Entwicklungs- psychologie

Werbung
Entwicklungspsychologie
Fragenkatalog zur DiplomVorprüfung
(WS 2004/2005)
Thema
I. Grundlegende Konzepte, Fragestellungen und
Theorien
II. Forschungsmethoden
Seite
2
25
III. Frühe Kindheit
30
IV. Kognitive Entwicklung, Sprachliche Entwicklung
39
V. Kindheit
VI. Jugendalter
VII. Erwachsenalter
49
75
89
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
I. Grundlegende Konzepte, Fragestellungen und Theorien
1. Die Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit Veränderungen des
Erlebens und Verhaltens, die auf die Zeitdimension Lebensalter bezogen
werden können. Im Grunde ist jedoch das Lebensalter als Bezugssystem
solcher Veränderungen unzureichend.
a) Inwiefern? b) Machen Sie anhand eines Beispiels klar, wie die
entwicklungspsychologische Forschung mit diesem Problem umgehen
kann! (Oerter&Montada S. 12-13)
Das Alter allein ist keine Erklärung für die Veränderungen des Erlebens und
Verhaltens.
Älter werden ist nicht die Ursache der Veränderung
Veränderungen oder auch Stabilisierung treten nicht ein, weil man älter wird,
sondern weil Ereignisse und Prozesse eintreten, die dies bewirken
(diese korrelieren zwar mit dem Lebensalter, dieses ist jedoch nicht die
Ursache)
Alter ist keine primäre Bedingungsvariable, die Veränderung ist demnach
auch von anderen Variablen als der Zeit abhängig
Altersangaben geben keine Auskunft darüber wie Veränderungen bewirkt
werden können
Veränderungen unterliegen großen interindividueller Variationsbreiten
Das Lebensalter ist also eher ein Indikator für so eine Veränderung, aber
nicht die Erklärung für die Veränderung.
Beispiele
Schulreifetest.
Man sollte die schulreife nicht nur durch das Alter festlegen
Tests durchführen lassen, um kognitiven Entwicklungsstand, psychomotorische
Fähigkeiten festzustellen
Vorteil: Kinder, die noch nicht den durchschnittlichen Entwicklungsstand
gleichaltriger erreicht haben, können noch ein Jahr zurückgestellt werden.
Nachteil: In der so kurzen Testzeit oft der wirkliche Entwicklungsstand nicht
erfasst werden kann.
Reifes Verhalten
Ist nicht nur durch das Alter gekennzeichnet, daher wäre es unlogisch immer
nach Alter zu gehen, ob ein Kind oder Jugendlicher bestimmte Entscheidungen
schon alleine bewältigen kann.
Wichtig sind Erfahrungen, die die Kinder schon gesammelt haben.
Z.B. Verantwortungsbewusstes Handeln. Was einige schon mit 16 können,
können andere schon erst mit 17.
Altersbeschränkungen in Kinos
Filme werden nach ihrem Inhalt beurteilt und es wird entschieden, ab welchem
Alter Kindern diese Filme zuzumuten sind.
Problem: Kinder zum Teil ihrer Zeit voraus oder hinterher sind.
Lösung: Eltern müssen sensibilisiert dafür werden, dass nicht allein das Alter
darüber entscheiden kann, ob alle Kinder die Filme gucken dürfen. Die Stelle, die
die Altersbeschränkungen macht: Lieber eine Stufe höher gehen, als
möglicherweise zu tief.
-2-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
2. Die moderne Entwicklungspsychologie interessiert sich nicht
ausschließlich für die ersten 20 Lebensjahre, sondern bezieht die
gesamte Lebensspanne in ihre Betrachtung ein und sieht dabei das
Erwachsenalter auch nicht als eine Zeit des zwangsläufigen Abbau und
Verlusts an.
Skizzieren Sie wesentliche Leitlinien der Entwicklungspsychologie der
Lebensspanne! (Oerter & Montada, S. 8-11)
Traditionelle Konzepte der Entwicklung unterschieden zwischen Phasen
Des Aufbaus und Wachstum
Der Reife und Stabilität
Des Alterns und Abbau
Moderne Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wendet sich v.a.
gegen die Gleichsetzung von Alter und Abbau
Entwicklung enthält über die gesamte Lebensspanne gleichzeitig die Aspekte
Wachstum und Abbau/Verluste, Entwicklung ist auch immer Spezialisierung
Höheres Alter
Häufung von Verlusten
• Auf neurobiologischem Niveau: Sinnesfunktion, Motorik, kognitive
Funktionen, Kraft
• Aus sozialer Ebene: Verlust von Sozialpartnern, gesellschaftlicher
Aufgaben, Position, Selbstständigkeit
Aber
•
•
•
auch: Wachstumsmöglichkeiten im höheren Alter
Soziale Intelligenz
Spezialisierung (Expertenwissen)
Lebenswissen und Lebensweisheit (wächst durch lange
Auseinandersetzung mit Problemen des Lebens)
2. Verschiedene Dimensionen einer Funktion haben unterschiedliche
Entwicklungsverläufe
Beispiel: Intelligenz
• Kristaline Intelligenz (Erfahrungswissen) bleibt bis ins hohe Alter erhalten
und kann sogar gesteigert werden
• Fluide Intelligenz (Geschwindigkeit der Aufnahme und Verarbeitung von
Infos) fällt im Alter ab
3. Es gibt Spielräume und Grenzen für eine Entwicklungsförderung
(Dimension des Abbaus liegt auch in eigener Hand)
Abfall der fluiden Intelligenz
• Durch fehlende Übung, fehlende Anforderung
• Durch neurologische Funktionsverluste
Die fluide Intelligenz ist trainierbar d.h. es gibt ungenutzte Reservekapazitäten
Jedoch: Trainingserfolge beschränken sich eng auf die trainierten Aufgaben und
Jüngere Menschen erzielen auch durch Training höhere Leistung, was auf
neurobiologische Funktionsverluste bei Älteren schließen lässt.
-3-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
4. Ausgleich von Verlusten möglich
Einbußen z.B. in elementaren Prozessen (Mechanik, Intelligenz, Gedächtnis)
durch Wissen und prozedurale Strategien kompensieren
5. Entwicklung hat interindividuellen Verlauf
Die Veränderungen sind abhängig von Kultur, Subkultur und personenspezifisch
6. Generationsunterschiede
Als Folge des raschen gesellschaftlichen Wandels unterschieden sich auch nah
aufeinanderfolgende Geburtsjahrgänge hinsichtlich ihrer Entwicklung.
Querschnittsuntersuchungen, die die Intelligenz der Jahrgänge ermittelt dadurch
eigentlich nicht zulässig.
-4-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
3. Entwicklungspsychologische Kenntnisse oder Meinungen fließen in
viele Entscheidungen wichtiger Lebensfragen einzelner Menschen ein,
z.B. bei der Zusprechung des Sorgerechts, bei Versetzungsfragen in der
Schule oder bei der Ahndung eines Vergehens. Erläutern Sie diesen
Sachverhalt an Hand eines der genannten Beispiele und begründen Sie,
warum bei jeder Entscheidung ein erhebliches Irrtumsrisiko bleibt
(Oerter&Montada, S. 13-15).
Entscheidungen werden auf entwicklungspsychologischen Überzeugungen
gestützt, Die Entwicklungspsychologie hat die Aufgabe derartiges Wissen bereit
zu stellen.
• Mithilfe von normativen Wissen: Beschreibung von Lebensphasen,
Kataloge altersspezifischer Entwicklungsaufgaben, Entwicklungsnormen für
verschiedene Altersstufen.
• Interindividuelle Unterschiede werden beachtet und sichtbar gemacht in
Entwicklungstests (Abweichungen vom Durchschnitt, sind sie stabil,
können sie verändert werden, auf welche Art und Weise? Wie kann man
die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass belastende Erfahrungen bewältigt
werden)
• Geschlechtsspezifische Unterschiede mit einbeziehen
• Unterschiede von Kulturen mit einbeziehen
Es muss mit einbezogen werden
• Was hat man von einem Schulkind zu erwarten (Jugendlichen, …) zu
erwarten?
• Welche Kompetenzen, Einstellungen, Interessen darf man voraussetzen?
• Wann ist Schutz und Schonung angebracht
• Auf welches Alter sollen Geschäftsfähigkeit, Strafmündigkeit,
Volljährigkeit, usw. festgelegt werden?
• In welchem Entwicklungsstadium hat man mit welchen typischen Krisen,
Problemem zu rechnen?
Beispiel
Versetzungsfragen in der Schule
Sollte ein Kind eine Klasse wiederholen? Abwägung schlechte Schulleistungen vs.
sozialer Komponente.
Welche Kompetenzen darf man voraussetzen
Klassenziel nicht erreicht, aber aus welchen Gründen? Nur Faulheit oder wirklich
nicht Können. So schlecht, dass es keinen Anschluss mehr finden kann oder ist
es kompensierbar.
Wann ist Schutz und Schonung angebracht?
Wäre ein Nichtversetzen vielleicht schlimmer, weil das Kind aus seiner sozialen
Umgebung, in der es Sicherheit findet, herausgerissen wird?
Gab es evt. Probleme in dem Umfeld des Kindes, dass es von der Schule
abgelenkt hat?
Auf welches Alter soll Schulreife festgelegt werden?
Ist das Kind einfach noch nicht so weit gewesen? Zu früh in die Schule
gekommen oder hat sich nicht so schnell wie seine Mitschüler entwickelt?
Geschlechtsspezifische Unterschiede mit einbeziehen
-5-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Jungen oft langsamer als die Mädchen, wenn die schlechte Leistung nicht zu sehr
ausartet, dann eventuell Möglichkeit, dass der Junge es später von allein
nachholt
In welchem Entwicklungsstadium hat man mit welchen typischen Krisen,
Problemen zu rechnen?
Pubertäres Verhalten, befindet sich das Kind in einer pubertären Phase und
vernachlässigt deshalb die Schule?
Wichtig: Zielentscheidung im Sinne des Kindes treffen, dabei
entwicklungspsychologische Erkenntnisse miteinbeziehen, um das Verhalten
bewerten zu können. Warum ist das Kind so schlecht? Benötigt es Bestätigung?
Wie motiviere ich es zu mehr Leistung? Was ist frustrierender Nichtversetzung
oder Frusterlebnisse des Nichtkönnens.
Probleme
Bei den Prognosen bleibt eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit
• Weil nicht alle Einflussfaktoren bekannt
• Nicht alle individuellen Einflüsse vorhersehbar
• Freiheiten zur Selbsgestaltung der eigenen Entwicklung
Die Entwicklung ist nicht durch Anlagen und vorausgegangenen
Entwicklungsschritten völlig vorhersehbar, sie ist nicht determiniert: Sie
beeinflussbar und gestaltbar
-6-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
4. Der Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens ständig; die
Veränderungen können dabei quantitativer und/oder qualitativer Art
sein.
a) Machen Sie an Hand eines Beispiels aus dem Bereich der
Intelligenzentwicklung deutlich, was man unter quantitativen und was
unter qualitativen Veränderungen versteht!
b) Gibt es beide Arten der Veränderungen auch im Bereich der
körperlichen Entwicklung? (Oerter & Montada, S. 3-4)
Viele Veränderungen beinhalten qualitative und quantitative Aspekte, sie liegt
damit nicht unbedingt im Gegenstand selbst, sondern in der Art der Erfassung
Intelligenzentwicklung
Quantitativ: Zunahme lösbarer Aufgaben
Qualitativ: Veränderung der Strukturen des Denkens und Problemlösens
(Transferleistungen, aufgrund von Vorwissen und gemachten Erfahrungen)
Körperliche Entwicklung
Auch hier gibt es quantitative und qualitative Veränderungen
Quantitativ: Kind kann schneller laufen
Beim Kampfsport: Kind bekommt mehr Kraft und mehr
Schnelligkeit, kann mehr Techniken
Qualitativ: Kind kann über Hürden springen
Beim Kampfsport: Kind erhält kämpferische Intelligenz, kann
zwischen Situationen abwägen, entsprechend darauf reagieren und
die Techniken in der Feinmotorik (qualitativ) verbessern, aus einer
Grundform wird eine Spezialtechnik
-7-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
5. Bei dem Versuch, Entwicklungsvorgänge zu erklären, lassen sich vier
theoretische Grundkonzeptionen unterscheiden: der endogenistische,
der exogenistische, der organismische (selbstgestaltungstheoretische)
und der interaktionistische Ansatz. Stellen Sie die Kernaussagen dieser
Position einander gegenüber! (Oerter&Montada S. 5-7)
Die unterschiedlichen Ansätze unterscheiden sich darin, dass das Verhältnis des
aktiven oder passiven Parts der Umwelt oder der Person anders angenommen
wird.
Exogenistische Theorie
Umwelt aktiv, Person passiv
Allein der Einfluss der aktiven Umwelt beeinflusst die Entwicklung.
Die Entwicklung wird als durch externe Reize kontrollierbar angesehen, deren
Manipulation das gewünschte Ergebnis bringt.
Verhalten wird durch auslösende, informierende und verstärkende Reize
kontrolliert.
Organismus ist reaktiv: Antwortet auf externe Stimulation.
Endogenistische Theorie
Umwelt passiv, Person passiv
Menschen erwerben auf vorgezeichnetem Entwicklungsweg alterspezifische
Kompetenzen
Anlagen und Reifung sind Erklärungen für Veränderungen
Körperliche Entwicklung und Veränderung im Verhalten und Erleben durch
biologische Wirkmechanismen innerhalb des Organismus
(Reifung/Wachstum)
Nur in bestimmten sensiblen Perioden ist es offen für jeweils spezifische
äußere Einflüsse
Organismische Theorie (Selbstgestaltungstheorie)
Umwelt passiv/Person aktiv
Mensch: Mitgestalter seiner Entwicklung
Handelndes Wesen: Ziel und zukunftorientiert
Verfolgt Ziele und nimmt Einfluss auf soziale und physische Umwelt, macht
sich Bilder der Welt auf der Basis von Erfahrungen.
Entwicklung: Konstruktionsprozess, den das Kind aktiv bewältigt durch
Erkunden der Umwelt
Interaktionistische Theorie
Umwelt aktiv, Person aktiv
Umwelt und Person haben Einfluss auf die Entwicklung = Gesamtsystem
Aktivitäten und Veränderungen beider Systeme miteinander verschränkt
Veränderungen des einen führen zur Veränderung des anderen und/oder des
Gesamtsystems (Transaktion)
Individuum und Umwelt: strukturell in wechselseitiger Beziehung stehender
Systeme
Entwicklung vollzieht sich als fortschreitende, sich erweiternde Interaktion
zwischen beiden Systemen
Beide Systeme nehmen also aufeinander Einfluss
-8-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
6. Der Volksmund hält eine Reihe von „Weisheiten“ parat, z.B. die
folgenden: „Wie der Vater, so der Sohn“, „Jeder ist seines Glückes
Schmied“, „Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist“, „Der
Mensch denkt, Gott lenkt“, „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans
nimmermehr“.
Jeder dieser Sinnsprüche lässt sich einer oder mehreren der vier
theoretischen Grundkonzeptionen (endogenistischer, exogenistischer,
organismischer (selbstgestaltungstheoretischer), interaktionistischer
Ansatz) zuordnen, die Entwicklungsvorgänge zu erklären versuchen.
Nehmen Sie diese zuordnung vor, und begründen Sie sie jeweils!
(Oerter&Montada, S. 5-7)
Wie der Vater, so der Sohn
Endogenistischer Ansatz:
Entwicklung durch biologische Vorgänge, hier: ererbte Anlage, Umwelt und
Individuum greift nicht ein.
Oder:
Exogenistischer Ansatz:
Entwicklung wird von der Umwelt (=dem Vater determiniert). Das Individuum ist
passiv
Jeder ist seines Glückes Schmied
Selbstgestaltungstheoretischer/organismischer Ansatz:
Entwicklung ist ein aktiver Konstruktionsprozess des Individuums. Es gestaltet
selbst, die Umwelt greift nicht ein.
Zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist
Interaktionistischer Ansatz:
Person sucht sich aktiv Freunde, die zu ihr passen und ihr ähnlich sind. Freunde
haben wiederum Einfluss auf Persönlichkeit, damit sind die Umwelt sowie das
Individuum aktiv
Der Mensch denkt, Gott lenkt
Exogenistischer Ansatz:
Gott ist die aktiv wirkende Umwelt, unter dessen Einfluss die Entwicklung
zustande kommt, Denkvorgänge durch die stimulierende Einflüsse dieser
Umwelt.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
Endogenistischer Ansatz:
Entwicklung durch biologische Wirkmechanismen wie Reifung und Wachstum,
vorgezeichneter Entwicklungsweg, hier bilden Reifung und Wachstum
altersspezifische Kompetenzen, es gibt sensible Phasen zum Kompetenzerwerb.
Sind die vorbei ist es nicht mehr möglich den Entwicklungsschritt nachzuholen.
-9-
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
7. Zur Klärung des sogenannten Erbe-Umwelt-Problems werden häufig
populationsgenetische Analysen herangezogen.
a) Skizzieren Sie die Grundideen dieses Ansatzes!
b) Welches sind, bezogen auf das Beispie Intelligenz, die wesentlichen
Ergebnisse vorliegender populationsgenetischer Studien.
(Oerter&Montada, S. 25-28)
Komplexe Beziehungen zwischen Genom und Phänotyp für die meisten
Merkmale.
• Ähnliche Phänotypen können verschiedene Genome haben
• Ähnliche Genome können sich in unterschiedlichen Entwicklungsumwelten
zu unterschiedlichen Phänotypen entwickeln.
Mit populationsgenetischen Methoden versucht man, die in einer
Population gegebenen phänotypischen Unterschiede auf Anlageund/oder Umweltunterschiede zurückzuführen.
Mit anderen Worten: Man versucht die Ursache von Merkmalsausprägungen
zu bestimmen.
Der gleiche Phänotyp kann auf verschiedene Wege zustande kommen, daher
kann ein Einzelfall keine Aufklärung über die Gewichtung von Anlage- und
Umweltunterschieden in der Population bringen.
Um sagen zu können, welche Anteile an den phänotypischen Unterschieden
auf Anlageunterschiede und welche auf Umweltunterschiede
zurückzuführen sind, muss eine Konfundierung von Anlage- und
Umweltunterschieden vermieden werden
Die Konfundierung besteht darin, dass es eine ungetrennte, schwer
unterscheidbare Wirkung zweier oder mehrerer Ursachen auf einen
Effekt gibt. (Umwelt und Anlage wirken auf Phänotyp = Wie trennt man
diese Einflussfaktoren?)
So sind Untersuchungen in biologischen Familien nicht aussagekräftig, da man
die Anlage- und Umwelteinflüsse nicht unabhängig schätzen kann. Fähigkeiten
können vererbt sein oder durch die günstige Umwelt zustande gekommen sein.
Daher Zwillings- und Adoptivstudien
• Eineiige Zwillinge: Anlage komplett gleich, bei getrennt aufwachsenden:
andere Umwelt
Ö Unterschiede daher umweltbedingt
• Adoptivkinder: Anlage komplett anders, aber gleiche Umwelt
Ö Unterschiede daher umweltbedingt
Probleme: Auch hier gibt es wiederum Einflussfaktoren. Bekommen intelligente
Eltern auch ein intelligentes Kind zugewiesen, werden Kinder nicht auch dann
anders behandelt. Erhält ein Zwilling nicht eine ähnliche Aufwachsumgebung?
Ergebnisse bei der Intelligenz
Größere Anlageähnlichkeit geht auch dann mit höherer IQ-Ähnlichkeit einher,
wenn die Zwillinge in verschiedenen Umwelten aufgewachsen sind.
Getrennte eineiige Zwillinge haben eine höhere Ähnlichkeit als gemeinsam
aufwachsende Geschwister oder zweieiige Zwillinge.
- 10 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Getrennt aufwachsende Geschwister haben eine höhere Ähnlichkeit als
gemeinsam aufwachsende nicht verwandte Paarlinge
Deutliche Indizien dafür, dass in der untersuchten Population ein größerer Anteil
an der Varianz phänotypischer Unterschiede durch unterschiede im Erbgut als
durch Umweltunterschiede während der Entwicklung erklärt wird.
8. Das Erbe-Umwelt-Problem hat die Wissenschaft schon immer
beschäftigt.
a) Wie ist die „Erblichkeit“ eines phänotypischen Merkmals ganz
allgemein definiert?
b) Welche Erblichkeitsschätzungen haben sich typischerweise in Bezug
auf das Merkmal Intelligenz ergeben?
c) Was besagen diese Werte und was besagen sie nicht? Erläutern Sie
außer den korrekten Interpretationen auch die typischen
Fehlinterpretationen dieser Werte!
(Oerter&Montada S. 27-28, 31-33)
Allgemeine Definition von Erblichkeit (E2):
Der Anteil an der Gesamtvarianz eines phänotypischen Merkmals in einer
Population, der auf die Anlageunterschiede in dieser Population zurückzuführen
ist.
Einfache Schätzungen stützen sich auf Korrelationen zwischen EZ- und ZZPaaren, die jeweils in derselben Umwelt aufgewachsen sind.
E2 = (rEZ – RZZ) : (1 – rZZ)
Erblichkeitsschätzungen in Bezug auf das Merkmal Intelligenz:
Erblichkeitskoeffizienten werden nach der Formel ausgerechnet, liegen zwischen
Werten von .60 und .80, (Bouchards Studie aus dem Jahr 1977 ergab einen
Koeffizienten von .77, andere Studien bestätigen dieses).
Erblichkeitswerte für Schulleistungen liegen darunter
Die meisten Persönlichkeitsmerkmale: zwischen .40 und .50
Interpretation der Werte (Was besagen die Werte?):
• Beschreibung der Verhältnisse in den untersuchten Populationen, denn nur
bestimmte Anlageunterschiede und bestimmte Umweltunterschiede sind
mit bestimmten Häufigkeiten in den untersuchten Populationen realisiert.
• Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass ein größerer Teil der Varianz
der phänotypischen interindividuellen Unterschiede (also:
Merkmalsausprägungen) auf genetische Unterschiede zurückzuführen ist,
als auf identifizierte Umweltunterschiede
• Erblichkeit der Intelligenz wird in den untersuchten Populationen auf
mindestens .50 der phänotypischen Varianz geschätzt.
- 11 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Fehlinterpretationen der Werte (Was besagen die Werte nicht?):
Varianzanteile sind keine Merkmalsanteile:
Es darf nicht auf den Anteil von Erbeinflüssen bei der Ausbildung des
Merkmals bei einzelnen Personen geschlossen werden.
Erblichkeit ist eine Populationsstatistik, die die relative Größe des genetischen
Anteils in der Populationsvarianz eines Merkmals beschreibt, in bezug auf
eine Messung oder ein Merkmal eines Individuums hat sie keine
vernünftige Bedeutung. Eine Einzelne Messung hat per Definition keine
Varianz und daher sind Aussagen: Ein Individuum hat 80% ererbt und
20% von der Umwelt erhalten, unzulässig.
Ein hoher Erblichkeitskoeffizient bedeutet nicht Determination durch
Anlagen:
Aus dem Erblichkeitskoeffizienten ist nicht abzuleiten, was bei einem
einzelnen Individuum oder einer Population durch verschiedene
Umweltwirkungen erreicht oder verhindert werden kann, da er nicht in
Bezug gesetzt ist mit Ausmaß und Häufigkeit gegebener
Umweltdifferenzen und –veränderungen
Erst, wenn sich trotz Umweltveränderungen in verschiedene Richtungen in
verschiedenen Teilpopulationen der Koeffizient derselbe bleibt, kann
gesagt werden, dass ein bestimmtes Merkmal sich relativ unabhängig von
diesen realisierten Umwelteinflüssen entwickelt
Genetische Faktoren wirken sich in verschiedenen Umwelten
unterschiedlich stark aus:
Erblichkeitsschätzungen beziehen sich damit immer nur auf bestimmte
Populationen und auf einen bestimmten Zeitpunkt
- 12 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
9. Eine eher traditionelle Theorie erklärt Entwicklungsphänomene als
Resultate von Reifungsprozessen. Diskutieren Sie die Frage, ob diese
Theorie angemessen und überzeugend ist, wenn es um die Erklärung a)
des frühkindlichen Trotzes, b) der Schulfähigkeit, c) der psychischen
Probleme in der Pubertät geht?
Frühkindlicher Trotz
Klassisch
• Frühkindlicher Trotz (im 3.-4. Lebensjahr) ist eine notwendige
Entwicklungsbedingung für die Entfaltung des eigenen Willens und die
Erprobung der Durchsetzungsfähigkeit
• Entdeckung des Ichs
Einwände
Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass bei 80% aller Trotzausbrüche
Umweltauslöser im Spiel waren (übertriebene Forderungen, Eingriffe von
Erwachsenen)
Daher: Trotz ist keine notwendige auftretende Erscheinung, keine
Voraussetzung für kindliche Willensbildung, die geschieht auch ohne Trotz
Schulfähigkeit
Klassisch
Schulreife als Realisierung eines endogenen Programms (Leistungswille und
Anpassungsfähigkeit entwickelt sich von innen heraus)
Charakterisitsch für schulreife Kinder: Soziale Anpassungsfähigkeit,
Einfügsamkeit, Leistungswille
Einwände
Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass die Leistungsmotivation durch
Umwelteinflüsse modifizierbar ist, v.a. kognitive Fähigkeiten sind
trainierbar
Defizite können nach der Einschulung aufgeholt werden (spricht gegen
endogenen Plan, der immer sensible Phasen sieht, die nicht aufgeholt
werden können)
Psychische Probleme in der Pubertät
Klassisch
Negative psychische Begleiterscheinungen der Pubertät (z.B. Krisenhaftigkeit,
Konfliktträchtigkeit, personale Zusammenbrüche, Weltschmerz,
Ideologiesuche…) wurden als reifungsbedingt erachtet, da sie in
Korrelation mit hormonellen Ursachen stehen
Einwände
Hormonelle Veränderungen haben in der Pubertät lediglich sensibilisierende
Wirkung, sind also nicht Ursache, sondern helfen nur mit, sie kommen erst
in aktueller Auseinandersetzung ins Spiel
- 13 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
10. Dass Eltern die Entwicklung ihrer Kinder ganz wesentlich
beeinflussen, steht außer Frage. Aber vielen wird der Gedanke weniger
vertraut sein, dass auch Kinder einen Einfluss auf die Entwicklung ihrer
Eltern haben. Diese neue Sichtweise ist Grundlage der „child-effect“Forschung.
a) Welche grundsätzlichen methodologischen Schwierigkeiten hat diese
Forschungsrichtung zu bewältigen?
b) Skizzieren Sie exemplarisch einige ihrer Befunde! (Oerter&Montada
S.40-41)
Schwierigkeiten
Korrelation zwischen gleichzeitig erfassten Eltern- und Kindverhalten ist
mehrdeutig: Ob die Kinder die Eltern oder die Eltern die Kinder beeinflussen oder
beide sich gegenseitig bleibt offen. Es müssen Längsschnittuntersuchungen
gemacht werden, um zu zeigen, wer wie Einfluss nimmt. Querschnitt sagt nicht
viel aus
Befunde
1. Rheingold (1969): Anpassung der Eltern
Baby steuert durch Weinen und Lächeln Gefühle der Eltern (Unmut oder
Behagen) = keine bewussten Handlungen
Später verlangen äußere Einflüsse oder kindliche Ansprüche
Anpassungsverhalten der Eltern (bei Freizeitinteressen, Moden, Freunde,
Krankheiten, Schwächen, Autonomieansprüche)
2. Wurzbacher (1977): Konfrontation der Eltern mit abweichenden
Ansichten
3. Pauls & Johann (1984): Methoden die zur Beeinflussung von Eltern
verwendet werden
konstruktiv-aktive Steuerung: logisches Argumentieren, Kompromisse
aushandeln
Vorwürfe & oppositionelle Steuerung: drohen, trotzen
Steuerung durch bestrafung: nerven, schreien (unangenehmes und peinliches
Verhalten)
Steuerung durch ignorieren
Passiv-resignative Steuerung: demonstrative Hilf- und Machtlosigkeit
Steuerung durch Schmusen und schmeicheln
Verlangen einer Begründung von Vorschriften und Verboten (erzeugt
Reflexion und nicht selten Revision)
Befragungen
60% der Mütter in mittleren Erwachsenalter werden bezüglich des
Geschlechtsrollenverhaltens und sexuellen Verhaltens von ihren Töchtern
beeinflusst
Baranowski befragte 84 Jugendliche und Eltern inwieweit die Kinder Einfluss auf
das elterliche Verhalten haben, beide Seiten bestätigten den Erfolg der
Einflussversuche
Zudem: eher selbstständige Jugendliche unternehmen mehr Einflussversuche,
dominante Väter nehmen Einflussversuche weniger wahr, mehr Einflussversuche
bei demokratischen Vätern
- 14 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
11. Jeder Mensch steht in seinem Leben vor unzähligen kleineren und
größeren „Entwicklungsaufgaben“. Ein Kind steht z.B. vor der
Entwicklungsaufgabe, die Sprache zu erwerben, so wie Sie momentan
vor der Entwicklungsaufgabe stehen, berufliche Kompetenzen zu
erwerben. HAVIGHURST hat den Lebenslauf als eine Folge solcher
Entwicklungsaufgaben strukturiert. Stellen Sie die Grundzüge seines
Modells dar! (Oerter&Montada, S. 43-44)
Im Gegensatz zu Erikson vertrat Havighurst (1948) keine organismische,
sondern eine dialektische Position.
Verbindung von biologischen, soziologischen und psychologischen
Ansätzen
•
•
•
•
Lebenslauf als eine Folge von Problemen (Entwicklungsaufgaben)
In jeder Lebensperiode gibt es Entwicklungsaufgaben, dessen Bewältigung
Entwicklung erfordert (Beispiele: Ertragen einer Trennung von
Betreuungspersonen, der Anpassung an schulische Anforderungen,
Berufsfindung, Familiengründung)
Entwicklungsaufgaben gelten für mehr oder weniger enge Altersperioden
und sind zum Teil geschlechtsspezifisch
Von Gesellschaft mehr oder weniger vorgegeben. Die Gesellschaft
artikuliert ihr entwicklungspsychologisches Wissen oder ihre
Überzeugungen in Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsaufgaben: Mischung normativer und deskriptiver Elemente
• Normativ: gesellschaftliche Festlegung einer Aufgabe
• Empirisch: Bestimmung der Altersgrenze für Entwicklungsaufgaben, denn
das beruht auf Beobachtungen (z.B. unterste Altersgrenze für Ehe und
Elternwerden)
• Einige Aufgaben sind nicht sozial vorgegeben sondern sind bedingt durch
biologische Prozesse (z.B. Menopause, Pubertät)
Grad der normativen Verpflichtung variiert (Angebote mit Empfehlungscharakter
bis hin zur strikten Drohung)
Entwicklungsaufgaben gliedern den Lebenslauf (geben Entwicklungsziele und
Sozialisationsziele vor)
Nicht alle Entwicklungsaufgaben sind vorgegeben: jeder Mensch hat persönliche
Ziele und vorgegebene Aufgaben werden unterschiedlich interpretiert
Drei allgemeine Quellen für Entwicklungsaufgaben während des
Lebenslaufes
(nach Havighurst)
biologische Veränderungen
Veränderungen im Organismus (Pubertät oder Menopause)
soziologische Aufgaben (gesellschaftlich, kulturell)
Aufgaben, die durch die Gesellschaft gestellt werden (Bildung, Beruf,
Schulpflicht)
psychologische Aufgaben
Werte, Aspirationen, Ziele, des sich selbst entwickelnden Individuums (z.B.
Hochzeit, Beruf, Partner)
- 15 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Erfüllung dieser Aufgaben hängt von individuellen Potentialen und individuellen
und sozialen Ressourcen und Gelegenheiten ab, z.B.:
biologische Faktoren wie geistige und physische Gesundheit
soziale Kontextfaktoren wie Berufsaspirationen der eigenen Herkunftsfamilie
und des Partners
Æ Chancen für eine optimale Entwicklung können dadurch zwischen
Geburtskohorten, Familien, Individuen beträchtlich variieren.
Diese Sicht entspricht modernen Konzeptionen der menschlichen Entwicklung:
Gegenseitige Beeinflussung zwischen sich entwickelnden Individuen,
Mitglieder sozialer Netzwerke, kultureller und gesellschaftlicher
Gelegenheiten.
Der sich entwickelnde Mensch gestaltet seine eigene Entwicklung mit, indem
er langfristig Engagements eingeht, Ziele eingeht und verfolgt, usw. Er
greift also aktiv in seine eigene Entwicklung ein und treibt die Lösung von
Problemen voran
Entwicklung nimmt danach differentielle und individuelle Verläufe an
- 16 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
12. Erik ERIKSON hat eine umfassende Theorie der
Persönlichkeitsentwicklung aufgestellt, die den Lebenslauf als Folge von
acht Krisen betrachtet. Benennen Sie diese Krisen, und beschreiben Sie
zwei von ihnen etwas genauer. (Oerter&Montada, S. 686, S. 42-43)
1. oralsensorisches Stadium (Säuglingsalter, 0-1 Jahre)
Konflikt/Krise: Urvertrauen vs. Urmisstrauen
2. muskulär-anales Stadium (Kleinkindalter/frühe Kindheit, 2-3 Jahre)
Konflikt/Krise: Autonomie vs. Scham/Zweifel
3. lokomotorisch-genitales Stadium (Vorschulalter/Kindheit, 4-5 Jahre)
Konflikt/Krise: Initiative vs. Schuldgefühl
4. Latenzstadium (Schulalter, 6 Jahre – Pubertät)
Konflikt/Krise: Kompetenz vs. Minderwertigkeit
5. Pubertät und Adoleszenz (Adoleszenz und Jugendalter, Pubertät – 18
Jahre)
Konflikt/Krise: Identität vs. Rollendiffusion
Verarbeitung körperlicher Veränderungen
Findung der Identität
Facetten eines Selbstkonzeptes werden aufgebaut in Hinblick auf Geschlecht,
Herkunft, Religion, moderne Werte, Bildung und Beruf, Fähigkeiten,
politische Haltung
Integration der verschiedenen Facetten in ein konsistentes, persönliches
Selbstbild Æ Identität
Bei Versagen: Rollendiffusion (Verwirrung) Æ Unverträglichkeit und
Unausgewogenheit zwischen Haltungen und Werten und zwischen
Aspirationen und Möglichkeiten, Instabilität von Zielen
Dies kann zu ideologischer Einseitigkeit, zu oberflächlichen und unstabilen
Engagements und zu abweichendem Verhalten wie Drogenmissbrauch und
Delinquenz führen
6. frühes Erwachsenalter (frühes Erwachsenalter)
Konflikt/Krise: Intimität vs. Isolierung
7. Erwachsenalter (mittleres Erwachsenalter)
Konflikt/Krise: Generativität vs. Stagnation
Entwicklungsziel: Generativität, Förderung der Entwicklung der nächsten
Generation (eigene Kinder, andere junge Menschen) = Produktive Phase
Berufliches, soziales, politisches Engagement
Bei Misslingen (ungewollte Kinderlosigkeit, Stress, Arbeitslosigkeit, falscher
Beruf, ungewolltes frühes Beenden der Berufsphase): Stagnation,
Selbstabsorption, Langeweile
Gefühl, etwas Wichtiges geschafft zu haben, hilft zur Bewältigung der Phase
8. Reife (hohes Erwachsenalter)
Konflikt/Krise: Ich-Integrität vs. Verzweiflung
- 17 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
13. Skizzieren Sie die Entwicklungstheorie von Erik ERIKSON und
diskutieren Sie die Kritik, die man an ihr üben kann. (Oerter&Montada,
S. 686, S. 42-43, S. 689-690)
1973: baut auf Freuds Entwicklungsmodell auf
Lebenslauf als Folge von acht /Hauptstadien, die spezifische Krisen/Konflikte
darstellen
Probleme resultieren aus universellen Reifungs- und
Entwicklungsveränderungen
Innerhalb des Organismus: Entwicklung durch Auseinandersetzung mit der
Umwelt, Probleme erzeugen neue Erfahrungsmöglichkeiten, neue
Interaktionen, neue Probleme
Bei Nicht-Bewältigung der Krise: bleibende Persönlichkeitsstörungen
Die Wahrscheinlichkeit eine folgende Krise zu bewältigen steigt, wenn frühere
erfolgreich gelöst wurden
Modell: nicht empirisch belegt, sondern aus klinischen Studien abgeleitet
Kritik
• Es gibt sicher weitere Lebensaufgaben
• Beschreibung erfolgt nicht mit klar definierten Konzepten, die in
empirischer Forschung leicht operationalisierbar wären
• Nicht empirisch fundiert…
o …wie häufig Krisen vorkommen
o …wie häufig es gute Lösungen gibt
o …wie häufig Krisen bewältigt werden
o …von wem und wie sie besser und schneller bewältigt werden
• Eher beispielhaft (Interpretationshilfe für die Verständlichmachung von
Lebensläufen), überzeugen intuitiv
• Universalität nicht bestätigt
- 18 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
14. Einzelne Lebensereignisse (wie Heirat, Scheidung, Unfall,
Erkrankung, Arbeitslosigkeit, u.a. können das Leben eines Menschen
ganz erheblich verändern. Die Bewältigung solcher „kritischen
Lebensereignisse“ hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so z.B.
davon, wie das Ereignis interpretiert und bewertet wird. Erläutern Sie an
Hand von Beispielen die Bedeutung solcher Interpretations- und
Bewertungsvorgänge und skizzieren Sie, ganz allgemein, verschiedene
Strategien, die bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse
eingesetzt werden können. (Oerter&Montada, S. 44-47)
Beispiele für kritische Lebensereignisse: Geburt eines Geschwisters, Scheidung,
Ortswechsel, Arbeitslosigkeit, Erkrankungen, Tod…
Bewertungsmöglichkeiten
• Herausforderung: Chance für positive Entwicklung
• Risiko für Fehlanpassung, Störungen
1. Entscheidend sind nicht die Ereignisse und die objektiven Folgen, sondern die
subjektive Bewertung:
Beispiele
Geburt eines Kindes
+ Glück, Erfüllung langersehnten Wunsches
– Belastung, ungewollte Schwangerschaft, steht Berufserfolg im Weg
Tod
+ Befreiung
– Verzweiflung
2. Bewertungen davon abhängig, wie viele andere von ähnlichen Ereignissen,
Belastungen, Verlusten betroffen sind (= Krieg, Katastrophen)
Belastende Frage „Warum Ich“ wird nicht gestellt. Die Ungerechtigkeit wird nicht
so deutlich gesehen.
Mehr Unterstützung durch die Gesellschaft (mehr Bereitschaft), da einem
Selbstverschuldung nicht so leicht vorgeworfen wird.
3. Wichtig in welcher Altersperiode Ereignis eintritt (Schwangerschaft,
altersgemäßes Ausscheiden aus dem Beruf), normal, während es häufig zu
Vorwürfen kommt, wenn sie unzeitig sind.
4. Ansichten über Verantwortlichkeiten spielen große Rolle
Beispiel schwerer Unfall: Wer wird verantwortlich gemacht? – Gott, das
Schicksal, eine andere Person oder das Opfer selbst.
Erleben die Betroffenen Schuldgefühle, Bitterkeit, Ärger stellt das eine
zusätzliche Belastung dar.
Bewältigungsstrategien:
1. Suche nach Sinn
Sinnlos Opfer geworden zu sein ist schwieriger zu ertragen als bei einer
sinnvollen gefährlichen Aktivität verletzt worden zu sein (Polizist,
Feuerwehrmann)
Verluste als Pech oder Zufall zu interpretieren ergibt keinen Sinn. Zufall ist
sinnlos.
- 19 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Bewältigungsstrategie Sinn finden, der erklärt, weshalb sie sich auf das Risiko
eingelassen haben, Versöhnung mit dem Schicksal, indem man auf Gewinne
schaut, die dennoch resultieren oder Sinn finden, in der neuen Erkenntnis, was
wirklich wichtig ist im Leben
6. Positive Illusionen, über die Zukunft, positive Vergleiche mit anderen, den es
noch schlechter geht, dämpfen Gefühle: „Es hätte noch schlimmer kommen
können.“
7. Flexibles Selbstbild hilft mit neuer Situation klar zu kommen, eröffnet
Optionen für die Wahl eines Selbst, wenn man veränderte Lebensumstände
meistern will, die nicht zu dem bisherigen Selbstbild passen
8. konstruktive Problemlösung ist eine gut Bewältigungsstrategie , wenn die
Probleme ohne viel Ressourcenverbrauch und ohne dass andere wichtige Ziele
vernachlässigt werden müssen, gelöst werden können
Bei erfolgreicher Meisterung der kritischen Lebensereignisse = Selbstvertrauen
- 20 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
15. Nicht nur die Alltagspsychologie, sondern auch die
wissenschaftliche Psychologie geht in der Regel davon aus, dass sich die
Entwicklung der Persönlichkeit durch eine gewisse Stabilität
auszeichnet. Dabei lassen sich verschiedene Formen der Stabilität
unterscheiden, z.B. die absolute Stabilität und die normative Stabilität.
Beschreiben Sie diese beiden Formen an Hand von Beispielen und
erörtern Sie, welche Arten von Veränderungen mit dem jeweiligen
Stabilitäts-Konzept vereinbar sind! (Oerter&Montada, S. 47-49)
Absolute Stabilität
Keine Veränderung wird festgestellt, das Merkmal ist absolut konsistent
Es gibt entweder keine Veränderung oder die gegebenen Veränderungen werden
mit den Erfassungsmethoden nicht registriert. (Bsp. Eine dichotome Variable
erfasst nicht so viele Merkmalsausprägungen wie kontinuierliche Variablen)
•
•
Viele einmal erworbene psychomotorische Fähigkeiten werden nicht wieder
völlig verlernt, sondern bleiben vorhanden (Bsp.: Laufen, hüpfen, werfen,
fangen, schwimmen, usw.), jedoch können die Leistungen je nach Übung
und körperlicher Kondition individuell sehr variieren.
Intellektuelle Fähigkeiten (logisches Schlussfolgern, systematisches
Suchen, Experimentieren) bleiben, sobald sie erlernt sind vorhanden.
Ausnahme: bei Erkrankungen wie Demenz oder Hirnerkrankungen.
Absolute Stabilität kann für einzelne Individuen oder für den Durchschnitt einer
Population erfasst werden (=wichtig: dies sorgfältig unterscheiden, einzelne
Personen entsprechen nicht vollständig dem Durchschnitt).
Veränderungen, die vereinbar sind:
Psychomotorische Fähigkeiten sind bei jungen und alten vorhanden und damit
absolut stabil, bei jungen aber stärker als bei älteren
Intellektuelle Fähigkeiten: Sind sie einmal erlernt, verschwinden sie nicht
wieder, variieren jedoch in der Ausprägung (je nach körperlicher Kondition
und Übung)
Normative Stabilität
Position der Individuen in der Verteilung eines Merkmals oder einer Leistung in
der Alterskohorte als Bezugsgruppe bleibt erhalten.
Nicht zu verwechseln mit der absoluten Stabilität. Hohe normative Stabilität heißt
nicht, dass keine Veränderung stattfindet, sondern nur, dass die Position in der
Bezugsgruppe dieselbe bleibt.
Erfassung: Korrelation der Messung zu zwei Zeitpunkten
•
•
IQ hat von der Grundschule bis ins Erwachsenenalter eine vergleichsweise
hohe Stabilität, der IQ ändert sich, bleibt aber stabil zur Norm
Aggressives Verhalten bei Jungen und Männern bleibt ebenfalls stabil
- 21 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
16. GERGEN vertritt die These von der Zufälligkeit in der Entwicklung
und widerspricht damit deutlich der in der Psychologie vorherrschenden
Meinung, Entwicklung zeichne sich durch ein hohes Maß an Kontinuität
aus. Welche Argumente lassen sich für die Zufälligkeits-These anführen,
welche für die Kontinuitäts-These (Oeter&Montada, S. 51-53).
Zufälligkeitsthese (1979)
Zufälle sind für die Entwicklung entscheidend, z.B. Kombination der Erbanlagen,
Familie, Gesellschaft, historische Zeit, in die man geboren wird, welche
glücklichen/unglücklichen Ereignisse hat man erlebt, wem ist man begegnet.
Anforderungen, Angebote, Herausforderungen, Verluste,
Identifikationsmöglichkeiten sind nicht ausschließlich unter der Kontrolle von
Entwicklungsgesetzmäßigkeiten.
Argumente
Schwankungen des Selbstbildes und Variabilität des Verhaltens je nach
Situation und sozialen Kontext.
Widerspricht nicht grundsätzlich Kontinuitätsannahme in derselben Situation
und Kontexten könnte durchaus Kontinuität nachgewiesen werden, wie
Individuum auf Zufall reagiert hängt von Disposition ab
zufällige Momente werden oft übersehen, weil nach Kausal- und
Sinneszusammenhängen gesucht wird
Auch bei Zufall Wahl- und Handlungsmöglichkeiten
Kontinuitätsthese
Entwicklung vollzieht sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten,
Kausalzusammenhänge zwischen früheren und späteren Zuständen werden
angenommen
Ursache-Wirkungs-Zusammenhang in der Entwicklung wird postuliert
Argumente
individuelle Merkmale (Dispositionen, Kompetenz) und das Selbstkonzept
moderieren Einflüsse aus der Umwelt, subjektive Erfahrungen und die
Aufnahme und Bewertung von Informationen (Bsp.: intelligente, gut
informierte Schüler lernen mehr aus einem Fachbuch als weniger begabte
Schüler)
Die Angebote der Umwelt variieren je nach individuell gegebenen Merkmalen,
z.B.: das schwierige Kind erhält weniger Zuneigung als das pflegeleichte.
Die individuelle Merkmale (Kompetenz, Dispositionen, Einstellungen)
bestimmen in welche Richtung Menschen ihre eigene Entwicklung
gestalten, z.B. hängt es vom Selbstkonzept der eigenen Fähigkeiten ab,
was man anpackt und welche Ziele man sich setzt
Kontinuität ist jedoch schwer empirisch zu belegen
- 22 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
II. Forschungsmethoden
17.
Zu den ältesten und nach wie vor wichtigsten Methoden der
entwicklungspsychologischen Forschung zählt die
Verhaltensbeobachtung. Erläutern Sie, was unter „systematischer“
Beobachtung zu verstehen ist, und gehen Sie auf Fehlerquellen ein, die
bei Beobachtungsverfahren generell zu berücksichtigen sind!
Gezielte oder wissenschaftliche Untersuchungsmethode, unterscheidet sich von
der naiven oder vorwissenschaftlichen Form der freien Beobachtung durch:
• Die Einhaltung von Beobachtungsplänen
• Verwendung von Protokollierungssystemen bzw. speziellen
Registrierungstechniken
Beobachtungspläne
Festlegung auf welche Verhaltensaspekte der Beobachter seine
Aufmerksamkeit richten soll
Angaben über Beginn und Dauer der Beobachtungsintervalle
Protokollierungssysteme (Registrierungstechniken)
• Vorstrukturierten Protokollbögen, Interaktionsrecorder, Videoaufnahmen
• Stellung des Beobachter:
o Teilnehmend vs. Nicht-teilnehmend
o Offen vs. verdeckt
Verbesserung von Objektivität und Zuverlässigkeit von Beobachtungsdaten bei
der systematischen Beobachtung
Fehlerquellen
Veränderung der Situation oder des Verhaltens des Beobachteten durch die
Anwesenheit eines Beobachters oder von Beobachtungs- und
Registriergeräten
Mängel im Beobachtungssystem oder in den Zeitstichprobenplänen
beeinträchtigen die Erfassung der relevanten Ereignisse
Fehler in der Registrierung oder mangelnde Aufmerksamkeit mindern die
Zuverlässigkeit
Fehlinterpretationen durch mangelndes Verständnis des Beobachters für das
ablaufende Geschehen oder Unvertrautheit mit den Normen anderer
sozialer Schichten
Typische Beurteilungsfehler wie Halo-Effekt, die Bevorzugung mittlerer
Skalenpositionen oder die Neigung zur Projektion bzw. Identifizierung mit
dem Beobachteten verzerren die Wahrnehmung
Starke innere Beteiligung, emotionales Engagement kann den Beobachter zu
vorschnelle Schlüssen oder zur Überbewertung belangloser Details und zur
Vernachlässigung von Beobachtungen, die nicht ins Konzept passen,
verleiten.
Die Qualität von den Beobachtungsergebnissen hängt entscheidend
davon ab, wieweit es gelingt, diese Fehlerquellen zu kontrollieren oder
auszuschließen.
- 23 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
18. In der gesamten psychologischen Forschung spielen
Befragungsmethoden eine zentrale Rolle. Dabei sind sie keineswegs frei
von Problemen. So ist ihre Anwendung an bestimmte Voraussetzungen
auf Seiten der Versuchspersonen gebunden. Außerdem hängt die
Brauchbarkeit von Befragungsdaten vom Einfluss bestimmter
Fehlerquellen ab. Erläutern Sie diese Probleme, und benutzen Sie dabei
Beispiele zur Veranschaulichung.(S. 1012)
Befragungsergebnisse sind Informationen aus „erster Hand“, denn sie kommen
unmittelbar von der Versuchsperson (im Gegensatz zu den Daten aus der
Beobachtung, die stets nur mittelbar über den Beobachter erhoben werden).
Arten von Befragungen
• Mündliche (strukturiert oder freies Interview) oder schriftlich
• Offene oder geschlossene Fragen
Können mehr oder weniger standardisiert sein (gleiche Bedingungen für alle
Befragten)
Voraussetzungen
Generell: Bereitschaft und Fähigkeit, mitzuarbeiten und über sich Auskunft zu
geben
•
•
Mündliche Befragung
Vorteile
o Es kann auf die Eigenarten der befragten Person sehr viel flexibler
reagiert werden
o Es werden nur geringe Voraussetzungen an ihre Fähigkeiten
gestellt (Möglichkeit auch schon sehr junge Kinder zu untersuchen,
evt. unter Zuhilfenahme von Spielzeug)
Schriftliche Befragung
o Versuchsperson verfügt über hinreichende Lese- und
Schreibfertigkeiten
o Der Fragebogen muss so konzipiert sein, dass Menschen mit
unterschiedlicher Bildung ihn richtig ausfüllen können
Faktoren, die die Zuverlässigkeit von Befragungsdaten beeinflussen:
• Fragen müssen einfach formuliert sein, dass sie von allen Befragten
verstanden und im gleichen Sinne gedeutet werden, insbesondere schaffen
doppelte Verneinungen Verständnisprobleme
• Form der Fragestellung darf nicht bereits eine bestimmte Antwort nahe
legen (Suggestivfragen)
• Die fragen sollten möglichst so formuliert sein und aufeinanderfolgen, dass
bestimmte Antworthaltungen (z.B. Ja-Sage-Tendenz) vorgebeugt wird
• Tendenz, sich selbst in den Antworten besonders günstig darzustellen
(=soziale Erwünschtheit). Lösung: Appelle an Ehrlichkeit, geschickte
Auswahl von gleichermaßen (un-)attraktiven Antwortalternativen,
weitgehende Anonymität
- 24 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
19. Untersuchungen zur Intelligenzentwicklung im höheren Lebensalter
werden sehr häufig als Querschnittsstudien angelegt. Diskutieren Sie an
diesem Beispiel, die Vor- und Nachteile der Querschnittsmethode (S.
1006-1007).
Die Veränderung der Intelligenz wird aus einer einmaligen Untersuchung von
mehreren Stichproben unterschiedlichen Alters erschlossen.
Vorteile
• Ökonomisch (Datensammlung kann parallel für alle Altersgruppen
erfolgen, Personen werden nur einmal benötigt, Ergebnisse liegen schnell
vor)
• Es tritt kein Schwund auf
• Es ist leicht, relativ große und damit auch repräsentative Stichproben zu
gewinnen
Nachteile
• Keine individuellen Veränderungsmaße: Es werden keine
Entwicklungsverläufe beobachtet, sondern lediglich die
Gruppenmittelwerte und –streuungen miteinander verglichen. Es können
keine Aussagen über die Richtung und Art individueller Veränderungen
gemacht werden.
• Kohorteneffekt: Personen entstammen unterschiedlichen
Geburtenjahrgängen (Kohorten), unterlagen damit unterschiedlichen
Entwicklungsbedingungen.
Beispiel Intelligenz: Punktwerte sinken mit zunehmenden Alter ab.
Deutung Intelligenzabbau. Aber: Es gab im vergangenen Jahrhundert
erhebliche Veränderungen im Schulsystem, in der Dauer der Beschulung
und in der Art der vermittelten Inhalte. Ältere einfach nur nicht gut
geschult, Leistungsschwerpunkte, die sich im Laufe des Alters herausbilden
werden in Intelligenztests nur unzureichend erfasst.
Die Bedeutung der Kohorteneffekte ist umso größer je weiter die
Generationen auseinander liegen.
• Generalisierbarkeit: Wenn die Untersuchung in zehn Jahren noch mal
durchgeführt wird, kann es ganz andere Ergebnisse geben
(=Kohorteneffekt)
• Unterschiedliche Validität der Untersuchungsinstrumente für die
verschiedenen Lebensabschnitte: Beispiel Intelligenz vom 1. bis 10.
Lebensjahr: In den ersten Lebensjahren können nur sensorische Wachheit,
Koordinationsvermögen, elementare Lernprozesse und der Stand der
Sprachentwicklung überprüft werden, danach differenzieren sich die
Fähigkeiten so erheblich, dass ein Vergleich keinen Sinn macht.
• Selektive Populationsveränderung: Wenn z.B. Hochintelligente
Kriegsgeschehen überleben, während niedriger Intelligente sterben. So
wären Hochintelligente in der Ausgangsstichprobe überrepräsentiert, so
dass sich damit keine zuverlässigen Angaben über die Genese der
Intelligenz machen lassen.
• Aussagekraft der Messinstrumente für die einzelnen Stichproben:
z.B. kann ein Papier-Bleistift-Test oder eine computergestützte Diagnostik
abschreckend auf ältere Menschen wirken, wodurch sie schlechtere
Ergebnisse erreichen als jüngere.
- 25 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
20. Die Längsschnittmethode hat gegenüber der Querschnittsmethode
viele Vorteile beim Studium entwicklungspsychologischer Vorgänge.
Warum wird sie dennoch so selten verwendet, und welche besonderen
Probleme hat sie zu bewältigen? Erläutern Sie Probleme der
Längsschnittstudien (Oerter&Montada S. 1004-1006)
Geringe Forschungsökonomie. Langzeitstudien haben eine lange zeitliche
Dauer, sie sind daher sehr aufwendig und schwer zu finanzieren.
Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass die Initiatoren das Ende der Studie nicht
mehr erleben, Voraussetzung: hohes Engagement und ein hochstabiles
Forschungsteam (=schwierige Finanzierung)
Selektive Teilnahme. Die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Langzeitprojekt
kann schon einen selektiven Effekt auf die Zusammensetzung der
Untersuchungsgruppe haben (es sind eher Personen aus dem gehobenen
sozialen Milieu und überdurchschnittlicher Intelligenz bereit)
Selektiver Schwund. Schwund von Versuchspersonen im Verlaufe der Zeit
durch Krankheit, Tod oder Umzug oder erloschene Interesse. Reduzierung der
meist ohnehin nicht großen Stichproben
Keine Flexibilität in der Methodenwahl. Es werden vergleichbare
Messinstrumente benötigt, damit man neue Ergebnisse mit früheren vergleichen
kann. Wenn es zwischenzeitlich weitaus bessere Verfahren gibt, können diese
nicht angewandt werden.
Veränderungen der Dimensionalität von Merkmalen. Ändert sich das
Merkmal über die Zeit sind Vergleiche problematisch
Testungseffekte. Einflüsse, wenn die Personen schon mal getestet wurden.
Übungseffekte durch größere Routine mit dem Umgang mit dem Testmaterial,
durch Lernerfahrung, zwischenzeitliches Training
Leistungssteigernd oder auch leistungsmindernd, wenn Motivation absinkt und
Testmüdigkeit (v.a. mit höherem Alter, nur durch
Kontrollgruppenuntersuchungen kontrollierbar)
Generalisierbarkeit fraglich. Gelten zunächst nur für die untersuchte
Generation, nur wenn Änderungen in den Entwicklungsprozessen im Sinne von
Generationseffekten auszuschließen sind, können die Befunde auf spätere
Generationen übertragen werden.
- 26 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
21. In der entwicklungspsychologischen Forschung ergeben sich sowohl
bei Querschnittstudien als auch bei Längsschnittstudien ernsthafte
Interpretationsprobleme. Sequenzielle Versuchspläne scheinen eine
Lösung dieser Probleme zu bieten. SCHAIE hat dazu ein Modell
entwickelt, das einerseits eine Anleitung zur Datensammlung,
andererseits ein Konzept zur Ergebnis-Interpretation enthält. Erläutern
Sie dieses Modell! (S. 1008-1010)
Schaie und Baltes machten Lösungsvorschläge für die Probleme der Quer- und
Längsschnittuntersuchungen
Querschnittsequenzen (mehrere Querschnittuntersuchungen zu verschiedenen
Zeitpunkten)
Längsschnittsequenzen (mehrere Längsschnittuntersuchungen mit Probanden
unterschiedlicher Kohorten)
Durch Kombination der traditionellen Verfahren Querschnitt, Längsschnitt ist eine
präzisere Bestimmung der Effekte möglich und die Fehlerquellen werden minimal
gehalten.
Schaie berücksichtigte in seinem Modell drei Faktoren
•
•
•
Alter (A) (reifungsbedingte, biologische Einflüsse)
Kohorte (K) (genetische Einflüsse, Umgebungsdeterminanten = Einflüsse,
die auf alle wirken)
Testzeit (T) (kulturelle Einflüsse = Lebensbedingungen)
Traditionelle Modelle: Verhaltensveränderung ist nur vom Lebensalter abhängig
Schaie: Entwicklung (Veränderung) ist eine Funktion von Alter, Kohorte
(Generation) und Testzeit
V = f (A, K, T)
Schwächen und Grenzen
• Alter, Kohorten und Testzeitpunkt: keine psychologischen Variablen, kein
unmittelbarer Erklärungswert für Verhaltensänderungen
• Sequenzmodelle tragen kaum zur Erfassung intraindividueller
Veränderungen bei (arbeiten meist unabhängige Stichproben ohne
Messwiederholung)
• Setzen lineare und additiv verknüpfte Effekte voraus Æ diese
Vorraussetzung ist jedoch nicht zwingend gegeben Æ bei der Auswertung
kann die dreifaktorielle Varianzanalyse mit den Haupteffekten Alter,
Kohorte und Messzeitpunkt sowie deren Interaktionen nicht verwendet
werden
Schaie schlägt als Auswertung vor mehrere zweifache Varianzanalysen (Alter x
Kohorte, Alter x Messzeitpunkte, Kohorte x Messzeitpunkte) durchzuführen
Æ ermöglicht keine unverfälschte Schätzung der Effekte, man müsste immer
eine der drei Effektquellen ignorieren oder dreifache Varianzanalyse mit gewissen
Restriktionen anwenden um die drei Haupteffekte zu trennen
- 27 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
III. Frühe Kindheit
22. Es wird oft behauptet, dass prä-, peri- und postnatale
Komplikationen und Belastungen sich auch langfristig schädlich auf die
kindliche Entwicklung auswirken. Diskutieren Sie diese Behauptung an
Hand vorliegender Forschungsbefunde! Vergleichen Sie dabei auch die
Bedeutung biologischer und psychosozialer Belastungsfaktoren für die
weitere Entwicklung des Kindes (S. 136-140, 736-738)
Risiken
• Genetische Fehler (durch extremes Alter der Mutter)
• Komplikationen beim Heranwachsen im Mutterleib
• Infektion und chronische Krankheiten
• Schwangerschaftsbedingte gesundheitliche Probleme
• Medikamentengebrauch während der Schwangerschaft (=Behinderungen)
• Umwelteinflüsse (Strahlen, Umweltgifte)
• Merkmale des persönlichen Lebensstils (Alkohol, Nikotin)
Schädigungen
• Einfluss v.a. auf die Organentwicklung
• Beeinträchtigung der Sauerstoff- und Nahrungsversorgung des Föten
• Gehirnentwicklung und Aktivität
• Mögliche Behinderungen
Schwere psychische Belastungen während der Schwangerschaft (z.B. Ablehnung
aus der Umwelt, Tod des Partners, Lebensumstände erscheinen ausweglos)
beeinträchtigen die Entwicklung des Föten.
In den letzten Gestationsmonaten ist das häufigste Risiko für das werdende Kind
eine plazentare Mangelversorgung, führt häufig zu einer spontanen oder
eingeleiteten Frühgeburt.
Frühgeburt
Kind ist vor der 37. Gestationswoche geboren oder wiegt weniger als 2500
Gramm.
Gefährdet für neuronale Folgeschäden und Schäden an den Sinnesorganen
Ist schlechter auf die Umstellung vorbereitet, langfristige Probleme bei:
•
•
•
•
Erregungskontrolle (schwieriger zur besänftigen)
Infoverarbeitung und Integration (haben höhere Reizschwelle und
brauchen länger um einen Reiz als vertraut abzuspeichern)
Probleme bei komplexen kognitiven Leistungen (der z.B. der Beginn des
Sprechenlernens)
Motorische Kraft und Koordination (z.B. späteres Laufenlernen)
Eckermann (1999): Noch im korrigierten Alter von vier Monaten sind
Unterschiede zu Termingeborenen festzustellen (v.a. in der Verarbeitung von
anregenden Erfahrungen = Frühgeborene reagieren seltener, geringer und sogar
negativ auf derartige Stimulation)
Viele der frühgeburtlichen Entwicklungsrückstände lassen sich nicht nur auf die
Frühgeburt, sondern auch auf zusätzliche Belastungen und Erkrankungen in den
ersten Lebenswochen zurückführen.
- 28 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Durch medizinische und psychologische Unterstützung wird versucht optimale
Bedingungen zu schaffen (z.B. Känguru-Methode: Kind nur mit Windel bekleidet
auf Mutter- oder Vaterleib legen, Lärmvermeidung, Tag- und Nachtrhythmus
wird eingeführt) = dennoch oft, nicht immer aufhaltbare Rückstände
Erhöhte Vulnerabilität
Selbst, wenn sich Frühgeborene dank einfühlsamer Betreuung der Eltern bis zum
Vorschulalter gut entwickeln, werden durch Belastungssituationen
(Prüfungssituationen) in der Schule leichte Leistungseinschränkungen erkennbar
Kommen zu prä- und perinatalen biologischen Problemen noch soziale Problem
im Elternhaus dazu, sind Frühgeborene besonders vulnerabel.
Psychosoziale Risikofaktoren während der frühen Kindheit wirken sich mit
zunehmender Entwicklung des Kindes immer deutlicher aus.
Psychosoziale Belastungsfaktoren
• Persönlichkeitsprobleme der Eltern (Alkoholismus)
• Fehlende Unterstützung in der Partnerbeziehung
• Unwissenheit und Ängstlichkeit im Umgang mit dem Neugeborenen
• Negative Erwartung an das Kind
Unter günstigen psychosozialen Bedingungen können sich selbst Kinder mit
vielen biologischen Risikofaktoren völlig normal entwickeln, aber bei massiven
Belastungen oder in Kombination mit biologischen Problemen ist die Prognose
eher ungünstig.
Einzelne Risikofaktoren besitzen jedoch einen begrenzten Vorhersagewert: Die
Gruppe der organischen Risikofaktoren verliert mit zunehmenden Alter an
Einfluss, während psychosoziale Kontextfaktoren in ihrer Wirkungsweise im Laufe
der Kindheit und Jugend zunehmen.
Bayrisch-finnische Entwicklungsstudie von Wolke und Meyer (2000)
Ziel: kognitive und soziale Entwicklung von Frühgeborenen und Termingeborenen
zu untersuchen.
Ergebnisse
• Es zeigten sich massive Ausfälle der kognitiven Entwicklung bei den sehr
früh geborenen, zudem signifikant mehr Probleme der Aufmerksamkeit
und soziale Probleme
• Niedrige Sozialschicht wirkte sich bei beiden Gruppen negativ aus
• Günstige soziale Faktoren wirkten protektiv (reduzierten und
Kompensierten Risiken)
• Mütter von sehr frühgeborenen Kindern erwiesen sich in der Erziehung als
kontrollierender und weniger feinfühlig
Schlussfolgerungen: Bei sehr Frühgeborenen besteht ein höheres Risikio für
spätere Schulschwierigkeiten. Prädiktoren: mangelhaftes Kopfwachstum als
Indikator für eine verzögerte Gehirnentwicklung, visuomotorische Störungen,
frühe Entwicklungsverzögerungen, Aufmerksamkeitsprobleme, ungünstige
familiäre Bedingungen.
Allgemein: neurologische Probleme in früher Kindheit einflussreich, später
nehmen soziale Risiken in ihrer Bedeutung zu.
- 29 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
23. Das Fremdeln ist nach Meindung von Laien und Experten eine
charakteristische Verhaltensweise in der frühen Kindheit. Beschreiben
Sie, was vom entwicklungspsychologischen Standpunkt aus unter dieser
Verhaltensweise zu verstehen ist, und erläutern Sie kurz verschiedene
Theorien zur Erklärung des Fremdelns. (Oerter&Montada, S. 188-192)
Synonym: Fremdenangst
Tritt oft ziemlich plötzlich um den 8./9. Lebensmonat auf, zwischen 6 und 8
Monaten erste Anzeichen von sozialer Scheu.
Taucht ein Fremder auf reagiert das Kind mit:
•
•
•
•
Augenaufreißen
Anstarren
Klammern an Mutter oder Vater
Beobachtung der fremden Person (stumm und wachsam)
Tritt bei nahezu allen Kindern auf, jedoch bei vielen in milderer Form, tritt
zwischen 8. und 12. Lebensmonat auf und ebbt dann wieder ab.
Intensität von der Reaktion hängt davon ab, wie bedrohlich das Kind die Reaktion
empfindet.
Unterschiede
• Dasselbe Kind fremdelt situationsabhängig unterschiedlich stark. In einer
unvertrauten Situation oder, wenn das Kind bereits verunsichert ist, kann
bereits der Anblick eines Fremden aus einiger Distanz Angst hervorrufen.
• Unterschiede zudem im angeborenen Temperament und erfahrungsbedingt
(so fremdeln Kinder mit wenig Besucherkontakt oft früher)
Theorien
1. Klassische Theorien:
Die klassische Psychoanalyse und frühere Lerntheorien erklären Fremdeln als
Angst des Kindes von der Mutter verlassen zu werden und einer fremden Person
überlassen zu werden und daher verhungern zu müssen.
Anfang 20. Jhd. kein Ersatz zur Muttermilch und Abstillung im 8. Monat, daher
Theorie plausibel, jedoch fremdeln auch mit Flasche aufgezogene Kinder.
2. Fremdeln als kognitives Diskrepanzerlebnis:
enge Beziehung zwischen Fremdeln und kognitiver Entwicklung des Kindes.
Im ersten Lebenshalbjahr werden nur Umweltstimuli nacheinander erfasst und
bearbeitet, jetzt ist es in der Lage aktiv an ein Vorstellungsschema zu erinnern,
kann es mit wahrgenommenen Reizen vergleichen und als gleich oder
verschieden klassifizieren.
Gesichter, die von den abgespeicherten Vorstellungsschemata abweichen, kann
das Kind vorerst nicht einordnen und hat kein Verhaltensrepertoire dafür bereit.
Angstreaktion = kognitiver Systemzusammenbruch.
3. Fremdeln als Versagen vorsprachlicher Kommunikation:
Fremdeln entsteht aus einem Zusammenbruch der
Kommunikationsmöglichkeiten des Kindes.
- 30 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Kinder haben sehr personenspezifische vorsprachliche Kommunikationsgefüge,
von denen das Verhalten eines Fremdens abweicht.
Kind merkt es, kann das Problem jedoch nicht lösen.
Angstreaktion kann bei langsamer Annäherung gemildert werden.
Kinder mit vielen Kommunikationserfahrungen fremdeln früher und mehr,
überwinden sie jedoch umso eher, wenn sie sprechen lernen.
4. Fremdeln als misslingendes Wiedererkennen der gestischen Signatur:
Schon Säuglinge mit 6 Wochen erkennen Personen an ihrer gestischen Signatur.
Fremdeln tritt dann auf, wenn die gestische Signatur ausbleibt oder von der
Erwartung des Kindes abweicht.
Der Höhepunkt im Alter von 6 bis 9 Monaten lässt sich damit erklären, dass das
Kind nun schon ein differenziertes Repertoire an Erwartungen aufbauen und
selbst aktiv Interaktion initiieren kann, ihm bei Versagen des Systems die
sprachlich-semantische Kommunikation aber noch nicht zur Verfügung steht.
- 31 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
24. Die meisten Eltern scheinen recht gut zu wissen, was ihr Baby
braucht. Und verhalten sich entsprechend. a) Was versteht man unter
intuitivem Elternverhalten? b) Welche Faktoren beeinflussen den Grad
dieser elterlichen Kompetenz (Oerter&Montada, S. 190-192).
Intuitives Elternverhalten
Eltern und größere Kinder zeigen im Umgang kulturübergreifend ein sehr
charakteristisches Verhalten:
•
•
•
•
•
•
•
•
Sprechen und gestikulieren langsamer
Heben die Stimme
Übertreiben ihre Mimik
Sprechen in einem Singsang
Vereinfachen die Sprache
Wiederholen Worte
Ritualisieren ihre Handlungen
Zeigen erstaunliche Geduld
Muss intuitives Verhalten sein, da Erwachsene oft in einem extrem geringen
Zeitfenster auf die Babys reagieren (200-600 msec), so dass es nicht bewusst
geplante Handlungen sein können.
Elemente des Verhaltens (ausführlich)
•
Prüfen und Regulieren des Wachheits- und Erregungszustandes
des Kindes (Eltern stellen durch Berührungen Muskeltonus fest,
Aktivierung der Aufmerksamkeit, Besänftigung durch rhythmische
Bewegungen)
•
Herstellen des visuellen Kontaktes (unmittelbarer Blickkontakt, rufen,
machen rhythmische Geräusche, regulieren Blickdistanz)
•
Herstellen der Kommunikationssituation (Eltern nehmen z.B. auf das
Kind als Gesprächspartner Bezug, reagieren auf mimische und gestische
Signale des Kindes und übertreiben eigene Gestik)
•
Angemessene Stimulation (Nach Menge und Intensität, nach Struktur
und nach Bedeutungsgehalt)
•
Unterstützung integrativer Prozesse (z.B. Multimodale Stimulation,
Förderung von Nachahmung, Zeigen und Benennen und Beachten und
Kontrolle der Emotionslage des Kindes)
Faktoren, die den Grad des Elternverhaltens beeinflussen
Merkmale des Kindes
Kinder, die
meist guter Stimmung sind,
sich interessiert der Umwelt zuwenden und
selten überempfindlich-negativ reagieren,
locken intuitives Elternverhalten leichter hervor
- 32 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Frühgeborene Kinder (die viel später nach ihrer Geburt lächeln und
reizempfindlicher sind),
Kinder, die viel krank sind, besonders langsam und matt reagieren,
Kinder mit autistischen Zügen
machen es den Eltern schwerer
Merkmale der Eltern
Ambivalente Einstellung zum Kind oder in ihre Elternkompetenz,
psychische Krankheiten besonders Depressionen und
erhebliche Belastungen
beeinträchtigt das Verhalten
Papousek (1994): Elternverhalten kann nicht gelehrt werden, sondern entsteht in
einer emotional offenen Interaktion mit dem Kind.
- 33 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
25. Eltern sind sozial-emotionale Bezugspersonen für ihre Kinder. Die
Qualität der dabei entstehenden Bindung lässt sich mit Hilfe des
„Fremde-Situationen“-Tests von Ainsworth diagnostisch erfassen.
Beschreiben Sie das Testverfahren und die mit ihm ermittelten Typen
von Bindungsbeziehungen! (Oerter&Montada, S. 197-203)
Der Fremde-Situationen-Test (FST) wurde von Mary Ainsworth und Wittig (1969)
entwickelt. Er diente dazu, den Bindungsstil der Kinder herauszufinden.
Er bestehd aus acht Dreiminuten-Episoden. Das Kind erfährt in zunehmender
Intensität Unvertrautheit, Neuheit und Fremdheit, sowie zwei kurze Trennungen
von der Mutter. Es wird das Erkundungs- und dann das Bindungssystem
angesprochen.
Der FST: In einem durch Einwegscheiben beobachtbaren Raum mit Spielzeug auf
einer Matte im Zentrum und zwei Stühlen an der Seite finden nacheinander die
Episoden statt.
1. Mutter und Kind werden vom Beobachter in den Raum geführt. Mutter
setzt Kind auf den Boden.
2. Mutter und Kind allein. Mutter liest, Kind kann Umgebung und Spielzeug
erkunden.
3. Freundliche Fremde tritt ein, setzt sich, unterhält sich mit Mutter (1
Minute) und beschäftigt sich dann auch mit dem Kind.
4. Mutter verlässt unauffällig den Raum, lässt aber ihre Tasche stehen.
Fremde bleibt mit dem Kind allein, beschäftigt sich mit ihm und tröstet es,
wenn notwendig.
5. Mutter kommt zurück, Fremde geht. Mutter und Kind allein. Mutter
beschäftigt sich mit Kind und versucht es für das Spielzeug zu
interessieren.
6. Mutter verlässt mit Abschiedsgruß den Raum lässt das Kind alleine.
7. Fremde tritt ein. Sie versucht das Kind zu trösten, wenn nötig.
8. Mutter kommt wieder, Fremde verlässt gleichzeitig den Raum.
Die Szenen 4, 6 und 7 können notfalls gekürzt werden, Mutter beobachtet das
Geschehen durch die Scheiben und entscheidet über die Dauer.
Bindungsstile
Aus dem Verhalten des Kindes lassen sich Bindungsstile ermitteln.
In der Auswertung wird das Verhalten des Kindes vor allem in den Szenen 5 und
8 auf vier siebenstufigen Skalen eingeschätzt:
Nähesuchen, Kontakthalten, Widerstand gegen Körperkontakt,
Vermeidungsverhalten.
Aus den Werten auf diesen Skalen und dem Gesamteindruck ermittelten die
Untersucher das Bindungsmuster.
Bindungsstil A: unsicher-vermeidend
Bei Rückkehr der Mutter: wenig Emotionen seitens des Kindes, keine Nähesuche,
beschäftigten sich weiterhin mit dem Spielzeug, wurde früher für emotional reif
gehalten (daher auch Typ A). Spätere Untersuchungen zeigten jedoch, dass
Kinder nur wenig sensitive Fürsorge erfahren haben. Mütter mochten keine
Emotionsausbrüche. Kinder haben offenbar gelernt, Gefühlsausbruch zu
minimieren und hielten sich an sachlicher Beschäftigung fest. Diese Kinder
- 34 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
reagierten vermeintlich cool, zeigten aber höchsten Anstieg des Stresshormons
Kortisol.
Bindungsstil B: sicher-balanciert
Wenn die Kinder allein gelassen wurden, zeigten sie mehr oder minder intensiv
ihren Kummer, kaum tritt die Mutter ein, sind sie wie erlöst und spielen fröhlich
weiter. Wenn Kummer nicht gleich verfliegt, fühlen sie sich im engen Kontakt mit
der Mutter sicher. Zum einen sind diese Kinder schon von Geburt an emotional
stabil und nicht schnell zu verunsichern oder aber sie haben einfühlsame Mütter
(verlässlich, offen und freundlich). Können ihre Gefühle daher offen zeigen und
wissen, dass sie sich auf die Mutter verlassen können.
Bindungsstil C: ambivalent-unsicher
Kinder reagieren schon oft auf den Eintritt und die Annäherung des Fremden
unsicher und empfindlich. Zeigen lautstark und wütend ihren Kummer, wenn sie
alleingelassen sind. Wenn Mutter zurückkehrt verhalten sie sich ambivalent.
Suchen einerseits den Kontakt, andererseits widersetzen sie sich Kontakt- und
Interaktionsversuchen auch besonders nach der zweiten Wiederkehr. Sie
erlebten ihre Mutter mal als besonders herzliche, mal als unerreichbar, ohne dass
sich ein voraussehbares Muster ergab. Daher übertrieben sie ihren Kummer,
damit ihre Not auch wirklich wahrgenommen wird. Zugleich ärgern sie sich
jedoch auch über die mangelnde Reaktion der Bindungspartnerin.
- 35 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
26. Die Qualität der Bindungsbeziehung zwischen Eltern und ihrem Kind
ist von großer Bedeutung für die psychische Entwicklung des Kindes. a)
Welche empirischen Befunde stützen diese Auffassung? b) Welche
Befunde liegen zur Frage der Stabilität bzw. Instabilität des Bindungsstil
vor? (Oerter&Montada 197-203)
•
•
•
•
•
Untersuchungen zeigen, dass Mütter mit Kindern, die den Typ A ausbilden
bereits mit drei Monaten wenig einfühlsam behandelt wurden und es gar
zu Feindseligkeiten kam, zudem erwarteten sie früh eine eigenständige
Regulation der Gefühle.
Typ A-Kinder zeigten den höchsten Anstieg des Stresshormons Cortisol,
sind damit extrem physiologisch belastet.
Typ-C-Kinder lassen sich in Deutschland zwar nicht so oft finden, jedoch in
Israel und Japan. Dort wurden sie entweder als zusätzliche Belastung
gesehen und waren früh in Krippen (Israel) oder die Mütter litten zwar mit
dem Kind mit, waren aber nicht in der Lage die emotionale Not des Kindes
zu lindern (Japan)
Kinder mit dem Verhaltenstyp D (unsicher-desorganisiert), die für
bestimmte Situationen keine Verhaltensprogramme haben und mit
seltsamen und bizarren Verhalten auf ungewohnte Situationen reagieren.
Studien zufolge scheinen gerade diese Kinder besonders gefährdet zu sein,
Verhaltensprobleme zu entwickeln.
Fünfjährige Kinder unterschieden sich bindungsspezifisch in der Art der
Konfliktregulierung im Puppenspiel, aber in der Offenheit und der Art der
Kontrolle ihrer Emotionen während des Puppenspiels.
Krippenerfahrung an sich hat keine Beziehung zur Bindungsqualität,
unsichere Bindung lässt sich hier auf geringere Sensitivität der Mutter
zurückführen. Bindungsqualität kann als Prädiktor für die Verarbeitung der
Eingewöhnung in die Krippe gesehen werden. Bei einjährigen Kindern
erwies sich die Art, wie sie die ersten Krippenwochen emotional
verkrafteten, als von ihrer bislang mit der Mutter aufgebauten
Bindungsbeziehung abhängig. Kinder mit sicherer Bindung zeigten ihre
Emotionen offener als Kinder mit unsicherer Bindung (insbesondere die
mit A-Muster). Ihre physiologischen Belastungswerte waren aber die
geringsten. Längerfristig schienen sie sich in der Gruppe der anderen
Kinder wohler zu fühlen und bildeten positivere soziale Kompetenzen aus.
Stabilität des Bindungstyps
• Relativ stabiles Merkmal bis ins Vorschul- und Schulalter. Kinder, die als
einjährige sicher-gebunden waren, kamen im Kindergarten und in der
Grundschule besser zurecht, waren in konflikthaften Situationen
kompetenter und wiesen weniger Verhaltensprobleme auf.
• Weitere Studien wiesen eine hohe Stabilität der Bindungsqualität zur
Mutter bis ins Jugendalter nach.
• Deutliche Wechsel von sicher zu unsicherer Bindung wurden mit
schwerwiegenden Lebensereignissen in den Zusammenhang gebracht (v.a.
Trennung der Eltern)
• Wechsel von unsicherer zu sicherer Bindung kann auf weniger deutliche
Bezüge zurückgeführt werden. Vermutlich bietet die Identitätsverarbeitung
im Jugendalter eine wesentliche Chance, sich ein stabiles balanciertes
Arbeitsmodell zu erarbeiten.
- 36 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
IV. Kognitive Entwicklung, sprachliche Entwicklung
27. PIAGET bezeichnet die sensumotorische Entwicklung in frühester
Kindheit auch als Erwachen der Intelligenz, denn bei der Entwicklung
der sensumotorischen Intelligenz handelt es sich gewissermaßen um
eine sensumotorische Vorbereitung der geistigen Auseinandersetzung
mit der Welt. Beschreiben Sie die Marksteine der sensumotorischen
Entwicklung an Hand des Sechs-Stufen-Modells von PIAGET und führen
Sie entsprechende Verhaltensbeispiele für den jeweiligen
Entwicklungsfortschritt an! (Oerter&Montada, S. 418-421)
Jean Piaget (1896 – 1980) sah die geistige Entwicklung als Aufeinanderfolge von
vier Stadien an.
sensumotorische Entwicklung (während der ersten zwei Lebensjahre,
Wurzel des Denkens werden hier gelegt, es gibt intelligente Leistungen,
bevor Denken im Sinne des inneren Operierens mit Vorstellungen,
Symbolen oder sprachlichen Zeichen möglich ist, in dieser Zeit wird die
Vorbereitung der geistigen Auseinandersetzung mit der Welt geschaffen)
voroperatorisches, anschauliches Denken
Stadium der konkreten Operationen
Stadium der formalen Operationen
Sensumotorische Entwicklung
1. Stufe: Übung angeborener Mechanismen
Schon bei der Geburt sind Säuglinge mit Anzahl von funktionsbereiten Reflexen
und Sinnesfunktionen ausgestattet (saugen, greifen, schlucken, schauen, hören)
Können neue Reize von bekannten unterscheiden, sich Reizen hin- und
abwenden usw.
Üben führt zur Konsolidierung dieses Repertoires und zur Anpassung an jeweilige
Gegebenheiten.
Beispiel: Saugen an der Mutterbrust entspricht nicht dem Saugen am Daumen
= Saugen zur Nahrungsaufnahme wird also vom spielerischen Saugen
unterschieden.
2. Stufe: Primäre Kreisreaktion
Handlungen, mit angenehmen oder interessanten Folgen werden wiederholt
(erste Gewohnheiten bilden sich aus)
Handlungsschemata (Saugen, Greifen, Gegenstand anblicken) werden auf immer
mehr Gegenstände und Umweltbereiche angewandt = generalisierende
Assimilation (Einverleibung von Objekten, Personen, Umweltgegebenheiten in
eigene Handlungsschemata)
Beispiel: Ist es einem Säugling zufällig gelungen eine Kinderrassel zu greifen
und zu schütteln, so wird es das wiederholen.
3. Stufe: Sekundäre Kreisreaktion
Differenzierung von Mittel und Zweck, um Zweck zu erreichen, der Säugling
entdeckt, dass bestimmte Handlungsweise immer wieder zum selben Ergebnis
führt, daher kann die Handlung als Mittel zum Zweck eingesetzt werden.
Beispiel: Ab dem 4. Monat strampeln Babys nicht mehr, weil ihnen das
strampeln Freude macht, sondern sie lösen damit evt. einen Effekt aus, z.B. ein
klingelndes Glöckchen am Bett, Wiederholung des Strampelns erfolgt um den
Effekt noch mal auszulösen oder ihn andauern zu lassen. Handlung und Effekt
- 37 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
werden miteinander verbunden. Jedoch ist Babys noch unklar, was zuerst
kommen muss: Handlung oder aber Wirkung.
4. Stufe: Koordinierung der erworbenen Handlungsschemata und
Anwendung auf neue Situation
typisch: Babys wenden mehrere auf den gleichen Gegenstand an
Æ Handlungsschema werden weiter ausdifferenziert und den Gegenständen
angepasst
Beispiel: Die Rassel wird betrachtet, geklopft, geschüttelt und in den Mund
gesteckt, es wird ausprobiert, was mit dem Gegenstand gemacht werden kann,
dadurch differenzieren sich die Handlungsschemata weiter und werden den
Gegenständen angepasst.
Es werden außerdem verschiedene Schemata koordiniert
Beispiel: Greifen und Werfen (setzt loslassen voraus) oder Hinkrabbeln, Greifen,
in den Mund stecken und Beißen
Systematische Anwendung mehrer Handlungsschemata auf den gleichen
Gegenstand
5. Stufe: Tertiäre Kreisreaktion
Entdeckung neuer Handlungsschemata durch aktives Experimentieren, Kind
findet durch die Koordination von Handlungsschemata neue Mittel, um Ziele zu
erreichen.
Beispiel: Tischdecke heranziehen um an weit entferntes Spielzeug zu gelangen,
es probiert systematisch verschiedene Möglichkeiten aus, z.B. Ballwerfen (hoch,
tief, mit einer Hand)
6. Stufe: Übergang vom sensumotorischeren Intelligenzakt zur
Vorstellung
spätestens ab Mitte des zweiten Lebensjahres kann das Kind sich Ergebnisse
seiner Handlungen vorstellen: praktisches Probieren ist also nicht mehr
notwendig, Handlungen können innerlich vollzogen werden: Übergang zum
Denken
Beispiel: Kind weiß, um an Keksdose zu gelangen, die entfernt steht, kann man
sich auf einen Stuhl stellen
- 38 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
28. PIAGETs Theorie der Kognitiven Entwicklung bildet einen
eigenständigen Ansatz zur Erklärung der Intelligenz.
Erläutern Sie bitte, inwiefern dieser Ansatz verschiedene
wissenschaftliche Disziplinen zu verbinden sucht und skizzieren Sie
ferner die wesentlichen Bestimmungsstücke, an Hand derer PIAGET
definiert, was Intelligenz ihrem Wesen nach ist!
•
•
•
Piagets Theorie ist ein eigenständiger Ansatz zur Erklärung der Intelligenz
Es ist ein Versuch biologische und erkenntnistheoretische Auffassungen
auf der Grundlage der empirischen Psychologie miteinander zu verbinden
Übergreift dadurch verschiedene Disziplinen der Wissenschaft
Biologische Ausrichtung (reagieren auf Stimuli)
• Intelligenz ist nur in Beziehung zum Organismus verständlich (Organismus
passt sich an, Intelligenz passt sich an)
• Intelligenz unterliegt (wie der Organismus) dervgrundlegenden Tendenz
zur Anpassung und bildet wie dieser Strukturen aus
• Ursprung der Intelligenz: angeborene Reflexmechanismen, bleibt lange
Zeit (bis Ende 2. Lebensjahres) an elementare Funktion der Wahrnehmung
und Motorik gebunden
Erkenntnistheoretische Ausrichtung
• Höhere Formen des Denkens lassen sich nicht ohne weiteres biologische
begründen
• Höhere Form des Denkens setzen System voraus, wie es von der
Erkenntnistheorie her aufgebaut worden ist (man reagiert nicht nur auf
Stimuli)
• Entwicklung der Intelligenz folgt hierarchisch gegliederten Sequenz von
Stufen oder Organisationsformen mit unterschiedlicher Struktur
Æ Komplexere Organisationsformen bauen auf weniger komplexen auf
(Voraussetzungen)
Bestimmungsstücke (Piagets Definition der Intelligenz)
•
Intelligenz ist Sonderfall der biologischen Anpassung:
wechselseitige Austauschprozesse zwischen Organismus und Umwelt,
kontinuierliche Anpassung vollzieht sich stammes- und
entwicklungsgeschichtlich, indem Organismus eine Reihe von Strukturen
bildet, die aufeinander aufbauen und auseinander hervorgehen
z.B. Reflexe (von Geburt an), Grundlage für: Gewohnheiten, Grundlage
für: praktische und sensumotorische Intelligenz
•
Intelligenz ist Gleichgewichtsform zu der alle (kognitiven) Strukturen
streben:
jede Struktur der Intelligenz bildet Form des Gleichgewichts zwischen
Organismus und Umwelt, das einen unterschiedlichen Grad an Stabilität
haben kann,
instabiler Gleichgewichtszustand wird im Laufe der Entwicklung immer
stabiler (nicht immobil, eine Struktur ist umso stabiler, je beweglicher sie
ist).
- 39 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
So, wie die verschiedenen Strukturen der Intelligenz im Laufe der
Entwicklung aufeinander aufbauen, so gehen auch die mit ihnen
verbundenen Gleichgewichtsformen auseinander hervor.
Äquilibration= Entwicklung des kognitiven Glöeichgewichts
•
Intelligenz ist ein System von lebendigen und aktiven Operationen:
Aktivität (aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt) ist Voraussetzung
für die Ausbildung des Gleichgewichts der Strukturen,
eine Struktur ist nur insoweit im Gleichgewicht, als ein Individuum
hinlänglich aktiv ist, um allen Störungen Kompensationen entgegensetzten
zu können (Störungen können durch das Denken vorweg genommen
werden und mittels einer reversiblen Operation ausgeglichen werden).
•
Anpassung vollzieht sich phylo- und ontogenetisch kontinuierlich.
- 40 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
29. Vom biologischen Standpunkt aus gesehen, unterliegt auch die
Entwicklung der Intelligenz der Tendenz zur Anpassung. Nach PIAGET
lässt sich diese Tendenz durch die Prozesse Assimilation und
Akkomodation beschreiben. a) Erklären Sie diese beiden
komplementären Prozesse und deren Zusammenspiel! b) Geben Sie bitte
zudem ein Beispiel für fehlerhafte Assimilation bei Kindern (im
voroperatorischen, anschaulichen Stadium) und beim Erwachsenen.
(Oerter&Montada, S. 436)
Bedürfnis nach Anpassung: bestimmte Entwicklung der Intelligenz durch zwei
komplementäre, einander ergänzende Prozesse
Assimilation
Anwendung einer Struktur auf einen Gegenstand, Aufnahme eines Gegenstandes
in ein geistiges Schema, Einverleibung der Umwelt, Tendenz: Verhaltensweisen
zu vollziehen und auf neue Gegenstände anzuwenden
Altes Schema wird auf neue Objekte angewandt (Wird eine Rassel gegriffen, ist
das die Assimilation der Rassel in das Greifschema)
Akkomodation
Struktur je nach Situation und Gegenstand anpassen und differenzieren,
Tendenz individuelle Strukturen gemäß den Anforderungen der Umwelt zu
ändern (Anpassung des Schemas auf neue Anforderungen)
Assimilation und Akkomodation sind komplementär, ergänzen sich aber. Sie
erklären den Entwicklungsverlauf der Anpassung
Tendenz, sich die Umwelt vollständig anzueignen führt dazu, dass
immer wieder Umweltereignisse auftauchen, die nicht mit vorhandenen
intellektuellen Möglichkeiten erfasst werden können,
Da setzt dann Akkomodation ein: Aufbau neuer Strukturen
Für intelligente Entwicklung: Auf Assimilation (Schema übertragen) folgt
Akkomodation, wenn Assimilation nicht funktioniert hat (anpassen an
Gegebenheiten, neue Erkenntnisse)
Fehlerhafte Assimilation
Kinder
Kind erklärt die Entstehung eines Felsens damit, dass der Fels zunächst sehr
klein war und dann gewachsen ist
Kind scheint über Konzept des Wachsens oder der Entwicklung verfügen, dies
wendet es an um die Entstehung eines Felsens zu erklären. Falsche Assimilation:
Steine wachsen nicht.
Spätere Verbesserung: Lebendes wächst, tote Materie nicht. Anpassung an die
Wirklichkeit: Akkomodation.
Erwachsene
Sofern sie sich sachlich und unvoreingenommen um Erkenntnis bemühen, prüfen
sie mehrere Möglichkeiten oder mehrere Assimilationsschemata (mehrere
Alternativen.) Hier sind fehlerhafte Assimilationen: Denkfehler
- 41 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
30. PIAGET hat ganz sicher eine sehr interessante und differenzierte
Theorie der kognitiven Entwicklung vorgelegt. Eignet sich diese Theorie
Ihrer Meinung nach auch als Grundlage und Richtschnur pädagogischer
Bemühungen zur Förderung kognitiver Prozesse beim Kind? Bitte
skizzieren und diskutieren Sie mögliche pädagogische Implikationen der
Theorie PIAGETs! (Oerter&Montada, S. 439-441)
•
•
•
•
•
Handelnde und denkende Aktivität ist erforderlich (learning by doing) und
nicht nur passives Aufnehmen.
Aktive Auseinandersetzung mit Gegebenheiten, eigenen oder
vorgegebenen Fragen und Problemen. Dadurch: Schaffung von Strukturen
des Handelns und Erkennens
Lernende müssen Unzulänglichkeiten und Widersprüche ihrer
Auseinandersetzung mit einem Gegenstand oder Probleme begreifen, um
sich zu entwickeln
Lehrer muss Erkenntnismöglichkeiten des Lernenden richtig einschätzen,
angemessene Probleme vorlegen, Probleme, die sie verstehen und mit
eigener Anstrengung lösen können
Keine einfache Übernahem der Erkenntnisse des Lehrers, Entwicklung der
eigenen Erkenntnismöglichkeiten, statt auswendig gelernte Reproduktion
fremder Erkenntnisse
Idealer Unterrricht besteht aus
• Selbstständiger Entdeckung
• Offener Unterricht mit Interaktion der Kinder mit Gleichaltrigen
• Stellung von Problemen, aber keine Lösungen, die einfach übernommen
werden (oberflächlich und schafft keine eigene Auseinandersetzung mit
dem Problem)
• Frage zu Phänomen/Problem soll zu Lösungsversuchen führen, die Kinder
sollen sich die Lösungen erobern
• Konfrontation mit Alternativen, gegenteiligen Meinungen, Begründungen
fordern: Problemlage und Lösungsversuch erklären. Dadurch wenig
Gefahr, dass sich Meinung von Lehrer unverstanden durchsetzt.
Eigene Meinung
Piagets Theorie eignet sich durchaus als Grundlage pädagogischer Bemühungen,
da sie sich vor allem auf die eigene Erfahrung mit den Problemen und
Phänomenen, denen die Kinder ausgesetzt sind, konzentriert. Dies wird
heutzutage extrem im Unterricht vernachlässigt, wo Wissen vom Lehrer
weitergegeben wird, aber die eigene Beschäftigung mit den Inhalten und daraus
folgende Verstehen vernachlässigt wird. Es kommt zum Auswendiglernen ohne
die Inhalte wirklich zu verstehen = Reproduktion von unverstandenen Wissen.
Lehrer oder auch Eltern sollten Kinder experimentieren lassen und erst bei
Nichtweiterkommen mit Lösungsstrategien, Ermutigungen zum Durchhalten,
Vertrauen in die eigenen Stärken behilflich sein.
Beispiel: Lexikon, ein Kind muss erst Lernen, wie ein Lexikon aufgebaut ist, es
kann allein suchen und vom Lehrer/Elternteil Hilfestellungen bekommen. Finden
muss es die Worte aber allein um durch ständige Wiederholungen das Konzept
vom Nachschlagen zu verinnerlichen.
Insgesamt: moderner pädagogischer Ansatz. Lehrer solle das Lernen nur
organisieren.
- 42 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
31.
Sowohl behavioristische als auch nativistische Theorien versuchen
eine Antwort auf die Frage nach dem WIE des Spracherwerbs zu bieten.
Umreißen Sie kurz die Grundannahmen dieser konträren Ansätze an
Hand einer Gegenüberstellung (Oerter&Montada, S. 537-539).
Behavioristische Theorien
Sprache besteht aus Wörtern, mit denen Personen, Dinge, Tätigkeiten und
Merkmale benannt werden.
Vordringlich zu klären, welche Mechanismen bereitstehen, um Dinge und
Lautfolgen mit Bedeutungen zu verbinden
1. durch operantes Konditionieren (zufällig produzierte Laute werden
bekräftigt, unübliche unbeachtet gelassen, erste Worte werden
ausgeformt, es entstehen später Sprachgewohnheiten)
2. Imitation (Kinder ahmen Sprache ihrer Umwelt nach, Fehler werden
korrigiert)
Outside-in-Theorien: Annahme genereller Lernmechanismen,
angeborene sprachspezifische Voraussetzungen werden nicht
angenommen oder minimiert.
Nativistische Theorien (von innen heraus)
Kind ist mit Linguisten zu vergleichen, aufspüren von der Grammatik einer
unbekannten Sprache
Annahmen
• Sprachliche Kompetenz ist angeboren (Vorwissen)
• Spracherwerb als Entfaltung angeborener linguistischer Fähigkeiten
Theorien
Sprachliche Universalien (Chomsky, 1965): Sprache als Regelsystem, kann
nur durch Prädispositionen erworben werden, linguistisches Vorwissen.
Regelsystem wird ausgeformt
Logisches Argument für die Annahme eines angeborenen linguistischen
Vorwissens: Beobachtung, dass Sprachentwicklung in verschiedenen Sprachen
ähnlich verläuft (Beginn mit einfachen Lauten)
Latente Struktur oder universale Strategie (Lenneberg 1972): Innere
Organisation der Sprache ist der Beobachtung nicht direkt zugänglich, nur
indirekte Schlüssel können beobachtet werden, z.B. linguistische Universalien,
übliches Alter für Sprachbeginn, Ähnlichkeit des Spracherwerbs = weisen auf
biologische Grundlage für Spracherwerb hin
Angeboren sind nicht besondere Merkmale einer natürlichen Sprache, sondern
Art und Weise ihrer Kategorisierung: Ausdruck latenter Struktur
Logische Ausgliederung (Braine 1963): Kind lernt, dass ein Satzsegment
(Morphem) in einem gewissen Kontext und an bestimmter Position auftritt, es
tendiert dazu, das Segement in eigenen Äußerungen an eben dieser Stelle
einzusetzen: das Auto, Nicht: Auto das.
- 43 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Schwachpunkt: terminologische Unschärfe: „angeborene Sprachtheorie“ setzt
Bewusstsein voraus, charakteristisch für den frühen Spracherwerb ist aber, dass
Kinder in Nicht-bewussten Prozessen lernen.
Inside-Out-Theorien: Sprachlernen unterscheidet sich zumindest zum
Teil von anderen Lernprozessen. Das Kind ist mit angeborenen
Sprachwissen oder angeborenen sprachspezifischen Fähigkeiten
ausgestattet.
- 44 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
32. Erwachsenen sprechen mit kleinen Kindern in der Regel „anders“,
d.h. auf eine andere Art und Weise, als sie es mit Erwachsenen tun. a)
Bitte skizzieren Sie die entsprechenden Unterschiede! b) Welcher Sinn
ist darin zu sehen, dass Erwachsene mit Kindern auf diese besondere
Weise sprechen? (Oerter&Montada, S. 192, 546-548)
Ammensprache = Sensitive Anpassungsleistungen durch intuitives
Elternverhalten
Ammensprache (baby-talk):
An die kindlichen Bedürfnisse, Präferenzen und Fähigkeiten angepasst
• Hohe Tonlage (an Hörfähigkeit des Säuglings angepasst)
• Übertreiben der Satzmelodie (prosodischen Präferenzen entsprechend =
Silbenstellung)
• Pausen zwischen Phrasen und Akzentverschiebung (Aufmerksamkeit auf
wichtige Wörter lenken)
• Wiederholung einzelner Satzelemente (der eigenen und der des Kindes)
• Deutliches Sprechen
• Einfache Satzkonstruktionen, kindgemäßer Wortschatz
• Langsames Sprechtempo
Funktion: Spracherkennung, zentral: Prosodie und Phonologie
Stützende Sprache (Scaffolding): Nach einem Jahr wird die elterliche Sprache
langsam eine stützende Sprache. Es wird Wert auf einen gemeinsamen
Aufmerksamkeitsfokus gelegt, es werden Routinen, Formate und Worte neu
eingeführt. Funktion für den Spracherwerb: Spracheinführung im Dialog, zentral:
Wortschatz
Lehrende Sprache (Motherese): Ab dem 24. bis 27. Lebensmonat. Es existiert
eine Modellsprache, es werden Sprachanregungen durch Fragen gegeben,
kindliche Äußerungen werden wiederholt und erweitert. Funktion:
sprachanregend und –lehrend, zentral: Grammatik
Sinn und Zweck
Sprachvereinfachung: kurz, syntaktisch-semantisch, sprachlich korrekt
Diese sollen es dem lernenden Kind erleichtern linguistische Segmente zu
identifizieren, anzugliedern, zu organisieren (kurze und einfache Sätze: Subjekt,
Prädikat, Objekt). Das Hauptaugenmerk ändert sich mit den Jahren.
Beurteilung:
- 45 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
33. Als kritische Perioden werden Entwicklungsabschnitte bezeichnet,
in denen spezifische Erfahrungen eine maximale Wirkung haben.
LENNEBERG wendet das Konzept der kritischen Periode auch zur
Erklärung des Spracherwerbs an. Ist das, Ihrer Meinung nach
gerechtfertigt? Welche Beobachtungen stützen seine Auffassung, welche
Kritikpunkte können angebracht werden?
Lenneberg vertrat nativistische Position
• Sprachentwicklung erst, wenn bestimmte Stufe des physischen
Wachstums erreicht wurde
• Kritische Periode: In dieser Zeit müssen gewisse Grundzüge der Sprache
erworben werden
• Bei 2-3 Jahren Sprachentwicklung durch Wechselspiel von Reifung und
selbst programmierten Lernen
• In dieser Zeit: Kind sehr sensibel für Reize aus der Umwelt
• Angeborene Flexibilität für Organisation der Hirnfunktionen um notwendige
Prozesse, die für Sprachentwicklung notwendig sind, zu integrieren
Nach Pubertät: Abnahme der Fähigkeit zur Selbstorganisation und Anpassung an
die physiologischen Erfordernisse des verbalen Verhaltens
Stützung Lennebergs Auffassung
• Ausfallerscheinungen nach Hirnverletzungen: je nach Zeitpunkt ihres
Eintreffens ist mit unterschiedlicher Auswirkung auf die Sprachfähigkeit zu
rechnen
• Rückstand der Sprachentwicklung bei Kindern mit Down-Syndrom (ab 14
Jahre, keine Fortschritte mehr, Zustand schien festgeschrieben)
• Bei früher Hörbehinderung (schwerer): Beeinträchtigung der Laut- und
Satzentwicklung, nachfolgende Beeinträchtigung, wenn Behinderung zu
spät erkannt.
• Erlernen einer zweiten Sprache: Im frühen Alter wird die neuromuskulare
Anpassung an Artikulationsanforderungen besser bewältigt. Der
Organismus ist noch nicht auf Artikulations- und Intonationsbasis
festgelegt
Kritik
Kritische Perioden (enge Grenzen, wenn später die Sprache gelernt wird)
lassen sich nach heutigen Möglichkeiten nicht nachweisen (ethische
Schranken: man kann nicht ein Kind bis zur Pubertät ohne Sprache
aufwachsen lassen)
Sprachfertigkeit des Kindes ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass die
Sprache in einem Zeitraum erworben wird, der durch Prozesse der
Hirnreifung charakterisiert wird. Auch nach Hirnreifung Spracherwerb
möglich
Argumentativ aufgezeigten Befunde konfundieren, nur in Beziehung auf
Krankheiten
Sinnvoll von sensibler Periode der Sprachentwicklung auszugehen. Kind
zeichnet sich durch hohe Sensibilität für soziale Erfahrungen, flexible
Organisation der Sprachfunktion, erhöhte Bereitschaft sich auf soziale
Stimulation sprachgerecht einzustellen.
- 46 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
V. Kindheit
34.
Wer – im Vergleich zu seinen gleichaltrigen Mitmenschen – relativ
intelligent ist, bleibt es auch in Zukunft, wer – in diesem Sinne – weniger
intelligenz ist, gehört auch in Zukunft zu den weniger Intelligenten. Ist
es tatsächlich so? Skizzieren Sie die Befundlage zur Stabilität der
Intelligenz und denken Sie über Faktoren nach, die einer höheren
Stabilität möglicherweise im Wege stehen. (Oerter&Montada, S. 237239)
Intelligenzkoeffizient im Erwachsenenalter sehr konstant
Positionsstabilität: Individuum behält im Vergleich zu seiner Bezugsgruppe
(Altersgruppe) die gleiche Position, diese ändert sich über Jahrzehnte nicht.
Ab 9. Lebensjahr: hohe Vorhersage des späteren Intelligenzniveaus)
Allerdings: geringe Korrelation des Quotienten zwischen Kindheit und
Erwachsenenalter
Risikofaktoren (nachteilige Auswirkung auf die Intelligenzentwicklung):
Verhalten der Mutter, Bildungsniveau, Stressreiche Lebensereignisse,
Ängstlichkeit, Soziale Unterstützung, Psychische Gesundheit, Familiengröße
v.a. die Summe an Risikofaktoren beeinflusst intellektuelle Entwicklung,
Risikofaktoren wirken sich nachteilig auf die Intelligenzentwicklung aus, ohne,
dass sich das auf die Stabilität der Intelligenz auswirkt. Sowohl die Risikofaktoren
als auch die Intelligenz bleiben über die Jahre relativ stabil, somit kann die
zunehmende Stabilisierung der Intelligenz in der Kindheit kein Beleg für die
genetische Festgelegtheit der Intelligenz sein. Es ist damit nicht unterscheidbar,
ob die Stabilität ab dem 9. Lebensjahr auf eine hohe Erblichkeit oder zum
Beispiel auf eine besonders hohe Sensibilität des Alters zwischen 3 und 9 Jahren
für die Intelligenzentwicklung schließen lässt.
•
•
•
Ein genetisch mitdeterminiertes Ausgangspotential wird durch aktive
Auseinandersetzung mit der Umwelt für alle Kinder mit fortschreitendem
Alter entfaltet.
Ein genetisch mitdeterminiertes Ausgangspotential wird durch
Risikofaktoren in seiner Entfaltung beeinträchtigt: Je mehr Risikofaktoren,
desto mehr Beeinträchtigung
Stabilitätskoeffizienten sind nie gleich 1, lassen eine Restvarianz zu, die
sich in der Veränderung des IQs und damit im Vergleich zu gleichaltrigen
Gruppen widerspiegelt (also keine Stabilität zu 100%)
Faktoren, die einer höheren Stabilität im Wege stehen
Schwankungen im frühen Lebensalter, in der geistigen Entwicklung, v.a.
durch Schwankungen der fördernden bzw. beeinträchtigenden Faktoren
der Umwelt bedingt = Mit Beginn der Schulzeit wird dieser Faktor
schwächer, Erziehungsumwelt erreicht Konstanz
Schulischer Einfluss (bei gleichem Lebensalter zeigt sich Anstieg der
Intelligenzleistung mit Dauer des Schulbesuchs, Kinder, die gleich alt sind,
aber unterschiedliche Klassen besuchen: Kinder in der höheren Klasse sind
intelligenter)
Intelligenztests sind zumindest für die Zeit des Schulalters noch
falsch geeicht.
- 47 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Test-Reliabilität: eingeschränkt
Testung sehr junger Kinder = weniger standardisiert, daher Schwankungen
Intelligenztests erfassen auf verschiedenen Altersstufen verschiedene
Fähigkeiten
- 48 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
35. Elternhaus und Schule haben zweifellos einen Einfluss auf die
Kreativität von Kindern. a) Welche Verhaltensmaximen sollten dabei
beachtet werden, wenn das Ziel eine Förderung der Kreativität ist? b)
Welche Erziehungshaltungen hingegen führen eher zu einer Blockade
der kindlichen Kreativität?
Erziehungsstile, die Kreativität fördern
• Neugier fördern (Elternkreativer Kinder haben gegenüber Eltern nicht
kreativer Kinder, bei gleicher Intelligenz, breitere Interessen, beschreiben
sich selbst als neugieriger und unabhängiger
• Fördernde Aktivität der Eltern, meist Eltern, die selbst kreativ sind
o Väter kreativer Kinder: in Elternrolle zufriedener, sieht sich als
strenger, erlauben dem Kind aber Gefühle zu zeigen
o Mütter kreativer Kinder: aktives Interaktionsverhalten,
problemorientierte Kommunikation mit dem Kind
• Nicht einfach alles erlauben (nicht den einfachsten Weg gehen)
• Vielleicht auch genetische Faktoren
Schule
• Stimulierendes Verhalten zeigen (z.B. zum spielerischem Umgang mit
Dingen und Ideen ermutigen), aber nicht zu bestimmten Aktivitäten
zwingen
• blockierende Faktoren abbauen
• Kreativitätsfördernde Fähigkeiten, Werte und Einstellungen aufbauen
• Aufbau allgemeiner Denkstrategien und Einstellungen gegenüber eigenen
Ideen fördern (Voraussetzungen schaffen für kreatives Denken:
Herausfinden von Zusammenhängen, Tatsachen und Wahrheiten
hinterfragen, eigene Phantasie effektiv einsetzen, usw.)
• Kreativitätstraining im Unterricht (Verfahren, die Kinder auffordern,
unerwartete Antworten zu produzieren)
• Lehrer als Modell für Kreativität
• Klassenzimmer, das Kreativität zulässt
• Toleranz für neue Ideen zeigen
• Keine festgelegten Muster aufzwingen
• Fächerübergreifendes Lernen fördern
• Konstruktiv kritisieren
Fördern Kreativität nicht
• Orientierung am schnellen Erfolg
• Bestrafung von nicht sachgerechten Verhalten
• Druck zur Angepasstheit (Konformität) Æ Orientierung an der Alters- und
Geschlechtsgenossen (Bestehen auf stereotype Geschlechterrollen)
• Strikte Trennung von Arbeit und Spiel
• Verbot zu viele Fragen zu stellen
• Gleichsetzung von Andersartigkeit und Abnormalität
Besonders die Schule kann Kreativität unterdrücken
Gegenteile von oben sprechen natürlich auch gegen die Entfaltung der Kreativität
- 49 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
36. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität kann auf sehr
unterschiedliche Art und Weise erklärt werden. Skizzieren Sie die
vorliegenden Erklärungsansätze. (Oerter&Montada, S. 665-672)
Erklärungsansätze für die Entwicklung der Geschlechtsidentität versuchen die
Frage zu beantworten, wie aus biologisch männlichen oder weiblichen Individuen
(psychologisch) maskuline oder feminine Persönlichkeiten werden.
Freud: Theorie der psychosexuellen Identifikation
Männlich: Kastrationsangst (Mädchen sind penislos, müssen also kastriert
worden sein) führt zur Identifikation mit dem bedrohlichen Vater.
Weiblich: Penisneid und Identifikation mit der Mutter erfolgt aus Angst vor
Liebesverlust.
Aufgrund fehlender empirischer Beweise nur historische Bedeutung.
Heutige Erklärungsansätze nach biologischen, sozialisationstheoretischen
und kognitiven Aspekten. Die drei Ansätze schließen sich gegenseitig NICHT
aus, sondern ergänzen sich.
Biologische Ansätze
Chromosomale, hormonelle und neuronale Grundlagen und hormonelle
Veranlagungen: Frage: Haben Chromosomenanlage und Hormone nicht nur auf
physische Erscheinung, sondern auch auf Persönlichkeits- und
Verhaltensunterschiede Einfluss. Es werden eher Unterschiede im Verhalten als
Unterschiede der Geschlechtsidentität im engeren Sinne untersucht. Hormonelle
Unterschiede zeigen zwar, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich emotional
auf bestimmte Stimuli reagieren, jedoch wird Auswirkung auf
Geschlechtsidentität kontrovers diskutiert.
Evolutionäre Grundlagen: Aufgrund der unterschiedlichen
Fortpflanzungsfunktionen der beiden Geschlechter bildeten sich für Männer und
Frauen unterschiedlich angepasste Verhaltensstrategien. Erscheint plausibel, hat
jedoch Schwächen: Unterschiede innerhalb der Geschlechter werden nicht
aufgeklärt, Angepasstheit des Verhaltens zeigt sich erst nach Erreichen der
Fortpflanzungsreife, erklärungsbedingte Entwicklungsprozesse finden jedoch
vorher statt, Vermittlung der angenommenen Prädispositionen ist unklar.
Zusammenfassung: biologische Faktoren und Verhalten beeinflussen sich
gegenseitig, wenn biologische Faktoren wirksam sind, werden die Effekte durch
soziale Faktoren überlagert und modifiziert.
Sozialisationstheoretische Ansätze
Sozialisationstheoretische Ansätze basieren auf der Annahme, dass
geschlechtstypische Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen erlernt
werden:
• Sie werden von Eltern bevorzugt bekräftigt (Bekräftigungstheorie)
1. Differentielle Erwartungen: Eltern und andere Interaktionspartner
erwarten von Jungen und Mädchen unterschiedliches Verhalten.
2. Differentielle Bekräftigungen: Sie bekräftigen Mädchen und Jungen
für unterschiedliches Verhalten.
3. Differentielle Bekräftigungseffekte: Geschlechtstypisierung nimmt
aufgrund der unterschiedlichen Bekräftigungsmuster zu.
- 50 -
Entwicklungspsychologie
o
•
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Zusammenhang konnte zwar nachgewiesen werden, unklar bleibt
jedoch, was Ursache ist. Das elterliche Verhalten kann als Reaktion
auf Geschlechtsunterschiede wie als deren Ursache interpretiert
werden.
Es werden Personen des gleichen Geschlechts bevorzugt als Modelle
gewählt (Imitationstheorie)
1. Differentielle Beobachtungshäufigkeit: Mehr Gelegenheiten zur
Beobachtung gleichgeschlechtlicher Modelle als zur Beobachtung
gegengeschlechtlicher Modelle.
2. Selektive Nachahmung: Wenn gleich- und gegengeschlechtliche
Modelle beobachtet werden, werden die gleichgeschlechtlichen Modelle
imitiert.
3. Elternidentifikation: Der gleichgeschlechtliche Elternteil ist das
bevorzugt nachgeahmte Modell.
o Die Behauptungen können sich empirisch nicht eindeutig belegen
lassen, bzw. sich nicht als Ursache für die Entwicklung der
Geschlechtsidentität bezeichnen lassen.
Zusammenfassung: Lassen sich nicht als Ursache für die Ausbildung der
Geschlechtsidentität festlegen. Sie verstärken eher die schon vorhandenen
Unterschiede. Ursache sind eher kognitive Verarbeitungsprozesse, in die
gemachte Erfahrungen hineinspielen (Konzept des geschlechtsangemessenen
Verhaltens, Erwartungen über Konsequenzen)
Kognitive Ansätze
Verständnis für die Geschlechterdifferenzierung ist die treibende Kraft, die für
das eigene Geschlecht typischen Merkmale zu übernehmen und positiv zu
bewerten. Anstöße (Bekräftigung, Verhaltensmodelle) sind erleichternde
Bedingungen.
Kohlberg: Drei Schritte bis zur Geschlechtsidentität
1. Wahrgenommene Ähnlichkeiten führen zur Selbstkategorisierung eines
Jungen oder Mädchens (2-3 Jahre)
2. Mit dem Verständnis der Geschlechtskonstanz nimmt die aktive Suche
nach geschlechtsbezogenen Infos auffällig zu.
3. Führt zur selektiven Wahrnehmung und zur Identifikation mit
gleichgeschlechtlichen Modellen
Zentral: Verständnis für die Geschlechtskonstanz, Identitätsbildung erfolgt aber
früher, daher muss rudimentäres Wissen ausreichen.
Geschlechtsschematheorien: Geschlechtsidentität wird an das jeweils
gegebene Geschlechtsschema angeglichen. Zwei Schemata:
1. Allgemeines Schema (Overall-ingroup-outgroup schema): alle Infos für
die Kategorisierung für Männer und Frauen, beginnt sich schon früh auf
der Basis von wahrgenommenen Unterschieden zu bilden.
2. Spezifisches Schema (Own-sex-schema): Engere und detailliertere
Version des Overall-Schema. Mit der Entwicklung fängt die
Höherbewertung des eigenen Geschlechts an. Merkmale des eigenen
Geschlechts werden positiver bewertet.
Zusammenfassung: Bisher vorliegende Untersuchungsbefunde stützen sich
mehrheitlich auf Geschlechtsschematheorien.
- 51 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
37. Die Theorie des sozialen Lernens spielt eine wichtige Rolle bei dem
Versuch, die Entwicklung der Geschlechtsidentität bzw. die Übernahme
der Geschlechtsrolle zu erklären. Erläutern Sie die beiden Hauptstränge
dieser Theorie und illustrieren Sie sie an Hand einiger Beispiele aus dem
Alltag! (Oerter&Montada, S. 668-670)
Sozialisationstheoretische Ansätze basieren auf der Annahme, dass
geschlechtstypische Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen erlernt
werden:
• Indem sie entweder von Eltern oder Gleichaltrigen bevorzugt bekräftigt
werden (Bekräftigungstheorie)
• Indem Personen des gleichen Geschlechts bevorzugt als Modelle gewählt
werden (Imitationstheorie)
Bekräftigungstheorie
1. Differentielle Erwartungen: Eltern und andere Interaktionspartner
erwarten von Jungen und Mädchen unterschiedliches Verhalten.
2. Differentielle Bekräftigungen: Sie bekräftigen Mädchen und Jungen für
unterschiedliches Verhalten.
3. Differentielle Bekräftigungseffekte: Geschlechtstypisierung nimmt
aufgrund der unterschiedlichen Bekräftigungsmuster zu.
Dass differentielle Erwartungen vorhanden sind, ist durch viele Studien gut
belegt. Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass Eltern ihre Kinder vollständig
nach den Geschlechtsrollen erziehen. Viele Eltern sehen eine starke
Geschlechtsrollentypisierung nicht unbedingt als Erziehungsziel an.
Generell wurde gut belegt, dass Mütter- und Väter bei Jungen stärker das
Leistungs- und Wettbewerbsverhalten, Unabhängigkeit sowie Affektkontrolle
fördern, sie strafen Jungen generell mehr. Mädchen dagegen erhalten mehr
Zuwendung und Zärtlichkeit und werden in der Sauberkeit unterstützt, wilde
Spiele werden unterbunden.
Beispiel: Eine Mutter von einem Jungen lässt ihn oft mehr ausprobieren und
unabhängig entscheiden, ob er etwas kann oder nicht, während eine Mutter eines
Mädchens eventuell es zur Vorsicht mahnt.
Problem: Beobachtung des korrelativen Zusammenhangs reicht nicht aus, um
Bekräftigungstheorie anzunehmen, da elterliches Verhalten einerseits als
Reaktion auf Geschlechtsunterschiede, andererseits als Ursache für die
Geschlechtsunterschiede interpretiert werden kann. Dazu müssten
Längsschnittuntersuchungen durchgeführt werden.
Imitationstheorie
Beobachtung des geschlechtsangemessenen Verhalten von Jungen und Mädchen
führt zum Aufbau der Geschlechtsidentität (Modelle sind real = Eltern, Lehrer,
Gleichaltrige oder fiktiv = Personen in Büchern, usw.)
4. Differentielle Beobachtungshäufigkeit: Mehr Gelegenheiten zur
Beobachtung gleichgeschlechtlicher Modelle als zur Beobachtung
gegengeschlechtlicher Modelle.
5. Selektive Nachahmung: Wenn gleich- und gegengeschlechtliche
Modelle beobachtet werden, werden die gleichgeschlechtlichen Modelle
imitiert.
6. Elternidentifikation: Der gleichgeschlechtliche Elternteil ist das
bevorzugt nachgeahmte Modell.
- 52 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
In westlichen Ländern stimmt Punkt 1 nicht, denn eigentlich haben Jungen und
Mädchen gleichviel Möglichkeiten zur Beobachtung gleich- und
gegengeschlechtlichen Modellen. In den ersten Lebensjahren gibt es jedoch
durch Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen mehr weibliche Modelle.
Es werden zwar bevorzugt gleichgeschlechtliche Modelle beobachtet, jedoch
findet selektive Nachahmung erst dann statt, wenn geschlechtstypische
Einstellungen bereits vorhanden sind, also die Geschlechtskonstanz verstanden
wurde. Außerdem orientiert sich die Nachahmung eher an der
Geschlechtsangemessenheit des Verhaltens als am Geschlecht.
Beispiel: Jungen imitieren eher kriegerisches Verhalten eines Mädchen als
bemutterndes Verhalten eines Jungen.
Auch die Elternidentifikation lässt sich nicht stützen, da Kinder ihrem
gleichgeschlechtlichen Elternteil nicht ähnlicher sind, als dem
gegengeschlechtlichen (zudem Widerspruch zur Theorie von Muttersöhnchen und
Papatöchtern)
Zusammenfassung
Die Bekräftigungs- und Imitationstheorie lassen sich nicht als Ursache für die
Ausbildung der Geschlechtsidentität festlegen. Sie verstärkt eher die schon
vorhandenen Unterschiede. Ursache sind eher kognitive Verarbeitungsprozesse,
in die gemachte Erfahrungen hineinspielen (Konzept des
geschlechtsangemessenen Verhaltens, Erwartungen über Konsequenzen)
- 53 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
38. So gravierend seine Folgen für die Betroffenen in der Regel sind, so
schwierig kann es im Einzelfall sein, den sexuellen Missbrauch von
Kindern zu erkennen. Welche Signale können ein Hinweis darauf sein,
dass ein Kind sexuell missbraucht worden ist bzw. immer noch wird, und
welche Probleme stellen sich bei dieser Diagnose? (Oerter&Montada, S.
813 – 815)
Signale für sexuellen Missbrauch
In verschiedenen Broschüren gibt es Listen mit Symptom und „Signale“ , die
zuverlässige Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch geben sollen.
Fegert (1993) weist darauf hin, dass es weder klare körperliche noch psychische
Symptome noch gibt, die ein eindeutiges Syndrom für sexuellen Missbrauchs ist
Bei Untersuchungen zeigte sich, dass misshandelte Kinder eine höhere
Symptombelastungen haben:
häufiger Ängste, Depressionen, Aggressionen, zeigen internalisierendes (nach
innen gekehrtes), externalisierendes und sexualisierendes Verhalten (Puppen in
beischlafähnliche Positionen bringen, verführerisches Verhalten,
altersunangemessenes Wissen über sexuelle Dinge)
Missbrauchskinder sind weniger auffällig als Kinder mit anderen psychischen
Problemen
Altersabhängigkeit der Symptome
Vorschulkinder (0-6 Jahre): Ängste, Alpträume, internalisierendes und
sexualisierendes Verhalten
Schulkinder (7-12 Jahre): Ängste, Alpträume, Schulprobleme, unreifes,
hyperaktives, aggressives Verhalten
Jugendliche (13-18): am problematischsten: Depressionen, sozialer Rückzug,
Suizidneigung, Weglaufen, Somatisierungen, Drogenmissbrauch, Promiskuität
(häufig wechselnde Geschlechtspartner)
21-49% der Kinder erscheinen völlig symptomfrei, aber sind sie es wirklich? Æ
Eingesetzte Instrumente vielleicht zu unsensibel
Psychische Belastungen entwickeln sich erst mit zunehmender kognitiver
Reife oder ersten sexuellen Partnerschaftserfahrungen
Nicht jeder sexuelle Missbrauch führt zu Belastungen (häufigste Formen des
Missbrauchs: einmalige sexuelle Berührungen und Erfahrungen mit
Exhibitionismus) und bei 50% nimmt die Symptombelastung mit der
zeitlichen Distanz ab.
Probleme bei der Diagnose
Schwierigstes Problem bei der Diagnostik: wenig Erkenntnis über normale
sexuelle Entwicklung von Kindern und Entwicklung ihres sexuellen Wissen,
Wissen aber notwendig zur Beurteilung: was sexualisiertes oder
unangemessenes Wissen über Sexualität ist, muss nicht durch Missbrauch
erworben sein
Spielverhalten mit anatomisch-korrekten Puppen: missbrauchte und nichtmissbrauchte Kinder unterscheiden sich nicht deutlich.
Kinderzeichnungen sind nicht eindeutig, auch nicht-missbrauchte Kinder
malen Genitalien, nicht alle missbrauchten Kinder machen das in
Zeichnungen deutlich
- 54 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Spontane Berichte: zuverlässigste Quelle, bei Kindern zwar nicht detailliert,
manchmal durch Kreuzverhöre und Suggestivfragen zu Falschaussagen zu
verleiten, v.a. wenn zwischen Missbrauch und Befragung viel Zeit
vergangen ist
Häufig werden reale Erfahrungen aus Scham oder Furcht verschwiegen (meist
von älteren Kindern)
Problem der hohen Dunkelziffer (vieles ist gar nicht bekannt, daher auch
kaum valide Untersuchungen möglich)
- 55 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
39. Wann spricht man von „sexuellen Missbrauch“ und welche
Informationen liegen zur Häufigkeit seines Vorkommens vor? Gehen Sie
bei Ihrer Antwort auch auf Probleme ein, mit denen die Forschung in
diesem Bereich konfrontiert ist! (Oerter&Montada, S. 808-811)
Probleme, mit denen die Forschung in diesem Bereich konfrontiert ist, beziehen
sich auf die Definition und auf die Angaben/Schätzungen der Häufigkeiten
Definitionen
Kempe und Kempe (1980): Beteiligung noch nicht ausgereifter Kinder und
Jugendliche an sexuellen Aktivitäten, denen sie nicht verantwortlich zustimmen
können, weil sie die Tragweite noch nicht erfasst haben, meist männliche
Erwachsene, Kriterium: Alter- oder Kompetenzgefälle in der Täter-OpferBeziehung
Probleme: Altersbegrenzung zur Bestimmung der Kindheit und Altersgefälle zu
Täter und Opfer unklar, sexuelle Übergriffe auch von jugendlichen oder wenig
älteren Tätern (30-45 %)
Feministische Definitonen: Instrumentalisierung von Mädchen und Frauen zur
sexuellen Befriedigung, Kriterium: subjektives Erleben des Opfers, also Verstöße
gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Verletzung der Intimsphäre, „anzügliche“
Blicke), nicht an Altersgrenze und Konzepte von Kindheit gebunden, Übergriffe
gegen den Willen eines Mädchens/Frau.
Probleme: Definition aus dem subjektiven Erleben macht Missbrauchsbegriff
verschwommen, Jungen bleiben ausgeklammert (auch sie werden missbraucht),
bei Einbezug von jungen/erwachsenen Frauen werden die Aussagen über die
Vorkommenshäufigkeiten komplett verändert.
Gemeinsamkeiten der Definitionen:
• Zwischen Täter und Opfer in der Regel ein Gefälle bezüglich Alter, Reife
oder Macht
• Meist gegen den Willen
Häufigkeiten
Quellen
• Polizeiliche Kriminalstatistik
• Sozialwissenschaftliche Dunkelfeldstudien
Polizeiliche Kriminalstatistik
1998: ca. 16 600
zwischen 1965 und 1985 Zahl fast halbiert, aber ab 1998 wieder Anstieg (Frage:
Gab es mehr Missbräuche oder einfach mehr Anzeigen?)
Wetzel: Zwischen 1985 – 1995 sind die Fallzahlen um 47.6% gestiegen,
Opferrate aber konstant geblieben oder sogar gesunken
Lediglich bei 25% der angezeigten Fälle sind die Täter mit den Opfern verwandt,
oft bleibt eine Anzeige aus
- 56 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Sozialwissenschaftliche Dunkelfeldstudien
Prävalenzraten: weiblich 6 – 25%, männlich: 2 – 8%
Variabilität entsteht z.B. durch die unterschiedlichen Definitionen des sexuellen
Missbrauchs
Hohe
•
•
•
Prävalenz, wenn…
Einschluss sexueller Erfahrungen ohne Körperkontakt
Geringe Altersdifferenz zwischen Opfer und Täter
Erfahrungen bis zum 16. Lebensjahr miteinbezogen werden
Probleme
• hohe Dunkelziffer: viele Erfahrungen werden aus Furcht oder Scham nicht
preisgegeben
• Definitionsprobleme: Was ist sexueller Missbrauch
• Problem retrospektiver Studien (gibt es richtige Erinnerungen)
- 57 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
40. Sexuell missbrauchte Kinder haben auch langfristig unter dem
Missbrauch zu leiden. Welche Symptome haben sich diesbezüglich in
empirischen Studien nachweisen lassen? Gehen Sie in Ihrer Antwort
auch auf Faktoren ein, die die Bewältigung von Missbrauchserfahrungen
erleichtern. (Oerter&Montada, S. 814-817)
Kendall-Tacket (1998)
Höhere Symptombelastungen als nicht missbrauchte Kinder: häufiger Ängste,
Depressionen, Aggressionen, zeigen internalisierendes (nach innen gekehrtes),
externalisierendes und sexualisierendes Verhalten
Missbrauchskinder erscheinen weniger auffällig als Kinder mit anderen
psychischen Problemen
Sexualisiertes Verhalten: (Puppen in beischlafähnliche Positionen bringen,
verführerisches Verhalten, altersunangemessenes Wissen über sexuelle Dinge)
Drajer (1990):
Mehr als die Hälfte der sexuell missbrauchten Frauen leiden unter Ängsten,
Depressionen, sexuellen und psychosomatischen Problemen, Einsamkeit,
Minderwertigkeit, Vertrauensangst. Probleme entstanden auch durch andere
familiäre Belastungen: z.B. Misshandlung von beiden Eltern, zu wenig Fürsorge,
zu strenge Kontrolle
Altersabhängigkeit der Symptome
Vorschulkinder (0-6 Jahre): Ängste, Alpträume, internalisierendes und
sexualisierendes Verhalten
Schulkinder (7-12 Jahre): Ängste, Alpträume, Schulprobleme, unreifes,
hyperaktives, aggressives Verhalten
Jugendliche (13-18): am problematischsten: Depressionen, sozialer Rückzug,
Suizidneigung, Weglaufen, Drogenmissbrauch, Promiskuität (häufig wechselnde
Geschlechtspartner)
21-49% der Kinder scheinen völlig symptomfrei, aber sind sie es wirklich?
Entscheidend für die Symptombelastung sind: Dauer und Intensität des
Missbrauchs, das Ausmaß an erfahrener Gewalt und ob der Täter ein Fremder
war oder dem Opfer bekannt
Bewältigungsstrategien
• Familiäre Schutzfaktoren: liebevolle, unterstützende Familie, in der die
Kinder sexuell aufgeklärt werden, klare Grenzziehung zwischen den
Generationen, aber Umgang mit der Körperlichkeit offen und liberal
• Bessere Bewältigung, wenn sich das Opfer keine Mitschuld gibt, sondern
der Täter allein verantwortlich gesehen wird
• Bessere Verarbeitung, wenn Missbrauch vom Opfer völlig abgelehnt wird,
positive oder ambivalente Gefühle erschweren die Verarbeitung
(=besonders bei nahen Angehörigen als Täter)
• Schlechtere Verarbeitung bei Missbrauch durch pädophile Täter, da diese
die Kinder zunächst beschenken und sich ihnen aufmerksam zuwenden
• Therapeutische Interventionen für missbrauchte Kinder wurden in ihrer
Wirksamkeit noch nicht empirisch evaluiert (ethische und methodische
Probleme)
• Beratungs- und Betreuungsangebote, die auch auf männliche Opfer
ausgeweitet werden
- 58 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
41. Wer als Kind oft geschlagen oder auf eine andere Art misshandelt
wurde, neigt später als Vater bzw. Mutter auch selbst dazu, seine Kinder
zu misshandeln. Wie beurteilen Sie diese These auf der Basis der
vorliegenden empirischen Befunde? Gehen Sie in Ihrer Antwort auch auf
Faktoren ein, die den beschriebenen Zusammenhang moderieren!
(Oerter&Montada, S. 804-805)
Mehrgenerationale Weitergabe der Gewalt
Verantwortlich für das Auftreten von Kindesmisshandlungen sind elterliche
Persönlichkeitsprobleme, die aus Vorerfahrungen (harte Strafen und Ablehnung
in der eigenen Kindheit) resultieren. (Depressionen und andere Formen
psychischer Labilität bzw. erhöhter Irritierbarkeit)
Kaufmann & Ziegler (1997): Weitergabe der Gewalt trifft auf 30% der Eltern
zu, Bender & Lösel (2000): 30% sind unterschätzt, da:
Gewalterfahrungen in der Kindheit sind ein entscheidender Risikofaktor für alle
möglichen Störungsbilder und Formen der Gewaltbereitschaft (inklusive
Kindermisshandlungen) sind.
Wetzel (1997): alltäglichere Gewalt: zwei Drittel der früher geschlagenen Eltern
geben die Gewalt an ihre Kinder weiter, Misshandlungen im engeren Sinne:
85,7% der Eltern brechen mit der Tradition der selbst erfahrenen Gewalt
Reisel (1991): 60% der Mütter und 36% der Väter erziehen völlig gewaltfrei,
ein Drittel der Mütter wurden in der Kindheit geschlagen, gaben diese nicht
weiter, bei Vätern 9%, 21% geben selbsterfahrene Gewalt in abgeschwächter
Form weiter, gewaltfrei erzogene Eltern schlugen nicht.
Spätere Studien mit anderem Fokus geben zum Teil ungünstigere Ergebnisse
Generell gibt es sehr unterschiedliche Ergebnisse, nicht eindeutige Befundlage,
Problem: Was ist elterliche Gewalt, wie ist sie definiert?
Erfahrene Gewalt wird dann nicht weitergegeben, wenn Schutzfaktoren eine
Rolle spielten
• Beziehungen zu anderen Personen, die Werte vermittelten und Sicherheit
gaben (anderer Elternteil, späterer Lebenspartner, Therapeut)
• Gute Begabung und damit verbundener schulischer Erfolg
(unwahrscheinlich, da misshandelte Kinder in der Schule in vielen
Bereichen Rückstände zeigen)
Eigene Meinung:
• Weitergabe passiert oft, da Kinder gerade in ihren Eltern Vorbilder haben,
die Behandlung im Nachhinein als richtig empfanden und eventuell durch
Verdrängung, schmerzliche Erfahrungen ausschalten.
• Haben nicht gelernt, mit problematischen Situationen umzugehen, einfach
zuzuschlagen ist einfacher
• Wenig Gedanken über Folgen und ähnliches
Einschränkung: Wenn die Schutzfaktoren also nicht greifen, dann ist Weitergabe
der Gewalt sehr wahrscheinlich.
- 59 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
42. Elterngewalt gegen Kinder ist leider gar nicht so selten. Welche
Ursachen kommen als Erklärung dieses Verhaltens in Frage? Bitte,
führen Sie auch empirische Belege Ihrer Aussagen an! (Oerter&Montada,
S. 805 – 806)
Psychopathologisches Erklärungsmodell
Mehrgenerationale Weitergabe der Gewalt (siehe Frage 41)
Soziologische Erklärungsansätze
Gewalt entsteht bei folgenden Faktoren
• Gesellschaftliche Billigung von Gewalt in der Erziehung von Kindern
• Lebensbelastungen (Armut, Arbeitslosigkeit) überfordern die Familie
• Mangel an sozialen Unterstützungssystemen, die Familien in Krisenzeiten
entlasten könnten
Missbilligung körperlicher Bestrafungen
Billigung von Gewalt nimmt ab, so wurde das elterliche Züchtigungsrecht
abgeschafft und Kinder machen, wenn sie von ihren Eltern geschlagen werden,
mit zunehmender Reife abgemilderte Aussagen,
Reisel (1991): Eltern, die Strafen und Züchtigungen gutheißen sind häufiger
gewalttätig
Lebensbelastungen
Lebensbelastungen sind in vielen gewaltgefährdeten Familien nachweisbar, ihr
Beitrag zu den Misshandlungsgeschehen ist jedoch anderen Faktoren
untergeordnet (vor allem der persönlichen Ressourcen der Eltern)
Belastungen, die Gewalt fördern, sind Partnerschaftskonflikte oder die schwierige
Situation allein erziehender Mütter.
Wetzel (1997): Gewalt in Partnerbeziehungen greift häufig auf Kinder über
Sozial-situationales Erklärungsmodell
Kindliche Verhaltensprobleme (Aggressionen, Ungehorsam) sind auslösende
Faktoren, Eltern verprügeln Kinder aus Ärger und Ohnmacht, wenn andere
pädagogische Maßnahmen fehlgeschlagen sind.
Empirische Studien zeigen, dass dies der Hauptanlass für harte Strafen und
Misshandlungen zu sein scheinen. Jedoch unterscheiden sich später misshandelte
nicht von später gut behandelten Kindern, wenn man sie kurz nach der
Entbindung untersucht. (=empirischer Befund).
Auftretende kindliche Verhaltensprobleme sind mit mütterlichen
Persönlichkeitsproblemen und unzureichendem Betreuungsverhalten verknüpft.
Hohe Gefährdung von behinderten Kindern:
Für behinderte Kinder besteht ein dreimal größeres Risiko, misshandelt zu
werden.
Sullivan & Knutson (2000): Häufiger als bei nichtbehinderten Kindern, treten
die verschiedenen Gewaltformen in Kombination auf und sind nicht auf einen
einmaligen Übergriff beschränkt
- 60 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
43. Einige Erziehungsberechtigte halten es für ratsam oder gar
notwendig, ihren Anforderungen an Kinder und Jugendliche betreffs
Übernahme moralischer Normen durchaus autoritär Nachdruck zu
verleihen. Nehmen Sie hierzu – unter Beachtung einschlägiger
Forschungsergebnisse – Stellung, indem Sie auch andere Möglichkeiten
elterlichen Verhaltens in die Überlegungen mit einbeziehen! Welches
elterliche Verhalten führt am ehesten dazu, dass ein Kind moralische
Normen auch wirklich „verinnerlich“? (Oerter&Montada, S. 625-627)
Typologie von Hoffmann und Salzstein – 1967 unterscheidet bei
Erziehungsstilen drei Grundformen:
Machtausübender Stil
Typisch: Direkte, auch gewaltsame Durchsetzung von Forderungen und harte
Strafen Æ Forschung hat eindeutig ergeben, dass diese Form eine
Internalisierung von Normen eher verhindert als dass es sie fordert
Ergebnis: nur Angst vor Strafe, nur äußere Anpassung, nicht freigewählte
Beachtung einer Norm, wenn Kind keine Überwachung/Entdeckung
fürchtet, hält es sich nicht an die Vorschrift
Hoffmann (1963): Mütter mit harscher Machtausübung verfehlten
Erziehungsziele (Korrelation zwischen den mütterlichen Aufforderungen an
ihre Kinder sich prosozial und hilfsbereit zu verhalten und dem Verhalten
der Kinder war negativ, r= -0,68)
Negativer Zusammenhang zwischen feindseligen Erziehungsstil und
unterschiedlichen Indizes der Moral wurde häufiger nachgewiesen.
Zusammenhang ist erhärtet durch die Delinquenzforschung:
Machtausübende Erziehung (v.a. inkonsistenter Aufsicht und
Feindseligkeit) ist ein Prädiktor für antisoziale Verhaltensprobleme in der
Kindheit und Delinquenz im Jugendalter
Zwei Hypothesen zur Interpretation der Befunde:
• Machtausübung ist gepaart mit feindseliger Grundhaltung dem Kind
gegenüber, liebevolle Wärme fehlt, Identifikation mit Eltern fehlt
• Verinnerlichen einer Norm nur dann zu erwarten, wenn sie nicht
erzwungen oder erkauft wurde, sonst oft Widerstand gegen
Aufforderungen
Erziehung durch Strafe in Form von Liebesentzug
Formen der Strafe: Demonstratives Gekränktsein, Abbruch und
Zurückweisung von Kontakten, Beschränkung der Interaktion auf das
Nötigste, kein Lächeln, kein Blickkontakt, usw.
Wirkung dieser Strafe abhängig von Bedürfnis nach Zuwendung des Kindes
und welche Möglichkeiten es hat die Zuwendung wieder zu erlangen
Wirkung auf Internalisierung moralischer Normen nicht eindeutig ermittelt,
manche Kinder leiden, andere sind weniger betroffen, andere spielen die
Reue
Nicht unproblematisch: Wenn er zur Internalisierung beiträgt, führt er eher zu
einer ängstlich-rigiden Moral.
- 61 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Induktiver Erziehungsstil
Idealer Stil
Je nach Alter des Kindes werden argumentative Erläuterungen der
Forderungen gegeben, ihr Sinn erklärt, Ausnahmen durchdacht,
Lösungsmöglichkeiten erwägt
Auf Zwang und Zurechtweisung wird verzichtet, stattdessen Spielraum für
eigene Entscheidungen Æ Heranwachsende sehen dadurch die Beachtung
ihrer Norm als eine eigene Entscheidung, die von Erziehern kommentiert
und gelobt wird
Beachtung der Norm wird dadurch zu einem Teil ihrer selbst, ihrer Identität
Es kann sich eine humanistisch flexible Moral entwickeln, keine ängstliche
starre Moral, klammern an Wortlaut von Regeln, über die Berechtigung
einer Regel und ihrer Auslegung darf nachgedacht werden
- 62 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
44. Kinder bis zum Vorschulalter zeigen so etwas wie bedingungslosen
Gehorsam (oder auch nicht). Sie stellen vorgegebene Normen jedenfalls
nicht in Frage, d.h. sie akzeptieren grundsätzlich als berechtigt, was
Eltern und andere Autoritäten sagen. Einige Eltern hegen die Erwartung,
dass dies auch in den folgenden Jahren so bleiben wird. Wie stellt sich
nun die tatsächliche Entwicklung der Autoritätsauffassung von Kindern
dar? PIAGET hat untersucht, wie Kinder in unterschiedlichen
Entwicklungsstadien die Herkunft von Vorschriften, deren Verfehlung
und die Bestrafung von Verfehlungen beurteilen. Welche
Entwicklungssequenz hat er dabei beobachtet? (Oerter&Montada, S.
629-635)
Piaget war der Meinung, dass Kinder in der Vorschule akzeptieren, was die Eltern
und Autoritätspersonen sagen, mit dem Eintritt in die Grundschule beginnt die
Auseinandersetzung mit Normen, Fragen nach ihrer Herkunft und Zweifel an
Berechtigung sind erkennbar
Herkunft von Vorschriften
1. Heteronomie, soziale Regel gilt absolut (Vorschulalter)
Regeln durch Autoritäten gesetzt, daher sind sie berechtigt, bei Abweichung
muss Bestrafung gefürchtet werden, Regeln werden als unveränderbar, absolut
gültig und unantastbar gesehen. Gut und Böse oder ungerecht ist das, was
Autoritäten so bezeichnen
2. Autonomie (ab Grundschulalter)
Kinder entscheiden selber, was gut und richtig ist. Indem sie sich auf Maßstabe
der Gerechtigkeit beziehen vereinbaren sie Gebote und Verbote und bilden sich
eigene Urteile über angemessene Bestrafungen
Verfehlung der Vorschriften
Entwicklung von Heteronomie zur Autonomie bestätigt sich auch in der
Definition, was eine Verfehlung ist:
Jüngere Kinder: objektive Verletzung von Geboten und Verboten oder
Ungehorsam gegenüber der Autorität, Kinder beziehen sich auf den Wortlaut von
Geboten
Ältere Kinder: Verfehlung ist die Verletzung des Vertrauens, der gegenseitigen
Achtung, sehen den Sinn in der Regeln und Normen
Bestrafung von Verfehlungen
Nach den Ansichten der Verfehlung unterscheiden sich die Kinder auch in der
Ansicht einer gerechten Strafe
Jüngere Kinder: fordern Sühnestrafe (vergeltende oder strafende
Gerechtigkeit), Strafe wird als moralische Notwendigkeit gesehen, zwischen der
bestraften Handlung und dem Inhalt der Strafe besteht keine Beziehung und
keine Verhältnismäßigkeit, Sühne ist also willkürlich
Ältere Kinder: fordern Strafen der Wiedergutmachung oder solche, die eine
natürliche Konsequenz der Verfehlung darstellen: Sinn der verletzten Norm
demonstrieren, inhaltliche Beziehung zwischen Schwere des Vergehens und
Strafe. Die moralische Autonomie beruht auf einer Einsicht in den Sinn von
Normen, Sühnestrafe wird abgelehnt
Entwicklung des Gerechtigkeitsbegriffs verläuft von heteronomer
Gerechtigkeit zur autonomen Gerechtigkeit
- 63 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
45/46.
Täglich müssen große und kleine moralische Probleme
(Dilemmata) gelöst werden. Die Orientierung bei der Lösungssuche
erfolgt auf qualitativ unterschiedlichen Niveaus der Argumentation;
Kohlberg unterscheidet 3 Niveaus mit jeweils 2 Stufen. Stellen Sie die
Entwicklung moralbezogener Argumentation an Hand des Kohlbergschen
Modells dar!
Kohlbergs Stufenmodell der Entwicklung des moralischen Urteils wirkt
zunächst ein wenig abstrakt. Bitte, versuchen Sie, die einzelnen Stufen
dieses Modells konkreter darzustellen, indem Sie kurze Lösungsbeispiele
in Bezug auf ein – von Ihnen selbst gewähltes oder erfundenes –
moralisches Dilemma formulieren!
(Oerter&Montada, S. 635-639)
Kohlbergs Interesse galt der Entwicklung von Begründungen normativer Urteile
und Orientierungen, die diese Urteile leiten. Begründung dieser Normen,
untersuchte Kohlberg an moralischen Dilemmata (Konflikt zwischen zwei
moralischen Normen). Er unterschied 3 Niveaus mit 2 Stufen der Entwicklung,
die sich darin unterscheiden, dass jeweils spezifische Orientierungen bei der
Lösungssuche bevorzugt werden.
1. Vormoralisches Niveau
Kind entwickelt zum ersten Mal Verständnis für kulturell gegebene Regeln und
Konzepte (gut/böse, richtig/falsch). Bedeutung aber noch an rein äußerlichephysische oder hedonistische Konsequenzen gebunden (Bestrafung, Belohnung,
gegenseitige Begünstigung)
Stufe 1: Orientierung an Bestrafung und Gehorsam
Entscheidung durch drohende Strafen und mächtige Autoritäten, Vermeidung von
Bestrafung, Unterwerfung der Macht
Beispiel Sterbehilfe: Nicht leisten, es ist verboten, Strafe droht
Stufe 2: naiver instrumenteller Hedonismus
Entscheidung durch eigene Interessen begründet: Interessen anderer werden
nur bedingt berücksichtigt, weiter an äußerlichen Konsequenzen gebunden. Aber
nun befriedigen von Bedürfnissen
Beispiel: Wenn nötig Maschinen abstellen, er ist es ihr schuldig, Gefängnis wäre
es wert, er wäre dann auch erlöst
2. Niveau der konventionellen Moral
moralische Orientierung unabhängig von äußerlichen und unmittelbaren
Konsequenzen der Handlung, Tendenz zur Erhaltung wichtiger Sozialbeziehungen
Stufe 3:
Orientierung bleibt beschränkt auf Familie und andere Primärgruppen, es bleibt
ein Konflikt bestehen, wenn nicht die Interessen aller wichtigen Bezugspersonen
gleichermaßen berücksichtigt werden können
Beispiel Sterbehilfe: Wenn er sie liebt, soll er sie erlösen (für sie)!
- 64 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Stufe 4: Orientierung an der Aufrechterhaltung von Autorität und
sozialer Ordnung: Orientierung erweitert sich auf übergreifende Systeme wie
Staat und Religionsgesellschaft, System als solches wird wichtig, nicht mehr nur
konkrete persönliche Sozialbeziehungen, oberstes Gebot: Erfüllung eines
gegebenen Ordnungs- und Rechtsystems
Beispiel Sterbehilfe: Wenn man heiratet, schwört man sich ewige Liebe und
Treue. Ehe bedeutet auch Verpflichtung. Man darf den anderen nicht im Stich
lassen
3. Das Niveau der postkonventionellen Moral
System ist in seiner Form nicht unwandelbar, es wird nicht mehr fraglos als
richtig und verteidigenswert angesehen, deutliches Bemühen moralische Werte
und Prinzipien zu definieren, unabhängig davon, ob andere sie anerkennen,
gültig sind und Bedeutung haben
Stufe 5: Legalistische Vertragsorientierung und Anerkennung
demokratischer Gesetzgebung
Verständnis des Systems als Gesellschaftsvertrag (zwischen Beteiligten
vereinbart), kann verändert werden,
utilitaristische Überlegungen sind häufig, eine neue Dimension der Gerechtigkeit
gewinnt an Bedeutung: Gerechtigkeit des Verfahrens bei der
Entscheidungsfindung, z.B. nach dem Modell demokratischer Entscheidungen,
Menschenrechte werden als unveräußerlich angesehen
Beispiel Sterbehilfe: Die Ärzte haben das Recht zu handeln (abhängig vom
System)
Stufe 6: Orientierung am Gewissen oder individuelle Prinzipien
Suche nach allgemeingültigen abstrakten ethischen Prinzipien: allgemeine
Verfahren zur Prüfung normativer Entscheidungen
Gefordert: Prinzipien wie Mitsprache aller von der Entscheidung betroffenen,
Unparteilichkeit bei der Informationsaufnahme, Abwägen von Interessen und
Argumenten, Möglichkeiten der Revision einer Entscheidung,
Beispiel Sterbehilfe: Jeder hat selbst über den Zeitpunkt seines Todes zu
entscheiden (abhängig von Religion, Kultur, Individuum)
Stufe 6 ist selten zu finden…
- 65 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
47. Gibt es eine „männliche“ und eine „weibliche“ Moral? a) Stellen Sie
GILLIGANs Überlegungen zu dieser Frage dar. b) Können Sie sich eine
Situation vorstellen, in der die „männliche“ und die „weibliche“ Moral
(im Sinne GILLIGANs) miteinander in Konflikt geraten können?
Entwickeln Sie dazu ein Beispiel! (Oerter&Montada, S. 640 – 641)
In Auseinandersetzung mit Kohlberg unterschied Gilligan 1982 zwischen
•
•
Männlicher Moral: an Gerechtigkeit orientiert
Weiblicher Moral: an Fürsorge orientiert
Es gibt verschiedene Prinzipien der verteilenden Gerechtigkeit, aus denen sich
Rechte oder Ansprüche ableiten lassen (Gleichheit, Chancengleichheit,
Leistungsproportionalität)
eines dieser Prinzipien ist die Bedürftigkeit: Zuteilung von Gütern,
Ressourcen, Leistungen (auch Fürsorge) sollte nach der Bedürftigkeit
vorgenommen werden.
Moral der Fürsorge durch Motiv gezeichnet für andere zu sorgen,
Verantwortung für sie zu übernehmen, Gutes zu tun, altruistisch zu
handeln (Moral der Fürsorge ist nicht so zu verstehen, dass dem
Bedürftigkeitsprinzip Vorrang vor anderen Gerechtigkeitsprinzipien
gegeben würde)
Es besteht ein Unterschied in der Handlungsmotivation und des
Problemverständnissen zwischen Handeln aus altruistischer Motivation,
aus Mitleid oder Liebe und pflichtgemäßes Handeln aus erlebter
Verantwortlichkeit für andere
Sowohl altruistisch als auch moralisch motivierte prosoziale Handlungen
setzten Sensibilität für Notlagen voraus, der Unterschied der Motivsysteme
besteht z.B. darin, dass moralische Motivsysteme suspendiert werden,
wenn Notlagen selbstverschuldet sind und nicht als unverdient angesehen
werden
Bei dem altruistisch motiviertem Motivsystem ist es unerheblich, ob Notlagen
selbstverschuldet, naturgegeben, schicksalhaft sind oder durch
Ungerechtigkeit entstanden sind
Empirisch keine Bestätigung, dass die Moral der Gerechtigkeit die männliche und
die Moral der Fürsorge die weibliche Moral ist. Auch die Behauptung Gilligans,
dass Frauen bei Kohlbergs Skala schlechter abschneiden, weil diese die
männliche Gerechtigkeitsmoral erfasse, konnte nicht bestätigt werden.
Situationen in der die männliche und weibliche Moral in Konflikt geraten
Kindererziehung: Mann: Kind muss für gebauten Mist geradestehen, Frau will
Kind schützen
Politische Themen
- 66 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
48. Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, extrem intelligent zu
sein (z.B. anlässlich einer Vordiplomsprüfung)! Merkwürdigerweise kann
Hochbegabung jedoch auch Probleme für die Betroffenen schaffen, v.a.
im Kindesalter. a) Beschreiben Sie einige dieser möglichen
Schwierigkeiten! b) Welche Empfehlungen würden Sie Eltern
hochbegabter Kinder geben?
Probleme und Schwierigkeiten
• Unersättliche Neugier: ständiges Fragen, bestehen auf befriedigende
Antwort, lässt sich nicht mit Scheinargumenten abspeisen
• Fanatischer Gerechtigkeitssinn
• Hohe Sensibilität für affektive und sozial-emotionale Klimata
• Will nicht mit Gleichaltrigen spielen, wendet sich älteren und Erwachsenen
zu
• Erkennen Not und Verzweiflung in de Welt schon früh (ohne damit wirklich
zurecht zu kommen)
• Denken über soziale Probleme nach, bevor sie Erfahrungen damit gemacht
haben, damit fertig zu werden
• Konfliktträchtige Wahl: Aufgeben der sensiblen Denkfähigkeiten um von
Gruppe akzeptiert zu werden oder Begabung weiterzuentwickeln (eventuell
Außenseiter werden)
• Lernen in bestimmten Situationen zu schweigen um nicht durch
ungewolltes Angeben und Herabsetzung anderer unangenehm aufzufallen
(braucht Einsicht in soziales Verhalten, das wie über das Lebensalter
hinausgeht)
• Verhaltensprobleme wegen Unterforderung
• Haben eigene Denkweisen, ungewöhnliche Lösungswege, die von normal
Intelligenten manchmal nicht verstanden werden
• Werden auffällig und aggressiv
Hohe Intelligenz führt erst zum Problem durch Unfähigkeit der Eltern
angemessen auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Kindes einzugehen
Empfehlung an die Eltern
• Grundsätzlich: Dieselben Ratschläge und Verhaltensempfehlungen wie für
jedes andere Kind auch
• Intensive Betreuung und Zuwendung notwendig, gemeinsames Spiel,
liebevolle Zuneigung
• Lernanreize bietende Umwelt ohne Überforderung
• Vermeidung destruktiver Kritik
• Bekräftigung erwünschten Verhaltens
• Anderssein annehmen und gleichzeitig Isolation und Segregation
entgegenwirken
• Kind ermutigen mit anderen zu spielen, aber nicht zwingen
• Reife fehlt trotz kognitiver Fähigkeiten, daher Kind nicht überfordern
(keine zu hohen Erwartungen, Ansprüche oder einseitige Förderung)
• Empathie, Geduld, Sensibilität und Toleranz wichtig
• Hochbegabtenförderung als Ergänzung (unter gleichen sein)
- 67 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
49. Die Leistungsgruppierung in der Schule, z.B. die Zuweisung von
Schülerinnen und Schülern zur Hauptschule, Realschule oder zu,
Gymnasium, kann sich auf die Leistungsentwicklung der Betroffenen
auswirken. a) Welche empirischen Befunde liegen dazu vor? b) Welche
Auswirkungen kann die Leistungsgruppierung auf das
Fähigkeitsselbstkonzept der Betroffenen haben? (Oerter&Montada, S.
769 – 773)
Nach der Grundschule Leistungsgruppierung: aufgrund Fachleistungen
unterschiedliche Schulformen zugewiesen Æ leistungshomogenisierte Gruppen
Annahme: Lernerfolge in leistungshomogenen Gruppen stärker, da ähnliche
Lernzeiten, höheres Unterrichtstempo, höheres kognitives Anspruchsniveau
Empirische Befunde:
Internationale Befunde sagen, dass Fähigkeitsgruppierungen bei optimaler
Leistungsförderung ineffektiv sind.
Studie in Hongkong (2000):
Ergebnisse weisen auf unbedeutende Rolle der Fähigkeitsgruppierung hin
die Schulleistungen guter Schüler in Hongkong sind unabhängig von der
Leistungsstärke (Fähigkeitsgruppierung) ihrer Schule
signifikanter Effekt der individuellen Ausgangsleistung zu Beginn der 7.
Jahrgangsstufe auf Leistung in 9. Jahrgangsstufe
Leistungen der guten Schüler entwickeln sich positiver als die schlechter
Schüler, gute Schüler entwickeln sich also immer besser, egal auf welcher
Schule
In deutschen Studien abweichendes Bild:
Studie des Max-Planck-Instituts (60er Jahre):
Hat eine Aufteilung nach 6 statt nach 4 Jahren Grundschulzeit negative
Auswirkungen auf die Leistungen guter Schüler?
Es wurden in der 7.Klasse die Leistungen zwischen Gymnasiasten die 4 Jahre und
die 6 Jahre in der Grundschule waren verglichen
Ergebnisse: Leistungsvorteile der Gymnasiasten nach 4. Klasse. => frühere
Differenzierung fördert leistungsstärkere Schüler
Köller und Baumert (2001):
individuelle Ausgangsfähigkeiten von Klasse 7 hat einen positiven Effekt auf
Leistungen in Klasse 10
am Gymnasium bessere Leistungen als auf der Realschule
Innerhalb einer Schulform nur unbedeutende Unterschiede in der
Leistungsentwicklung zwischen leistungsstärkeren und
leistungsschwächeren Schulen
Art und Weise der Wissensvermittlung am Gymnasium entscheidend (nicht
die Leistungsgruppierung an sich) - Gymnasiallehrer haben andere
Lehrerausbildung
Zusammenfassung: Bezogen auf die Fachleistungsentwicklung profitieren
leistungsstarke Schüler von der Differenzierung im Sekundarbereich.
- 68 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Studien von Schwarzer (Deutschland) und Marsh (Amerika, Australien) zeigten,
dass Fähigkeitsgruppierung deutlichen Effekt auf die Entwicklung selbst
bezogener Fähigkeitskognitionen haben:
Für leistungsstarke Schüler (Gymnasium) negative Effekte (Konkurrenz,
soziale Vergleiche, sind nicht mehr die besten) Æ Absinken des
Selbstwertgefühls und des Fähigkeitsselbstkonzepts
Für leistungsschwache Schüler (Hauptschule) positive Effekte (nicht mehr die
schlechtesten) Æ Anstieg des Fähigkeitskonzept
Fischteicheffekt:
individuelle Selbstwahrnehmung der Begabung ja nach dem welches Niveau
die Schule hat
Schüler auf schwacher Schule hat höhere Wahrnehmung seiner Fähigkeiten,
je leistungsstärker die Klasse/Schule desto ungünstiger der
Entwicklungsverlauf des selbstbezogenen Fähigkeitskonzeptes
PISA zeigt, dass eine Differenzierung negative Auswirkungen hat, alle zusammen
besser, jedoch sind dabei andere Faktoren entscheidend: kleinere Klassen, genug
Betreuer, selbstbestimmtes Lernen
- 69 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
50. Kinder aus Scheidungsfamilien zeigen oft schon lange vor der
Scheidung ihrer Eltern problematische Verhaltensweisen und eine Reihe
von Belastungsmerkmalen. a) Erläutern Sie diesen Sachverhalt anhand
empirischer Studien. b) Welche theoretischen Möglichkeiten gibt es,
diesen Befund zu erklären? (Oerter&Montada, S. 820-822)
Selektionsperspektive (Amato, 2000): Personen mit belastenden
Persönlichkeitsmerkmalen oder psychosozialen Problemen gehäuft in
Scheidungsfamilien: Verhaltensauffälligkeiten keine Folge der Trennung, sondern
zum Teil schon vorher da
Das unterstützend: Reihe von Befunden, dass antisoziale Persönlichkeiten,
Depressionen und Häufung psychischer Probleme das Risiko einer Scheidung
erhöhen (z.B.Davies, 1997)
Prospektive Längsschnittstudien bestätigen, dass schon bis zu 8 oder zwölf Jahre
vor der Trennung der Eltern bei den Kindern Problemverhalten zu beobachten
ist:
Block et al. (1986):
Jungen aus späteren Scheidungsfamilien wurden über das 3. bis 7.
Lebensjahr konsistent ruheloser, aggressiver und unkooperative, weniger
impulskontrollierter beschrieben als Jungen aus stabilen Familien
Eltern hatten mehr Konflikte mit diesen Jungen und wiesen sie eher zurück
Mädchen: variieren in ihren Charakterisierungen stärker, insgesamt weniger
negativ
Auch andere Studien zeigten: bei Jungen aus später geschiedenen Familien
größere Ängstlichkeit, mehr Schulprobleme und Gesundheitsprobleme,
zum Teil auch bei Mädchen
im Jugendalter ist eher das Befinden und die Beziehung der Mädchen zu den
Eltern in der Vorscheidungsphase belastet
Cherlin (1991): Bei Jungen Belastungen nach einer Scheidung schon vorher
bestanden, Mädchen entwickeln erst nach Scheidung Probleme
Erklärung der Befunde
• Problematische Eltern können erhöhtes Scheidungsrisiko und aufgrund von
genetischer Einflussfaktoren auch problematische Kinder haben
(Æ Zwillingsstudien)
• Problematische Kinder könnten Risiko für Bestand elterlicher Ehe sein
• Problemverhalten des Kindes könnte Belastungseffekt in
Vorscheidungsphase sein (zumal es sich teilweise auf Eheprobleme der
Eltern und/oder unangemessenes Erziehungsverhalten zurückführen lässt)
Æ das Selektionsmodell ist nicht vollkommen von der Hand zu weisen, die
Ergebnisse aus den Studien zeigen aber, dass durch die Trennung der Eltern
noch neue Belastungen der Kinder entstehen
- 70 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
51. Nicht alle Scheidungskinder sind „Verlierer“. Welche Faktoren
haben Einfluss darauf, ob bzw. in welchem Ausmaß die Trennung der
Eltern Nachteile und Probleme für die Kinder schafft (Oerter&Montada,
S. 823 – 827)
Problematische Begleitumstände der Trennung
• Beschuldigungen, dass das Kind für die elterliche Trennung verantwortlich
sei, v.a. bei Vor- und Grundschulkindern (sie können schwer die Probleme
zwischen Eltern von eigener Beziehung zu den Eltern trennen)
• Streitigkeiten zwischen den Eltern (große Belastung, Gefahr, dass die
Kinder in die Streitigkeiten verstrickt werden, dass ein Elternteil sich mit
dem Kind verbünden will)
• Körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Eltern
• Abwertung der Mutter durch negative Bemerkungen des Vaters
• Ungünstige Einschätzungen der Kinder, wie außenstehende auf die
Trennung der Eltern reagieren und sie bewerten
• Weniger Kontakt zum getrennt lebenden Elternteil (positive, sichere
Beziehung zum getrennt lebenden Vater wirkt sich positiv aus)
• Neuer Partner können Belastung darstellen (neue Veränderung)
• Wenn Elternteil, bei dem die Kinder leben vermehrte Probleme wie
Depressivität, emotionale Instabilität haben, Kindern wenig Zuwendung
geben, sie inkonsistent oder streng erziehen (charakteristisch für
stressreiche Zeit nach der Scheidung)
• Einkommenseinbußen in ein- Eltern- Familien: Finanzielle Knappheit,
Einschränkungen nötig, ungünstige Wohnlage erschwert Nutzung von
Freizeit und Bildungsangeboten (belastet das Selbstbild und Wohlbefinden
der Kinder, Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen, schulische Leistungen,
intellektuelle Kompetenzen, Problemverhalten)
• Befindlichkeit von Scheidungskindern leidet, je mehr sie stressreichen
Veränderungen ausgesetzt sind (Umzüge, Schulwechsel), bei familiären
Umbrüchen ist Stabilität der sozialen und räumlichen Umwelt sehr wichtig
Einige Kinder erwerben auch neue Kompetenzen
1. Mädchen profitieren von der Scheidung, weil sie vielfach eine enge,
positive Beziehung zur alleinerziehenden Mutter entwickelten und schon
früh Verantwortung übernehmen. Viele Mädchen gehörten nach der
elterlichen Scheidung zu den fürsorglich-kompetenten Kindern mit
hohen sozialen Kompetenzen, prosozialem Verhalten und stabilen
Freundschaften
2. Söhne dagegen häufiger in einem Cluster aggressiv-unsicherer Kinder,
zu dem aber auch mehr Mädchen mit wiederverheirateten Müttern
gehören
3. In einem dritten Cluster opportunistisch-kompetenter Kinder waren
Kinder aus Scheidungsfamilien überrepräsentiert. Nutzen ihre hohen
sozialen Kompetenzen zum eigenen Vorteil
Positiv
• Soziale Unterstützung durch Geschwister, Großeltern, Freunde und andere
Erwachsene
• Schulische Umgebung kann Anpassungsprozess erleichtern, wenn dort ein
autoritatives Klima den Kindern Unterstützung und Struktur bietet
• Professionelle Hilfe in Form von Einzel- oder Gruppentherapie
• Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen des Kindes, die bei der
Bewältigung helfen (z.B. soziale Aufgeschlossenheit)
- 71 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
VI. Jugendalter
52. In jedem Lebensabschnitt stellen sich dem Menschen zahlreiche
Entwicklungsaufgaben. a) Welches sind die Entwicklungsaufgaben der
Adoleszenz nach HAVIGHURST? b) Welche Einwände lassen sich gegen
diesen Katalog von Entwicklungsaufgaben erheben? (Oerter&Montada,
S. 268 – 273)
Entwicklungsaufgaben = Lernaufgaben, Entwicklung wird als Lernprozess
gesehen, der zum Kompetenzerwerb führt
Quellen für Entwicklungsaufgaben:
• Physische Reifung (biologische Basis, z.B. Pubertät als Geschlechtsreife)
• Gesellschaftliche Erwartungen (Einfluss altersbezogener Normen im
Sinne eines sozialen Zeitrasters, an dem Anforderungen bemessen
werden)
• Individuelle Zielsetzungen und Werte (treibende Kraft für aktive
Gestaltung von Entwicklung)
Es gibt sensible Phase, in denen die Entwicklungsaufgaben besonders gut erlernt
werden können, die Entwicklungsaufgaben sind nicht alle in sich geschlossen.
Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz (12-18 Jahre)
1. Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts
aufbauen
2. Übernahme der männlichen/weiblichen Geschlechtsrolle
3. Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung
des Körpers
4. Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und anderen Erwachsenen
5. Vorbereitung auf Ehe und Familienleben
6. Vorbereitung auf eine berufliche Karriere
7. Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für Verhalten
dient – Entwicklung einer Ideologie
8. Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und erhalten
Einwände/Kritik: Überprüfung der Gültigkeit der Entwicklungsaufgaben
• Werte und sozial verantwortliches Verhalten wurden nicht als getrennte,
sondern integrierte Entwicklungsaufgaben angesehen
• Ist an Standards und Normen orientiert, galt für amerikanische
Gesellschaft der damaligen Zeit, heute werden die Aufgaben zum Teil
anders bewertet, z.B. wurde der Thematik Freundschaftsbeziehungen
1997 wesentlich mehr Bedeutung beigemessen als 1985. Damals zählte
Selbstkenntnis mehr
• Differenzen in den Geschlechtern fallen auf (für Jungen ist
geschlechtsrollenspezifisches Verhalten wichtig, für Mädchen Akzeptieren
des Aussehens und körperliche Veränderungen)
• Wichtig ist immer den Zusammenhang mit normativen Standards
individueller und gesellschaftlicher Art zu sehen, er darf nicht außer Acht
gelassen werden!
• Entwicklungsverlauf ist immer individuell, das Modell darf nicht als
allgemeingültig und auf jedes Individuum anwendbares Modell betrachtet
werden
- 72 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
53. Das Bild, das ein Mensch von seinem eigenen Körper hat, spielt im
Jugendalter eine besonders wichtige Rolle. Sehen Sie Indizien dafür,
dass weibliche Jugendliche in vielen Fällen ein negativeres
Körperselbstbild haben als männliche? Welche? Diskutieren Sie mögliche
Ursachen. (Oerter&Montada, S. 282 – 283)
Acht Dimensionen des Körperselbstbildes
1. Fitness und Sport
2. Äußeres und Körperpflege
3. Figurprobleme
4. Narzissmus
5. Körperentfremdung und Gesundheitsprobleme
6. Rauchen und Alkohol
7. Körperkontakt mit Verwandten
8. Naschen
Mit zunehmendem Alter wird Narzissmus und Körperpflege wichtiger, Jungen
weniger Figurprobleme als Mädchen
Viele Untersuchungen belegen, dass weibliche Jugendliche ein negativeres
Körperselbstbild haben als Jungen:
Seiffge-Krenke (1994): 28% aller Tagebrucheintragungen befassen sich mit dem
eigenen Körper (Mode, Gewicht, Aussehen), 82% davon bezogen auf eine
negative Sicht des Körpers und auf Körperbeschwerden
Andere Studie: 43% aller Mädchen ist es unangenehm sich im Schwimmbad zu
zeigen
Untersuchungen von Roth (1998): Figur dominiert beim Körperselbstbild, Jungen
zeigen im Laufe der Pubertät eine wachsende Zufriedenheit, während sie bei den
Mädchen abnimmt
Mädchen orientieren sich an dem kulturellem Schlankheitsideal der Frauen
(Untergewicht)
bei erwachsenen Frauen gibt es eine Vorliebe für mädchenhaftes Aussehen (bei
Jungen andersherum, Vorliebe für männliches Aussehen)
Gewichtsabnahme ist bei Mädchen mit Zufriedenheit gekoppelt
Weitere mögliche Gründe
Männern ist bei der Partnerwahl das Aussehen wichtig, Frauen bevorzugen
eher intelligentere Männer und achten nicht ganz so stark auf das optische
beeinflusst von den Medien
Kultureller Einfluss (s.o.)
Einfluss von Gleichaltrigen (besonders in der Pubertät sind Peer-Beziehungen
wichtig, man will kein Außenseiter sein, passt sich an, hat Vorbilder, an
denen man sich orientiert = so will ich sein!)
- 73 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
54. Körperliche Reifungsvorgänge stehen im Zentrum des
Entwicklungsgeschehens im Jugendalter. Sie können den einzelnen
Jugendlichen, im Vergleich zu seinen Altersgenossen, relativ früh oder
auch relativ spät (be-)treffen. Man weiß heute, dass die individuelle
Akzeleration oder Retardation der körperlichen Entwicklung für die
betroffenen Jugendlichen psychologisch recht bedeutsam ist. Welche
Auswirkungen sind bekannt? Bitte, skizzieren Sie kurzfristige und
langfristige Effekte der individuelle Akzeleration und Retardation und
berücksichtigen Sie dabei auch Unterschiede zwischen männlichen und
weiblichen Jugendlichen! (S. 280 – 282)
akzeleriert: Wachstum und Reifung vollziehen sich bei ihnen beschleunigt
retardiert: Wachstums- und Reifungsvorgänge sind verlangsamt
Akzelerierte männliche Jugendliche (frühreif)
Kurzfristige Effekte: Werden eher wie Erwachsene behandelt, gesteht ihnen
mehr Unabhängigkeit zu, aber auch mehr Vernunft, kann sich positiv oder
negativ auf die Entwicklung auswirken
Finden leichter Anschluss an ältere Peergruppen und deviante Gleichaltrige,
dadurch größeres Risiko für Drogenkonsum und Devianz
Langfristige Effekte: verantwortungsbewusster, kooperativer, selbstbewusster,
kontrollierter, sozial angepasster, aber auch konventioneller, konformistischer
und humorloser, entwickeln vermutlich eher eine übernommene Identität, weil
sie sich weniger reflektiert an den Erwachsenenstatus anpassen
Retardierte männliche Jugendliche (spätreif)
Kurzfristige Effekte: Erweisen sich unausgeglichener und unzufriedener, haben
ein negativeres Selbstkonzept, sind weniger verantwortungsbewusst und
selbstsicher
Langfristige Effekte: impulsiver, unausgeglichener, aber dafür
selbsteinsichtiger, erfinderischer und spielerischer
Jugendliche, die infolge später Reifung mehr Zeit zur Verfügung haben für den
Aufbau von Wissens- und Copingstrategien, haben größere Chancen zur
Identitätsbildung, eher eine erarbeitete Identität mit den Vorteilen einer
größeren Entwicklungsoffenheit und den Nachteilen krisenhafter
Auseinandersetzung im weiteren Leben
Akzelerierte weibliche Jugendliche (frühreif)
Für amerikanische Jugendliche eindeutig ein Nachteil
Weniger beliebt, weniger graziös, zeigen größere Unterordnung und
Zurückgezogenheit als ihre Altersgenossinnen, geringeres Selbstwertgefühl
(resultiert aus der Abweichung von der Norm für Schlankheit und Grazie für
Frauen)
In Deutschland: eher höheres Selbstwertgefühl, andere Untersuchung zeigt aber,
dass Mädchen über zu früh oder zu spät einsetzende Menstruation unglücklich
sind und geringeres Selbstbewusstsein besitzen
Frühentwickelte Mädchen sind besonders gefährdet für psychische Störungen
(auch im Bezug auf das Sexualverhalten) und Drogengebrauch (wenn es weitere
Risikofaktoren gibt)
Generell können die Risiken von einer funktionierenden Umwelt leicht
aufgefangen werden, bei ungünstigen sozialen Kontakten: negative Folgen
- 74 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
55. MARCIA hat bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
unterschiedliche Identitätszustände beobachtet, nämlich die „diffuse
Identität“, das „Moratorium“, die „übernommene Identität“ und die
„erarbeitete Identität“. Skizzieren Sie diese Identitäts-Zustände
(Oerter&Montada, S. 295 – 298)
Marcia (1966) fand vier Formen der Identität (Identitätsstaus), Konzeption
kennzeichnet die eingehenden Bereiche des Lebens, mit denen sich Jugendliche
auseinandersetzen, hinsichtlich drei Dimensionen:
Krise (Ausmaß an Unsicherheit, Beunruhigung, Rebellion)
Verpflichtung (Umfang des Engagement und der Bindung in dem
betreffenden Lebensbereich)
Exploration (Ausmaß an Erkundung des in Frage stehenden Lebensbereiches
mit dem Ziel einer besseren Orientierung und Entscheidungsfindung)
Vier Formen treten erst in der späten Adoleszenz auf
Keineswegs durchläuft man alle Stadien und nicht jeder endet bei der
erarbeiteten Identität
Progressive Verläufe: über das Moratorium zur erarbeiteten Identität
Regressive Verläufe: enden bei der diffusen Identität
Stagnierende Verläufe: verweilen bei übernommener oder diffuser Identität
1. Diffuse Identität (keine Festlegung für Beruf oder Werte)
Selbstwertgefühl: niedrig
Autonomie: extern kontrolliert
Kognitiver Stil: impulsiv, extreme kognitive Komplexität
Intimität: stereotype Beziehungen
Soziale Interaktion: zurückgezogen, fühlen sich von den Eltern nicht
verstanden, hören auf Peers und Autoritäten
2. Moratorium (gegenwärtige Auseinandersetzung mit beruflichen oder
sonstigen Wertfragen)
Selbstwertgefühl: hoch
Autonomie: internale Kontrolle
Kognitiver Stil: reflexiv, kognitiv komplex
Intimität: fähig zu tiefen Beziehungen
Soziale Interaktion: frei, streben intensive Beziehungen an, wetteifern
3. übernommene Identität (Festlegung auf Beruf oder Werte, die von den
Eltern ausgewählt wurden)
Selbstwertgefühl: niedrig (männlich), hoch (weiblich) = entspricht
Anforderungen der Gesellschaft
Autonomie: autoritär
Kognitiver Stil: impulsiv, kognitiv wenig komplex
Intimität: stereotype Beziehungen
Soziale Interaktion: ruhig, wohlerzogen, glücklich
4. erarbeitete Identität (Festlegung auf Beruf und Wertpositionen, die selbst
ausgewählt wurden)
Selbstwertgefühl: hoch
Autonomie: internale Kontrolle
Kognitiver Stil: reflexiv, kognitiv, komplex
Intimität: fähig zu tiefen Beziehungen
- 75 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Soziale Interaktion: zeigen nichtdefensive Stärke, können sich für andere ohne
eigennutz einsetzen
- 76 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
56. Eine besonders interessante und zugleich problematische Form der
Identität ist die „diffuse Identität“. Neueren empirischen Studien
zufolge lassen sich nun noch wiederum einige „moderne“ Varianten
dieser „diffusen Identität“ unterschieden. Welche? Bitte, beschreiben
Sie die wesentlichen Kennzeichen dieser Varianten! (Oerter&Montada, S.
298 – 299)
1989 stellte Marcia fest, dass sich der Anteil der Probanden mit diffuser Identität
von 20% auf 40% erhöht hat. Zahl der Jugendlichen ohne feste
Wertorientierung, mit geringer Verpflichtungsneigung und geringer Stabilität
stark angewachsen
Genauere Analyse der diffusen Identität ergibt, dass man 4 verschiedene Formen
unterschieden kann:
1. Entwicklungsdiffusion: Entspricht am ehesten dem ursprünglichen
Diffusionsstadium, sie ist eine Übergangsform zum Moratorium oder zur
erarbeiteten Identität
2. Sorgenfreie Diffusion: unauffällig, Person erscheint angepasst und sozial
kontaktfreudig, Kontakte sind jedoch oberflächlich und von kurzer Dauer, es
existieren keine verbindlichen Werte
3. Störungsdiffusion: tritt als Folge eines Traumas oder unbewältigte kritischen
Lebensereignisses auf, es besteht ein Mangel an inneren und äußeren
Ressourcen, betroffene Person ist häufig isoliert und hilft sich mit unrealistischen
Größenphantasien
4. Kulturelle-adaptive Diffusion: besondere Bedeutung, wird in
multikulturellen Gesellschaften der Zukunft vielleicht zur regulären Form der
Identität,
bildet sich, wenn Unverbindlichkeit, Offenheit und Flexibilität gefordert sind,
beruflich und privat scheint es angemessen, sich nicht festzulegen, um den
soziokulturellen Anforderungen besser gerecht zu werden.
Wer mit festen Wertordnungen und vorgefassten Lebenszielen vielfältigen und
rasch wechselnden Bedingungen ausgesetzt ist, ist in diesem Umfeld
unangepasst
Kraus und Straus fanden eine weitere Ausdifferenzierung der kulturelladaptiven Diffusion bei ost- und westdeutschen Jugendlichen
1. Traditionaler Typ: trat am häufigsten auf, wiederholt die elterlichen Muster,
aber das Identitätserbe ist bloß eine Identitätshülse, diese Normalität führt zu
keiner tiefen Verpflichtung und daher unterscheidet sich dieser Typ von der
übernommenen Identität, bleibt bei Gewohnten und schreckt vor Neuem und
Fremden zurück.
2. Surfer: Unklarheit von gesellschaftlichen Werten und das Erfordernis einer
raschen und geschickten Anpassung wird vom Individuum durch das wache,
spielerische Dahingleiten mit ständiger Positionskorrektur beantwortet,
haben viele kurzfristige und emotional oberflächliche Kontakte.
Spaß steht im Vordergrund. Erfolgreich in gefälliger Selbstpräsentation und
rascher Kontaktherstellung, fehlt Merkmal der tiefen Verpflichtung
- 77 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
3. Isolierte:
Konflikthaftigkeit der Herkunftsfamilie, es fehlt an äußeren und inneren
Ressourcen, daraus entwickelt sich Hilf- und Ratlosigkeit. Identitätsziel ist
Normalität, jedoch schwerer als für andere erreichbar.
4. Patchworkidentität:
neue Form der adaptiven Persönlichkeitsorientierung, wenige wünschenswert,
ohne integrative Kraft zusammengesetzt,
kein einheitlicher Identitätskern,
Personen können sehr erfolgreich sein, erfüllen aber nicht Kriterien der
erarbeiteten Identität. Werthaltungen und Gewohnheiten stehen unverbunden
nebeneinander und widersprechen sich teilweise. Sind funktional in der
modernen Gesellschaft, weil man besser mit den Unvereinbarkeit verschiedener
Lebensbereiche klarkommt.
- 78 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
57. Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer verfolgen
evolutionspsychologischen Theorien zufolge unterschiedliche Strategien
bei der Partnersuche. a) Skizzieren Sie diese Strategien und diskutieren
Sie kurz den theoretischen Ansatz. (Oerter&Montada, s. 285 – 287)
Buss und Schmidt (1993): evolutionäres Modell sexueller Strategien bei der
Partnersuche, Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Strategien
Selektionsprobleme:
Herausbildung von verschiedenen Zielsetzungen und Notwendigkeiten für beide
Geschlechter, die zum Teil in unterschiedlichen Problemen und Strategieformen
zum Ausdruck kommen.
Kurzzeitstrategien sind des Sexualverhalten sind für Männer wesentlich
attraktiver als für Frauen, denn Männer erreichen den größten
Fortpflanzungserfolg, indem sie möglichst viele Sexualpartnerinnen haben.
Bei den Langzeitstrategien gibt es dagegen mehr Übereinstimmungen in den
Selektionsproblemen (Problem der Qualität der Gene, Problem ein guter
Vater/eine gute Mutter zu sein, Problem der Verpflichtung)
Frauen haben in einer kurzzeitigen Beziehung das Problem, evtl. schwanger zu
werden und somit ist die langfristige Strategie für sie geeigneter.
Kulturelle Einflüsse: Entwicklung, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede
zwischen sexuellen Strategien bewirkt, kann kulturell unterschiedlich ausgeformt
sein. Westliche Kulturen, die eine individuelle Identität hervorbringen bieten im
Vergleich zu kollektivistischen Kulturen wesentlich mehr Freiheitsgrade bei der
Partnersuche.
Befunde
Die vorliegenden Fakten passen gut zu diesen Annahmen, im Jugendalter:
Bevorzugung der kurzfristigen Strategien, Bemühung mit vielen potentiellen
Sexualpartnern zusammen zu kommen
Mädchen
suchen häufiger nach Verstehen,
Vertrauen, Zärtlichkeit,
Rücksichtsnahme, Liebe,
sexuelle Treue,
sie verstehen Sexualität eingebettet
in die Gesamtpartnerschaft,
Mädchen beschreiben sich als
passiver, warten auf
Annäherungsversuche von
Jungen
Jungen
bevorzugen gutes Aussehen,
sie verstehen Sexualität alslosgelöst
von einer Beziehung,
Leistungsfaktor spielt größere Rolle,
haben Hemmungen und Angst vor
sexuellen Versagen
In der Jugend zwar Konzentration auf kurzzeitige Beziehung, Jugendliche beide
Geschlechter äußern aber auch klare Langzeitperspektiven. In der Zukunft wollen
sie langfristige Beziehung, für die Bindung, Verlässlichkeit, Intimität, Liebe und
Treue die Vorrausetzung sind.
- 79 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
58. Daryl BEM hat eine entwicklungspsychologische Theorie zur
Erklärung der sexuellen Ausrichtung einer Person vorgelegt, in der die
Aktivitäten und Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter eine erhebliche
Rolle spielen. Erläutern Sie diese Theorie! Welche Einwände könnten Sie
ihr gegenüber vorbringen? (Oerter&Montada, S. 284 – 285)
Bem (1996) vereinigt in seiner Erklärung biologische, sozialpsychologische und
entwicklungspsychologische Aspekte
Biologische Variablen (z.B. Gene, pränatale Hormone) prägen nicht sofort die
sexuelle Orientierung, sondern wirken sich zunächst auf das kindliche
Temperament aus.
Æ dieses trennt die Geschlechter, da unterschiedliche Spiele und Aktivitäten
bevorzugt werden
Nicht geschlechtskonforme Kinder schließen sich dem anderen Geschlecht an und
empfinden das eigene als fremdartig.
Ist man in der Umgebung des anderen Geschlechts fühlt man sich unsicher, es
kommt zu einer erhöhten Erregung des autonomen Nervensystems (verbunden
mit Unbehagen, Antipathie bei Jungen und Furcht oder Besorgnis bei Mädchen),
die sich später in erotisch-romantische Attraktionen umwandelt
Erklärungen
• Extrinsischer Erregungseffekt (im Zustand starker Erregung, die nichts
mit sexueller Stimulation zu tun hat, wirkt eine Begegnung mit
Sexualpartnern erregend) Für Jugendliche, die sich in Risiko- oder
Erregungszustände begeben, ist die anschließende sexuelle
Kontaktaufnahme mit exotischen Peers eine Folgeerscheinung dieser
Erregung. Grundlage: Zwei-Faktoren-Theorie: 1. physiologische Erregung,
2. inhaltliche Einschätzung der Situation, in der die Erregung stattfindet
• Negative Emotion wird durch eine positive aufgefangen und umgekehrt,
deshalb kann sich die negative Emotion gegenüber den exotischen Peers
ins positive verwandeln
• Prägung: Prägungseffekt wurde bei Tieren für die Festlegung auf
Sexualpartner nachgewiesen
Diskussion
Versucht Hetero- und Homosexualität durch die gleichen Prozesse und
Bedingungen erklären
Vermeidet einen primitiven Biologismus, wonach die Gene die einzige Ursache
für die Geschlechtsbevorzugung sein sollen
Gene wirken nicht direkt, sondern über das Temperament in der Kindheit, das
bestimmte Präferenzen beim Peer verursacht
Soll typischen Weg der sexuellen Orientierung beschreiben, daneben gibt es
viele weitere Kombinationen
Einwände
• Auch Mädchen, die immer mit Mädchen gespielt haben, werden zum Teil
homosexuell
• Grundlage der Ablehnung nicht unbedingt verständlich, andere Dinge
waren auch immer positiv und bleiben positiv
• Viele Homosexuelle entdecken erst nach der Jugend, dass sie homosexuell
sind. Da haben sie zum Teil Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht
schon gemacht
- 80 -
Entwicklungspsychologie
•
•
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Erklärt nicht die unterschiedlichen Anforderungen an eine Beziehung der
beiden Geschlechter (Männer: eher kurzzeitig, Frauen: eher langfristig,
Treue, liegt das wirklich nur an den Hormonen?), Kinder spielen schon im
Kindesalter „Familien“, da gehört auch ein Mann dazu, d.h. das
Verständnis für die Gemeinsamkeit von Frauen und Männer ist da.
Müssten dem Vater bzw. der Mutter dann nicht auch die Gefühle vom
Anderssein entgegengebracht werden?
- 81 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
59. Suizide und Suizidversuche kommen im Jugendalter besonders
häufig vor. a) Können Sie sich erklären, warum das so ist? b) Was macht
die Suizidforschung so schwierig? c) Welche Informationen über die
Häufigkeit suizidaler Handlungen bei Jugendlichen hat sie zu Tage
gefördert? Beachten Sie bei Ihrer Antwort Geschlechtsunterschiede!
(Oerter&Montada, S. 303-304)
Motive
Motive für Suizidversuche: soziale Konflikte, v.a. mit den Eltern, feindselige
Beziehungen in der Familie,
Liebeskummer und Partnerkonflikte sind die zweithäufigste Ursache,
10% wollen mit Selbstmordversuch Beachtung finden
Æ Probleme können besonders in sozial problematischen Familien nicht gelöst
werden
Selbsttötungstendenzen resultieren aus einer Identitätsstörung
Besonders in der Jugendzeit wird sich mit der eigenen Identität
auseinandergesetzt
Schwierigkeit der Suizidforschung
Forschung bei erfolgreichem Suizid nur mittelbar (nicht mit Betroffenen selbst,
sondern mit Angehörigen, Abschiedsbrief)
Viele Suizide werden nicht erkannt: maskierter Suizid (Verkehrs- oder
Drogentote)
Spricht man mit denen, die versucht haben sich umzubringen, kann man sich
nicht auf Ehrlichkeit verlassen
Häufigkeit von Suizid
Zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen
Im Jahr 2000 begingen ca. 1500 Menschen zwischen 5 und 25 Jahren Suizid
mehr Jungen als Mädchen (Verhältnis 3:2)
Suizidversuche (Verhältnis 1,5:3), Frauen begehen mehr Versuche, Jungen
vollziehen ihn häufiger, gilt auch für andere europäische Länder und die
USA
Etwa 80% kündigen ihren Selbstmord vorher an
25% der Suizidversuche werden innerhalb von zwei Jahren wiederholt
- 82 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
60. Das Thema Sucht ist sicher für unsere gesamte Gesellschaft von
großer Bedeutung. Besonders problematisch kann es sein, wenn schon
Jugendliche oder gar Kinder damit beginnen, Alkohol, Cannabis oder
Marihuana etc. zu konsumieren. Dabei lassen sich auf Grund empirischer
Untersuchungen bestimmte Bedingungen und Risikofaktoren angeben,
die den Konsum und insbesondere den übermäßigen Konsum solcher
Substanzen wahrscheinlicher werden lassen. Welche sind das?
(Oerter&Montada, S. 851 – 854)
Bedingungen und Risikofaktoren
Eltern
Familiäre Häufung von Alkoholismus (alkoholabhängige Väter sind weniger
aufmerksam, schlechter gestimmt)
Genetische Faktoren (in Familien mit Alkoholabhängigen, werden Kinder eher
alkoholabhängig)
Positive Einstellung der Eltern gegenüber Drogen
Qualität der Eltern-Kind-Beziehung (weniger emotionale Wärme,
vernachlässigen, überwachen)
Elterlicher Erziehungsstil (der aktuelle, nicht der im Kindesalter,
Unengagierter und nondirektiver korreliert positiv mit dem Drogenkonsum
15- jähriger)
Kindliche Persönlichkeitseigenschaften, die Alkoholmissbrauch vorhersagen
können: erhöhtes Aktivitätsniveau und mangelnde Selbstkontrolle
(Hyperaktivität, Impulsivität, sensation- und novelty- seeking und Aggressivität)
•
Andere Probleme (Wunsch, Probleme durch Alkohol loszuwerden,
mangelndes Wissen über konstruktive Bewältigung von Problemen)
Erwachsenwerden
Normative Entwicklungsaufgaben (Lösen von den Eltern, soziale und sexuelle
Identität erlangen, Eigenständigkeit erproben durch übertreiben,
provozieren von bestrafenden Reaktionen)Æ Jugendliche beanspruchen
den Erwachsenenstatus, indem sie Verhalten zeigen, dass Erwachsenen
vorbehalten ist
Früh einsetzende Pubertät (bestimmt auch Zeitpunkt des Beginnens, jedoch
holen Spätreifende sie wieder ein)
Freunde
• Freundeskreis, in dem mehr Alkohol und Drogen konsumiert wird und in
dem zusätzlich weitere Arten von Problemverhalten wie z.B. Delinquenz
gezeigt werden
• Konformitätsdruck (trinken um mit anderen gesellig beisammen zu sein)
Konsum ist nicht Missbrauch, kann zum Teil nicht mit denselben Prädiktoren
vorhergesagt werden
Große Unsicherheit, Prädiktoren müssen nicht zu erhöhten Alkoholkonsum
führen, können aber.
- 83 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
61. Ist der Konsum von Alkohol, Cannabis, Marihuana, etc. im
Jugendalter in jedem Fall als Vorstufe des Missbrauchs dieser
Substanzen zu betrachten? Diskutieren Sie diese Frage im Lichte
vorliegender empirischer Befunde. (Oerter&Montada, S. 852 – 853)
Shedler und Block (1990):
Vergleicht man Abstinente, Experimentierer und regelmäßige Nutzer, zeigt sich
folgendes Bild: In den Faktoren Probleme in persönlichen Beziehungen,
Belastetheit und Impulsivität, zeigen die Experimentierer die günstigsten Werte,
während die regelmäßigen Konsumenten die höchsten Werte zeigen und die
Abstinenten die zweithöchsten Werte bei Problemen in persönlichen Beziehungen
und Belastetheit.
Außerdem wurden die Mütter der regelmäßig Konsumierenden und der
Abstinenten vergleichsweise kalt und unresponsiv und wenig unterstützend und
die Väter wurden als lieblos-autoritär beurteilt.
Eine starke Persönlichkeit kann also auch mal probieren ohne gleich abhängig zu
werden.
Jugendlicher Konsum bedeutet nicht gleich Abhängigkeit im Erwachsenalter
Unterscheidung zwischen Jugendlichen, die Missbrauch entwickeln und anderen
Jugendlichen. Untersucht wurden:
Eigenarten der Herkunftsfamilien. Eltern vernachlässigen mehr,
überwachen und unterstützen weniger, trinken selbst mehr Alkohol oder
nehmen andere Drogen und nehmen eine positivere Haltung Drogen
gegenüber ein.
Eigenarten der Gleichaltrigengruppe. Jugendlichen bewegen sich in
Gleichaltrigengruppen, in denen mehr Alkohol und Drogen konsumiert
wird.
Eigenarten der Betroffenen. Sie und ihre Freunde tendieren zu weiteren
Arten von Problemverhalten (Konsum von Zigaretten, Marihuana,
Delinquenz, früher Geschlechtsverkehr und andere Verletzungen von
Konventionen)
Alkoholkonsum hängt nicht mit geringen Selbstwertgefühl zusammen, aber mit
dem Wunsch, Lebensproblemen durch Trinken zu entfliegen, einige
Zusammenhänge sind jedoch Begleiterscheinungen und keine Bedingungen für
den Konsum.
Übergang vom jugendtypischen Trinken zum Trinken im Erwachsenalter durch
Eine geringe Wertschätzung von Konventionen
Trinken um des Rausches willen
Korrelate und Prädiktoren von jugendlichen Alkoholkonsums sind nicht unbedingt
identisch mit denen für Missbrauch und Abhängigkeit.
Cooper (1995): Erwartung, dass Alkohol soziale Kontakte erleichtere geht mit
erhöhtem Konsum einher, während die Erwartung des Vergessens von Kummer
mit alkoholbedingten Problemen, also Alkoholmissbrauch korreliert
- 84 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
62. Man kann Deutschland heutzutage sicherlich als ein bedeutsames
Einwanderungsland bezeichnen. Dabei sind insbesondere jugendliche
Immigranten mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Bewältigung
anstehender Entwicklungsaufgaben konfrontiert. Bitte, erläutern Sie die
Bedeutung von Faktoren, die den Erfolg dieses Bewältigungsprozesses
beeinflussen (Oerter&Montada, S. 898 – 905).
Belastungen/Schwierigkeiten: Hilflosigkeit, Einsamkeit/Fremdheit, Ängstlichkeit,
negative Emotionen, geringes Selbstwertgefühl, schlechtere Schulleistungen,
höhere Arbeitslosigkeit, mehr Kriminalität
Faktoren, die Bewältigung der Schwierigkeiten und
Entwicklungsaufgaben beeinflussen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Sprachkenntnisse und allgemeines Wissen über das Aufnahmeland, je
mehr vorhanden war, umso besser
Bereits im Aufnahmeland lebende Freunde und Verwandte
Realistische Erwartungen
Eigener Wunsch nach Auswanderung
Hohe Selbstwirksamkeitserwartungen
Geringe soziale Ängstlichkeit
Optimismus
Flexibilität
Gute Coping-Strategien
Gute Ausbildung
Höherer sozioökonomischer Status
Unterstützende Familie
Entstehung zahlreicher guter Kontakte (je mehr, desto besser)
Wenig Empfindung von Diskriminierung und Ablehnung
Integration der Kultur des Aufnahmelandes mit der eigenen
Je länger sie in Deutschland leben, desto besser fühlen sich Eingewanderte
Individualistische Wertorientierung
Liberale Erziehungsvorstellungen der Eltern
Hilfreich, wenn nicht sofort nach Einreise engen Kontakt zu Einheimischen
(wenn funktionierende Familie)
Funktionierende Familie: wenig Auseinandersetzung, keine psychischen
Probleme
Aufwachsen in deutsch-geprägten kulturellen Klima: deutsche Medien,
Küche
Haltung der Freunde entscheidend
Eltern als Verhaltensmodelle (selbst um Integration bemüht)
Sind die Faktoren in positiver Ausprägung vorhanden und wachsen die Kinder in
einem stabilen Umfeld mit positiv gestimmten Einflüssen auf, haben sie eine
große Chance die Aufgaben zu meistern und sich gut zu entwickeln. Ist das nicht
der Fall und die Jugendlichen machen nur frustrierende Erfahrungen, ist eine
positive Entwicklung schwierig zu meistern.
Negative Faktoren: geringe Deutschkenntnisse, Streit mit den Eltern, elterliche
Depressionen, Ablehnung durch Gleichaltrige, fehlender Kontakt. Diese
Jugendlichen neigen zu schlechten Schulleistungen, Delinquenz und psychischen
Problemen.
- 85 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
VII. Erwachsenalter
63. Die Wahl eines Partner oder einer Partnerin ist für junge Mensche in
der Regel ein zentrales Lebensthema. Untersuchungen und
theoretischen Vorstellungen zufolge spielen dabei die physische
Attraktivität und der sozio-ökonomische Status einer Person sowie die
Prinzipien der Endogamie, der Homogamie und der Heterogamie eine
herausragende Rolle. Erläutern Sie die Bedeutung dieser Variablen bzw.
Prinzipien vor dem Hintergrund vorliegender empirischer Befunde!
(Oerter&Montada, S. 336 – 339)
Physische Attraktivität
Der physischen Attraktivität kommt bei der Part5nerwahl eine besondere
Bedeutung zuÆ erster Eindrucke eines Menschen bezieht sich primär auf
die physische Attraktivität, bestimmt die anfängliche Sympathie
Evolutionsbiologische Erklärung: ein Interesse an einer optimalen
Reproduktion unserer Gene zur Wahl junger und gesunder Partner führt.
Die physische Attraktivität schließt auf Jugend und Gesundheit.
Beim ersten Eindruck eines subjektiv attraktiven Menschen werden diesem
positive Eigenschaften zugeschrieben (die objektiv betrachtet nur
vermutet werden können) Æ dies macht den Schritt vom Kontakt zum
Kennen lernen wahrscheinlicher, angenehme Begleitumstände erhöhen
diese Wahrscheinlichkeit zusätzlich
Sozio-ökonomischer Status:
Eine Metaanalyse von 34 Studien zur Partnerwahlpräferenz zeigt, dass Frauen
im Durchschnitt dazu tendieren, stärker auf den sozio-ökonomischen Status, das
Leistungsstreben, die Intelligenz und den Charakter potentieller Partner zu
beachten als Männer. Er spielt damit eine größere Rolle als bei Männern, bei
denen das Merkmal der physischen Attraktivität dominiert.
Endogamie:
Kultur- und Subkulturähnlichkeiten werden in der Ethnologie als EndogamiePrinzip bezeichnet. Der Partner wird oft nach Ähnlichkeiten in Merkmalen wie der
Altersgruppe, der Wohngegend, dem sozioökonomischen Status, den
Freizeitinteressen, dem Bildungsstand sowie der Berufs- und Ausbildungsgruppe
ausgesucht, da sich hier auch die meisten Kontaktmöglichkeiten ergeben.
Homogamie:
Hier findet das Endogamie-Prinzip Ausweitung auf Ähnlichkeiten auf der
psychologischen Ebene, z.B. Einstellungen, Wertorientierungen, Interessen,
Ansprüche, Lebensziele und Umgangsformen. Motto: „Gleich und gleich, gesellt
sich gern.“ In Beziehungen findet man oft Korrelationen in diesen Bereichen.
Weniger in Persönlichkeitsmerkmalen, die ja auch nicht sofort zur Ausprägung
kommen.
Dies könnte ein Beleg für die Theorie der Heterogamie sein („Gegensätze
ziehen sich an“)kann aber auch damit erklärt werden, dass
Persönlichkeitseigenschaften nicht sofort sichtbar sind.
- 86 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
64. Jeder Mensch weiß aus eigener Erfahrung oder Beobachtung, dass
es sehr verschiedene Arten der Liebe gibt. STERNBERG hat versucht,
diese Verschiedenheit mit Hilfe einer systematischen Taxonomie zu
beschreiben und darzustellen. Erläutern Sie diese Taxonomie.
(Oerter&Montada, S. 337 – 338)
Sternberg (1986) entwickelte eine triangularische Taxonomie zu Arten der Liebe,
Grundlage: Unterscheidung von 3 Komponenten, die in sozialen Beziehungen
eine Rolle spielen können
Intimität: bezieht sich auf Enge und persönliche Nähe in einer Beziehung, und
ihre emotionale Qualität
Passion: motivationale Qualität einer Beziehung, die sich nicht nur auf die
sexuelle Erregung und physische Anziehung, sondern auch auf die Bedeutung der
Beziehung für die Befriedigung von Selbstwert- und Affiliationsmotivationen
beziehen kann.
Entscheidung/Commitment: betrifft als einer eher kognitive Facette den kurzund längerfristigen Beziehungsverlauf. Der kurzfristige Aspekt wird in der
subjektiven (mehr oder weniger bewussten) Entscheidung reflektiert, mit einem
anderen Menschen zusammen zu sein; der längerfristige Aspekt betrifft das
Commitment, die Partnerschaft aufrecht zu erhalten und zu pflegen.
Acht Arten der Liebe nach Sternberg
Intimität/
persönliche
Nähe
Passion/
Motivation
Entscheidung/
Commitment
Keine Liebe
-
-
-
Sich mögen
+
-
-
Betörende Liebe
-
+
-
Leere Liebe
-
-
+
Romantische Liebe
+
+
-
Kameradschaftliche
Liebe
+
-
+
Alberne Liebe
-
+
+
Vollendete Liebe
+
+
+
Arten
- 87 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
65. Zur Charakterisierung unterschiedlicher Beziehungstypen hat LEE
sechs verschiedene Liebesstile postuliert. Bitte, beschreiben Sie diese
und stellen Sie begründete Vermutungen darüber an, welche Probleme
in Partnerschaften auftreten können, die durch den jeweiligen Liebesstil
gekennzeichnet sind. (Oerter&Montada, S. 336 – 337)
Lee (1977): six styles of love
Merkmale
Storge
Ludus
Mania
Agape
Eros
Pragma
Freundschaftstyp: enge, tiefe,
umsorgende, intime Beziehung
Liebe als Spiel, das gewonnen
werden will: permissiv, spielerisch
Wechsel von Liebe und starker
Eifersucht: obsessiv, disruptiv
Altruistische Nächstenliebe, Sorge um
den Anderen dominiert
Physische Liebe: mächtig,
unmittelbar
Pragmatische Beziehung:
lebenspraktisch, rational
Aussagen zur
Entwicklung
anhaltend
kurzfristig
Schwankende Beziehung
anhaltend, solange Anlass
zur Sorge besteht
nur für Dauer der sexuellen
Attraktion
nur solange die Beziehung
lebenspraktisch ist
Probleme in den Partnerschaften
Storge: kaum Probleme, nur dann, wenn ein Partner sich nicht mehr so verhält,
könnte eventuell so sein, dass ein Partner, die Beziehung irgendwann als zu eng
empfindet und sich selbst nicht mehr verwirklichen kann.
Ludus: Sobald ein Partner das Gefühl hat zu verlieren, wird er die Partnerschaft
beenden, bzw. sobald ein Partner „gewonnen hat“ ist der Reiz verloren
Mania: Wenn ein Partner zu sehr eifersüchtig wird, könnte der andere sich zu
sehr eingeengt fühlen und immer ein schlechtes Gewissen bekommen, sobald
sich eine andere Frau/ein anderer Mann sich nähert. Könnte aus der Enge
ausbrechen wollen.
Agape: Besteht die Sorge nicht mehr, kann der andere Partner nicht mehr
umsorgt werden, dann endet die Beziehung, weil die Grundlage der Beziehung
nicht mehr gegeben ist.
Eros: In einer Beziehung ist der sexuelle Faktor oft in den ersten Monaten
wichtiger als danach, dann ändert sich die Tiefe der Beziehung und Sex steht
nicht mehr im Vordergrund, basiert die Beziehung jedoch darauf, könnte die
Beziehung enden.
Pragma: Manchmal gehen Menschen Beziehungen ein, da sie in der Situation
besonders praktisch sind, so unterstützen und ergänzen sich die Menschen in
dieser Situation. Beziehungssinn liegt also außerhalb der beiden Menschen, in
dem Augenblick, wo das Praktische wegfällt, kann auch die Beziehung enden.
- 88 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
66. Wie verändert ein Kind die Qualität der elterlichen Paarbeziehung?
a) Wie sieht der typische, durchschnittliche Verlauf aus? b) Wie kommt
es zu unterschiedlichen Verläufen? Nennen Sie wichtige Faktoren, die
den Verlauf beeinflussen! (Oerter&Montada, S. 343 – 344)
Übergang zur Elternschaft wird mit dem Beginn des Erwachsenenlebens
gleichgesetzt, da mit der Geburt die Verantwortung über ein hilfloses Wesen
übernommen wird.
Übergang zu Elternschaft ist ein längerer Prozess. Für die Mutter sieht er
typischerweise so aus nach Gloger-Tippelt (1988):
1. Verunsicherung (bis etwa zur 12. Schwangerschaftswoche post
menstruationem)
2. Anpassung (bis etwa zur 20. Woche)
3. Konkretisierung (20. – 32. Woche)
4. Geburt
5. Erschöpfung und Überwältigung (etwa vier bis acht Wochen nach der
Geburt)
6. Herausforderung und Umstellung (bis etwa 6. Lebensmonat)
7. Gewöhnung (in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres)
Partnerschaft zeigt typischerweise einen mehr oder weniger flachen u-förmigen
Verlauf. Im Kontext des Übergangs nimmt sie ab, bleibt eine Weile auf dem
tieferen Niveau und steigt dann wieder an. Das ist der Durchschnitt, es sind aber
auch Fälle des Qualitätsanstiegs und gleichbleibenden Niveau zu beobachten.
Unterschiedliche Verläufe
Aufgaben
Durch Reduktion und teilweise Aufgabe der bisher ausgeübten Rollen kommt
es zu substantiellen Einschränkungen in der Befriedigung von Bedürfnissen
(z.B. Frauen, die überwiegend die Erwerbstätigkeit aufgeben)
Neue Beziehungen zu anderen Eltern werden geknüpft, alte ändern sich (z.B.
wird Familienbeziehung intensiviert)
Identität als Mutter und Vater soll sich entwickeln
Solche Anpassungsleitungen werden unter qualitativ unterschiedlichen
Ausgangsbedingungen erbracht
ÆNegative Ausgangsbedingungen, bei denen die Umsetzung der Aufgaben
schwer fällt: nichtgeplante Schwangerschaft, kurze Partnerschaftsdauer,
niedriges Lebensalter, niedriger Sozialstatus, schon vor der Geburt geringe
Partnerschaftszufriedenheit.
Situative Belastungen:
zusätzlich zu bewältigende Lebensereignisse,
umfängliche Erwerbstätigkeit der Mutter in Kombination mit geringer
Partnerunterstützung,
knappe soziale und materielle Ressourcen, wenig Entlastung,
wenig soziale Unterstützung der Mutter,
ein zu gering empfundenes Einkommen,
verletzte Erwartungen Æ eine Aufgabenverteilung im Widerspruch mit eigenen
Erwartungen und Werten (oft noch traditionelle Aufgabenverteilung,
- 89 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
jedoch wünschen sich die Frauen eher mehr Gleichberechtigung, Männer
sind dann oft unzufriedener)
Ungünstige Persönlichkeitsmerkmale:
bei Müttern: eine gering soziale Orientierung, geringe Extraversion,
wenig ausgeprägte Fähigkeiten zur Umbewertung;
bei Vätern geringe Aggressivität in der Selbsteinschätzung, geringe Selbstkritik
gegenüber der eigenen Verhaltensweisen in Belastungssituationen, geringe
Konformität und geringe Sensibilität für die Gefühle anderer,
bei beiden Geschlechtern: allgemein geringe Beziehungskompetenz,
wenig Einfühlungsvermögen, hohe Verletzbarkeit, gering ausgeprägtes n
Selbstvertrauen.
Gibt man dem Partner die Verantwortung für die erlittenen Einschränkungen und
empfindet Ärger und Wut, kann das zu Streit und Rückzug führen. Derart
destruktiver Umgang mit den Einschränkungen ist ein Prädiktor für Scheidungen.
- 90 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
67. Partnerschaftsverläufe und Berufsbiographien weisen oft einen
Zusammenhang auf. MERRIAM und CLARK konnten drei unterschiedliche
Verlaufsmuster für „work and love“ identifizieren. Beschreiben Sie diese
drei Muster und entwickeln Sie für jedes ein möglichst konkretes,
anschauliches Beispiel. (Oerter&Monatada, S. 348)
Merriam und Clark (1993) führten Untersuchung zur Qualität von
Partnerschaftsbeziehungen und der Berufstätigkeit durch. Sie erkannten drei
Verlaufsmuster, ohne bedeutsame Hinweise auf Geschlechtsunterschiede.
1. 39% der Stichprobe: parallele Verlaufsmuster
Qualität privater und beruflicher Ereignisse und Zufriedenheiten kovariierten eng.
Stand z.T. mit ausgesprochenen entwicklungsregulativen Bemühen in
Zusammenhang, zwischen beiden Lebensbereichen eine Balance zu halten.
Beispiel: Wohlfühlen in der Partnerschaft wirkt sich auch positiv auf den Beruf
aus, während Ärger in der Partnerschaft ebenfalls auf den Beruf Auswirkungen
hat. Bemühungen können z.B. sein, dass sich der Partner einen Beruf in der
Nähe des Wohnortes sucht oder einen Beruf mit genügend Freizeit sucht.
2. 26% der Stichprobe: unterschiedliche biographische Verläufe
Einer der beiden Bereiche anhaltend positiv, der andere dagegen markant
fluktuierend (= eine Konstante), in einem der Lebensbereiche wird eine
Sicherheit gefunden und erhalten, diese ist nötig um die markanten
Schwankungen in der anderen zu tolerieren.
Beispiel: Eine sichere Beziehung gleicht die ständigen beruflichen
Schwierigkeiten aus, z.B. ständige Ortswechsel, mit einem Partner im
Hintergrund sind die emotional besser zu verkraften.
3. 35% der Stichprobe: divergente Verlaufsmuster
Verläufe, die durch häufige, z.T. kompensatorische Wechsel in der subjektiven
Qualität der Partnerschaftsbeziehung und der Arbeit charakterisiert waren.
Verluste in einem Bereich wird durch Gewinne in anderem Bereich wieder gut
gemacht.
Beispiel: ein Bereich verläuft in entgegengesetzte Richtung als der andere,
Beruf schlecht, Liebe kompensiert es, Liebe schlecht: stürzt sich in die Arbeit
Zugehörigkeit zu einem dieser Verlaufstypen bleibt vom jungen bis in das
höhere Erwachsenalter sehr stabil
Indikator für unterschiedliche Persönlichkeitstypen
Geschlechtsunterschiede wurden nicht beobachtet, dies kann auf die hohe
Karriereorientierung der Gesamtstichprobe zurückzuführen sein, daher ist
der Befund nicht verallgemeinerbar, kann ein Stichprobenspezifikum sein.
- 91 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
68. Junge Frauen unterscheiden sich in ihren Schulabschlüssen heute
nicht mehr von ihren männlichen Artgenossen, sind tendenziell sogar
etwas besser. Dennoch sind sie in ihrer Berufswahl stärker
eingeschränkt und haben im Durchschnitt weniger Erfolg im Beruf.
Erläutern Sie diesen Sachverhalt an Hand vorliegender empirischer
Daten und gehen Sie dabei auch auf Faktoren ein, die diese Ungleichheit
aufheben können. (Oerter&Montada, S. 334 – 335)
Bundesmininsterium für Bildung und Forschung (2000): junge Frauen
unterscheiden sich im Besuch weiterführender Schulen nicht mehr von ihren
männlichen Artgenossen
Hille & Zierau (1994): Mädchen haben in Schulabschlüssen signifikant bessere
Ergebnisse
Nach Schulabschluss: Wege trennen sich, Frauen eher frauenspezifische Berufe,
Männer eher männerspezifische Berufe, Frauen kaum in Informations- und
Telekommunikationselektronik, Fachinformatik
Erklärungen für eingeschränkte Berufswahl
Situative Faktoren: Barrieren, Widerstände der Eltern, Sexismus bei
Arbeitgebern, zweigleisige Entwicklung: Beruf und Familie sind schwer zu
vereinbaren
Frauen haben gelernte soziale und Familienorientierung, Männer Aufstiegsund materielle Orientierung Æ dadurch ist die Bildung der
Berufsorientierung bei jungen Frauen erschwert
Spektrum der Berufe, in denen Frauen ausgebildet werden, ist
eingeschränkter, weniger junge Frauen realisieren Berufswünsche, trotz
gleicher Anstrengungen werden sie bei Bewerbungen oft nicht
angenommen, doppelt so häufig ohne Zusage
Realisieren weniger akademische Karriere und wenn, dann oft unterwertig
beschäftigt (1995- in den alten Bundesländer ein Viertel und in den neuen
ein Drittel unter ihrem Qualifikatuonsniveau beschäftigt)
Deutliche Geschlechterunterschiede auch im Einkommen, Frauen werden
meist geringer entlohnt (auch bei gleichlanger ununterbrochener
Betriebszugehörigkeit auf dem gleichen Niveau verdienen Frauen im
Durchschnitt nach vier Jahren ein Viertel weniger als Männer)
Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit: höhere Belastung durch
Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung
Frauen nähern sich im Umfang der Erwerbstätigkeit den Männern an (75%
aller mit Partner lebenden Frauen und 85& aller mit Partnerin lebenden
Männer unter 40 sind vollzeit erwerbstätig, wenn sie keine Kinder haben
Faktoren, die die Ungleichheit aufheben, Chancen auf beruflichen Erfolg
steigen mit:
Begabung, Liberalität ihrer Geschlechtsrollenorientierung, Instrumentalität,
Androgynität, hohen Selbstwert, gutem akademischen Selbstkonzept, höherer
Schulbildung, Absolvierung von Leistungskursen in Mathematik, dem Besuch
einer Mädchenschule/Frauenuniversität, Erwerbstätigkeit der Mutter,
Unterstützung durch den Vater, höherer Bildung der Eltern, Vorhandensein,
weiblicher Rollenmodelle, Erfahrung mit Erwerbsarbeit in der Jugend, androgyner
Erziehung, Ehelosigkeit oder spätere Heirat, sowie Kinderlosigkeit oder weniger
Kinder.
- 92 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
69. Erfolgreiche Entwicklung im Erwachsenalter lässt sich unter
anderem mit den Begriffen Selektion, Optimierung und Kompensation
kennzeichnen. Erläutern Sie diese Begriffe und machen sie an Beispielen
klar, was sie konkret bedeuten können. (Oerter&Montada, S. 354-356)
Modell der selektiven Optimierung durch Kompensation (SOK) ist eine allgemeine
Entwicklungstheorie, die sich auf unterschiedliche Funktionen (z.B. Kognition und
Persönlichkeit) sowie auf verschiedene Analyseebenen (z.B. Ontogenese und
Lernen) anwenden lässt.
Selektion
Auswahl von Funktionsbereichen, auf die sich die zu jedem Zeitpunkt der
Lebensspanne begrenzten Ressourcen konzentrieren (Ziele und Präferenzen sind
abhängig von den Ressourcen)
Ermöglichung von Spezialisierung
Elektive Selektion: Notwendigkeit aus einer Fülle von Handlungszielen
diejenigen auszuwählen, die den eigenen Werten und Kompetenzen möglichst
gut entsprechen
Beispiele: Leistungskurswahl in der Oberstufe, Wahl eines Studienfachs
Verlustbasierte Selektion: Verändern oder aufgeben von Zielen als Reaktion
auf antizipierte oder bereits eingetretene Verluste an Verhaltens- und
Handlungsspielraum, etwa aufgrund altersbedingter Verluste an Ressourcen.
Beispiele: Job verlieren, Branche zukunftslos, neu lernen; Partner stirbt,
Neuorientierung, Wird man älter wird man verletzungsanfälliger,
Ziele werden nicht isoliert voneinander befolgt, sondern stützen oder behindern
sich gegenseitig.
Optimierung
Produktion von Entwicklungsgewinnen, bezieht sich auf den Erwerb, die
Verfeinerung und die Anwendung von Ressourcen zum Erreichen von
Entwicklungszielen
Anwendung und Ausgestaltung von Mittel-Zweck-Relationen bei der
Zielverfolgung
Beispiele: Erwerb neuer Fertigkeiten, Übung, Anstrengung, Investieren von Zeit,
Gebrauch externer Hilfe, Motivation
Wenn man z.B. das Ziel hat Fußballprofi zu werden, dann wird man viel
Anstrengung und Zeit in das Fußballtraining investieren um seien Fähigkeiten zu
verbessern
Kompensation
Aufrechterhaltung des Funktionsniveau bei Verlusten und bezeichnet somit den
Erwerb, die Verfeinerung und die Anwendung von Ressourcen, die diesen
Verlusten entgegenwirken. Z.B. durch vermehrte Übung, Anstrengung und
Investieren von Zeit, Gebrauch externer Hilfen oder therapeutischer
Interventionen
Beispiele: Verwendung eines Rollstuhls, wenn man nicht mehr gehen kann,
gezieltes Trainieren des Gedächtnisses, wenn dieses im Alter nachlässt
Æ erfolgreiche Entwicklung wird aufgrund des Zusammenspiels dieser drei
Entwicklungsprozesse hervorgebracht, alle drei Prozesse können bewusst oder
unbewusst, aktiv oder passiv, intern oder extern erfolgen
- 93 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
70. Nicht alle intellektuellen Fähigkeiten nehmen im Verlaufe des
mittleren und höheren Erwachsenenalters ab. Erläutern Sie diesen
Sachverhalt, indem Sie auch auf das Zweikomponentenmodell der
intellektuellen Entwicklung eingehen, das zwischen der Mechanik und
Pragmatik der Kognition unterscheidet. (Oerter&Montada, S. 356 – 365)
Zweikomponentenmodell der intellektuellen Entwicklung unterscheidet zwischen
biologischen und kulturellen Determinanten kognitiver Leistungen.
Mechanik (biologisch bestimmt)
Alle Leistungen, die auf Schnelligkeit, Genauigkeit und Koordination elementarer
kognitiver Prozesse basieren: Merkfähigkeit, räumliches Vorstellungsvermögen,
Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Induktion und Deduktion
Schneller Anstieg im Kindes- und Jugendalter, lineare Abnahme im
Erwachsenenalter, Beschleunigung des Rückgangs im Alter
Mechanik der Kognition
Repräsentiert den Einfluss der Biologie auf die intellektuelle Entwicklung
Biologische Komponente der kognitiven Leitungsfähigkeit und des kognitiven
Entwicklungspotentials
Bis zu frühen Kindheit reflektieren Altersveränderungen der Mechanik den
interaktiven Aufbau neuronaler Strukturen, Reifung und Erfahrung greifen
ineinander
Kognitive Alterung (negative Altersveränderung der Mechanik): indirekte
Auswirkung des nachlassenden phylogenetischen Selektionsdruck sowie
weiterer alternsbezogener Dysfunktionen
Pragmatik
Leistungen, die Niveau von Fertigkeiten, Größe und Qualität von
Wissensbeständen erfassen sind im Erwachsenenalter stabil, erst im hohen Alter
fallen Leistungen ab (Kopfrechnen, verbale Fertigkeiten, Wortschatz)
Pragmatik der Kognition
Kulturelle Dimension der intellektuellen Entwicklung
Entwicklungsveränderungen in der Pragmatik spiegelt den Erwerb kultureller
verankerter Bestände von Wissen wieder, dass einem im Laufe der
Sozialisation zugänglich gemacht wird, es ist z.T. normativ (allgemeine
Schulpflicht), universell (informelle Unterweisung durch Mentoren) oder
hoch spezialisiert
Individuelle Unterschiede in normativen Aspekten der Pragmatik sind mit
Bildungschancen und anderen Aspekten sozialer Ungleichheit korreliert
Cattell und Horn:
Fluide Fähigkeiten = verknüpft mit gegenwärtiger Leistungsfähigkeit des
Gehirns
Kristalline Fähigkeiten = stärker mit soziobiographischen Fähigkeiten
verknüpft.
die normativ-pragmatischen Wissensbestände entstehen, indem die Personen ihr
mechanisches kognitives Potential in allgemein relevante Wissensbereiche
investieren, sie erarbeiten sich dadurch kristalline Fähigkeiten.
- 94 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Leistungszuwächse in kristallinen Fähigkeiten folgen den fluiden Fähigkeiten also
nach.
Divergenz der Beziehung fluider und kristalliner intellektuellen Fähigkeiten zu
vorwiegend biologischen bzw. kulturellen Korrelaten auch im hohen Alter zu
beobachten.
Personenspezifisches pragmatisches Wissen resultiert aus
personenspezifischer Erfahrung, Motivation, Handlungskontrollerleben und
bereichsspezifischer und genereller Begabung (ist nicht mit standardisierten
Tests erfassbar, da es nicht allgemein ist).
Ein großer Teil kognitiver Zugewinne im mittleren Erwachsenalter geht auf den
Erwerb von personenspezifischem pragmatischem Wissen zurück, z.B.
Fähigkeiten im Schach, Kartenspiel und Musik.
Es gibt kaum Hinweise darauf, dass die Mechanik der Kognition durch den
Erwerb von Expertenwissen im Erwachsenalter verändert wird (positive
Auswirkungen der Expertie überschreitet selten die Grenzen des
entsprechenden Bereichs)
Zweiter Befund: Vermögen der Pragmatik gleicht negative Auswirkungen
mechanische Alternsverluste aus
Kognitive Entwicklung ist von Anfang an auf Interaktion zwischen
Pragmatik und Mechanik angewiesen, Qualität und Funktion dieser
Interaktion verändern sich im Laufe des Lebens, Pragmatik baut auf der
Mechanik auf.
- 95 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
71. Auch im Alter können kognitive Interventionen noch effektiv sein.
Wie empirische Untersuchungen gezeigt haben, sind ihrer Wirksamkeit
jedoch auch Grenzen gesetzt. Bitte, stellen Sie die wesentlichen Befunde
zusammen, die die Forschung zur kognitiven Intervention im Alter zu
Tage gefördert hat. (Oerter&Montada, S. 370-375, 963)
zwei Inhaltsbereiche, die eng mit der Mechanik der Kognition verknüpft sind
fluide Intelligenz im engen Sinne (d.h. das Denkvermögen im Zusammenspiel
von Induktion und Deduktion)
episodisches Gedächtnis (d.h. die Fähigkeit zum Einprägen und Abrufen neuer
Informationen)
Das durchschnittliche Leistungsniveau nimmt im Laufe des Erwachsenenalters ab
Vier zentrale Befunde der Interventionsforschung:
1. Kognitive Plastizität bleibt bei geistig gesunden älteren Erwachsenen
bis ins hohe Alter erhalten.
• Geistig gesunde ältere Erwachsene zeigen deutliche Leistungszugewinne in
jenen Maßen, die im Zentrum der kognitiven Intervention stehen, Größe
der Leistungszugewinne variiert in Abhängigkeit von manchen
Eigenschaften der Intervention, z.B. Intervention im Bereich der fluiden
Intelligenz: reine Testwiederholung führt zu geringeren
Leistungssteigerungen als intensives Üben,
• durch Training und Üben erzeugte Leistungszugewinne bleiben in den
trainierten Aufgaben über mehrere Jahre und Monate erhalten.
• Gesunde ältere Erwachsene zeigen folglich ein beträchtliches Ausmaß an
kognitiver Plastizität (bei fluider und im Erwerb und der Nutzung von
Gedächtnistechniken).
• Im hohen Alter nur eingeschränkte Gültigkeit: Trainingszugewinne beim
episodischen Gedächtnis deutlich niedriger und weniger optimierbar
• Wirksamkeit der kognitiven Intervention beruht in erster Linie auf
Reaktivierung vorhandener und nicht auf Lernen neuer Strategien, denn
selbstgesteuertes Üben ist genauso erfolgreich wie angeleitetes Training.
• Interventionsbedingte Leistungsgewinne bei Personen mit dementieller
Erkrankung deutlich reduziert.
2. Der positive Transfer trainierter oder geübter Leitungen auf andere
Aufgaben derselben oder verwandter Fähigkeiten ist in der Regel gering
• Interventionsbedingte Leistungszugewinne sind begrenzt auf die jeweils
geübten Aufgaben
• Leistungsgewinne meist nur bei den trainierten Aufgaben und äußerlich
und strukturell sehr ähnlichen
3. Altersunterschiede zwischen jungen und älteren Erwachsenen
nehmen an den Leistungsobergrenzen zu.
• Beispiel: Erwerb und Training durch Methode der Orte (= serielles
Erinnern von Wortlisten mit bestimmter Gedächtnismethode), individuelle
Unterschiede in Gedächtnisleistungen mit der Methode der Orte sind mit
einem sehr breiten Bündel fluider intellektueller Fähigkeiten korreliert (z.B.
mit der Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Denkvermögen, bildlichen und
räumlichen Vorstellungsvermögen),
- 96 -
Entwicklungspsychologie
•
•
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
Kein einziger älterer Erwachsener erreichte am Ende der Untersuchung die
mittlere Leistung der jüngeren Erwachsenen.
Beobachtete Altersunterschiede bei den Obergrenzen der
Leistungsfähigkeit sehr stabil und wohl irreversibel
4. Die Koordination mehrerer Wahrnehmungs- und Handlungsstränge ist
für ältere Erwachsene besonders schwierig.
• großer Nachteil, v.a. bei gleichzeitigem Arbeiten an mehreren Aufgaben
• Altersunterschiede bleiben auch nach intensivem Üben erhalten
• Grund: Koordinationsschwierigkeiten
• Schwierigkeiten auch bei geringen Zeitdruck: Koordination trotzdem
erforderlich
Fazit
Im Alter können durch wenig Training und Übung Leistungszugewinne erzielt
werden
Leistungsgewinne eher in pragmatischen Aspekten der Kognition (kognitive
Fertigkeiten können reaktiviert, trainiert und neugelernt werden)
Steigerung der Gedächtnisleistungen, allerdings ist nicht das Niveau junger
Menschen zu erreichen
Grenzen bei schnellen Lernen von komplexen Material, Vorstellungskraft,
Langzeitwissen.
- 97 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
72. Altersbedingte Verluste der Intelligenz scheinen insbesondere die
Mechanik des Denkens zu betreffen. Aber was heißt das? Welche
Komponenten und Prozesse spielen dabei vermutlich eine wichtige
Rolle? Bitte, erläutern Sie diese und führen Sie dabei auch, soweit
vorhanden, empirische Belege an (Oerter&Montada, S. 376 – 378).
Altersveränderungen in der Mechanik beruhen wohl auf Mischung übergreifender
Ursachen (Ressourcen) und spezifischer Ursachen (Prozesse)
Ressourcenorientierung unterscheidet drei Komponenten
1. Verarbeitungsgeschwindigkeit: Geschwindigkeit, mit der elementare
kognitive Operationen ausgeführt werden können
stärkster Prädiktor von Altersunterschieden in anderen Aspekten kognitiver
Mechanik
sie ist jedoch keine einfache, einheitliche Ursache: zusammengesetzte Größe
mit relativ hohem Arbeitsgedächtnisanteil,
2. Arbeitsgedächtnis: Fähigkeit, Informationen in einem oder mehreren
Kurzzeitspeichern zu erhalten und zu transformieren
Erklärungsgehalt schwer bestimmbar und messbar
3. Inhibition: Fähigkeit, irrelevante Informationen automatisch oder
intentional zu hemmen
Aufgaben, bei denen Personen eine starke Handlungstendenz unterdrücken
müssen, um zur angemessenen Antwort zu gelangen
Hinweise, dass Inhibition nicht mehr handlungsrelevanter Aufgaben bei
älteren Erwachsenen weniger effizient erfolgt
Größe des Beitrags der Hemmung zur Altersveränderung in der Mechanik
schwer zu bestimmen
Jüngere Zeit:
Einbezug der kognitiven Neurowissenschaften
Kognitive Neurowissenschaften des Alterns untersuchen, welche anatomische
neurochemischen und funktionalen Veränderungen des Gehirns in besonders
starker Weise mit Altersunterschieden im Verhalten zusammenhängen.
Æ Veränderungen des Stirnhirns,
Æ Abnahme von Rezeptoren für Dopamin (eng mit Altersunterschieden in der
intellektuellen Leistungsfähigkeit verbunden)
Verknüpfung: Stirnhirn auf dopaminerge Verarbeitungswege angewiesen
Die anatomischen Veränderungen des Stirnhirns stehen mit der Beobachtung im
Einklang, dass einige Eigenschaften des kognitiven Systems, die bestimmte
Areale des Stirnhirns beanspruchen, besonders stark von der kognitiven Alterung
betroffen sind. Hier liegt v.a. Regulation und Koordination von Verhalten =
exekutive Funktionen (kognitive Kontrolle)
Negative Altersunterschiede v.a. wenn hohe Anforderungen an kognitive
Kontrolle gestellt werden
• Koordination von Handlungen und Wahrnehmungsinhalten
• Unterdrückung reizgetriebener Handlungstendenzen
• Gleichzeitige Bearbeitung von mehreren Aufgaben
- 98 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
73. In der Persönlichkeitsforschung spielen die „Big Five“ eine große
Rolle. Entwicklungspsychologisch ist interessant, ob diese Big Five im
Laufe des mittleren und höheren Erwachsenenalters eine gewisse
Stabilität zeigen. Dabei können vier Arten der Stabilität unterschieden
werden, nämlich die strukturelle, die relative, die Niveau- und die
Profilstabilität. a) Was bedeuten diese Begriffe? b) Welche Ergebnisse
haben sich bei der Untersuchung dieser Stabilitätsarten gezeigt?
(Oerter&Montada, S. 383 – 386, 683 – 684)
Big Five: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und
Gewissenhaftigkeit
Unstrittig, das die Big Five im mittleren und höheren Erwachsenalter hohe
Entwicklungsstabilität aufweisen
Vier Stabilitätsformen, wenn zwei oder mehr Messzeitpunkte oder Altersgruppen
miteinander verglichen werden.
1. Strukturelle Stabilität
Stabilität der Anzahl, der Variabilität sowie der Beziehungen der
Persönlichkeitsdimensionen untereinander (d.h. Varianzen und Kovarianzen),
• Hohes Ausmaß an struktureller Stabilität nach dem 10. Lebensjahr
Æ Fünf- Faktoren- Struktur lässt sich in verschiedenen Lebensaltern und
Populationen replizieren und das Muster der Interkorrelationen zwischen
ihnen ist hinreichend ähnlich
2. Relative Stabilität
Stabilität von Ausprägungsunterschieden zwischen Personen
• Hohe relative Stabilität mit mittlerer Korrelation (um r=.65) bei
Zeitabständen zwischen 6 und 30 Jahren
• Höhe der Korrelation nimmt meist mit zunehmendem zeitlichem Abstand
ab
• Nach Berücksichtigung von Messfehler und evtl. Stichprobenfehler ergibt
sich für die relative Stabilität zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr eine
Schätzung von etwa 50%
• Costa & McCrae: ca. 3/5 der reliablen Varianz von
Persönlichkeitseigenschaften ist über die gesamte Lebensspanne stabil
3. Niveaustabilität
Stabilität des Niveaus der Ausprägung von Persönlichkeitseigenschaften
Meist bekommt man im Laufe des Erwachsenenalters niedrigere Werte auf
den Dimensionen Offenheit, Extraversion, Neurotizismus, dafür aber etwas
umgänglicher und zuverlässiger
Berliner Altersstudie: Im hohen Alter deutliche Altersunterschiede und
Altersveränderungen in Persönlichkeitseigenschaften zu beobachten
Neurotizismus, Extraversion und Offenheit für Neues haben geringere Werte
in der älteren Gruppe
Es gibt interkulturelle Gemeinsamkeiten
Tendenz des Selbstsystems Stabilität zu erzeugen und aufrechtzuerhalten
verliert offensichtlich an Wirksamkeit, wenn die Intensität und Dauer von
Stressoren eine gewisse Grenze überschreiten
- 99 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
4. Profilstabilität
Stabilität des Ausprägungsmusters bei einer bestimmten Person
Setzt relative Stabilität aller profilkonstituierenden Eigenschaften voraus,
daher kann sie nicht höher ausfallen als die relative Stabilität der
instabilsten Eigenschaft
Persönlichkeit im Sinne eines Profils von Eigenschaften ist weniger stabil als
die isolierte Betrachtung einzelner Eigenschaften vermuten lässt, vielleicht,
weil jeder im Laufe des Lebens unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben
begegnet, deren Bewältigung verschiedene Persönlichkeitsmerkmale
unterschiedlich stark erfordert und beeinflusst
- 100 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
74. Persönlichkeitsfaktoren und Selbstkonzept stehen in einem
bedeutsamen Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten erfolgreicher
Entwicklung. Bitte, führen Sie empirische Belege für diese Aussage an,
skizzieren Sie einige Forschungsbefunde (Oerter&Montada, S. 386 –
388).
Einschränkungen und Probleme
• Relevante Daten meist aus Selbstauskünften
• Hohe Itemähnlichkeit
Kriterien erfolgreicher Entwicklung: sinnvoll auch objektive Kriterien zu nutzen
Empirische Befunde
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Entwicklungserfolg: verschiedene
Forschungstraditionen im Bereich von Selbst- und Persönlichkeit verfolgen
unterschiedliche Ansätze
Persönlichkeitstheorien: Eigenschaften als Quellen individueller Unterschiede
im Erleben und verhalten
Theorien des Selbst: Eigenschaften als Resultat selbstbezogener Prozesse,
hiernach bringen Persönlichkeitseigenschaften individuelle Unterschiede im
Umgang mit selbstbezogenen Informationen zum Ausdruck, die den zukünftigen
Umgang mit derartigen Informationen und somit auch den subjektiven und
objektiven Entwicklungserfolg beeinflussen vermögen
•
•
•
•
•
•
•
Personen mit hoher Extraversion beschreiben Befindlichkeit mit positiven
Gefühlen, berichten von positiven Erlebnissen
Personen mit hohen Werten bei Neurotizismus eher negative Gefühle und
berichten von negativen Erlebnisse
Gewissenhaftigkeit zeigt positive Beziehungen zum subjektiven
Wohlbefinden, das als Indikator des subjektiven Entwicklungserfolgs
angesehen wird
Personen mit hohen Werten für Offenheit zeigten höhere Leistungen in
Aufgaben zu Lebenswissen, Weisheit und erweiterte Alltagskompetenz
Offenheit für Neues und Verhaltensflexibilität mit Vielzahl kognitive
Leistungen positiv korreliert Æ Personen mit hohen Werten für Offenheit
zeigten höhere Leistungen in Aufgaben zu Lebenswissen und Weisheit und,
sowie ein größeres Ausmaß an erweiterter Alltagskompetenzen
Plurale Struktur bevorzugter Selbstkonzeption erleichtert Anpassung an
veränderte Entwicklungsbedingungen (Berufstätige, Partnerin, Mutter,
Hobbymusikerin), korreliert positiv mit geistiger Gesundheit
Ältere Erwachsene, die ihr Selbst im Sinne reichhaltiger positiv
eingeschätzter, miteinander verbundener Selbstkonzeption definieren,
können mit negativen gesundheitlichen Veränderungen besser umgehen.
- 101 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
75. Das Bild des alten Menschen ist in unserer Gesellschaft im
Allgemeinen recht negativ und steht dabei nicht selten in deutlichem
Kontrast zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. a) Erläutern Sie diese
Tatsache an Hand von Beispielen! b) Skizzieren Sie ihre Ideen zu
Ursachen und Folgen des negativen Bildes vom alten Menschen
(Oerter&Montada, S. 961 – 962)
negativer Altersstereotyp
körperliche Gebrechlichkeit
durch Pflegebedürftigkeit Kosten
nachlassende ökonomische Produktivität
große Diskrepanz zwischen Alltagswissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen
Beispiele
Mehrzahl der 65jährigen ist nicht senil
Weiterhin sexuelle Beziehungen
Nicht unbedingt unglücklich, man gibt sich mit weniger zufrieden
ältere Autofahrer haben pro Person weniger Unfälle als Fahrer unter 65
Ca. 80% der älteren sind gesund genug um normale Aktivitäten auszuführen
Langsameres Lernen, aber Lernen ist noch möglich
Mehrzahl der Älteren arbeitet oder würde gerne arbeiten und kann es auch
genauso effizient wie jüngere
Mehrheit der Älteren ist selten gereizt oder wütend
Ideen zu Ursachen und Folgen
Ursachen: fehlende Aufklärung, wenn wird das schlechte gezeigt, Gefühl in
schlechten Zeiten liegen die Alten den Jungen mit Rentenansprüchen auf der
Tasche, zu wenig Auseinandersetzung, statistische Tatsachen werden falsch
interpretiert (Kranksein nimmt zu, aber es gibt genug gesunde)
Folgen: Angst vorm Altern, Schönheitswahn (altern stoppen), Diskriminierung,
Minderwertigkeitsgefühle (mid-life-crisis),
unbedachte Äußerungen („Alte, gebt den Löffel ab“, von FDP-Politiker, „Frauen
ab 40 haben keine Lust mehr auf Sex“ von Udo Jürgens)
- 102 -
Entwicklungspsychologie
Vordiplomsfragenkatalog
Silke Schlichtmann
76. Zu den positiven Eigenschaften, die man eher bei älteren als bei
jüngeren Personen vermutet gehört sicherlich eine Fähigkeit, die sich
mit dem Begriff der Weisheit beschreiben oder vielleicht auch nur
umschreiben lässt. Eine Forschungsgruppe um BALTES hat versucht,
diesen Begriff, das Konstrukt Weisheit, zu operationalisieren und der
empirischen Beforschung zugänglich zu machen. Beschreiben Sie diesen
Ansatz (Oerter&Montada, S. 969 – 970).
Das psychologische Weisheitsparadigma erfasst Wissen und Fähigkeiten im
Umgang mit schwierigen und grundlegenden Fragen des Lebens
Personen werden schwierige Lebensprobleme vorgelegt und die Antworten nach
5 Kriterien eingeschätzt
Itembeispiel: Jemand erhält eine Anruf von einem guten Freund. Dieser sagt,
dass er sich das Leben nehmen will. Was sollte man in so einer Situation
bedenken oder tun?
1. Reiches Faktenwissen in grundlegenden Fragen des Lebens
(Inwieweit zeigt Antwort generelles und spezifisches Wissen von
Lebensproblemen und die menschliche Grundsituation, sowie Breite und
Tiefe in der Problembearbeitung?)
2. Reiches Strategiewissen (Inwieweit werden in der Antwort Strategien in
der Entscheidungsfindung, Selbstregulation, Lebensbewertung,
Lebensplanung und des Ratgebens deutlich?)
3. Lifespan-Kontextualismus (Inwieweit berücksichtig die Antwort die
zeitliche Einbettung von Lebensproblemen und die vielen Umstände und
Bereiche in die ein Leben eingebunden ist?)
4. Wert-Relativismus (Inwieweit berücksichtig die Antwort die Vielfalt von
Werten und Lebenszielen und die Notwendigkeit, jede Person innerhalb
ihres Wertesystems zu betrachten ohne dabei eine kleine Anzahl
universeller Werte aus den Augen zu verlieren?)
5. Erkennen und Umgehen mit Ungewissheit (Inwieweit berücksichtig
die Antwort die Ungewissheit im Leben und lässt effektive Strategien mit
dieser Ungewissheit deutlich werden?)
Feststellungen:
•
•
Alte Menschen zeigten keinen Altersabbau, sonder Stabilität und unter
bestimmten Bedingungen Leistungsüberlegenheit
Erhebliche Unterschiede bei den Personen abhängig von individuelle
Erfahrungsgeschichten, Charakteristika der Person (kognitiver Stil,
Kreativität), Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit für neue
Erfahrungen und persönliche Reife
- 103 -
Herunterladen