Grundlagen der Beatmung Dr. C. Schön Kinder-Intensivstation/ Heimbeatmung Dr. von Haunersches Kinderspital Curriculum Pädiatrie 04.04.2014 • Anatomie des Respirationstraktes • Atemphysiologische Grundbegriffe/ Grundlagen der Atmung • Respiratorische Insuffizienz • Beatmungstechnik • Beatmungsformen Anatomie des Respirationstraktes -Gesamte innere Oberfläche der Alveolen beträgt ca. 80 – 120 m² -das Alveolarepithel ist mit Surfactant wie mit einem Film ausgekleidet • Surfactant besteht zu 90 % aus Lipiden und 10 % Proteinanteil • Funktion: Herabsetzung der Oberflächenspannung an der Grenzfläche zwischen Alveolargewebe und Luft (Alveolarkollaps wird verhindert) Physiologie der Lunge Äußere Atmung: Gasaustausch zwischen Organismus und Umwelt - Ventilation: Vorgang der Inspiration und Exspiration, Atemgastransport - Gasaustausch: Aufnahme von Sauerstoff aus den Alveolen ins Blut und Abgabe von Kohlendioxid (CO2) aus dem Blut in die Alveolen Innere Atmung: Gasaustausch im Gewebe/ Organen Physiologie der Lunge - Gasaustausch Atemmechanik Treibende Kraft für die Ventilation: • Unterdruck in der Lunge - Luft strömt ein = Inspiration • Überdruck in der Lunge - Luft strömt aus = Exspiration Druckunterschiede Atemmechanik - Einatmung Für die Füllung der Lunge mit Luft ist ein Unterdruck in der Lunge notwendig. Der notwendige Unterdruck kommt durch eine Erweiterung des Brustkorbes in der Lunge zustande, so daß die Luft praktisch durch eine Sogwirkung in die Lunge gelangt. Atemmechanik - Ausatmung Bei der Ausatmung erschlafft die Zwischenrippenmuskulatur und der knöcherne Brustkorb sinkt nach unten. Gleichzeitig läßt die Spannung des Zwerchfells nach, es tritt nach oben und der Brustkorbinnenraum verkleinert sich. Es entsteht nun ein Überdruck in der Lunge und die Luft wird nach aussen gepresst. (passiver Vorgang) Atemmechanik - Atemmuskulatur An der Erweiterung des Brustkorbs/ Einatmung (Inspiration) sind folgende Muskeln beteiligt: • Zwerchfell: wichtigster Atemmuskel, flacht bei Kontraktion ab. • Äußere Zwischenrippenmuskeln: heben bei Kontraktion die jeweils unteren Rippen nach vorne. • Atemhilfsmuskulatur: wird zusätzlich eingesetzt bei Atemnot. Druck-Zeit-Diagramm Druckdifferenz zwischen alveolärem und atmosphärischen Druck • • • bei Inspiration negativ bei Exspiration positiv in Atemruhelage = Luftdruck Negativ-Druckbeatmung Atemmechanische Größen – physikalische Grundlagen Einfaches Modell: Bronchialsystem = Röhrensystem Lunge = elastischer Blasebalg Zylindrische Röhre mit Strömungswiderstand (R=Resistance) Elastischer Balg mit bestimmter Dehnbarkeit (C=Compliance) Resistance (R) Maß für den Strömungswiderstand (Atemwegswiderstand) des respiratorischen Systems, der vom Luftstrom während der Inspiration und Exspiration überwunden werden muss Bei Kindern sind aufgrund der anatomischen und physiologischen Besonderheiten der Atmungsorgane die Strömungswiderstände wesentlich höher als bei Erwachsenen Resistance (R) Hagen-Poiseuille-Gesetz: R=1/r4 1. R ist umgekehrt proportional der 4.Potenz des Radius (d.h. sinkt der Atemwegsdurchmesser um die Hälfte steigt der Widerstand auf das 16-fache 2. R ist direkt proportional zur Länge der Atemwege Ursachen für erhöhten Atemwegswiderstand • • • • • • Übermäßige Schleimsekretion/ Sekretretention Schleimhautschwellung (Bronchitis, Asthma, Lungenödem) Bronchospasmus Stenosen Fremdkörper Tubus/ Trachealkanüle Compliance (C) Maß für die Dehnbarkeit der Lunge, beschreibt die elastischen Eigenschaften des respiratorischen Systems = Volumen-Druck-Beziehung Verhältnis von Volumenänderung zu Druckänderung Bsp: wird in einen Luftballon der ein bestimmtes Volumen hat und unter gewissem Druck steht, zusätzlich Volumen hinein geblasen, ändert sich das Volumen um den Wert ∆V und der Druck erhöht sich um den Wert ∆p. Diese Volumenänderung wird auch als Atemzugvolumen bezeichnet Druck-Volumen-Diagramm Flacher Kurvenabschnitt: Maximale Alveolardehnbarkeit Überdehnung der Alveolarsepten Elastizitätsverlust Steiler Kurvenabschnitt: Atemarbeit ist am geringsten Um das gleiche Atemzugvolumen zu machen, muss man im flachen Teil der Kurve einen höheren Druckgradienten aufbauen als im steilen Teil. Statische Lungenvolumina • Atemzugvolumen AZV 7 - 10 ml/kg KG – Volumen, das pro Atemzug ein-/ ausgeatmet wird • Inspiratorisches Reservevolumen – Lungenvolumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich eingeatmet werden kann • Exspiratorisches Reservevolumen – Lungenvolumen, das nach normaler Exspiration noch zusätzlich ausgeatmet werden kann • Residualvolumen RV – Gasvolumen, welches nach maximaler Expiration noch in der Lunge verbleibt (nicht mobilisierbar) Statische Lungenvolumina (2) • Vitalkapazität VC – Lungenvolumen, zwischen maximaler Inspiration und maximaler Exspiration • Totalkapazität – Gasvolumen, nach maximaler Inspiration • Atemminutenvolumen – Luftvolumen, das in einer Minute geatmet wurde (Ruhe: 8-10 l) Statische Lungenvolumina Respiratorische Insuffizienz Respiratorisches System in 2 Kompartimente unterteilt: Lunge Gasaustauschfläche Atempumpe = zuständig für Ventilation Atemzentrum Nerven Thorax Atemmuskulatur Ursachen für Störung der Atempumpe Störungen des zentralen Atemantriebs • • • • Hirnstammläsionen Atemregulationsstörungen (Undine-Syndrom) ZNS-Malformationen Trauma/ Querschnitt Neuromuskuläre Erkrankungen • • • • Spinale Muskelatrophie Muskeldystrophie Duchenne Neuropathien (Guillain-Barré) Mitochondriopathie Ursachen für Störung der Atempumpe (2) Störungen der Atemmechanik: • Schwere Skoliose • Skelettsyndrome • Zwerchfellhernie Ursachen für Lungenparenchymversagen Obstruktive Lungenerkrankungen • • Bronchitis, CF, Asthma Adenoide (obstruktive Schlafapnoe) Restriktive Lungenerkrankungen • • • Interstitielle Pneumonitis Kollagenosen (Lupus) Sarkoidose Pneumonie Lungenödem Atelektasen Lungenfibrose ARDS (z.B. bei Sepsis, Trauma, Schock, Verbrennung) -> Verlust an funktionellem Lungengewebe Definition der respiratorischen Insuffizienz Atemarbeit, die für suffizienten Gasaustausch notwendig ist, kann nicht mehr aufgebracht werden. Pulmonale O2-Aufnahme ist beeinträchtigt Keine ausreichende O2-Versorgung im Gewebe Keine ausreichende Elimination von CO2 Respiratorische Insuffizienz Respiratorisches System in 2 Kompartimente unterteilt: Lunge Atempumpe = zuständig für Ventilation Gasaustauschfläche Atemzentrum Nerven Thorax Atemmuskulatur Lungenparenchymversagen (schlechte Oxygenierung) Sättigung↓ Atempumpenversagen (schlechte Ventilation) CO2↑ Klinische Zeichen der drohenden respiratorischen Insuffizienz Tachypnoe LEITSYMPTOM! Abnahme AZV Schaukelatmung Einsatz der Atemhilfsmuskulatur Dyspnoe Zyanose Psychomotorische Unruhe Schwitzen Tachykardie, Hypertonie (Blutgasanalyse (paO2 ↓, paCO2 ↑↓) Klinische Zeichen chronischen respiratorischen Insuffizienz Kopfschmerzen Müdigkeit Antriebslosigkeit Depression/ Angst (vor Ersticken) Leistungsverlust Konzentrationsschwierigkeiten in der Schule Gedeihstörung Schlechte motorische Entwicklung Sekretverhalt in den Atemwegen Indikationen zur maschinellen Beatmung Störung der Ventilation Störung der Oxygenierung • Oxygenierungsproblem – z.B. Pneumonie, ARDS, Aspiration • Versagen der Atempumpe – Muskelhypotonie, Bewusstseinstörung • Herzinsuffizienz • Erschöpfung durch hohe Atemarbeit Ziele der Beatmungstherapie 1. 2. 3. 4. Sicherstellung des pulmonalen Gasaustausches Sicherung der Atemwege bei fehlenden Schutzreflexen oder bei Engstellen im Bereich der oberen Atemwege Beatmung mit möglichst wenig Nebenwirkungen auf den Kreislauf Vermeidung von Lungenschädigung durch die Beatmung (lungenprotektiv) -> Beatmung mit den kleinstmöglichen Drucken Jede Beatmung muss individuell auf den Patienten abgestimmt sein Indikation zur maschinellen Beatmung (chronische Erkrankungen) • Indikation primär durch Symptome: – Sekretprobleme: akut/chronisch – rezid. Infekte – Schlafbezogen • • unterstützt durch Blutgase Schlechte oder schlechter werdende Lungenfunktionsprüfung (LuFu) • Stufenplan: – – – – 1. erschwertes Abhusten: Exspirationshilfen 2. Hyperinsufflation 1h/d 3. Nicht-invasive Beatmung 4. Invasive Beatmung Welcher Beatmungszugang? Beatmungsmaske - nicht invasiv Tracheotomie/ Trachealtubus - invasiv Maskenbeatmung • • • • • Wacher kooperativer Patient Erhaltener Atemantrieb Erhaltene Schutzreflexe Meist vorübergehende, kurze Beatmungsdauer Aber auch Langzeitbeatmung 16 – 20h (bis 24 h möglich) • • Nicht bei Reanimation, Atemstillstand oder Kreislaufinsuffizienz Nicht bei Verletzungen im Kopf- /Halsbereich • Bei akuter respiratorischer Insuffzienz ist ein Therapieversuch mit nichtinvasiver Beatmung erlaubt Tracheotomie (bei chron. Ateminsuffizienz) • • • • • 24 Std. Beatmungspflichtigkeit bulbäre Störungen hohe Beatmungsdrucke hoher FIO2-Bedarf Kinder > 1 Jahr Nachahmung normaler Atmung Normalwerte Spontanatmung: Ng Kind Erw 6-8 6-8 • TV 6-8 • AMV bis 200 • AF 40-60 ml/kg 70-100 ml/kg/min 20-30 10-15 pro min Maschinelle Atemhilfe Komplette oder teilweise Übernahme der Atemarbeit durch ein Beatmungsgerät (Respirator). Beatmungsmaschine ersetzt entweder komplett die Atemmuskulatur oder hat die Funktion eines zusätzlichen Atemmuskels. Beatmungsformen: Kontrolliert: Beatmungsmaschine übernimmt komplette Atemarbeit Unterstützt: Patient kann zum Teil Atemarbeit übernehmen Nomenklatur der Beatmungsparameter P insp. PEEP T insp. Af I:E VTi Inspirationsdruck (Einatemdruck) positiv endexspiratorischer Druck (hält die Lunge offen) Inspirationszeit (Länge der Einatmung) Atemfrequenz Verhältnis von Inspiration zu Exspiration inspirat. Tidalvolumen (Menge der Einatmung, ml) Rampe wie schnell soll der Druckanstieg sein, wie schnell ist der Flow der Luft damit die Maschine erkennt, dass der Patient atmen möchte Trigger PSV (pressure support ventilation) - Druckunterstützung jede spontane Einatembemühung des Patienten wird von der Beatmungsmaschine mit einer Druckunterstützung beantwortet -> dient zur Unterstützung einer unzureichenden Spontanatmung (Atempumpenschwäche) -> immer getriggert durch den Patienten (die Maschine erkennt eine Druckänderung oder eine Änderung des Luftstroms) PSV (pressure support ventilation) - Druckunterstützung was macht der Patient selbst? Atemfrequenz Atemzugvolumen (durch aktives Einatmen) Inspirationszeit (= Dauer der Einatmung) ->Patient bestimmt Atemfrequenz, Verlauf und Volumen des unterstützten Atemhubes Was muss man an der Maschine einstellen? • • • • Druckunterstützung P insp. (Druck, mit der der Atemzug unterstützt wird) PEEP Trigger (damit die Maschine die Atembemühung bemerkt) Backup-Frequenz (falls der Patient doch zu schwach ist und keinen Atemzug mehr machen kann)-> die Maschine beatmet den Patienten dann komplett. PCV (pressure controlled ventilation) - Druckkontrolle Die Beatmungsmaschine übernimmt die gesamte Atemarbeit -> ein vorgegebenes Atemmuster (Länge und Größe) und Atemfrequenz werden von der Maschine verabreicht PCV (pressure controlled ventilation) - Druckkontrolle was macht der Patient selbst? • Nichts Was muss man an der Maschine einstellen? • • • • • • Druckkontrolle – P inp. (Druck, mit dem der Atemzug gegeben wird) PEEP (hält die Atemwege offen) Atemfrequenz Einatemzeit T insp. (wie lange soll die Einatmung dauern) Rampe Trigger (damit die Maschine eine mögliche Atembemühung bemerkt) (A)PCV (assisted, pressure controlled ventilation) – assistierte druckkontrollierte Beatmung Patient kann zu kontrollierten Atemzügen zusätzliche Atemzüge machen, die dann von der Maschine unterstützt werden. ->Patient kann mit einer höheren Atemfrequenz atmen als eingestellt, der getriggerte Atemhub ist aber von der Maschine vorgegeben und kann nicht vom Patienten beeinflusst werden. Es besteht die Gefahr der Hyperventilation. SIMV = synchronized intermittend mandatory ventilation Synchronisierte intermittierende Beatmung mit bestimmter Atemfrequenz und Tidalvolumen • • • die maschinellen Beatmungshübe werden mit der Spontanatmung synchronisiert Kombination aus assistierter Spontanatmung und kontrollierten Beatmungshüben Der Patient muss Inspirationsbemühungen zeigen (wird oft zum Weaning eingesetzt) Mischform aus kontrollierter und unterstützter Beatmung SIMV = synchronized intermittent mandatory ventilation • • • • vor dem Beginn einer SIMV-Periode baut sich das ‘Erwartungsfenster’ auf: - erfolgt kurz vor Beginn einer SIMV-Periode eine Inspiration, so kommt jetzt schon der Maschinenhub synchron zur Eigenatmung des Patienten; - ist zum Beginn einer SIMV-Periode noch kein InspirationsVersuch des Patienten erfolgt, wartet jetzt der Respirator noch kurze Zeit („Er - wartet - Fenster“), bevor der maschinelle Hub ausgelöst wird. Dauer der maschinellen Phasen starr, d.h. eine Exspiration des Patienten während des Maschinenhubs ist nicht möglich SIMV = synchronized intermittent mandatory ventilation Funktioniert die Beatmung? Auf den Patienten schauen! Auf den Patienten hören! Pulsoxymetrie, Blutgasanalyse Röntgen-Thorax passt alles an der Maschine, muss ich Parameter verändern? Funktioniert die Beatmung? S Problemlösung – Veränderung von Parametern Verbesserung der Oxygenierung (Sättigung soll steigen): mehr Sauerstoff höherer PEEP längere Inspirationszeit Erhöhung des Inspirationsdruckes Verbesserung der Ventilation (es soll mehr CO2 abgeatmet werden): Atemfrequenz erhöhen Tidalvolumen (Einatemvolumen) erhöhen (durch mehr Druck) S Fall 1 S Fall 1: 6 Mon, SMA, 5 kg • • • • • • • • Modus Spitzendruck (PIP) Tidalvolumen Inspirationszeit Atemfrequenz PEEP FIO2 Trigger • Ziel: PCV, evtl PSV ca 10 - 12 30 - 40 ml 0.5 sec 30 3-4 21% - 1 cm H2O normale Blutgase S Fall 1: Folgegas • • pH pCO2 7.50 27 • O2-Bed 21% • Was ändern? S Fall 2: Schwere Oxygenierungsstörung • 10 J, Sepsis, intubiert + handbeatmet vom NA, Sätt 75% unter FiO2 1,0 • • Tiefe Sedierung + Relaxierung Hämodynamische Stabilisierung S Fall 2: ARDS S Fall 2: • • • • • • • ARDS-Beatmung Modus Hoher PEEP FIO2 PIP AF Trigger Ziel: – pO2 – pCO2 PCV 8-10-(20) 1.0 um TV 5-6ml/kg zu erreichen ausreichende Exspiration - > 60 mmHg permissive Hyperkapnie S S ARDS Maskenbeatmung S Fall 3: • Bronchiolitis Pathologie – – • Überblähung Dystelektasen Pathophysiologie – – Hoher Atemwegswiderstand Lange Exspiration S Fall 3: Vor Intubation • • pH pCO2 7.23 73 • • • O2 Sätt AF 6 l/min 86% 60 • Beatmungseinstellung? S Fall 3: • • • • • • • Modus PIP PEEP AF Ti Trigger? FIO2 PCV TV 6-7-? ml/kg 3-5 (Auto-PEEP?!) 30-40 eher lang (aber cave Exspiration) Niedrig 1.0 S Fall 3: • • • • pH pCO2 Sätt FIO2 • Ändern? Folgegas 7.21 79 92% 80% Danke für Ihre Aufmerksamkeit!