmässigen Treffen auf verschiedenen Ebenen. Zusätzlich kommen in dieser Phase teilweise auch „Residents“ des Kunden zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Experten des Kunden, welche für einen bestimmten
Zeitraum ein Büro der EADS Astrium beziehen und damit auch physisch Teil des
Innovationsteams werden. Zahlenmässig handelt es sich dabei in der Regel um ein
bis drei Personen. Generell werden die Teams auf beiden Seiten grösser und die
Frequenz der Treffen ist nun fast wöchentlich. Die Business Development Einheit
spielt in dieser Phase keine grosse Rolle mehr, ihr Schwerpunkt liegt beinahe ausschliesslich in der Geschäftsanbahnung. Bis Ende der Phase B (Produktdefinition)
ist die Kundeneinbindung am grössten. Hier kann der Kunde den grössten Gestaltungseinfluss ausüben, auch wenn die Kosten für eine Abänderung in diesem Stadium bereits beträchtliche Grössenordnungen erreichen. Zum Abschluss der Phase B
erfolgt der Systemaufbruch, d. h. das System ist definiert und es ist bekannt was
entwickelt werden muss. Es wird eine System Specification Review durchgeführt,
um in die eigentliche Entwicklungsphase eintreten zu können.
Die zentrale Entwicklungsphase ist in zwei Teilschritte unterteilt. Phase C führt
vom Entwurf zur Entwicklung. An ihrem Ende ist die Gesamtentwicklung abgeschlossen und der Beginn der Fertigung möglich. Alle Spezifikationen, Pläne und
Fertigungsunterlagen können eingefroren werden. Ermöglicht wird dies durch um-
EADS ASTRIUM
71
fangreiche Detailanalysen und -entwicklungen, den Bau von Entwicklungsmodellen
sowie die Festlegung aller Pläne. Die Teamgrösse hängt stark vom jeweiligen Projektziel und -typ ab. Für Satellitenprojekte liegt sie meistens zwischen 50 und mehreren 100 Mitarbeitern. Die Zusammensetzung unterscheidet sich von den vorhergehenden Phasen dahingehend, dass der Schwerpunkt nun auf Fachspezialisten und
weniger auf Kreativen und Generalisten liegt. Die Einbindung der Kunden erfolgt
prinzipiell wie in Phase B allerdings mit abnehmender Intensität. So übernimmt der
Kunde beim Aufbau des Engineering Models beispielsweise nur mehr eine Beobachterrolle. Astrium ist aber auch in den Phasen C/D ständig im Kontakt mit dem
Kunden. Die primäre Aufgabe liegt aber in der Entwicklung gemäss (gemeinsam
erstellter) Spezifikation. Phase D (Fertigung, Zusammenbau, Abnahme des Produktes) ist allerdings nicht mehr Teil der Innovationsfrühphase und wird daher nicht
näher betrachtet.
Betrachtet man den Ablauf der Frühphase bei Science Projekten, wie sie typischerweise mit der ESA durchgeführt werden, so beginnt dieser mit einer „Ideenphase“
noch vor Phase A. Die ESA entwickelt gemeinsam mit Wissenschaftlern Missionsideen (z. B. Beobachtung extraterrestrischer Planeten zur Beantwortung der Frage,
ob es Spuren von Leben gibt). Die EADS Astrium ist dabei nur in Ausnahmefällen
dabei. Gelegentlich wird eine Idee oder Anregung von Astrium an die ESA herangetragen. Das bedeutet, dass diese typischen Wissenschaftsmissionen zu Beginn
durch die langfristige Planung der ESA (Zeithorizont rund 20 Jahre) und damit
durch Wissenschaftler getrieben sind und die Industrie dabei eine eher passive bzw.
reaktive Rolle innehat. Workshops, welche in diesem Umfeld abgehalten werden,
werden von der ESA angestossen und durchgeführt. Für Projekte der Erdbeobachtung sieht die Situation etwas anders aus. Es kommt dabei zu einer engen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern (z. B. Universitäten oder Max Planck-Institut) und
dem deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), um Szenarien aktiv zu beeinflussen. Astrium veranstaltet hier auch eigene Workshops, um beispielsweise
zukünftige Bedürfnisse für Meteorologie und Klimaforschung zu diskutieren.
Bei der ESA wird Wert auf grosse Prozesstransparenz gelegt und deshalb wird in
einer Vielzahl von Dokumenten und Regelwerken (European Cooperation for Space
Standardization ECSS) die Interaktion zwischen der ESA und ihren Auftragnehmern festgelegt. Allgemeine Leitlinien für die Kundeneinbindung auf operativer
Ebene sind auch in den ECSS-Dokumenten unternehmensübergreifend geregelt.
Gerade auf operativer Ebene werden sämtliche Kommunikationsmittel eingesetzt,
bevorzugt wird aber der persönliche Kontakt oder das Telefon. Mindestens einmal
pro Woche findet eine Kontaktaufnahme statt, um auch über Fortschritte oder Änderungen von Kundenseite her informiert zu bleiben. Der persönliche Kontakt wäh-
72
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
rend der B/C/D-Phasen kann oft einfach über die ständig vor Ort anwesenden Mitarbeiter des Auftraggebers hergestellt werden. Astrium versucht, stets die eigene
Projektorganisation an die des Kunden anzugleichen. Man ist auf beiden Seiten bestrebt, die Kommunikationswege kurz zu halten, sodass auch ein spontaner und ungezwungener Informationsfluss stattfinden kann. Der Projektleiter ist in persona
Bestandteil des geschlossenen Vertrages (welcher z. B. auch Lebensläufe der
Schlüsselpersonen beinhaltet). Ansprechpersonen müssen somit sorgfältig und klar
schon im Voraus bestimmt werden.
Management der frühen Kundenintegration
Die Motivation der Kunden stellt im Falle der ESA bzw. der Erdbeobachtung kein
Problem dar. Aufseiten der Kunden arbeiten überwiegend Naturwissenschaftler und
Ingenieure, welche schon alleine aufgrund ihrer persönlichen Mentalität und Interessen gerne an den F&E-Prozessen teilnehmen wollen. Dabei gilt es für die Astrium allerdings einige Punkte zu beachten. Prinzipiell sind die Kunden keine Angestellten des Herstellers und können bzw. wollen keine Verantwortung für den Verlauf der Entwicklung übernehmen, diese sehr wohl aber aktiv mitgestalten. Ob
Astrium daher von ihrer Teilnahme profitiert, hängt vom Geschick des Projektleiters ab. Die ganze Bandbreite von einer wirklichen Mitarbeit bis hin zu einer kontraproduktiven Einmischung ist möglich. Prinzipiell neigen Kunden eher dazu, eine
Lösung zu kritisieren, als konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Kontrolle
durch genaues Betrachten des Kunden und seiner Aktivitäten ist notwendig.
Die oben beschriebenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses werden durch
zwei Ausschreibungsvorgänge abgedeckt. Für die Projektphase A beträgt die Ausschreibungsdauer typischerweise sechs bis acht Wochen, für die B/C/D-Phasen drei
Monate. Kundenkontakte während der Ausschreibungsphase in Form allfälliger
Rückfragen an die ausschreibende Stelle sind zwar erlaubt, doch werden anschliessend sowohl Frage als auch Antwort anonymisiert und an alle Teilnehmer weitergeleitet. Die Ausschreibungsdauer wird von allen Teilnehmern als äusserst kurz wahrgenommen. Daher sind gute Kundenkontakte schon vor der offiziellen Ausschreibung notwendig, weil auf diesem Wege wichtige Vorinformationen zur Ausschreibung gesammelt werden können. Dies geht teilweise so weit, dass schon vor Bekanntgabe der Ausschreibung bei EADS Astrium Projektteams zusammengestellt
und Anforderungen, welche das Projekt erfüllen muss, festgelegt werden. Finanziert
wird diese Tätigkeit durch einen speziell dafür geschaffenen „Proposal Fonds“,
welcher das EADS-interne Angebotsbudget verwaltet.
EADS ASTRIUM
73
Einmal pro Jahr wird mit den Hauptkunden eine „Customer Satisfaction Review“
durchgeführt, um Rückmeldungen zu bestimmten Projekten, aber auch zur generellen Arbeitsweise von Astrium aus Kundenperspektive erhalten. Ebenfalls jährlich
veranstaltet Astrium ein internes „Business Development Seminar“, in welchem
sich alle Business Development Mitarbeiter sowie einige Mitarbeiter aus anderen
Business Units treffen. Dort werden Erfahrungen, Prozessverbesserungsvorschläge
und Pläne für das folgende Jahr besprochen. Zur Kontrolle der Kundenintegrationsprozesse werden hochrangige Reviews durchgeführt. Diese basieren auf Überprüfungsmeilensteinen durch projektfremde Personen, welche vom Kunden durchgeführt werden. Aufseiten der Astrium nehmen daran nur Mitglieder des Managements teil.
Im gesamten Unternehmen wird besonderer Wert auf intensive Kundenbeziehungen
gelegt und es findet ein ausgeprägter bilateraler Informationsfluss mit den Kunden
statt. Die Übergabe von akquirierten Aufträgen durch Business Development Einheiten zur Entwicklungsabteilung von Astrium erfolgt für den Kunden transparent.
Erfahrungen aus vergangenen Projekten werden beispielsweise in internen Knowledge-Datenbanken systematisch festgehalten und verarbeitet. Es finden auch regelmässige Treffen statt und am Projektende tritt das Business Development für den
Kunden wieder verstärkt in Erscheinung, um die Kundenzufriedenheit zu erfragen
und „Lessons learned“ zu besprechen.
3.3.4
Zusammenfassung
Im Sinne der Dreiteilung des frühen Innovationsprozesses in Gelegenheits-, Ideenund Konzeptphase werden bei der Kundenintegration der EADS Astrium im Rahmen wissenschaftlicher Projekte alle drei Felder abgedeckt. Die Gelegenheit entspricht dem ursprünglichen Missionsgedanken (z. B. extraterrestrische Beobachtung). Das „Mission Statement“ enthält neben dem eigentlichen Ziel der Mission oft
auch schon eine technischer Idee bzw. findet sich diese innerhalb der einzelnen betrachteten Technologien. Das Konzept entspricht bei Astrium dem Entwurf, welcher
das Ergebnis des iterativen Prozesses der Phasen A und B darstellt und zu Beginn
der Phase C in seinen wesentlichen Punkten feststeht. Die abschliessende Entwurfsüberprüfung erfolgt dann mit der Critical Design Review ungefähr zur Halbzeit der
Phase C. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden in einem typischen ESA-Projekt
beginnt also mit dem Preliminary Mission Definition Document. Darin ist die erste
grobe Vorstellung der ESA festgehalten. Im Rahmen der Phase A erfolgt nun eine
Überprüfung der Machbarkeit und dabei eine Präzisierung der Anforderungen. Dies
passiert in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden. Alle sechs Wochen kommt es
74
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
zu Progress Meetings und zur Halbzeit zu einem Midterm Treffen. Die Rolle der
ESA wäre prinzipiell mit dem Einsammeln der Lösung erfüllt, aber da sie über sehr
gut ausgebildete, interessierte Experten verfügt, welche sich auch aktiv in den Prozess einbringen wollen, kommt es zu einer gemeinsamen Konzeptentwicklung.
Generell findet im Bereich der Kundeneinbindung häufig eine informelle Kommunikation bei verschiedenen Anlässen statt. Es sind beispielsweise jährliche Direktorentreffen zu nennen, bei denen die Führungsebene von Astrium mit Führungskräften der wichtigen Auftraggeber zusammentrifft und so ein genereller Austausch von
Informationen stattfinden kann. Auf operativer Ebene, bei konkreten Projekten, ist
der Kundenkontakt am intensivsten und es finden regelmässige Besprechungen und
Reviewmeetings statt. Bemerkenswert ist die Besonderheit, dass einige ESAMitarbeiter während des gesamten gemeinsamen Innovationsprojektes bei EADS
Astrium Büroräume nutzen, um aus erster Hand Informationen zu erhalten bzw.
Einfluss zu nehmen (intern wird diese Form der Zusammenarbeit teilweise „fürsorgliche Belagerung“ genannt). Als Fazit lässt sich feststellen, dass Astrium die
Spezifikation bei ganz neuen Entwicklungen gemeinsam mit der ESA festlegt. Die
ESA als Kunde setzt zunächst einen sehr weitgehenden Rahmen, welcher schliesslich gemeinsam im Sinne der notwendigen Detaillierung ausgefüllt wird. Dabei führen die hohen Anforderungen des Kunden einerseits zur Notwendigkeit von Innovationen und andererseits zur kooperativen Realisierung derselben. Der Kunde greift
also durch Vorgaben und direkten Input in den Innovationsprozess ein, lässt aber
dem Hersteller Freiräume bei der technischen Umsetzung.
Abbildung 14 gibt einen zusammenfassenden Überblick der frühen Kundenintegration bei EADS Astrium.
EADS ASTRIUM
Warum? Ziele
¾ Minimierung des Entwicklungsrisikos
¾ Nutzung der Kompetenzen des Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie zur Kontrolle
Wann? Phase
¾ Als Anstoss am Beginn der Gelegenheitsphase und im Verlauf der Machbarkeitsstudie
¾ In der Ideenphase zur Abstimmung der Missionsziele und der erforderlichen Systemspezifikation; in der
Spezifikationsentwurfphase zur Festlegung der detaillierten Spezifikation
¾ In der Konzeptphase zur Verfeinerung und Validierung der Anforderungen
Wen? Kundencharakteristika
¾ Auftraggeber mit grosser Expertise im Bereich der Kernkompetenz von Astrium, insbesondere die europäische
Weltraumagentur ESA
Wie? Prozesscharakteristika
¾ Business Development Einheiten und Key Account Management zur Sicherstellung einer permanenten Betreuung des
Kunden
¾ Operative Einbindung im Rahmen der Projekte durch regelmässige Treffen und Review Meetings bzw. durch „Residents“,
welche im Gebäude der Astrium arbeiten
¾ Genau spezifizierte öffentlich zugängliche Ausschreibungen und Prozessabläufe
Besonderheiten
¾ Im Bereich der betrachteten Wissenschaftsprojekte Fokussierung auf einen zentralen Kunden
¾ Kunde steuert durch die Spezifikation der genauen Anforderungen in der Innovationsfrühphase vor dem Beginn des
eigentlichen Entwicklungsprozesses
Abbildung 14: Übersicht der frühen Kundenintegration der EADS Astrium
75
76
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
3.4
Hilti Diamond Systems
3.4.1
Rahmenbedingungen
Hilti wurde 1941 gegründet und entwickelte sich von einem kleinen Familienunternehmen zu einem weltweit tätigen High-Tech-Konzern. Durch die Martin Hilti Familienstiftung wird die Firma noch immer von der Familie Hilti kontrolliert. Hilti
operiert in mehr als 120 Staaten und hat mehr als 14.000 Mitarbeiter. Rund zwei
Drittel aller Angestellten arbeiten in den Marktorganisationen, d. h. in Verkauf, Beratung und Service. Die 1.500 Mitarbeiter umfassende Zentrale liegt in Schaan,
Liechtenstein. Hilti versteht sich selbst als weltweiter Partner für Profis am Bau.
Firmenziel ist es, die Produktivität der Kunden durch das Angebot technologisch
führender Produkte und Systeme zu erhöhen. Die Produktpalette umfasst Drilling
und Demolition, Direct Fastening, Diamond Systems, Anchoring Systems, Firestop,
Installation, Positioning, Screw Fastening Systems sowie Cutting & Sanding. Die
drei Hauptsäulen von Hiltis Strategie sind Innovationsexzellenz, direkte Kundenbeziehungen und effektives Marketing. In die F&E werden jährlich rund 4,5 % des
Gesamtumsatzes investiert, d. h. ca. 136 Mio. CHF. Der Grossteil davon sind Ausgaben für interne Forschungstätigkeiten, nur ein Anteil von ca. 20 % betrifft externe
Projekte. Die F&E-Struktur enthält verschiedene Bereiche wie CuttingTechnologies (Abbaumethoden), Drive-Technologies (Antriebsmotoren), Elektronik und Materialien. Für einzelne Projekte wird aus den verschiedenen Pools jeweils ein passendes Team zusammengestellt, wobei die F&E-Abteilung als Profitcenter agiert.
Die besondere Beziehung zu den Kunden zeigt sich auch in der Firmenmission, in
der unter anderem folgende Aussagen enthalten sind: „Wir wollen die besten Partner unserer Kunden sein. Ihre Anforderungen bestimmen unser Handeln.“ Hilti legt
grossen Wert auf Innovationen, um ihre führende Stellung im Premiumsegment des
Marktes zu halten. Dies zeigt sich nicht nur in der wichtigen Rolle, welche die
Grundlagenforschung spielt, sondern auch in Hiltis Value Proposition (= Hilti
Mehrwert) als Kombination von qualitativ hoch stehenden Produkten und Kundenservices. Deshalb werden gezielt neben Produkt- auch Dienstleistungsinnovationen
angestrebt.
HILTI DIAMOND SYSTEMS
77
Organisatorisches Umfeld
Die Organisation besteht aus Geschäftseinheiten (Business Units), welche zu Geschäftsfeldern (Business Areas) zusammengefasst sind. Daneben gibt es firmenübergreifende Funktionsbereiche (Corporate Functions). Die grossen Marktorganisationen, mit mehr als zwei Dritteln aller Mitarbeiter, sind für Vertrieb und Marketing in den jeweiligen Ländern zuständig. Dieser Marktschwerpunkt ist ein Ergebnis
von Hiltis Direktverkaufskonzept.
Der Bereich Hilti Diamond Systems macht rund 10 % des Gesamtumsatzes der Hilti
aus. Zur Produktpalette gehören Geräte aus den Bereichen Kernbohrung, DiamantSägen sowie Trenntechnik und Oberflächenbehandlung. Das Marktpotenzial für Diamantprodukte besteht zu ca.75 % aus Verbrauchsmaterialien, den so genannten
Consumables. Neben Diamantprodukten bietet Hilti den Kunden auch umfangreiche Serviceleistungen, welche je nach Kundengruppe differenziert angeboten werden. Diese Leistungen bilden einen wesentlichen Teil des Mehrwertes, welchen Hilti ihren Kunden bietet (Hilti Value Proposition).
Als Ergebnis ihrer Innovationsbemühungen konnte die Diamanttechnik in jüngster
Vergangenheit etliche Erfolge feiern. So wurden in den letzten drei Jahren sechs
komplett neue Produkte entwickelt sowie zahlreiche weitere Verbesserungen erzielt. Neue Produkte machen rund 30 % des Umsatzes aus. Als Beispiel sei das Modell DD EC-1 erwähnt, bei dem eine Leistungssteigerung von bis zu 100 % und eine verbesserte Handlichkeit erreicht werden konnten. Möglich wurde das einerseits
durch eine Kombination von sehr hoher Drehzahl mit einem innovativen Bewegungsablauf der Bohrkrone. Zudem wurde das Gerät, erstmalig in seiner Klasse, mit
einer weitgehend unabhängigen Wasserversorgung ausgerüstet, in der das Bohrwasser gefiltert und dem System wieder zugeführt wird.
In den Marktorganisationen sind im Marketing Produktmanager für die einzelnen
Produktbereiche (z. B. Diamond, Bohrmontage, Anchoring) etabliert, deren Hauptaufgabe die Umsetzung der Product Leadership Strategy darstellt. Eine so genannte
Trade-Initiative bündelt nun Produkte aus verschiedenen Business Units für ein
spezielles Kundensegment und erstellt damit einen „Product Basket“. Dies bedeutet,
dass nicht mehr die einzelne Produktfamilie im Vordergrund steht, sondern die Anwendungskette des Kunden. In diesem Sinne gibt es beispielsweise einen Trade Interior Finishing, der sämtliche Produkte verschiedener Business Units und Areas
umfasst, welche für Tätigkeiten im Bereich des Innenausbaus benötigt werden. Im
Bereich der Diamond Systems wurde der Trade Diamond Service Contractor (DSC)
eingerichtet. Dabei handelt es sich um einen Spezialfall, da er sich zu 80 % aus Diamond-Produkten zusammensetzt und daher in der Business Unit Diamant-Technik
78
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
angesiedelt ist. Neben der klassischen Marketing Struktur wird gerade damit begonnen, innerhalb der Marktorganisationen auch einen Trade Marketing mit eigenen Trade-Verantwortlichen aufzubauen. In dieser neuen Organisation ist ein Heavy-User-Verkäufer für Diamond Service Contractors oder Baufirmen mit eigenen
Diamantabteilungen nicht mehr für eine bestimmte Region, sondern für einen Trade
zuständig. So wird es beispielsweise in der Marktorganisation Deutschland im Heavy-User-Bereich 15 „Tradespezialisten“ unterstützt von zwei Field Engineers geben.
Externes Umfeld
Diamanttechnik ist eine Technologie, welche lange auf demselben Niveau stagnierte. Über viele Jahre wurden deswegen hauptsächlich Anstrengungen unternommen,
um auf der Herstellerseite die Kosten zu senken. Es fanden dadurch vor allem inkrementelle Verbesserungen statt. Die Kerntechnologie der Diamantgeräte (Universalmotor oder konventioneller Drehstrommotor) war aber die Gleiche geblieben. In
den letzten Jahren gelang jedoch ein grosser Sprung, indem mit Hochfrequenzmotoren eine neue Motorentechnologie eingesetzt wurde. Ausgelöst wurde diese Innovation durch erhöhte Kundenanforderungen bezüglich Produktivität und Handling.
Auch bei der Abbautechnik gab es Verbesserungen. Dieser Schritt war notwendig
geworden, da ein Punkt erreicht worden war, an dem selbst geringe Fortschritte
kaum noch erzielt werden konnten und es daher immer schwerer geworden war,
sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Im Allgemeinen ist die Dynamik aber
eher gering, die Entwicklung der Werkzeuge läuft in der Regel kontinuierlich ab,
radikale Sprünge, wie der auf die neue Motorentechnologie, sind nicht regelmässig
zu erwarten.
Betrachtet man das Marktumfeld, so ist Hilti in diesem Segment eines der wenigen
Unternehmen, welches in der Lage ist, den gesamten Kundenprozess abzudecken.
Darüber hinaus investiert Hilti im Vergleich massiv in die F&E und damit in Innovationen. Einer der grössten Konkurrenten von Hilti Diamond Systems ist Tyrolit,
ein Unternehmen der Swarowski-Gruppe. Allerdings haben sich zwei weitere Konkurrenten vor kurzem zusammengeschlossen und sind nun umsatzmässig doppelt so
gross wie Hiltis Diamant-Division. Auch auf dem Gebiet der Verbrauchsgüter
(Consumables) gibt es zwei bis drei grosse Wettbewerber und Hauptkonkurrenten.
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Motorenbereich, wo es eine Vielzahl an kleinen
und nur zwei bis drei grosse Anbieter gibt. Hilti stellt Motoren selbst her oder entwickelt sie zusammen mit ihren Schlüssellieferanten. Für die nächsten Jahre lässt
sich ein starker Trend zur Konsolidierung des Marktes, d. h. zu Zusammenschlüssen
oder Akquisitionen, erkennen. Hilti konzentriert sich allerdings auf Wachstum aus
HILTI DIAMOND SYSTEMS
79
eigener Kraft und zielt dabei auf eine führende Position und einen weltweit signifikanten Marktanteil ab. Hilti ist die Innovationsführerin ihrer Branche, wobei die Innovationen meistens unter Mitwirkung spezieller Kunden generiert werden. Vereinfacht ausgedrückt kommt die Idee vom Kunden und die Lösung von Hilti. Die Trockenabbau-Lösung des Modells PCC stellt ein Beispiel für eine aktive Kundenintegration dar. Sie kam dadurch zustande, dass Kunden in Kernkraftwerken Probleme mit anfallendem Bohrschlamm und den enormen Kosten bei dessen Entsorgung
haben. Der Kunde suchte deshalb nach einem Weg, die Bohrungen ohne den Anfall
von Schlamm vornehmen zu können. Hilti veranstaltete daraufhin einen Workshop
zur Problematik des Rückbaus kerntechnischer Anlagen. Teilnehmer waren zwei
verschiedene Kunden, zwei Dienstleister, ein Atomkraftwerksexperte, der Vertriebsleiter, der für das F&E-Projekt verantwortliche Manager aus der Forschung,
der Verantwortliche für das Technologieprojekt aus der Entwicklung sowie der Leiter des Trades Diamond Service Contractor. Gemeinsam wurden die Problemstellung konkretisiert sowie erste Ideen und Lösungsansätze generiert. Nach mehreren
Versuchen mit Prototypen, konnten die ersten Lösungen den Kunden vorgestellt
werden. Darauf aufbauend gelang es Hilti, die so genannte PCCTrockenabbaulösung weiterzuentwickeln und damit, mithilfe von Ideen und Anregungen der Kunden, eine wesentliche Innovation im Trockenabbau zu erzielen.
3.4.2
Innovationsprozess
Der Innovationsprozess bei Hilti setzt sich aus drei Teilen zusammen: dem F&EProjekt, dem Technologie-Projekt und dem Time-to-Money-Projekt. Die letzte Phase lässt sich ihrerseits in fünf Schritte (Definitionsphase, Konzeptphase, Designphase, Launch-Vorbereitungsphase und Markteinführungsphase) und sechs Gates unterteilen, wobei für die Frühphase nur die beiden ersten Schritte bis hin zur Konzeptphase relevant sind (vgl. Abb. 15). Am Anfang steht das so genannte F&EProjekt. Es umfasst einerseits die Erfassung der Kundenbedürfnisse über allgemeine
Marktforschung und andererseits die Grundlagenforschung der eigenen Forschungsund Entwicklungsabteilung. Als ein mögliches Instrument werden Fokusgruppen
eingesetzt, welche von einem externen Institut befragt werden. Ebenso kommen
Lead-User-Workshops oder Kundeninterviews infrage, um Probleme und Anliegen
der Kunden detailliert zu erfassen. Mittels Quality Function Deployment (QFD)
werden diese Bedürfnisse dann nach ihrer Wichtigkeit klassifiziert. Das F&EProjekt ist zentral innerhalb der Forschung angesiedelt, ebenso wie die erste Hälfte
des Technologieprojektes. Die zweite Hälfte des Technologieprojektes erfolgt dann
dezentral in den jeweiligen Entwicklungsabteilungen der Business Units. Das ge-
80
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
samte Time-to-Money-Projekt wird dann gemeinsam zwischen Entwicklung und
Marketing (ebenfalls dezentral in den Business Units) abgewickelt.
Früher Innovationsprozess
Gelegenheitsphase
F&E-Projekt
Technologieprojekt
Ideenphase
Definitionsphase
Konzeptphase
Konzeptphase
Abbildung 15: Frühphase des Innovationsprozesses der Hilti Diamond Systems
F&E-Projekte sind stark intern getrieben und finden nur bei neuen Technologien
statt. Basierend auf einem Problem des Kunden (z. B. Trockenbohren in armiertem
Beton) wird ein Problem definiert, für welches dann eine Lösung gesucht wird. Neben diesen Anwendungsproblemen kann auch die Suche nach Einsparungspotenzialen den Anstoss zur Entwicklung bzw. Suche neuer Technologien geben. In beiden
Fällen kommen zur Durchführung des Projektes praktisch keine konzeptionellen
Vorschläge von Kundenseite. Das Time-to-Money-Projekt beginnt erst dann, wenn
alle relevanten Risiken aus einer Technologie ausgeschaltet sind.
3.4.3
Kundenintegration
Grundlagen
Die Hilti Unternehmensstrategie „Champion 3C“ – „Customer“, „Competence“ und
„Concentration“ – richtet das Unternehmen klar auf die Bedürfnisse der Kunden
aus. Seit mehr als fünf Jahren orientiert sich Hilti an dieser Strategie. Der Kunde
steht dabei an erster Stelle, daher der Buchstabe C für das englische Wort Customer. Konzentration auf Key-Kunden und auf die Lösung ihrer Probleme lautet das
Rational. Die zentrale Bedeutung des Kunden spiegelt auch Hiltis Organigramm
wider. Der Kunde steht zuoberst, bedient durch die Regionen und Märkte. Hilti
Mitarbeiter werden intensiv geschult, um Kundenanforderungen mit gezielter Beratung und Anwendungs- bzw. Produktwissen optimal erfüllen zu können. Die Strategie Champion 3C steht dabei in allen Bereichen im Mittelpunkt, so auch in der
Konzernforschung und Entwicklung. Die Entwickler haben ebenfalls direkten Kun-
HILTI DIAMOND SYSTEMS
81
denkontakt, um ein besseres Marktverständnis zu entwickeln. Auch die Vertriebskanäle richten sich stets auf maximalen Kundennutzen aus. Hilti offeriert seinen
Kunden einzigartige Kompetenz (zweites C von Competency): Die Produkte, Systeme und Serviceangebote zeichnen sich durch richtungsweisende Innovationen und
umfassende Qualität aus. Hilti versteht sich als kompetenter Ansprechpartner für
den Profi am Bau. Das dritte C steht für Concentration, also Konzentration. Diese
findet sich sowohl bei den Märkten als auch den Produkten und ermöglicht Hilti,
ein Führungsrolle zu übernehmen und zu behaupten. Das Unternehmen konzentriert
sich auf Produkte und Märkte mit und in denen es Führungspositionen erlangen und
halten kann. Man setzt also nicht auf so genannte „Me-too-Produkte“. Hilti will in
den Märkten, in denen sie tätig ist, die Nummer eins, zwei oder drei sein. Dies erfordert massive Investitionen, um die Rolle der Innovationsführerin zu behalten.
Um die Zufriedenheit der Kunden, aber auch die interne Effizienz weiter zu steigern, hat Hilti weltweit einheitliche Geschäftsprozesse definiert. Die Strategie wird
konkretisiert durch die drei Stossrichtungen „Product Leadership“, „Market Reach“
und „Operational Excellence“. Zur Messung der Effizienz dieser Bemühungen werden Messgrössen wie der Binding-Index (Wie stark ist der Kunde mit dem Produkt
an Hilti gebunden?) oder auch der HILTI-Fan-Index (Würde uns der Kunde uneingeschränkt weiterempfehlen?) herangezogen.
Diese Zuwendung zum Kunden manifestiert sich ganz deutlich durch die Aktivitäten im Servicebereich der Hilti Diamond Systems. Nicht nur die physischen Produkte, sondern auch die Dienstleistungen sollen auf den jeweiligen Kunden angepasst werden. Im Rahmen einer neuen Servicestruktur wird gerade ein dreistufiges
Partnerschaftsmodell aufgebaut. Darin werden Standard-Partner, Advanced-Partner
und Top-Partner unterschieden (vgl. Abb. 16). Der Standardkunde kann aus der
kompletten Produktpalette auswählen und profitiert von diversen Dienstleistungen
wie 2-Jahre-Reparaturservice, 24-h-Lieferservice für Werkzeuge oder VorortBeratungen. Dieses Angebot wird beim Advanced Service durch ein Fleet Management ergänzt. Beim Top Service wird dann unter anderem die direkte Einbindung
in den Innovationsprozess sowie Projektunterstützung und Mitgliedschaft im Hilti
Top Club angeboten. Die Preise für die einzelnen Produkte und Serviceangebote
werden dabei mit steigenden jährlichen Abnahmemengen immer attraktiver und
sind international harmonisiert.
82
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Top
Advanced
Standard
¾ Basisprogramm
¾ Einmalgeschäft
¾ < 15% des
jährlichen Bedarfs
¾ Spitzenprogramm
¾ Loyalitätsübereinkommen
¾ > 30%des
jährlichen Bedarfs
¾ Erweitertes
Programm
¾ Lieferung von
Werkzeugen
¾ 15 bis 30 % des
jährlichen Bedarfs
Entwicklung der Partnerschaft
Basis Service
24-Stunden-Service
Testgeräte
Ferndiagnostik
Top Service
Leihgeräte
Flottenmanagement
Trockenbohreinsätze
Projektengineering
Abbildung 16: Partnerschaftsniveaus für Diamond Service Contractors
der Hilti Diamond Systems
Für Hilti liegt der grosse Vorteil der Kundeneinbindung in den Innovationsprozess
darin, dass man die Entwicklung schneller vorantreiben kann und eine grössere Sicherheit hat, kundengerechte Produkte zu entwickeln. Produkte müssen baustellentauglich sein, deshalb muss auch schon während der Entwicklung das Produkt zusätzlich zum Labor auf der Baustelle getestet werden. Wichtig ist, dass man schon
früh mit Prototypen zum Kunden geht bzw. den Kunden bei der Entwicklung des
Prototypen einbindet, um so die Effizienz der Entwicklung zu steigern und die Anzahl der notwendigen Änderungen zu reduzieren. Der Kunde soll deshalb so schnell
wie möglich das Produkt – am besten im Einsatz direkt auf der Baustelle – testen
können.
Ziel ist es, dem Kunden Mehrwert durch Produkte und Serviceangebote zu bieten.
Grundlage dafür ist, dass mit den Produkten ein deutlicher Mehrwert erzielt werden
kann. Durch das Angebot an speziellen Services soll dem Kunden der nötige Wettbewerbsvorteil geboten werden. Dies erfolgt durch das Top-Service-Angebot, welches in den meisten Märkten Flottenmanagement als tragende Säule hat.
HILTI DIAMOND SYSTEMS
83
Hiltis Kultur basiert auf einem strengen Ethikkodex und steht für Seriosität und
Ehrlichkeit. Der Kunde sollte wann immer möglich dieselben ethischen Grundsätze
vertreten. Fokuskunden sind im Speziellen Kunden bei denen Loyalität und Partnerschaft ebenfalls eine zentrale Rolle in ihrem Geschäftsverständnis spielen. Das gemeinsame Ziel sollte eine langfristige Partnerschaft sein, welche auf dem Prinzip
des „Value for money“ beruht. Dabei ist beiderseitiges Commitment sehr wichtig.
Die Vertrauenskultur zum Kunden wird oft durch persönlichen Kontakt aufgebaut
(z. B. kennt man die Geschäftsführer persönlich). Auch Gegenseitigkeit, im Sinne
von Profit für beide Seiten, stellt ein Ziel dar. Die Kunden sollen darüber hinaus
Meinungsbildner sein und so die Hilti-Produkte für weitere Unternehmen attraktiv
machen.
Organisation
Kundenauswahl
Hilti ist im Bereich Diamantdienstleister prinzipiell auf grosse und mittlere Kunden
fokussiert. Die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz findet über die Qualität
statt und zielt auf Partnerschaften, welche in eine Win-Win-Situation münden. Hilti
teilt die Kunden prinzipiell in zwei Kategorien ein, das Profi-Segment
(Dienstleister) und das Mainstream-Segment des Bauhaupt- (z. B. die Firma HochTief)- und Nebengewerbes (z. B. Installateure und Elektriker). Gerade im ProfiSegment verfügt Hilti über sehr genaue Kenntnisse ihrer Kundenstruktur. Zahlenmässig handelt es sich dabei in den deutschsprachigen Ländern um rund 1.200
Kunden in Deutschland, 300 in der Schweiz und 200 in Österreich. Die Pflege der
Beziehungen ist Hilti ein zentrales Anliegen und wird entsprechend intensiv und
gründlich betrieben. So werden Grosskunden beispielsweise regelmässig an den
Hauptsitz nach Schaan eingeladen.
Die Profi-Kunden – im Falle der Diamond Systems die so genannten Diamond Service Contractors (DSC)12 – werden verstärkt in den Innovationsprozess miteinbezogen. Der professionelle Anwender kann die Qualität der Produkte, im Besonderen
der Consumables sehr schnell und kompetent beurteilen. Die Produktentwicklung
geschieht für Diamond Service Contractors und Mainstream-Segment jedoch gemeinsam. Teilweise werden die Diamantwerkzeuge und Systeme dann in leicht abgewandelter Form für Dienstleister und Mainstream-Kunden auf den Markt gebracht. Diese zweistufige Marktbearbeitung – zunächst „Formel 1“ und anschlies12
Unter dem Begriff Services Contractor (= Dienstleister) werden neben den unabhängigen Dienstleistern
auch noch integrierte Dienstleister, d. h. eigene Gruppen innerhalb grosser Baufirmen, verstanden.
84
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
send Volumengeschäft – ist auch sehr wichtig für die strategische Positionierung,
um die getätigten Innovationsinvestitionen optimal zu nützen.
Prinzipiell sucht Hilti-Kunden, welche eine echte Partnerschaft eingehen wollen,
sodass der Aufbau einer Win-Win-Beziehung möglich ist. Der Kunde soll loyal und
vertrauenswürdig sein, da dadurch die Penetration und Profitabilität (von Hilti bei
und mit diesen Kunden) steigt. Die Grösse des Kunden spielt gerade für den Markt
der Diamond Service Contractors ebenfalls eine zentrale Rolle. Hilti konzentriert
sich stark auf die grossen Player der Branche. Dabei möchte Hilti Meinungsbildner
für sich gewinnen, welche dazu beitragen, die Bekanntheit bei weiteren potenziellen
Kunden zu steigern. Daneben spielen auch Wissen und Kompetenz eine wesentliche
Rolle, um den Kunden sinnvoll in den Innovationsprozess involvieren zu können.
Daher sind diese Fähigkeiten der Kunden auch ein zentrales Kriterium bei der Kundenauswahl. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Fokusgruppen und
Lead-User sind die regionalen Unterschiede. Es reicht nicht, nur Kunden aus dem
deutschsprachigen Raum zu befragen, da Kunden beispielsweise in den USA oder
Japan ganz andere Bedürfnisse haben können. Prinzipiell erfolgt der direkte Erstkontakt in den meisten Fällen über die Business Units und ihre lokalen Organisationseinheiten.
Ablauf
Kunden spielen im Verlauf des gesamten frühen Innovationsprozesses der Hilti Diamond Systems eine wesentliche Rolle. Dies beginnt im F&E-Projekt, wo sie als
Bedürfnisträger und Ideengeber auftreten. In den späteren Phasen, wenn bereits
konkrete Vorstellungen über das Produkt bestehen, geht die intensive Kundeneinbindung weiter – durch Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und Feldtests von
Prototypen, so genannte Customer Acceptance Tests (CAT). Diese Schritte der
Kundenintegration werden im Folgenden näher beleuchtet.
Die F&E-Projekt-Phase entspricht bei Hilti einer reinen F-Phase und beinhaltet
noch keine eigentliche Entwicklung. Forschungsprojekte werden durch Ideen und
Kundenbedürfnisse angestossen. Die eigentliche Marketingabteilung ist dabei noch
wenig involviert, da eine allgemeine Marktorientierung und weniger gezielte Marktforschung dominiert. Diese Marktorientierung geschieht bei Hilti vor allem über das
eigene, weltumspannende Vertriebsnetz, welches sich direkt an den gewerblichen
Endverbraucher richtet. Je nach Bedürfnis stehen den Verkaufsberatern lokale Hilti
Center oder der telefonische Kundendienst des entsprechenden Landes zur Verfügung. Der Direktvertrieb ist ein sehr starkes Instrument, um Kundenanforderungen
besser zu verstehen sowie langfristige Beziehungen aufzubauen. Als nächster
HILTI DIAMOND SYSTEMS
85
Schritt schliesst sich als zweite Phase ein so genanntes Technologieprojekt an. Dafür muss das F&E-Projekt soweit fortgeschritten sein, dass die Entwicklung eines
konkreten Produktes möglich ist. Es kommt dabei nun zu einer starken Interaktion
zwischen Produktentwicklung und Marketing. Bereits in diesem frühen Stadium
werden, zur Vorbereitung der folgenden Phase, erste Marktzahlen erhoben und Abschätzungen der Marktpotenziale durchgeführt. In diesem zweiten Prozessschritt
werden das neue bzw. verbesserte Produkt entwickelt und erste Baumuster angefertigt. Diese stehen am Beginn der dritten Phase, dem Time-to-Money-Projekt. Hier
ist wiederum die Interaktion mit dem Kunden entscheidend. Grundsätzlich wird das
Ziel verfolgt, den Lead-Usern möglichst schnell einen ersten Prototyp vorstellen zu
können. Ausgewählte Kunden erhalten eine erste Version, um das neue Produkt in
der Praxis zu testen. Die Kunden geben so wichtiges Feedback für Verbesserungen
und Weiterentwicklungen. Teure Änderungen an späteren Serienprodukten können
damit in vielen Fällen verhindert werden. Der prinzipielle Ablauf enthält die folgenden drei Schritte:
¾ Input des Problems meist über Vertriebskanäle; bei Diamond Systems
nicht systematisch; nicht speziell auf Nischen oder Randgruppen abzielend; führt zur so genannten Business Opportunity Description
¾ Konzeptioneller Teil; verschiedene Vorschläge werden erarbeitet und anhand von Technologieträgern und Prototypen realisiert; Auswahl und Anreicherung mit Unterstützung von Fokusgruppen
¾ Überprüfung und Verfeinerung des Konzeptes (d. h. der Value Proposition) durch Lead-User und Customer Acceptance Tests; dabei wird schon
das Gesamtpaket inklusive des Preises betrachtet
Die Identifikation von Fokusgruppen und Lead-Usern wird sehr ernst genommen
und sorgfältig durchgeführt. Für den Erfolg dieser Methoden ist es wesentlich, dass
die Resultate und Erkenntnisse auch repräsentativ für die Märkte und Regionen
sind. Fokusgruppen gibt es also nicht nur in der frühen Phase des F&E-Projekts,
sondern auch im Time-to-Money-Projekt. Dabei handelt es sich in Letzterem um
eine Abfrage, wie die Kunden zu einer neuen Lösung stehen würden. Zum Teil gibt
es zur Unterstützung dieser Workshops bereits Beispiele – frühe Prototypen – für
die neuen Lösungen. Fokusgruppen im Sinne von Diamond Systems entsprechen
eher den klassischen Lead-Usern (im Gegensatz zu der Verwendung des Namens
Lead-User bei Hilti Diamond Systems). Lead-User werden etwas später, am Beginn
des Time-to-Money-Projektes zu spezifischen Themen eingesetzt. Ihre Teilnahme
stellt eigentlich eine andere Art der Customer Acceptance Tests dar und dient dazu,
86
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
bereits ausgewählte Lösungen zu diskutieren und Anregungen zur Verbesserung zu
erhalten. Die Fokusgruppe dient somit der Auswahl einer Lösung bzw. „Value Proposition“ aus mehreren Angeboten (und damit der Konzepterstellung) und der
Lead-User-Ansatz ebenso wie der Customer Acceptance Test der Bestätigung dieser Value Proposition (und damit der Konzeptverfeinerung; z. B. „Das ist die Lösung, was halten Sie davon?“). Top-Partner sind ab der Time-to-Money-Phase involviert, wobei von ihrer Seite her selten grosse Innovationssprünge, sondern meistens kleine Schritte (z. B. Handlingverbesserung) angestossen werden. Die LeadUser im obigen Sinne setzen sich vor allem aus Top-Partnern zusammen. Für die
Fokusgruppen wäre dies eine zu starke Einschränkung. Hier gilt es vielmehr eine
statistische Streuung zu berücksichtigen. Dazu stellt die Marktforschung, mit dem
Ziel der Zusammenstellung einer statistisch repräsentativen Gruppe, Daten zur
Auswahl zur Verfügung. Es ist entscheidend, dass die Auswahl der Fokusgruppen
statistisch abgesichert ist, die Auswahl also repräsentativ ist und nicht willkürlich
beliebige Kunden integriert werden.
Zusätzlich muss auch auf regionale Unterschiede eingegangen werden, da die einzelnen Länder unterschiedliche Bedürfnisse haben. Marktorganisationen, welche an
der Thematik interessiert sind, beteiligen sich, wobei entweder ein bis zwei Fokusgruppen für alle Länder oder länderspezifische Gruppen durchgeführt werden.
Kunden werden von der jeweiligen Business Unit nach Trade und Grössenklasse
vorspezifiziert. Die Durchführung erfolgt mit einer externen Firma, welche auch die
Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Gruppengrösse umfasst 8 bis 12 Personen, wobei auch die Funktionen der Teilnehmer auf Kundenseite ein wesentliches
Auswahlkriterium darstellen. Im Bereich der Dienstleister kommen meistens die
selben Kunden zum Einsatz. Entscheidend ist, dass Kunden Anwendungen und
Problemstellungen haben, in denen sie den zum jeweiligen Projekt passenden Bedarf selbst verspüren.
Für die Durchführung der Customer Acceptance Tests besteht eine eigene Richtlinie. Sie werden in der Konzeptphase abgehalten und führen zur Bestätigung der Value Proposition. Operativ erfolgt die Durchführung in den Märkten, d. h. auf den
Baustellen. Seitens Hilti sind die jeweiligen Projektleiter und Produktmanager
ebenso wie die Entwickler vertreten. In vielen Fällen werden nach den Tests die
verwendeten Testgeräte für Top-Kunden bereitgestellt. Die Customer Acceptance
Tests schliessen die Konzeptphase ab, an deren Ende der „Point of no return“ des
Gesamtprojektes steht.
Management der frühen Kundenintegration
HILTI DIAMOND SYSTEMS
87
Eine wichtige Frage stellt sich bezüglich der Anreize, welche die Kunden zur aktiven Mitarbeit motivieren. Weshalb sollte ein Lead-User bereit sein, seine Ideen
preiszugeben, deren Geheimhaltung ihm eventuell einen Wettbewerbsvorteil bieten
könnte? Weder werden Kunden dafür bezahlt, an den Workshops teilzunehmen,
noch haben sie danach irgendwelche Ansprüche auf die Verwertung möglicher Innovationen (z. B. durch Patente). Die Lösung liegt zum einen sicherlich in extrinsischen Motiven. Die Kunden haben ein Interesse daran, dass ihre Meinung, ihre Sorgen und Probleme gehört und vor allem gelöst werden. Viele der Hilti-Kunden haben vielleicht Lösungsideen, ihnen fehlt aber das Know-how und die Infrastruktur,
diese auch umzusetzen. So sind sie froh, wenn die Lösung der Anwendungsprobleme durch konkrete Produktentwicklung und -umsetzung realisiert wird und daraus
„massgeschneiderte“ Geräte und Systeme entstehen. Nehmen Kunden an LeadUser-Workshops teil, können sie ihre Anliegen direkt einbringen und haben die
Möglichkeit, Produkte nach ihren Präferenzen zu beeinflussen. Zudem werden sie
auch die Ersten sein, die Innovationen testen und schliesslich anwenden dürfen. Dazu kommt noch die intrinsische Motivationskomponente. Wichtig ist, dass dem
Kunden das Gefühl vermittelt wird, dass seine Meinung und Mitarbeit für Hilti sehr
wichtig sind. Hilti versteht es, den ausgewählten Kunden durch Einladungen zu
Mitgliederevents und ähnlichen Veranstaltungen dieses Gefühl zu vermitteln. In
diesen Treffen und Workshops stellt sich oft ein „Community-Gefühl“ ein, welches
zur gemeinsamen Ideenentwicklung motiviert. Es kommen also Experten zusammen, um sich auszutauschen und in gewissem Grade die „Peer-Anerkennung“ zu
suchen. Gerade aufgrund dieser fundierten Vertrauenskultur zwischen Hilti und seinen Kunden ist es für Konkurrenten äusserst schwierig, mit der Dynamik und Innovationsrate von Hilti mitzuhalten. Der Vorteil für die Kunden besteht also darin,
dass sie frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebunden werden und ihre Ideen
und Anliegen einbringen können und somit ihre Probleme gelöst bzw. ihre Bedürfnisse bestmöglich erfüllt werden. Zudem sind sie die Ersten, welche die neuen Produkte testen und anwenden können, und sie gehören einem exklusiven Zirkel von
Experten an.
Bei den Fokusgruppen spielen auch noch andere extrinsische Faktoren eine Rolle,
da deren Teilnehmer einen Spesenersatz erhalten. Ausserdem wird ihnen ein aufwändiges Rahmenprogramm geboten, Hilti lädt zum Essen ein und zeigt Produktion
und Entwicklung. Der Kunde soll spüren, dass er für Hilti sehr wichtig ist. Darüber
hinaus soll er die Herstellerseite kennen lernen und dadurch besser verstehen. Im
Profi-Segment, bei den Dienstleistern, sind es rund 40–50 Kunden, welche verstärkt
befragt bzw. miteinbezogen werden. Zudem werden ausgewählte Grosskunden zu
88
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Workshops nach Schaan eingeladen, wo sie im Rahmen der oben beschriebenen Instrumente direkten Einfluss auf den Entwicklungsprozess nehmen können.
Bereits sehr früh, in der F&E-Phase oder spätestens in der Technologie-Phase, wird
die Intellectual Property (IP)-Abteilung involviert und startet Patentrecherchen, um
so mögliche Patente einzugeben und Innovationen langfristig gegenüber den Konkurrenten abzusichern. Die Schutzrechte liegen immer bei Hilti. Die Kunden müssen, bevor sie involviert werden, eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben. Sie
haben keine Ansprüche auf Innovationen, welche aus gemeinsamen Workshops
entstehen. Hilti setzt Patente vor allem als Schutz vor Konkurrenten ein, um sich
den entscheidenden Vorteil bei ihren Kerntechnologien zu sichern. Lizenzvergabe
als zusätzliche Einnahmequelle ist kein strategisches Ziel, Patente werden also als
„Legal Tools“ und nicht als „Financial Assets“ betrachtet.
3.4.4
Zusammenfassung
Prinzipiell legt Hilti für ihre Kernprodukte grossen Wert auf die eigene Entwicklung der Technologien von den ersten Grundlagenforschungen bis hin zum fertigen
Produkt. Nur wenn eine Technologie nicht zu den Kernkompetenzen gehört, werden mit externen Partnern Entwicklungsvereinbarungen abgeschlossen. Diese starke
Autonomie auf technischer Seite wird bei Hilti durch eine aussergewöhnlich hohe
Marktorientierung ergänzt. Während des gesamten Innovationsprozesses, speziell in
der Frühphase desselben, ist Hilti bestrebt, ihre Kunden und damit die Marktseite
aktiv einzubinden. Hilti gilt nicht ohne Grund als Musterbeispiel bezüglich Kundeneinbindung. Die Unternehmung setzt diverse, gut abgestimmte Modelle der
Kundeneinbindung ein.
Bezüglich des Innovationsgrades kann man feststellen, dass einzelne Komponenten
oder Funktionalitäten der Geräte neu entwickelt werden, um Kundenprobleme zu
lösen, dass es sich aber meistens um keine völlig neuen Produkte handelt. Die Bedürfnisse der Kunden werden ganz am Beginn eines Innovationsprojektes mittels
Interviews von Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und im stetigen direkten
Kontakt mit Kunden eruiert und dienen als entscheidender Input. Die Lead-User
bilden dabei die zentrale Säule in Hiltis kundengetriebenem Innovationsmanagement. Im Verlauf des eigentlichen Entwicklungsprojektes wird die Rolle der Kunden besonders dann relevant, sobald erste Anschauungsmodelle vorhanden sind. Ab
diesem Zeitpunkt ist die Kundeninteraktion wieder intensiver, beispielsweise durch
Instrumente wie Customer Acceptance Tests und Workshops. Fokusgruppen werden eingesetzt, um Kundenbedürfnisse zu identifizieren. Lead-User-Workshops liefern wichtige Inputs für neue Entwicklungen. Im anschliessenden Prozess des Qua-
HILTI DIAMOND SYSTEMS
89
lity Function Deployments (QFD) wird die Wichtigkeit der einzelnen Features beurteilt, um schliesslich die Kunden erste Prototypen in Workshops und auf der Baustelle testen zu lassen. Die Forschung und Entwicklung folgt aber von Anfang an
immer dem Ziel der optimalen Bedürfnisbefriedigung der Kunden. Hilti will die
Kunden verstehen und möglichst gut kennen, auf professionelle „Customer Intelligence“ wird grosser Wert gelegt. Man ist bestrebt vom „Bauchgefühl“, dem gedachten Kundenwunsch, wegzukommen und es durch eine aktive Teilnahme des
Kunden an der frühen Innovationsphase zu ersetzen. Alle Methoden der Kundeneinbindung sind sorgfältig konzipiert und werden koordiniert eingesetzt. Zusammenfassend sind die wichtigsten dieser Charakteristika in Abbildung 17 dargestellt.
90
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Warum? Ziele
¾ Ausdruck der strategisch verankerten Ausrichtung nach dem Kunden
¾ Zur Auswahl („Fokusgruppen“) und Bestätigung („Lead-User“ und Customer Acceptance Test) einer Value Proposition
Wann? Phase
¾ Einerseits im Rahmen des F&E-Projektes in der Gelegenheitsphase und
¾ Andererseits ab der Hälfte der Definitionsphase und während der gesamten Konzeptphase
Wen? Kundencharakteristika
¾ Für die Fokusgruppen einen statistisch relevanten Querschnitt der betroffenen Märkte
¾ Für die Lead-User-Workshops innovative Vorreiterkunden, oft aus dem Pool der Top-Partner
Wie? Prozesscharakteristika
¾ Klassische Marktorientierung gewährleistet durch Aufstellung mit dominierenden Marktorganisationen
¾ Darüber hinaus Partnerschaftsmodell mit Stufen von „Standard“ über „Advanced“ bis hin zu „Top“
¾ Fokusgruppen zur Unterstützung der Konzeptauswahl und Lead-User-Workshops zur Bestätigung des Mehrwerts des
selektierten Konzeptes, gefolgt von Customer Acceptance Tests zu Beginn der Konzeptphase
Besonderheiten
¾ Starker Kundenbezug durch Organisation und Direktvertrieb gegeben
¾ Umfassendes, die Integration begleitendes, Servicekonzept als Mehrwert für die Kunden
Abbildung 17: Übersicht der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems
ZUMTOBEL STAFF
3.5
91
Zumtobel Staff
Die Zumtobel AG ist ein österreichischer Konzern der Lichtindustrie. Unternehmensziel ist es, mit Licht Erlebniswelten zu schaffen, die Arbeit zu erleichtern und
Kommunikation sowie Sicherheit zu erhöhen. Technologische Führerschaft und
kompromissloses Bekenntnis zu Kreativität und Innovation stellen die zentralen
Werte der Zumtobel AG dar. Die Unternehmensgruppe ist in die Geschäftsfelder
Leuchten und Lichtlösungen, Lichtkomponenten und Verbindungstechnik, Lichtmanagement sowie Kunststoffleuchten aufgeteilt. Die Zumtobel AG erwirtschaftete
in der Periode 2002/03 mit ca. 8.000 Mitarbeitern beinahe 1,2 Mrd. EUR Umsatz.
Im Mittelpunkt dieser Fallstudie steht der Teilkonzern Zumtobel Staff GmbH in
Dornbirn, welcher als Premium-Marke und Innovationsführer der Zumtobel AG positioniert ist und den Bereich Leuchten und Lichtlösungen vertritt. Der Schwerpunkt
wird dabei auf die beiden Sparten Industrie- und Officeleuchten gelegt. Zumtobel
Staff versteht sich als kompetenter Partner der Architekten sowie Licht- und Elektroplaner und verfügt über Tochterfirmen, Produktionsstätten und Vertretungen in
über 70 Ländern weltweit. Im Geschäftsjahr 2002/03 trug Zumtobel Staff mit 2.765
Mitarbeitern 455 Mio. EUR zum Konzernumsatz bei, wovon über 30 % auf neu
entwickelten Lichtsystemen basierten.
Zwecks Erschliessung von Outside-in-Innovationen bindet die Zumtobel Staff mit
Forschungsinstituten, Universitäten, Lieferanten und Behörden zahlreiche externe
Quellen im Sinne eines interorganisationalen Netzwerkes in ihre F&E-Organisation
ein. Der eigentliche Schlüssel des Erfolges der Zumtobel Staff liegt aber in einer
konsequenten Orientierung an den Kundenanforderungen. Um daraus neue Geschäftsideen erschliessen zu können, wird eine Vielzahl an Methoden und Techniken eingesetzt. Ein sehr hoher Stellenwert kommt den indirekten Kunden, den Architekten und Lichtplanern, zu. Sie sind visionäre Ideenträger und bringen so eine
Vielzahl von Innovationsimpulsen ein, welche oft zu neuen Produkten führen. Von
Elektroinstallateuren gehen Produktinnovationen insbesondere basierend auf ihren
Montageerfahrungen ein und Designer werden im Rahmen von konkreten Aufträgen integriert. Der Endkunde wird vorwiegend durch Beobachtungen ins interorganisationale Netzwerk eingebunden. Im Folgenden sollen vor allem die indirekten
Kunden der Zumtobel Staff betrachtet werden, wobei der Schwerpunkt auf den Architekten und Lichtplanern liegt, da diese das grösste Innovationspotenzial für die
gesamte Leuchtenlösung darstellen (meistens nicht in technologischer, sondern in
gestalterischer Hinsicht).
3.5.1
Rahmenbedingungen
92
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Organisatorisches Umfeld
Die Zumtobel Staff beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter in der F&E-Abteilung, wobei
die gesamte Mitarbeiterzahl rund 2.700 beträgt. Der Umsatz betrug zuletzt 430 Mio.
EUR, wovon mit dem Ziel der Innovationsführerschaft rund 2 % (d. h. ein im Branchenvergleich eher hoher Wert) für die F&E aufgewendet wurden. Die Forschung
und Vorentwicklung der Zumtobel Staff ist zentral organisiert und befindet sich im
österreichischen Dornbirn. Ihr Auftrag ist es, visionäre Technologien und darauf
aufbauend Plattformen, welche auf allen Kontinenten in die Produkte eingesetzt
werden können, zu entwickeln, um die technologische Führerschaft aufrechtzuerhalten. Basierend auf den stark divergierenden Anforderungen der verschiedenen
kontinentalen Märkte und den länderspezifischen Normen und Leuchtenbauvorschriften ist die Produktentwicklung dezentral organisiert und wird auf den Kontinenten Europa, Amerika und Australien im Rahmen der dortigen Gesellschaften
vorgenommen. Diese dezentrale Entwicklungsorganisation erlaubt Zumtobel Staff,
einen ausgeprägten Kundenkontakt zu pflegen und visionäre Kunden weltweit in
den Innovationsprozess einzubinden. Nur ein geringer Anteil der F&E-Ausgaben
fliesst in externe F&E-Projekte. Generell werden rund 20 % des Umsatzes mit Sonderprodukten, welche ausserhalb des katalogisierten Produktportfolios liegen, erzielt. Diese speziellen Produkte werden in Sonderprojekten gemeinsam mit externen
Spezialisten entwickelt und führen aus technologischer Sicht zwar meistens zu inkrementellen Innovationsschritten, gesamthaft gesehen aber zu innovativen Lösungsansätzen, welche sich im Idealfall zu komplett neuen eigenen Produktlinien
entwickeln können. Radikale technologische Innovationen kommen meistens aus
dem Technologiebereich und zwar entweder von der eigenen Forschung (z. B. neue
Arten der Lichtbrechung oder -lenkung) oder aus anderen Branchen. So waren die
letzten drei erfolgreichen bahnbrechenden Innovationen der Leuchtenbranche die
LED-Technologie der Lampenhersteller, die Waveguide-Technologie eines Technologieunternehmens aus einer anderen Branche und die Durchlichtmikrostruktur
aus der eigenen Forschungsabteilung. Innerhalb der letzten drei Jahre wurden abgesehen von den einfachen Produktverbesserungen mehr als 30 neue Produktfamilien
in den Markt eingeführt. Der Anteil dieser neuen Produkte am gesamten Umsatz lag
mit 34 % über dem internen Ziel von 30 %.
ZUMTOBEL STAFF
93
Externes Umfeld
Die Technologiedynamik der Beleuchtungsbranche nimmt kontinuierlich zu. Dadurch steigt die Zahl der Innovationen permanent an und die Produktlebenszyklen
werden immer kürzer. Betrachtet man die Produkte dieser Branche genauer, so zeigt
sich, dass sie sich aus drei Teilen zusammensetzen mit denen jeweils ein eigener
Industriezweig verbunden ist, nämlich der Lampe, dem Betriebsgerät und der
Leuchte. Dabei haben nur die Leuchtenhersteller, wie Zumtobel, direkten Kontakt
zum Kunden. Der Markt der Lampenhersteller ist im Wesentlichen ein Oligopol gebildet von General Electric, Osram und Philips. Dazu kommen noch ungefähr sieben kleinere Hersteller, welche aber zusammen weniger als 30 % des weltweiten
Umsatzes erwirtschaften. Innovationen im Bereich der Lampen werden von den
drei grossen Marktteilnehmern vorangetrieben und gesteuert. Auch alternative
Lampensysteme, beispielsweise die LED-Technologie, werden mittlerweile von ihnen kontrolliert. Bei der Entscheidung bezüglich der Einführung einer Innovation
bzw. neuer Technologie spielen die drei grossen Player, alleine schon durch ihren
grössenbedingten Einfluss auf die Normung, eine entscheidende Rolle. Zumtobel
Staff nimmt im Segment der Lampen nur die Rolle eines OEM-Kunden ein, welcher von den Lampenherstellern hin und wieder zu Workshops eingeladen wird, um
ihnen die frühzeitige Abschätzung von Marktentwicklungen zu ermöglichen.
Der Markt für Betriebsgeräte ist nicht so stark konzentriert wie der Lampenmarkt.
Den gesamten Markt mit einem Umsatz von ca. 1 Mrd. EUR teilen sich zwölf grössere Hersteller. Die grössten drei, nämlich Osram, Philips und die zur Zumtobel AG
gehörende Tridonic, erzielen davon rund 40 bis 50 %.
Der Leuchtenmarkt unterscheidet sich grundsätzlich von den Märkten für Lampen
und Betriebsgeräte. Er besteht praktisch aus mehr als 1.000 kleinen und mittleren
Unternehmen. Die drei grössten Hersteller decken weniger als 10 % des weltweiten
Umsatzes ab und haben in ihren jeweils stärksten Regionen weniger als 15 %
Marktanteil (z. B. Zumtobel Staff in Europa rund 10 %, weltweit 3–4 %). Dieser
„kontinentale Markt“ kann damit erklärt werden, dass die Leuchtenindustrie vor allem Bauprojekte bearbeitet und damit in einem stark regional geprägten Geschäft
tätig ist.
Zumtobel Staff ist innerhalb des Baumarktes im Bereich der professionellen Innenraumbeleuchtung im Non-residential Bereich (d. h. nicht im privaten Wohnbau) tätig. Firmenintern wird dieser Markt in die drei Bereiche Industrie, Büro und Verwaltung sowie Kunst/Kultur und Geschäft/Shop aufgeteilt. Zwischen öffentlichen
und privaten Auftraggebern wird nicht unterschieden, da in diesem Segment Auf-
94
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
träge zumeist per Ausschreibung vergeben werden und keine gravierenden Unterschiede in der jeweiligen Abwicklung bestehen.
Prinzipiell wird bei Zumtobel zwischen Sonder- oder Projektgeschäft und Standardprodukten unterschieden. Letztere werden über einen Katalog im Rahmen des
regulären Vertriebes angeboten, während die Sonderleuchten immer aus einem einzelnen Projekt und der konkreten Zusammenarbeit mit mindestens einem externen
Partner entspringen. Auf die genaue Unterscheidung dieser beiden Produktentstehungsprozesse wird im weiteren Verlauf dieser Fallstudie noch im Detail eingegangen, wobei der Fokus auf die Sonderprojekte gelegt wird. Aus einem anderen
Blickwinkel betrachtet kann man von Direkt- und Mittlergeschäft sprechen. Im
Rahmen des Direktgeschäfts sind die Kunden Bauherren, Elektroinstallateure und
Grosshändler, während sie im Mittlergeschäft indirekt Lichtplaner und Architekten
sind. Beide stellen also nicht die Endkunden, im Sinne des Benutzers der Leuchte
oder Lichtlösung dar, spielen aber aufgrund der speziellen Wertschöpfungssituation
der Branche, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird, eine wesentliche
Rolle im Innovationsprozess der Zumtobel Staff.
Die eigentlichen Kunden und Partner der Zumtobel Staff – die Architekten, Lichtplaner und Elektroinstallateure – haben einen Auftrag des Auftraggebers oder Bauherren, bauen selbst aber nicht. Der Architekt ist eigentlich Mittler und nicht Kunde. Er ist kein Fachmann und weiss im Normalfall beispielsweise nicht, wie viel
Stück von einer Leuchte in welchen Abständen zu montieren sind. Diese Funktion
erledigt bei kleineren Projekten der Elektroplaner und bei grösseren Projekten der
Lichtplaner. Das Ergebnis ist in beiden Fällen eine Ausschreibung an den Elektroinstallateur. Dieser ist der eigentliche, zahlende Kunde der Zumtobel Staff. Der Planer entscheidet, ob die Ausschreibung erfüllt ist oder nicht. Die Kette ist dabei für
Standard- und Sonderprojekte die gleiche, wobei innerhalb der Kette, abgesehen
von Zumtobel Staff vor allem der Architekt und der Planer an einer hochwertigen
Lösung interessiert sind. Für den Elektroinstallateur gilt dies nicht im gleichen Masse, da diesem bei hochwertigen Lösungen typischerweise das Fabrikat vorgeschrieben wird und er deshalb weniger Spielraum hat, um seine Marge zu verbessern.
Diese Auftragskette („Kette am Bau“) unterscheidet sich von der eigentlichen Wertschöpfungskette, welche entlang des Produktaufbaues über Vorlieferanten zum
Lampenhersteller, Betriebsgerätehersteller und Leuchtenhersteller verläuft (vgl.
Abb. 18). Innerhalb dieser Kette gibt es starke Kämpfe um den jeweiligen Anteil an
der Wertschöpfung. So haben es die Lampenhersteller beispielsweise geschafft,
durch die in Energiesparlampen integrierten Betriebsgeräte, das Geschäft der reinen
Betriebsgerätehersteller zu schmälern. Ein weiteres Beispiel sind Halogenlampen
ZUMTOBEL STAFF
95
mit integriertem Reflektor (so genannte „Cool-Beam“-Lampen), welche in das Geschäftsfeld der Leuchtenhersteller eingreifen.
Wertschöpfungskette
Vorlieferant
Lampenhersteller
Betriebsgerätehersteller
Leuchtenhersteller/
Produzent
Bauherr
Auftragskette
Leuchtenhersteller/
Produzent
Elektrogrosshandel
Elektroinstallateur
Licht-/ElektroPlaner
Architekt
Bauherr
Abbildung 18: Wertschöpfungskette und Auftragskette der Zumtobel Staff
3.5.2
Innovationsprozess
Zumtobel Staff verfolgt für Standardprodukte und Sonderprodukte zwei unterschiedliche Produktdefinitionsprozesse. Für Standardprodukte gibt es einerseits einen Technology-Push durch die hauseigene Forschung und Vorentwicklung. Dadurch ergeben sich oft grosse Sprünge, beispielsweise neue Lichtlenkungsmethoden. Daneben können Entwicklungsprojekte auch durch die Market-Pull-Funktion
der Vertriebs-, Verkaufs- oder Marketingorganisationen in den Regionen gestartet
werden. Ausgangspunkt sind dabei die jeweiligen Anwendungsfelder sowie die
zahlreichen durch das Marketing betreuten „anonymen“ Kunden. Dabei handelt es
sich um den Outside-in-Teil des Standardinnovationsprozesses. Für Sonderprojekte
stehen am Beginn des Prozesses auf der Marktseite immer das konkrete Projekt und
damit der konkrete Kunde bzw. der Architekt oder Planer.
Zumtobel Staff folgt einem strukturierten Innovationsprozess, welcher sich von der
Erfindung bis zur erfolgreichen Markteinführung erstreckt. Er ist in vier, grösstenteils parallel ablaufende Teilprozesse unterteilt, nämlich den Technologieentwicklungsprozess, den Produktentwicklungsprozess, den Produktmarketingprozess und
96
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
den Markteinführungsprozess. Der Produktmarketingprozess hat in seiner strukturierten Form nur für die Entwicklung von Standardprodukten Gültigkeit. Er beginnt
mit einer Lead-User-Phase (noch vor Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses) und läuft über eine Conjoint-Measurement-Phase (zur Ermittlung
der Mehrpreisbereitschaft) parallel zur Konzeptfindung in der Entwicklung hin zu
einer Akzeptanztestphase während der Konzeptfestlegung und Prototypenentwicklung. Er dient der Entwicklung von Nachfolgeprodukten für Standardprodukte.
Lead-User werden in diesem Zusammenhang die grössten Benutzer bzw. Käufer
des alten Produktes genannt, welche eingebunden werden, da angenommen wird,
dass sie die Anforderungen an das Nachfolgeprodukt am besten kennen. Diese
Kundengruppe setzt sich aus Installateuren oder direkten Industriekunden zusammen. Sie werden auch als Teilsample für das Conjoint-Measurement-Verfahren (alte und neue Produktfeatures) sowie für die Akzeptanztests später im Prozess herangezogen. Bei dieser Art von Entwicklung handelt es sich um das klassische Tagesgeschäft der Zumtobel Staff. Verantwortlich für den Produktmarketingprozess ist
der Produktmanager.
Früher Innovationsprozess
Gelegenheitsphase
Partner- und
Projektauswahl
Anforderung
Ausschreibung
Ideenphase
Projektzusammenarbeit
mit konkretem Kunden
Konzept
-phase
Auslegung
Konstruktion
Konzept
Abbildung 19: Frühphase des Innovationsprozesses der Zumtobel Staff
Sonderprojekte basieren im Gegensatz dazu immer auf einem konkreten Projekt und
damit einem konkreten Partner bzw. Kunden. Die möglichen Gelegenheiten werden
damit quasi schon in der Auswahl der Partner vorherbestimmt. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, innovative Produkte aus der Integration zu erzielen, wenn Architekten und Lichtplaner mit ausgewiesenen innovativen Referenzen bzw. hohem
Potenzial ausgewählt werden. Die Entwicklung der Produktideen erfolgt dann gemeinsam mit den integrierten Kunden am Beginn des Projektes, welches gegen Ende in einen grösstenteils standardmässig ablaufenden Produktentwicklungsprozess
übergeht (vgl. Abb. 19). Die Kundenintegration erfolgt bei Sonderleuchten über den
ZUMTOBEL STAFF
97
Verlauf des gesamten Prozesses, da diese Produkte speziell und zunächst auch ausschliesslich nach den Anforderungen der Kunden entwickelt werden. Das Ergebnis
des Innovationsprozesses ist bei diesen Projekten immer ein fertiges Produkt, welches im Projektrahmen zur Anwendung kommt. Im Idealfall kann die Innovation
des Endprodukts dann auch noch in Form einer neuen Standardproduktlinie multipliziert werden. Die Integration des Kunden ist also über den gesamten Prozess gegeben, hat ihre höchste Intensität aber in der Frühphase bis hin zur Konzeption des
Produktes.
Beispiele für diese Art von Sonderprojekten in der Leuchtenbranche sind spezielle
Leuchtenlösungen, welche im Zuge grosser Bauprojekte von den Architekten passend zur Architektur entworfen werden. Ein Architekt hat also die Idee und den
Willen, eine eigene Leuchtenlösung zu kreieren. Beispielsweise hat das Architekturbüro Herzog & de Meuron aus Basel im Zuge des Zubaues zum Gebäude der
Helvetia Patria Versicherung in St. Gallen im Sinne eines Gesamtentwurfs auch
spezielle hoch innovative Leuchten entwickelt. Diese zeichnen sich einerseits durch
ihren transparenten Korpus und andererseits durch eine innovative Befestigungslösung an den Raumdecken aus. Beide Attribute führen dazu, dass der offene lichtdurchflutete Eindruck der Gebäudearchitektur noch weiter verstärkt wird. Im Zuge
eines Ausschreibungsverfahrens wurde nach einem innovativen Leuchtenhersteller
zur Realisierung dieser Lösung gesucht und die italienische Firma Artemide mit der
Ausführung betraut. Die Leuchtenlösung hat schliesslich auch Einzug in das Standardprogramm Artemides gefunden und wird nun über die klassischen Vertriebswege angeboten.
Die folgenden Ausführungen zur Kundenintegration in die frühen Innovationsphasen befassen sich gezielt mit der Organisation und dem Management solcher Sonderprojekte bei Zumtobel Staff.
Neben der Kundeneinbindung spielt auch die Integration anderer externer Innovationsquellen eine wesentliche Rolle. Die Forschungsinstitute und Universitäten werden im Rahmen konkreter Forschungsaufträge eingebunden, beispielsweise in den
Bereichen Materialforschung oder Lichtlenkung. Daraus resultieren wertvolle Erkenntnisse für technologische Innovationen. Die Lieferanten gelten ebenfalls als
Technologieträger und werden daher zur Erschliessung neuer Technologien in die
Projekte eingebunden. Auch die Behörden stellen mit ihren neuen Normen eine Innovationsquelle dar, weshalb zwei Angestellte der Zumtobel Staff weltweit in den
entsprechenden Gremien mitarbeiten.
3.5.3
Kundenintegration
98
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Grundlagen
Zumtobel Staff besitzt eine klar formulierte Strategie, in der die Innovationsführerschaft als wesentliches Ziel verankert ist. Dies manifestiert sich beispielsweise in
einer hohen Risikobereitschaft im F&E-Umfeld, wo bis zu 10 % der Ressourcen auf
so genannte „Jokerprojekte“ mit hohem Potential aber auch hohem Risiko verteilt
werden. Entscheidend ist aber die angestrebte individuelle Betreuung von Schlüsselkunden (Architekten und Lichtplanern), basierend auf der Erkenntnis, dass die
Mittler zwischen Zumtobel und den eigentlichen Auftraggebern im Sinne von Vordenkern eine wichtige Rolle spielen und daher zentral betreut werden müssen. Dahinter steckt eine langfristige strategische Fokussierung der Zumtobel Staff, welche
trotz ihrer mehrjährigen Ausrichtung flexibel durch ergänzende Initiativen adaptiert
wird. Beispielsweise wurde vor kurzem eine Initiative gestartet, neben den Schlüsselkunden gezielt und verstärkt Elektroinstallateure zu betreuen.
Die Schlüsselkunden übernehmen die Rolle eines Partners, welcher in den Sonderprojekten im Wechselspiel mit Zumtobel Staff seine jeweiligen Kompetenzen (formale Gestaltung bei Architekten sowie technische Planung und Datenermittlung bei
Lichtplanern) einbringt. Es wird von ihnen erwartet, aktuelle und marktgängige
Produkte und Konzepte zu entwickeln. Durchbrüche in der Lichttechnik stehen
nicht im Fokus solcher Integrationsprojekte. Gerade Architekten übernehmen vielmehr die Rolle von Trendscouts bzw. liefern schöne Leuchten und komplementieren mit ihrer Anwendungskompetenz die Expertise Zumtobels. Lichtplaner sind
demgegenüber auch in der Lage, profunden technischen Input zu liefern.
Es wird von den Architekten und Lichtplanern also erwartet, dass sie Ideen einbringen, welche effizient realisiert werden können und das Potenzial für ein Standardprodukt aufweisen. Die dazu notwendigen Kompetenzen sind vielfältig. Auf Seite
der Architekten ist ein Interesse für Licht und das Streben nach einer bestimmten
Lichtwirkung notwendig. Für Lichtplaner spielt zusätzlich noch technisches Wissen
eine grosse Rolle. Sie müssen in der Lage sein, mit neuen Konzepten planerisch
umzugehen, um diese Lösungen ihren Kunden, also den Bauherren, verkaufen zu
können. Das übergeordnete Ziel ist also zunächst der Umsatz, welcher mit den strategischen Partnern im Sonderprojekt erzielt wird. An zweiter Stelle folgt der Input
für die Standardprodukte, welche aus den Sonderprodukten entstehen sollen. Prinzipiell betrachtet Zumtobel Staff den kompletten Prozess vom Beginn des Projektes
bis hin zum fertigen Produkt. Sollte es, wie angestrebt, zu einer Standardisierung
des gemeinsam entwickelten Sonderproduktes kommen, sind die Partner meist auch
noch involviert und ihr Aufwand wird abgegolten.
ZUMTOBEL STAFF
99
Neben diesem strategischen gibt es auch noch einen kulturellen Aspekt. Kreativität
und Innovation gehören zu den höchsten Werten der Zumtobel Staff und werden
täglich gelebt. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Firma als Familienunternehmen schon immer stark von der weltoffenen und aufgeschlossenen Haltung
der Familie Zumtobel geprägt worden ist. Auch der momentane Firmenleiter, Herr
Jürg Zumtobel, verkörpert diesen Anspruch durch seine hohe Verbundenheit mit
den Produkten und der Technologie sowie sein visionäres Mitgestalten der Lichtindustrie. Der hohe Stellenwert der Innovation zeigt sich auch in Form eines internen
Buches, welches die Werte des Unternehmens enthält und an sämtliche Mitarbeiter
verteilt wird. Die Vision basiert demnach auf Kernkompetenzen, Kernprodukten
und Kerndifferenzierung, Kreativität und Innovation. Entsprechend tragen die Kunden ihren Innovationsbedarf und ihre Innovationsideen umfassend an die Zumtobel
Staff heran und die Mitarbeiter leiten die Informationen vollständig an die verantwortlichen Stellen weiter. Der Teilkonzern Zumtobel Staff erschliesst so eine Vielzahl von Innovationsideen. Der Schlüssel zur ausgeprägten Innovationsbereitschaft
der Mitarbeiter und Kunden liegt also in der stark innovativen Unternehmenskultur
der Zumtobel Staff. Innovation gehört zum Alltag und wird umfassend durch Anerkennung der erbrachten Leistungen honoriert. Basierend auf der gewachsenen innovativen Unternehmenskultur ist die Innovationsfähigkeit und -bereitschaft eines
Mitarbeiters ein wesentliches Kriterium für eine Beförderung. Innerhalb der gesamten Zumtobel Staff herrscht eine Atmosphäre der Offenheit gegenüber Ideen und
Einflüssen von aussen. Dies zeigt sich beispielsweise auch darin, dass keine eigene
Designabteilung aufgebaut worden ist, sondern ausschliesslich mit externen Designern zusammenarbeitet wird.
Organisation
Im Unterschied zur klassischen Definition der Lead-User, bei der es sich um fortschrittliche Anwender eines Produktes handelt, übernehmen deren Rolle im Falle
von Zumtobel Staff Architekten und Planer (so genannte „strategische Partner“).
Die Pflege dieser Sonderkunden kommt sowohl den Sonderprojekten als auch dem
Standardproduktentstehungsprozess zugute. Betreut werden die Sonderkunden innerhalb der Abteilung International Projects von einer zentralen Gruppe mit dem
Namen „Strategic Partner Development“. Die Abteilung für internationale Projekte
ist neben den Produktmanagern und der Planung unter dem Geschäftsführer für
Marketing und Vertrieb angesiedelt und beschäftigt rund 20 Mitarbeiter (davon 6
für die Gruppe Strategic Partner Development). Dabei erzielt sie selbst keinen Umsatz, sondern erfüllt eine Unterstützungsfunktion für Vertrieb und Marketing, indem
sie versucht, die Beziehung zu Kunden aufrechtzuerhalten. Man könnte die Tätig-
100
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
keit also mit Vorverkauf bezeichnen, auch wenn teilweise selbst Aufträge akquiriert
werden. Das primäre Ziel ist es, Projekte und damit Umsatz mit strategischen Partnern zu generieren. Dabei liegt der Fokus auf aussergewöhnlichen Projekten mit innovativen Produkten. Strategic Partner Development ist intensiv in den eigentlichen
Innovationsprozess eingebunden, ist bei der Erstellung von Anforderungsliste und
Pflichtenheft involviert bzw. liefert immer wieder auch selbst Innovationsideen.
Kundenauswahl
Zumtobel Staff unterscheidet an speziellen Kundengruppen Schlüsselkunden (Key
Accounts) und Lead-User aufseiten der zahlenden Kunden sowie die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehenden „Front End Kunden“ wie Architekten und
Lichtplaner. Dabei können strategische Partner auch teilweise identisch mit LeadUsern sein.
Unter Front End Kunden oder strategischen Partnern werden dabei Architekten und
Planer verstanden, welche Trends erkennen können und in ihren Anforderungen der
Zeit voraus sind. Ein Beispiel dafür ist das Erkennen der Entwicklung, dass in Zukunft mehr mit Glas gebaut werden wird. Um zeitgerecht und verlässlich an solche
Informationen zu gelangen, bedarf es eines beinahe tagtäglichen Umgangs mit den
ausgewählten Partner. Diese sind meistens Architekten, manchmal allerdings auch
Lichtplaner, da man bestrebt ist, für alle relevanten Gruppen offen und durchgängig
zu bleiben.
Eine weitere Gruppe von wichtigen Kunden, welche speziell behandelt wird, sind
die so genannten Schlüsselkunden (Key Accounts) beispielsweise der Spar Konzern
oder die Swatch Gruppe. Es handelt sich dabei um Kunden mit grossem Umsatzvolumen, welche im Gegensatz zu den strategischen Partnern allerdings über wenig
eigene Leuchtenkompetenz verfügen. Sie werden durch den mit ihnen erzielten
Umsatz weiter unterteilt, wobei je nach Grösse drei Kategorien unterschieden werden (A, B, C). Für diese Kunden betreibt Zumtobel Staff ein klassisches Key Account Management, dessen zentrale Kompetenz in Dornbirn liegt. Entsprechende
Konzepte der Kundenbetreuung werden hier entwickelt und dann weltweit ausgerollt.
Während für Key Accounts vor allem die Höhe des Umsatzes und damit Grösse
bzw. finanzielle Attraktivität zählen, sind bei der Auswahl der strategischen Partner
der Ruf, die Kompetenzen und besonders die vergangenen Erfahrungen wichtig.
Die Grösse des Partners ist unerheblich, da dieser nicht direkt kauft und seine Grösse damit keinen Einfluss auf den Umfang möglicher Projekte hat. Neben der prinzipiellen Eignung des potenziellen Partners ist vor allem entscheidend, dass er in der
ZUMTOBEL STAFF
101
Lage ist, sich im Projektumfeld durchzusetzen. Wenn es der Mittler nicht einmal
schafft, seine eigenen Ideen in ein Projekt hineinzubringen, dann eignet er sich nicht
als strategischer Partner für die Zumtobel Staff.
Das Auswahlverfahren funktioniert folgendermassen: Die Länder benennen Kunden, d. h. Personen bzw. Büros mit Potenzial. Beispielsweise würde der Vertriebsleiter Schweiz wegen des zu erwartenden Umsatzes ein Architekturbüro wie Herzog
& de Meuron nennen. Ein Rolle bei der Auswahl spielen auch der Leiter der Abteilung International Projects, der Geschäftsführer Marketing sowie der Inhaber und
gleichzeitig Vorstandsvorsitzende. Zumtobel verfügt über einen sehr guten Überblick der Architekturszene und der eigenen Position in den wichtigsten Märkten,
nämlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darauf aufbauend werden
Ziele bezüglich der Auswahl von strategischen Partner festgelegt, beispielsweise
Vorgaben über eine Aufteilung von 50:50 betreffend des Anteils an deutschsprachigen und fremdsprachigen Partnern. Gerade bezüglich der Fremdsprachigkeit werden gezielt italienische, französische und englische Architekten und Planer mit Potenzial als strategischer Partner gesucht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Vertrieb, der gefragt wird, wer als innovativ gilt und an wen eine Annäherung noch
nicht geklappt hat. Mit diesen potenziellen Partnern nimmt dann die Strategic Partner Development Gruppe Kontakt auf und versucht, über intensive Kommunikation
das erste Projekt zu starten. Der Beziehungsaufbau, bis zum Beginn einer konkreten
Zusammenarbeit, bewegt sich in einem zeitlichen Rahmen von drei bis sechs Monaten.
Für beide Kundengruppen gilt aber, dass es sich um innovationsfreundliche Kunden
handelt, welche bereit sind, für überlegene Produkte das Preis/Leistungsverhältnis
von Zumtobel Staff zu akzeptieren. Analysiert man den Markt anhand der Innovationsfreundlichkeit, so handelt es sich bei den bevorzugten Kunden um Vertreter der
Innovatoren, der frühen Abnehmer oder der frühen Mehrheit. Die späte Mehrheit
sowie die Nachzügler werden nicht als potenzielle Kunden anvisiert.
Die Kompatibilität der Firmenkulturen spielt eine wichtige Rolle bei der Einbindung der Kunden bzw. Partner. Ein grosser Vorteil der Zumtobel Staff ist die durch
die Eigentümerfamilie vorgelebte Beziehung zu Architektur, Kunst und Kultur. Dadurch kommt es manchmal auch zur Durchführung von Projekten, welche vor allem
kulturell und weniger finanziell interessant sind.
Das Commitment („Ja, dieses Projekt will ich realisieren.“) ist für den jeweiligen
Partner von entscheidender Bedeutung, da er sonst Gefahr läuft, früher oder später
das Vertrauen des Bauherren zu verlieren. Generell sind Vertrauen und Commitment im Leuchtengeschäft des oberen Preissegments sehr wichtig.
102
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Die räumliche Distanz zum Kunden bzw. Partner spielt keine grosse Rolle für die
Zusammenarbeit. Entweder fliegen die Mitarbeiter zum Kunden oder dieser kommt
nach Dornbirn. Geographisch konzentrieren sich die für Zumtobel Staff wichtigen
Architekten und Lichtplaner auf Europa und die USA, da sich dort die meisten Büros befinden. So findet beispielsweise die Zusammenarbeit mit einem Stararchitekten wie Norman Foster in London statt, auch wenn das entsprechende Bauprojekt in
Südostasien geplant ist.
Ablauf
Der Produktdefinitionsprozess für Sonderprodukte der Zumtobel Staff unterscheidet
sich gerade in der Anfangsphase wesentlich von dem für Standardprodukte. Am
Beginn des Prozesses für ein Sonderprojekt steht auf der Marktseite immer das
konkrete Projekt und damit der konkrete strategische Partner (Planer oder Architekt) als Mittler zum Kunden.
Am Beginn eines solchen Sonderprojektes steht immer der konkrete Kunde im
Rahmen eines konkreten Projektes. Eine genaue gemeinsame Zielfestlegung ergibt
sich automatisch durch das Marktumfeld der Baubranche, in welcher konkrete Spezifikationen den Standard darstellen. Die Kommunikation zwischen den Partnern
und Zumtobel Staff erfolgt über die Abteilung Internationale Projekte. Die dafür
geeigneten Mitarbeiter haben einen starken technischen Background, hohe Kreativität sowie Erfahrung im Leuchtengeschäft. Sie müssen auch über eine ausgeprägte
Dialogfähigkeit verfügen und die jeweils notwendigen sprachlichen Fähigkeiten
mitbringen. Eine zentrale Aufgabe dieser Mitarbeiter ist es, frühzeitig zu erkennen,
ob das angedachte Produkt technisch realisierbar ist. Die Betreuung der strategischen Partner erfolgt permanent, im Idealfall auftragsneutral, d. h. unabhängig von
einem konkreten Projekt. Alle zwei bis drei Monate werden die Kunden besucht
und nach spezifischen Anforderungen gefragt. Im weiteren Verlauf der daraus entstehenden Diskussionen werden Konstrukteure und Entwickler beigezogen. Ziel
dieser speziellen Kundenbetreuung ist ein permanenter Austausch. Dieser Dialog ist
ein wesentlicher Bestandteil der Integration und wird mit Meilensteinen bis hin zur
Bemusterung unterstützt. Zwischen diesen Meilensteinen erfolgen zahlreiche Kontakte per Telefon oder E-Mail. Die Ansprechpartner aufseiten von Zumtobel Staff
sind dabei nicht nur die speziellen Betreuer aus dem Strategic Partner Development,
sondern vor allem auch die Konstrukteure. Falls sich ein Projekt abzeichnet, intensiviert sich die Kommunikation, es kommt zu ersten Projektmeetings, zu einer Aufgabenbeschreibung, dem Bau von ersten Prototypen sowie ersten Kostenabschätzungen.
ZUMTOBEL STAFF
103
Die Planer erhalten neben einer grundsätzlichen Beratung auch spezielle Planungsprodukte, beispielsweise Software zur Auslegung der Lichtlösung. Das Ziel dieser
systematischen Bemühungen der Zumtobel Staff sind Ausschreibungen, als Ausgangsbasis für das Angebot des Elektroinstallateure, in denen „Zumtobel Staff oder
gleichwertig“ vorgeschrieben wird. Die beste Strategie gegen hochwertige Konkurrenz liegt also darin, die Planer von den eigenen Produkten zu überzeugen. Eine
Schwierigkeit dabei besteht darin, dass die eigentliche Wertschöpfungskette von der
Angebotskette abweicht. Die Planer werden von den Architekten statt direkt vom
Leuchtenhersteller bezahlt und sind dadurch nicht direkt „käuflich“. Die eigentliche
Entscheidung für eine Licht-/Leuchtenlösungen wird im Dreieck zwischen Bauherr,
Architekt und Lichtplaner getroffen. Für Zumtobel Staff ist es wichtig, das starke
Element in dieser Gruppe zu erkennen und sich ab einem möglichst frühen Zeitpunkt mit ihrem Lobbying für den Architekten oder den Planer zu entscheiden. Im
Gegensatz zu diesen beiden speziellen Kundengruppen werden die Elektrotechniker
durch das reguläre Vertriebssystem betreut.
Die Schnittstelle zwischen F&E und Marketing stellt dabei kein Problem dar. Viele
Abläufe in den definierten Prozessen, beispielsweise die Bewertung von Produktideen, sehen enge Zusammenarbeit vor. Generell zieht sich durch den gesamten Innovationsprozess der Einsatz von Dreipersonen-Teams bestehend aus Produktmanagern der Marketingseite, Entwicklern und Vertretern der Produktion.
Im Bereich der operativen Bedarfserfassung kommt der weltweiten Marktorganisation ein hoher Stellenwert zu. Kreative Vertriebs- und Marketingleute konnten
schon zahlreiche neue Geschäftsideen wie leuchtende Tapeten oder auf Induktion
basierende Leuchten anstossen. Auch durch die F&E-Mitarbeiter werden Kundenbesuche durchgeführt, diese sind aber vorwiegend projektbegleitend organisiert. Sie
können das Bewusstsein für neue Geschäftsfelder wecken, helfen in erster Linie aber die Potenziale inkrementeller Innovation auszuschöpfen. Die strategische Bedarfserfassung ist durch Anwenderbeobachtungen und Trendanalysen gewährleistet.
Die Anwenderbeobachtung erfolgt nicht regelmässig und erstreckt sich vor allem
auf die Elektroinstallateure und damit das Tagesgeschäft. Diese werden bei ihren
Montagen beobachtet, um Innovationen im Montageprozess erschliessen zu können. Darüber hinaus werden die Markttrends durch professionelle Partizipation an
Lichtmessen eruiert, wo Herr Zumtobel teilweise persönlich teilnimmt. Mit der
Messepräsenz strebt Zumtobel Staff in erster Linie nicht die Gewinnung neuer
Kunden an, sondern den Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen mit ihren
aktuellen und potenziellen Kunden. Oft werden die visionären Kunden messebegleitend zu Side-Events zwecks Diskussion neuer Trends eingeladen.
104
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Im Verlauf des eigentlichen Entwicklungsprozesses werden auch Elektriker bzw.
Elektroinstallateure eingebunden. Dabei spielt das bisherige Kaufverhalten eine wesentliche Rolle. Bevorzugt werden Kunden eingebunden, welche das Vorgängerprodukt stark gekauft haben bzw. als kritische Abnehmer in Erscheinung getreten
sind. Gegenüber dem Elektroinstallateur wird vor allem die Montagefreundlichkeit
sowie das Preis/Leistungsverhältnis betont. Elektroinstallateure streben naturgemäss
danach, ihre Margen gegenüber ihren Kunden zu erhöhen. Sie bevorzugen daher
Produkte, bei denen sie dementsprechende Spielräume gegenüber dem Planer haben. Begriffe in diesem Zusammenhang sind „Spec Switching“ (Wechsel auf ein
anderes in der Regel günstigeres Produkt) bzw. das von Zumtobel Staff angestrebte
„Spec Locking“ (Festhalten an der ursprünglichen Spezifikation).
Generell gilt für alle Kundengruppen, dass im Rahmen der operativen Ideengenerierung Kundenanfragen ausgewertet und Mitarbeiter aus dem Kundensegment angestellt werden. Anfragen werden systematisch aufgenommen, geclustert und regelmässig ausgewertet. Der jeweilige Produktmanager sammelt Anfragen, welche entweder über den Vertrieb oder über das Internet einlangen. Diese kommen vor allem
von heutigen Anwendern aus dem Segment der Elektroinstallateure. Inputs entstehen aber auch bei Endkundenkontakten bzw. Kontakten mit industriellen Benutzern
beispielsweise Handelsketten oder grossen Autowerken (über Key Account Management betreut). Ein interessanter Aspekt der Leuchtenbranche ist der Umstand,
dass der eigentliche Anwender bzw. Endnutzer der Produkte im Normalfall überhaupt keine Möglichkeit hat, auf die Beleuchtung Einfluss zu nehmen. Daher ist es
nicht direkt sinnvoll, endkundennahe Features in die Produkte einzubauen.
Management
Die Motivation der eingebunden Kunden erfolgt bei den strategischen Partnern auf
zwei Ebenen. Einerseits durch intrinsische Motive wie die Möglichkeit, das meistens stark ausgeprägte Ego durch die Gestaltung einer Sonderleuchte zu befriedigen.
Im Sinne von „grosse Namen wollen grosse Marken“ ist die Zumtobel Staff eine
der ersten Anlaufstellen für renommierte Kunden (z. B. „Stararchitekten“). Im Gegenzug stellt dies für den Kunden einen Anreiz dar, Innovationsideen einzubringen.
Die zweite Ebene bilden extrinsische Faktoren, wie die Einladung zu exklusiven
Events und die mögliche Umsatzbeteiligung im Falle einer Standardproduktion der
gemeinsam entwickelten Sonderleuchten. Ein wichtiger Aspekt zur Gewinnung gefragter Architekten ist die Fähigkeit von Zumtobel Staff, sich selbst als kompetent
für die Realisierung einer Lösung darstellen zu können. Architekten suchen zur
Umsetzung ihrer lichttechnischen Ideen grosse, finanzstarke und kompetente Partner. Manchmal geht das Ego der Architekten soweit, dass sie keine Leuchten eines
ZUMTOBEL STAFF
105
bestimmten Leuchtenherstellers akzeptieren, weil er Konkurrent ihres bevorzugten
Partners ist. Zumtobel Staff versteht es, für diese anspruchsvollen Kundengruppen
die Kundenanforderungen umfassend in spezifische Lösungen umzusetzen und erzielt so eine hervorragende Kundenzufriedenheit. Für die Motivation der Kunden zu
den Conjoint-Messungen bzw. den Akzeptanztests im Rahmen des Standardproduktentwicklungsprozesses werden meist kleine materielle Anreize („Goodies“)
verteilt.
Der Erfolg wird dann, neben dem positiven Image durch das eigentliche Projekt,
durch die Übertragung auf Standardprodukte gemessen. Das heisst erfolgreich ist
eine innovatives Prestigeprojekt dann, wenn die speziell entwickelten Produkte später Einzug in den Standardkatalog finden und damit zu neuen Produkten bzw. Produktgruppen werden. Zumtobel Staff ist bestrebt, möglichst viele Sonderleuchten in
das Standardprogramm aufzunehmen. Dazu erfolgt alle sechs Monate eine Beurteilung der Sonderleuchten hinsichtlich ihrer Standardisierbarkeit. Auf dem Weg in
das Standardleuchtenprogramm existiert noch ein Zwischenschritt von so genannten
„Specials“, für die eine eigene Broschüre zusätzlich zum normalen Katalog herausgegeben wird. Falls sich diese Specials am Markt bewähren, werden sie in einem
zweiten Schritt Teil des Standardprogramms. Jedes Jahr werden rund zehn Produkte
als Special ausgewählt, wovon es schliesslich nur ein bis zwei wirklich zum Standard schaffen.
Der Prozess der Partnereinbindung unterliegt keiner speziellen Kontrolle. Die Job
Description und Zielvereinbarungen des verantwortlichen Managers enthalten die
notwendigen Vorgaben, um den Prozess zu steuern. Beispielsweise ist die Zahl der
pro Jahr neu zu akquirierenden strategischen Partner festgelegt. Eine Fluktuation
der Partner ergibt sich vor allem dadurch, dass immer wieder Architekten und
Lichtplaner aus diesem Kreis herausfallen, wenn sie nicht innovativ sind bzw. ihre
Ideen und damit Zumtobel Staff als Realisierungspartner bei den Projekten nicht
durchsetzen können. Das bedeutet, dass diese spezielle Form der Integration beendet wird, wenn sich nach einer gewissen Frist (bei Stararchitekten drei bis fünf Jahre) keine konkreten Projekte ergeben. Eine weitere Steuergrösse ist, ähnlich wie im
klassischen Vertrieb, das „Lichtvolumen“ bei Architekten – d. h. wie viel Prozent
seines Umsatzes der Partner mit Zumtobel erzielt. Beispielsweise könnte ein Richtwert ein Anteil von Zumtobel-Produkten von 5 bis 10 % im zweiten Jahr der konkreten Partnerschaft sein. Bei Lichtplanern ist es nicht möglich, solche Vorgaben zu
machen, da diese gemäss ihrer Rolle um Unabhängigkeit bemüht sein müssen.
Bezüglich des Innovationsgrades führen Sonderleuchten, d. h. Leuchten aus Sonderprojekten, aus speziell leuchtentechnischer Sicht betrachtet, meistens zu kleinen
106
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Schritten bzw. inkrementellen Innovationen. In Hinsicht auf die Form und Funktionalität kommt es jedoch immer wieder zu echten Durchbrüchen. Da es am Anfang
eines Sonderprojektes nicht sicher ist, ob die zu entwickelnde Leuchte je eine
Kleinserie bzw. ein Standardprodukt werden wird, muss der erste Verkauf die gesamten Kosten abdecken. Dies bedeutet, dass technologisch keine aufwändigen und
damit teuren Schritte gesetzt werden können. Andererseits handelt es sich bei solchen Leuchten aber oft um sehr aktuelle marktgängige Produkte, welche eine Vorreiterrolle für neue Produktfamilien übernehmen können. Beispielsweise das „milde
Licht“, welches mit Architekten und Lichtplanern für das schweizerische Unternehmen SFS Stadler entwickelt wurde und mittlerweile ein Standardprodukt geworden ist.
Die eigene Konstruktionsabteilung ist laufend in die Sonderprojekte eingebunden
und kann dadurch die gewonnen Erkenntnisse innerhalb Zumtobels verteilen und
verwenden. Dies gilt auch für Projekte, welche nicht realisiert werden und stellt sicher, dass die gesamte Organisation am Lernprozess teilnimmt, der durch die innovativen Vorzeigeprojekte ausgelöst wird. Als Rahmen dafür dienen die genau definierten Prozesse für die Entwicklung von Sonderprojekten und deren Umwandlung
in Standardprodukte über den Zwischenschritt der Specials.
Verträge mit dem Partner gibt es oft erst dann, wenn eine Lösung entsteht, bei der
Rechte festgelegt werden müssen. Wenn ein Produkt bzw. eine formale Schöpfung,
welche in Zusammenhang mit einem strategischen Partner entstanden ist, als schützenswert erachtet wird, kommt es zu einer Anmeldung als Gebrauchsmuster oder
Patent. Zumtobel Staff übernimmt in diesen Fällen die Rechte, meldet an und hält
die Schutzrechte. Die beteiligten Architekten bzw. Lichtplaner erhalten dann je
nach verkauften Stückzahlen, welche über den ursprünglichen Projektumfang hinausgehen, Lizenzgebühren. In den letzten Jahren wurden rund 115 Schutzrechte
angemeldet, davon 15 bis 20 mit externen Partnern. Die Kundengruppe kennt und
akzeptiert dieses Vorgehen.
3.5.4
Zusammenfassung
Betrachtet man die Sonderprojekte als Ausdruck der frühen Kundenintegration
(auch wenn bei Zumtobel Staff Mittler zum Kunden eingebunden werden), so gibt
es mit der Strategic Partner Development Gruppe spezielle Betreuer innerhalb der
Organisation der Zumtobel Staff für strategische Partner aus der relevanten Kundengruppe der Architekten und Lichtplaner. Diese Spezialisten beraten und informieren die Partner einerseits durch die Bereitstellung von speziellen Unterlagen,
primär aber durch bevorzugt persönliche Besuche.
ZUMTOBEL STAFF
107
Entsprechend werden partnerschaftlich Speziallösungen entwickelt, welche auf das
jeweilige Gebäudedesign abgestimmt sind, wobei der Architekt in erster Linie Produktanforderungen einbringt und den Entwicklungsprozess als Berater bezüglich
der Funktionsausprägungen unterstützt. Ins Entwicklungsprojekt werden dann je
nach Bedarf weitere Partner beispielsweise Lichtdesigner einbezogen. Durch die
Nutzung verschiedener Wissensquellen entstehen neue visionäre Speziallösungen.
Parallel dazu werden die täglich eingehenden Kundenanfragen gesammelt und
gruppiert. Diese verdichteten Bedarfsinformationen werden periodisch mit den im
Rahmen der Sonderprojekte entwickelten Speziallösungen abgeglichen. Findet sich
für eine Sonderlösung eine grössere Nachfrage, so können dafür kleinere Serien
lanciert werden. Dadurch gelingt es Zumtobel Staff, sowohl die technische als auch
die gestalterische Innovationsführerschaft aufrechtzuerhalten. Einen Überblick der
frühen Kundenintegration bei Zumtobel Staff gibt Abbildung 20.
108
FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Warum? Ziele
¾ Generierung von Umsatz durch gemeinsame innovative Sonderprojekte
¾ Umwandlung der Sonderprodukte in Standardprodukte (wo immer möglich und sinnvoll)
Wann? Phase
¾ Im Verlauf des gesamten Prozesses im Rahmen von Sonderprojekten, welche für spezielle Produkte durchgeführt werden
Wen? Kundencharakteristika
¾ Ausgesuchte Architekten und Partner
¾ Kriterien neben der Innovativität und dem kulturellen Fit sind einerseits das Umsatzpotenzial und andererseits die Fähigkeit
des Partners, seine Ideen im Rahmen seiner Projekte durchsetzen zu können
¾ Bereitschaft für langfristige, mehrjährige Zusammenarbeit muss gegeben sein
Wie? Prozesscharakteristika
¾ Gruppe Strategic Partner Development im Geschäftsbereich Marketing und Vertrieb
¾ Spezielle permanente Betreuung der strategischen Partner
¾ Eigener Entwicklungsprozess für Sonderprodukte als Ergebnis der Partnerintegration
Besonderheiten
¾ Integration von Architekten und Lichtplanern als fachmännische Vertreter des Bauherrn und Nutzers
¾ Der Beginn der Integration löst den Innovationsprozess aus (Extremfall der frühen Integration) und erstreckt sich über den
gesamten Innovationsprozess bis hin zum fertigen Produkt
¾ Innovation entsteht durch die komplementären Kompetenzen von Hersteller und integriertem Partner
Abbildung 20: Übersicht der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
4
4.1
109
Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration
Charakteristika der frühen Kundenintegration
In diesem Abschnitt werden die Fallstudiendaten ausgewertet, um daraus eine Konzeptualisierung des Konstruktes der frühen Kundenintegration aufzubauen. Die Analyse der Fallstudien erfolgt dabei mit einer doppelten Zielsetzung. Zunächst sollen die grundsätzlichen Determinanten der frühen Kundenintegration ermittelt werden. Diese bestimmen die spezifische Rolle des integrierten Kunden und damit den
jeweiligen Ablauf der Integration. Der zweite Analyseaspekt zielt dann auf die Identifikation derjenigen Gestaltungsfelder, welche die wesentlichen Dimensionen
der frühen Kundennähe darstellen. Durch die Ausprägung dieser Gestaltungsfelder
werden die operative Gestaltung und die Durchführung der Integration bestimmt.
Daher erfolgt anschliessend eine ausführliche Beschreibung der für eine erfolgreiche Integration relevanten Gestaltungsfaktoren.
4.1.1
Vergleich der Fallstudienergebnisse
Für den Fallstudienvergleich werden Kriterien herangezogen, welche nicht im Analyseraster (vgl. Abb. 8) der ersten Einzelfallanalysen enthalten sind. Dieser Schritt
ist notwendig, um die vorhandenen Daten unabhängig von der ersten Analyse vergleichen und damit neue, zusätzliche Erkenntnisse gewinnen zu können (vgl. Eisenhardt 1989). Als Vergleichskriterien werden daher diejenigen strategischen
Grundlagen und Rahmenbedingungen herangezogen, welche anhand der Einzelfallanalyse als wesentlich für die frühe Kundenintegration identifiziert worden sind.
Bei der Erhebung der Daten sowie der Analyse der Einzelfallstudien wurde überprüft, welche der generellen in der Literatur beschriebenen strategischen Grundlagen der Einbindung von Kunden für den speziellen Fall der frühen Kundenintegration hohe Relevanz aufweisen. Da die strategischen Grundlagen aus Arbeiten über
verschiedene Formen der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess
stammen, spiegeln sie prinzipiell mögliche Merkmale der Kundeneinbindung unter
verschiedensten Rahmenbedingungen wider. Die Ausgangsbasis bildeten also die in
Abschnitt 2.1 aus der Literatur hergeleiteten strategischen Grundlagen der erfolgreichen Einbeziehung von Kunden in den Innovationsprozess (vgl. Abb. 7). Dem Fokus dieser Arbeit entsprechend liegt ein erster Erkenntnisschritt zunächst darin,
durch die Einzelfallanalyse diejenigen strategischen Grundlagen zu identifizieren,
welche für alle betrachteten Fälle relevant sind. Aufseiten des Herstellers waren
dies eine strategische und organisatorische Einbettung sowie ein organisatorischer
110
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Lernprozess, aufseiten des Kunden dessen Kompetenzen und Motivation. Für die
Interaktion zwischen den beiden Partnern spielen vor allem Struktur und Form der
Einbindung sowie die Beziehungsvariablen (samt Kommunikation) eine entscheidende Rolle. Zusätzlich zu diesen Elementen wurden auch noch drei Rahmenbedingungen, welche Auswirkungen auf die Ausprägung der frühen Kundenintegration
haben, identifiziert. Es sind dies die Position des Kunden in der Wertschöpfungskette, der Zeitpunkt der Integration im Verlauf der Innovationsfrühphase sowie die
spezifischen Ziele des Herstellers und damit der erwartete Kundenbeitrag. Abbildung 21 zeigt einen Überblick dieser Kriterien.
Rahmenbedingungen
¾ Position des Kunden in der Wertschöpfungskette
¾ Zeitpunkt der Integration im Verlauf der Frühphase
¾ Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag
Strategischen Grundlagen
Hersteller
Integrationsprozess
Kunde
¾ Übereinstimmung mit Strategie
¾ Organisatorische Ausformung
(Schnittstelle F&E/Marketing)
¾ Rahmen der Einbindung
(Passende Strukturen,
Form der Einbindung)
¾ Beziehungsvariablen
¾ Kompetenz
(Wissen und Fähigkeiten)
¾ Motivation
Abbildung 21: Kriterien für den Vergleich der Fallstudienergebnisse
Im Folgenden werden die jeweiligen Ausprägungen der einzelnen Fallstudien anhand dieser neuen Kriterien herausgearbeitet. In einer vergleichenden Analyse erfolgt daraus schliesslich die Herleitung der Determinanten und Gestaltungsfelder
der frühen Kundenintegration.
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
111
Bayer MaterialScience
Bayer Polymers hat die Ausrichtung nach dem Kunden bereits auf Ebene der Divisionsstrategie explizit verankert. So ist „one lead to the customer“ der zentrale Leitsatz, der auf den Aufbau und die Ziele der gesamten Organisation ausstrahlt. Die
Gründung des Creative Centers mit dem speziellen Fokus auf die Marktseite und
dem aktiven Kontakt zum Kunden ist ein deutliches Zeichen zur Festigung dieses
Ansatzes. Man kann also von einer strategischen Verankerung (Übereinstimmung
mit der Strategie) und durchgängigen organisatorischen Verankerung des Kundeneinbindungsgedankens sprechen. Das Creative Center erfüllt zwar auch Aufgaben,
welche typisch für klassische in der F&E angesiedelte Innovationsgruppen sind, es
ist aber grundsätzlich auf den Markt fokussiert. Dies zeigt sich beispielsweise darin,
dass rund 80 % aller externen Kontakte mit Kunden erfolgen. Rund um diese spezielle Gruppe existieren die klassischen Organisationsformen des Marketings samt
Key Account Management und der technologiefokussierten Forschung. Die Schnittstelle zum Marketing stellt dabei kein Problem dar. Die interne Kommunikation
funktioniert ausgezeichnet und Kontakte zu bzw. Treffen mit wichtigen Kunden
werden immer mit dem Key Account Management abgestimmt.
Die interne organisatorische Ausformung bei Bayer muss die Kundenbedürfnisse
verstehen können und adäquat zur Entwicklung neuer Produkte verwenden. Diese
Fähigkeit wird durch das Creative Center in zweifacher Hinsicht unterstützt. Zunächst werden die Informationen, welche durch Kundenintegration gewonnen werden, in einem internen Prozess aufgearbeitet und zu fertigen Konzepten weiterentwickelt. Die Schnittstelle zum nachgelagerten Segment Industry Innovations funktioniert durch das Vorhandensein eines definierten Übergabeprotokolls (Balanced
Innovation Card) problemlos. Zusätzlich arbeitet das Creative Center am Aufbau
eines internen Innovationsnetzwerkes, um sein Wissen weiterzugeben und zu einer
prinzipiell offenen Innovationskultur beizutragen.
Der eigentliche Rahmen der Einbindung wird aus Workshops gebildet, welche
meist an neutralen Orten mit einer zielgerichteten Auswahl an Kunden durchgeführt
werden. Durch die überwiegende Betrachtung präkompetitiver Themen ist es möglich, auch konkurrierende Kundenunternehmen zu gemeinsamen Workshops einzuladen. Generell zeigen sich am Beginn der Innovationsfrühphase Spitzen bezüglich
der Häufigkeit derartiger Treffen. Viele Kunden nehmen daher nur einmal bzw.
wenige Male an Integrationsworkshops teil.
Die Mitarbeiter des Creative Centers sind sehr bemüht, Vertrauen als Grundlage einer offenen Atmosphäre herzustellen. Als Zeichen dieser Offenheit werden das
Wissen und die Überlegungen von Bayer immer als erstes auf den Tisch gelegt. Es
112
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
gelingt dadurch, auch ohne detaillierte Vertraulichkeitsvereinbarungen zu einem Informationsaustausch zu gelangen, von dem beide Seiten profitieren. Vertrauen,
Commitment und Gegenseitigkeit sind die wichtigsten Beziehungsvariablen, welche in diesem Zusammenhang genannt werden. Die Entwicklung klarer Ziele und
das Controlling spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die Einbindung der Kunden
erfolgt, angestossen durch das Creative Center, in Form von Kundenbesuchen bzw.
Workshops an neutralen Orten.
Die Motivation der Kunden, sich in den frühen Innovationsprozess zu integrieren,
erfolgt durch die Schaffung einer Situation in der beide Parteien profitieren. Prinzipiell wird der Kunde durch Bekanntgabe von neuesten Trends und Technologien
motiviert. Sein Nutzen liegt (vor allem bei den kleineren Partnern) also in einer
Ausweitung der eigenen Möglichkeiten durch den Partner Bayer. Dies gestaltet sich
nicht immer problemlos. Da Bayer meistens nicht den nächstgelegenen Kunden,
sondern oft den OEM integriert, sind die Anreize für dessen Vertreter oft nicht direkt ersichtlich. So ist es beispielsweise nur schwer möglich, interessante Vertreter
eines Automobilherstellers zu einer längerfristigen Zusammenarbeit im oben beschriebenen Sinne zu gewinnen. Entscheidend ist die Auswahl der richtigen Personen beim Kunden, welche in der Lage sind, ihren Nutzen zu erkennen und in ihren
Unternehmen zu kommunizieren.
Das Hauptziel der Kundenintegration für das Creative Center ist die Abschätzung
von Marktpotenzialen in Form von Roadmaps für Marktentwicklungen und Technologien. Es kommen daher nur die Kunden als Partner infrage, welche selbst Interesse und Kompetenz auf dem Gebiet der Entwicklung zukünftiger Szenarien aufweisen. Der Kunde muss ein Alleinstellungsmerkmal (z. B. Fachkompetenz oder
Marktstellung) aufweisen, welches ihm ermöglicht, einen für Bayer wichtigen Beitrag zu leisten. Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist die Fähigkeit in der „gleichen Sprache zu sprechen“. Der erwartete Kundenbeitrag besteht für das Creative Center in Szenarien und Roadmaps zu vorher festgelegten Themen, welche mit den eigenen abgeglichen werden können. Der Kunde
muss also in der Regel Marktwissen in der Form von Trends und zukünftigen Entwicklungen rund um sein Produkt besitzen. Technologisches Wissen im Sinne von
Polymerkompetenz wird bei der Kundenintegration nicht erwartet. Zulieferer und
kleine Start-ups werden bei solchen technischen Fragestellungen als externe Partner
herangezogen.
Eine Zusammenfassung dieser Analyse zeigt Abbildung 22.
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
113
Position des Kunden in der Wertschöpfungskette
Hersteller
Zulieferprodukt
Modulzulieferer
Tier 1 Supplier
Kunde
Hersteller Endprodukt
(=Kunde des Kunden)
Absatzmittler
(opt.)
Endkunde
Benutzer
Integration
Strategische Grundlagen
Hersteller
Integrationsprozess
Übereinstimmung mit Strategie
¾
Bayer sieht sich als Technologieführer und Lösungsanbieter, der in eine eigene Abteilung investiert, um die erste Adresse für neue Lösungen zu sein, eigene Technologieabteilung näher an den
Markt zu bringen
Organisatorische Ausformung
Rahmen der Einbindung
¾
Kunden werden besucht, zu
Bayer oder an neutrale Orte zu
Workshops eingeladen
¾
Durch die vorwettbewerbliche
Betrachtung ist es möglich,
auch konkurrierende Kundenunternehmen zu gemeinsamen
Workshops einzuladen
Beziehungsvariablen
¾
Eigene Organisationseinheit
unabhängig vom klassischen
Marketing (unter Vorstand
Marketing und Innovation)
¾
Vertrauen und Gegenseitigkeit
spielen wesentliche Rolle („gleiche Augenhöhe“ mit den Kunden)
¾
Das Creative Center ist ein
interdisziplinäres Team (aus
Chemikern, Physikern und
Ingenieuren), welches direkten Kontakt zu den Kunden
hat
¾
Nur durch Offenlegung des eigenen Wissensstandes kommt
es zu einer Öffnung aufseiten
der Kunden
Kunde
Kompetenz
¾
Auf Gelegenheiten ausgerichtetes Marktwissen
Motivation
¾
Prinzipiell wird der Kunde
durch Bekanntgabe von
neuen Trends und Technologien motiviert
¾
Auswahl der richtigen Personen beim Kunden entscheidend Der Kundennutzen liegt (vor allem bei den
kleineren Partnern) in einer
Ausweitung der eigenen
Möglichkeiten durch den
Partner Bayer
Zeitpunkt der Integration
¾
Am Beginn der Frühphase (Gelegenheitsidentifikationsphase)
¾
Abschätzung von Marktpotenzialen und Technologieentwicklungen
¾
Kunde muss Alleinstellungsmerkmal (Fachkompetenz oder Marktstellung) aufweisen
Ziele des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag
Abbildung 22: Charakteristika der frühen Kundenintegration
der Bayer MaterialScience
114
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
EADS Astrium
Die Kundeneinbindung wird bei Astrium in weiten Teilen der Strategie explizit angesprochen. Diese strategische Verankerung manifestiert sich unter anderem darin,
dass im gesamten Unternehmen besonderer Wert auf intensive Kundenbeziehungen
gelegt wird und ein ausgeprägter bilateraler Informationsfluss mit den Kunden stattfindet. Dies zeigt sich auch in einer Transparenz interner Abläufe gegenüber den
Kunden, beispielsweise bei der Übergabe von erhaltenen Aufträgen von den Business Development Einheiten zur Entwicklungsabteilung.
Diese Business Development Einheiten bilden einen Bestandteil der organisatorischen Ausformung der frühen Kundenintegration bei EADS Astrium. Aufträge werden durch sie geführt und zusammen mit der Vorentwicklung akquiriert. Daneben
gibt es noch ein Key Account Management, welches Kundenbetreuung im klassischen Sinn betreibt. Durch die geringe Zahl an Kunden und die Grösse der Aufträge
(bezüglich des Auftragsvolumens und der Laufzeit) gibt es keine herkömmliche
Marketingorganisation. Die eigentliche operative Durchführung der Integration passiert durch die Entwicklungsabteilung im Zuge der gemeinsamen Definition der
Produktspezifikation. Der organisatorischer Lernprozess wird sowohl auf persönlicher Ebene durch regelmässige Treffen (z. B. Business Development Meetings) als
auch IT-basiert durch Wissensdatenbanken unterstützt. Dadurch wird sichergestellt,
dass Erfahrungen aus vergangenen Projekten gerade auch bezüglich des jeweiligen
Kunden aufgearbeitet und festgehalten werden.
Die Rahmen der Einbindung entspricht dem eines regulären komplexen Entwicklungsprojektes. Die verwendeten Instrumente reichen dabei über Workshops und
regelmässige Review-Treffen bis hin zu Job-Rotation und Einbezug der Mitarbeiter
des Kunden als „Residents“ vor Ort bei Astrium. Grundsätzlich besteht eine enge
Verzahnung mit den technologischen Abteilungen der Kunden im gesamten Verlauf
eines Projektes.
Beziehungsvariablen in Form von Vertrauen und Commitment spielen eine wesentliche Rolle. Durch die begrenzte Grösse des Marktes kennen sich viele Marktteilnehmer bereits persönlich und es gibt vielfältige Erfahrungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Dadurch, sowie durch eine weitgehende kulturelle Übereinstimmung, wird der Aufbau einer Vertrauensbasis erleichtert.
Bezüglich der Motivation der Kunden, also der generellen Bereitschaft der Kunden,
am Innovationsprozess teilzunehmen, ist EADS Astrium in der angenehmen Lage,
dass viele Kunden von selbst zu enger Interaktion motiviert sind. Dies beruht auf
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
115
dem wissenschaftlichen Ehrgeiz und Forschungsdrang vieler Kundenmitarbeiter
sowie der grossen Zahl kundenspezifischer Lösungen, welche viele komplexe Entscheidungen vom Kunden selbst erfordern. Die relative Grösse der Kunden ist ebenso wie das vorhandene Wissen sehr unterschiedlich ausgeprägt. EADS Astrium
erwartet aus Finanzierungsgründen allerdings eine Mindestgrösse des Kunden.
In der Satellitenbranche ist es für den Kunden unumgänglich, ebenfalls Entwicklungs-Know-how zu besitzen. Dies mag unterschiedlich ausgeprägt sein und
von den personellen wie auch finanziellen Ressourcen des Kunden abhängen. Jeder
Kunde muss jedoch zumindest im Stande sein, Mindestanforderungen zu spezifizieren sowie deren Einhaltung bei Abschluss des Projektes zu überprüfen. Vom Auftragnehmer wird die Einhaltung der spezifizierten Funktionalität erwartet. Der erwartete Kundenbeitrag der EADS Astrium ist also eine Minimierung des Entwicklungsrisikos durch die Nutzung des Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen
sowie als Kontrollinstanz. Die Kompetenzen des Kunden müssen sich also für bestimmte Bereiche mit denen des Herstellers decken.
Abbildung 23 fasst diese Kriterien für die EADS Astrium zusammen.
116
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Position des Kunden in der Wertschöpfungskette
Hersteller
Endprodukt
Kunde
Benutzer
Integration
Strategische Grundlagen
Hersteller
Integrationsprozess
Übereinstimmung mit Strategie
¾
Die Kundeneinbindung ist in
weiten Teilen der AstriumStrategie explizit verankert
¾
Im gesamten Unternehmen
wird besonderer Wert auf intensive Kundenbeziehungen
gelegt und es findet ein ausgeprägter bilateraler Informationsfluss statt
Organisatorische Ausformung
¾
¾
Aufträge werden geführt
durch die Business Development Einheiten und zusammen mit der Vorentwicklung akquiriert
Rahmen der Einbindung
¾
Es besteht eine enge Verzahnung mit den technologischen
Abteilungen der Kunden
Kunde
Kompetenz
¾
Technisches Fachwissen auf
dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers
Motivation
Beziehungsvariablen
¾
Durch die Beschränktheit des
Marktes spielt persönliche Bekanntheit eine grosse Rolle
¾
Die kulturelle Übereinstimmung
im engen Satellitenmarkt ist wesentlich für den Aufbau einer
Vertrauensbasis
Durch die geringe Zahl an
Kunden und die Grösse der
Aufträge (Auftragsvolumen
und Laufzeit) gibt es keine
klassische Marketingorganisation
¾
Kunden von selbst durch
wissenschaftlichen Ehrgeiz
und Forschungsdrang zu
enger Interaktion motiviert
¾
Die grosse Expertise der
Kunden führt dazu, dass sie
teilweise zu viel Einfluss auf
den Entwicklungsprozess
nehmen wollen
Zeitpunkt der Integration
¾
Ab der Ideengenerierungsphase über den gesamten Verlauf des frühen Innovationsprozesses
¾
Minimierung des Entwicklungsrisikos
¾
Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz
Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag
Abbildung 23: Charakteristika der frühen Kundenintegration der EADS Astrium
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
117
Hilti Diamond Systems
Prinzipiell legt Hilti für ihre Kernprodukte grossen Wert auf die eigene Entwicklung der Technologien von den ersten Grundlagenforschungen bis hin zum fertigen
Produkt. Diese starke Autonomie auf technischer Seite wird durch eine aussergewöhnlich hohe Marktorientierung ergänzt. Diese manifestiert sich am deutlichsten
in der Aufbauorganisation mit starken Marktorganisationen und einem ausschliesslichen Fokus auf das eigene Vertriebsnetz. Diese starke Kundenorientierung zeigt
sich auch in der strategischen Verankerung des Kunden als einer von drei Kernbausteinen der Hilti Strategie. Dadurch wird die Basis für eine erfolgreiche Integration
gelegt.
Auf der operativen Ebene ist Hilti bestrebt, den Kunden während des gesamten Innovationsprozesses, speziell in der Frühphase desselben, aktiv einzubinden. Die organisatorische Ausformung erfolgt ihm Rahmen eines definierten Prozesses, in welchem eine Reihe von Methoden zur Kundenintegration enthalten sind. Dazu werden
im Bereich der Diamond Systems die Kunden prinzipiell in ein Profi-Segment und
einen Mainstream-Markt eingeteilt. Der Erstkontakt zum Profikunden erfolgt dabei
über die Betreuer im neu geschaffenen Trade Diamond Service Contractors.
Forschungsprojekte werden, basierend auf Bedürfnissen der Kunden, innerhalb der
Forschung gestartet und vorangetrieben. Im weiteren Verlauf des Prozesses wird die
Rolle der Kunden wieder besonders relevant, sobald erste Anschauungsmodelle
vorhanden sind. Ab diesem Zeitpunkt kommt es zu einer intensiven Interaktion mit
ausgewählten Kunden. Der Rahmen der Einbindung wird dabei durch Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und Customer Acceptance Tests festgelegt, welche die
Definitions- und Konzeptphase der eigentlichen Produktentwicklung begleiten. Im
Rahmen eines erweiterten Servicegedankens wird die Integration auch durch die
Schaffung von speziellen Partnerschaftsniveaus und damit verbundenen Aktivitäten
unterstützt. Die Auswahl der Kunden erfolgt dabei einerseits nach deren Kompetenzen und andererseits basierend auf der Stufe der Partnerschaft, auf welcher sich der
jeweilige Kunde befindet. Als Lead-User im Sinne der Überprüfung der Value Proposition eines neuen Konzeptes kommen beispielsweise nur Kunden aus der höchsten Partnerschaftsstufe, so genannte Top-Partner infrage. Diese zeichnen sich neben
ihrer Innovativität auch durch einen hohen Umsatzanteil mit Hilti-Produkten und
eine hohe Loyalität aus.
Generell legt Hilti viel Wert auf langfristige Beziehungen mit ihren ausgewählten
Partnern. Der Grundstock dafür wird durch ein deutliches Commitment, eine ausgereifte organisatorische Verankerung und professionelle Prozesse gelegt. Auch spielen die Beziehungsvariablen Vertrauen und Gegenseitigkeit wesentliche Rollen.
118
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Die Motivation der Kunden erfolgt durch die Erarbeitung einer gemeinsamen Problemlösung, zu welcher sich Hilti als kompetenter Partner anbietet. Darüber hinaus
bietet die Mitgliedschaft im Top-Partner-Club auch noch soziale Vorteile beispielsweise erhöhtes Prestige und die Möglichkeit intensiver persönlicher Interaktion.
Eine Zusammenfassung der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems
aus dem Blickwinkel dieser Kriterien zeigt Abbildung 24.
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
119
Position des Kunden in der Wertschöpfungskette
Hersteller
Endprodukt
Kunde
Benutzer
Integration
Strategische Grundlagen
Hersteller
Integrationsprozess
Übereinstimmung mit Strategie
¾
Kunden sind eine der drei
zentralen Säulen der Strategie
¾
Spezielle Kundenorientierung auch durch den Direktvertrieb bedingt
Organisatorische Ausformung
¾
Erstkontakt zum Profikunden
erfolgt dabei über die Betreuer im neu geschaffenen
Trade Diamond Service
Contractors (Teil der Marktorganisation)
¾
Keine spezielle Abteilung zur
Kundenintegration etabliert
Rahmen der Einbindung
¾
¾
Kunden werden im Rahmen von
Realisierungsprojekten durch
Fokusgruppen, Lead-UserWorkshops und Customer Acceptance Tests eingebunden
Kompetenz
¾
Anwendungsorientiertes
Marktwissen
Motivation
¾
Primär durch die gemeinsame Erarbeitung von Problemlösungen; der Kunde
sucht einen kompetenten
Partner, welcher sein Problem löst
¾
Zusätzlich werden durch
verschiedene genau definierte Stufen der Zusammenarbeit Möglichkeiten geboten,
exklusiven Gruppen anzugehören und dadurch spezielle Vorteile zu geniessen
Im Rahmen eines erweiterten
Servicegedankens auch durch
die Schaffung von speziellen
Partnerschaftsniveaus und damit verbundenen Aktivitäten
Beziehungsvariablen
¾
Kunde
Grosses Interesse an langfristigen Partnerschaften mit den
Kunden; es wird daher Commitment gezeigt und versucht,
Vertrauen aufzubauen
Zeitpunkt der Integration
¾
Ende der Frühphase tlw. Überschneidung mit dem Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses
Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag
¾
Optimierung von Konzepten
¾
Kunden müssen innovativ und an Lösung interessiert sein
Abbildung 24: Charakteristika der frühen Kundenintegration
der Hilti Diamond Systems
120
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Zumtobel Staff
Zumtobel Staff integriert systematisch im Rahmen von Sonderprojekten Architekten und Lichtplaner als fachmännische Vertreter der eigentlichen Kunden in seinen
Innovationsprozess. Diese Integration ist eine Ausdruck der Offenheit des Unternehmens, welche auf einer offenen innovationsfreundlichen Firmenkultur sowie einer entsprechenden strategischen Verankerung basiert.
Mit der Gruppe Strategic Partner Development gibt es spezielle Betreuer innerhalb
der Organisation der Zumtobel Staff, welche die Integration der strategischen Partner operativ umsetzen. Diese Spezialisten beraten und informieren die Partner einerseits durch die Bereitstellung von speziellen Unterlagen, primär aber durch persönliche Gespräche und Besuche. Diese organisatorische Ausformung wurde zusätzlich zum traditionellen Marketing und Key Account Management geschaffen.
Grundsätzlich werden aber alle Projekte in einem interdisziplinären Team aus Vertretern von F&E, Marketing und Produktion abgewickelt.
Den Rahmen der Einbindung bilden so genannte Sonderprojekte. Deren Ziel ist es,
partnerschaftlich Speziallösungen zu entwickeln, welche zunächst als Sonderprodukte umgesetzt und im Idealfall später zu innovativen Standardprodukten umgewandelt werden können. Die Integration der Kunden stellt in Form des Starts gemeinsamer Projekte gleichzeitig den Beginn des Innovationsprozesses dar. Sie verläuft über den gesamten Prozess und endet erst, wenn das Sonderprodukt entwickelt
und verkauft wurde bzw. nach der Umwandlung in ein Standardprodukt. Die Auswahl der Partner erfolgt basierend auf ihrer innovativen Grundhaltung, fachlichen
Qualifikation und Fähigkeit, sich im Rahmen eines Bauprojektes mit ihren Ideen
durchzusetzen.
Das Ziel der Zumtobel Staff ist es, langfristige Partnerschaften mit innovativen
Partnern zu erreichen. Dabei spielt der Aufbau einer gemeinsamen Vertrauensbasis
sowie ein gegenseitiges Commitment eine wesentliche Rolle. Die Basis für diese
Beziehungsvariablen bildet der beidseitige Nutzen, als Manifestation der Gegenseitigkeit.
Die Motivation der Kunden liegt in der Möglichkeit, im Rahmen der Integration mit
einem angesehenen Spezialisten individuelle Sonderlösungen realisieren zu können.
Der von Zumtobel Staff erwartete Kundenbeitrag ist neben der fachlichen Qualifikation des Partners auch seine Fähigkeit, eine Lösung im Bauprojekt durchsetzen zu
können.
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
121
Es kann nur dann zu einer nachhaltigen Verstärkung der Innovationsfähigkeit
kommen, wenn die gemeinsam entwickelten innovativen Produkte auch realisiert
werden und zum wirtschaftlichen Erfolg führen.
Abbildung 25 fasst diese Punkte zusammen.
Position des Kunden in der Wertschöpfungskette
Hersteller
Endprodukt
Architekt
Lichtplaner
Endkunde
Bauträger
Benutzer
Integration
Strategische Grundlagen
Hersteller
Integrationsprozess
Übereinstimmung mit Strategie
¾
Die Offenheit nach aussen
und Integration von speziellen Kunden durch die Kultur
der Eigentümerfamilie an
höchster Stelle verankert
Organisatorische Ausformung
¾
¾
Strategic Partner Development Gruppe zusätzlich zum
traditionellen Marketing und
dem Key Account Management mit Kundenintegration
betraut
Rahmen der Einbindung
¾
Kunden werden im Rahmen von
Sonderprojekten eingebunden
¾
Aufgrund der Machtverhältnisse
erfolgt die Betreuung durch
Strategic Partner Development
auch an Bürostandorten prominenter Kunden
Beziehungsvariablen
¾
Ziel sind langfristige auf Vertrauen basierte Beziehungen
¾
Das Commitment beider Seiten
muss gegeben sein; Gegenseitigkeit gibt es in der Baubranche
allerdings sehr selten
Kunde
Kompetenz
¾
Technisches Fachwissen auf
einem die Kompetenz des
Herstellers ergänzenden
Feld
Motivation
¾
Kreative Kunden werden
durch die Möglichkeit motiviert, ihre eigenen Kreationen mit einem kompetenten
Partner umsetzen zu können
¾
Für Kunden mit Installationskompetenz werden auch
Sachspenden eingesetzt
Alle Projekte werden in einem interdisziplinären Team
aus Vertretern von F&E,
Marketing und Produktion
abgewickelt
Zeitpunkt der Integration
¾
In der Ideengenerierungsphase
¾
Realisierung gemeinsamer Innovationsprojekte
¾
Partner muss neben der fachlichen Qualifikation auch Durchsetzungsvermögen für innovative Lösungen mitbringen
Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag
Abbildung 25: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff
122
4.1.2
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Determinanten und Gestaltungsfelder
Die detailliertere vergleichende Betrachtung der Daten anhand der als wesentlich
identifizierten Kriterien ermöglicht nun, im Sinne generell auftretender Merkmale,
die Ableitung der relevanten Determinanten und Gestaltungsfelder der frühen Kundenintegration.
Determinanten
Vergleicht man die fokussierten Analysen der Fallstudien des vorherigen Abschnittes so lässt sich zunächst bezüglich der Rahmenbedingungen feststellen, dass die
Position des Kunden in der Wertschöpfungskette keinen wesentlichen Einfluss auf
die frühe Kundenintegration aufweist. Die vorhandenen Unterschiede bezüglich der
Distanz und der Beziehung zwischen den Unternehmen und ihren integrierten Kunden wirkt sich nicht entscheidend auf Gestaltung, Ablauf und Management der Integration aus. Ein derartiger Einfluss ist allerdings bei den beiden anderen Rahmenbedingungen feststellbar. Dabei zeigt sich für den Zeitpunkt der Integration folgendes Bild. Die Integration der Kunden erfolgt bei Bayer MaterialScience ganz am
Beginn der Frühphase bzw. des Innovationsprozesses. Das Creative Center strebt
gemeinsam mit den Kunden Szenarien und Roadmaps für zukünftige Entwicklungen an. Zu diesem Zeitpunkt liegen noch keine konkreten Produktideen bzw. Konzepte vor. Es werden vielmehr gemeinsam mit den integrierten Kunden neue Geschäftschancen gesucht und deren zukünftige Entwicklung abgeschätzt. EADS
Astrium beginnt mit der frühen Kundenintegration erst im nächsten Schritt der Innovationsfrühphase, der Ideengenerierungsphase. In dieser Phase ist im Zuge einer
gemeinsamen Entwicklung der genauen Spezifikationsinhalte die Intensität der Integration am höchsten, auch wenn diese über den gesamten Verlauf des frühen Innovationsprozesses anhält. Auch bei Zumtobel Staff zeigt sich die engste Zusammenarbeit während der Phase der Ideenentstehung. Da dort prinzipiell langfristige
Partnerschaften angestrebt werden, besteht oft schon vor dem eigentlichen Innovationsprojekt Kontakt zwischen Hersteller und Partnern, doch die relevante Interaktion passiert, wenn es um das Finden und Verfeinern von Ideen geht. Die Konzepte,
welche aus den Ideen entwickelt werden, stehen bei Hilti Diamond Systems im Mittelpunkt der Kundenintegration. Am Ende der Frühphase werden Kunden eingebunden, um bestehende Konzepte zu beurteilen und an deren Auswahl und Verbesserung mitzuwirken. Dabei kommt es teilweise zu einer Überschneidung mit dem
Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses.
Eine ähnliche Differenzierung zeigt sich auch bei den mit der frühen Kundenintegration verbundenen Zielen des Herstellers und den erwarteten Kundenbeiträgen
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
123
bzw. der eng damit verknüpften notwendigen Kompetenz des Kunden. Bayer MaterialScience erwartet sich von der Integration ein besseres Verständnis der Marktentwicklungen und -potenziale. Im Dialog mit den integrierten Kunden sollen Szenarien abgestimmt und darauf aufbauend Roadmaps mit möglichst realistischen
Time-to-Market-Schätzungen entwickelt werden. Zusammenfassend formuliert liegt
das Ziel also in der Identifikation von Trends sowie deren Ausarbeitung und Aufbereitung. Als wesentliche Eigenschaft muss ein potenzieller Integrationspartner ein
Alleinstellungsmerkmal, welches in seiner Fachkompetenz oder Marktstellung begründet sein kann, aufweisen. Der gewünschte Kundenbeitrag ergibt sich dann aus
der Umsetzung dieser Eigenschaft in Form einer konstruktiven Teilnahme am Innovationsprojekt. Für Hilti Diamond Systems müssen die ausgewählten Kunden vor
allem selbst innovativ bzw. an Innovationen interessiert sein. Dadurch spielen sie
oft eine Vorreiterrolle am Markt und sind an kompetenten Lösungen ihrer, in vielen
Fällen neuartigen, Probleme interessiert. Hiltis Ziel ist es, in interaktiven
Workshops Informationen bezüglich der Verbesserung von selektierten Produktkonzepten zu erhalten, also eine Auswahl und Konzeptverfeinerung zu erreichen.
Zumtobel Staff geht noch einen Schritt weiter. Ziel der Kundenintegration dort ist
es, gemeinsam mit dem Kunden innovative Sonderprodukte zu entwickeln, welche
Zumtobel alleine nicht realisieren könnte. Dazu bedarf es einer komplementären
Kompetenz des Kunden, welche im Bereich des Designs bzw. der Lichtplanung
liegt. Zusätzlich ist neben der fachlichen Qualifikation des Partners auch entscheidend, dass dieser die Fähigkeit mitbringt, die gemeinsame Lösung im Bauprojekt
durchzusetzen. Für EADS Astrium liegt das primäre Ziel in einer Minimierung des
Entwicklungsrisikos. Durch die gemeinsame Erarbeitung einer detaillierten Spezifikation leistet der Kunde einen wertvollen Beitrag als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz. Dies ist nur möglich, da der Kunde über ein ähnliches Kompetenzprofil wie Astrium selbst verfügt.
Man kann also die Erfüllung der Ziele, welche der Hersteller an die frühe Kundenintegration knüpft, auf die Kompetenz des Kunden – grundsätzlich einzuteilen in
Marktwissen und technisches Wissen – beziehen. Nur wenn der Kunde mit dem geeigneten Kompetenzprofil ausgestattet ist, kann er den gewünschten Beitrag erbringen und dadurch zur Erfüllung der Herstellerziele beitragen. Diese Kompetenz des
Kunden stellt gleichzeitig einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Gestaltung und
Durchführung der frühen Kundenintegration dar.
124
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Die zentralen Unterschiede der untersuchten Fälle zur frühen Kundenintegration
liegen demnach im Zeitpunkt der Integration in die Innovationsfrühphase und der
Kompetenz der integrierten Kunden bzw. dem jeweils angestrebten Ziel der Hersteller. Tabelle 3 fasst diese Unterschiede zusammen.
Unternehmen
Zeitpunkt der Integration
Herstellerziel/erwarteter
Kundenbeitrag
Kompetenz des Kunden
Bayer
Material
Science
Am Beginn der Frühphase
Abschätzung von Marktpotenzialen und Technologieentwicklungen
Auf Gelegenheiten ausgerichtetes Marktwissen
Kunde muss Alleinstellungsmerkmal (Fachkompetenz oder Marktstellung)
aufweisen
EADS
Astrium
Ab der Ideengenerierungsphase über den gesamten Verlauf des frühen
Innovationsprozesses
Minimierung des Entwicklungsrisikos
Hilti Diamond
Systems
Ende der Frühphase tlw.
Überschneidung mit dem
Beginn des eigentlichen
Produktentwicklungsprozesses
Optimierung von Konzepten
Zumtobel
Staff
In der Ideengenerierungsphase
Realisierung gemeinsamer
Innovationsprojekte
Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz
Technisches Fachwissen
auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers
Anwendungsorientiertes
Marktwissen
Kunden müssen innovativ
und an Lösung interessiert
sein
Partner muss neben der
fachlichen Qualifikation
Durchsetzungsvermögen
für innovative Lösungen
mitbringen
Technisches Fachwissen
auf einem die Kompetenz
des Herstellers ergänzenden Feld
Tabelle 3: Zentrale Unterschiede der Fokussierung der frühen Kundenintegration
in den betrachteten Fallstudien
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
125
Der Vergleich der Fallstudien liefert also zunächst zwei Determinanten, welche die
Ausprägung früher Kundenintegration bestimmen. Es sind dies der Zeitpunkt der
Integration in die Innovationsfrühphase sowie die spezielle Kompetenz des Kunden
(vgl. Abb. 26). Die Charakteristika und Ausprägungen dieser Determinanten werden in Abschnitt 5.1.3 näher beschrieben und als Basis einer Typologie spezifischer
Kundenrollen der frühen Kundenintegration verwendet.
Je nach Integrationszeitpunkt und Kompetenz des Kunden zeigen sich bei den untersuchten Unternehmen unterschiedliche Gestaltungen und Abläufe der frühen
Kundenintegration. Die hinter diesen Ausprägungen liegenden Gestaltungsfelder
werden im Folgenden näher betrachtet.
Zeitpunkt der Integration
Gelegenheitsphase
Technisches Wissen
Ideenphase
Kompetenz des Kunden
Konzeptphase
Marktwissen
Abbildung 26: Determinanten der frühen Kundenintegration als Ergebnis der Fallstudienanalyse
Aus einer zusammenfassenden Betrachtung der strategischen Grundlagen der frühen Kundenintegration in den vier betrachteten Unternehmen werden nun Gestaltungsfelder identifiziert. Diese sind im Sinne von Dimensionen des Konstruktes der
frühen aktiven Kundenintegration zu verstehen. Dieser Schritt einer Strukturierung
eines Konstruktes durch die Erarbeitung der relevanten Dimensionen wird von
Homburg als Konzeptualisierung bezeichnet, während die Operationalisierung die
darauf aufbauende Entwicklung eines Messinstruments meint (Homburg 2000).
Diese Dimensionen sind ihrerseits wieder aus Faktoren aufgebaut. Im Rahmen der
vorliegenden Arbeit werden diese Faktoren Gestaltungsfaktoren genannt und die
übergeordneten Dimensionen entsprechend Gestaltungsfelder. Die folgende Herleitung der relevanten Gestaltungsfelder stellt also den ersten Schritt der Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration dar.
126
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Gestaltungsfelder
Ein Vergleich der Fälle ergibt eine Reihe von Gemeinsamkeiten hinsichtlich der
Einbettung, der Gestaltung und des Ablaufs der frühen Kundenintegration. Dabei
lässt sich zunächst eine Unterteilung in übergeordnete und operative Gestaltungsfelder treffen. Die übergeordnete Ebene bildet den unternehmerischen Rahmen, in
welchen die operative Integration eingebettet ist.
Unternehmerischer Rahmen
Eine Gemeinsamkeit aller untersuchten Unternehmen ist der Umstand, dass der
Grundgedanke einer Öffnung des Innovationsprozesses bereits auf höchstem Niveau in der Strategie verankert ist. Ausgehend von einer derartigen Leitlinie werden
die einzelnen strategischen Vorgaben und Ziele der Divisionen, Abteilungen und
Gruppen geformt. Nur wenn die Integrationsaktivitäten in Übereinstimmung mit
derartigen strategischen Vorgaben ablaufen, können sie nachhaltig betrieben werden und zum Erfolg führen. Das erste übergreifende Gestaltungsfeld ist daher die
übergeordnete Strategie.
Untrennbar mit einer strategischen Ausrichtung ist eine passende Kultur verbunden.
Auch im Fall der frühen Kundenintegration konnte dies eindrucksvoll gezeigt werden. Eine offene Innovationskultur ist eine absolut notwendige Voraussetzung für
den Erfolg. Es bedarf eines Klimas, in dem ein kreativer Austausch innerhalb der
Abteilungen sowie über Unternehmensgrenzen hinweg (intra- und interorganisational) möglich ist. Dieser Dialog muss vom obersten Management vorgelebt und gefördert werden. Kultur bildet daher die zweite Säule des unternehmerischen Rahmens.
Der dritte übergeordnete Aspekt ist eine prinzipielle strukturelle Verankerung der
frühen Kundenintegration in der Organisation des Herstellers. Die Analyse der Fälle
hat dazu verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, welche sich alle durch eindeutige
Verantwortlichkeiten und entsprechende Ressourcenausstattung auszeichnen. Eine
derartige übergeordnete Struktur schliesst den notwendigen Rahmen für die operative Gestaltung ab.
Operative Gestaltungsfelder
Auf der operativen Ebene lassen sich die Erkenntnisse des Fallstudienvergleiches in
zwei Gruppen einteilen. Zunächst zeigen einige Kriterien die Notwendigkeit einer
operativen Strukturierung der Kundenintegration. Primär durch den Rahmen der
Einbindung, aber auch durch Faktoren der organisatorischen Ausformung wird
CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
127
festgelegt, wie oft, welche Kunden, wo und mit welcher Intensität integriert werden.
Die Fälle haben also gezeigt, dass für die operative Gestaltung der frühen Kundenintegration die Integration strukturell an die jeweiligen Rahmenbedingungen sowie
die Intentionen des Herstellers angepasst werden muss. Diese Integrationsstruktur
bildet das erste operative Gestaltungsfeld.
Der zweite Gestaltungsschwerpunkt, welcher sich aus den Fällen herauskristallisiert
hat, liegt in der operativen Durchführung des eigentlichen Integrationsprozesses.
Dieses Feld deckt in Ergänzung zu den strukturellen Elementen Aspekte der kulturellen Übereinstimmung, der Kommunikation und der Beziehungsvariablen ab.
Aufbauend auf einer gemeinsamen Vertrauensbasis spielen dabei das beidseitige
Commitment und die Gegenseitigkeit des Nutzens durch die Integration wesentliche
Rollen. Dabei hat sich die Motivation der Kunden als ein entscheidendes Element
herausgestellt. Als Ergebnis dieses Interaktionsprozesses wird schliesslich – als
Kernpunkt der Integration – neues Wissen generiert.
Diese fünf identifizierten Gestaltungsfelder der frühen Kundenintegration sind in
Abbildung 27 dargestellt.
Unternehmerischer
Rahmen
Operative
Gestaltungsfelder
Strategie
Integrationsstruktur
Kultur
Struktur
Interaktionsprozess
Abbildung 27: Gestaltungsfelder als Ergebnis der Fallstudienanalyse
Im Folgenden werden, dem Fokus dieser Arbeit entsprechend, die beiden operativen Gestaltungsfelder weiter vertieft, indem für sie entsprechende Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration identifiziert bzw. entwickelt werden. Der unternehmerische Rahmen wird im Zuge der Aufstellung der Gestaltungsempfehlungen
in Abschnitt 6.3 wieder aufgegriffen.
128
4.2
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration
In diesem Abschnitt soll zum tieferen Verständnis der Ausgestaltung der frühen
Kundenintegration eine genaue Analyse der relevanten operativen Gestaltungsfelder
Integrationsstruktur und Interaktionsprozess durchgeführt werden. Dazu werden die
wichtigsten hinter den Einflussfeldern liegenden Theorien und Forschungsfelder herangezogen und relevante Gestaltungsfaktoren identifiziert.
In der umfangreichen und vielfältigen Literatur über Organisationslehre, Theorien
der Firma sowie Management- und Innovationsforschung (z. B. Galbraith 1973;
Miller 1993; Sanchez, Mahoney 1996; Daft 2001) wurden bereits Gestaltungselemente zur Unterstützung von Innovation in Unternehmen beschrieben. Dabei handelt es sich beispielsweise um Elemente der Organisationskultur, spezielle innovationsfördernde Rollen, aber auch die Art der intra- und interorganisationalen Verbindungen und die Natur von Incentivesystemen. Diese Ansätze passen sehr gut zu den
identifizierten Gestaltungsfeldern der frühen Kundenintegration: Das Feld der Integrationsstruktur (struktureller Aspekt) behandelt die Einbindung des ausgewählten Kunden in die internen Teamstrukturen und Abläufe des Herstellers. Es wird
gezeigt, dass verschiedene Kundenrollen verschiedene Arten der Anbindung des
Kunden und damit unterschiedliche Typen von Integrations- und Koordinationsmechanismen erfordern. Die Ausprägung des Interaktionsprozesses (sozialer Aspekt)
zwischen Hersteller und Kunden wird durch den Umstand dominiert, dass im Falle
der frühen Kundenintegration der überwiegende, ergebnisrelevante Teil der Kontakte – und damit der Kommunikation – in einem persönlichen Umfeld stattfinden. Ein
spezieller Fokus wird dabei auf die Kernaktivität der frühen Kundenintegration, die
kognitiven Prozesse der Wissensentstehung, gelegt. Es wird Bezug darauf genommen, wie der Prozess der Wissensentstehung mit den Kundenrollen variiert und den
Bedarf für verschiedene Arten von Wissensmanagementmechanismen in der frühen
Kundenintegration impliziert. Als Grundtenor der empirischen Untersuchung hat
sich dabei die Kundenmotivation als ein entscheidendes Element herauskristallisiert. Dies erklärt sich durch den grundsätzlich freiwilligen Charakter der Kundenintegration und betont die Notwendigkeit von Anreizsystemen in der Gestaltung des
frühen Kundenintegrationsprozesses.
Einige dieser Ansätze überlappen teilweise bezüglich der Gestaltungsinformationen,
welche sie liefern. Zusammengenommen ermöglichen sie aber, die verschiedenen
Beziehungen und Abhängigkeiten einer frühen Kundenintegration zu erfassen und
die notwendigen Gestaltungselemente zur Unterstützung eines derartigen offenen
Innovationssystems zu entwickeln.
GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
4.2.1
129
Strukturelle Gestaltung
Prinzipiell müssen Unternehmen ihre Entwicklungsumgebung für neue Produkte so
strukturieren, dass ein Mittelweg zwischen Flexibilität, welche für Kreativität und
damit Innovation erforderlich ist, und Disziplin, zur Sicherstellung der Effektivität
des Entwicklungsprozesses, gewährleistet ist. Dies gilt umso mehr für die Aufnahme von Beiträgen externer Teammitglieder. Frühere Studien der Innovationsforschung bzw. der Neuproduktentwicklung zeigen, dass die Muster der Interaktion
zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden mit der Rolle der Kunden im
Entwicklungsprozess variieren (z. B. Leonard-Barton 1995; Kaulio 1998). Unternehmen müssen daher ein Umfeld schaffen, um die Interaktionsmuster der jeweiligen Rolle, welche ihre integrierten Kunden in der Innovationsfrühphase spielen sollen, zu ermöglichen (vgl. z. B. Nambisan 2002). Dadurch kann sichergestellt werden, dass Kundeninformationen genau und umfassend gesendet und empfangen
werden. Relevante Eigenschaften der Hersteller-Kunden-Beziehung und damit
Merkmale der Kundenintegration sind die Dauer, die Häufigkeit der Kontakte, die
Stärke der Einbeziehung und eine wechselseitig verständliche Kommunikation
(Brockhoff 2002).
Ein wichtiger Gestaltungsfaktor ist dabei die Verbindungsstärke bzw. die Intensität
zwischen dem Kunden und dem Hersteller. Gruner (1997) operationalisiert Intensität der Kundeneinbindung mit den folgenden Indikatoren: Häufigkeit der Kontakte
und Anzahl der Verhandlungen („Häufigkeit der Treffen mit den Kunden“), Dauer
der Verhandlungen („Dauer der gemeinsamen Zusammenarbeit“), Anzahl der Kooperationspartner (Anzahl der Kundenteilnehmer bei einem Treffen und Anzahl der
vom Hersteller involvierten verschiedenen Kunden).
Ein Mittel zur Erzielung einer stärkeren Bindung ist neben einer Erhöhung der Häufigkeit der Kontakte beispielsweise die Schaffung einer eigenen Position auf Herstellerseite, welche spezielle Integrationsaufgaben übernimmt.
Weitere relevante Faktoren der strukturellen Integration sind dabei die zeitliche
Struktur, die Zahl der Kunden sowie der Ort der Interaktion (vgl. Gruner 1997; Lettl
2004). Die zeitliche Struktur (wie oft und wie lange?) wird im Rahmen dieser Arbeit in die folgenden beiden Elemente aufgeteilt. Das Zeitmuster der Interaktion im
Sinne der Intervalle, welche zwischen den einzelnen Interaktionen liegen (entspricht
der Häufigkeit) und die Dauer der einzelnen Interaktionen. Kombiniert man diese
beiden Elemente, so kann man von punktueller Interaktion sprechen, wenn zwischen den einzelnen Interaktionen Intervalle ohne Interaktion liegen und die einzelnen Interaktionen von kurzer Dauer sind (max. 1 Tag). Auf der anderen Seite ist
permanente Integration durch einen längerfristigen Charakter gekennzeichnet. Die-
130
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
ser kann sich entweder in einer kontinuierlichen Zusammenarbeit über eine längeren Zeitraum (mehrere Tage, Wochen oder Monate; beispielsweise im Rahmen eines mehrtägigen Workshops) oder überhaupt durch eine Integration in das Innovationsteam des Hersteller über eine längeren Zeitraum manifestieren (vgl. Lettl
2004). Prinzipiell lässt sich feststellen, dass es sich im Falle der frühen Kundenintegration (im Sinne der Definition einer frühen aktiven Kundenintegration im B-2B-Umfeld) tendenziell um längerfristige Lösungen handelt. Grund dafür ist primär
eine relativ kleine Gruppe an Kunden, welche überhaupt infrage kommt, und damit
ein beschränktes Reservoir an potenziellen Integrationspartnern.
Auch die Zahl der Kunden, welche eingebundenen werden, stellt ein Instrument
dar, mit dem die Integrationsstruktur beeinflusst werden kann. Prinzipiell hat die
Kundenzahl doppelte Bedeutung. Erstens die Zahl der Kundenteilnehmer bei einem
Interaktionsevent und zweitens die Zahl der verschiedenen Kundenfirmen im Laufe
eines Projektes. Der Ort der Interaktion verkörpert einen weiteren Faktor der strukturellen Gestaltung. Räumlich betrachtet kann die Interaktion beim Hersteller, beim
Kunden oder an einem neutralen dritten Ort stattfinden (vgl. Lettl 2004).
4.2.2
Prozessuale Gestaltung
Die frühe Kundenintegration ermöglicht einem Unternehmen, ausgewählte Kunden
in seine Organisation hineinzuholen und sie, als Teil eines „gemischten Innovationsteams“13, zumindest temporär quasi in „Angestellte“ zu transformieren. Allerdings ist ein derartiger offener Innovationsprozess aufgrund der höheren Komplexität schwerer zu managen und mit höherem Risiko verbunden als ein klassischer,
ausschliesslich firmeninterner Prozess. Auch wenn die frühe Kundenintegration
keine verteilte Innovationsgemeinschaft im Sinne einer „Community of Creation“
darstellt, so gilt doch auch für sie der Bedarf nach speziellen Kontroll- und Führungsmechanismen (vgl. Sawhney, Prandelli 2000). Dabei müssen speziell Fragestellungen der Interaktion bzw. Kommunikation14 mit den integrierten Kunden berücksichtigt werden. Der Fokus liegt daher im Folgenden auf den prozessbezogenen
Gestaltungsfaktoren der Interaktion.
Eine hohes Niveau an struktureller Integration wie im vorhergehenden Abschnitt
beschrieben, muss nicht notwendigerweise in einem hohen Kooperationsniveau re13
Im Rahmen dieser Arbeit bedeutet „gemischtes Innovationsteam“ ein räumlich beim Hersteller angesiedeltes Team, welches neben Vertretern des Herstellers auch mindestens einen Kunden enthält. Die Grösse,
Gestaltung und Bestandsdauer dieses Teams hängt dabei, wie in diesem Kapitel ausgeführt wird, wesentlich von den jeweiligen Kundenrollen ab.
14 Eine genaue Differenzierung zwischen Interaktion und Kommunikation liefert beispielsweise Homans
(1972). Für die vorliegende Arbeit werden beide Begriffe nicht unterschieden.
GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
131
sultieren (Jassawalla, Sashittal 1998). Firmen müssen daneben auch noch eine Reihe an prozessbezogenen Faktoren berücksichtigen (vgl. Nambisan 2002) – nämlich
die Transparenz der Rolle und des Prozesses sowie den kulturellen Fit zwischen den
externen und internen Playern. Diese Faktoren haben eine generelle Auswirkung
auf das Vertrauen und die Offenheit im Rahmen des Integrationsprozesses. Prozessund Rollentransparenz bezeichnet einen Zustand grosser Offenheit und Awareness
durch intensive Kommunikation und Informationsaustausch. In diesem Zusammenhang bedeutet dies zunächst, dass die Erwartungen an die Rolle der integrierten
Kunden für beide Seiten explizit gemacht werden (z. B. Dougherty 1992; Jassawalla, Sashittal 1998). Neben diesem klaren Verständnis ihrer eigenen Rolle müssen
die Kunden auch verstehen, wie ihre Beiträge im Rahmen des Innovationsprozesses
weiterverarbeitet werden. Dies schliesst Fragen nach den handelnden Personen ebenso ein wie solche nach dem übergeordneten Zeitplan. Für die frühe Kundenintegration sind sowohl die Klarheit bezüglich der Rollen als auch der Transparenz
des Prozesses wesentlich. Eine diesbezügliche Unsicherheit auf einer der beiden
Seiten kann zur Unzufriedenheit der Kunden führen und dadurch die Qualität der
Kundenbeiträge negativ beeinflussen (Thomas, Dunn 1994).
Der zweite Gestaltungsfaktor betrifft den kulturellen Fit und damit eine gemeinsame Grundlage bezüglich der geistigen Modelle und Vorstellungen (Dougherty
1992; Jassawalla, Sashittal 1998; Madhavan, Grover 1998). Als Grundlage der Beziehung sollten die Akteure gemeinsame mentale Modelle bzw. eine kognitive
Kompatibilität (Sawhney, Prandelli 2000) bezüglich der Ziele, Prioritäten, Zeitpläne
und Rahmenbedingungen aufweisen. Ein solche gemeinsame Grundlage hilft, die
Anstrengungen der Kunden zielgerichtet zu fokussieren.
Um tiefer in die Kundenrollen einzudringen, ist es hilfreich, auf die Wissensgenerierung durch die Integration näher einzugehen. Die Schaffung neuen Wissens stellt
das zentrale Thema jedes Innovations- bzw. Neuproduktentwicklungsprozesses dar
(vgl. Leonard-Barton 1995; Madhavan, Grover 1998; Aslanidis, Korell 2003).15 Der
„Knowledge-based View of the Firm“ dient daher als theoretischer Rahmen für die
folgenden Überlegungen. Dabei wird nicht in allen Details auf den weit entwickelten Forschungszweig des Wissensmanagements eingegangen, da dies den Rahmen
dieser Arbeit sprengen würde und zur Herleitung der Gestaltungsprinzipien nicht
notwendig ist. Es kann aus diesen Forschungen aber abgeleitet werden, dass die soziologische Perspektive der Wissens- und Wertentstehung eine wesentliche Rolle
bei der frühen Kundenintegration spielt (z. B. Nahabiet, Goshal 1998; Nonaka,
15
Es existiert kein einheitliches Modell des Zusammenhangs zwischen Innovation und Wissen (vgl. Barker
2002).
132
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Konno 1998). Gemeinschaftliche Wissensentstehung beruht auf sozialen Beziehungen, welche durch die persönliche Interaktion zwischen den einzelnen involvierten
Personen – hier zwischen Vertretern des Herstellers und des Kunden – entstehen.
Die Umsetzung des so entstehenden Wissens hängt an den integrativen Fähigkeiten
der Herstellerfirma und damit an den Systemen und Prozessen, welche diese unterstützen (z. B. Kogut, Zander 1992; Nadler, Tushman 1997; Adams, Day et al. 1998;
Verona 1999).
Bezüglich der Art und der Entstehung von Wissen lassen sich folgende Einteilungen treffen. Auf der Ebene des Grundtyps bzw. der Vermittelbarkeit besteht die
klassische Unterscheidung in implizites und explizites Wissen (vgl. Nonaka, Takeuchi 1995) und auf einer inhaltlichen Ebene die Trennung in marktbezogenes und
technologiebezogenes Wissen (vgl. Gassmann, Gaso 2004). Schliesslich können
noch bezüglich der Art der Wissensentstehung die zwei grundsätzlichen Typen der
Wissensakquise und der Wissenskonversion unterschieden werden (Huber 1991;
Nonaka, Takeuchi 1995). Wissensakquisition meint die Aneignung von Wissen über ein Produkt oder eine Technologie aus verschiedenen Quellen. Die Wissensumwandlung wird durch die Transformation von Wissen von einem Typ in einen
anderen (z. B. die Umwandlung von faktischem Wissen über ein Produkt in experimentelles Wissen über seine Benutzung innerhalb eines bestimmten Kontextes)
charakterisiert.
Wissensakquisition kann im Rahmen der frühen Kundenintegration vor allem im
Rahmen des Netzwerkes des gemischten Innovationsteams passieren. Das Wissen
der einzelnen Teammitglieder kann innerhalb des Teams transferiert werden. Dabei
kann es zu einer direkten Akquisition des Kundenwissens durch den Hersteller oder
zu einem Wissensaustausch zwischen verschiedenen Kunden kommen. Im Sinne
eines Netzwerkes (Alavi 2000) sind alle Verbindungen möglich, auch vom Hersteller zum Kunden, um diesen beispielsweise über bestimmte Merkmale einer Technologie zu informieren.
Der zweite und für diese Arbeit wichtigere Prozess bezieht sich auf die Wissenskonvertierung. Nonaka und Takeuchi (1995) haben in ihrer Wissensentstehungsspirale vier grundsätzliche Arten der Wissenskonvertierung identifiziert – die Sozialisation (implizit zu implizit), die Externalisation (implizit zu explizit), die Kombination (explizit zu explizit) und die Internalisation (explizit zu implizit). Im Hinblick
auf den Fokus dieser Arbeit, einem Hersteller und ausgewählten seiner Kunden den
Austausch und die Schaffung von produkt- und anwendungsbezogenem Wissen zu
ermöglichen, sind vor allem die Kombination und die Externalisation von Bedeu-
GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
133
tung. Beispielsweise können integrierte Kunden neues Wissen aus der Kombination
vielfältiger expliziter Wissenselemente des Herstellers synthetisieren.
Auf der Umwandlung von implizitem in explizites Wissen basierende Kundeninnovationen unterstreichen die Bedeutung individueller und verteilter Kognitionssysteme (vgl. z. B. Leonard, Sensiper 1998). Damit solche Innovationen auftreten können, müssen die Kunden in der Lage sein, vielfältige Interpretationen eines gegebenen Produktes oder einer gegebenen Technologie zu machen sowie diese mit anderen Mitgliedern des gemischten Innovationsteams auszutauschen. Ein wesentlicher
Fokus liegt also auf der Einbindung des impliziten Kundenwissens über ein Produkt
samt Anwendungskontext und dessen Umwandlung in explizites Wissen zur Nutzung innerhalb des Innovationsprozesses des Herstellers. Ein verteiltes Wahrnehmungssystem unterstützt solche Interpretationen und Dialoge innerhalb des Innovationsteams durch die Unterstützung hochentwickelter Formen von Selbstreflexion
und Kommunikation. Nonaka und Konno (1998) sprechen in diesem Zusammenhang vom „Interacting Ba“ in dem Individuen ihre geistigen Modelle austauschen,
aber gleichzeitig auch ihre eigenen reflektieren und analysieren. Solche Prozesse
können zu innovativen Ergebnissen führen, welche aus der gemeinsamen Wissensbasis des gemischten Innovationsteams entspringen.
Wie vorher angemerkt, variieren die Natur der Wissensakquisition und Wissenskonvertierung mit den Kundenrollen in der frühen Kundenintegration. Dementsprechend müssen die Instrumente der Unterstützung der Wissensgenerierung durch den
Hersteller rollenspezifisch ausgewählt und angepasst werden.
Kundenteilnahme im Innovations- und Produktentwicklungsprozess basiert fast
ausschliesslich auf einem freiwilligen Engagement der Kunden. Diese erwarten wie
auch immer geartete Vorteile durch die Ausübung ihrer Rolle als Mitentwickler.
Die Literatur beschreibt verschiedene Arten der Kundenmotivation, um die potenziellen Anreize für eine aktive Teilnahme der Kunden in der Produktentwicklung zu
erhöhen. Darunter fallen beispielsweise erhöhtes Selbstbewusstsein durch ihren
stärkeren Einfluss, mehr Wahlmöglichkeiten sowie eine stärkere Anpassung des
Produktes an ihre Bedürfnisse (z. B. Schneider, Bowen 1995; Brockhoff 2003). Daher kann die Identifikation und sorgfältige Analyse dieser Vorteile wertvolle Einsichten liefern, wie der Hersteller die Grundhaltung und das Engagement der Kunden zur Zusammenarbeit im Wertschöpfungsprozess durch die Wahl geeigneter
Gestaltungselemente der frühen Kundenintegration erhöhen kann.
Betrachtet man die möglichen Kundenvorteile genauer, so lassen sich, im Zusammenhang mit früher Kundenintegration, zunächst die beiden grossen Gruppen der
produktbezogenen und sozialen (gruppenbezogenen) Vorteile unterscheiden (vgl.
134
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Nambisan 2002). Auch wenn der produktbezogene Nutzen traditionellerweise den
Hauptantrieb für Kundenbeteiligung darstellt (z. B. Wayland, Cole 1997; Brockhoff
1998), so verdienen im Fall der frühen Kundenintegration auch die sozialen Konsequenzen Beachtung16.
In der Literatur wurden verschiedene Quellen von produkt- oder servicebezogenen
Kundenvorteilen identifiziert, wobei diese sowohl physischer als auch immaterieller
Natur sein können. Eine Verbesserung der Qualität des Produktes, welche der Kunde durch seine direkte Beteiligung an der Innovationsfrühphase erzielt, stellt den
wichtigsten immateriellen Kundenvorteil dar. Aus Sicht der Agency-Theorie kann
die Motivation der Kunden auf ihrem Gefühl beruhen, dass ihre aktive Beteiligung
notwendig ist, um die Qualität des Produktes oder Services zu garantieren (z. B.
Mills 1986; Lengnick-Hall 1996). Beispielsweise kann im Servicebereich der Kunde als Prinzipal die Erfüllung des Servicevertrages durch den Service-Agenten überwachen (Larsson, Bowen 1989). Ein weiterer produktbezogener Vorteil, welchen die Kunden durch die Integration gewinnen können, ist ein Wissenszuwachs
(z. B. Thomas, Dunn 1994; Brockhoff 2003). Sehr oft vergrössert die Kundenintegration das Wissen der Kunden sowohl über das Produkt als auch die dahinter liegenden Technologien, wodurch sie in die Lage versetzt werden, das Produkt in einer umfassenderen Art und Weise zu nutzen und damit die potenziellen Vorteile der
Nutzung zu vergrössern.
Zudem können Kunden davon ausgehen, dass es durch ihre Teilnahme in der Produktentwicklung möglich ist, den Hersteller dahingehend zu beeinflussen, bestimmte im Anwendungskontext des Kunden sehr wertvolle Produkteigenschaften einzubauen. Diese Erzielung physischer Vorteile wurde oft im Markt für Unternehmenssoftware beobachtet, wo Kunden aus einer bestimmten Industrie (z. B. Automobilindustrie) aktiv an der Produktentwicklung teilnehmen, um sicherzustellen, dass ihre ureigensten Interessen durch das Produkt abgedeckt werden (z. B. Hoch, Roeding
et al. 1999).
Neben diesen von aussen kommenden, extrinsischen Anreizen können Kunden
schliesslich auch deshalb bei der Produktentwicklung mitwirken, weil sie dies als
intrinsisch attraktiv empfinden und es sowohl ihre Neugierde bezüglich des Produktes oder der Technologie als auch ihre kreativen Energien befriedigt (Bateson
1983).
16
Die gruppenbezogenen Vorteile spielen auch bei Kundencommunities (d. h. vor allem in B-2-C-Märkten)
eine wesentliche Rolle; einerseits im Verhältnis des Kunden zum Hersteller, andererseits vor allem aber
innerhalb der Kundengruppe selbst.
GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
135
Der zweite Typ von Vorteilen entsteht aus dem Umstand, dass ein Kunde durch die
Teilnahme an der frühen Kundenintegration meistens in eine ausgewählte Gruppe
von Anwendern eingebunden ist. In bestimmten Fällen (siehe z. B. das Fallbeispiel
Hilti in Abschnitt 3.4) wird vom Hersteller bewusst angestrebt, dass die integrierten
Kunden sich als Teil einer exklusiven Gemeinschaft fühlen. Daher bedürfen alle
Vorteile, welche aus so einer Mitgliedschaft resultieren könnten, der Aufmerksamkeit des Herstellers. Die Gruppen der ausgewählten Kunden bieten diesen mehr als
nur ein Forum zur Klärung produktbezogener Fragestellungen. Die Kunden entwickeln als Mitglied einer sozialen Gruppe17 auch starke soziale Identitäten und durch
ihre Teilnahme können persönliche Beziehungen entstehen (Prahalad, Ramaswamy
2000). Solche sozialen Beziehungen liefern dem Kunden eine Reihe von Vorteilen.
Zunächst bewirken sie einerseits durch den Gebrauch der gleichen Produkte und
andererseits durch Gruppennormen, welche sich im Laufe der Zeit entwickeln können, ein Gefühl der Zugehörigkeit und gemeinsamen Identität. Zusätzlich ermöglicht das Forum der Gruppe den Kunden, ihre innovativen und wertschöpfenden Ideen mit anderen zu teilen und dadurch die Möglichkeit zu haben, altruistisch zu
handeln.18 Kunden nutzen solche Gruppen oft auch zur Diskussion von nicht produktbezogenen Problemen. Die Gemeinschaft kann also auch als Chance empfunden werden, andere Probleme geschäftlicher und persönlicher Natur zu lösen.
Schliesslich werden die Beiträge der Kunden nicht nur vom Hersteller, sondern
auch von anderen Gruppenteilnehmern wahrgenommen. Dadurch kann die Erlangung einer speziellen Position innerhalb der Gruppe erfolgen. Dies befriedigt einerseits den Wunsch des Kunden nach Anerkennung in der Gruppe („Peer Recognition“) und andererseits sein soziales Statusstreben. Im Einzelfall kann dies sogar so
weit gehen, dass das Produkt in den Hintergrund und die Gemeinschaft innerhalb
der sozialen Organisation, in diesem Fall des Innovationsteams, in den Vordergrund
tritt (Oliver 1999).
Für die intrinsische Seite der Motivationsstruktur des Kunden, kann die OpenSource-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen.
Was motiviert einen Linuxprogrammierer dazu, Programmcode zu schreiben und
diesen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Neue Untersuchungen zeigen, dass
vor allem der persönliche Nutzen (Wissensvermehrung, Erhalt besserer und günstiger Software und Spass am Programmieren) und Ego-Gratifikation (Wunsch nach
Anerkennung, Reputation in der Peergroup, Mitarbeit im Team prominenter Programmierer und die angenommene Unersetzbarkeit für das Team) Open-Source-
17
18
Zur Theorie der sozialen Gruppen siehe z. B. Homans (1972).
Vgl. Ekeh (1974) für Details der sozialen Austauschtheorien.
136
KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Entwickler antreiben (vgl. Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al.
2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003). Achtenhagen, MüllerLietzkow et al. (2003) weisen darüber hinaus darauf hin, dass auch Karriereüberlegungen wie das Zeigen des eigenen Talents oder die Beteiligung an Open-Sourcebasierten Unternehmen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Die jeweilige Bedeutung der oben beschriebenen Arten von Kundenvorteilen variiert mit den Kundenrollen der frühen Kundenintegration. Daher müssen die Hersteller die passenden Gestaltungselemente sorgfältig abgestimmt auf die jeweilige Rolle
des Kunden einsetzen.
Eine zusammenfassende Übersicht der relevanten operativen Gestaltungsfaktoren
der frühen Kundenintegration zeigt Tabelle 4.
Gestaltungsfeld
Gestaltungsfaktoren
Integrationsstruktur
Verbindungsstärke
Ausprägungen
Kontinuum (tief – hoch)
Zeitliche Struktur
Interaktionsprozess
Dauer und Häufigkeit
Zahl der Kunden
Einzelkunde
Kundengruppe
Ort der Interaktion
Beim Hersteller/Kunden
An neutralem Ort
Prozess- und Rollentransparenz
Kontinuum (tief -–hoch)
Kultureller Fit
Kontinuum (tief – hoch)
Wissensgenerierung
Akquisition
Konvertierung
Art des Kundenvorteils
Produktbezogen
Gruppenbezogen
Motivationstyp
Intrinsisch
Extrinsisch
Tabelle 4: Operative Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration
Dabei gilt zu beachten, dass in drei Fällen die Ausprägungen der identifizierten
Gestaltungsfaktoren durch Kontinuitäten repräsentiert werden, entlang derer die
verschiedenen Kundenrollen angeordnet sind. Es gilt also – wie auch Gruner (1997)
gezeigt hat – je stärker diese Elemente ausgeprägt sind und damit je intensiver die
Kunden eingebunden und integriert werden, desto grösser ist die Erfolgswahrscheinlichkeit der frühen Kundenintegration und damit des Innovationsprozesses.
GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
137
Eine detaillierte Diskussion der Gestaltungsmöglichkeiten zur Erreichung dieser
hohen Intensität bzw. der rollenspezifischen Werte der anderen Faktoren findet sich
in Abschnitt 6.3.2.
Zunächst werden im folgenden Kapitel, im Sinne einer von den Determinanten bestimmten Typologie, spezifische Kundenrollen entwickelt und beschrieben.
4.3
Zusammenfassung
Die Fallstudien aus Kapitel 3 wurden in zwei Schritten analysiert. Anhand des Analyserasters erfolgte zunächst eine Einzelfallanalyse der vier Fallstudien und
schliesslich ein Fallstudienvergleich basierend auf relevanten aus der Literatur gefundenen Kriterien. Ziel war es, einerseits diejenigen Gestaltungsmerkmale herauszufiltern, welche entscheidenden Einfluss auf den jeweiligen Erfolg der frühen
Kundenintegration haben und andererseits bereits erste Hinweise auf die Ausprägungen der jeweiligen Gestaltungsfaktoren zu gewinnen.
Auf der Basis der identifizierten relevanten Merkmale früher Kundenintegration
wurden zwei Dimensionen und damit Gestaltungsfelder des Konstruktes frühe aktive Kundenintegration eingeführt, nämlich die Integrationsstruktur und der Interaktionsprozess. Darüber hinaus wurde der unternehmerische Rahmen mit den drei
Gestaltungsfeldern Strategie, Kultur und Struktur als wesentlich für die frühe Kundenintegration identifiziert. Die Integration des Kunden muss also – in einem passenden Rahmen – neben der strukturellen auch auf der prozessualen Ebene erfolgen. Der Hersteller hat, in Abstimmung mit den jeweiligen Kundenrollen, explizite
Massnahmen zu ergreifen, um den Kunden effektiv in den eigentlichen frühen Innovationsprozess zu integrieren.
138
5
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration
Im Folgenden werden zunächst die möglichen Rollen der Kunden in der frühen Innovationsphase identifiziert. Dies erfolgt aufbauend auf Erkenntnissen aus den Fallstudien mit speziellem Fokus auf die Ziele und Ergebniserwartungen des integrierenden Herstellers. Die Beiträge der Kunden werden als Kriterien verwendet, anhand derer die Ausprägungen und Managementanforderungen des jeweiligen Kundenintegrationsprozesses beschrieben werden. Basierend auf allgemeinen Überlegungen zu Kundenrollen sowie den im Fallstudienvergleich identifizierten Determinanten wird eine Systematik aufgebaut. Die daraus resultierende Typologie der
Kundenrollen erweitert und ergänzt den klassischen Lead-User-Ansatz. Schliesslich
wird der Prozesscharakter der Integration näher beleuchtet und mit den Gestaltungselementen zu einem konzeptionellen Managementmodell der frühen Kundenintegration vereint. Dieses Modell dient im weiteren Verlauf als Grundlage der
praktischen Implikationen und Gestaltungsempfehlungen in Abschnitt 6.3.
5.1
Rahmen der frühen Kundenintegration
In dieser Arbeit wird ein spezieller Fokus auf die Ziele und Erwartungen gelegt,
welche einen Hersteller zur frühen Kundenintegration motivieren, sowie auf die
daraus resultierenden Rollen der integrierten Kunden. Die genaue Differenzierung
der möglichen Kundenrollen in der Innovationsfrühphase stellt eine Lücke in der
vorhandenen Literatur dar und bildet den Kernpunkt dieses Kapitels. Dabei werden
zunächst die Ergebniserwartungen des Herstellers an die Kundenintegration betrachtet, um daraus Schlüsse auf die notwendigen Beiträge der Kunden und damit
schliesslich deren Rollen zu ziehen. Konkret werden verschiedene, auf den Strategien und Zielen des Herstellers basierende, Ausprägungen der frühen Kundenintegration identifiziert. Die jeweils korrespondierenden Kundenrollen werden dann detaillierter analysiert.
Welches Ziel verfolgt der Hersteller durch die Einbindung der Kunden? Was ist der
von Kunden erwartete Beitrag? Diese Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der
folgenden Überlegungen. Bisherige Arbeiten zu Ergebnissen der Kundeneinbindung betrachten jene meist auf einer übergeordneten unspezifischen Ebene, ohne
die Verbindung zu den resultierenden Rollen der Kunden und den Implikationen für
die Praxis herzustellen. Dabei stellen gerade Herstellerziele und Kundenrollen wesentliche Einflussfaktoren für die Gestaltung und das Management der frühen Kundenintegration dar. Betrachtet man die Einflusskette, welche zu den Ergebnissen der
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
139
frühen Kundenintegration führt (vgl. Abb. 28), so stehen die Ziele des Herstellers
am Anfang. Basierend auf klaren und konkreten Zielen öffnet der Hersteller seinen
Innovationsprozess, um Kunden einzuladen, eine aktive Rolle zu übernehmen und
einen, ihrem Wissen und Können entsprechenden, Beitrag zu leisten. Die Kunden
müssen also basierend auf diesen Zielen verschiedene Rollen einnehmen und verschiedene Beiträge beisteuern. Nur mit den richtigen Kundenbeiträgen kann die
frühe Kundenintegration zu den gewünschten Verbesserungen des Innovationsergebnisses führen. Dieses kann dann im Sinne eines geschlossenen Regelkreises mit
den ursprünglichen Herstellerzielen verglichen werden und eventuell notwendige
Adaptionen bei einem der Einflussfaktoren auslösen. Die Ergebnisse der frühen
Kundenintegration werden also durch die voneinander abhängigen Themengebiete
der Ziele des Herstellers, Rolle des Kunden und Kundenbeiträge beeinflusst.
Da die Messung des Integrationserfolges nicht Teil dieser Arbeit ist, steht der Unterschied zwischen den erwarteten und den tatsächlich erreichten Ergebnissen nicht
im Vordergrund. Ein derartiger Erfolgsnachweis stellt, gerade mit Fokus auf spezifische Ergebnisse früher Kundenintegration, eine grosse Herausforderung für zukünftige Forschungsprojekte dar. Ein erster Ansatz dazu könnte die Ermittlung der
Erfolgsraten für die unterschiedlichen zielorientierten Ausprägungen der frühen
Kundenintegration sein und falls diese unterschiedlich ausfallen, wovon auszugehen
ist, die Aufstellung eines Erklärungsansatzes für diese Unterschiede.
Ziele des Herstellers
Rolle des Kunden
Ergebnis der
Kundenintegration
Kundenbeiträge
Abbildung 28: Einflusskette auf das Integrationsergebnis
140
5.1.1
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Ziele des Herstellers
Das prinzipielle Rational hinter der frühen Kundenintegration im Speziellen und der
Integration von Kunden im Allgemeinen ist die Steigerung des Innovationserfolges
des integrierenden Unternehmens. Die externen Rahmenbedingungen werden dabei
von steigenden F&E-Ausgaben und hohen Misserfolgsraten neuer Produkte bestimmt. Der Hersteller erwartet aus der Zusammenarbeit mit dem Kunden also Vorteile, welche er mit seinen eigenen Ressourcen und Kompetenzen alleine nicht erzielen könnte. Ähnliche Überlegungen gelten prinzipiell auch für den Kunden, werden jedoch, da diese Arbeit die Perspektive des Herstellers einnimmt, hier nicht näher behandelt. Der Hersteller integriert Kunden in die frühen Innovationsphasen,
um gemeinsame Ideen für Produkte mit höherem Markt- und Geschäftspotenzial zu
entwickeln. Das übergeordnete Ziel liegt also in der Erzielung besserer Innovationsresultate (vgl. z. B. von Hippel 1988; Lilien, Morrison et al. 2002; Lettl 2004). Die
Integration von Kunden wirkt sich aber nicht automatisch immer positiv auf den Innovationsprozess des Herstellers aus, sie kann auch mit bestimmten Nachteilen
bzw. Risiken verbunden sein. Potenzielle Nachteile können grundsätzlich in der
Schwierigkeit des Aufbaus und Erhaltes eines technologischen Vorsprunges, einer
grösseren Abhängigkeit von externen Partnern sowie einem wachsenden Abstimmungsbedarf und damit der Gefahr erhöhter Kosten und verlängerter Dauer liegen
(vgl. Kirchmann 1994; Brockhoff 2002; Enkel, Kausch et al. 2005).
Betrachtet man bestehende Untersuchungen, welche sich mit generellen Zielen von
F&E-Kooperationen bzw. mit Kundeneinbindungszielen von Herstellern beschäftigen, so zeigt sich, dass die meisten Studien eine Makrosicht (im Sinne einer Unterscheidung in Mikro- und Makroebene) einnehmen (z. B. Kirchmann 1994; Gruner
1997). Auch wenn diese Arbeiten nicht speziell auf die Frühphase und eine aktive
Kundenrolle fokussieren, sind ihre grundsätzlichen Aussagen dennoch auf die vorliegende Arbeit übertragbar. Dementsprechend liegen die übergeordneten Ziele von
F&E-Kooperationen (und damit von Kundenintegration als einer spezifischen Konfiguration derselben) vor allem in einer Reduktion von Ressourcen und Kosten der
Entwicklung einer technologischen Innovation, einer Steigerung bezüglich Qualität
und Geschwindigkeit auf dem Weg hin zu F&E-Resultaten, einer Reduktion technologischer und wirtschaftlicher Innovationsrisiken sowie einer Vorbereitung der
Eröffnung neuer Märkte (Rotering 1990; Sakakibara 1997; Gerpott 1999; Hauschildt 1998). Nach thematischer Zusammenfassung lassen sich daraus drei Hauptgruppen bilden, nämlich akquisitorische, effektivitätssteigernde und effizienzsteigernde Ziele. Diese drei Grundtypen werden auch marktbezogene, risikobezogene
und ressourcenbezogene Ziele genannt (Kirchmann, Warschburger 2003). Hinter
jedem Hauptziel stecken mehrere Unterziele bzw. Intentionen des Herstellers: Be-
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
141
zogen auf den Markt sind dies ein besseres Verständnis des Anwendermarktes, stärkere Kundenbeziehungen, verbesserte Innovationsabsatzprognosen und Wettbewerbsinformationen. Bezüglich des Risikos wurden eine reduzierte Fehlerrate während des Innovations- und F&E-Prozesses sowie eine generell verbesserte Produktqualität empirisch nachgewiesen. Synergieeffekte führen schliesslich zu einer Zeitund Kostenreduktion und damit zur Einsparung wertvoller Ressourcen auf dem
Weg zu erfolgreichen Innovationen (vgl. Tab. 5).
Art der Ziele/Fokus
Intentionen
Akquisitorische Ziele/ Marktfokus
Besseres Marktverständnis durch Einblicke in den Anwendermarkt,
Gewinnung von Informationen über den Wettbewerb
Verbesserung der Wettbewerbsposition durch Referenzkunden,
Marktausweitung, verbesserte Prognosen und die Erzielung von
Imageeffekten
Verstärkung der Kundenbindung durch intensivere Beziehung
Effektivitätssteigernde Ziele/
Risikofokus
Risikominderung durch Fehlerreduktion
Einblicke in die Produktnutzung durch den Kunden und Gewinnung
von Kunden-Know-how
Optimierung der Qualität und technischen Leistungsfähigkeit des
Neuproduktes
Effizienzsteigernde Ziele/
Ressourcenfokus
Reduktion von F&E- und Produktionskosten
Zeitersparnis durch Duchlaufzeitverkürzung des Innovationsprozesses
Erhöhung der Zahl gleichzeitig realisierbarer Innovationsprojekte
und Synergieeffekte in F&E
Tabelle 5: Integrationsziele des Herstellers auf der Makroebene
Die Mikrosicht auf die Ziele der Kundenintegration führt direkt auf den Fokus dieser Arbeit – die spezifischen Ziele des Herstellers. Biemans (1992) zählt folgende
Punkte als mögliche Beiträge der Kundenintegration zum Innovationsprozess auf:
¾ Generierung neuer Produktideen
¾ Verfügbarkeit von genauen Informationen bezüglich der Kundenbedürfnisse
¾ Feedback zu Konzepten und Prototypen
142
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
¾ Hilfestellung während der Entwicklung
¾ Unterstützung beim Innovationsmarketing
Dieser Ansatz eignet sich (mit den Erkenntnissen aus der Makrosichtweise als
Rahmen) als Startpunkt für die Entwicklung der spezifischen Herstellerziele. Dazu
werden aus den obigen Punkten die Hilfestellung während der eigentlichen Entwicklung sowie das Innovationsmarketing für die folgenden Überlegungen ausgeklammert, da sie nicht mehr in der Innovationsfrühphase und damit ausserhalb des
Schwerpunktes dieser Arbeit liegen. Es verbleiben also die Generierung neuer Produktideen, Informationen über Kundenbedürfnisse und Feedback zu Konzepten. Für
den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten konkreten Innovationsbeitrag des Kunden, ist aber eine weiter gehende Zielkonkretisierung notwendig, welche in dieser
Form noch nicht existiert.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der Zusammenhang zwischen den
spezifischen Zielen des Herstellers für frühe Kundenintegration und den jeweiligen
Kundenrollen bzw. den daraus resultierenden Beiträgen bisher nicht vertiefend untersucht worden ist. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen diese Lücke zu
schliessen. Dazu werden im folgenden Abschnitt zunächst die prinzipiell möglichen
Kundenrollen während des Innovationsprozesses betrachtet.
5.1.2
Generische Rollen des Kunden
Die klassische Annahme der Wirtschaftswissenschaften sieht den Kunden als Nachfrager, welcher Bedürfnisse erkennen lässt (z. B. Brockhoff 1998). Kunden werden
dabei ganz allgemein als Quelle von aus Bedürfnissen resultierenden Produktideen
verstanden. Eine genauere Betrachtung der möglichen Funktionen des Kunden im
Wertschöpfungsprozess hat in der strategischen Managementliteratur zur Identifikation von fünf übergeordneten Rollen geführt. Es sind dies Ressource, Mitentwickler,
Käufer, Nutzer19 und Produkt (Lengnick-Hall 1996; Kaulio 1998; Nambisan 2002).
Die ersten beiden Rollen liegen auf der Eingangsseite, die anderen drei hingegen
auf der Ausgangsseite organisationaler Aktivität. Der Kunde als Käufer oder als
Produkt kann keinen signifikanten Beitrag zur Innovationsentstehung, im Sinne einer aktiven Rolle leisten, sondern ist vielmehr Objekt des Wertschöpfungsprozesses
(Lengnick-Hall 1996). Diese beiden Rollen werden daher nicht weiter betrachtet.
Die Rolle der Ressource bezeichnet die Funktion des Kunden als Innovationsquelle,
19
In diesem Zusammenhang wird – obwohl sämtliche Rollen aus der Anwendungserfahrung des Kunden
entstehen – eine spezielle Kundenrolle „Nutzer“ genannt, weil der Kundenbeitrag dabei direkt auf die
Verwendung des Produktes zurückgeht (vgl. Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002).
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
143
die des Mitentwicklers seine Mitwirkung an Produktdesign und -entwicklung und
die des Benutzers seine Einbindung in Produkttests und Produktverbesserungen.
Diese drei Rollen werden im Folgenden detaillierter betrachtet und im Hinblick auf
ihre Anwendbarkeit für diese Arbeit analysiert. Generell lässt sich für alle Rollen
anmerken, dass ihre Wirksamkeit von Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren
beeinflusst wird. Diese können Charakteristika des Kunden, des Prozesses der Einbindung oder des Herstellers sein (Brockhoff 2002). Auf der Seite des Herstellers
stehen beispielsweise Merkmale des Entwicklungsprozesses wie der Neuheitsgrad,
die Phase im Innovationsprozess in welcher der Kunde einbezogen wird, das Controlling und der Unsicherheitsgrad. Der Einfluss des Kunden manifestiert sich, allgemein betrachtet, in seiner Innovationsbereitschaft, seiner finanziellen Potenz sowie seiner Prognosefähigkeit für segmentspezifische zukünftige Bedürfnisse. Relevante Merkmale des Kundeneinbindungsprozesses sind Dauer und Häufigkeit der
Kontakte, Stärke der Einbeziehung sowie eine wechselseitig verständliche Kommunikation. Die wichtigsten dieser Rahmenbedingungen wurden bereits im vorhergehenden Kapitel behandelt und finden als Determinanten oder Gestaltungsfaktoren
früher Kundenintegration Eingang in das konzeptionelle Managementmodell. Im
Folgenden erfolgt aber zunächst die Analyse der generischen Kundenrollen.
Kunde als Ressource
Die am besten dokumentierte Rolle des Kunden in der Managementliteratur ist die
als Ressource für Information und Wohlstand für das Unternehmen (z. B. LengnickHall 1996). Für diese Arbeit ist der Fokus auf den Kunden als Quelle neuer Produktideen bzw. Gelegenheiten beschränkt. In der Marketing- und Innovationsliteratur wurde diese Kundenrolle im Rahmen der Ideenentstehung und Produktkonzeptualisierung ausführlich erforscht (z. B. von Hippel 1986; Leonard-Barton 1995;
Brockhoff 1998; Christensen 2000; Brockhoff 2002; von Hippel, Katz 2002). Zahlreiche Arbeiten argumentieren dafür, dass Kunden eine zentrale Rolle bei der Generierung neuer Produktideen spielen sollen, andere wiederum weisen auf die Gefahr
hin, dass Kundeneinbindung in die frühen Innovationsphasen nur zu inkrementellen
Innovationen führen kann.20 Aber selbst unter solchen Bedingungen, bei denen eine
frühe Kundeneinbindung eine anerkannt viel versprechende Ressource darstellt, haben Kunden bis jetzt vor allem eine grösstenteils passive Rolle gespielt. Eine Ausnahme stellt die für den Technologiesektor beschriebene Kundenrolle des Lead20
Es liegt nicht im Fokus dieser Arbeit, diesen Disput detailliert wiederzugeben oder gar endgültig zu lösen.
Wohl aber kann ein Beitrag geleistet werden, der aufzeigt, dass eine gezielte, richtig geführte frühe Kundenintegration in den Innovationsprozess zur Steigerung der Innovationsfähigkeit des Herstellers beitragen kann.
144
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Users dar, welche eine aktive Teilnahme des Kunden bei der Ideenfindung im Innovationsprozess des Herstellers beinhaltet (von Hippel 1986). Der Erfolg einer derartigen Einbindung wurde schon vielfach aufgezeigt (z. B. von Hippel, Thomke et al.
1999; Herstatt 2002b; Lettl 2004). Lead-User zeichnen sich dadurch aus, dass sie
über ein grosses innovatives Potenzial verfügen, bestimmte Bedürfnisse vor dem
Rest des Marktes aufweisen und durch die Lösung dieser Probleme stark profitieren
würden.21 Brockhoff (2002) betont in diesem Zusammenhang die Übernahme einer
quasi-fertigen Problemlösung des Kunden durch den Hersteller, auch wenn von
Hippel das Vorhandensein einer Problemlösung des Kunden als Möglichkeit und
nicht als Notwendigkeit ansieht (vgl. von Hippel 1986).
Kunde als Mitentwickler
Kunden können auch als Mitentwickler22 neuer Produkte eine aktive Rolle im Produktentwicklungsprozess einnehmen. Brockhoff (1998; 2002) versteht darunter die
Integration von Mitarbeitern des Kunden in den Produktentwicklungsprozess des
Herstellers als Ideengeber, Anreger, Gestalter und möglicherweise Problemlöser.
Dabei reicht die Teilnahme der Kunden von Aktivitäten bei der Produktauslegung
bis hin zur eigentlichen Produktentwicklung. Als Mitentwickler können Kunden zu
einer Reihe von Entwicklungsaktivitäten, beispielsweise der Validierung der Entscheidung für eine bestimmte Produktarchitektur, der Gestaltung und Priorisierung
von Produkteigenschaften, der Festlegung von Anforderungen an Produktschnittstellen und der Aufstellung von Prioritäten und Messkriterien für den Entwicklungsprozess, beitragen. Die Rolle des Kunden als Mitentwickler ist häufiger bei
Industriegütern als bei Konsumgütern anzutreffen (z. B. Garvin 1988), da diese
Form der verschränkten Produktentwicklung besonders bei komplexen Produkten
mit untereinander in Wechselwirkung stehenden Systemteilen im B-2-B-Umfeld
(z. B. „Launching Customer“ in der Flugzeugindustrie) relevant ist. Aber auch in
anderen Branchen verlassen sich die Hersteller auf Beiträge der Kunden, beispielsweise als Mitglieder von Produktentwicklungsteams bei der Konzeptauswahl
(Chase, Garvin 1989; Kambil, Friesen et al. 1999). Auch im Konsumgüterbereich
gibt es Beispiele für die Mitentwicklung spezieller Kunden bei Konzepttests, „Consumer Idealized Design“ oder der Auswahl von Komponenten (Page, Rosenbaum
1992; Ciccantelli, Magidson 1993; Kambil, Friesen et al. 1999). Eine Pionierfunktion übernimmt in diesem Zusammenhang die Softwarebranche.
21
22
Die Rolle des Lead-Users wird detailliert in Abschnitt 2.1 behandelt.
In der englischsprachigen Literatur wird diese Kundenrolle als „Co-producer“ oder „Co-creator“ bezeichnet (vgl. Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002).
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
145
So nehmen grosse Softwareentwicklungsunternehmen (z. B. SAP und Microsoft) oft
Vertreter des Kunden als Teilnehmer in ihre Produktentwicklungsteams auf (Hoch,
Roeding et al. 1999).23
Kunde als Nutzer
Die dritte Rolle schliesslich umfasst den Kunden als Quelle von Anwendungswissen und Nutzungserfahrung. Als primäre Empfänger und Benutzer von Produkten
und Serviceangeboten können Kunden wertvolle Beiträge beim Test von Produkten
liefern. Die Rolle des Kunden als Produkttester ist keinesfalls neu. Schon lange zeigen Studien, dass Kunden eine sehr produktive Rolle beim Testen von Prototypen
und Produkten einnehmen können (z. B. Dolan, Matthews 1993; Nielsen 1994; Dahan, Hauser 2002). Ein derartiger Einsatz von Kunden erfolgt sowohl bei Industrieals auch Konsumgütern. Beispielsweise ist für die Softwareindustrie sehr gut dokumentiert, wie Kunden routinemässig als so genannte Beta-Tester eingesetzt werden und die Hersteller dadurch ihre Investitionen für interne Produkttests reduzieren
können (z. B. Cusumano, Yoffie 1998; Hoch, Roeding et al. 1999). In dieser Rolle
werden Kunden auch als Referenzkunden bezeichnet. Sie können ihre Erfahrungen
an den Produkthersteller zurückgeben, wo diese dann zur Weiterentwicklung bzw.
Überarbeitung der Produkte verwendet oder künftigen Anwendern vermittelt werden (Brockhoff 1998). Die Gruppe der Referenzkunden beinhaltet auch Nutzergruppen („Communities“) der Softwareindustrie sowie Fokusgruppen der Konsumgüterindindustrie. Die zugrunde liegende Gemeinsamkeit ist dabei die Ersterprobung neuer Produkte unter realistischen Einsatzbedingungen. Die Einbindung von
Kunden in das Testen von Produkten ermöglicht das frühzeitige Auffinden von
Produktschwächen und -fehlern und dadurch die Reduktion kostspieliger Überarbeitungen und Korrekturarbeiten. Ausserdem haben die Unternehmen durch die
Auswahl verschiedener Kundentypen die Chance, einen Einblick in die Aufnahme
ihrer Produkte in verschiedenen Umgebungen und Nutzungszusammenhängen zu
gewinnen.
Herausforderungen bei der Umsetzung der Kundenrollen
23
Die Softwarebranche ist in mehrfacher Hinsicht beispielgebend bezüglich der Kundenrollen im Innovationsprozess. Hervorzuheben sind hier einerseits die Agile-Computing-Ansätze wie z. B. Extreme Programming (XP), bei dem es im Rahmen einer stark modularisierten Produktentwicklung zu zahlreichen
frühen Feedbackschleifen mit dem Kunden kommt (vgl. Beck 2000; Gassmann, Sandmeier et al.
forthcoming). Andererseits stellt die sehr erfolgreiche Open-Source-Bewegung eine Extremform der
Kundeninnovation dar, bei der die klassische Herstellerrolle komplett verschwunden ist (z. B. von Hippel
2001a; von Krogh 2003).
146
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Unternehmen sehen sich beim Einsatz von Kunden als Quelle neuer Produktideen
auch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Zunächst gilt es, die Auswahl der Kunden und die Entwicklung von Kontakten mit diesen kosteneffizient zu
meistern. Eine grosse Herausforderung liegt auch in der Gestaltung geeigneter Anreize zur Unterstützung der Bereitschaft der Kunden, neue Ideen beizutragen. Ausserdem vergrössert die Kundeneinbindung in die Produktentwicklung oft den Grad
der Unsicherheit des Projektes und kann neue Mechanismen zur Überwachung und
Kontrolle der Entwicklungsqualität und -effizienz erfordern (Lengnick-Hall 1996).
Schliesslich sind die Mittel zur Unterstützung dieser Interaktionen aufwändiger,
teurer und im Falle von virtueller Einbindung auch technologieintensiver als ausschliesslich firmeninterne Innovationsinstrumente. Kundenintegration muss daher
sorgfältig gesteuert werden, um sicherzustellen, dass die Vorteile der Kundenbeiträge die Kosten der steigenden Systemunsicherheit sowie der zusätzlich benötigten
Rahmenelemente und Unterstützungsmechanismen überwiegen. Eine weitere
Schwierigkeit besteht in der Aufnahme und Weiterverarbeitung des Kundenwissens
bzw. des gemeinsam mit den Kunden generierten Wissens. Dabei können die hohen
Kosten zur Strukturierung und Kanalisierung dieser Kundenbeiträge, welche durch
die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur anfallen, beschränkend wirken
(Nambisan 2002).
Brockhoff (1997) und andere Autoren (z. B. Lengnick-Hall 1996; Enkel, Kausch
et al. 2005) weisen auch auf mögliche Störungen von Produktentwicklungsprozessen durch Kundeneinbeziehung hin. Beginnend bei der fehlerhaften Identifizierung
von Pilotkunden (insbesondere von Lead-Usern), dem Problem der zu starken Nischenorientierung (durch zu starke Fokussierung auf die ausgewählten Kunden) und
dem „Not-Invented-Here-Syndrom“24, reichen die Ursachen bis hin zu opportunistischem Verhalten des Kunden. Ausserdem besteht die Gefahr, dass integrierte Kunden ihre Rolle als Mitentwickler von sich aus beenden und dadurch starke Störungen des Entwicklungsprozesses bewirken. Aus diesen möglichen Störungsursachen
erwachsen dem Hersteller Kosten, welche in einem Optimierungsproblem den Vorteilen und Erlösen gegenüberzustellen sind (Brockhoff 1998).
Tabelle 6 zeigt eine Übersicht der Charakteristika der drei beschriebenen generischen Kundenrollen.
Ressource
24
Siehe dazu z. B. Katz und Allen (1982).
Mitentwickler
Nutzer
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
147
Rational
Kunde wird als Informationsquelle betrachtet
Teilnahme des Kunden an Produktentwurf
und
-gestaltung
Kunde testet Prototypen und Produkte
Ziele (primär und sekundär)
Akquisitorische und effektivitätssteigernde
Ziele
Effizienzsteigernde
und akquisitorische
Ziele
Effektivitätssteigernde
und akquisitorische
Ziele
Phase der Neuprodukt-entwicklung
Problemerkennung
und Ideenformulierung
Entwurf/Auslegung
und Entwicklung
Produkttest und Realisierung
Ideengenerierung
Ideenkonkretisierung
Ideenkommerzialisierung
Bedürfnisse, Ideen,
quasi-fertige Problemlösung
Auswahl- und Auslegungs-entscheidungen
Rückmeldung aus
Anwendungszusammenhang
Kundenbeiträge
Innovativität und Kreativität
Entwicklungskompetenz
Testkompetenz
Tabelle 6: Charakteristika generischer Kundenrollen im Innovationsprozess
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der frühen Innovationsphase und daher im obigen
Sinne vor allem auf der Rolle des Kunden als Ressource und Ideengeber. Allerdings
ist die direkte Übernahme der vorgestellten Betrachtungsweise und damit eine ausschliessliche Fokussierung auf diese Kundenrolle für die vorliegende Arbeit aus
zwei Gründen nicht möglich:
¾ Die Rolle des Kunden als Ressource wird grösstenteils passiv gesehen (Ausnahme Lead-User). Eine aktive Rolle des Kunden findet sich im bisherigen
Kontext vor allem später im Innovationsprozess bei der Mitentwicklung,
welche typischerweise von deutlich intensiveren und höherfrequenten Interaktionen geprägt ist als die Rolle der Ressource (z. B. Sawhney, Prandelli
2000).
¾ Die bisherigen Betrachtungen liegen – durch die Berücksichtigung des gesamten Neuproduktentwicklungs- bzw. Innovationsprozesses sowie ein umfassendes Verständnis der Kundeneinbindung generell – auf einem zu hohen
Abstraktionsniveau, um genaue Aussagen über die konkreten Beiträge der
Kunden und damit detaillierter Rollenbilder der frühen Kundenintegration zu
ermöglichen.
Gerade diese genaue Differenzierung der möglichen Kundenrollen im frühen Innovationsprozess stellt eine Lücke der bisherigen Forschung dar und bildet den Kern-
148
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
punkt dieser Arbeit. Durch den gewählten Fokus auf die Frühphase und das hohe
Aktivitätsniveau des Kunden (wie beim Kunden als Mitentwickler) sind also Elemente aller drei generischen Rollen, wenn auch mit einem Schwerpunkt auf den
Kunden als Ressource, zu berücksichtigen. Wie im späteren Teil der Arbeit gezeigt
wird, kann der Kunde in der Frühphase nicht nur zur Identifikation von Gelegenheiten und Chancen, sondern auch zur gemeinsamen Entwicklung erster Ideen bis hin
zu fertigen Konzepten sowie zum Testen derselben herangezogen werden. Wesentliche Elemente der drei generischen Rollen lassen sich somit auch auf einem konkreteren Niveau, beschränkt auf den ersten Teilabschnitt des Innovationsprozesses,
wiederfinden.
Diese Überlegungen zu generischen Kundenrollen werden dem Fokus der Arbeit
entsprechend in den folgenden Abschnitten als Grundlage für die Aufstellung spezifischer Kundenrollen der frühen Kundenintegration herangezogen.
5.1.3
Organisationale Parameter
In diesem Abschnitt werden die bisherigen Erkenntnisse dazu verwendet, prinzipielle Integrationsstrategien und spezifische Integrationsziele des Herstellers sowie dazu passende Kundenrollen zu identifizieren. Die im vorhergehenden Abschnitt besprochenen Herstellerziele und generischen Kundenrollen dienen dazu als Grundlage. Allerdings können diese Ziele und Rollen nicht direkt im nächsten Schritt verwendet werden, da sie nicht auf den vorliegenden Fokus ausgerichtet sind. Es gilt
vielmehr, basierend auf der bisherigen Forschung, mithilfe der eigenen empirischen
Daten gezielter auf die Innovationsfrühphase einzugehen und relevante Ausprägungen der Kundenintegration zu beschreiben. Dazu werden zunächst, aufbauend auf
den Ergebnissen des Fallstudienvergleiches, drei Integrationsstrategien identifiziert,
welche die Antriebe und Hintergründe der frühen Kundenintegration aufseiten der
Hersteller abbilden.
Der Fallstudienvergleich (vgl. Abschnitt 4.1) lieferte neben den relevanten Gestaltungsfeldern auch zwei Determinanten, welche die Ausprägung früher Kundenintegration bestimmen. Es sind dies der Zeitpunkt der Integration des Kunden in den
frühen Innovationsprozess und die spezielle Kompetenz des Kunden, welche zu Erreichung der Ziele des Herstellers notwendig ist (vgl. Abb. 26). Die Charakteristika
und Ausprägungen dieser Determinanten werden nun näher beschrieben.
Zeitpunkt der Integration in den frühen Innovationsprozess
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
149
Betrachtet man die Phasen des Innovationsprozesses, so findet sich in der Literatur
eine Vielzahl an möglichen Unterteilungen. Auch wenn die einzelnen Modelle jeweils aus unterschiedlich vielen, verschieden bezeichneten Phasen zusammengesetzt sind, so lassen sich doch als gemeinsamer Nenner drei generische Grundschritte identifizieren. Jeder prototypische Innovationsprozess setzt sich aus den folgenden Elementen zusammen: einer Phase, in der Ideen gesammelt oder entwickelt
werden („Ideengenerierung“), einer weiteren, in der diese Ideen weiterentwickelt
und spezifiziert werden („Ideenkonkretisierung“) und schliesslich einer dritten, in
der die eigentliche Wertschöpfung passiert und die Ideen in Produkte umgewandelt
werden („Ideenkommerzialisierung“) (vgl. Cooper, Kleinschmidt 1988; Gerpott
1999; Koen, Ajamian et al. 2001). In ähnlicher Weise bezeichnet Kirchmann (1994)
diese drei prinzipiellen Schritte als Problemerkennung, Entwicklung und Realisierung. Kleinaltenkamp und Dahlke (1998) nennen sie Problemidentifikation, Entwurf der Problemlösung und Realisierung der selektierten Lösung. Im Fokus dieser
Arbeit liegt nach diesen Einteilungen vor allem die erste Phase der Problemerkennung und Ideenformulierung sowie im Übergangsbereich auch noch der Beginn des
eigentlichen Neuproduktentwicklungsprozesses.25 Zur genaueren Betrachtung dieses – im englischen Sprachraum oft „Fuzzy Front End“ (FFE) genannten – frühen
Innovationsbereiches schlägt die amerikanische Product Development & Management Association (PDMA) ein Modell vor, welches aus fünf Segmenten besteht
(Koen, Ajamian et al. 2002). Diese sind nicht sequenziell, sondern kreisförmig angeordnet, um dem zufälligen und unscharfen Charakter des FFE gerecht zu werden.
Nach der Identifizierung der Gelegenheit („Opportunity“), folgt deren Analyse,
dann die Ideengenerierung, Ideenanreicherung und Ideenauswahl („Idea“) sowie
abschliessend die Konzeptdefinition („Concept“). Dabei kann der Innovationsprozess bei jedem einzelnen dieser Elemente beginnen und es müssen nicht notwendigerweise immer alle drei Segmente in voller Länge bzw. einer vorgegebenen Reihenfolge durchlaufen werden.
25
Für diese Arbeit wurde ein dreistufiges Innovationsprozessmodel gewählt: Frühphase (FFE) – Neuproduktentwicklungsphase (NPD) – Kommerzialisierungsphase (vgl. Gerpott 1999 und Brockhoff 2002 zu
unterschiedlichen Abgrenzungen betriebswirtschaftlicher Innovationsprozesse).
150
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Früher Innovationsprozess
Gelegenheitsphase
Ideenphase
• Gelegenheitsidentifizierung
• Ideengenerierung
• Gelegenheitsanalyse
• Ideenbereicherung
Konzeptphase
• Konzeptdefinition
• Ideenselektion
Quelle: In Anlehnung an Koen, Ajamian et al. (2002)
Abbildung 29: Phasen des frühen Innovationsprozesses
Für diese Arbeit wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auf ein dreistufiges sequenzielles Modell zurückgegriffen, welches aus dem PDMA-Modell die drei
Grundbausteine Gelegenheit, Idee und Konzept übernimmt (vgl. Abb. 29). Ein derartiger Ablauf stellt zwar gegenüber den meisten realen Innovationsprozessen eine
Vereinfachung dar, er ermöglicht aber eine Strukturierung der folgenden Überlegungen gerade im Hinblick auf die jeweils benötigten Kundenbeiträge. Aus den
Charakteristika der einzelnen Phasen können Rückschlüsse auf die jeweils notwendigen Beiträge im Allgemeinen und auf die Inputs der Kunden im Besonderen gezogen werden.
Kompetenz des Kunden
Die Kunden müssen ein passendes Kompetenzprofil aus speziellem Wissen und Fähigkeiten aufweisen, um die vom Hersteller gewünschten Beiträge leisten zu können. Dabei kann auf einer inhaltlichen Ebene prinzipiell zwischen zwei grossen Bereichen unterschieden werden, dem Marktwissen und dem technischen Wissen (vgl.
Gassmann, Gaso 2004). Beide Teilgebiete werden im Folgenden noch genauer unterteilt, um die hohe Spezifität der Kundenbeiträge darstellen zu können.
Die Marktkompetenz des Kunden kann entweder in seiner Erfahrung als Benutzer
des Produktes oder in seiner Kenntnis des Marktes begründet sein. Die zwei entsprechenden Ausprägungen können daher als applikationsbezogenes bzw. chancenbezogenes Marktwissen bezeichnet werden.
Das applikationsbezogene Marktwissen – kurz Applikationswissen – beruht auf der
Anwenderrolle und stellt die klassische Kompetenz eines in den Entwicklungsprozess eingebundenen Kunden dar (von Hippel 1988; Leonard-Barton 1995; Brockhoff 1998). Es tritt im hier betrachteten Rahmen allerdings in einer speziellen Aus-
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
151
prägung auf, da am Ende der Innovationsfrühphase, am Beginn des eigentlichen
Neuproduktentwicklungsprozesses meistens noch keine Prototypen des kompletten
Produktes, sondern erst Konzeptentwürfe vorliegen. Dies zeigt beispielsweise das
Creative Center der Bayer MaterialScience. Dort werden am Ende der Frühphase
geprüfte Konzepte zusammen mit genau definierten Unterlagen (einer so genannten
„Balanced Innovation Card“) an die Produktentwicklung übergeben und erst damit
der eigentliche Neuproduktentwicklungsprozess gestartet. Die Erfahrungen des
Kunden mit bestehenden Produkten werden daher in den meisten Fällen nicht ausreichen, um auch komplett neue Konzepte beurteilen und an deren Verfeinerung
mitwirken zu können.26 Kunden müssen daher eine spezielle Kompetenz aufweisen,
um zur Beurteilung dieser Konzepte bzw. der Konzeptentwürfe herangezogen zu
werden. Obwohl es noch keinen Prototypen des Produktes gibt und das Konzept –
unter der Annahme mittlerer bis grosser Innovationshöhen – zu fundamental neuen
Produkten führen kann, müssen sie in der Lage sein, qualifizierte Rückmeldungen
zu geben und interaktiv an der Verfeinerung des Konzepte mitzuarbeiten. Dazu bedarf es mehr als einfacher Anwendungserfahrungen mit existierenden Produkten.
Zur bewussten Abgrenzung von klassischem Applikationswissen soll dieses Wissen
daher „vorausschauendes Applikationswissen“ genannt werden. Dieses beruht zwar
auf dem Applikationswissen über bestehende Produkte, beinhaltet zusätzlich aber
auch die Fähigkeiten zur Abschätzung des Produktpotenzials aus Anwendersicht
und zur Formulierung konstruktiver Verbesserungsvorschläge. Kunden qualifizieren sich für derartige Aufgaben, wenn aus ihrem grundsätzlichen für die frühe Kundenintegration geeigneten Kompetenzprofil27 besonders das Interesse an neuen Lösungen und das Prozessverständnis zur Vorstellung der fertigen, auf dem zu beurteilenden Konzept aufbauenden, Produkte stark hervorstechen.
Die zweite spezifische Ausprägung der Marktkompetenz des Kunden bezieht sich
auf seine Fähigkeit, Marktchancen vorherzusagen. Dies bedeutet, dass der Kunde in
der Lage ist, gemeinsam mit dem Hersteller zu einem sehr frühen Zeitpunkt – am
eigentlichen Beginn des Innovationsprozesses – aktuelle Trends und Entwicklungen
vorherzusagen bzw. abzuschätzen. Dies erfolgt naturgemäss auf einer übergeordneten Betrachtungsebene und kann breite gesellschaftliche bzw. technologische Ent-
26
27
Aus diesem Umstand entspringt das oft vorgebrachte Argument, dass Kundeneinbindung in die Innovationsfrühphase kontraproduktiv wäre bzw. zu keinen grossen Innovationssprüngen führt (z. B. Conway,
McGuinness 1986; Atuahene-Gima 1995; Henard, Szymanski 2001). Für durchschnittliche Kunden sind
diese Aussagen einleuchtend. Umso mehr ergibt sich also die Notwendigkeit, ausgewählte Kunden mit
speziellen Kompetenzprofilen auszuwählen, um der „inkrementellen Innovationsfalle“ zu entgehen.
Prinzipiell benötigen Kunden für alle Rollen der frühen Kundenintegration ein Bündel an Grundkompetenzen aus Innovationsfreude und -bereitschaft sowie einer besonders tiefen oder breiten Erfahrung mit
den Produkten des Herstellers bzw. Substitutionsprodukten.
152
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
wicklungen betreffen, welche noch keine direkten Bezüge zu den Produkten und
Technologien des Herstellers erkennen lassen. Diese Kompetenz ist typisch für das
B-2-B-Umfeld. Grosse Unternehmen – gerade wenn sie am Ende der Wertschöpfung stehen und ihre Produkte direkt an Benutzer verkaufen – versuchen in vielen
Fällen, die Zukunft ihrer Märkte mit Szenariotechniken und Zukunftsanalysen vorherzusagen bzw. den Blick für neue Marktchancen zu schärfen. Werden solche Unternehmen, in ihrer Rolle als Kunden, von einem ihrer Zulieferer in dessen Innovationsfrühphase integriert, so kann dieser im Dialog wertvolle Hinweise für die Entwicklung seiner eigenen Märkte und die erforderliche Richtung seiner Innovationsaktivitäten gewinnen. Kunden müssen also quasi die Kompetenz eines „TrendScouts“ mitbringen, um für derartige Aufgaben geeignet zu sein.
Prinzipiell spielen die beiden Pole des Marktwissens bei jeder Art von Kundenintegration eine Rolle und müssen daher auf einem gewissen Grundniveau bei allen
potenziellen Integrationskandidaten vorhanden sein. Die hier vorgestellte Unterteilung zeigt aber über diese grundsätzliche Qualifikation hinausgehende Kompetenzen (d. h. Kompetenzprofilschwerpunkte), welche bei der Kundenauswahl für spezifische Rollen entscheidende Bedeutung haben.
Der zweite grosse Wissensblock, die Technologiekompetenz des Kunden, liegt im
Produktbereich und beinhaltet zwei spezielle Wissensbereiche. Einerseits das Feld
der Kernkompetenz des Herstellers und andererseits Fachwissen in einen dazu
komplementären produktbezogenen Bereich. Auf dem Feld der Fachkompetenz des
Herstellers kann der Kunden ein gleichberechtigter Partner sein, wenn er ebenfalls
über tiefes Wissen auf diesem Gebiet verfügt. Er ist dann in der Lage, als Teil des
Innovationsteams eine breite Palette an Aufgaben zu übernehmen. Die Kernkompetenz des Herstellers kann dabei technischer Natur sein oder auf einem anderen produktbezogenen Gebiet liegen. Auf dem Gebiet des zum Hersteller komplementären
technischen bzw. sonstigen Wissens kann der Kunde beispielsweise spezielle Fähigkeiten im Bereich der Systemintegration, des Produktdesigns oder des Marketings aufweisen. Durch eine Bündelung derartiger Kompetenzen des Kunden mit
denen des Herstellers entsteht ein Potenzial Innovationen zu realisieren, zu denen
der Hersteller alleine nicht in der Lage gewesen wäre.
Die Kompetenzen des Lead-Users – so wie er in der Literatur beschrieben wird
(z. B. von Hippel 1986; Herstatt, von Hippel 1992; Lüthje, Herstatt 2004) – liegen
für beide Wissensfelder (Markt und Technologie) im jeweiligen Mittelbereich, ohne
spezielle Ausprägung in Richtung eines spezifischen Kompetenzschwerpunktes.
Der klassische Lead-User verfügt, obwohl er teilweise selbst an den bestehenden
Produkten Verbesserungen vornimmt oder eigene Prototypen entwirft, über kein
RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
153
ausgeprägtes technisches Spezialwissen. Ausserdem benötigt er auch keine das Herstellerwissen ergänzenden Kompetenzen. Er zeichnet sich vielmehr durch seine
speziellen „innovativen“ Bedürfnisse sowie einen grossen Problemdruck zur Befriedigung derselben aus. Auf der Seite des Marktwissens kann er ebenfalls zwischen den beiden betrachteten speziellen Wissensgebieten eingeordnet werden. Er
muss kein Spezialist für die Identifikation von Trends sein, da dieser Schritt bereits
vor seiner Einbindung erfolgt, sollte aber neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen sein. Auch die Beurteilung und Auswahl von bereits vorliegenden Konzepten ist nicht der Hauptgrund seiner Integration – dieser liegt vielmehr in der Generierung und Vertiefung von Ideen für Konzepte sowie in der Konzeptformulierung und -entwicklung.
Einen zusammenfassenden Überblick über die identifizierten potenziellen Kompetenzfelder der Kunden gibt Abbildung 30.
154
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Marktwissen des Kunden
Chancenbezogen
Applikationsbezogen
¾ Kenntnis neuester
Marktentwicklungen
¾ Erfahrung als Benutzer oder
Anwender
¾ Gespür für kommende
Entwicklungen und Trends
¾ Praxis mit bestehenden
Produkten oder
Substitutionsprodukten
¾ Potenzialabschätzung neuer
(technologischer) Lösungen
¾ Möglicherweise Feedback zu
selbst entwickelten Prototypen
Technisches Wissen des Kunden
Kongruent
¾ Überdurchschnittliches
Fachwissen auf dem Gebiet
der Kernkompetenz des
Herstellers
¾ Im technologischen Bereich
notwendig zur Spezifikation
des innovativen Produktes
Komplementär
¾ Fachwissen auf einem die
Expertise des Herstellers
ergänzenden Feld
¾ Bei technischen Produkten
kann dieses beispielsweise in
den Bereichen der
Systemintegration, des Designs
oder des Marketings liegen
Abbildung 30: Dimensionen der Kompetenzen des Kunden
5.2
Integrationsstrategien des Herstellers
Mithilfe der beiden beschriebenen Determinanten – Zeitpunkt der Integration in den
frühen Innovationsprozess und Kompetenz des Kunden – wird nun ein Rahmen für
die weitere Analyse aufgespannt. Darin werden im Folgenden aus Sicht des Herstellers zwei grundsätzliche Strategien für die frühe Kundenintegration sowie vier spezifische Herstellerziele samt entsprechender Kundenrollen identifiziert und beschrieben.
5.2.1
Fokus auf Effektivität
Diese Strategie manifestiert sich in zwei Ausprägungen. Am Anfang der Innovationsfrühphase mit dem Rational der Auswahl der richtigen Gelegenheit bzw. des
richtigen Innovationsfeldes und am Ende bei der Selektion und Verfeinerung des in
der Entwicklungsphase weiter zu verfolgenden Konzeptes.
INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS
155
Zu Beginn des Innovationsprozesses zielt diese Strategie auf die Identifizierung
neuer Gelegenheiten und Chancen mithilfe der aktiven Integration des Kunden. Der
Hersteller trachtet danach, wertvolle Impulse für den weiteren Verlauf des Innovationsprozesses zu erhalten, sein spezifisches Ziel ist die Trendidentifikation. Daher
liegt der Fokus auf Trends und Szenarios, welche neue Gelegenheiten im Markt
aufzeigen. Dabei wird zunächst nicht nach einer spezifischen neuen Technologie
gesucht, auch wenn die Integration in grundlegenden Technologieroadmaps zur
Nutzung der identifizierten Chancen resultieren kann. Trotz ihrer Ausrichtung auf
die Marktseite hat dieser Teil der effektivitätsfokussierten Kundenintegration primär keinen Akquisitionscharakter, sondern dient vor allem der Risikoreduktion
durch einen frühen und engen Marktkontakt und damit vor allem der Effektivitätssteigerung. Die technologische Kompetenz des Kunden kann bei diesem Integrationsziel zwar auch eine Rolle spielen, ist aber auf jeden Fall dem Marktwissen untergeordnet.
Die Rolle des Kunden ist die eines Sensors für neue Gelegenheiten und Marktentwicklungen. Der konkrete vom Kunden geleistete Beitrag besteht aus Informationen
über Trends, neue Technologien oder Marktentwicklungen. So bindet das Creative
Center der Bayer MaterialScience zur Identifikation neuer Geschäftsmöglichkeiten
bereits ganz am Anfang des Innovationsprozesses Automobilhersteller ein. Es
kommt dabei zur gemeinsamen Diskussion von Szenarien und dadurch zur Identifikation relevanter Trends. Diese werden dann innerhalb des Creative Centers angereichert und im weiteren Verlauf des Prozesses unter einer anderen Zielsetzung,
aber wieder unter Einbezug ausgewählter Kunden, zu Konzepten weiterentwickelt.
Betrachtet man das Ende der Innovationsfrühphase, so spielen Kunden auch dort im
Sinne der effektivitätsfokussierten Strategie eine wichtige Rolle und es gibt zahlreiche Wege, ihren Input zu nutzen. Beispiele sind die Generierung und der Test von
Konzepten oder die Selektion der beliebtesten Problemlösungen und Konzeptentwürfe (z. B. Dahan, Hauser 2002; Kohn, Niethammer 2002). Generell bezweckt der
Hersteller mit einer derartigen Kundenintegration eine Konzeptverfeinerung.
Die Rolle des Kunden liegt hier darin, Hilfe bei der Suche, Auswahl – daher der
Name Selektor – und Verfeinerung der richtigen Lösung zu leisten. Lösung
bedeutet in diesem Zusammenhang ein geprüftes Konzept für die vorher
identifizierte Gelegenheit bzw. das behandelte Problem. Dieses Konzept muss nach
Beendigung dieser Phase fertig für die Übergabe an den eigentlichen
Neuproduktentwicklungsprozess sein. Zu diesem Zeitpunkt der Frühphase erfolgt
die Qualifikation des Kunden für eine Integration nicht mehr aufgrund eines
spezifischen technischen Wissens, sondern vielmehr durch seine Expertise als
156
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
potenzieller zukünftiger Nutzer und damit seine Applikationskompetenz.
Aufbauend auf bereits vorhandenen Ideen und Konzeptentwürfen – entweder intern
beim Hersteller entwickelt oder zusammen mit externen Partnern beispielsweise
Kunden – wird das endgültige Konzept normalerweise aus einer Gruppe
verschiedener Optionen ausgewählt und verfeinert. Es werden also aus bestehenden
Ideen Konzepte entwickelt, welche dann in den eigentlichen Entwicklungsprozess
eingebracht werden können. Auf dem Gebiet der Auswahl und Evaluierung durch
den Kunden wächst die Anwendung neuer IT-Tools zur Verbesserung der
Schnittstelle zwischen Hersteller und Kunde rapide. Neue Produktkonzepte,
Prototypen und Vorserienmodelle können von den Kunden schneller, mit grösserer
Genauigkeit und mit niedrigeren Kosten evaluiert werden, wenn virtuelle
Neuproduktentwicklungswerkzeuge angewandt werden. Eine Forschungsinitiative
am Massachusetts Institute of Technology (MIT) – genannt „Virtual Customer
Initiative“ – arbeitet an der Erforschung und Entwicklung solcher Werkzeuge (vgl.
Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002).
Manche Firmen erweitern die ursprüngliche Definition des Lead-Users, indem sie
Kunden, welche eigentlich eine Selektor-Rolle einnehmen, als Lead-User
bezeichnen (siehe dazu auch das Fallbeispiel Hilti in Abschnitt 3.4). Die
effizienzfokussierte Integrationsstrategie ist auch eng mit den Methoden der
Fokusgruppen und Kundenkliniken aus der Marktforschung verwandt. Das
wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist aber die aktive Rolle der Kunden und
damit verbunden deren anspruchsvolles Kompetenzprofil. Daher spielt dabei auch,
im Gegensatz beispielsweise zu den vom Marketing dominierten Fokusgruppen, die
F&E-Abteilung des Herstellers eine entscheidende Rolle. Die traditionellen
Aktivitäten der Kundeneinbindung sollen aber keinesfalls durch die frühe
Kundenintegration ersetzt werden. Diese baut vielmehr auf den bereits etablierten
Methoden auf und ergänzt diese.
Die übergeordneten strategischen Ziele des Herstellers im effektivitätsfokussierten
Strategietyp sind primär ein Streben nach Risikominimierung und damit nach einer
Effektivitätssteigerung. Sehr oft spielen in diesen Phasen aber auch akquisitorische
Ziele eine Rolle. Der Kunde erfährt durch seine aktive Mitwirkung an Ideenfindung
sowie Auswahl und Verfeinerung des Konzeptes Anerkennung und Respekt.
Dadurch fühlt er sich in gewisser Hinsicht an den Hersteller gebunden und ist in
vielen Fällen auch stärker motiviert, Produkte des Herstellers zu kaufen.
5.2.2
Fokus auf Effizienz
INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS
157
Im Mittelpunkt dieser für den B-to-B-Bereich typischen Strategie stehen die
technologischen Kompetenzen des Kunden. Ein Hersteller muss zwar zur
erfolgreichen Entwicklung und Herstellung seiner Produkte über alle notwendigen
Kompetenzen verfügen, diese jedoch nicht notwendigerweise zu jedem Zeitpunkt
im eigenen Haus besitzen. Hier manifestiert sich deutlich das neue Paradigma eines
offenen Innovationsprozesses. Falls es dem Hersteller vorteilhaft erscheint,
notwendige Kompetenzen Externer in seine Prozesse zu integrieren, so wird er
dieses tun. Mit Blickwinkel auf nachgelagerte Wertschöpfungsstufen bedeutet dies
die Integration von innovativen, fortschrittlichen Kunden, welche – neben ihrer
immanenten Expertise bezüglich ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen –
ein hohes Niveau an technischem Wissen in den Innovationsprozess des Herstellers
einbringen können. Ziel ist die Suche nach Synergien im technischen,
produktbezogenen Wissensbereich (im Feld der Kernkompetenz des Herstellers
oder komplementär dazu) und deren Nutzung zur Generierung innovativer
Lösungen. Die Kunden müssen daher für derartige kooperative Innovationsprozesse
offen und sensibilisiert sein, um zu diesem Ansatz zu passen. Die Nutzung des
Marktwissens der Kunden hat nur eine geringe Bedeutung für die
effizienzfokussierte Integrationsstrategie, innerhalb derer im Folgenden drei
verschiedene Kundenrollen unterschieden werden.
Die erste Rolle ist die des klassischen Lead-Users. Das von von Hippel bereits in
den 1980er-Jahren entwickelte Lead-User-Konzept stellt den Prototyp dieses
Strategietyps dar (von Hippel 1976; 1977; 1988). Von Hippel stellte fest, dass
Kunden bzw. Benutzer eines bestimmten Produktes wesentlich für die schnelle und
erfolgreiche Entwicklung innovativer neuer Produkte sein können. Dabei werden
Lead-User als Kunden beschrieben, welche schon heute Bedürfnisse aufweisen, die
erst Monate oder Jahre später allgemein relevant sein werden, d.h. die einen Bedarf
lange vor dem restlichen Markt verspüren. Zusätzlich lässt sie ihre Situation stark
von einer Befriedigung dieser Bedürfnisse bzw. einer Lösung ihrer Probleme
profitieren. Der Lead-User zeichnet sich also durch ein spezielles Bedürfnisprofil
aus, er muss aber zusätzlich sowohl auf der technischen als auch der
anwendungsbezogenen Wissensebene gewisse Kompetenzen aufweisen, welche
seine Einbindung in das Zentrum des frühen Innovationsprozesses ermöglichen.
Lead-User haben in vielen Fällen genug technologische Kompetenz und
Problemdruck, um selbst mit der Verbesserung bestehender Produkte oder sogar mit
der Entwicklung eigener Prototypen zu beginnen. Trotzdem müssen Lead-User
weder bezüglich ihres technischen Wissens noch ihres Marktwissens ausgewiesene
Spezialisten sein.
158
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Von Hippel beschreibt anhand eines fünfstufigen Prozesses, wie Lead-User zu
identifizieren und ihre Kompetenzen in den Neuproduktentwicklungsprozess zu
integrieren sind. Am Beginn steht dabei die Identifikation neuer Markttrends und
Produktgelegenheiten. Nach der Auswahl geeigneter Lead-User wird in
interdisziplinären Workshops mit Vertretern des Herstellers versucht, Informationen
über ihre speziellen Bedürfnisse und Anforderungen zu erhalten. Daraus können
erste mögliche Lösungen und darauf aufbauende Produktkonzepte generiert werden.
Diese Konzepte müssen schliesslich in einem grösseren Rahmen getestet werden,
um die Übertragbarkeit der Lead-User-Bedürfnisse auf den allgemeinen Markt
abzuschätzen zu können (vgl. z. B. Herstatt, von Hippel 1992). Es werden also
prinzipiell Kunden gesucht, welche eigene Problemlösungen entwerfen bzw.
entwickeln können und bereit sind, diese im Rahmen eines Lead-User-Workshops
mit dem Hersteller zu einem tragfähigen Konzeptentwurf zu verfeinern. Aktuelle
Publikationen zu diesem Thema zeigen, dass Lead-User-Projekte im Vergleich zu
traditionellen Innovationsprojekten einen höheren Anteil an radikal neuen
Produkten hervorbringen. Die Hauptgründe dafür werden darin gesehen, dass durch
die Zusammenarbeit mit Lead-Usern Informationen über Bedürfnisse und Lösungen
von den führenden Bereichen des Zielmarktes bzw. von Märkten mit ähnlichen
Problemen in einer extremen Form verarbeitet werden (Lilien, Morrison et al.
2002). Es ist allerdings zu beachten, dass Lead-User nicht integriert werden, um die
neuesten Trends und Marktchancen zu finden – dies wird bei dieser Methode
bereits vor der Kundenauswahl durchgeführt. Das Ziel ihrer Integration liegt auch
nicht darin, Konzepte zu Ende zu entwickeln oder zu selektieren, da das Hauptziel
ihrer Integration die Hilfestellung bei der Erarbeitung von Konzeptentwürfen ist,
welche dann im nächsten Abschnitt der Innovationsfrühphase weiterentwickelt
werden.
Ein aktuelles Beispiel für die erfolgreiche Anwendung des Lead-UserAnsatzes stellt die Medizinaltechniksparte des amerikanischen 3M-Konzerns
dar. Sie suchte gezielt nach Anwendern bzw. potenziellen Anwendern, welche
innovative oder andersartige technologische Lösungen für das elementare
Problem der Wunddesinfektion während einer Operation gefunden oder
entwickelt hatten. Man wurde in einem Parallelmarkt, nämlich der
Veterinärmedizin, fündig und entwickelte gemeinsam mit den eingeladenen
Tierärzten die Ideen für ein radikal neues Konzept in Form einer
Desinfektionsfolie.28
28
Basierend auf von Hippel, Thomke et al. (1999).
INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS
159
In eigenen Interviews bei der Firma Hilti AG aus Schaan kam die Bedeutung der
technologischen Innovationskompetenz einzelner Kunden ebenfalls zum Ausdruck.
So werden bei Hilti über die Marktorganisationen identifizierte Anwender, welche
eigene Prototypen für neue Geräte entwickelt haben bzw. an Hilti-Produkten
Modifikationen vorgenommen haben, gezielt kontaktiert. Bei beidseitigem Interesse
werden diese Kunden von den jeweils betroffenen Geschäftseinheiten zu LeadUser-Workshops im oben beschriebenen Sinne eingeladen.
Neben der für den Lead-User typischen Mischung aus „innovativem“
Bedürfnisprofil, Anwendungswissen und grundsätzlicher technologischer
Kompetenz, zeichnen sich die beiden anderen Rollen innerhalb dieses Strategietyps
durch spezielle Ausprägungen ihres technischen Wissens aus. Komplementäres
Wissen bzw. komplementäre Fähigkeiten, welche die Möglichkeiten des Herstellers
abrunden, bilden die zweite grosse Gruppe mit dem spezifischen Herstellerziel einer
Innovationsverstärkung. In diesem Fall sucht der Hersteller Unterstützung nicht
bezüglich seiner Kernfähigkeiten, sondern zur Verstärkung seines eigenen
Kompetenzprofils und damit seiner eigenen Innovationsfähigkeit. Beispiele für
diesen Typ – mit dem Kunden in der Rolle eines Spezialisten – finden sich sowohl
auf der Markt- als auch der Technologieseite.
Bayer MaterialScience hat beispielsweise eine hoch innovative Handtasche
mit leuchtender Polymerfolie im Inneren gemeinsam mit Bree, einem
deutschen Gepäckhersteller im oberen Marktsegment, entwickelt und
präsentiert. Dies ermöglichte Bayer, seine topaktuelle Polymertechnologie
und damit seinen innovativen Ruf mithilfe eines nicht traditionellen Kunden
zu verbreiten. Bree brachte sein Produkt- und Marktwissen im Bereich der
luxuriösen Accessoires ein.29
Neben dem oben beschriebenen komplementären Wissenstyp zeigt sich ein weiteres
spezifisches Phänomen, welches einen dritten Modus innerhalb der
effizienzfokussierten
Integrationsstrategie
darstellt,
die
gemeinsame
Spezifikationsausarbeitung. In Fällen, bei denen der Kunde tiefes kongruentes
Expertenwissen auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers besitzt, kann er
auch die Rolle eines Co-Creators einnehmen, welcher die Innovation mithilfe der
Spezifikation30, welche gemeinsam mit dem Hersteller entwickelt wird, vorantreibt
und steuert. Diese Rolle des Kunden als Spezifikator verlangt ein Wissensniveau
des Kunden, welches über das eines typischen Lead-Users weit hinausgeht und
29
30
Interview Bayer MaterialScience.
In diesem Zusammenhang legt die „Spezifikation“ den Rahmen der Innovation fest und steht daher vor
dem Konzept, welches dann auf ihr basiert, in der Ideenphase des FFE.
160
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
meistens nur in speziellen Branchen bzw. Technologiefeldern gefunden werden
kann. Dieser Typ stellt auch insofern eine Besonderheit dar, als die Impulse, welche
zur Integration führen, nicht notwendigerweise immer vom Hersteller kommen, wie
es typisch und charakteristisch für die anderen Typen der frühen Kundenintegration
ist. Kunden, welche das notwendige Wissen aufweisen, haben oft auch eine
entsprechende Grösse und Machtposition gegenüber dem Hersteller und können im
Sinne einer Integration ihres Zulieferers die Initiative übernehmen.
Zusammenfassend zeigt Abbildung 31 wie über den Verlauf der Frühphase des
Innovationsprozesses die jeweiligen Kundenrollen mit den übergeordneten
Integrationsstrategien
und
den
spezifischen Zielen des Herstellers
zusammenhängen.
Früher Innovationsprozess
Gelegenheitsphase
Ideenphase
Konzeptphase
Integrationsstrategie
Effektivitätsfokussiert
Effizienzfokussiert
Effektivitätsfokussiert
Ziele des
Herstellers
Rolle des
Kunden
Innovationsverstärkung
Trendidentifikation
Konzeptverfeinerung
Spezifikationsausarbeitung
Spezialist
Sensor
Selektor
Spezifikator
Abbildung 31: Kundenrollen als phasenspezifische Umsetzung der
Integrationsstrategien des Herstellers
AUSPRÄGUNGEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
5.3
161
Ausprägungen der frühen Kundenintegration
Selektor
a) Effizienzfokussiert
a) Effektivitätsfokussiert
b) Innovationsverstärkung
b) Konzeptverfeinerung
c) Ideenphase
c) Konzeptphase
Kompetenz des Kunden
Technisches Wissen
Kongruent
Spezifikator
Applikationsbezogen
Spezialist
Marktwissen
Sensor
a) Effizienzfokussiert
a) Effektivitätsfokussiert
b) Spezifikationsausarbeitung
b) Trendidentifikation
c) Ideenphase
c) Gelegenheitsphase
Chancenbezogen
Komplementär
Im Folgenden werden nun die Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der
frühen Kundenintegration – als Fazit der Abschnitte 5.1.1, 5.1.2 und 5.1.3 – näher
betrachtet. Dazu werden die Rollen zunächst bezüglich der Kompetenzen der
integrierten Kunden in eine Matrix eingeordnet (vgl. Abb. 32). Diese zeigt für jede
Rolle, welches Wissensfeld der Kunden für eine erfolgreiche Erfüllung der Rolle
besonders stark ausgeprägt sein muss.
Legende:
a) Integrationsstrategie b) Ziel des Herstellers c) Zeitpunkt der Integration
Abbildung 32: Dominierende Kundenkompetenzfelder der spezifischen
Kundenrollen der frühen Kundenintegration
162
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Eine zusammenfassende Übersicht der Charakteristika
Kundenrollen der frühen Kundenintegration zeigt Tabelle 7.
der
identifizierten
Sensor
Spezialist
Spezifikator
Selektor
Integrationsstrategie des
Herstellers
Effektivitätsfokussiert
Effizienzfokussiert
Effizienzfokussiert
Effektivitätsfokussiert
Herstellerziel/
Rational
Trendidentifikation
(Identifikation von
Chancen und
Problemen)
Innovationsverstärkung
(Ideenentwicklung
und
-verfeinerung)
Spezifikationsausarbeitung
(Ideenentwicklung
und
-verfeinerung)
Konzeptverfeinerung
(Konzeptentwicklung)
Zeitpunkt der
Integration
Gelegenheitsphase
Ideenphase
Ideenphase
Konzeptphase
Dominierende
Kundenkompetenz
Chancenbezogenes
Marktwissen
(Trendsensibilität)
Komplementäres
Technologiewissen (und
Bedürfnisträger)
Kongruentes
Technologiewissen (und
Bedürfnisträger)
Applikationsbezogenes
Marktwissen
(vorausschauend)
Tabelle 7: Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen
Kundenintegration
In Abstimmung mit seiner Firmenstrategie gilt es für den Hersteller, seine mit der
Kundenintegration verbundenen Ziele zu analysieren und darauf aufbauend – in
Abstimmung mit den jeweiligen Unternehmenskompetenzen – die richtige Form
der Kundenintegration auszuwählen. Man kann vier spezifische Ziele
unterscheiden, welche innerhalb der zwei Integrationsstrategien der
Kundenintegration in Betracht kommen, nämlich Trendidentifikation,
Innovationsverstärkung, Spezifikationsausarbeitung und Konzeptverfeinerung. Aus
diesen Zielen lassen sich vier Kundenrollen ableiten, welche dem Kunden in
Ergänzung der klassischen Lead-User-Rolle im frühen Innovationsprozess zugeteilt
werden können. Auf die spezifischen Managementaspekte des Integrationsprozesses
wird in Kapitel 6 detailliert eingegangen.
AUSPRÄGUNGEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
163
Innovationsverstärkung
Mittels der Achsen „Früher Innovationsprozess“ und „Herstellerziel“ wird nun ein
Rahmen aufgespannt, in welchen die Integrationsstrategien des Herstellers und die
Kundenrollen eingetragen werden. Die Rolle des Lead-Users – des Prototyps der
frühen Kundeneinbindung – kommt dabei als Referenzpunkt genau im Zentrum der
Darstellung zu liegen (vgl. Abb. 33).
Spezialist
Trendidentifikation
Sensor
Lead-User
Selektor
Konzeptverfeinerung
Frühe
Kundenintegration
Effektivitätsfokussiert
Spezifikationsausarbeitung
Spezifikator
Effizienz- Effektivitätsfokussiert fokussiert
Legende
Herstellerziel
Kundenrolle
Früher Innovationsprozess
Gelegenheitsphase
Ideenphase
Konzeptphase
Abbildung 33: Rahmen der frühen Kundenintegration
164
5.4
SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Zusammenfassung
Die obigen Überlegungen haben Folgendes gezeigt: Es können verschiedene Wege
identifiziert werden, um den Kunden in den Innovationsprozess zu integrieren. Im
Zentrum der Innovationsfrühphase wird die frühe Kundenintegration als
Aktionsfeld rund um den klassischen Lead-User-Ansatz eingeführt. Passend zu den
spezifischen Beiträgen, welche Kunden zur Neuproduktentwicklung liefern können,
findet die frühe Kundenintegration während verschiedener Phasen innerhalb des
frühen Innovationsprozesses mit unterschiedlichen Zielen, Intensitäten und
Ausgestaltungen statt.
Abhängig vom jeweiligen Ziel des Herstellers bzw. dem erwarteten Ergebnis
können zwei Strategien unterschieden werden, welche die Art bestimmen, wie die
Kunden integriert werden, nämlich effizienzfokussiert oder effektivitätsfokussiert.
Diese Strategien führen zu vier, durch je eine Kundenrolle manifestierten,
spezifischen Zielen der frühen Kundenintegration. Der Hersteller muss, nach der
grundsätzlichen Entscheidung für die frühe Kundenintegration, unter
Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen, die passende Strategie und
das spezifische Integrationsziel festlegen. Die damit bestimmte Kundenrolle wird
dann im Rahmen der beiden Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und
Interaktionsprozess operativ umgesetzt. Dabei gilt es, Kontingenzfaktoren wie das
jeweilige Marktumfeld (Kundenspezifika, Wettbewerbssituation), die Spezifität der
Produkte, den Entwicklungsstand der eingesetzten Technologien und die eigene
Firmeninnovationskultur zu berücksichtigen. Diese erste Analyse betrachtet noch
nicht die Fragestellung nach den notwendigen konkreten Ausprägungen der
Gestaltungsfaktoren zur Realisierung der einzelnen Kundenrollen.
Es zeigt sich, dass die frühe Kundenintegration die Effektivität des
Innovationsprozesses durch die Ermöglichung kraftvoller neuer Wissensentstehung
verbessern kann, ihre konkrete Anwendung aber nach einer sorgfältigen Gestaltung
des Prozessaufbaus und der Durchführung verlangt.
PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
6
6.1
165
Ablauf und Organisation der frühen
Kundenintegration
Prozess der frühen Kundenintegration
Neben der Betrachtung der Gestaltungsfelder und Gestaltungsfaktoren wird nun auf
den zeitlichen Ablauf und damit den Prozesscharakter der Kundenintegration
eingegangen. Dies erfolgt im Hinblick auf die Gestaltungsempfehlungen (siehe
Abschnitt 6.3). Die bisherigen Betrachtungen haben auf die relevanten
Einflussfelder und Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration sowie die
dahinter liegenden Theorien fokussiert. Die Schritte des notwendigen Prozesses, in
welchen diese Gestaltungselemente eingebettet sind, stehen im Zentrum der
folgenden Überlegungen. Als Basis dienen einerseits die theoretischen Grundlagen
aus dem Feld der F&E-Kooperationen und andererseits die empirischen Daten,
welche für diese Studie erhoben wurden (siehe die vier Fallstudien Kapitel 3 und
den Anhang „Interviewleitfaden und Ergänzungsfragen“).
Zur Analyse des Prozesses der Kundenintegration wird auf die allgemeine
Kooperationsliteratur zurückgegriffen. Zahlreiche Arbeiten aus den Gebieten der
strategischen Managementlehre und des Innovationsmanagements beschäftigen sich
mit F&E-Kooperationen im Allgemeinen bzw. Innovationskooperationen im
Besonderen (z. B. Staudt, Toberg et al. 1992; Kirchmann 1994; Fuchs 1999; Marxt
2000). Auch wenn die frühe Kundenintegration keine klassische Kooperation
darstellt, so unterscheiden sich die grundsätzlichen Ablaufschritte nicht wesentlich.
Es können also für diese Arbeit die gleichen übergeordneten Phasen zur
Prozessgliederung herangezogen werden.
Phasen der Integration
Es existieren zahlreiche Phasenmodelle für die allgemeine Struktur eines
Kooperationsprozesses (Staudt, Toberg et al. 1992; Lorange, Roos 1993; Balling
1997; Fuchs 1999). Prinzipiell lassen sich aber immer drei grundsätzliche
Abschnitte identifizieren, nämlich eine Gestaltungs-, Lenkungs-, und
Entwicklungsphase. Fuchs detailliert diese drei Schritte in einem fünfstufigen
Lebenszyklusmodell einer Kooperation und zwar als Initialisierung, Konfiguration,
Design, Betrieb und Rekonfiguration (Fuchs 1999). Fontanari (1995) legt
besonderes Augenmerk auf die Frühphase und unterteilt diese in drei Teilphasen,
welche vor der eigentlichen Durchführung der Kooperation zu durchlaufen sind. Es
sind dies eine strategische Analyse, in der nach möglichen Lösungen und
166
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Alternativen gesucht wird, die Partnersuche und -auswahl sowie die
Verhandlungsphase mit dem Vertragsabschluss. Als Essenz der bestehenden
Ansätze werden für die vorliegende Arbeit drei übergeordnete Prozessschritte
unterschieden:
¾ Schritt 1: Initiierungsphase
¾ Schritt 2: Vorbereitungsphase
¾ Schritt 3: Realisierungsphase
Hauptkriterien
Initiierungsphase
Entscheidung zur
Kundenintegration
Vorbereitungsphase
Schritte
Realisierungsphase
Kundenintegrationsprozess
Für jeden Schritt werden zwei Hauptkriterien eingeführt, welche die jeweils zu
erreichenden Teilziele repräsentieren. Diese drei identifizierten Schritte der frühen
Kundenintegration mit den jeweiligen Hauptkriterien sind in Abbildung 34
dargestellt.
Ergebnisfestlegung
Kundenauswahl
Vertragsabschluss
Operative
Gestaltung
Integration
der Ergebnisse
Abbildung 34: Kundenintegrationsprozess
PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
167
Initiierungsphase
Am Beginn der frühen Kundenintegration steht, so wie in einem klassischen
Kooperationsprozess, die Willensbildung, d. h. das Erkennen der Notwendigkeit
und der strategische Entscheid für die externe Zusammenarbeit. Im Rahmen der
Strategieprozesse des Herstellers kommt es in dieser Phase zu einer Identifikation
und Bewertung von Wertschöpfungsprojekten, welche mithilfe integrierter Kunden
oder durch andere Umsetzungsformen realisiert werden können (Fuchs 1999).
Eine Entscheidung für die Öffnung des Innovationsprozesses für Externe soll
immer in Einklang mit der Unternehmens- und Technologiestrategie erfolgen bzw.
aus dieser hergeleitet werden. Der erwartete Beitrag durch die Integration des
Kunden ist dabei – wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt wurde – ein wesentliches
Element, welches für den weiteren Verlauf des Prozesses eine entscheidende Rolle
spielt. Beispielsweise wurde in Kapitel 5 gezeigt, dass den Kunden unterschiedliche
Rollen zugeteilt werden können, je nach den vom Hersteller erwarteten
Kundenbeiträgen.
Das Technologie- und Innovationsmanagement hat also als ersten Schritt die
eigentliche Integrationsentscheidung vorzubereiten und zu treffen. Als zweiten
wichtigen Schritt gilt es, zur Klärung der Ergebniserwartung, die Kooperationsziele
festzulegen. Prinzipiell können die Ziele in Ergebnis-, Aufwands- und Zeitziele
eingeteilt werden, wobei für den Fokus der vorliegenden Arbeit in dieser Phase die
Ergebnisziele die dominierende Rolle spielen. Ziele können dabei prinzipiell als
Orientierungsgrössen für die Bewertung und Auswahl der Kunden dienen.
Ausserdem bilden sie den Massstab zur Bewertung des Integrationserfolges im
Verlauf und nach Ende der Integration. Mit der Zielfestlegung einher geht die
Abgrenzung des Gegenstandsbereiches der Zusammenarbeit mit dem Kunden. Der
Hersteller muss sich über diejenigen technologischen Bereiche im Klaren sein,
welche er als seine Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteile betrachtet und
welche er daher ohne externe Beteiligung betreiben will. In Ergänzung dazu
eröffnen sich diejenigen Bereiche, in denen externe Kompetenzen eingebunden
werden sollen.
Nach der generellen Willensbildung (bzw. dem Erkennen der Notwendigkeit) und
der prinzipiellen Festlegung auf ein gemeinsam mit dem Kunden zu erbringendes
Ergebnis (d. h. des Kundenbeitrages), beinhaltet der nächste Prozessschritt die
Suche der passenden Kunden sowie die Ausformulierung eventuell notwendiger
Verträge.
168
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Konfigurationsphase
Nach der Entscheidung für die frühe Kundenintegration stellen Auswahl und
Gewinnung geeigneter Kunden zentrale Erfolgsfaktoren dar (vgl. z. B. Yoshingo,
Rangan 1995). Potenzielle Partner müssen mit System gesucht werden sowie unter
Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen (z. B. Konkurrenzsituation,
Marktsituation, vergangene Erfahrungen), bezüglich ihrer Eignung geprüft werden.
Dies geschieht einerseits durch die Abschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der
oben beschriebenen Ziele sowie andererseits durch eine Vorabbewertung des
strategischen und kulturellen „Fits“ potenzieller Integrationspartner mit dem
eigenen Unternehmen.
Die infrage kommenden Kunden müssen, in Abhängigkeit von den in der
Initiierungsphase festgelegten Ziele (d. h. den erwarteten Ergebnissen) dem Profil
der jeweiligen spezifischen Rolle so weit wie möglich entsprechen. Nach der
genauen Festlegung des Anforderungsprofils erfolgt zunächst ein Suchprozess zur
Ermittlung geeigneter Kandidaten und schliesslich eine endgültige Auswahl. Der
Suchvorgang kann sehr schnell (wie im Falle leicht überschaubarer Märkte) oder
zeitlich aufwändig (mittels umfangreicher Aktivitäten mehrerer Abteilungen des
Herstellers) ablaufen. Der Suchteil ist in den meisten Fällen mit einer Selektion
möglicher Partner für die Kundenintegration verbunden. Neben den
rollenspezifischen Selektionskriterien, welche engen Bezug auf die jeweiligen
Rollencharakteristika nehmen müssen, spielt auch die grundsätzliche
Übereinstimmung auf strategischer und kultureller Ebene eine wesentliche Rolle.
Der strategische Fit (vgl. Rotering 1990; Teichert 1994) hängt im Umfeld der
Kundenintegration von der Gefahr einer einseitigen opportunistischen Ausbeutung
durch einen Partner und damit invers von den Vorteilen, welche beide Partner durch
die frühe Kundenintegration erzielen können ab (vgl. Dutta, Weiss 1997). Der
kulturelle Fit steigt, wenn die Entscheidungsprozesse und -geschwindigkeiten, die
tolerierten Risiken und die arbeitsbezogenen Werthaltungen ähnlich ausgeprägt
sind. Auch die Bereitschaft, sich auf kulturelle Unterschiede einzustellen, trägt zu
einer Verbesserung des kulturellen Fits bei. Die Bedeutung der kulturellen
Kompatibilität wird oft unterschätzt (z. B. George, Farris 1999).31
31
Es kann nicht generell behauptet werden, dass eine bessere kulturelle Übereinstimmung auch immer zu
innovativeren und damit besseren Ergebnissen führt. Gerade bei der Erzielung komplett neuer Ansätze
bzw. radikaler Innovationen können kulturelle Unterschiede innerhalb eines gewissen Rahmens auch als
stimulierende Keime neuer Gedanken wirken (z. B. Leifer, McDermott et al. 2000; Syrett, Lammiman
2002).
PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
169
Ebenfalls in diese Phase des Prozesses fallen die Erarbeitung einer gemeinsamen
Zielsetzung mit den ausgewählten Kunden sowie die (vorab notwendige)
vertragliche Ausgestaltung der Integration. Die gemeinsamen Ziele und Motive
müssen dabei offen diskutiert und fixiert werden (z. B. Kanter 1994). Dabei
unterscheidet sich die gemeinsame Zielsetzung deutlich von den Einzelzielen der
beiden Partner und sollte ebenso wie die Fragen des schützenswerten geistigen
Eigentums, welches im Laufe der Integration entstehen kann, in einem Vertrag
festgehalten werden. Dieser regelt auch den rechtlichen Rahmen, in welchem die
Integration stattfinden wird. Dabei gilt es, für eine erstmalige Integration andere
Dinge zu berücksichtigen als bei einer schon längerfristig laufenden Beziehung (mit
bereits bestehenden Verträge bzw. einem vorhandenen Vertrauensverhältnis).
Am Ende der Konfigurationsphase steht also eine Fixierung der Integrationsziele,
der erforderlichen Prozesse und Abläufe sowie der Regeln zur Verwertung der
Ergebnisse. Damit ist der Aufbau der Kundenintegration beendet. Dieser Schritt
sollte nicht unterschätzt werden, denn erfahrungsgemäss passieren im Verlauf des
Aufsetzens einer Kooperation die meisten derjenigen Fehler, welche schlussendlich
zum Scheitern des gesamten Vorhabens führen (vgl. z. B. Doz, Hamel 1998).
Realisierungsphase
In diesem Schritt passiert die eigentliche Wertschöpfung der Kundenintegration.
Nachdem geeignete Kunden gefunden und die Rahmenbedingungen festgelegt
worden sind, beginnt die Kernaktivität der frühen Kundenintegration. Die
Zusammenarbeit muss passend zu der gewählten Kundenrolle und den spezifischen
Rahmenbedingungen gestaltet, die Integration operativ umgesetzt und die
Verwertung der Ergebnisse im Innovationsprozess des Herstellers sichergestellt
werden.
Prinzipiell müssen Aspekte der Organisation, des Personal- und des
Finanzmanagements der Zusammenarbeit mit dem integrierten Kunden
berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt dieser Aufgabe stehen neben der Auswahl
der geeigneten Mitarbeiter, die Formulierung von Regeln der Zusammenarbeit
sowie die Gestaltung der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Kunden.
Der Schwerpunkt im Rahmen dieser Arbeit liegt dabei auf der organisatorischen
Ausgestaltung der beiden identifizierten operativen Gestaltungsfelder –
Integrationsstruktur und Interaktionsprozess – zur Ermöglichung einer effizienten
gemeinsamen Wissensgenerierung. Schliesslich muss noch die Diffusion des neuen
Wissens in andere relevante Abteilungen und den gesamten Innovationsprozess
170
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
sichergestellt werden. Auch eine eventuelle Beendigung (sowohl frühzeitig als auch
geplant) des Integrationsprojektes fällt in diese Phase.
6.2
Konzeptionelles Managementmodell der frühen
Kundenintegration
Kombiniert man die Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte, so ergibt sich
das folgende konzeptionelle Modell (vgl. Abb. 35). Die Blöcke der
Integrationsstrategie, der spezifischen Herstellerziele und der Kundenrollen sowie
die operativen Gestaltungsfelder wurden den passenden Schritten des
Prozessablaufs zugeordnet. Dieses Modell dient als Grundlage für den Aufbau
konkreter Gestaltungsempfehlungen in Abschnitt 6.3.
KONZEPTIONELLES MANAGEMENTMODELL DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
171
Unternehmerischer Rahmen
Initiierungsphase
Vorbereitungsphase
Realisierungsphase
Kundenintegrationsprozess
Strategie
Entscheidung
zur
Kundenintegration
Kultur
Struktur
Integrationsstrategie
Effektivitätsfokussiert
Effizienzfokussiert
Ziele des Herstellers
Ergebnisfestlegung
Trendidentifikation
Kundenauswahl
Innovationsverstärkung
Spezifikationsausarbeitung
Konzeptverfeinerung
Rolle des Kunden
Sensor
Spezialist
Spezifikator
Selektor
Gestaltungsfeld
Integrationsstruktur
Interaktionsprozess
Gestaltungsfaktoren
¾ Verbindungsstärke
¾ Zeitliche Struktur
¾ Zahl der Kunden
¾ Ort der Interaktion
¾ Prozess- und
Vertragsabschluss
Operative
Gestaltung
Integration
der
Ergebnisse
Rollentransparenz
¾ Kultureller Fit
¾ Wissensgenerierung
¾ Kundenmotivation
Abbildung 35: Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration
Aufbauend auf empirischen Praxisbefunden (Fallstudien) konnte gezeigt werden,
dass es neben dem Lead-User-Ansatz noch weitere aktive Rollen für den Kunden
während der Frühphase des Innovationsprozesses gibt. Die Implementierung bzw.
Realisierung dieser Rollen erfordert vom Hersteller den Einsatz von spezifischen
Massnahmen in allen Schritten des Integrationsprozesses. Dieser Prozess muss
darüber hinaus in Rahmenbedingungen eingebettet werden, welche seinen
effizienten und nachhaltigen Ablauf sicherstellen. Der eigentliche Prozess der
frühen Kundenintegration besteht also aus einer strategisch fundierten prinzipiellen
Entscheidung zum Einbezug von externen Ressourcen in Form einer interaktiven
172
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
frühen Kundenintegration. Nach der Festlegung der Ziele und Ergebnisse erfolgt die
Wahl der geeigneten Kundenrolle, die Suche und Auswahl passender Kunden sowie
eine allfällige Vertragsgestaltung mit diesen. Die operative Umsetzung beginnt mit
der organisatorischen Gestaltung des Integrationsprozesses und geht über den
operativen Ablauf – mit dem Ergebnis gemeinsam generierten Wissens – hin zur
Verwertung
der
Ergebnisse
und
schliesslich
eventuellen
Rekonfigurationsüberlegungen. Praktische Empfehlungen zur Gestaltung der frühen
Kundenintegration gibt der nächste Abschnitt.
6.3
Gestaltungsempfehlungen und Thesen
Das entwickelte konzeptionelle Gestaltungsmodell bildet einen Gestaltungsrahmen
für das Management der frühen Kundenintegration. Nach der auf Theorie und
Empirie basierenden Herleitung folgt nun die Diskussion der wichtigsten
praktischen Implikationen dieses Modells. Dazu werden, mit Schwerpunkt auf der
Realisierungsphase, Gestaltungsempfehlungen für die einzelnen Schritte des
Integrationsprozesses entwickelt.
Die Gestaltungsempfehlungen werden dabei zunächst entlang der Prozessschritte
für alle spezifischen Rollen der frühen Kundenintegration einheitlich beschrieben
und nur dort, wo eine rollenspezifische Unterteilung Sinn macht, wird auf Spezifika
der Gestaltung einzelner Rollen im Detail eingegangen.
Die Überlegungen sind folgendermassen gegliedert. Beginnend mit dem
unternehmerischen Rahmen werden die einzelnen Schritte des Integrationsprozesses
besprochen. Dabei wird jeder Prozessschritt in Hauptkriterien (Was ist das Ergebnis
dieses Schrittes? Was muss erfüllt sein?) und weiter in Handlungsfelder (Wo kann
und muss etwas gemacht werden, um das Hauptkriterium zu erfüllen?) unterteilt.
Die Aussagen zu den einzelnen Handlungsfeldern werden schliesslich, in Form von
Thesen, zu konkreten Handlungsempfehlungen verdichtet.
6.3.1
Unternehmerischer Rahmen
Wie der Fallstudienvergleich ergeben hat, führt die eigentliche operative Gestaltung
der frühen Kundenintegration nur in einem entsprechenden Umfeld zum Erfolg. Als
entscheidende Rahmenbedingungen wurden dabei Strategie, Kultur und Struktur
identifiziert. Zur Entwicklung der Gestaltungsempfehlungen werden daher, im
Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes (vgl. z. B. Bleicher 1991), zunächst diese drei
Gestaltungsfelder betrachtet. Schliesslich wird der Fokus auf die eigentliche
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
operative Gestaltung der
Realisierungsphase gelegt.
frühen
173
Kundenintegration
im
Verlauf
der
Strategie, Kultur und Struktur sind übergreifende ordnende Kräfte, welche den
organisationalen Abläufen eine einheitliche Form und Zielorientierung geben
(Rüegg-Stürm 2002). Der Kundenintegrationsprozess ist diesem Verständnis nach
derjenige Geschäftsprozess, welcher im Fokus dieser Arbeit steht und die zentrale
Rolle im entwickelten Managementmodell einnimmt.
Strategie
Prinzipiell kann man im unternehmerischen Rahmen zwei strategische Ebenen
unterscheiden. Eine übergeordnete generelle Unternehmensstrategie sowie eine
Innovationsbzw.
Technologiestrategie.
Die
Identifikation
einer
Unternehmensstrategie („Firm Level Strategy“), welche nicht nur die
Wertschöpfung, sondern auch die Wertaneignung leitet, stellt einen wichtigen
Aspekt des Aufbaus der frühen Kundenintegration dar. Eine derartige, dezidiert
offene Innovationsstrategie (Open Innovation Strategie) bildet die Basis für alle
weiteren Aktivitäten der frühen Kundenintegration.
Aufbauend auf dieser prinzipiellen Unternehmensstrategie muss eine strategische
Analyse der eigenen Kompetenzen und Technologien erfolgen und die strategische
Ausrichtung festgelegt werden. Eine wesentliche Grundfrage der technologischen
Produktinnovationsstrategien betrifft die Quellen für technologische Innovationen
(z. B. Wolfrum 1994; Burgelman, Christensen et al. 2003). Basierend auf den
Kenntnissen, wohin sich die Unternehmung strategisch in Zukunft bewegen soll
und wo die Chancen und Risiken liegen, muss der Blick deshalb auf das Umfeld der
Unternehmung geworfen werden (vgl. Linder, Jarvenpaa et al. 2003). Ausgehend
von den Kernkompetenzen des Unternehmens werden zunächst noch auf einer
abstrakten, übergeordneten Ebene potenzielle Felder einer Öffnung des
Innovationsprozesses und mögliche Stossrichtungen der Zusammenarbeit mit
Externen bestimmt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Kompetenzen für
Innovations- bzw. Technologiefelder im eigenen Haus auf- oder auszubauen oder
sie aus externen Quellen zu beziehen.
Als Grundlage einer erfolgreichen frühen Kundenintegration muss das Ergebnis der
oben beschriebenen Überlegungen eine Innovationsstrategie sein, welche die Vorund Nachteile einer Öffnung gegenüber externen Partnern im Allgemeinen und
Kunden im Speziellen berücksichtigt. Dabei bedeutet die grundsätzliche
Bereitschaft der Öffnung gegenüber Externen und speziell gegenüber den Kunden
nicht, dass sämtliche frühen Innovationsprozesse gemeinsam mit externen Partnern
174
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
durchgeführt werden müssen. Eine an die jeweilige Situation angepasste
Innovationsstrategie ist daher unabdingbar.
Eine passende Innovationsstrategie bildet die Grundlage für eine offene
Innovationskultur und die strukturelle Verankerung der Kundenintegration. Im
strategischen Gestaltungsfeld, muss basierend auf der Technologie- und
Marktstrategie, eine derartige Strategie entwickelt werden. Dies bedeutet auf
übergeordnetem Niveau zunächst eine strategische Verankerung der Bereitschaft
zur Öffnung des Innovationsprozesses.
These 1: Eine generelle offene Innovationsstrategie des Herstellers, als
Ergebnis einer übergeordneten Analyse der eigenen Kompetenzfelder und
des Umfeldes, ist als strategische Ebene des unternehmerischen Rahmens
Grundvoraussetzung einer erfolgreichen frühen Kundenintegration.
Kultur
Die Unternehmenskultur bildet den Bezugsrahmen, innerhalb dessen sich die
Mitarbeiter einer Unternehmung orientieren. Durch diesen gemeinsamen
Sinnhorizont wird es möglich, Impulse der Aussen- und Innenwelt zu verarbeiten
und als Gruppe handlungsfähig zu bleiben (Rüegg-Stürm 2002). Wesentliche
Bestandteile
einer
Unternehmenskultur
sind
gemeinsame
Normen,
Sprachregelungen oder Denkmuster. Auch wenn meistens von „der
Unternehmenskultur“ eines Unternehmens gesprochen wird, so muss bei genauerer
Betrachtung eigentlich von vielen lokalen Ausprägungen ausgegangen werden,
welche sich innerhalb von Abteilungen oder entlang von Prozessen manifestieren.
Im Folgenden wird dennoch von einer geschlossenen Innovationskultur als
gemeinsamer Grundhaltung einer Firma in Bezug auf Erneuerung, Kreativität,
Innovation und den dahinter liegenden Prozessen ausgegangen.
Erfolgreiche Kundenintegration, im Sinne eines nachhaltigen Prozesses, verlangt als
Grundlage zunächst eine positiv ausgeprägte, auf Öffnung ausgerichtete
Innovationskultur. Diese zeichnet sich sowohl durch einen offenen Umgang mit
Neuem als auch durch eine hohe Bereitschaft zur aktiven Verbesserung bestehender
Produkte und Prozesse aus. Darüber hinaus muss eine tief gehende Offenheit
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
175
gegenüber Ideen von aussen gegeben sein. Nur wenn es Bestandteil der
Unternehmenskultur geworden ist, die hohen Potenziale externer Ideen zu erkennen
und aktiv zu suchen, kann man von einer offenen Innovationskultur sprechen.
Um diese offene Innovationskultur zu erreichen, muss zunächst eine
Vorbildwirkung des Managements gegeben sein. Diese basiert einerseits auf der
Vorgabe passender Rahmenbedingungen und andererseits auf persönlicher
Vorbildfunktion. Das obere Management muss also aktiv bei der Gestaltung der
Kultur mitwirken und eine Beispielfunktion einnehmen. Ein wesentlicher Aspekt
der aktiven Gestaltung einer offenen Innovationskultur ist dabei die schriftliche
Verankerung des offenen Innovationsgedankens. Dies bedeutet, dass auf normativer
Ebene eine Unternehmensvision bzw. Firmenmission entwickelt werden muss,
welche eine Offenheit gegenüber Anregungen und Ideen von aussen etabliert. In
weiterer Folge können auch ganze Funktionsbereiche oder Abteilungen umbenannt
werden, um das Umdenken in Sachen Innovationsprozess innerhalb und ausserhalb
des Unternehmens zu kommunizieren. Ein Beispiel für die konsequente Umsetzung
dieses Gedankens ist Procter & Gamble. Dort erfolgte eine Umbenennung der
Forschungs- und Entwicklungsabteilung (Research & Development oder R&D) auf
Connect & Development oder C&D (Sakkab 2002). Ein derartiges, von oberster
Stelle angestossenes Zeichen, stellt eine gute Grundlage für entsprechende Aktionen
auf strategischer und operativer Ebene dar.
Auch Ansprachen, Vorträge und persönliche Gespräche bieten zahlreiche
Gelegenheiten, die Bedeutung des offenen Innovationsprozesses herauszustreichen
und erfolgreiche Beispiele zu verbreiten. Ohne eine aktive Gestaltung der
normativen Instrumente und ein Vorleben des offenen Innovationsgedankens durch
das obere Management kann sich die für eine erfolgreiche Kundenintegration
notwendige Firmenkultur nicht dauerhaft entwickeln.
Eine weiteres wichtiges Handlungsfeld ist die Bekämpfung des Not-Invented-HereSyndroms (NIH)32, im Sinne einer grundsätzlichen Ablehnung von aussen
kommender neuer Ideen. Dazu ist das bewusste Erkennen der Notwendigkeit einer
Öffnung der Schlüssel zum Erfolg. Gerade in F&E-Abteilungen ist das NIHSyndrom traditionellerweise stark ausgeprägt, da dort hoch spezialisierte Fachleute,
oft mit wenig direktem Kontakt nach aussen, für die Generierung von Innovationen
verantwortlich sind. Es bedarf grosser Anstrengungen, die notwendige offene
Kultur zu etablieren. Grundsätzlich ist die geistige und physische Mobilität der
Mitarbeiter zu fördern. Dies kann einerseits durch Weiterbildungsveranstaltungen
32
Vgl. dazu Katz und Allen (1982).
176
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
und interne Schulungen und andererseits durch Jobrotationsmodelle erzielt werden.
Entscheidend dabei ist eine höhere Exponierung der Ingenieure gegenüber den
Kunden, was beispielsweise im Rahmen einer zeitlich beschränkten Aufgabe im
Verkauf zu realisieren ist. Durch diese persönlichen Erfahrungen mit den Ansichten
und Ideen der Kunden gelingt es, vorhandene Vorurteile und Ängste abzubauen und
eine offenere Geisteshaltung zu erzielen. Eine Stufe darüber ist die Etablierung
eines Innovationsprozesses angesiedelt, bei dem die Vertreter des herstellenden
Unternehmens schon ab der Frühphase regelmässigen Kontakt zu Kunden,
Zulieferern und Forschungseinrichtungen pflegen. Jeder Mitarbeiter verfügt darüber
hinaus über ein Netzwerk von persönlichen Kontakten, welche jenseits von
Unternehmens- oder Firmengrenzen betrieben werden. Diese informellen
Netzwerke jedes Einzelnen sind potenzielle Innovationsquellen. Entscheidend ist es
somit, den Mitarbeitern – vor allem in der F&E-Abteilung – zu kommunizieren,
dass diese informellen individuellen Netzwerke genutzt werden sollen.
Partnerschaften, in Form von Integrationsprozessen mit Externen, können in der
Frühphase des Innovationsprozesses nur dann gestaltet und gelenkt werden, wenn
sie von den entsprechenden Mitarbeitern auch akzeptiert werden. Das Bewusstsein,
dass von einem unternehmensexternen Partner Wertvolles gelernt werden kann,
muss gezielt vom Management bei allen Mitarbeitern gefördert werden. Der
Schlüssel zur Öffnung des Innovationsprozesses liegt darin, eine derartige „Outsidein-Kultur“ zu etablieren.
These 2: Die kulturelle Ebene des für erfolgreiche frühe Kundenintegration
notwendigen
unternehmerischen
Rahmens
bildet
eine
offene
Innovationskultur des Herstellers, erreicht durch eine Vorbildwirkung des
Managements und eine aktive Bekämpfung des Not-Invented-HereSyndroms.
Struktur
Eingebettet in das kulturelle Umfeld und basierend auf einer übergeordneten
Innovationsstrategie stellt die Struktur ein weiteres zentrales Ordnungselement dar.
Aufbauend auf einer offenen Innovationskultur gilt es daher, eine organisatorische
Verankerung der Kundenintegration zu etablieren und damit den Prozess der
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
177
Kundenintegration auch strukturell zu verankern. Eine eindeutige Regelung der mit
der Integration verbundenen Aufgaben, der Verantwortlichkeiten und der
Ressourcenzuteilung
ist
Voraussetzung
für
einen
erfolgreichen
Kundenintegrationsprozess.
Um die Koordination der verschiedenen Partnerschaftsprojekte sicherzustellen,
müssen dafür organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. Grundsätzlich
gilt, dass die Flexibilität von Kooperationsprojekten nicht durch zu viel
Formalismus und Bürokratie verloren gehen darf. Mit zunehmender Grösse einer
Firma ist aber ein gewisses Mass an Zentralisierung der Kooperationskompetenz
notwendig, um die Koordination und Priorisierung der Projekte sicherzustellen.
Auch das deutsche Chemieunternehmen BASF hat die Wichtigkeit der
Öffnung nach aussen erkannt und betreibt innerhalb der Abteilung für
Forschungsplanung und Hochschulbeziehungen das Management der mehr
als 800 externen Partnerschaften. Ziel ist es, gute Ideen zu identifizieren und
zu evaluieren. Dabei werden Partner wie Universitäten und Start-ups, aber
auch potenzielle Kunden aktiv eingebunden, um die jeweiligen Stärken zu
kombinieren.
In speziellen Fällen kann es auch zu einer Ausrichtung der relevanten Einheiten des
Herstellers an der Organisationsstruktur des Kunden kommen. So wird
beispielsweise in grossen Kooperationsprojekten der Triebwerkindustrie auf eine
solche Organisationssymmetrie geachtet: MTU Aero Engines und Pratt & Whitney
organisieren sich spiegelbildlich, um auf jeder Ebene ein direkte, horizontale
Kommunikation
zu
fördern.
Eine
eigene
Organisationseinheit
zur
Kundenintegration innerhalb der F&E zeigt die Bedeutung, welche die Öffnung des
Innovationsprozesses für manche Vorreiterfirmen innehat. Beispielsweise hat Bayer
MaterialScience mit dem Creative Center eine organisatorische Einheit gegründet,
welche die marktseitige Verantwortung für die Frühphase des Innovationsprozesses
übernimmt sowie die frühe Kundenintegration strukturiert und umsetzt. Mit fixer
personeller und finanzieller Ressourcenausstattung verkörpert das Creative Center
die Institutionalisierung des offenen Innovationsprozesses (vgl. Abschnitt 3.2).
Doch auch mit weniger Aufwand sind, wie das folgende Beispiel zeigt, erfolgreiche
Lösungen einer strukturellen Verankerung möglich.
Um die Öffnung des seit kurzer Zeit institutionalisierten
Innovationsprozesses sicherzustellen, ist bei der Endress & Hauser Flowtec
AG ein im Marketing angesiedelter Mitarbeiter damit beauftragt, Studien,
Recherchen und Szenarien bezüglich relevanter Entwicklungen im Markt
durchzuführen. Dies geschieht einerseits durch einen engen Kontakt mit den
178
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Kunden und andererseits im Rahmen einer Technologiefrühaufklärung.
Dabei wird mit F&E-Partnern eine Übersicht aller relevanten Projekte
erstellt, welche sich bei Forschungsinstitutionen, Universitäten und
Wettbewerbern mit relevanten Technologien beschäftigen. Wichtig bei dieser
routinemässigen Erfassung interner sowie externer Quellen ist die
Systematik der Abfrage, durch welche die Aussagekraft der Ermittlungen
sichergestellt wird. Dieser ausgewählte Mitarbeiter, welcher die
Verankerung der Kundenintegration als Teil seiner Jobdescription hat,
fördert die Öffnung des Innovationsprozesses mit einfachen Mitteln.
Diese Beispiele zeigen, wie der Verantwortlichkeit und Kompetenz für frühe
Kundenintegration eine organisatorische Struktur gegeben werden kann. Auf der
übergeordneten Ebene des unternehmerischen Rahmens bedeutet dies eine
grundsätzliche strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration. Struktur
dient als Basis, welche vor der Ausgestaltung und dem Durchlauf des eigentlichen
Integrationsprozesses geregelt werden muss. In der Realisierungsphase des
Prozesses wird dann die operative strukturelle Gestaltung der Integration näher
beleuchtet.
These 3: Eine prinzipielle strukturelle Verankerung der frühen
Kundenintegration in der Organisation des Herstellers, von der Zuordnung
eindeutiger Aufgaben und Verantwortlichkeiten bis hin zu speziellen
Organisationseinheiten, stellt als strukturelle Ebene des unternehmerischen
Rahmens eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung
der frühen Kundenintegration dar.
Die frühe Innovationsphase ist von Unsicherheit und schwer planbaren
Lernprozessen geprägt. Es bedarf daher neben den dargestellten
Rahmenbedingungen für eine frühe Kundenintegration eines (zumindest in den
Grundrissen) standardisierten Vorgehens zur Abwicklung des eigentlichen
Integrationsprozesses. Dieser Prozessansatz, elementarer Bestandteil des
konzeptionellen Managementmodells, erhöht die Chance auf eine erfolgreiche frühe
Kundenintegration, indem er den Rahmen für ein umfassendes Management der
Integration bildet und die Entwicklung derselben nicht dem Zufall überlässt. Im
Folgenden werden daher, für die grundlegenden Schritte (1) Initiierung, (2)
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
179
Vorbereitung und (3) Realisierung der Partnerschaft, relevante Implikationen für
das Management beschrieben.
6.3.2
Prozessschritte
Notwendige Voraussetzung des effektiven und effizienten Prozessmanagements ist
ein fundiertes Verständnis des betrachteten Prozesses. Das in Abschnitt 6.2
entwickelte Modell dient in diesem Sinne dem besseren Verständnis des
Kundenintegrationsprozesses und kann nun als Grundlage zur Entwicklung
fundierter Gestaltungsempfehlungen herangezogen werden. Diese orientieren sich
an den im Managementmodell enthaltenen Phasen des Integrationsprozesses sowie
den jeweils damit verbundenen Determinanten und Gestaltungsfeldern.
Der
Kundenintegrationsprozess
wird
für
die
Entwicklung
der
Gestaltungsempfehlungen zunächst in seine Segmente unterteilt. Für jeden
Teilschritt werden dann diejenigen Handlungsschwerpunkte aufgezeigt, welche sich
im Verlauf der Arbeit als wesentlich für den Erfolg der Kundenintegration
herausgestellt haben. Jedem Handlungsschwerpunkt werden dabei Hauptkriterien
sowie Handlungsfelder zur Optimierung dieser Kriterien zugeordnet.
Die notwendigen Aktionen in diesen Handlungsfeldern werden schliesslich zu
konkreten Thesen verdichtet. Ein spezieller Fokus wird auf die Realisierungsphase
mit den beiden Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess
gelegt.
Initiierungsphase
Die erste Phase des Kundenintegrationsprozesses setzt sich aus der Willensbildung
zur Integration des Kunden, der Auswahl der passenden Integrationsstrategie sowie
einer Klärung der aus Herstellersicht mit der Kooperation verbundenen Ziele – und
damit des erwarteten Ergebnisses – zusammen. Sie deckt damit die Fragen nach
dem „Warum“ und „Wann“ der frühen Kundenintegration ab.
Entscheidung zur Kundenintegration
Aus diesen Überlegungen heraus folgt das erste Hauptkriterium des
Integrationsprozesses, nämlich die Entscheidung zur Kundenintegration. Der erste
zentrale Bestandteil der Initiierungsphase ist daher ein funktionierender und
etablierter Prozess zur Erzielung der grundsätzlichen Integrationsentscheidung. Erst
wenn die Entscheidung gefallen ist, dass ein Kunde in den frühen
180
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Innovationsprozess
integriert
Integrationsprozess zu laufen.
werden
soll,
beginnt
Der Anstoss zur Kundenintegration
Grundkonstellationen heraus erfolgen:
kann
dabei
der
aus
eigentliche
verschiedenen
¾ aus einem Projekt zur Entwicklung einer Innovation
¾ aus der Behandlung eines Problems (mit einem bestehenden Produkt)
¾ aus einer Ausschreibung oder Spezifikation durch den Kunden
¾ vorausschauend im Sinne eines proaktiven Technologiemanagements
All diesen Konstellationen ist das Erkennen eines Problems, im Sinne eines
Unterschieds zwischen den sich abzeichnenden Anforderungen und den
vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen, gemeinsam. Dies gilt auch, wenn der
Fokus nicht auf der Integration des Technologie- sondern des Marktwissens des
Kunden liegt. Die Kenntnisse eines fortschrittlichen, innovativen Kunden
betreffend der Anwendung oder Applikation des Produktes stellen aus Sicht des
Herstellers eine komplementäre Kompetenz dar (vgl. Abschnitt 5.2).
Das erste Handlungsfeld dieses Hauptkriteriums ist die Ermittlung der eigenen
Fähigkeiten und Kompetenzlücken. Dieser Schritt ist ähnlich wie die grundsätzliche
strategische Ausrichtung zur Öffnung des Innovationsprozesses im Rahmen des
gesamten Unternehmens, aber auf einem konkreteren Niveau. Eingebettet in die
grundsätzliche Innovationsstrategie bedarf es nun eines Prozesses, welcher – auf
dem Niveau der einzelnen Geschäftseinheit oder Abteilung – die eigenen
Kernkompetenzen sowie Felder zur Zusammenarbeit mit Externen festlegt. Diese
grundsätzliche Orientierung muss fortlaufend durchgeführt und innerhalb der Firma
kommuniziert werden und bildet damit die Basis zur strategischen Entscheidung,
einen Kunden zu integrieren.
Ein zielführendes Instrument dafür ist die Aufstellung eines Technologieportfolios
mit dessen Hilfe strategische Schwerpunkte bezüglich relevanter Technologiefelder
des eigenen Unternehmens dargestellt werden. So können beispielsweise Firmen,
bei denen eine Portfolioanalyse ergibt, dass der Grossteil der Produkte auf reifen
Technologien basiert, gezielt externe Kompetenzen zur Entwicklung
technologischer Innovationen in ihre Innovationsprozesse integrieren.
Der Hersteller wählt dabei eine von zwei möglichen spezifischen
Integrationsstrategien aus. Entweder er möchte sein Effektivität erhöhen, indem er
Kunden zur Unterstützung bei wichtigen grundsätzlichen Entscheidungen integriert
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
181
(„effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie“) oder er nutzt gezielt die Kompetenz
und Ressource der Kunden und erhöht dadurch seine Effizienz
(„effizienzfokussierte
Integrationsstrategie“).
In
den
einzelnen
Organisationseinheiten kann diese operative Integrationsstrategie darin resultieren,
dass die Integration der Kunden in die Ziele der verantwortlichen Manager
einfliesst.
These 4: Im Rahmen einer Integrationsstrategie des Herstellers bezüglich
früher Kundenintegration müssen die spezifischen Ziele des Herstellers und
damit die Rolle des Kunden für die Integration festgelegt werden.
Ergänzend zur Ermittlung der eigenen Fähigkeiten gilt es im zweiten
Handlungsfeld, die Chancen und Anforderungen von aussen zu erkennen. Diese
können einerseits durch allgemeine Entwicklungen bzw. Trends des Marktes und
andererseits durch konkrete Anforderungen der Kunden entstehen. Instrumente der
Technologiefrühaufklärung sowie solche zur Ermittlung von Kundenbedürfnissen
dienen zur Sammlung relevanter Informationen.
Mit institutionalisierter Technologiefrühaufklärung, beispielsweise durch ein Netz
von Horchposten, werden heute von vielen Firmen aktiv Bestrebungen
unternommen, aktuelle Trends und Technologien zu identifizieren. Dies stellt den
ersten Schritt einer Öffnung nach aussen dar. Aufgrund der Einschätzung
verschiedener Anspruchsgruppen im Markt können, für die strategische
Stossrichtung, Suchfelder für technologische Entwicklungen in aktuellen, neuen
sowie auch branchenfremden Märkten erstellt werden. Durch die Interaktion mit der
Umwelt der Firma werden so Chancen, Potenziale und Gefahren identifiziert,
welche aktuelle und zukünftige Märkte bergen.
Ein Beispiel für den erfolgreichen Transfer einer neuen Technologie in ein
bestehendes Serienprodukt stellt das revolutionäre, wie umstrittene,
Fahrzeugbedienungskonzept iDrive der BMW AG dar. Über einen
Horchposten im Silicon Valley gelangte die Kerntechnologie aus der HighTech-Medizinindustrie zur F&E-Zentrale nach München, wurde schliesslich
zur Serienreife weiterentwickelt und im Jahre 2002 in der 7er-Modellreihe
der Öffentlichkeit vorgestellt.
182
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Das dritte Handlungsfeld beinhaltet schliesslich den Abgleich der eigenen
Fähigkeiten und Ressourcen mit den eigenen Zielen sowie den externen
Notwendigkeiten und Anforderungen. Aus einem Beurteilungsprozess heraus fällt
die Entscheidung, welche Innovationsprozesse mit oder ohne externe Beteiligung
angestossen werden. Dabei handelt es sich – dem Charakter der Frühphase
entsprechend – um Projekte, mit hoher Unsicherheit und mittel- bis langfristigen
Rentabilitätsfristen.
Das Erkennen der Notwendigkeit der Kundenintegration beruht also, als Ergebnis
einer Gegenüberstellung der eigenen Fähigkeiten mit den sich bietenden Chancen,
auf der rechtzeitigen und zielgerichteten Identifizierung eines Bedarfs.
These 4a: Je sorgfältiger die Entscheidung zur Kundenintegration auf einer
Integrationsstrategie, resultierend aus einer detaillierten Analyse der eigenen
Kompetenzen sowie einer Identifikation möglicher Kooperationsfelder,
basiert, desto besser sind die Erfolgsaussichten des darauf aufbauenden
Kundenintegrationsprozesses.
Klare Ergebnisfestlegung
Nach der grundsätzlichen Entscheidung für die Kundenintegration folgt als zweites
Hauptkriterium der ersten Phase die Klärung der Integrationsziele. Die durch die
Integration verfolgten Ziele stellen einen wesentlichen Parameter für das
Management des Kundenintegrationsprozesses dar. Kundenauswahl, Zeitpunkt der
Einbindung sowie operative Zusammenarbeit werden entscheidend vom erwarteten
Ergebnis beeinflusst.
Aus den übergeordneten Strategien heraus entstehen zunächst spezifische
Integrationsstrategien und schliesslich konkrete Ziele, welche der Hersteller mit der
frühen Kundenintegration verfolgt. Dabei lassen sich vier wesentliche Ziele
unterscheiden – die Trendidentifikation, die Innovationsverstärkung, die
Spezifikationsausarbeitung und die Konzeptverfeinerung.
Die Sammlung aller relevanten firmeninternen Daten und darauf aufbauend eine
detaillierte Problembeschreibung bilden dabei das erste Handlungsfeld. Neben der
Aufarbeitung der im Rahmen des Entscheidungsprozesses gesammelten Daten
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
183
innerhalb der direkt mit der Kundenintegration betreuten Organisationseinheit,
werden zu diesem Zeitpunkt auch die anderen von der Integration betroffenen
Abteilungen eingebunden. Diese firmeninterne Zusammenarbeit (aufseiten des
Herstellers) läuft von einer Vorankündigung des geplanten Projektes, über eine
Abstimmung der Ziele und Suchstrategien, hin zur Abklärung des bereits
vorhandenen Wissens über potenzielle Integrationspartner. Darüber hinaus können
bereits erste Gespräche zur Klärung von Teilnehmern anderer Abteilungen im
geplanten Integrationsprojekt stattfinden. Diese firmeninterne Datensammlung
erfüllt auch die wesentliche Funktion der frühzeitigen Information der in den
weiteren Schritten direkt betroffenen Abteilungen (z. B. des Key Account
Managements).
Das zweite Handlungsfeld wird durch die konkrete Erarbeitung der
Integrationsziele gebildet. Nach der grundsätzlichen Festlegung auf einen
Integrationstyp erfolgt basierend auf einer genauen Beschreibung des Problems,
welches mithilfe der Kundenintegration gelöst werden soll, eine detaillierte
Ausarbeitung der Integrationsziele. Basierend auf der im Entscheidungsprozess
gefundenen Lücke erfolgt eine Konkretisierung des durch die Integration des
Kunden erwarteten Beitrages.
Schliesslich gilt es im letzten Handlungsfeld, die Integration der wichtigsten
Stakeholder und die weiteren Prozessschritte vorzubereiten. Dazu gehört innerhalb
des Unternehmens die Entwicklung eines Konzeptes für das weitere Vorgehen. Die
Regelung der abteilungs- und firmeninternen Verantwortlichkeiten bildet dabei den
Schwerpunkt. Als Vorbereitung auf die eigentliche Kundensuche kann ausserdem
bereits eine erste Kontaktaufnahme mit potenziellen Partnern im Sinne erster
unverbindlicher Vorgespräche stattfinden. Auch eine Analyse der Vorgeschichte
potenziell zu integrierender Kunden sowie erste „Marketingaktivitäten“, um den
Markt auf die bevorstehende frühe Kundenintegration vorzubereiten, können bereits
durchgeführt werden.
These 4b: Je genauer bei der Ergebnisfestlegung das spezifische Ziel des
Herstellers berücksichtigt wird, desto grösser sind die Chancen einer
erfolgreichen Zielerreichung im folgenden Kundenintegrationsprozess.
184
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Abbildung 36 fasst die Hauptkriterien und Handlungsfelder der Initiierungsphase
zusammen.
Schritt
Hauptkriterien
Handlungsfelder
Initiierungsphase
¾ Strategische Analyse der eigenen
Kompetenzen und Technologien
Entscheidung zur
Kundenintegration
¾ Erkennen von Chancen und Anforderungen
¾ Abgleich der Fähigkeiten und Anforderungen
¾ Detaillierte Problembeschreibung
Ergebnisfestlegung
¾ Erarbeitung der Integrationsziele
¾ Integration der wichtigsten Stakeholder
Abbildung 36: Handlungsfelder der Initiierungsphase
Vorbereitungsphase
Basierend auf den Kenntnissen der eigenen Stärken und Schwächen sowie Chancen
und Risiken können potenzielle Innovationspartner identifiziert werden, welche
helfen, die strategischen Zielsetzungen zu verfolgen. Potenzielle Innovationspartner
umfassen neben Kunden und Lieferanten auch komplementäre Partner und
Wettbewerber (Stichwort Coopetition). Die wesentlichen Schritte dieser Phase sind
Suche, Auswahl, Verhandlungen und Vertragsabschluss. Es wird also primär die
Frage beantwortet, wer integriert werden soll.
Hauptkriterium Kundenauswahl
Das Ziel der Integration und damit der Zeitpunkt der Integration und die Rolle des
Kunden stehen zu diesem Zeitpunkt des Kundenintegrationsprozesses bereits fest.
Es gilt daher jetzt, geeignete Mechanismen zur konkreten Suche potenziell
geeigneter Kunden festzulegen. Neben den rollenspezifischen Selektionskriterien,
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
185
welche engen Bezug auf die jeweiligen Rollencharakteristika nehmen müssen,
spielt auch die grundsätzliche Übereinstimmung auf strategischer und kultureller
Ebene eine wesentliche Rolle.
These 5: Die Rolle des Kunden hat entscheidenden Einfluss auf die
Kundenauswahl
sowie
die
operative
Gestaltung
der
frühen
Kundenintegration.
Erstes Handlungsfeld dieser Phase ist die Entwicklung einer Suchstrategie und
geeigneter Selektionskriterien zum Auffinden potenzieller Kunden. Dabei ist
zunächst die grundlegende Frage zu klären, welche Kunden für die Integration in
die Innovationsfrühphase prinzipiell infrage kommen. Zunächst muss der Kunde ein
der ihm zugedachten Rolle entsprechendes Kompetenzprofil aufweisen. Das
bedeutet beispielsweise, dass ein Selektor in der Lage sein muss, Aussagen über
zukünftige Entwicklungen in relevanten Märkten zu machen. Er muss also über
eine gewisse „Szenarienkompetenz“ verfügen, eine Eigenschaft, welche von der
Grösse und der Branche abhängt und nicht immer gleich stark ausgeprägt sein wird.
Generell manifestiert sich der Einfluss des Kunden bezüglich der Wirksamkeit der
von ihm bekleideten Rollen im Rahmen einer Integration durch den Hersteller in
seiner Innovationsbereitschaft, finanziellen Potenz sowie seiner Prognosefähigkeit
für segmentspezifische zukünftige Bedürfnisse (Brockhoff 2002).
Neben der Suchstrategie und dem Kompetenzprofil des Kunden gilt es auch,
Aspekte des Umfelds zu berücksichtigen. So spielt die Marktsituation, in welcher
die Integration stattfindet eine Rolle. Die SIG Combibloc z. B hat durch die grosse
Konzentration bei Grossserien-Fruchtsaftabfüllern nur wenige Kunden zur
Verfügung, welche überhaupt für eine Integration infrage kommen. Eine Rolle
spielen auch eventuelle Konkurrenzsituationen unter den Kunden, vor allem, wenn
diese durch das Produkt des Herstellers beeinflusst werden. Im Falle von Hilti treten
derartige Bedenken nicht auf, da die Produkte prinzipiell nicht mit Exklusivrechten
vertrieben werden und daher keine Baufirma sich durch eine neue Hilti-Maschine
einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung sichern kann.
Zumtobel Staff gibt sich selbst strategische Zielgrössen vor, welche
„Stararchitekten“ in welcher Region wie stark integriert sein sollen. Hinter diesen
186
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Vorgaben stehen konkret festgelegte Kriterien, anhand derer potenzielle
Integrationspartnern ausgewählt werden. Oft spielen persönliche Bekanntschaften
und Mundpropaganda eine wesentliche Rolle. Auch die vergangenen Erfahrungen,
welche man mit einem Kunden gesammelt hat, fliessen in die Auswahlkriterien mit
ein.
Dabei gilt es zur Sammlung des innerhalb der Firma vorhandenen, relevanten
Wissens über die jeweilige Kundenzielgruppe mit den anderen betroffenen
Abteilungen zusammenzuarbeiten (Wer kennt die Kunden und kann Aussagen über
ihre Eignung zur Integration Auskunft geben?). Der Erstkontakt mit potenziellen
Partnern kann über klassische Kanäle des Kundenkontaktes (z. B. Marketing,
Verkauf, Key Account Management) erfolgen bzw. müssen diese Abteilungen
immer über jeden direkten Kontakt zwischen F&E- bzw. Spezialabteilungen und
den Kunden informiert und in etwaige Entscheidungen eingebunden werden. Die
Partnerselektion kann aufgrund eines ausgearbeiteten Kriterienkataloges erfolgen,
wobei persönliche Kontakte oftmals die ausschlaggebenden Faktoren für die Wahl
eines geeigneten Partners darstellen.
Zweites Handlungsfeld ist der eigentliche Kundensuchprozess. Die Durchführung
einer systematischen Suche unter Einbeziehung verschiedener Kanäle und
Abteilungen beinhaltet die Feststellung der Fähigkeiten der infrage kommenden
Kunden sowie eine erste Vorauswahl anhand der erarbeiteten Selektionskriterien. In
vielen Fällen ist dies kein isolierter, einmaliger Prozess, sondern das Umfeld wird
im Rahmen der täglichen Aktivitäten praktisch permanent nach potenziellen
Partnern abgesucht.
Es ist vorteilhaft, ein Portfolio von möglichen Kooperationspartnern zu pflegen, da
die Einbindung verschiedener Partner in verschiedenen Rollen zu den grössten
Hebeleffekten zur Steigerung der Innovationskraft führt. Eine durch einen
systematischen Prozess aufgebaute Partnerschaftskompetenz ermöglicht es, bei
Bedarf spontan auf einen Partner zurückzugreifen, ohne zuerst den Partner
selektieren und die Partnerschaft aufbauen zu müssen.
Das dritte Handlungsfeld bildet schliesslich die Selektion potenzieller
Integrationspartner. Dabei passiert, nach einer Abklärung des prinzipiellen
Interesses vonseiten der Kunden, die eigentliche Auswahl der potenziellen
Integrationspartner in bilateralen Gesprächen.
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
187
These 5a: Je mehr die Rolle des Kunden bei der Kundenauswahl, in Form
von entsprechenden Suchstrategien und Selektionskriterien, berücksichtigt
wird, desto zielgerichteter kann diese erfolgen und desto grösser ist die
Chance geeignete Kunden zu finden.
Hauptkriterium Vertragsabschluss
Im nächsten Schritt kommt es zur Verhandlung mit den selektierten Kunden. In
dieser Verhandlungsphase erfolgt die endgültige Auswahl aus einer kleinen Gruppe
von möglichen Integrationspartnern. Dabei spielen neben den Fähigkeiten der
Kunden und ihrer zeitlichen und räumlichen Verfügbarkeit auch ihre Erwartungen
sowohl hinsichtlich der Innovationsziele als auch in Bezug auf eine eventuelle
Vergütung eine Rolle. Der Aufbau der Partnerschaft beinhaltet in erster Linie
vertragliche Abstimmungen bezüglich der gemeinsamen Zielsetzung und
Rahmenbedingungen der Integration.
Die Festlegung der gemeinsamen Integrationsziele bildet das zweite wichtige
Handlungsfeld. Fällt der Entschluss, die eigenen Kompetenzen mit dem selektierten
Kunden zu stärken oder zu ergänzen, muss die rechtliche Ausgestaltung der
Integration geregelt werden. Ein wesentliches Gestaltungsthema ist dabei die
Klärung der Rechte am geistigen Eigentum (Intellectual Property IP). Unter den
Begriff des geistigen Eigentums ist in diesem Zusammenhang der gemeinsame
Wissensausstoss der frühen Kundenintegration zu verstehen. Die grosse
Herausforderung bei gemeinsamen Innovationsvorhaben besteht diesbezüglich
darin, dass die Aufteilung von Ertrag und Nutzen aus der Kooperation festgelegt
werden muss, bevor deren eigentliche Grösse bekannt ist. Solche Regelungen
beinhalten vor allem Fragestellungen, welche in den Bereich des Intellectual
Property Managements fallen. Nicht immer wird man im Fall der frühen
Kundenintegration mit den herkömmlichen Ansätzen zur Intellectual Property
Regelung das Auslangen finden, da es sich dabei im Gegensatz zu einer klassischen
F&E-Kooperation um die neue Form eines offenen Innovationsprozesses handelt.
Manche Autoren sehen daher die Notwendigkeit, neue Mechanismen zu entwickeln,
um in solchen gemeinsamen Innovationsvorhaben die ökonomische Renten mit den
Kunden zu teilen (z. B. Nambisan 2002).
188
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Neben der klaren Regelung des geistigen Eigentums ist aber auch die gemeinsame
Definition von Exit-Strategien von zentraler Bedeutung. Diese sollten von den
Innovationspartnern nicht als Ausdruck von Misstrauen, sondern im Gegenteil als
vertrauensbildende Massnahme verstanden werden. Nur auf der Grundlage klarer
Positionen und geringer Unsicherheit kann das für eine erfolgreiche Integration
notwendige Vertrauen aufgebaut werden.
Der Hersteller muss am Ende der Verhandlungen einen Abgleich seiner in der
Initiierungsphase aufgestellten Ziele mit den Verhandlungsergebnissen, d. h. den
gemeinsamen Zielen durchführen. Danach erfolgt der Abschluss des Vertrages bzw.
der Vereinbarung. In vielen Fällen kommt es gar nicht zu einem schriftlichen
Vertrag mit detaillierter Ausarbeitung der wesentlichen Punkte der Integration
sowie der Verwertung der Ergebnisse. Es genügt oft eine kurze einseitige
Vereinbarung über Stillschweigen betreffend der Ergebnisse der im Rahmen der
Integration durchgeführten Treffen. In vielen Fällen liegt auch schon eine
persönliche Bekanntschaft und damit ein Vertrauensverhältnis vor, welches den
Abschluss von umfangreichen schriftlichen Vereinbarungen unnötig macht. In
manchen Märkten bzw. Branchen, beispielsweise der Raumfahrtindustrie, sind
allerdings ausführliche Vertragswerke, oft im Zuge von Ausschreibungen
öffentlicher Institutionen, vorgeschrieben und unerlässlich.
These 5b: Je sorgfältiger beim Vertragsabschluss die gemeinsame
Zielfindung durchgeführt sowie die Fragen des geistigen Eigentums geklärt
werden, desto geringer ist das Konfliktpotenzial und desto höher die
Erfolgswahrscheinlichkeit der interaktiven Zusammenarbeit.
Die wesentlichen Kernpunkte der Vorbereitungsphase fasst Abbildung 37
zusammen.
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
Schritt
Hauptkriterien
189
Handlungsfelder
Vorbereitungsphase
¾ Entwicklung Suchstrategie und
Selektionskriterien
Kundenauswahl
¾ Kundensuchprozess
¾ Selektion potenzieller Integrationspartner
¾ Verhandlung mit selektierten Kunden
Vertragsabschluss
¾ Festlegung der gemeinsamen Integrationsziele
¾ Klärung der Rechte am geistigen Eigentum
Abbildung 37: Handlungsfelder der Vorbereitungsphase
Realisierungsphase
Im dritten Schritt wird die Partnerschaft schliesslich umgesetzt. In den beiden als
relevant identifizierten Gestaltungsfeldern werden anhand der jeweiligen
Gestaltungsfaktoren die Organisation und der Ablauf festgelegt. Damit werden die
Ergebnisse erzielt und integriert. Durch das Finden der passenden Form der
Zusammenarbeit sowie das Aufsetzen und Führen des eigentlichen
Integrationsprozesses wird die Frage nach dem „Wie“ der frühen Kundenintegration
beantwortet.
These 6: Die für den Erfolg notwendige rollenspezifische Organisation der
frühen Kundenintegration wird auf der operativen Ebene durch die
Ausprägung der Gestaltungsfaktoren in den beiden Gestaltungsfeldern
Integrationsstruktur und Interaktionsprozess bestimmt.
190
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Operative Gestaltung und Durchführung
Gestaltungsfeld Integrationsstruktur
Das Konstrukt der Integrationsstruktur steht für die strukturellen Aspekte der frühen
Kundenintegration. Im Mittelpunkt steht hier die eigentliche operative Organisation
(Wie organisiert?), während es beim Interaktionsprozess der Ablauf und soziale
Aspekte sind. Es wird die Einbindung der ausgewählten Kunden in die internen
Abläufe des Herstellers behandelt. Dabei verlangen verschiedene Kundenrollen
unterschiedliche Anbindungsarten und damit unterschiedliche Integrations- und
Koordinationsmechanismen.
Im
Folgenden
werden
für
die
identifizierten
Gestaltungsfaktoren
Verbindungsstärke, zeitliche Struktur, Ort der Interaktion und der Zahl der Kunden
jeweils allgemeine sowie rollenspezifische Gestaltungsempfehlungen entwickelt.
Verbindungsstärke
Zur Erzielung einer situativ passenden Integrationsstruktur muss die
Verbindungsstärke, oder auch Intensität der Kundenintegration, an die jeweilige
Situation sowie den erwarteten Kundenbeitrag und damit die spezifische
Kundenrolle angepasst sein. Je passender die Integrationsstruktur der frühen
Kundenintegration ausgeführt ist und je flexibler sie an neue Situationen angepasst
werden kann, desto erfolgreicher kann die Integration ablaufen. Ziel ist daher, keine
möglichst hohe, sondern eine der jeweiligen Situation adäquate Verbindungsstärke.
Gruner (1997) hat darauf hingewiesen, dass aufgrund der Form der
Kundenintegration nicht notwendigerweise eine Assoziation mit der Intensität der
Zusammenarbeit gegeben sein muss. So sind zwar bei Betrachtung der
Integrationsform Tendenzaussagen zur Einbindungsintensität möglich, gleichzeitig
sind aber sehr wohl innerhalb einer Form deutlich unterschiedliche Intensitäten
denkbar. Im Folgenden wird daher gezeigt, womit die Verbindungsstärke generell
beeinflusst werden kann. Die danach angeführten rollenspezifischen Unterschiede
sollen als prototypische Richtlinien gelten, wobei es in der Praxis situativ zu
anderen Grössenverhältnissen kommen kann.
Wie in Abschnitt 4.2.1 gezeigt worden ist, liegen die Mittel zur Erzielung einer
grösseren Verbindungsstärke in der Erhöhung der Häufigkeit der Kontakte, einer
zeitlich andauernden räumlichen Integration des Kunden oder in der Schaffung
spezieller Rollen bzw. Organisationseinheiten beim Hersteller. Die notwendige
Stärke der Verbindung zwischen Hersteller und integriertem Kunden hängt von der
Komplexität der Aufgabe des Kunden und von der zeitlichen Dringlichkeit ab. Je
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
191
zeitkritischer eine Aufgabe ist, desto stärker muss die Anbindung des Kunden
ausfallen. Auch eine höhere Komplexität oder Spezifität der Aufgabe verlangt nach
einem höheren Grad an Ankopplung.
Dies bedeutet, dass die Rollen des Spezialisten, des Spezifikators und des Selektors
eine grössere Verbindungsstärke verlangen als die des Sensors. Sowohl der
Spezialist als auch der Spezifikator zeichnen sich durch eine hohe Spezifität bzw.
Komplexität der an sie gerichteten Anforderungen aus. Zusätzlich spielen beide
eine wesentliche Rolle bei der Erreichung der oft zeitkritischen Ziele der
Ideengenerierungsphase. Bei der Phase der Identifizierung von Gelegenheiten ist
kein so strikter Zeitplan zu erwarten. Für das Selektieren und Verfeinern der
Konzepte am Ende der Frühphase gilt aber sehr wohl wieder ein strafferer Zeitplan.
Diese Phase vermischt sich oft auch schon mit dem Beginn des eigentlichen
Neuproduktentwicklungsprozesses, welcher prinzipiell durch ein strengeres
Zeitregime gekennzeichnet ist.
Struktur ist, wie bereits oben erwähnt, neben der Kultur ein weiteres zentrales
Ordnungselement. Die operative strukturelle Verankerung kann auch im Hinblick
auf die Verbindungsstärke eingesetzt werden. Dies geschieht durch eine eindeutige
Regelung der mit der Integration verbundenen Aufgaben, der Verantwortlichkeiten
und der Ressourcenzuteilung. So ist die Verbindungsstärke zu den integrierten
Kunden im Falle einer eigenen organisatorischen Einheit aufgrund der damit
verbunden personellen Ressourcen und des speziellen kundenorientierten Fokus
höher, als wenn die Integration in das Aufgabenportfolio einer bereits bestehenden
Position integriert wird. Dieses Gestaltungselement stellt sicher, dass die
Verbindung zwischen den internen Organisationseinheiten und den integrierten
Kunden formell etabliert und aufrechterhalten wird. Drüber hinaus wird dadurch
auch die Kanalisierung der Kundenbeiträge zu den richtigen Personen bzw.
Abteilungen innerhalb der Organisation des Herstellers gewährleistet. Man kann die
Aufgabe einer derartigen eigenen Einheit als die Funktion eines „Integrators“
betrachten. Dabei kann eine derartige Aufgabe sowohl für die drei Rollen mit hoher
Verbindungsstärke – nämlich Spezialist, Spezifikator und Selektor – als auch für die
verbleibende Rolle des Sensors eingerichtet werden. Letztere verlangt zwar nicht
notwendigerweise intensive längerfristige Betreuung, aber es kommt für die
jeweiligen Aufgabenstellungen zu punktuellen Kontakten mit verschiedenen
Kunden. Daher spielen in diesen Fällen, zusätzlich zu den Kernaufgaben eines
Innovationspartners, auch die Verkörperung der Kontinuität und die Pflege der
Integrationskompetenz noch wesentliche Rollen.
192
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Eine eigene Organisationseinheit zur Kundenintegration innerhalb der F&EAbteilung oder des Marketings stellt die stärkste Manifestation der Öffnung des
Innovationsprozesses für Kunden dar und bietet die besten Voraussetzungen für
eine hohe Verbindungsintensität. Dabei muss eine derartige Institution allerdings
nicht automatisch eine permanent hohe Verbindungsstärke bedeuten, da diese, wie
im Folgenden gezeigt wird, auch eine wesentliche zeitliche Komponente aufweist.
Zeitliche Struktur
Die zeitliche Struktur muss an das Ziel und damit die Rolle angepasst werden, da
sie von den Aufgabenstellungen nicht zu trennen ist. So bedarf die gemeinsame
Erarbeitung einer Innovation eine längerfristige enge Zusammenarbeit, welche mit
punktuellen Interaktionen nicht machbar wäre. Derartige singuläre Kontakte können
aber für einen gezielten Input bzw. die fokussierte Behandlung eines Teilaspektes
zu einem bestimmten Zeitpunkt der Innovationsfrühphase durchaus zielführend
sein.
Prinzipiell wird die zeitliche Struktur durch die Häufigkeit und die Dauer der
einzelnen Intervalle bestimmt. Der Hersteller kann also die Zahl der Treffen
beispielsweise im Verlauf eines Jahres sowie die Dauer der einzelnen Treffen und
damit das Zeitmuster der Interaktion festlegen.
Während die Rollen des Sensors und des Selektors meistens durch punktuelle
Interaktionen charakterisiert sind, tritt bei den beiden anderen Rollen häufig eine
temporäre Interaktion in Form einer Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum
auf. Sowohl die Innovationsverstärkung des Spezialisten als auch die
Spezifikationsausarbeitung des Spezifikators verlangen einen regen persönlichen
Austausch zwischen den Vertretern des Kunden und den zuständigen Spezialisten
des Herstellers. Nur dadurch ist es möglich, dass jede Seite ihr Spezialwissen (beim
Spezialisten dominierend implizit, beim Spezifikator auch explizit möglich)
einbringt und durch Kombination etwas innovatives Neues entsteht. Ausserdem gibt
es in beiden Fällen prinzipiell nur wenige potenzielle Integrationspartner, welche
daher besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.
Generell liegt es für alle Rollen der frühen Kundenintegration im beiderseitigen
Interesse, im Sinne konstanter Geschäftsbeziehungen ein Netz verlässlicher Partner
aufzubauen. Diese grundsätzlich langfristige Orientierung unterscheidet die frühe
Kundenintegration von den anderen – vor allem im Konsumgüterbereich
angewendeten – Formen der Kundeneinbindung. Es zeigt sich allerdings gerade
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
193
auch in B-2-C-Märkten ein verstärkter Trend in Richtung des Aufbaus langfristiger
Kundencommmunities.33
Im vorgegebenen Rahmen der durch die Rollen vorgegebenen Notwendigkeiten
kann der Hersteller aber jederzeit steuernd bezüglich der zeitlichen Struktur
eingreifen. Falls eine Erhöhung der Frequenz und damit der Verbindungsstärke
notwendig erscheint, können persönliche Zwischentreffen einberufen werden oder
die Frequenz der geplanten Meetings bzw. Meilensteine erhöht werden.
Zahl der Kunden
Die Zahl der Kunden, welche am Integrationsprozess teilnehmen, kann prinzipiell
aus zwei Blickrichtungen betrachtet werden. Zunächst als Zahl der
Kundenteilnehmer bei einem einzelnen Interaktionsevent (z. B. Workshop), also ein
einzelner Kunde oder einer Kundengruppe und zweitens als Zahl der verschiedenen
Kundenfirmen im Laufe des gesamten Innovationsprojektes. Beide Parameter
müssen an die jeweilige Situation angepasst werden.
Die Frage der Zahl der Kundenvertreter pro Treffen hängt primär von der
jeweiligen Aufgabe ab. Sind spezielle Kompetenzen vonseiten des Kunden gefragt,
welche eine Einzelperson alleine nicht abdecken kann bzw. ist eine grosse Anzahl
verschiedener Meinungen und Erfahrungen notwendig, dann ist es vorteilhaft, wenn
der Hersteller verschiedene Teilnehmer aus dem Kreis des integrierten
Kundenunternehmens einlädt. Es ist auch vorstellbar, dass für gewisse Teilschritte
die
jeweils
passenden
Spezialisten
bzw.
Know-how-Träger
eines
Kundenunternehmens eingebunden werden. In vielen Fällen der frühen
Kundenintegration wird eine Situation vorliegen, in welcher es vorteilhaft wäre,
mehrere Kunden zu involvieren, dies aber aufgrund anderer Beschränkungen nicht
möglich ist. So können beispielsweise die Verfügbarkeit der Personen, ein zu
geringer Pool an potenziellen kompetenten Kandidaten, Motivationsprobleme oder
der grösser werdende bürokratische Aufwand beschränkenden Einfluss auf die Zahl
der tatsächlich integrierten Kunden ausüben.
Auch bezüglich der Einbindung mehrerer Kundenunternehmen im Verlauf eines
Innovationsvorhabens existieren externe Faktoren, welche die Entscheidung
entscheidend beeinflussen. Zunächst die einfache Fragestellung, ob es mehrere
Unternehmen gibt, welche den Selektionskriterien genügen. Ausserdem spielt auch
eine eventuelle Konkurrenzsituation unter den Kunden eine Rolle. Dies gilt vor
allem dann, wenn jene durch das Produkt des Herstellers beeinflusst wird. Nur
33
Für Beispiele aktueller Entwicklungen der Kundeneinbindung im B-2-C-Sektor siehe Abschnitt 7.2.
194
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
wenn die behandelten Fragestellungen entweder präkompetitiv gestellt werden oder
aber die Produkte des Herstellers uneingeschränkt am Markt verfügbar sind und
damit keinen nachhaltigen Differenzierungsvorteil gegenüber der Konkurrenz
bieten, können konkurrierende Kundenunternehmen gleichzeitig eingeladen
werden.
Andererseits kann eine Gruppe in der verschiedene Kundenunternehmen vertreten
sind auch ein grosser Anreiz für das einzelne Kundenunternehmen sein, überhaupt
an der Integration teilzunehmen. Ein Austausch mit anderen Unternehmen, sowohl
der eigenen, aber auch einer fremden Branche, wird von vielen Unternehmen als
grosse Chance erkannt und eröffnet grosse Innovationspotenziale. Der Hersteller
kann in solchen Fällen die Rolle eines Katalysators einnehmen, welcher seinerseits
ebenfalls vom Ergebnis der Diskussionen bzw. Workshops profitiert. Bayer
MaterialScience geht sogar soweit, „neutrale“ Workshops zu veranstalten, bei
denen die Identität des Auftraggebers nicht kommuniziert wird und die von
neutralen Dritten an neutralen Orten organisiert werden.
Auch wenn sich keine generell gültigen Aussagen bezüglich einer optimalen
Anzahl an integrierten Kunden für die einzelnen Kundenrollen machen lassen, so
gelten doch die folgenden grundsätzlichen Überlegungen. Für die Rolle des Sensors
und des Selektors ist es prinzipiell vorstellbar, mehrere Kundenunternehmen
einzuladen, falls dies aus Konkurrenzgründen möglich ist. Die Entwicklung oder
Diskussion von Szenarien wie auch die Verfeinerung von Konzepten verlangen
prinzipiell ein kreatives Umfeld, für welches eine Vielzahl von Kompetenzen und
Erfahrungswerten vorteilhaft ist. Für die Rollen des Spezialisten und des
Spezifikators
hingegen
erscheint
eine
Einbindung
verschiedener
Kundenunternehmen für ein Innovationsprojekt nicht zweckmässig. Für alle vier
Rollen hingegen gilt, dass mehrere Vertreter eines einzelnen Kundenunternehmens
einem einzelnen Vertreter vorzuziehen sind und soweit wie möglich zu integrieren
sind.
Ort der Interaktion
Die Interaktion kann räumlich betrachtet beim Hersteller, beim Kunden (Spezialfall
in der Anwendungsumgebung) oder an einem neutralen dritten Ort stattfinden (vgl.
z. B. Lettl 2004).
Dabei bringt jeder einzelne dieser drei Orte eigene Vorteile mit sich. Die
Durchführung beim Hersteller führt dazu, dass der Kunde die Gegebenheiten und
Abläufe des Herstellers direkt erfahren und dadurch besser verstehen kann. Darüber
hinaus liegt in der Einladung zum Hersteller eine Wertschätzung, welche nicht
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
195
jedem Kunden zuteil kommt und zur Motivation verwendet werden kann. Der
Standort des Kunden bringt vor allem Vorteile für den Hersteller, welcher Einblicke
in die Abläufe des Kunden erhält. Dadurch können eventuell Rückschlüsse auf
Bedürfnisse oder Hinweise auf weiteren Innovationsbedarf gewonnen werden.
Eine spezielle Form stellt der direkte Ort der Anwendung eines Konzeptes oder
frühen Prototyps oder auch eines bestehenden Produktes des Herstellers dar.
Dadurch wird der Verwendungszusammenhang deutlich und etwaiges
Verbesserungspotenzial tritt klarer zutage.
Bezüglich der Interaktionsorte der einzelnen Kundenrollen zeigt sich, dass der
Standort des Herstellers immer eine grundsätzliche Option darstellt. Die
Trendidentifikation gemeinsam mit Kunden als Sensoren kann daneben
zweckmässigerweise auch noch an einem neutralen Ort stattfinden. Dies ermöglicht
eine gewisse Unabhängigkeit vom Hersteller und dadurch möglicherweise ein
grösseres Potenzial für unverfälschte Beiträge und Meinungsäusserungen der
Kunden. Beispiel hierfür sind Workshops in Hotels oder Veranstaltungszentren,
möglicherweise unter Leitung eines neutralen Moderators. Für die Rolle des
Spezialisten empfiehlt sich neben dem Herstellerstandort eventuell eine parallele
gleichzeitige oder zeitversetzte Bearbeitung beim Kunden. So können Phasen
persönlicher Treffen mit solchen abwechseln, bei denen jeder Partner seine
spezifischen Kompetenzen in seiner eigenen Arbeitsumgebung einsetzt. Für die
Konzeptverfeinerung, welche im Rahmen der Selektorrolle angestrebt wird,
empfiehlt
es
sich,
bereits
funktionsfähige
Konzepte
direkt
im
Anwendungszusammenhang zu erproben und an Ort und Stelle über
Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Die Entscheidung über die beste Lokalität für das jeweilige Integrationstreffen muss
im Verlauf eines Projektes immer wieder neu abgewogen werden und kann je nach
Situation durchaus variieren.
These 6a: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss
die Integrationsstruktur der frühen Kundenintegration mittels der Faktoren
(1) Verbindungsstärke, (2) zeitliche Struktur, (3) Zahl der Kunden und (4)
Ort der Interaktion an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation
angepasst werden.
196
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Gestaltungsfeld Interaktionsprozess
In Ergänzung der Integrationsstruktur behandelt der Interaktionsprozess den Ablauf
und die sozialen Aspekte der frühen Kundenintegration. Die dafür identifizierten
Gestaltungsfaktoren der Prozess- und Rollentransparenz, des kulturellen Fits, der
Wissensgenerierung und der Kundenmotivation werden nun zur Aufstellung von
konkreten Handlungsempfehlungen herangezogen und daraus Thesen für das
Konstrukt Interaktionsprozess abgeleitet.
Prozess- und Rollentransparenz
Im Einklang mit dem Gedanken der offenen Innovation ist die Transparenz des
Integrationsprozesses und der jeweiligen Kundenrolle als notwendige
Voraussetzung zu betrachten.
Mittel des Herstellers, diese Transparenz zu erhöhen, liegen primär in einer offenen
gegenseitig verständlichen Kommunikation (vgl. z. B. Brockhoff 1998). So kann
der Hersteller beispielsweise spezielle Kundenrollen einführen, kommunizieren
sowie die jeweils damit verbundenen Erwartungen deutlich hervorheben. Auch
Darstellungen und Erklärungen des Innovationsprozesses des Herstellers für den
Kunden fallen unter diese Kategorie.
Sowohl die Prozess- als auch die Rollentransparenz sollen im Rahmen früher
Kundenintegration so hoch wie möglich ausgeprägt sein. Hohe Transparenz ist
immer auch ein Zeichen funktionierender Kommunikation und entspricht dem
zugrunde liegenden Gedanken der notwendigen Öffnung des Innovationsprozesses.
Gerade für die beiden durch intensive Interaktion geprägten Rollen Spezialist und
Spezifikator nimmt eine hohe Prozess- und Rollentransparenz eine überragende
Stellung ein. Diese beiden speziellen Formen der Zusammenarbeit können nur
funktionieren, wenn der integrierte Kunde ein klares Verständnis seiner Rolle sowie
der wesentlichen Parameter des Innovationsprozesses des Herstellers hat, in
welchen er eingebunden ist. Die beiden anderen Rollen, welche typischerweise vor
allem punktuelle Integrationsmuster beinhalten, profitieren ebenfalls von einer
hohen Transparenz, sind gegenüber mangelnder Transparenz jedoch nicht im
gleichen Masse empfindlich.
Die hohe Bedeutung der Transparenz begründet das Bestreben des Herstellers nach
dauerhaften, langfristigen Beziehungen zu seinen innovativen Kunden. Im Idealfall
bringt der Kunde einerseits ein Verständnis der Abläufe beim Hersteller mit und
andererseits besteht durch die lange Zusammenarbeit bereits ein
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
197
Vertrauensverhältnis als wesentliche Grundlage der für Transparenz grundsätzlich
notwendigen Offenheit.
Kultureller Fit
Eng verwandt mit der Transparenz, steht beim kulturellen Fit bzw. der kognitiven
Kompatibilität der Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses der für das
Innovationsvorhaben wesentlichen Grundlagen im Mittelpunkt. Nur wenn alle
teilnehmenden Partner eine gemeinsame gedankliche Grundlage aufweisen, können
die Beiträge optimal fokussiert und die Effizienz des Integrationsprozesses dadurch
erhöht werden.
Ein häufiger und expliziter Austausch der relevanten Prozess- und
Projektinformationen im Rahmen der frühen Kundenintegration ist ein Mittel um
einen guten kulturellen Fit zu erreichen. Auch muss früh eine
Kommunikationskultur entwickelt werden, welche den Anforderungen der
Integration entspricht. Die Basis für ein derartiges gemeinsames Verständnis wird
schon bei der Kundenauswahl gelegt. Der Hersteller muss bereits bei der Selektion
der Kunden darauf Wert legen, dass die prinzipiellen Voraussetzungen für
gemeinsame mentale Modelle vorhanden sind. Dies bedeutet nicht, dass komplette
Übereinstimmung und Harmonie zwischen den Firmenkulturen und den
persönlichen Vertretern beider Seiten herrschen muss. Gewisse Unterschiede im
Sinne von Reibflächen können sich gerade bei kreativen Prozessen als hilfreich
erweisen. Eine grundsätzliche gemeinsame Wertebasis muss aber vorhanden sein,
um effizientes, interaktives Arbeiten zu ermöglichen. Gerade im B-2-B-Umfeld
spielen daher persönliche Beziehungen und Erfahrungen eine wesentliche Rolle.
Die mit der Kundenselektion betrauten Vertreter des Herstellers haben meistens
persönliche Einschätzungen betreffend ihrer infrage kommenden Kunden oder
können auf solche zurückgreifen.
Auch beim kulturellen Fit zeigt sich eine prinzipielle Aufteilung der Rollen in zwei
Gruppen. Während die Übereinstimmung beim Spezialisten und Spezifikator
aufgrund der engen längerfristigen Zusammenarbeit besonders wichtig ist, können
Kunden in den Rollen eines Selektors und vor allem eines Sensors auch bei nicht so
hoher kognitiver Kompatibilität erfolgreich integriert werden. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass ein grundsätzliches gemeinsames Verständnis der Ziele, Prozesse und
Modelle nicht auch bei diesen Rollen hilfreich und notwendig ist. Aufgrund der
Aufgabenstellung und des meistens nur punktuellen Kontaktes ist es aber oft nicht
möglich und zielführend, aktiv an wirklich tief gehenden gemeinsamen geistigen
Modellen zu arbeiten.
198
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Wissensgenerierung
Im Umfeld der frühen Innovationsphase sind die integrierten Kunden dazu
aufgerufen, durch die Integration ihres Wissens über bestehende Produkte oder
Technologien sowie Erfahrung mit deren Benutzung neues Wissen zu generieren.
Die vorherrschende Art der Wissensgenerierung im Rahmen der frühen
Kundenintegration ist dabei die Konvertierung. Diese passiert als grundsätzlicher
Mechanismus bei allen vier Rollen. Eine dominierende Rolle spielt sie beim
Selektor, wo das implizite Wissen des Kunden im Zuge der Diskussionen zur
Konzeptverfeinerung durch Externalisation in explizites Wissen (z. B. konkrete
Optimierungslösungen) umgewandelt wird. Ein derartiger Mechanismus tritt mehr
oder weniger stark auch bei den anderen Rollen auf, wobei er jedoch dort durch
andere Arten der Wissensgenerierung überlagert wird. So tritt bei den Sensoren und
Spezifikatoren oft auch noch eine Konvertierung durch Kombination auf. Beim
Spezifikator kann es durchaus passieren, dass sowohl der Hersteller als auch der
Kunde bereits explizites Wissen (z. B. in Form von technischen Daten oder
Spezifikationsentwürfen) in die gemeinsamen Innovationstreffen einbringen, dieses
als Diskussionsgrundlage verwendet und neues Wissen (Innovation) daraus
generiert wird. Ähnliches gilt für den Sensor, wenn man beispielsweise an fertige
Szenarien beider Seiten denkt, welche abgeglichen werden bzw. aus denen
Technologieroadmaps entwickelt werden können. Bei der Rolle des Spezialisten
tritt zusätzlich zur Konvertierung durch Externalisation auch noch der Prozess der
Wissensakquisition auf. Dies bedeutet, dass spezielles komplementäres Fachwissen
des Kunden direkt durch den Hersteller aufgenommen werden kann, um in
Ergänzung zu dessen eigenen Kompetenzen das Innovationspotential zu erhöhen.
Daraus ergeben sich folgende Implikationen für die konkrete Gestaltung der frühen
Kundenintegration. Das für den jeweiligen Wissensgenerierungsprozess notwendige
Umfeld muss gestaltet werden. Dazu ist es notwendig, dass die Verantwortlichen
Mitarbeiter des Herstellers über die jeweils dominierenden Mechanismen Bescheid
wissen, um entsprechende Massnahmen ergreifen zu können. So gilt es, neben der
Schaffung eines offenen austauschfreundlichen Umfeldes, beispielsweise
Moderatoren einzusetzen, welche den Konvertierungsprozess (und die oft
mühsamen und langwierigen Diskussionen davor) lenken und strukturieren können.
Auch muss dafür gesorgt werden, dass Instrumente zur Verfügung stehen,
implizites Wissen zu visualisieren (angefangen bei einfachen Wandtafeln bis hin zu
komplexen Darstellungs- und Kreativitätsmethoden) und neu entstandenes (meist
explizites) Wissen mit möglichst geringem Aufwand gespeichert, dokumentiert und
verteilt werden kann. In Fällen, wo bereits explizites Wissen von einer oder beiden
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
199
Seiten vorliegt, muss es möglich sein, dieses (evtl. schon vorab) darzustellen bzw.
aufzubereiten, um ein möglichst einheitliches Grundverständnis am Beginn des
Innovationstreffens sicherzustellen.
Unternehmen können die Fähigkeit ihrer Kunden, an der Wissensgenerierung
teilzunehmen, zusätzlich durch eine Erhöhung des Kundenwissens über Produkte
und Technologien, deren potenzielle Benutzung sowie mögliche komplementäre
Produkte erhöhen (Nambisan, Agarwal et al. 1999). Ein derartig gesteigertes
Produkt- bzw. Technologiebewusstsein wird die Grenzen der kognitiven Prozesse
des Kunden erweitern und kreative, innovative Ideen auslösen (vgl. Leonard-Barton
1995).
Kundenmotivation
Eine wesentliche Voraussetzung erfolgreicher Interaktion mit integrierten Kunden
stellt die Kundenmotivation dar. Der Hersteller muss die zugrunde liegenden
prinzipiellen Antriebe kennen, welche einen Kunden dazu motivieren, interaktiv an
seinem
innovationsorientierten
Wertschöpfungsprozess
teilzunehmen.
Grundsätzlich gilt es dabei, die beiden Gestaltungsfaktoren der Art des
Kundenvorteils und des Motivationstyps zu unterscheiden (vgl. Tab. 4 und Tab. 8).
Basierend auf einem grundlegenden Verständnis dieser Aspekte, kann der Hersteller
die Umgebung und den Prozess der frühen Kundenintegration attraktiv für die
Kunden gestalten.
Betrachtet man die Art des Kundenvorteils, so spielen sowohl produktbezogene als
auch gruppenbezogene Vorteile für die frühe Kundenintegration eine Rolle. Der
Hersteller kann verschiedene Mechanismen anwenden, um die vom integrierten
Kunden empfundenen gruppenbezogenen Vorteile der frühen Kundenintegration zu
verstärken. Zum Beispiel können Mechanismen etabliert werden, um Teilnehmern
zu ermöglichen, die Beiträge andere Mitglieder wahrzunehmen und sichtbar
anzuerkennen. Dies kann beispielsweise durch spezielle Titel oder einen
bestimmten Status geschehen. Eine Möglichkeit stellt auch die Schaffung einer
geschlossenen Gruppe dar, in welche der Zutritt nur nach Einladung erfolgt. Dies ist
im Bereich der IT-unterstützten Communities eine viel diskutierte Variante
(Sawhney, Prandelli 2000), für die frühe Kundenintegration allerdings bereits weit
verbreitet. So sind die integrierten Kunden in den Innovationsteams immer
ausgewählt und eingeladen. Dadurch können die Kunden die Mitgliedschaft in einer
derartigen Gruppe als Belohnung für ihre Beiträge empfinden. Dieser Aspekt, der
gruppenbezogenen Vorteile, ist bei allen Rollen wichtig, wird aber immer auch von
anderen Faktoren überlagert. So ist ein Sensor oft primär am zusätzlichen Wissen
200
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
über Märkte und neue Trends interessiert, welches er selbst aus den Diskussionen
gewinnen kann bzw. welches während seiner Integration entsteht. Spezialisten,
Spezifikatoren und Selektoren können vor allem von den verbesserten
Produkteigenschaften profitieren, die letzten beiden verstärkt auch von der
Möglichkeit einer verbesserten Produktqualität.
Unternehmen können dabei eine Vielzahl an Gestaltungselementen im Rahmen
ihrer frühen Kundenintegration einsetzen, um den Eindruck der Kunden zu
verstärken, dass ihre produktbezogenen Vorteile durch ihr direktes Engagement
gewachsen sind. So können die Hersteller beispielsweise den spezifischen Beiträgen
der Kunden, zusammen mit einer Darstellung der Ergebnisse, welche die Kunden
bezüglich der Produkteigenschaften oder Qualität realisieren konnten, hohe
Sichtbarkeit geben. In ähnlicher Weise können Kundeninnovatoren frühzeitig über
neue Produktversionen informiert oder zu Produktdemonstrationen eingeladen
werden – alles Aktivitäten, welche die produktbezogenen Erfahrungen der Kunden
insgesamt erweitern und vertiefen.
Der Motivationstyp kann grundsätzlich intrinsisch oder extrinsisch sein.
Extrinsische Anreize in Form von materiellen Aufwendungen stellen unabhängig
von den oben erwähnten indirekten Produktvorteilen eine weitere Möglichkeit der
Motivation dar. Dabei kommt direkten monetären Entschädigungen im B-2-BUmfeld meistens nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Wenn selektierte Kunden
in die F&E-Zentrale des Herstellers eingeladen werden, so werden zwar meistens
Aufenthalts- und Reisekosten erstattet bzw. Tagessätze als Spesenersatz ausbezahlt,
der wesentliche Aspekt bei derartigen Einladungen liegt aber in der besonderen
Rolle und den damit verbunden Einflussmöglichkeiten, welche der Kunde erhält.
Prinzipiell sind Kunden, welche vom Hersteller integriert werden, in den meisten
Fällen auch intrinsisch motiviert. Es macht ihnen Spass und sie empfinden eine
innere Befriedigung, wenn sie sich in den Innovationsprozess des Herstellers
einbringen und zur Erzielung von Ergebnisse beitragen können.
These 6b: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung
muss der Interaktionsprozess der frühen Kundenintegration an die Rolle des
Kunden sowie die spezifische Situation angepasst werden. Diese Anpassung
erfolgt mit den Faktoren (1) Prozess- und Rollentransparenz, (2) kultureller
Fit, (3) Wissensgenerierung und (4) Kundenmotivation.
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
201
Integration der Ergebnisse
Erstes Handlungsfeld ist dabei die Dokumentation und Speicherung der Ergebnisse.
Neben der direkten Verwertung der Ergebnisse der Kundenintegration im
jeweiligen Innovationsprojekt, sollten die Ergebnisse des Integrationsprozesses
auch anderen im Innovationsprozess tätigen Personen und Abteilungen zugänglich
gemacht werden. Dazu ist es notwendig, einen Kommunikationsprozess zu
etablieren, welcher die Verbreitung der Integrationsresultate zum Ziel hat.
Prinzipiell müssen organisatorische Lernprozesse beim Hersteller institutionalisiert
werden, über welche die Ergebnisse der Integration an die relevanten Stellen des
Innovationsprozesses fliessen und somit in den allgemeinen Wissensschatz
aufgenommen werden können.
These 7: Je mehr die organisatorischen Lernprozesse des Herstellers
institutionalisiert und unterstützt werden, desto besser kann die Integration
der Ergebnisse der frühen Kundenintegration in das Unternehmen des
Herstellers erfolgen.
Die Handlungsfelder und Hauptkriterien
zusammengefasst in Abbildung 38 dargestellt.
der
Realisierungsphase
sind
202
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Schritt
Hauptkriterien
Handlungsfelder
Realisierungsphase
¾ Passende Integrationsstruktur etablieren
Operative
Gestaltung
¾ Interaktionsprozess aufsetzen und durchführen
¾ Kundenmotivation fördern
¾ Dokumentation und Speicherung der Ergebnisse
Integration
der Ergebnisse
¾ Kommunikationsprozess etablieren
Abbildung 38: Handlungsfelder der Realisierungsphase
Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration
In den vorhergehenden Abschnitten wurde der Aufbau der frühen
Kundenintegration in einem theoretischen Rahmen, welcher die relevanten
Einflussfelder sowie die Prozesse der eigentlichen Wissensgenerierung umfasst,
betrachtet. Dabei wurden bereits bestehende Konstrukte bezüglich ihrer
Implikationen für die Durchführung erfolgreicher früher Kundenintegration
analysiert und im Abgleich mit den empirischen Befunden die relevanten
Gestaltungsfaktoren identifiziert. Die notwendigen Ausprägungen dieser Faktoren
wurden zunächst allgemein hergeleitet und zuletzt zu Gestaltungsempfehlungen.
Dabei wurden die einzelnen Kundenrollen der frühen Kundenintegration bezüglich
ihrer Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren beschrieben. Die Ergebnisse werden in
Tabelle 8 gegenübergestellt.
Interaktionsprozess
Integrationsstruktur
GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN
203
Sensor
Spezialist
Spezifikator
Selektor
Verbindungsstärke
Mittel bis
schwach
Hoch
Hoch
Hoch
Zeitliche
Struktur
Punktuell
Temporär
Temporär
Punktuell
Zahl der Kunden
Einzelkunde
oder
Kundengruppe
Einzelkunde
Einzelkunde
Einzelkunde
oder
Kundengruppe
Ort der
Interaktion
Beim Hersteller
oder an einem
neutralen Ort
Beim Hersteller
oder parallel
beim Hersteller
und Kunden
Beim Hersteller
Beim Hersteller
oder in
Anwendungsumgebung
Prozess- und
Rollentransparenz
Durchschnittlich
wichtig
Sehr wichtig
Sehr wichtig
Durchschnittlich
wichtig
Kultureller Fit
Unwichtig
Sehr wichtig
Sehr wichtig
Durchschnittlich
wichtig
Wissensgenerierung
Konvertierung
durch
Kombination
Akquisition und
Konvertierung
durch
Externalisation
Konvertierung
durch
Kombination
Konvertierung
durch
Externalisation
Art des
Kundenvorteils
Produktbezogen
(Marktwissen)
Produktbezogen
(Eigenschaften)
Produktbezogen
(Eigenschaften
und Qualität)
Produktbezogen
(Eigenschaften
und Qualität)
und gruppenbezogen
Motivationstyp
Extrinsisch
Extrinsisch und
intrinsisch
Intrinsisch
Extrinsisch und
intrinsisch
Tabelle 8: Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der Kundenrollen der frühen
Kundenintegration
204
6.4
ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION
Zusammenfassung
Zunächst wurde gezeigt, dass Investitionen in den Aufbau von früher
Kundenintegration erst nach einer genauen Definition der spezifischen Rollen,
welche die ausgewählten Kunden in der frühen Innovationsphase spielen sollen,
durch den Hersteller erfolgen sollten. Diese verschiedenen Ausprägungen der
frühen Kundenintegration sind abhängig vom gewünschten Output (vonseiten des
Herstellers) und damit vom Innovationsbeitrag der Kunden. Je nach Beitrag,
welchen der Kunde zur Innovation leistet, bindet ihn der Hersteller in einem
anderen Segment der Frühphase, mit anderen Zielen, unterschiedlicher Intensität
und spezifischen Formen ein - d. h. er teilt ihm jeweils eine andere Rolle zu. Diese
Erkenntnisse resultieren in dem konzeptionellen Gestaltungsmodell, welches einen
Gestaltungsrahmen für das Management bietet. Dazu wurde der Integrationsprozess
zunächst in seine drei Hauptphasen unterteilt. Für jeden Teilschritt sowie für die
drei übergeordneten Gestaltungsfelder erfolgte eine Darstellung derjenigen
Handlungsschwerpunkte, welche sich im Verlauf der Studie als wesentlich für den
Erfolg der Kundenintegration herausgestellt hatten. Jedem Handlungsschwerpunkt
wurden dann Hauptkriterien sowie Handlungsfelder zugeordnet, um diese Kriterien
zu optimieren. Darauf aufbauend folgte schliesslich eine Diskussion der wichtigsten
praktischen Implikationen des Modells in Form von Gestaltungsempfehlungen und
Thesen für eine effektive und effiziente Gestaltung der frühen Kundenintegration
(vgl. Abb. 39).
Planung, Aufbau und Durchführung der frühen Kundenintegration stellen eine
herausfordernde Aufgabe dar. Das Verständnis des Managements und der
Auswirkungen derartiger neuer Beziehungen mit den Kunden bildet die Grundlage
der Gestaltung – der Organisation und des Ablaufs – der frühen Kundenintegration.
Dabei muss der Hersteller nicht nur die Auswahl der spezifischen Rollen des
Kunden in der Wertschöpfung treffen, sondern auch die diesen Rollen zugrunde
liegenden
Unterschiede,
im
Sinne
von
Interaktionsmustern,
Wissensgenerierungsprozessen, und Motivationsaspekten, erkennen und bei der
Gestaltung der frühen Kundenintegration berücksichtigen.
ZUSAMMENFASSUNG
205
Unternehmerischer Rahmen
Strategie
Kultur
Initiierungsphase
Entscheidung
zur
Kundenintegration
Struktur
These 2
These 3
Integrationsstrategie
Effektivitätsfokussiert
Effizienzfokussiert
These 4
These 4a
Ziele des Herstellers
Ergebnisfestlegung
Trendidentifikation
Innovationsverstärkung
These 4b
Vorbereitungsphase
Kundenintegrationsprozess
These 1
Spezifikationsausarbeitung
Konzeptverfeinerung
These 5
Kundenauswahl
Rolle des Kunden
These 5a
Sensor
Spezialist
Vertragsabschluss
Spezifikator
Selektor
These 6
These 5b
Realisierungsphase
These 6a
Operative
Gestaltung
Integration
der
Ergebnisse
These 6b
Gestaltungsfeld
Integrationsstruktur
Interaktionsprozess
Gestaltungsfaktoren
¾ Verbindungsstärke
¾ Zeitliche Struktur
¾ Zahl der Kunden
¾ Ort der Interaktion
¾ Prozess- und
Rollentransparenz
¾ Kultureller Fit
¾ Wissensgenerierung
¾ Kundenmotivation
These 7
Abbildung 39: Abfolge der Thesen im Prozess der frühen Kundenintegration
206
7
FAZIT
Fazit
Dieses abschliessende Kapitel setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zunächst
werden die zentralen Aussagen kurz zusammengefasst. Im zweiten Teil erfolgt ein
Ausblick auf relevante Trends und Entwicklungen im Umfeld des
Innovationsmanagements, welche die Bedeutung und Gestaltung früher
Kundenintegration in naher Zukunft entscheidend beeinflussen können. Darauf
aufbauend werden schliesslich die wichtigsten möglichen Schwerpunkte
weiterführender Forschung aufgeführt.
7.1
Kernaussagen
Die Ausrichtung nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden stellt ein
zentrales Element für den Erfolg jedes Unternehmens dar. Als Antwort auf einen
immer grösser werdenden Innovationsdruck öffnen immer mehr Firmen ihre
Innovationsprozesse, um ihre Kunden aktiv zu integrieren. Dabei ist besonders die
Frühphase der Innovation von herausragender Bedeutung, da in ihr die
entscheidenden Weichenstellungen für den Innovationserfolg getroffen werden. Die
im Fokus dieser Arbeit stehende interaktive Integration von Kunden in den frühen
Innovationsprozess, frühe Kundenintegration genannt, bietet daher grosse
Potenziale, erfolgreiche, neue Produkte zu kreieren.
Im Mittelpunkt der Überlegungen stand die herausfordernde Aufgabe der Planung,
des Aufbaus und der Durchführung der frühen Kundenintegration. Der Fokus
wurde dazu auf Produktinnovationen mit mittleren bis hohen Innovationshöhen
(d. h. keine Produktverbesserungen und -optimierungen) und technologieintensive
Unternehmen
des
Investitionsgüterbereiches
(B-2-B)
gelegt.
Untersuchungsgegenstand war der Kundenintegrationsprozess und seine
Ausgestaltung (d. h. die prozessuale und strukturelle Integration ausgewählter
Kunden in den Innovationsprozess des Herstellers).
Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung
Eine genauere Betrachtung der bisherigen Forschung zum Themenkomplex der
Einbindung des Kunden in den Innovationsprozess ergab eine Reihe von
strategischen Grundlagen, welche als vorteilhaft für den Erfolg der Integration und
damit des gesamten Innovationsprozesses identifiziert worden waren. Aufseiten des
Hersteller waren dies die Einbettung der Integration in den Kontext der
Firmenstrategie, das Verstehen der Kundenbedürfnisse, die Schnittstelle zwischen
F&E-Abteilung und Marketing und der mit der Aufnahme externen Wissens
KERNAUSSAGEN
207
verknüpfte organisatorische Lernprozess. Für den Integrationsprozess spielen die
Kompatibilität der Kulturen, die Entwicklung klarer Ziele, passende Strukturen, die
Form der Einbindung der Kunden, Beziehungsvariablen (wie Vertrauen und
Gegenseitigkeit), die Kommunikation, die räumliche Dimension und das
Controlling wesentliche Rollen. Als Merkmale des Kunden wurden seine Grösse
relativ zum Hersteller, seine finanzielle Attraktivität, sein Ruf, sein Wissen, seine
Motivation und schliesslich seine vergangenen Erfahrungen mit kooperativen
Innovationsprozessen angeführt. Diese strategischen Grundlagen wurden für die
Erstellung des Analyserasters zur Auswertung der Fallstudien verwendet.
Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess
Zur Einordnung der frühen Kundenintegration in die gesamte Landschaft der
kundenorientierten Innovation wurde eine Abgrenzung von der klassischen
Marktforschung, der kundenspezifischen Konfiguration und einer generellen
Kundenorientierung vorgenommen. Während Letztere eine prinzipielle (nicht auf
den Innovationsprozess fokussierte) Ausrichtung sämtlicher wichtiger
Unternehmensprozesse auf die Nachfrageseite der Wertschöpfungskette darstellt,
unterscheiden sich die beiden anderen Ansätze hinsichtlich des dahinter liegenden
Rationals von der frühen Kundenintegration. Die Marktforschung eines Herstellers
zielt darauf ab, Kundenbedürfnisse so gut wie möglich zu verstehen, sie in die
Sprache des Unternehmens zu übertragen und möglichst passende neue Produkte zu
entwickeln. Die kundenspezifische Konfiguration gibt dem Kunden im letzten
Drittel des Produktentwicklungsprozesses die Möglichkeit, gewisse individuelle
Modulzusammenstellungen vorzunehmen. Dies ist zwar mit einer aktiven Rolle des
Kunden verbunden, beeinflusst allerdings kaum noch die eigentliche
Innovationsleistung (z. B. eine neue technologischen Lösung), welche meist schon
früher im Prozess erbracht wurde. Die frühe Kundenintegration unterscheidet sich
wesentlich von den drei anderen Ansätzen, indem sie das Übersetzungsproblem der
Bedürfnisse in Produktanforderungen durch eine direkte Integration des Kunden in
den frühen Innovationsprozess umgeht. Dadurch nimmt der Kunde auch direkt an
der eigentlichen Innovationsphase teil und wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor
derselben.
Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration
Die Untersuchung der Fallstudien diente vor allem dazu, aus den in der Literatur
beschriebenen generellen strategischen Grundlagen diejenigen auszuwählen, welche
sich für den Fokus dieser Arbeit in der Praxis als relevant herausgestellt haben. Die
Fallstudien zur frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience, EADS
208
FAZIT
Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff ergaben die folgenden
relevanten strategischen Grundlagen früher Kundenintegration. Auf der
Herstellerseite die strategische (und organisatorische) Verankerung, im
Integrationsprozess die Kompatibilität der Kulturen, passende Strukturen, die Form
der Einbindung, die Beziehungsvariablen (Vertrauen, Commitment und
Gegenseitigkeit) und die Kommunikation sowie auf der Kundenseite die
Motivation. Darauf aufbauend wurden die beiden Gestaltungsfelder
Integrationsstruktur
und
Interaktionsprozess
als
Dimensionen
der
Konzeptualisierung des Konstruktes frühe Kundenintegration entwickelt. Für jedes
Gestaltungsfeld ergeben sich mehrerer Gestaltungsfaktoren. Für die
Integrationstruktur sind dies die Verbindungsstärke, die zeitliche Struktur, die Zahl
der Kunden und der Ort der Interaktion. Der Integrationsprozess wird bestimmt
durch die Prozess- und Rollentransparenz, den kulturellen Fit, die
Wissensgenerierung und die Kundenmotivation. Diese Gestaltungsfaktoren dienten
im weiteren Verlauf zur Entwicklung der operativen Gestaltungsempfehlungen der
frühen Kundenintegration.
Integrationsstrategien und spezifische Kundenrollen der frühen
Kundenintegration
Der spezielle Fokus der Arbeit lag auf den spezifischen Rollen, welche Kunden im
Rahmen der frühen Kundenintegration einnehmen können. Um diese Rollen
herzuleiten, wurden zunächst die Ziele des Herstellers (bzw. dessen
Ergebniserwartungen) betrachtet. Auf einer übergeordneten Ebene können diese in
akquisitorische, effizienzsteigernde und effektivitätssteigernde Ziele eingeteilt
werden. Daraus ergeben sich für die frühe Kundenintegration eine effizienz- oder
eine effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie. Das spezifische Integrationsziel
effektivitätsfokussierter Kundenintegration am Anfang der Innovationsfrühphase ist
die Trendidentifikation. Gemeinsam mit dem Kunden werden Entwicklungen und
Trends diskutiert und ihre Auswirkungen auf den Markt abgeschätzt, um
schliesslich entsprechende Szenarien und Roadmaps zu entwickeln. Die
effizienzsteigernde strategische Ausrichtung zeigt neben dem Ziel der
Ideengenerierung durch Lead-User noch zwei weitere spezielle Ergebnistypen,
nämlich die Innovationsverstärkung und die Spezifikationsausarbeitung. Die
Innovationsverstärkung zielt darauf ab, komplementäre Kompetenzen des Kunden
zu nutzen, um gemeinsam zu einer innovativen Lösung zu gelangen, welche für den
Hersteller nicht bzw. nur durch beträchtlichen zusätzlichen Ressourceneinsatz (d. h.
Aufbau bzw. Einkauf von Kompetenzen ausserhalb der Kernkompetenzfelder)
möglich wäre. Im Falle der Spezifikationsausarbeitung gemeinsam mit dem Kunden
KERNAUSSAGEN
209
verfügt dieser über tief gehendes Expertenwissen und steuert die Innovation durch
Vorgaben bzw. Spezifikationen (diese beinhalten Leistungsparameter und damit
indirekt
auch
technologische
Anforderungen).
Die
grundsätzliche
Machbarkeitsabschätzung und Technologieentwicklung muss in diesen Fällen
während der Spezifikationserstellung (oder bereits davor) erfolgen. Gegen Ende der
Innovationsfrühphase stellt sich die Aufgabe der Entscheidung für ein bestimmtes
Konzept und die Verfeinerung desselben bis zur Übergabe an den eigentlichen
Entwicklungsprozess. Hier dominiert wieder die effektivitätsfokussierte
Integrationsstrategie, mit dem spezifischen Ziel der Konzeptverfeinerung.
Fehlentscheidungen in diesem Bereich sind nur mit hohem Zeit- und
Kostenaufwand wieder zu korrigieren, sodass eine aktive Integration des Kunden
für diese Phase zunächst risikominimierende und damit effektivitätssteigernde Ziele
verfolgt. Darüber hinaus spielt das Anwendungswissen des Kunden eine
entscheidende Rolle bei der Verfeinerung des Konzeptes hinsichtlich der
Benutzungsfreundlichkeit und Praxistauglichkeit.
Basierend auf diesen spezifischen Integrationszielen des Herstellers wurden vier
mögliche Kundenrollen eingeführt, welche für die frühe Kundenintegration
identifiziert werden konnten. Der Sensor hilft bei der Trendidentifikation, der
Spezialist verstärkt die Innovationskompetenz der Herstellers, der Spezifikator
bestimmt die Innovation mittels genauer Anforderungen und der Selektor
unterstützt die Auswahl und Verfeinerung des, die Frühphase abschliessenden,
Konzeptes. Diese Rollen können als Erweiterung der klassischen Lead-User-Rolle
betrachtet werden. Diese stellt auch ein Beispiel der frühen Kundenintegration dar,
fokussiert aber auf eine sehr spezielle Kundengruppe und eine spezifische
Problemsituation.
Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration
Da die Innovationsfrühphase von Unsicherheit und schwer planbaren
Randbedingungen geprägt ist, erleichtert ein standardisiertes Vorgehen die
Integration. Dazu wurde der frühe Kundenintegrationsprozess in einen
unternehmerischen Rahmen aus Strategie, Struktur und Kultur eingebettet und in
drei Phasen eingeteilt. In der Initiierungsphase erfolgt zunächst vonseiten des
Herstellers die grundsätzliche Entscheidung zur frühen Kundenintegration sowie
die Festlegung der erwarteten Ergebnisse. Die Vorbereitungsphase beinhaltet den
gesamten Prozess der Kundenauswahl einschliesslich der Verhandlungen und eines
eventuellen
Vertragsabschlusses.
Auch
die
Festlegung
gemeinsamer
Integrationsziele ist Teil dieses Verhandlungspaketes. Die daran anschliessende
210
FAZIT
Realisierungsphase setzt sich aus der eigentlichen operativen Gestaltung und
Durchführung der Integration sowie der Integration der Ergebnisse zusammen.
Gestaltungsempfehlungen und Thesen
Den unternehmerischen Rahmen bilden die drei Elemente Strategie, Kultur und
Struktur. Diese sind als übergreifende ordnende Kräfte zu verstehen, welche den
organisationalen Abläufen eine einheitliche Form und Zielorientierung geben.
Im Feld der Strategie bedarf es als Basis einer erfolgreichen frühen
Kundenintegration einer übergeordneten generellen Innovationsstrategie, in welcher
die Öffnung des Innovationsprozesses verankert ist. Aufbauend auf der allgemeinen
Unternehmensstrategie muss der Hersteller in einer fundierten Analyse die eigenen
Kernkompetenzen ermitteln und davon ausgehend mögliche Stossrichtungen der
Zusammenarbeit mit Externen festlegen. Entscheidend ist die strategische
Verankerung der prinzipiellen Bereitschaft zur Öffnung des Innovationsprozesses,
welche als Basis für den gesamten Integrationsprozess eine wesentliche Rolle spielt.
Ein weiteres wichtiges Element hinter einer erfolgreichen frühen Kundenintegration
stellt die Kultur im Unternehmen des Herstellers dar. Passend zur
Innovationsstrategie muss eine offene Innovationskultur etabliert werden.
Wesentliche Schritte dafür sind eine Vorbildwirkung des Managements aber auch
eine aktive Beschäftigung mit dem Not-Invented-Here-Syndrom, d. h. einer
grundsätzlichen Ablehnung aller von aussen kommenden Ideen und Anregungen.
Dessen Überwindung kann nur mit geistig und physisch mobilen Mitarbeitern
gelingen, welche einerseits durch Weiterbildungsveranstaltungen, interne
Schulungen und Jobrotationsmodelle gefördert werden und andererseits intensiven
direkten Kontakt mit den Kunden haben. Das dritte Element des unternehmerischen
Rahmens ist die Struktur. Im Gegensatz zur operativen Integrationsstruktur, welche
im Rahmen der Realisierungsphase zu gestalten ist, muss hier eine prinzipielle
strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration sichergestellt werden. Eine
eindeutige Regelung der mit der Integration verbundenen Aufgaben,
Verantwortlichkeiten und Ressourcenzuteilung ist Voraussetzung für einen
erfolgreichen Kundenintegrationsprozess. Um die Koordination der verschiedenen
Integrationsprojekte
sicherzustellen,
müssen
dafür
organisatorische
Voraussetzungen geschaffen werden. Dabei reicht das Spektrum von zusätzlichen
Aufgaben im Rahmen einer bestehenden Position bis hin zu eigenen speziellen
Organisationseinheiten. Eine derartige strukturelle Verankerung muss vor der
Ausgestaltung und dem Ablauf des eigentlichen Integrationsprozesses geregelt
werden. Grundsätzlich gilt, dass die Flexibilität von Kooperationsprojekten nicht
durch zu viel Formalismus und Bürokratie verloren gehen darf. Es hat sich aber
KERNAUSSAGEN
211
gezeigt, dass mit zunehmender Grösse einer Firma ein gewisses Mass an
Zentralisierung der Integrationskompetenz notwendig ist, um die Koordination und
Priorisierung der Projekte sicherzustellen.
Gestaltungsempfehlungen Initiierungsphase
Grundvoraussetzung einer erfolgreichen frühen Kundenintegration ist eine
strategische Verankerung des Gedankens der offenen Innovation. Nur wenn die
gemeinsamen Normen und Werte dieser Idee Rechnung tragen, kann sich eine
Kultur etablieren, welche offen gegenüber Anregungen von aussen ist. Genau diese
ist für die erfolgreiche Verwendung der Ergebnisse der Kundenintegration ein
entscheidender Faktor. Aufbauend auf der übergeordneten Innovationsstrategie
muss diese Grundausrichtung eines Unternehmens auch Einzug in die einzelnen
Divisions- bzw. Abteilungsstrategien finden. Basierend auf der Bereitschaft und
dem Willen zur Öffnung erfolgt als nächster Schritt die grundsätzliche
Entscheidung zur Kundenintegration und die Festlegung einer Integrationsstrategie.
Für diesen Schritt ist als wesentlicher Input die Technologiestrategie heranzuziehen.
Unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Rahmenbedingungen und mit Kenntnis
der bereits ermittelten Stossrichtungen für die Integration einer externen
Kompetenz, kann die Entscheidung für eine Integrationsstrategie und spezifische
Integrationsziele erfolgen. Der nächste Schritt liegt in der genauen
Ergebnisfestlegung der frühen Kundenintegration. Diese Zielfokussierung zu
Beginn ist notwendige Voraussetzung für eine zielgerichtete Auswahl der Kunden
sowie eine effiziente Gestaltung des gesamten Integrationsprozesses.
Gestaltungsempfehlungen Vorbereitungsphase
In diesem Schritt werden, basierend auf den in der Initiierungsphase festgelegten
Zielen, geeignete Kunde gesucht, ausgewählt und mit ihnen über eine mögliche
Integration verhandelt. Erstes Handlungsfeld der Kundenauswahl ist dabei die
Entwicklung einer Suchstrategie und geeigneter Selektionskriterien zum Auffinden
potenzieller Integrationspartner. Am Beginn steht die Sammlung des innerhalb der
Firma vorhandenen, relevanten Wissens über die Kunden generell bzw. die
jeweilige Kundenzielgruppe im Speziellen. Unter Einbeziehung aller relevanten
Abteilungen werden eine Suchstrategie und geeignete Selektionskriterien
aufgestellt. Damit erfolgt im nächsten Schritt die eigentliche Suche nach geeigneten
Kunden sowie deren Auswahl. Persönliche Kontakte stellen dabei oft die
ausschlaggebenden Faktoren bei der Partnerselektion dar. Nach der Auswahl
kommt es in mehr oder weniger formalisierter Form zu Verhandlungen mit den
Kunden. Im Falle eines gemeinsamen Verständnisses und damit einer Einigung
212
FAZIT
wird eine Vereinbarung getroffen. In vielen Fällen kommt es dabei nicht zu einem
Vertragsabschluss mit formalen Verträgen (z. B. über die Aufteilung gemeinsam
generierten geistigen Eigentums), da die Integration als Vertrauensbeziehung
geführt wird. Entscheidend ist aber, dass über die Rahmenbedingungen und die
gemeinsamen Integrationsziele Übereinstimmung erzielt worden ist.
Gestaltungsempfehlungen Realisierungsphase
Im dritten Schritt schliesslich kommt es zur operativen Gestaltung und Umsetzung
der Partnerschaft und zur Integration der Erkenntnisse und Ergebnisse. Diese Phase
resultiert schliesslich in der Beendigung der Integration, falls diese auf Einmaligkeit
ausgelegt war oder im Beginn neuer Integrationsprojekte. Die operative Gestaltung
erfolgt anhand der beiden identifizierten Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und
Interaktionsprozess.
Im Gestaltungsfeld Integrationsstruktur gilt es, aufbauend
Innovationskultur, den Prozess der Kundenintegration auch
Ebene zu strukturieren. Dabei stehen vor allem die folgenden
zur Verfügung: die Verbindungsstärke, die zeitliche Struktur
Zahl der integrierten Kunden und der Interaktionsort.
auf einer offenen
auf der operativen
Gestaltungsfaktoren
der Integration, die
Eine hohe Verbindungsstärke kann durch eine hohe Frequenz der Treffen oder die
Schaffung einer eigenen Position innerhalb des Herstellerunternehmens, welche den
Kontakt (und die Verantwortung) für die Kunden bzw. deren Integration
übernimmt, erzielt werden. Bei allen Rollen, mit Ausnahme des Sensors, wird eine
hohe Intensität der Verbindung benötigt. Am höchsten ist die Intensität bei den
Spezialisten und Spezifikatoren. Die zeitliche Struktur der Integration wird durch
die Dauer und die Häufigkeit der Interaktion bestimmt. Dabei kommen für die
Rollen des Sensors und Selektors vor allem punktuelle Zeitmuster für die
Spezialisten und Spezifikatoren temporäre Muster zur Anwendung. Letztere
erstrecken sich über einen längeren Zeitraum und bilden die Voraussetzung dieser
auf intensiver Zusammenarbeit beruhenden Rollen. Die Zahl der integrierten
Kunden hängt zunächst primär von der jeweiligen Rolle ab. Die Rollen des
Spezialisten und Spezifikators schliessen durch ihre intensive bilaterale
Kooperation die gleichzeitige Einbindung mehrerer Kunden (für ein Projekt) aus.
Bei den beiden anderen Rollen zeigt sich, dass die Wettbewerbssituation der
Kunden untereinander und das Differenzierungspotenzial durch die Produkte des
Herstellers wesentliche Kriterien bei der Entscheidung zwischen Einzelkunden und
Kundengruppen darstellen. Der Ort der Interaktion kann prinzipiell bei einem der
beiden Partner (Hersteller oder Kunde) oder an einem neutralen dritten Ort
KERNAUSSAGEN
213
angesiedelt sein. Neutrale Orte werden vor allem dann gewählt, wenn der Hersteller
seine eigene Rolle nicht betonen will und das Ziel ein neutraler Workshop mit
mehreren externen Partnern ist. Daher kommen neutrale Orte praktisch
ausschliesslich in Kombination mit der Integration einer Kundengruppe zur
Anwendung. Typisch für die Rolle des Spezifikators ist eine längerfristige
physische Anwesenheit des Kunden direkt im Entwicklungsgebäude des
Herstellers. Für den Selektor kann es je nach Reifegrad des diskutierten Konzeptes
sinnvoll sein, zumindest Teile der Integration am Ort der späteren Anwendung
durchzuführen.
Neben einem hohen Niveau an struktureller Integration muss auch das
Gestaltungsfeld Interaktionsprozess entsprechend gestaltet werden. Wesentliche
Elemente dafür sind die Transparenz der Rolle und des Prozesses, der kulturelle Fit
zwischen dem Hersteller und dem Kunden, die gemeinsame Wissensgenerierung
sowie die Kundenmotivation. Um Transparenz im Sinne grosser Offenheit und
Aufmerksamkeit zu erreichen, müssen die Erwartungen an den integrierten Kunden
explizit kommuniziert werden. Neben einem klaren Verständnis ihrer eigenen Rolle
müssen die Kunden eine genaue Vorstellung davon haben, wie ihre Beiträge im
Rahmen des Innovationsprozesses weiterverarbeitet werden. Der zweite
Gestaltungsfaktor betrifft den kulturellen Fit bzw. die kognitive Kompatibilität. Der
Hersteller muss danach trachten, durch die Kundenauswahl und den
Informationsaustausch während der Integration, ein gemeinsames Verständnis
bezüglich der Rahmenbedingungen, Ziele und Prioritäten zu erzielen. Der dritte
Faktor betrifft den Kern der Interaktion, die gemeinsame Wissensgenerierung.
Dabei lassen sich folgende Einteilungen treffen. Einerseits erfolgt eine
Unterscheidung in implizites und explizites Wissen und andererseits bezüglich der
Wissensentstehung in Wissensakquise und Wissenskonversion. Wissensakquisition
kann im Rahmen der frühen Kundenintegration vor allem im Rahmen der
eigentlichen Interaktion passieren. Dabei kann es zu einer direkten Akquisition des
Kundenwissens durch den Hersteller bzw. umgekehrt oder zu einem Austausch
zwischen verschiedenen Kunden kommen. Im Hinblick auf die
Wissenskonvertierung wurden für den Fokus dieser Arbeit die Kombination
(explizit mit explizit) und die Externalisation (implizit zu explizit) als relevant
identifiziert. Gerade diese beiden Wissensgenerierungsmechanismen manifestieren
die Grundintention der frühen Kundenintegration. Hersteller müssen also dem
Kunden die Möglichkeit geben, vielfältige Interpretationen eines gegebenen
Produktes oder einer Technologie anzustellen sowie diese mit anderen Mitgliedern
des Projektteams auszutauschen. Ein verteiltes Wahrnehmungssystem unterstützt
solche Interpretationen und Dialoge innerhalb des Innovationsteams durch die
214
FAZIT
Bereitstellung reicherer Formen der Selbstreflexion und Kommunikation. Die
Rollen des Sensors und des Spezifikators basieren vor allem auf der Kombination
externen Wissens, während bei den beiden anderen Rollen hauptsächlich die
Externalisierung wesentlich ist. Dementsprechend müssen die Instrumente der
Unterstützung der Wissensgenerierung durch den Hersteller ausgewählt und
angepasst werden. Die Umsetzung des so entstehenden Wissens hängt an den
integrativen Fähigkeiten der Herstellerfirma und damit an den Systemen und
Prozessen, welche diese unterstützen.
Die Kundenteilnahme im Innovationsprozess beruht in den meisten Fällen auf
freiwilligem Engagement. Es müssen also Anreize vorhanden sein bzw. geschaffen
werden, die zu einer entsprechenden Kundenmotivation führen. Derartige Anreize
liegen in Vorteilen, welche dem Kunden durch das Ergebnis der Integration oder
durch die Ausübung der jeweiligen Rolle erwachsen. Daher muss der Hersteller
diese Vorteile sorgfältig analysieren, um durch die Wahl geeigneter
Gestaltungselemente die Motivation des Kunden erhöhen zu können.
Produktbezogene Vorteile stellen die wichtigste Gruppe dar, wobei die Möglichkeit
direkt auf den Innovationsprozess einzuwirken und dadurch die
Produkteigenschaften mitzubestimmen den Schwerpunkt bildet. Dazu kommt eine
mögliche Verbesserung der Qualität des Produktes, welche der Kunde durch seine
direkte Beteiligung erzielen kann. Der Hersteller kann diese grundsätzlich
vorhandenen Vorteile verstärken, indem er dem Kunden die Bedeutung seiner Rolle
verdeutlicht und die gewonnenen Erkenntnisse auch gegenüber anderen
Marktteilnehmern klar kommuniziert. Neben diesen extrinsischen Anreizen wirken
Kunden, intrinsisch motiviert, schliesslich auch darum bei der Produktentwicklung
mit, weil sie es als attraktiv empfinden, ihre Neugierde bezüglich des Produktes
oder der Technologie kreativ zu befriedigen. Für diese Seite der Kundenmotivation
kann die Open-Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche
Erklärungen und Gestaltungsansätze dienen. Es gilt ein Umfeld zu schaffen, in dem
neben dem persönlichen Nutzen der Wunsch nach Anerkennung und Reputation
erfüllt werden kann. Betrachtet man die Natur der Beiträge und der Interaktionen
der frühen Kundenintegration, so lässt sich feststellen, dass bei allen Rollen vor
allem die produktbezogenen Vorteile wesentlich sind. Für die Rolle des Selektors
haben darüber hinaus auch gemeinschaftsbezogene Vorteile grosse Bedeutung, da
die Kundenintegration am Ende der Innovationsfrühphase verstärkt dem Aufbau
eines sozialen Beziehungsnetzes für und mit den integrierten Kunden dient.
Der letzte Schritt der Realisierungsphase liegt schliesslich in der Integration der
Ergebnisse der frühen Kundenintegration in den Innovationsprozess des Herstellers.
Einerseits müssen die Erkenntnisse dokumentiert und gespeichert werden und
KERNAUSSAGEN
215
andererseits gilt es, einen Kommunikationsprozess zu etablieren, welcher die
firmeninterne Verbreitung der Integrationsresultate zum Ziel hat. Ein derartiger
organisatorischer Lernprozess stellt den notwendigen abschliessenden Bestandteil
erfolgreicher früher Kundenintegration dar.
Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zu Ablauf und
Organisation der frühen Kundenintegration wurden in Thesen verdichtet, welche im
Folgenden in Tabelle 9 noch einmal zusammenfassend aufgelistet werden.
Daran anschliessend werden im Ausblick die wichtigsten Trends und
Entwicklungen aufgezeigt, welche die Öffnung des frühen Innovationsprozesses –
sowohl generell als auch speziell für Kunden – beeinflussen werden. Abschliessend
folgt ein kurzer Überblick der wesentlichen offenen Forschungsschwerpunkte der
frühen Kundenintegration.
216
FAZIT
1: Eine generelle offene Innovationsstrategie des Herstellers, als Ergebnis einer übergeordneten
Analyse der eigenen Kompetenzfelder und des Umfeldes, ist als strategische Ebene des
unternehmerischen Rahmens Grundvoraussetzung einer erfolgreichen frühen Kundenintegration.
2: Die kulturelle Ebene des für erfolgreiche frühe Kundenintegration notwendigen unternehmerischen
Rahmens bildet eine offene Innovationskultur des Herstellers, erreicht durch eine Vorbildwirkung des
Managements und eine aktive Bekämpfung des Not-Invented-Here-Syndroms.
3: Eine prinzipielle strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration in der Organisation des
Herstellers, von der Zuordnung eindeutiger Aufgaben und Verantwortlichkeiten bis hin zu speziellen
Organisationseinheiten, stellt als strukturelle Ebene des unternehmerischen Rahmens eine wesentliche
Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung der frühen Kundenintegration dar.
4: Im Rahmen einer Integrationsstrategie des Herstellers bezüglich früher Kundenintegration müssen
die spezifischen Ziele des Herstellers und damit die Rolle des Kunden für die Integration festgelegt
werden.
4a: Je sorgfältiger die Entscheidung zur Kundenintegration auf einer Integrationsstrategie, resultierend
aus einer detaillierten Analyse der eigenen Kompetenzen sowie einer Identifikation möglicher
Kooperationsfelder, basiert, desto besser sind die Erfolgsaussichten des darauf aufbauenden
Kundenintegrationsprozesses.
4b: Je genauer bei der Ergebnisfestlegung das spezifische Ziel des Herstellers berücksichtigt wird,
desto grösser sind die Chancen einer erfolgreichen Zielerreichung im folgenden
Kundenintegrationsprozess.
5: Die Rolle des Kunden hat entscheidenden Einfluss auf die Kundenauswahl sowie die operative
Gestaltung der frühen Kundenintegration.
5a: Je mehr die Rolle des Kunden bei der Kundenauswahl, in Form von entsprechenden Suchstrategien
und Selektionskriterien, berücksichtigt wird, desto zielgerichteter kann diese erfolgen und desto
grösser ist die Chance geeignete Kunden zu finden.
5b: Je sorgfältiger beim Vertragsabschluss die gemeinsame Zielfindung durchgeführt sowie die Fragen
des geistigen Eigentums geklärt werden, desto geringer ist das Konfliktpotenzial und desto höher die
Erfolgswahrscheinlichkeit der interaktiven Zusammenarbeit.
6: Die für den Erfolg notwendige rollenspezifische Organisation der frühen Kundenintegration wird auf
der operativen Ebene durch die Ausprägung der Gestaltungsfaktoren in den beiden Gestaltungsfeldern
Integrationsstruktur und Interaktionsprozess bestimmt.
6a: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss die Integrationsstruktur der
frühen Kundenintegration mittels der Faktoren (1) Verbindungsstärke, (2) zeitliche Struktur, (3) Zahl
der Kunden und (4) Ort der Interaktion an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation
angepasst werden.
6b: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss der Interaktionsprozess der
frühen Kundenintegration an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation angepasst werden.
Diese Anpassung erfolgt mit den Faktoren (1) Prozess- und Rollentransparenz, (2) kultureller Fit, (3)
Wissensgenerierung und (4) Kundenmotivation.
7: Je mehr die organisatorischen Lernprozesse des Herstellers institutionalisiert und unterstützt werden,
desto besser kann die Integration der Ergebnisse der frühen Kundenintegration in das Unternehmen
des Herstellers erfolgen.
Tabelle 9: Thesen zur erfolgreichen frühen Kundenintegration
AUSBLICK
7.2
217
Ausblick
Die Ergebnisse dieser Arbeit ruhen im breiten Kontext eines offenen
Innovationsparadigmas, welches kooperative Innovationsprozesse zum Imperativ in
einem herausfordernden, sich rasch wandelnden Geschäftsumfeld macht. Generell
zeigt sich ein verstärkter Trend zu neuen Formen der Innovationsentstehung, wobei
die Kunden als zentrale Partner eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Im
Folgenden wird ein Ausblick auf relevante Entwicklungen und Trends im Umfeld
des Innovationsmanagements gegeben, von denen zu erwarten ist, dass sie die
Bedeutung und Gestaltung früher Kundenintegration in naher Zukunft entscheidend
beeinflussen werden (vgl. Abb. 40).
Gruppen und
Individuen als
neue Orte der
Innovationsentstehung
Virtualisierung des
Innovationsprozesses
Frühe
Kundenintegration
Diskretisierung
der
Innovationsfrühphase
Idea Supply Chain
als Element des
„360°Unternehmens“
Aufbruch der
klassischen
Eigentumsrechte
Abbildung 40: Aktuelle Entwicklungen und Trends im Umfeld der frühen
Kundenintegration
218
7.2.1
FAZIT
Aktuelle Entwicklungen und Trends
Virtualisierung des Innovationsprozesses
Die beschriebenen Ausprägungen früher Kundenintegration basieren zu einem
überwiegenden Teil auf persönlichen Interaktionen. In jüngster Zeit zeigen sich, vor
allem im Bereich der Integration von Konsumenten (B-2-C), verstärkt Tendenzen,
die persönliche Integration durch eine virtuelle zu ersetzen. Zwei aktuelle
Entwicklungen verkörpern diesen Trend. Einerseits neue Kundenevaluations- und
Marktforschungsmethoden, welche unter dem Begriff „Virtual Customer Initiative“
in einem Forschungsschwerpunkt am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
erforscht und entwickelt werden. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Modelle
können durch den Einsatz von neuen Produktentwicklungsinstrumenten vom
Kunden schneller, mit höherer Genauigkeit und kostengünstiger beurteilt werden.
Andererseits werden vermehrt so genannte „User Tool Kits for Innovation“
eingesetzt. Dabei werden bedürfnisbezogene Innovationsaufgaben mithilfe eines ITbasierten Entwicklungsbaukastens an den Kunden ausgelagert. Der Kunde wird
dadurch in die Lage versetzt, eine komplette Serie von Entwicklungszyklen zur
Entwicklung seines „persönlichen Produktes“ zu durchlaufen. Kombiniert mit
Informationen
über
verwendbare
Komponenten,
Module
und
Produktbeschränkungen (z. B. produktionsbedingte Restriktionen) können diese
Werkzeugsätze zeit- und kostenintensive Iterationsschleifen zwischen Herstellern
und Kunden eliminieren. Auch wenn dieser Ansatz nicht für alle Märkte und
Produkte geeignet ist, so findet er doch immer mehr Verwendung und weist als
Extremform den Weg zu steigenden Wertschöpfungsanteilen der Kunden im
Innovationsprozess.
Beide
Entwicklungen
basieren
auf
neuen
Kommunikationsund
Informationstechnologien, wie dem Internet, schnellen Breitbandnetzen, neuen
Algorithmen und Multimedia-Visualisierungswerkzeugen.
Im Kontext der frühen Kundenintegration betrachtet fällt zunächst die Relevanz der
Virtual Customer Ansätze für die Rolle des Selektors auf. Die bisherigen
Realisierungsbeispiele gehen zwar noch in Richtung einer Virtualisierung
klassischer Marketingtools (z. B. Conjoint Analysen) und verkörpern damit das alte
Paradigma der möglichst genauen und effizienten Erfassung der
Kundenbedürfnisse. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass diese Instrumente auch
für eine aktive Kundenrolle adaptiert werden. Dies würde beispielsweise bedeuten,
dass der Kunde nicht mehr „nur“ Merkmalskombinationen und Preispräferenzen
auswählt, sondern die Möglichkeit hat, aktiv sein Wissen einzubringen und an der
AUSBLICK
219
eigentlichen Innovationsentstehung mitzuwirken. Genau diese Mithilfe bei der
Verfeinerung früher Konzepte charakterisiert ja die Rolle des Selektors. Aber auch
für die anderen Rollen können durch diese neuen Technologien und Methoden
gewisse Abläufe vereinfacht werden. Dies betrifft vor allem diejenigen
Integrationsaktivitäten, bei denen eine persönliche Interaktion nicht unbedingt
notwendig ist, da ein relevanter Anteil an explizitem Wissen des Kunden vorhanden
ist bzw. eine Arbeitsteilung temporäre Phasen der Einzelarbeit erlaubt. Dies ist
beispielsweise für bestimmte Phasen der Integration eines Spezialisten vorstellbar,
bei denen jede Seite ihre Fachkompetenz in sequenziellen Schritten in das Konzept
integriert und der Austausch der Zwischenergebnisse über eine IT-Plattform
erfolgen könnte.
Generell gilt aber für die frühe Kundenintegration, dass persönliche Interaktion,
allein schon durch den systemischen Charakter der Aufgaben und den
dominierenden impliziten Wissensmodus der meisten Innovationsprojekte, immer
einen wesentlichen Bestandteil bilden wird. Daher werden für den eigentlichen
innovativen Teil der Frühphase User Toolkits for Innovation auch nur sehr
beschränkt Relevanz erlangen. Sie können aber, ergänzend eingesetzt, sehr wohl
aufwändige Iterationsschleifen zwischen Hersteller und Kunde eliminieren. Zu
beachten ist dabei, dass sich bei derartigen Ansätzen die eigentliche
Innovationsleistung des Herstellers in die Entwicklung des Toolkits und einer
passenden modularen Produktarchitektur verlagert.
Gruppen und Individuen als neue Orte der Innovationsentstehung
Betrachtet man den Ort der Innovationsentstehung in einem sozialen Sinn, so
entwickeln sich gerade zwei extreme Formen, welche beide eine klare
Emanzipation von der bisherigen Dominanz der Hersteller darstellen. KundenCommunities als netzwerkartige Kundengruppen, welche ohne starke
Beeinflussungsmöglichkeit durch den Hersteller produktspezifische Aktivitäten
durchführen, bilden dabei den ersten Extrempol. Die Spannweite derartiger
Gemeinschaften reicht von der Gemeinsamkeit der Benutzung eines Produktes
(z. B.
Fahrer
eines
bestimmten
Autotyps)
bis
zur
kompletten,
herstellerunabhängigen Entwicklung des Produktes. Diese extreme Form der
Kundeninnovation passiert beispielsweise im Rahmen der sehr erfolgreichen OpenSource-Softwareentwicklung, welche durch autarke Communities dominiert wird.
Die Vorbildfunktion für die frühe Kundenintegration liegt dabei vor allem im
Bereich der intrinsischen Seite der Motivationsstruktur des Kunden. Hier kann die
Open-Source-Bewegung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen. Was
motiviert beispielsweise einen Linuxprogrammierer dazu, Programmcodes zu
220
FAZIT
schreiben und diesen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Neue Untersuchungen
zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen und die Befriedigung des eigenen
Egos Open-Source-Entwickler antreiben.
Im Folgenden soll skizziert werden, wie zusätzlich zu diesen Motivationsaspekten
weitere Elemente der Open-Source-Entwicklung auf andere Industrien übertragen
werden könnten. Dazu wird der Begriff „geführte Kundennetzwerke“ bzw.
Managed Customer Networks (MCN) eingeführt, um eine Mischform zwischen
Kunden-Communities und der frühen Kundenintegration zu beschreiben, welche
sich sehr wahrscheinlich in nächster Zeit etablieren wird. Die Idee dahinter liegt in
der Kombination der Innovationskraft von Communities mit der Steuerbarkeit und
Fokussierung der Modelle persönlicher Interaktion.
Ein geführtes Kundennetzwerk soll sich dabei durch folgende Charakteristika
auszeichnen:
¾ Das zugrunde liegende Rational ist die Kombination der Vorteile
persönlicher Interaktion mit der Dynamik, Kreativität und Innovationskraft
von Communities.
¾ Der Vorteil des Kunden liegt in der unmittelbaren Beeinflussung der
Innovation sowie in den Vorzügen und sozialen Anreizen einer
Gruppenzugehörigkeit.
¾ Als Instrumente kommen sowohl virtuelle Netzwerke und als auch
persönliche Treffen zum Einsatz.
¾ Die Interaktionsintensität ist hoch und es kommt zu einem Austausch von
implizitem und explizitem Wissen.
¾ Der Organisationsgrad ist mittel, d. h. niedriger als bei der frühen
Kundenintegration, aber höher als bei autarken Communities.
¾ Die Initiative zum Aufbau und zur Teilnahme kommt sowohl vom Hersteller
als auch vom Kunden.
Einer der entscheidenden Vorteile eines geführten Kundennetzwerkes liegt in
seinem mittleren Organisationsgrad. Prinzipiell kann zwischen einem hohen
Organisationsgrad mit fokussiertem Vorgehen, welches sich an einen einzelnen
Interaktionspartner richtet und niedrig organisiertem, ungerichtetem Vorgehen im
Sinne des Interagierens mit einer grossen Gruppe unterschieden werden. Geführte
Kundennetzwerke liegen genau zwischen diesen beiden Ausprägungen und besitzen
gerade dadurch das höchste Innovationspotenzial. So weisen sie zwar ebenfalls
AUSBLICK
221
einen gewissen Organisationsbedarf auf, verfügen aber auch über ein nicht
steuerbares Eigenleben, welches die für Durchbruchsinnovationen nötigen kreativen
Freiräume sicherstellt. Darüber hinaus geht die Initiative für geführte
Kundennetzwerke zu annähernd gleichen Teilen vom Hersteller und den Kunden
aus (d. h. der Kunde ist diesbezüglich aktiver als bei der frühen Kundenintegration).
Dies erhöht die Chance, ein längerfristiges hohes Commitment auch vonseiten des
Kunden zu erhalten.
Prahalad und Ramaswamy (2004) beschreiben das andere Extrem einer kompletten
Individualisierung der Innovationsentstehung. Sie stellen die Zukunft des
Wettbewerbs als einen komplett neuen Ansatz der Wertschöpfung dar, in dem
personalisierte Co-Creation-Erfahrungen – ermöglicht durch technische und soziale
Infrastruktur – jedem Kunden erlauben, einzigartigen Nutzen innerhalb eines
Netzwerkes aus Firmen und Kunden-Communities mitzuentwickeln.34 Die Gründe
sehen sie in einer Konvergenz von Industrien und Technologien, welche zu
allgegenwärtigen Anschlussmöglichkeiten an Informationsquellen und zu einer
Globalisierung des Wissens geführt hat. Als Konsequenz daraus entwickelt sich die
Rolle des Kunden von der eines passiven Empfängers hin zu einem aktiven
Wertschöpfungspartner. Es bedarf daher eines neuen Bezugsrahmens der
Wertschöpfung, welcher dieser veränderten Situation gerecht wird. Vermehrt
interagieren einzelne Kunden mit einem Netzwerk an Unternehmen und KundenCommunities, um an Wertschöpfungsprozessen zu partizipieren. Weder können
Unternehmen Wertschöpfung länger autonom betreiben noch ist der Wert in den
Produkten und Serviceangeboten per se eingebettet. Produkte nehmen nunmehr die
Rolle von Artefakten ein, um die herum überzeugende individuelle Erfahrungen
kreiert werden müssen. Als Ergebnis wird der Fokus der Innovation von den
Produkten und Serviceangeboten zu Erfahrungsumgebungen wandern, mit denen
Einzelne interagieren können, um ihre eigenen Erlebnisse mitzugestalten. Derartige
personalisierte Co-Creation-Erfahrungen können eine Quelle von einzigartigem
Wert sowohl für den Kunden als auch den Hersteller darstellen. Allerdings müssen
Unternehmen für diese entstehenden Gelegenheiten neue strategische Ansätze (eine
neue Theorie des Wettbewerbs) aufbauen. Die Herausforderungen betreffen dabei
sowohl funktionale und organisatorische Aspekte als auch Fragestellungen der
zugrunde liegenden Infrastruktur und der Corporate Governance.
Von Hippel (2005) beschreibt in seinem neuesten Buch ähnliche Entwicklungen
und spricht dabei von einer rasch wachsenden Demokratisierung der Innovation.
Benutzer
sind
durch
Verbesserungen
der
Computerund
34
Es erfolgt dabei keine Unterscheidung mehr zwischen B-2-B- und B-2-C-Märkten.
222
FAZIT
Kommunikationstechnologien immer mehr in der Lage, ihre eigenen Produkte und
Services zu entwickeln. Dabei sind diese fortschrittlichen Kunden (Lead-User) –
sowohl Einzelpersonen als auch Firmen – oft bereit, ihre Innovationen frei mit
anderen zu teilen und dadurch Kundeninnovationsgemeinschaften auf einer breiten
gemeinsamen Wissensbasis zu schaffen. Der Trend in Richtung einer
demokratischen Innovation ist zunächst vor allem in der Informationsverarbeitungsund Softwarebranche, aber in ersten Ansätzen auch bereits für physische Produkte
sichtbar. Die Kundeninnovation bietet dabei einen wertvollen Grundstock der
Herstellerinnovation und ist darüber hinaus in der Lage, einen grösseren
volkswirtschaftlichen Nutzen als reine Herstellerinnovationssysteme produzieren.
Idea Supply Chain als Element des „360°-Unternehmens“
Es gibt bei vielen Unternehmen neben den klassischen Marketingaktivitäten noch
keinen etablierten Prozess zur Integration von Kunden in den Innovationsprozess,
so wie dies mittlerweile für die Integration der Zulieferer selbstverständlich ist. Als
Zukunftsvision kann in Anlehnung an die klassische Supply Chain von einer Idea
Supply Chain gesprochen werden. So wie ein Unternehmen die Zulieferkette
strategisch und operativ kontrollieren und flexibel managen muss, so gilt es in
Zukunft auch, mit den Ideen und Innovationsanregungen von aussen zu verfahren.
Aktuelle Studien zur Supply Chain zeigen, dass grössere Geschwindigkeit und
bessere Kosteneffektivität nicht ausreichen, um relevante Wettbewerbsvorteile zu
erzielen. Um eine so genannte „Triple A Supply Chain“ zu bilden, bedarf es der
folgenden drei Kriterien. Agilität, Anpassungsfähigkeit und einheitliche
Ausrichtung. Ähnliche Ziele werden auch auf der anderen Seite der
Wertschöpfungskette – für die „Ideen-Nachschub-Kette“ – wesentliche Rollen
spielen. Es reicht nicht mehr, einzelne Kunden für spezielle Projekte in den
Innovationsprozess zu integrieren, das Ziel muss sein, einen Zulieferprozess zu
etablieren, der einen kontinuierlichen Strom an hochwertigen Ideen und weiterem
Innovationsinput für alle Phasen des Innovationsprozesses sicherstellt. Dabei spielt
es, in Analogie zur Versorgung mit Zulieferteilen, eine wesentliche Rolle, auf
Änderungen der Bedürfnisse zu reagieren sowie Störungen ruhig und gedämpft
meistern zu können. Auch eine Anpassung an interne und externe
Rahmenbedingungen muss ständig erfolgen, ebenso wie eine Abstimmung mit den
integrierten Kunden bzw. Partnern der Nachfrageseite.
Ein nahe liegender nächster Schritt ist nun die Kombination der Zuliefer- mit der
Nachfrageseite, zu einer Vision eines „360°-Unternehmens“, in welchem sowohl
die Zulieferprozesse für Güter und Services als auch jene für externe Ideen in die
AUSBLICK
223
operativen Prozesse integriert werden. Dabei kann für die Ideenseite von vier
grossen Partnergruppen nämlich den Kunden, Zulieferern, Komplementäranbietern
und Universitäten bzw. Experten ausgegangen werden.
Derartig umfassende operative Kooperationen werfen die folgenden Fragen auf:
¾ Wie schaut ein gut funktionierendes 360°-Unternehmen aus und was
kann es leisten?
¾ Was sind die Gefahren der Öffnung bzw. Auslagerung und wie
können sie überwunden werden?
¾ Wie können Prozesse, welche ein Hersteller nicht vollständig
kontrolliert, trotzdem von diesem transformiert und optimiert werden?
¾ Was sind die Rollen und Verantwortlichkeiten der direkt betroffenen
Personen und des Managements?
¾ Welche kulturellen Herausforderungen gibt es in 360°-Unternehmen
und wie können sie gemeistert werden ?
Von entscheidender Wichtigkeit ist es, das ganze Spektrum an möglichen
Kooperationspartnern auszunutzen, denn die Einbindung verschiedener Partner in
allen Phasen des Innovationsprozesses führt zu den grössten Hebeleffekten zur
Steigerung der Innovationskraft. Ausserdem ist es vorteilhaft, eine Auswahl an
permanenten Partnern aufzubauen. Dieses ermöglicht, in Verbindung mit einer in
einem systematischen Prozess aufgebauten Partnerschaftskompetenz, bei Bedarf
spontan auf einen Partner zurückzugreifen, ohne zuerst einen langen
Selektionsprozess und Beziehungsaufbau durchlaufen zu müssen. Das Ziel liegt
damit darin, ein Portfolio von Partnerschaftskontakten zu pflegen, welches
einerseits Übersicht über das Wissen Externer gewährt, aber auch Aufschluss über
die Gewichtung der beabsichtigten Innovationen gibt.
Aufbruch der klassischen Eigentumsrechte
Ein wesentlicher Aspekt jeder Art von offener Innovation ist die Frage der
Verwertung der generierten Ergebnisse und damit der Rechte am geistigen
Eigentum. Gemeinschaftliche Innovationsfrühphasen verlangen nach neuen
Mechanismen zur Verteilung der innovationsbezogenen ökonomischen Renten.
Traditionellerweise waren Unternehmen in der Vergangenheit unter anderem auch
aufgrund möglicher Probleme mit dem geistigen Eigentum nur zögerlich dazu
bereit, externe Partner (wie z. B. Kunden) in die Entwicklung neuer Produkte
224
FAZIT
einzubinden. Die Entstehung eines digitalen Wirtschaftsraumes, in dem kollektive
Methoden der Wissensgenerierung eine bedeutende Rolle einnehmen, bedingt eine
erneute Betrachtung der Art und Weise, wie die ökonomischen Renten einer
Innovation verteilt werden. Diese Fragestellung ist besonders schwierig zu
beantworten, wenn die neue Idee Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses ist, in dem
die genauen Beiträge der einzelnen Teilnehmer nur schwer zu unterscheiden sind.
Der Hersteller muss sein Interesse an einem Vorteil aus der Kundenintegration mit
der Notwendigkeit einer Aufteilung der ökonomischen Renten aus einer derartigen
Gemeinschaftsinnovation unter eine Hut bringen. Wahrscheinlich wird es daher
notwendig, neue Rechte bzw. Lizenzformen im Industriegüterbereich zu schaffen,
wie dies beispielsweise im Softwarebereich vor kurzem durch die Creativ
Commons License bereits geschehen ist.
Dabei brechen neue Forschungsergebnisse im B-2-C-Bereich mit traditionellen
Annahmen. Die klassische Ansicht der Innovationsforschung geht davon aus, dass
Menschen erwarten, für ihre kreative Arbeit bezahlt zu werden. Daraus ergibt sich
der Bedarf, die Schaffung geistigen Eigentums zu schützen und zu belohnen. Die
neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der von Benutzern bzw.
Konsumenten geführten Innovationen zeigen interessanterweise, dass Kunden
offensichtlich sehr oft bereit sind, ihre Kreativität frei zur Verfügung zu stellen
(z. B. von Hippel 2005). Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich dabei um ihre
einzige praktizierbare Option handelt. Patente sind teuer in der Anschaffung und
bieten oft nur schwachen Schutz. Manche Leute bewerten daher die Steigerung
ihrer Reputation und potenzielle Vernetzungseffekte durch eine freie Verbreitung
ihre Arbeit höher als die Summen, welche sie durch eine rechtlichen Schutz ihre
Ideen erzielen könnten. Dies würde bedeuten, dass die immateriellen Anreize für
viele Kunden dominieren und entsprechend verstärkt werden müssen. Es eröffnet
sich also für Unternehmen die Chance durch eine geschickte Gestaltung ihrer
offenen Innovationsprozesse, mit geringem Aufwand zu grossen Vorteilen zu
gelangen.
Diskretisierung der Innovationsfrühphase
Vorbildfunktion für besondere Rollen des Kunden bzw. spezielle interaktive
Innovationsprozesse hat traditionellerweise die Softwarebranche. Dort herrscht
bereits seit Jahrzehnten eine Tradition der intensiven Zusammenarbeit mit dem
Kunden, aber auch neue Formen beispielsweise das Extreme Programming (XP),
eine durch den Hersteller angestossene Methode der intensiven Kundeneinbindung,
werden permanent entwickelt und können auf ihre Übertragbarkeit in andere
Industrien geprüft werden.
AUSBLICK
225
XP ist ein aktueller Ansatz des Software Engineerings, welcher primär auf dem
Prinzip der Kundenintegration in einen schnellen und iterativen Prototypingprozess
basiert. Anstelle der mehrjährigen Entwicklungsprojektplanung nach möglichst
detaillierten, aus Kundenaussagen abgeleiteten Entwicklungszielen eines
klassischen Software-Projektes steht am Beginn eines Extreme Programming
Projektes der Fokus auf dem gemeinsam herausgearbeiteten Basisbedürfnis des
Kunden. Die Realisierung eines derartigen Basisbedürfnisses dauert oft nur
vergleichsweise kurze Zeit, wodurch Kosten, Dauer, Umfang und Qualität gut
abschätzbar und daher zielgenau erfüllbar sind. Der erste Release oder Prototyp
kann nach kurzer Zeit dem Kunden als Lösung für sein primäres Problem
präsentiert werden. Basierend auf dieser Grundlösung können dann – wieder
gemeinsam mit dem Kunden – weitere relevante, aktuelle Produktanforderungen
identifiziert werden, welche im nächsten Release realisiert werden.
Es stellt sich die Frage, ob sich die Funktionsweise von XP, welche für die
Software-Entwicklung eine neue Dimension der Kundenintegration darstellt, auch
auf die Produktentwicklung von Industriegütern übertragen lässt und welches die
relevanten Implikationen für so einen Transfer sind. Folgende Erkenntnisse lassen
sich direkt ableiten:
¾ Die Frühphase muss in sequenzielle Unterphasen unterteilt werden, in denen
der kreative Prozess stattfindet.
¾ Nach jeder Teilphase wird Kundenwissen freigesetzt und in die nächste
Teilphase integriert.
¾ Statt zahlreicher Feedbackschleifen spät im Prozess, gibt es wenige im
Verlauf der gesamten Frühphase (von der Spezifikationserstellung bis zum
ausgereiften Prototypen).
Dabei bestimmen folgende Determinanten die Übertragbarkeit
Vorgehensweise auf das B-2-B-Umfeld industrieller Güter:
der
XP-
¾ Kundenbedürfnis aufteilbar und nicht systemisch
¾ F&E in Teams und nicht funktional organisiert
¾ Produktsystemarchitektur modular nicht integriert
¾ Steuerung und Projektplanung iterativ und nicht sequenziell
Aus dem Blickwinkel der in dieser Arbeit identifizierten Kundenrollen, würde eine
derartige Vorgehensweise eine Verschmelzung der Rollen des Spezifikators und
226
FAZIT
Selektors in einem Kunden bedeuten. Dies impliziert im industriellen Umfeld ein
komplexes und seltenes Kompetenzprofil des Kunden, verspricht aber Vorteile
durch reduzierten Akquisitions- und Kommunikationsaufwand im Vergleich zur
Integration zweier verschiedener Kunden.
7.2.2
Offene Forschungsschwerpunkte
Die Bedeutung eines offenen Innovationsprozesses wird auch in Zukunft weiter
zunehmen. Nur durch diese Öffnung wird es Unternehmen gelingen, unter den sich
immer weiter verschärfenden Randbedingungen, die notwendigen Innovationen
hervorzubringen. Dabei wird, wie im vorhergehenden Abschnitt skizziert wurde,
sowohl die Verbreitung der frühen Kundenintegration ansteigen als auch deren
Ausgestaltung und Einbindung in die Öffnung des gesamten Unternehmens
wesentliche Veränderungen erfahren. Daraus, sowie basierend auf den Ergebnissen
dieser Arbeit, welche spezifische Kundenrollen und Gestaltungskonzepte der frühen
Kundenintegration aufgezeigt hat, ergeben sich folgende mögliche zukünftige
Forschungsschwerpunkte:
¾ Im Sinne eines mehrstufigen Forschungsdesigns wäre der nächste grosse
Schritt eine quantitative Validierung des entwickelten konzeptionellen
Managementmodells. Dies würde auch weiter gehende Erkenntnisse über
den tatsächlichen Verlauf früher Kundenintegrationsprozesse liefern.
¾ Ein zentraler weiterer Forschungsschwerpunkt läge in einer näheren
Untersuchung des Zusammenhangs der frühen Kundenintegration mit dem
Innovationserfolg des Herstellers. Ein erster Ansatz für einen derartigen
Erfolgsnachweis könnte die Ermittlung der Erfolgsraten der
unterschiedlichen Ausprägungen der frühen Kundenintegration sein. Dazu
müssten zunächst die Auswirkungen der einzelnen eingesetzten Strategien,
Rollen und Unterstützungsmechanismen auf die Erfolge der
Neuproduktentwicklung bzw. des Innovationsprozesses (z. B. den ProduktMarkt-Fit und die Durchlaufzeit) erhoben werden.
¾ In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf die Sichtweise des Herstellers
gelegt. Die Ziele der Kunden sind nicht Thema dieser Arbeit. Generell lässt
sich feststellen, dass eine Forschungslücke darin besteht, die verschiedenen
Rollen der Kundenintegration aus Sicht des Kunden zu betrachten. Dazu
müssten Daten aus Kundensicht, vor allem für den Interaktions- und
Motivationsteil, erhoben werden.
AUSBLICK
227
¾ Ein Abgleich mit den bestehenden Ergebnissen kann wertvolle Einsichten in
mögliche Interaktionseffekte der verschiedenen Gestaltungselemente liefern
und damit das Modell weiter bereichern.
¾ Offene Fragen stellen auch die Erweiterung der frühen Kundenintegration zu
einem Managed Customer Network bzw. ihre Integration in den grösseren
Zusammenhang einer erweiterten Unternehmung („360°-Unternehmen“) dar,
wie dies in Abschnitt 7.2.1 angedeutet worden ist.
¾ Schliesslich ergibt sich noch die interessante Fragestellung der
Übertragbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse auf andere Innovationsarten als
Produktinnovationen. Dies könnte beispielsweise eine Anpassung des
Modells an die Spezifika der frühen Integration von Kunden zur Erhöhung
der Innovationsfähigkeit für Prozesse und Serviceangebote bedeuten.
Es lässt sich also abschliessend feststellen, dass die Integration des Kunden im
Rahmen der frühen aktiven Kundenintegration grosse Potenziale bietet, die
Innovationsfähigkeit des Herstellers zu erhöhen. Zur Nutzung dieser Chancen
bedarf es eines sorgfältig aufgesetzten Prozesses, welcher strategisch und strukturell
in den Innovationsprozess des Herstellers eingebettet sein muss. Das entwickelte
Managementmodell ermöglicht eine effektive und effiziente Integration von
Kunden entlang von vier identifizierten spezifischen Kundenrollen. Diese Arbeit
stellt allerdings nur einen kleinen Baustein im grossen Feld der Erforschung offener
Innovationsprozesse dar. Das Bestreben nach Erweiterung und Validierung
bestehender Modelle sowie die sich permanent verändernden Rahmenbedingungen
sorgen für einen praktisch unerschöpflichen Strom an neuen interessanten
Aufgabenstellungen für zukünftige Forschungsaktivitäten.
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244
ANHANG 1
Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden und Ergänzungsfragen
Interviewleitfaden „Kundeneinbindung in den Innovationsprozess“
Allgemeine Fragen
1. Wie würden Sie die Technologiedynamik Ihrer Branche beschreiben?
2. Wie schaut die Wettbewerbsintensität und -struktur Ihrer Branche aus (z. B.
Oligopol)?
3. Wie würden Sie die Struktur Ihres Marktes mit Blick auf die Kunden
beschreiben (z. B. viele grosse Kunden oder zersplittert)?
4. Charakterisieren Sie bitte kurz Ihre Hauptkunden (bzw. Kundentypen)!
5. Wie schaut die Wertschöpfungskette in Ihrem Umfeld aus und wo stehen Sie
bzw. Ihre Kunden?
6. Wie viele Mitarbeiter hat Ihre F&E-Abteilung?
7. Wie hoch ist der Umsatz Ihres Unternehmens (bzw. der Division für den die
F&E-Abteilung arbeitet)?
8. Wie hoch sind die Investitionen in Ihre F&E-Abteilung (absolut oder in Prozent
des Umsatzes)?
9. Wie ist das Verhältnis zwischen internen und externen F&E-Ausgaben (falls
verfügbar)?
10. Wie gross ist der Anteil der radikalen Innovationen (im Vergleich zu
inkrementellen Innovationen) in Ihrem Unternehmen?
11. Was waren die letzten drei erfolgreichen („bahnbrechenden“) Innovationen Ihres
Produkt-/Marktbereiches?
INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN
245
12. Was waren die Quellen dieser Innovationen?
13. Anzahl neuer Produkte (exkl. Produktverbesserungen) im Markt innerhalb der
letzten drei Jahre?
14. Anteil neuer Produkte (nicht älter als drei Jahre) am Umsatz Ihrer
Abteilung/Division?
15. Wie beurteilen Sie generell die Verfügbarkeit von finanziellen, materiellen und
personellen Ressourcen in Ihrem Unternehmen/Wettbewerbsumfeld?
Kundeneinbindung allgemein
16. Wie ist Ihr Innovationsprozess strukturiert? In welchen Schritten läuft er ab?
Bitte geben Sie einen ganz groben Überblick (evtl. mit Diagramm)!
17. An welchen Stellen dieses Prozesses binden Sie Kunden ein?
18. Beobachten, beteiligen oder integrieren Sie Ihre Kunden und wie hoch ist der
Grad der Kundenaktivität?
19. Wie ist der Kundeneinbindungsprozess organisatorisch verankert?
20. Wer ist für die Kundeneinbindung verantwortlich und wie wird diese mit dem
Innovationsprozess koordiniert?
21. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Kundeneinbindung gemacht (Vorteile
und Nachteile, Resultate)?
22. Was sind aus Ihrer Sicht die kritischen Erfolgsfaktoren der Einbindung von
Externen (besonders Kunden)?
23. Wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten und Potenziale der
Kundeneinbindung in den Innovationsprozess?
24. Binden Sie auch andere externe Partner in Ihren Innovationsprozess ein (z. B.
Zulieferer und Universitäten)?
246
ANHANG 1
Die folgenden fünf Fragenblöcke bitte (falls möglich) auf Kundeneinbindung in den
frühen Phasen des Innovationsprozesses (Fuzzy Front End, Identifikation von
Chancen und Trends, Ideen- und Konzeptgenerierung, Auswahl und Bewertung von
Ideen und Konzepten) beziehen!
Bei allen fünf Blöcken bitte nach Möglichkeit Beispiele (erfolgreich und/oder nicht
erfolgreich) zur näheren Erläuterung sowie die jeweiligen kritischen
Erfolgsfaktoren hinzufügen!
Herstellerinterne Grundlagen der Kundeneinbindung
25. Inwiefern beeinflusst die Geschäftsstrategie/Technologiestrategie (speziell der
Fokus auf bestimmte Kernkompetenzen) die Art und Weise der
Kundeneinbindung (Wen einbinden und wann?) und ist diese Strategie den
Mitarbeitern bekannt?
26. Wie stellen Sie sicher, dass innerhalb der F&E (und in anderen relevanten
Abteilungen) eine Atmosphäre herrscht, welche offen gegenüber Anregungen
von aussen ist? Wie sorgen Sie dafür, dass eine organisationsweite Orientierung
hin zum Verstehen der Kundenbedürfnisse erfolgt?
27. Was unternehmen
unterstützen?
Sie,
um
diesen
organisatorischen
Lernprozess
zu
28. Welche Rolle spielt die Schnittstelle zwischen F&E und Marketing in Ihrem
Innovationsprozess und welche Instrumente setzen Sie ein, um diese
Zusammenarbeit zu fördern?
Kundenbezogene Grundlagen der Kundeneinbindung
29. Welche Rolle spielen die folgenden Kundencharakteristika bei der Auswahl der
eingebundenen Kunden? Bitte beschreiben Sie kurz, warum diese Punkte
relevant sind (bzw. warum nicht) und wie Sie diese berücksichtigen!
(a) Grösse des Kunden relativ zur Ihrer Unternehmung?
(b) Finanzielle Attraktivität des Kunden?
(c) Ruf des Kunden?
(d) Wissen und Kompetenzen (Ressourcen und Skills) des Kunden?
(e) Vergangene Erfahrungen des Kunden mit partnerschaftlicher Innovation?
(f) Andere Kundencharakteristika, welche für Sie eine Rolle spielen?
INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN
247
30. Wodurch werden die Kunden zur Einbindung bzw. Mitentwicklung motiviert
(extrinsische Motivation z. B. durch Bezahlung oder intrinsische Motivation
z. B. durch bessere Produkte)?
Grundlagen der Interaktion zwischen Hersteller und Kunden
31. Inwiefern berücksichtigen Sie die Kompatibilität Ihrer Firmenkultur mit der des
eingebundenen Kunden?
32. Welche Rolle spielt die Entwicklung klarer gemeinsamer Ziele und wie stellen
Sie diese sicher?
33. Wie sieht der Prozess der Kundeneinbindung aus?
34. Welche operativen Strukturen wählen Sie für die Kundeneinbindung (z. B.
organisationsübergreifende Teams)?
35. Welche
der
folgenden
Beziehungsvariablen
spielen
bei
Ihren
Kundeneinbindungen eine Rolle? Bitte beschreiben Sie kurz, warum diese
Punkte relevant sind (bzw. warum nicht)!
(a) Commitment?
(b) Vertrauen?
(c) Gegenseitigkeit?
(d) Andere Beziehungsvariablen, welche für Sie eine Rolle spielen?
36. Beschreiben Sie kurz den Kommunikationsprozess zwischen Ihrer Firma und
den eingebundenen Kunden!
37. Welche Rolle spielt die räumliche Dimension bei der Kundeneinbindung (z. B.
virtuelle Einbindung bei grosser räumlicher Distanz)?
38. Wie managen und kontrollieren Sie den Prozess der Kundeneinbindung (z. B.
Audits und reguläre Fortschrittsberichte)?
Methoden/Instrumente der Kundeneinbindung
39. Welche speziellen Methoden/Instrumente zur Kundeneinbindung wenden Sie an
(z. B. Lead-User-Workshops und Interviews) und wie laufen diese ab?
40. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Methoden gemacht?
248
ANHANG 1
41. Gibt es andere Methoden, welche Sie einmal verwendet haben bzw. in Zukunft
verwenden möchten?
Ergebnis/Ziele der Kundeneinbindung
42. Welche Rolle soll der Kunde einnehmen (z. B. Berater, Mitarbeiter, Lernender,
Partner)?
43. Welchen Beitrag erwarten Sie sich von den eingebundenen Kunden bzw. durch
die Zusammenarbeit mit ihnen (z. B. Ideen, Spezifikationsdetails, Konzepte,
Marktchancen, Trends)?
44. Welche Kompetenzen bzw. welches Wissen müssen die eingebunden Kunden
haben, um den erwarteten Beitrag leisten zu können?
45. Führt die Kundeneinbindung eher zu inkrementellen oder zu radikalen
Innovationsschritten?
46. Wie gehen Sie mit der Frage des geistigen Eigentums für Beiträge welche durch
die Einbindung Externer (speziell Kunden) entstanden sind um?
47. Anzahl der Patente innerhalb der letzten drei Jahre und wie viele dieser Patente
wurden gemeinsam mit externen Partnern (besonders mit Kunden) eingereicht?
INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN
249
Ergänzungsfragen zu Interviewleitfaden "Kundeneinbindung in den
Innovationsprozess"
Übergeordnete Gestaltungsfelder der Kundenintegration
Kultur
Hauptkriterium: offene Innovationskultur (zu Frage 26)
48. In welcher Form gestaltet das Top-Management eine offene Innovationskultur
bzw. nimmt es seine diesbezügliche Vorbildwirkung wahr?
49. Gibt es einheitliche Normen, Dokumente, Geschichten und Mythen, die die
Innovationskultur unterstützen?
50. Wie bekämpfen Sie das „Not-Invented-Here-Syndrom“ (NIH)?
Struktur
Hauptkriterium: organisatorische Verankerung der Kundenintegration (zu den
Fragen 19 und 34)
51. Wie haben Sie die Funktionen, Verantwortungen und Ressourcenzuteilung für
die Kundenintegration festgelegt?
52. Falls Sie eine eigene Organisationseinheit für die Kundenintegration etabliert
haben, bitte beschreiben Sie diese!
Strategie
Hauptkriterium: Qualität der Innovationsstrategie bezüglich Kundenintegration
(zu Frage 25)
53. Wie legen Sie die Kernkompetenzen und Kooperationsfelder („Stossrichtung der
Kundenintegration“) fest?
54. Wie erfolgt das Umsetzen der strategischen Ziele (Vorgehensweise, strategische
Initiativen)?
Prozessorientierung (zu den Fragen 19, 20 und 33)
55. In welche Phasen gliedert sich Ihr Kundenintegrationsprozess (z. B.
Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase)?
Initiierungsphase
Hauptkriterium: Entscheidung zur Kundenintegration
56. In welcher Form fliessen die Kenntnisse der eigenen Fähigkeiten und
Kompetenzen ein?
57. Wie werden die Chancen und Anforderungen erkannt?
58. Wie ist der Abgleich zwischen den Fähigkeiten und den Anforderungen
organisiert?
250
ANHANG 1
Hauptkriterium: Klare Ergebniserwartung
59. Wie kommen Sie zu einer klaren Problembeschreibung?
60. Welcher Prozess liegt der Erarbeitung der Integrationsziele zugrunde?
61. Wie stellen Sie sicher, dass die wichtigsten Stakeholder integriert werden?
Vorbereitungsphase
Hauptkriterium: Kundenauswahl
62. Wie werden Suchstrategie und die Selektionskriterien entwickelt?
63. Wie funktioniert der Kundensuchprozess?
64. Wie erfolgt die Selektion potenzieller Integrationspartner?
Hauptkriterium: Vertragsabschluss (zu Frage 32)
65. In welcher Form und mit welcher Strategie wird mit den Kunden verhandelt?
66. Wie werden die gemeinsamen Integrationsziele festgelegt?
Realisierungsphase
Hauptkriterium: Operative Durchführung (zu den Fragen 34 und 38)
67. Wie wird die geeignete Integrationsform ausgewählt?
68. Wie erfolgt das Management (Personal und Finanzen) der Integration?
69. Wie wird der Integrationsprozess kontrolliert?
Hauptkriterium: Integration der Ergebnisse (zu Frage 27)
70. Wie werden die Ergebnisse der Integration dokumentiert und gespeichert?
71. Wie wird der firmeninterne Kommunikationsprozess zur Weitergabe der
Ergebnisse unterstützt?
Ziele des Herstellers (zu den Fragen 42 und 43)
72. Wie würden sie die Rollen des Kunden im Rahmen der Integration bezeichnen?
73. Sind Sie mehr am Marktwissen oder am Technologiewissen der Kunden
interessiert?
74. Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von der Kundenintegration (Identifikation
von Gelegenheiten, Ideen oder Konzepte)?
Erfolgsmessung (zu den Fragen 22 und 38)
75. Wie messen Sie den Erfolg der Kundenintegration (Kriterien, Zielvorgaben,
Reportingstelle)?
INTERVIEWVERZEICHNIS
251
Anhang 2: Interviewverzeichnis
Unternehmen
Name
Position
Ort
Datum
Acutronic
Peter Terstappen
Vice President Operations
Bubikon
25.2.2003
awtec
Andreas Schlegel
Geschäftsführer
Zürich
28.2.2003
Jochen Ganz
Geschäftsführer
Zürich
28.2.2003
Hermann Perrey
Vice President Research and
Leverkusen
4.6.2003
Bayer Chemicals
Development
Bayer
Dieter Boesveld
Creative Center
Leverkusen
4.6.2003
MaterialScience
Eckhart Foltin
Head of Creative Center
Leverkusen
4.6.2003
Zürich
1.12.2003
Telefoninterview
2.12.2004
Telefoninterview
21.4.2005
Georg Heger
New Technologies & Services
Telefoninterview
1.12.2003
Paula C. Alves
New Technologies
Leverkusen
4.6.2003
Dornbirn
1.4.2004
Rodrigues
Bowler PET (Pty) Ltd
Bernd Sass
Werksleiter
Kapstadt, RSA
30.7.2002
Collano AG
Alex Hofman
Project Manager
St. Gallen
13.2.2004
Thomas Wolf
Innovationsprojekte
St. Gallen
13.2.2004
Andrea Appel
Customer & Service
Wien
28.3.2004
Continental
Management
Telefoninterview 12.11.2005
EADS Astrium
Daniel J. Britton
Principal Engineer
Rudolf Benz
Senior Engineer
Telefoninterview
8.12.2003
St. Gallen 29.10.2003
Friedrichshafen 18.12.2003
14.12.2004
Telefoninterview
Rainer Behrle Head of R&D Coordination ENS
25.4.2005
St. Gallen 29.10.2003
Friedrichshafen 18.12.2003
14.12.2004
Endress+Hauser
Guido Hugentobler
Verkaufsingenieur
St. Gallen
27.4.2004
E-proPlast GmbH
Modesto Pesavento
Werksleitung
Schmalkalden
24.7.2002
Esterform
Paul Cooke
Direktor
Tenbury Wells, GB
22.7.2002
Eternal Water Ltd
James Holani
Plant Manager
Wakatane, NZ
12.8.2002
252
ANHANG 2
Unternehmen
Name
Position
Fuba Automotive
Markus Deutsch
Business Manager Antenna
GmbH
Geberit
Ort
Datum
Hannover 15.11.2003
Systems Korea
Mario von Ballmoos
Bereichsleiter
Jona
4.3.2003
Installationssysteme
Hilti Corporation
Walter Eggenberger
Bereichsleiter F&E
Jona
4.3.2003
Friedhelm Schöpe
Program Manager New Busi-
Telefoninterview
20.2.2003
ness & Technology
Hilti Deutschland
Erik Peyer
Verkaufsleiter Region Bayern
Kaufering
24.2.2003
Hilti Deutschland
Hr. Jasper
Customer Service
Kaufering
24.2.2003
Hr. Schlömer
Product Manager
Kaufering
24.2.2003
Hr. Schubert
Ideenmanager
Kaufering
24.2.2003
Hr. Skender
Flottenmanagement
Kaufering
24.2.2003
Marco Meyrat
Geschäftsführer
Kaufering
24.2.2003
Martin Reuter
Marketing Manager Technik
Kaufering
24.2.2003
Uwe Beugler
Technischer Leiter
Kaufering
24.2.2003
Wolf Hiemeyer
Marketingleiter
Telefoninterview
27.2.2003
Matthias Paetow
Manager Research & Applica-
Kaufering
24.2.2003
Hilti EntwicklungsGmbH
Hilti Diamond
tion Light Duty Systems
Reinhard Schindler
Systems
Head of Diamond Service Con-
Schaan 27.11.2003
tractor Segment
24.11.2004
Hilti Schweiz
IBM Research
Hr. Werder
Field Engineering
Telefoninterview
14.3.2003
Walter Hehl Content Manager Industry Solu-
Rüschlikon
1.3.2004
tion Lab
Walter Pletscher
Manager Industry Solution Lab
Rüschlikon
1.3.2004
IP Plastics
Alexey Lychkouski
Direktor
Minsk, BY
2.8.2002
Köksan A.S.
M. Murat Kökoglu
Direktor
Gaziantep, TR
4./5.8.02
Logitech
Aldo Bussien
Vice President Engineering
Romanel/Morges
26.5.2003
Romanel/Morges
26.5.2003
St. Gallen
12.1.2004
Control Devices
Bernhard Gander
Vice President Corporate Business Development
MTU Aero Engines
Klaus Broichhausen
Ehm. Head of Aerodynamic
Design
INTERVIEWVERZEICHNIS
253
Unternehmen
Name
Position
Ort
Datum
Polycorp
Istvan Konkoly-
Agent / Thege Plastic GmbH
Budapest
26.8.2002
Laczko Mihaly
Direktor
Budapest
26.8.2002
Henry J. Louw
Executive Chairman
Kapstadt, RSA
29.7.2002
Ryan Munnik
Production Manager
Kapstadt, RSA
29.7.2002
Jorge Viana
Business Unit Manager PET
Kapstadt, RSA
29.7.2002
Suzanne Louw
Operations Manager
Kapstadt, RSA
31.7.2002
Graham P. Neuville
Plant Manager
Jakarta, RI
8.8.2002
Soebekti Hambali
Chairman
Jakarta, RI
8.8.2002
Mulyadi Kosasih
Direktor
Jakarta, RI
8.8.2002
Reichart Beratung
Sybille V. Reichart
Geschäftsführerin
Dornbirn
20.5.2003
Roche Diagnostics
Gertraud Ehrlich-
Manager System Integration
Penzberg
11.4.2003
Weinreich
Knowledge Management Labo-
Penzberg
11.4.2003
Thege
Polyoak
PT Dynaplast Tbk
rat. Diagn.
Rolf A. Herb
Sauer GmbH
Hr. Schrickel
Produktionsmanager PET
Neustadt b. C.
23.7.2002
Siemens Building
Günter Zepf
Group Innovation Manager
Zürich
4.12.2003
Frank Schüller
Produktmanager PET
Troisdorf
8.7.2002
Technologies
SIG Blowtec
9.7.2002
SIG Corpoplast
Klaus Hartwig
Manager Technology Center
Hamburg
10.7.2002
SIG Holding
Werner Fillmann
Vorstand
Neuhausen
3.7.2002
Anton Demarmels
CTO
Neuhausen
19.7.2002
Thurn-Produkte
Adi Frank Thurn
Geschäftsleitung
Much
25.7.2002
Unique
Warren Miller
CEO
Pendergrass, USA
14.8.2002
Voith Paper
Alexander
Projektierung
St. Pölten
21.6.2003
Wassermann
Papiermaschinene
Winterthur
26.2.2003
Dornbirn
17.5.2004
Winterthur
Diether Kuhn Head of Marketing and Channel
Management Support
Zumtobel Staff GmbH
Klaus Vamberszky
Mitglied der Geschäftsleitung
14.12.2004
254
ANHANG 2
Christoph H. Wecht
Curriculum Vitae
Persönliche Daten
Geburtsdatum:
16.3.1967
Geburtsort:
St. Pölten, Österreich
Ausbildung
2001 – 2005
Universität St. Gallen (HSG), Doktorandenstudium
1999 – 2000
Pfeiffer
University
at
Charlotte,
NC,
Abschluss: Master of Business Administration (MBA)
1986 – 1995
Technische
Universität
Abschluss: Dipl.-Ing.
1977 – 1985
Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium St. Pölten;
Abschluss: Matura
Wien,
USA;
Maschinenbaustudium;
Berufstätigkeit
seit 2005
Gründungspartner und geschäftsführender Gesellschafter der
BGW AG, St. Gallen und Wien
2001 – 2004
Forschungsassistent am Institut für Technologiemanagement
(ITEM) der Universität St. Gallen (HSG)
2000 – 2001
Abteilungsleiter Knowledge Management & Innovations bei
der Continental AG, Hannover
1998 – 2000
Projektingenieur bei Continental General Tire, Inc., Charlotte,
NC, USA
1996 – 1997
Projektleiter bei der Continental AG, Hannover
1994 – 1996
Entwicklungsingenieur bei
Traiskirchen, Österreich
der
Semperit
Reifen
AG,
Wien, im September 2005
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