Mathematischer Vorbereitungskurs

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c Mario Laux
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Mathematischer Vorbereitungskurs
für das Studium der Physik
v4.2
von Mario Laux
Sep 3, 2014
c Mario Laux
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Aussagen und Mengen . . . . .
1.2 Zahlen und deren Eigenschaften
1.3 Betrag und Abstand . . . . . .
1.4 Potenzen und Wurzeln . . . . .
1.5 Aussagen beweisen . . . . . . .
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . .
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1
. 1
. 4
. 7
. 8
. 12
. 14
2 Folgen, Summen und Reihen
2.1 Folgen und Grenzwerte . . . . . . .
2.2 Summen- und Produktschreibweise
2.3 Der binomische Lehrsatz . . . . . .
2.4 Reihen . . . . . . . . . . . . . . . .
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15
18
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3 Funktionen
3.1 Abbildungen . . . . . .
3.2 Funktionen . . . . . . .
3.3 Elementare Funktionen .
Aufgaben . . . . . . . . . . .
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35
35
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40
48
4 Differentialrechnung
4.1 Ableitungen . . . . . . . . .
4.2 Ableitungsregeln . . . . . .
4.3 Taylorpolynome und -reihen
Aufgaben . . . . . . . . . . . . .
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56
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5 Die komplexen Zahlen
5.1 Erweiterung der reellen Zahlen . .
5.2 Eigenschaften komplexer Zahlen .
5.3 Die komplexe Exponentialfunktion
5.4 Polardarstellung komplexer Zahlen
5.5 Quadratische Gleichungen . . . . .
5.6 Der komplexe Logarithmus . . . .
5.7 Potenzen . . . . . . . . . . . . . .
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 Differentialgleichungen
81
6.1 Homogene lineare Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
6.2 Das gedämpfte Federpendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
7 Integralrechnung
7.1 Integrale stetiger Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Integrationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Index
91
91
95
99
101
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c Mario Laux
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1 Einleitung
1.1 Aussagen und Mengen
1.1.1 Definition (Aussage)
Unter einer Aussage versteht man eine Formulierung, die entweder wahr oder
falsch sein kann; hierbei heißen »wahr« und »falsch« auch Wahrheitswerte. Ist
eine Aussage a wahr, so sagt man auch »a gilt« oder einfach nur »a«.
1.1.2 Definition (Junktoren)
Man kann Aussagen durch sogenannte Junktoren zu neuen Aussagen verknüpfen.
Wir definieren (w steht für wahr, f für falsch):
a
w
w
f
f
b
w
f
w
f
¬a
f
f
w
w
a∧b
w
f
f
f
a∨b
w
w
w
f
a⇒b
w
f
w
w
a⇔b
w
f
f
w
Hierbei lesen wir: ¬a (nicht a), a ∧ b (a und b), a ∨ b (a oder b), a ⇒ b (aus
a folgt b, wenn a dann b, a impliziert b), a ⇔ b (a genau dann wenn b, a ist
äquivalent zu b).
1.1.3 Beispiel (Kontraposition)
Aus den Festlegungen in Definition 1.1.2 lassen sich viele weitere Relationen
ableiten. Beispielsweise gilt für zwei Aussagen a und b stets:
(a ⇒ b) ⇔ (¬b ⇒ ¬a)
Beweis. Wir zeigen diese Beziehung mithilfe einer Tabelle, die die vier möglichen
Fälle unterscheidet:
a
b
a⇒b
¬b ⇒ ¬a
w
w
w
w
w
f
f
f
f
w
w
w
f
f
w
w
Da also (a ⇒ b) und (¬b ⇒ ¬a) stets denselben Wahrheitswert haben, sind die
beiden Aussagen äquivalent.
Diese Äquivalenz lässt sich anhand von sprachlichen Beispielen verdeutlichen.
So erkennt man etwa intuitiv, dass die Aussagen »Wenn es regnet (a), ist die
Straße nass (b)« und »Wenn die Straße nicht nass ist (¬b), kann es nicht regnen
(¬a)« gleichbedeutend sind.
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�
2
1 Einleitung
Will man also zeigen, dass aus einer Aussage a die Aussage b folgt, so kann
man stattdessen auch zeigen, dass aus ¬b die Aussage ¬a folgt. Diese Technik
wird auch Kontraposition genannt.
1.1.4 Definition (Menge)
Eine Menge ist ein mathematisches Konstrukt, welches sogenannte Elemente
enthalten kann. Für ein gegebenes (abstraktes) Objekt x und eine Menge M
muss sich stets entscheiden lassen, ob x ein Element der Menge M ist (x ∈ M )
oder nicht (x ∈
/ M ). Die Menge ∅, die keine Elemente enthält, nennt man leere
Menge.
1.1.5 Definition (Quantoren)
Man verwendet folgende Abkürzungen (Quantoren):
• ∀ (für alle, für jedes)
• ∃ (es existiert mindestens ein), ∃! (es existiert genau ein)
• @ (es existiert kein)
Sei nun M eine Menge und a(x) eine Aussage, die je nach x ∈ M wahr oder
falsch ist.
• ∀ x ∈ M : a(x) ist eine Schreibweise dafür, dass die Aussage a für alle
Elemente der Menge M wahr ist.
• {x ∈ M : a(x)} ist eine Schreibweise für die Menge, die aus all denjenigen
Elementen von M besteht, für die die Aussage a wahr ist.
• ∃ x ∈ M : a(x) bedeutet, dass es mindestens ein Element der Menge M
gibt, für das die Aussage a wahr ist.
• Die Aussage ∀ x ∈ M : a(x) ist genau dann falsch, wenn ∃ x ∈ M : ¬a(x).
• Die Aussage ∃ x ∈ M : a(x) ist genau dann falsch, wenn ∀ x ∈ M : ¬a(x).
1.1.6 Beispiel (Negation)
All- und Existenz-Quantor gehen unter Negation gewissermaßen ineinander
über. Die Negation der Aussage »Für alle Menschen gibt es eine Pizzeria, in
der sie alle Pizzen mögen« ist demzufolge »Es gibt mindestens einen Menschen,
der in allen Pizzerien mindestens eine Pizza nicht mag«.
1.1.7 Definition (Teilmengen und Mengengleichheit)
Wenn alle Elemente einer Menge A auch in der Menge B enthalten sind, so
heißt A Teilmenge von B, also:
A⊂B
⇔
∀x ∈ A : x ∈ B
Man schreibt statt A ⊂ B auch A ⊆ B, wenn man betonen möchte, dass die
Mengen auch gleich sein können. Zwei Mengen A und B heißen gleich, wenn
sie jeweils Teilmenge der anderen sind, also:
A=B
⇔
A⊆B ∧ B⊆A
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1.1 Aussagen und Mengen
A
B
3
A
A∪B
B
A
B
A\B
A∩B
Abbildung 1.1 – Venn-Diagramme für Vereinigung, Durchschnitt und Differenzmenge
1.1.8 Definition (Vereinigung, Schnitt und Differenz von Mengen)
Wie Aussagen lassen sich auch Mengen miteinander verknüpfen (vgl. hierfür
Abb. 1.1):
• Vereinigung zweier Mengen A und B:
x∈A∪B
⇔
x∈A ∨ x∈B
• Durchschnitt oder Schnitt zweier Mengen A und B:
x∈A∩B
⇔
x∈A ∧ x∈B
• Differenzmenge zweier Mengen A und B:
x ∈ A\B
⇔
x∈A ∧ x∈
/B
1.1.9 Beispiel (Distributivität von Vereinigung und Schnitt)
Wir zeigen nun beispielsweise, dass für Mengen A, B und C stets die Beziehung
A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C)
erfüllt ist. Diese wird auch als Distributivität bezeichnet.
Beweis. Zeige zunächst »⊆«: Sei x ∈ A ∩ (B ∪ C) beliebig. Dann ist x ∈ A und
x ∈ B ∪ C. Damit ist x ∈ B oder x ∈ C. Daher ist x ∈ A ∩ B oder x ∈ A ∩ C.
Insgesamt ist x also Element der Vereinigung (A ∩ B) ∪ (A ∩ C).
Zeige nun »⊇«: Sei x ∈ (A ∩ B) ∪ (A ∩ C) beliebig. Also ist x ∈ A ∩ B oder
x ∈ A ∩ C. Angenommen x ∈ A ∩ B, so ist x ∈ A und x ∈ B, also insbesondere
auch x ∈ B ∪ C. Damit wäre x ∈ A ∩ (B ∪ C). Angenommen x ∈ A ∩ C, so ist
x ∈ A und x ∈ C, aber wiederum insbesondere x ∈ B ∪ C. Somit ist in jedem
Fall x ∈ A ∩ (B ∪ C).
Für zwei oder drei Mengen ist die Betrachtung von Venn-Diagrammen meist
einfacher als ein formaler Beweis über die Definitionen. Abb. 1.2 zeigt Beispiele
hierfür.
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4
1 Einleitung
a)
b)
A
B
C
c)
A
B
C
A
B
C
Abbildung 1.2 – Venn-Diagramme aus drei Mengen; anhand von a) erkennt
man die Beziehung A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C). Wie man in b) sieht,
gilt auch A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C). Schließlich zeigt c) die Identität
A\(B\C) = (A\B) ∪ (A ∩ C).
1.2 Zahlen und deren Eigenschaften
1.2.1 Motivation (Existenz von Zahlen)
Wir verwenden im Umgang mit Zahlen eine ganze Reihe von Eigenschaften;
beispielsweise gilt stets 0 · a = 0 oder in der Bruchrechnung ab + dc = ad+bc
,
bd
wobei man aber nicht durch 0 teilen darf; Vorzeichen verhalten sich gemäß
(−a)(−b) = ab bzw. (−a)b = −(ab).
Naiv gelten all diese Regeln, weil sie »Sinn« ergeben. Es ist allerdings auch
klar, dass eine Auswahl an Rechenregeln nicht völlig beliebig sein kann –
schließlich dürfen diese einander nicht widersprechen.
Es ist also festzulegen, welche Eigenschaften Zahlen haben sollen und insbesondere ist dann zu beweisen, dass alle diese Eigenschaften auch miteinander
vereinbar sind. Man spricht hier von der Frage nach der Existenz von Zahlen.
1.2.2 Beispiel (endlicher Körper)
Es sei K = {4, ◦, }. Wir definieren eine Addition und eine Multiplikation
innerhalb von K folgendermaßen:
+
4
◦
4 ◦ 4 ◦ ◦ 4
4 ◦
·
4
◦
4
4
4
4
◦
4
◦
4
◦
Wir können nun nach und nach feststellen, dass K, welches nur aus den drei
Zahlen 4, ◦ und besteht, die üblichen Rechenregeln gewährleistet (seien
jeweils a, b, c ∈ K):
• Es gilt stets a + b = b + a und a · b = b · a (Kommutativität).
• 4 hat die Rolle einer Null, denn es gilt stets a + 4 = a. Ähnlich hat ◦
die Rolle einer Eins, denn es ist stets a · ◦ = a.
• Jede Zahl a besitzt ein Negatives (−a), sodass a + (−a) = 4.
• Jede Zahl a außer der Null besitzt einen Kehrwert a∗ , sodass a · a∗ = ◦.
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1.2 Zahlen und deren Eigenschaften
5
• Die Reihenfolge bei mehrfacher Addition und Multiplikation spielt keine
Rolle, d.h. es gilt stets (a + b) + c = a + (b + c) und (a · b) · c = a · (b · c)
(Assoziativität). Beispielsweise vergleichen wir:
+ (◦ + 4) = + ◦ = 4
( + ◦) + 4 = 4 + 4 = 4
Ebenso lassen sich auch alle anderen Kombinationen überprüfen.
• Man kann wie üblich »ausmultiplizieren«, d.h. es gilt stets a · (b + c) =
a · b + a · c (Distributivität). Auch hier vergleichen wir exemplarisch:
· (◦ + 4) = · ◦ = ·◦+·4=+4=
Ebenso prüft man die Gültigkeit in allen anderen Fällen.
1.2.3 Definition (Körper und Zahl)
Eine Menge K mit mindestens zwei Elementen zusammen mit einer Addition
und einer Multiplikation nennt man Körper, wenn die in Beispiel 1.2.2 genannten
Rechenregeln erfüllt sind. Die Elemente eines Körpers nennt man Zahlen.
1.2.4 Bemerkung (Existenz von Körpern)
In Beispiel 1.2.2 hatten wir einen Körper konstruiert und konnten die Gültigkeit
der entsprechenden Rechenregeln beweisen. Damit ist insbesondere gezeigt,
dass die genannten Rechenregeln einander nicht widersprechen, denn sie können
ja alle gleichzeitig erfüllt werden.
Es wird allerdings auch klar, dass die genannten Regeln nicht ausreichen, um
die gewüschte Struktur eines »Zahlenstrahls« zu erzwingen.
1.2.5 Bemerkung (Anordnung)
Lässt sich für einen Körper K neben Addition und Multiplikation auch eine
Ordnungsrelation < definieren, so nennt man K angeordnet. Für eine solche
Ordnungsrelation verlangt man einige intuitive Rechenregeln, auf die wir aber
nicht näher eingehen wollen.
1.2.6 Definition (Vollständigkeit)
Es sei K ein angeordneter Körper, d.h. die Zahlen aus K lassen sich durch
< bzw. ≤ vergleichen. Eine nichtleere Teilmenge M ⊂ K heißt nach oben
beschränkt, wenn es ein S ∈ K gibt, sodass x ≤ S für alle x ∈ M . Man nennt
S eine obere Schranke von M . Die Forderung
(S) Jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge M ⊂ K besitzt eine
kleinste obere Schranke s ∈ K.
nennen wir Supremumsaxiom. Erfüllt K das Supremumsaxiom, nennen wir K
vollständig. Die kleinste obere Schranke s einer derartigen Menge M nennen
wir das Supremum von M und wir schreiben s = sup(M ).
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6
1 Einleitung
A
B
K
sup(A)
Abbildung 1.3 – Unabhängig davon, wie »nah« die Menge B an der Menge A
liegt, findet man stets eine Zahl c ∈ K, die zwischen den beiden Mengen liegt,
da man auch c = sup(A) wählen kann. K beschreibt also ein Zahlenkontinuum.
1.2.7 Bemerkung (Interpretation des Supremumsaxioms)
Die Lückenlosigkeit eines angeordneten Körpers K wird durch das Supremumsaxiom insofern sichergestellt, dass folgende Aussagen äquivalent sind (vgl.
hierzu Abb. 1.3):
(a) K erfüllt das Supremumsaxiom.
(b) Für alle nichtleeren Teilmengen A, B ⊂ K mit x ≤ y für alle x ∈ A und
y ∈ B gibt es ein c ∈ K, sodass wiederum für alle x ∈ A und alle y ∈ B
stets x ≤ c ≤ y.
Beweis. (a)⇒(b): Gelte das Supremumsaxiom. Da A durch jedes Element
von B nach oben beschränkt wird, existiert das Supremum von A. Wähle
c = sup(A) ∈ K. Da alle y ∈ B obere Schranken von A sind, gilt c ≤ y für alle
y ∈ B, da ja c die kleinste obere Schranke von A ist. Per Definition gilt aber
auch x ≤ c für alle x ∈ A.
(b)⇒(a): Sei A ⊂ K nach oben beschränkt und nichtleer. Sei nun B die Menge
aller oberen Schranken von A, d.h. B = {S ∈ K : x ≤ S für alle x ∈ A}. Da A
nach oben beschränkt ist, ist B nichtleer. Nach Voraussetzung gibt es nun ein
c ∈ R mit x ≤ c ≤ y für alle x ∈ A und y ∈ B. Somit ist c ∈ B. Da aber c ≤ y
für alle y ∈ B, ist c das kleinste Element von B und daher gilt c = sup(A).
1.2.8 Satz und Definition (reelle Zahlen)
Es gibt (bis auf Umbenennung) genau einen vollständigen angeordneten
Körper. Man bezeichnet ihn mit R und nennt ihn die Menge der reellen
Zahlen.
ohne Beweis. Zunächst müsste man im Stile von Beispiel 1.2.2 zeigen, dass
es überhaupt einen vollständigen angeordneten Körper gibt. Man muss also
zunächst eine Menge K angeben und die Funktionsweisen von +, · und < definieren. Dann ist die Gültigkeit aller Rechenregeln und die des Supremumsaxioms
zu beweisen.
In einem zweiten Schritt wäre zu zeigen, dass man zwischen den Zahlen
zweier beliebiger vollständiger angeordneter Körper stets eine »Eins-zu-EinsZuordnung« (Umbenennung) finden kann.
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1.3 Betrag und Abstand
7
1.2.9 Bemerkung (Irrelevanz der Konstruktion)
Hat man bewiesen, dass es reelle Zahlen gibt und dass sie durch die verlangten Rechenregeln eindeutig festgelegt werden, spielt es keine Rolle mehr, wie
die reellen Zahlen konstruiert wurden. Man kann dann einfach die üblichen
Zahlsymbole zusammen mit den geforderten Rechenregeln verwenden.
1.2.10 Schreibweise (Gleichheit per Definition)
Definiert man ein neues Symbol oder eine neue Schreibweise, kann man dies
durch := kennzeichnen anstatt das einfache Gleichheitszeichen = zu verwenden.
Fasst man beispielsweise einen Term wie 2n + 1 zu einer neuen Variablen u
zusammen, so schreibt man auch u := 2n + 1.
1.2.11 Schreibweise (Intervalle)
Unter (reellen) Intervallen versteht man zusammenhängende Teilmengen der
reellen Zahlen. Man nennt für a, b ∈ R die Menge
[a, b] := {x ∈ R : a ≤ x ≤ b}
ein abgeschlossenes Intervall und die Menge
(a, b) := {x ∈ R : a < x < b}
ein offenes Intervall. Man schreibt auch ]a, b[ anstatt (a, b). Ferner sind die
folgenden Bezeichnungen üblich:
R+
R+
0
R−
R−
0
:= {x ∈ R :
:= {x ∈ R :
:= {x ∈ R :
:= {x ∈ R :
x > 0}
x ≥ 0}
x < 0}
x ≤ 0}
(positive Zahlen)
(nicht-negative Zahlen)
(negative Zahlen)
(nicht-positive Zahlen)
1.2.12 Definition (natürliche, ganze und rationale Zahlen)
Man gibt bestimmten Teilmengen der reellen Zahlen R eigene Namen. Wir
setzen
N := {1, 2, 3, . . .}
N0 := {0, 1, 2, 3, . . .}
Z := {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . .}
Q := {x ∈ R : ∃ p, q ∈ Z, q 6= 0 mit x = pq }
und nennen N die natürlichen, Z die ganzen und Q die rationalen Zahlen.
1.3 Betrag und Abstand
1.3.1 Definition (Betrag)
Der Betrag einer Zahl x ∈ R ist definiert durch
|x| :=

x
−x
falls x ≥ 0
falls x < 0.
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8
1 Einleitung
Der Betrag gibt also den Abstand einer reellen Zahl zur Null an. Allgemein
nennt man |x − y| den Abstand der reellen Zahlen x und y.
1.3.2 Satz (Dreiecksungleichung)
Es gelten für alle x, y ∈ R die Abschätzungen
|x| − |y| ≤ |x| − |y| ≤ |x ± y| ≤ |x| + |y| .
Beweis. Wir zeigen die Ungleichungen von rechts nach links:
1. Es gelten x ≤ |x| und y ≤ |y| und damit x + y ≤ |x| + |y|. Ebenso gelten
aber −x ≤ |x| und −y ≤ |y|, sodass auch −x − y = −(x + y) ≤ |x| + |y|.
Insgesamt gilt also die Abschätzung |x + y| ≤ |x| + |y|. Dieselbe Überlegung
kann auch mit −y anstatt y durchgeführt werden, womit man |x − y| ≤
|x| + |−y| = |x| + |y| erhält.
2. Es gilt mit der Abschätzung aus 1. |x| = |(x + y) − y| ≤ |x + y| + |y|.
Umgestellt ergibt sich |x| − |y| ≤ |x + y|. Andererseits gilt auch |y| =
|(x + y) − x| ≤ |x + y|+|x| bzw. umgestellt −(|x|−|y|) = |y|−|x| ≤ |x + y|.
Es gilt also insgesamt ||x| − |y|| ≤ |x + y|. Dieselbe Argumentation mit −y
führt auf ||x| − |−y|| = ||x| − |y|| ≤ |x − y|.
3. offensichtlich
1.4 Potenzen und Wurzeln
1.4.1 Definition (natürliche Potenz)
Unter einer natürlichen Potenz verstehen wir für ein x ∈ R und ein n ∈ N0
einen Ausdruck der Form
xn :=


x
| · x ·{z. . . · x}
für n > 0


für n = 0.
n-mal
1
Man nennt x die Basis und n den Exponenten der Potenz. Insbesondere legen
wir damit 00 = 1 fest, da dies oftmals die Notation vereinfachen wird.
1.4.2 Proposition (Potenzgesetze)
Seien n, m ∈ N0 und x, y ∈ R. Dann gelten die folgenden Potenzgesetze:
(P1) xn · xm = xn+m
(P2) (xn )m = xn·m
(P3) xn · y n = (x · y)n
c Mario Laux
�
1.4 Potenzen und Wurzeln
9
Beweis. Wir beweisen die Rechenregeln durch Abzählen der Faktoren. Seien
stets x, y ∈ R und n, m ∈ N0 .
(P1) Sind n, m 6= 0, so folgt
n+m-mal
n
m
x ·x =
}|
{
z
x
| · x ·{z. . . · x}
| · x ·{z. . . · x} · x
n-mal
= xn+m .
m-mal
Ist n = 0, so gilt x0 · xm = 1 · xm = x0+m für beliebiges m und analog für
m = 0.
(P2) Sind n, m 6= 0, so folgt
m-mal
z
n m
}|
n
{
(x ) = x · xn · . . . · xn
n·m-mal
z
}|
{
= (x · x · . . . · x) · (x · x · . . . · x) · . . . · (x · x · . . . · x)
|
{z
} |
n-mal
{z
n-mal
}
|
{z
}
n-mal
= xn·m .
Ist m = 0, so folgt (xn )0 = 1 = x0 = xn·0 für beliebiges n. Ist n = 0, so
gilt (x0 )m = 1m = 1 = 10 = 10·m für beliebiges m.
(P3) Ist n 6= 0, so folgt
xn ·y n = x · x · . . . · x · y · y · . . . · y = (x · y) · (x · y) · . . . · (x · y) = (x·y)n .
|
{z
n-mal
} |
{z
n-mal
}
|
{z
n-mal
}
Für n = 0 gilt schließlich x0 · y 0 = 1 · 1 = 1 = (x · y)0 .
1.4.3 Definition (ganzzahlige Exponenten)
Für x 6= 0 und n ∈ N ist xn 6= 0 und man definiert
x−n :=
1
,
xn
sodass die oben genannten Potenzgesetze auf ganzzahlige Exponenten ausgedehnt werden können.
√
1.4.4 Proposition (Existenz von 2)
Es gibt eine positive reelle Zahl w, die w2 = 2 erfüllt.
Beweis. Wir betrachten die Menge M = {x ∈ R : x > 0 ∧ x2 < 2}. Diese
Menge ist nichtleer, da z.B. 1 ∈ M . Außerdem ist M nach oben beschränkt,
denn 2 ist eine obere Schranke. Nach dem Supremumsaxiom (S) existiert also
die reelle Zahl w = sup(M ). Offenbar ist nach dem Gesagten 1 ≤ w ≤ 2. Wir
zeigen nun w2 = 2:
c Mario Laux
�
10
1 Einleitung
• Angenommen w2 > 2, so wäre auch w2 > 2 + ε für ein ε > 0. Da w
die kleinste obere Schranke von M ist, ist t = w − ε/4 < w keine obere
Schranke mehr von M . Es gibt also ein x ∈ M mit x > t. Allerdings folgt
ε 2
x >t = w−
4
wε
ε2
= w2 −
+
2
16
2
2
w≤2
≥ w2 − ε
>2−ε+ε
= 2,
weswegen aber auch x ∈
/ M gelten müsste. (Widerspruch)
• Angenommen w2 < 2, so wäre auch w2 < 2 − ε für ein 1 > ε > 0.
Außerdem gibt es ein x > 0 mit w < x < w + ε/8, womit x ∈
/ M . Es folgt
aber
ε
x < w+
8
2
wε ε2
+
4
64
2
w≤2
ε
ε
≤ w2 + +
2 64
1
ε
<2−ε+ε
+
2 {z 64 }
|
2
= w2 +
<1
< 2,
womit aber x ∈ M wäre. (Widerspruch)
Da also weder w2 > 2 noch w2 < 2 gilt, bleibt nur w2 = 2.
1.4.5 Satz und Definition (Wurzel)
Zu jeder reellen Zahl a ≥ 0 existiert genau eine reelle Zahl w ≥ 0, √
die
2
w = a erfüllt. Diese Zahl nennen wir Wurzel von a und schreiben w = a.
Beweis. Für a = 0 ist die Aussage klar. Betrachte also den Fall a > 0. zur
Existenz: Die Existenz einer solchen Zahl kann man ähnlich wie in Proposition
1.4.4 beweisen. zur Eindeutigkeit: Angenommen, die reellen Zahlen w1 , w2 ≥ 0
erfüllen w12 = a und w22 = a, so gelten offenbar sogar w1 , w2 > 0. Ferner ist
0 = a − a = w12 − w22 = (w1 + w2 )(w1 − w2 )
|
{z
>0
}
⇒
w1 = w2 .
c Mario Laux
�
1.4 Potenzen und Wurzeln
11
√
1.4.6 Proposition ( 2 ist nicht rational)
√
√
Es ist 2 ∈ R, aber 2 ∈
/ Q.
√
√
Beweis. Es gilt 2 ∈ R
nach
Proposition
1.4.4.
Angenommen
2 ∈ Q, so
√
existieren p, q ∈ Z mit 2 = p/q. Wir können annehmen, dass p und q nicht
beide gerade
√ √ sind (ansonsten kürze man entsprechend oft mit 2). Nun gilt
wegen 2 · 2 = 2
p2
2 = 2 ⇔ p2 = 2q 2 .
q
Daher muss p2 und damit auch p selbst gerade sein. Es gibt also eine Zahl
v ∈ Z mit p = 2v. Daraus folgt aber
2q 2 = 4v 2
⇔
q 2 = 2v 2 .
Somit
ist q 2 und damit q gerade. Dies steht im Widerspruch zu der Annahme.
√
2 ist also nicht rational. Insbesondere ist Q 6= R.
1.4.7 Proposition (Wurzel von Quadraten)
Es gilt für alle x ∈ R die Beziehung
√
|x| = x2 .
2
Beweis. Betrachte zunächst den Fall x ≥ 0. Da x nicht-negativ
√ist und x·x = x
2
2
gilt, muss x die (eindeutige) Wurzel von x sein. Also folgt x = x = |x|.
Sei nun x < 0. Dann ist −x > 0. Da also −x nicht-negativ
ist und (−x) ·
√
2
2
2
(−x) = x gilt, muss −x die Wurzel von x sein. Also folgt x = −x = |x|.
1.4.8 Satz (Wurzelgesetze)
Für alle x, y ≥ 0 (bzw. y > 0) gelten die Wurzelgesetze:
√ √
√
(W1) x · y = x · y
(W2)
√
x
√
y
=
q
x
y
Beweis. (W1) Da
√
x·
√
√ √
x, y ≥ 0, folgt
q √
√ √
√ 2 q√ 2 √ 2 √
y = | x · y | = ( x · y) =
x · y = x·y.
√
√
(W2) Sei y > 0. Wegen 1/ y > 0 und (1/ y)2 = 1/y > 0, folgt mit der zuvor
gezeigten Rechenregel:
s
s
s
√
√
x √
1
x
1
1
= x· =
√ = x· √ = x·
y
y
y
y
y
c Mario Laux
�
12
1 Einleitung
1.5 Aussagen beweisen
1.5.1 Technik (vollständige Induktion)
Die Beweistechnik der vollständigen Induktion basiert darauf, dass man von
einem beliebigen n0 ∈ N0 durch wiederholte Addition von 1 zu jedem n ∈ N0
mit n ≥ n0 gelangen kann: Es sei a(n) eine von n ∈ N0 abhängige Aussage.
Wenn
(IA) die Aussage a(n0 ) für ein n0 ∈ N0 wahr und
(IS) die Folgerung a(n) ⇒ a(n + 1) für alle n ∈ N0 mit n ≥ n0 korrekt ist,
so gilt a(n) für alle n ∈ N0 mit n ≥ n0 . (IA) nennt man Induktionsanfang, (IS)
bezeichnet man als Induktionsschritt.
1.5.2 Satz (Ungleichung von Bernoulli)
Für x ≥ −1 und alle n ∈ N0 gilt
(1 + x)n ≥ 1 + nx.
Beweis. Wir zeigen die Aussage durch vollständige Induktion:
(IA) Für n = 0 ist (1 + x)0 = 1 ≥ 1 = 1 + 0x.
(IS) Sei n ∈ N0 beliebig aber fest und gelte (1 + x)n ≥ 1 + nx. Dann folgt
(1 + x)n+1 = (1 + x) · (1 + x)n
≥ (1 + x) · (1 + nx)
= 1 + nx + x + nx2
= 1 + (n + 1)x + nx2
≥ 1 + (n + 1)x.
Also gilt die Ungleichung auch für die nachfolgende Zahl n + 1.
Nach dem Induktionsprinzip gilt die Behauptung also für alle n ∈ N0 .
1.5.3 Beispiel (Beweis einer quantorisierten Aussage)
Wir behaupten, dass die Aussage
n
∀ ε ∈ R+ ∃ n0 ∈ N ∀ n ∈ N mit n ≥ n0 : − 1 < ε
n+1
wahr ist. Um dies zu beweisen, gehen wir folgendermaßen vor:
1. Wir gehen von einem beliebigen ε ∈ R+ aus, da zu zeigen ist, dass eine
Aussage für alle derartigen ε gilt. Für den Rest des Beweises geben wir also
ein ε > 0 vor, dürfen aber keine weiteren Annahmen über ε machen.
c Mario Laux
�
1.5 Aussagen beweisen
13
2. Wir zeigen, dass eine natürliche Zahl n0 existiert, sodass für alle natürlichen
Zahlen n ≥ n0 die Abschätzung aus der Aussage korrekt ist. Existenz zeigen
wir, indem wir eine derartige natürliche Zahl n0 angeben. Hierbei kann n0
vom zuvor fixierten ε > 0 abhängen.
3. Wir zeigen, dass für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 die Abschätzung der
Aussage gilt, indem wir nachrechnen. Bei der Rechnung müssen wir von
einem allgemeinen n ∈ N ausgehen, von dem wir nur wissen, dass n ≥ n0
gilt, wobei das n0 seinerseits von ε abhängt.
Um diesen Plan umsetzen zu können, müssen wir insbesondere die Frage
klären, wie man das n0 aus Schritt Nr. 2 zu wählen hat. Hierzu formen wir die
Ungleichung der Aussage zunächst um:
n
− 1 < ε
n+1
⇔
⇔
⇔
n − n − 1
n+1
1
<ε
n+1
1
n> −1
ε
<ε
Wir erkennen nun, dass n größer sein muss als 1/ε − 1. Also wählen wir n0 ∈ N
so, dass n0 > 1/ε − 1; dies ist immer möglich, da die natürlichen Zahlen nach
oben unbeschränkt sind. Hiermit ist die Vorarbeit für den Beweis geleistet –
im Beweis selbst braucht obige Umformung nicht vorzukommen, da es für die
Existenz eines n0 unerheblich ist, wie es gefunden wurde. Schließlich notieren
wir den Beweis:
Beweis. Sei ε > 0 beliebig. Wähle dann n0 ∈ N so, dass n0 > 1/ε − 1. Sei nun
n ∈ N mit n ≥ n0 beliebig. Dann gilt:
1
1
1
n
− 1 =
≤
<
=ε
n+1
n+1
n0 + 1
1/ε − 1 + 1
Der so konstruierte Beweis ist vollständig und enthält keinerlei überflüssige
Information. Ein derartiger Beweis lässt sich leicht nachvollziehen; »drauf
kommen« würde man aber nur mit entsprechender Vorarbeit.
1.5.4 Technik (Beweisschema für quantorisierte Aussagen)
Wir halten fest, dass sich All- und Existenzquantor in der Beweisstruktur gemäß
∀...
∃...
−→
−→
»Sei . . . beliebig«
»Wähle . . . «
wiederfinden. Die Reihenfolge der Quantoren spielt eine entscheidende Rolle,
da sie festlegt, welche der beteiligten Größen von welchen anderen abhängen
können. Man beweist quantorisierte Aussagen daher strikt von links nach rechts.
c Mario Laux
�
Übungsblatt 1 – Einleitung
A1.1 – Zeigen Sie, dass zwei Aussagen genau dann äquivalent sind, wenn sie jeweils
aus der anderen folgen.
A1.2 – Sind die beiden Mengen {1, 2, 3}
und {1, 2, 2, 3} gleich?
A1.3 – Zeigen Sie durch ein geeignetes
Venn-Diagramm für Mengen A, B, C die
Relation (A\B)∪(A∩C) = A\((A∩B)\C).
A1.4 – Zeigen Sie durch vollständige Induktion, dass n(n + 1) für alle n ∈ N gerade
ist.
A1.5 – Überlegen Sie, für welche n ∈ N0
die Abschätzung 2n > n2 gilt und beweisen Sie Ihre Vermutung durch vollständige
Induktion.
A1.6 – Formulieren Sie die Aussage »Für
alle positiven Zahlen ε gibt es eine natürliche Zahl n0 , sodass für alle natürlichen
Zahlen n ≥ n0 die Abschätzung 1/n < ε
gilt.« mithilfe von Quantoren und beweisen
Sie die Korrektheit dieser Aussage formal.
A1.7* – Geben Sie einen Körper an, der
nur aus zwei Zahlen besteht.
c Mario Laux
�
2 Folgen, Summen und Reihen
2.1 Folgen und Grenzwerte
2.1.1 Definition (Folge)
Eine (reelle) Folge ist eine Abbildung von den natürlichen Zahlen N nach R,
d.h. eine Vorschrift, die jedem n ∈ N eine reelle Zahl an ∈ R zuordnet. Man
schreibt auch n 7→ an . Für die gesamte Folge notiert man (an ) oder (an )n∈N ,
während an das n-te Folgenglied selbst bezeichnet.
2.1.2 Motivation (Grenzwertbegriff für Folgen)
Oftmals ist von Interesse, ob sich die Folgenglieder an einer Folge für immer
größer werdendes n einem bestimmten Wert annähern. Abb. 2.1 liefert einen
Ansatz für eine mögliche Konkretisierung dieser anschaulichen Eigenschaft.
2.1.3 Definition (Grenzwert einer Folge)
Es sei (an ) eine Folge. Existiert ein a ∈ R, sodass
∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n ≥ n0 : |an − a| < ε,
so heißt a Grenzwert der Folge (an ) und wir schreiben an → a und nennen (an )
konvergent. Eine Folge mit Grenzwert 0 heißt Nullfolge. Existiert ein solcher
Grenzwert nicht, nennt man (an ) divergent.
2.1.4 Satz (harmonische Nullfolge)
Die Folge (an ) mit den Folgengliedern an = 1/n ist eine Nullfolge.
Beweis. Sei ε > 0 beliebig. Wähle n0 ∈ N so, dass n0 > 1/ε (vgl. hierzu Abb.
2.2). Also gilt auch ε > 1/n0 . Sei nun n ≥ n0 beliebig. Damit folgt
1
1
1
1
|an − 0| = − 0 = = ≤
< ε.
n
n
n
n0
an
mögliche n0
a+ε
a
a−ε
|
{z
|an −a|<ε
}
n
Abbildung 2.1 – Eine Folge (an ) konvergiert gegen den Grenzwert a, wenn ihre
Folgenglieder für jeden beliebig vorgegebenen Abstand ε > 0 ab einer bestimmten
Nummer n0 alle um weniger als ε von a
entfernt sind.
c Mario Laux
�
16
2 Folgen, Summen und Reihen
an
1/ε
1
mögliche n0
0+ε
0
0−ε
Abbildung 2.2 – Wählt man n0 für vorgegebenes ε so, dass n0 > 1/ε, liegen alle Folgenglieder an mit n ≥ n0 weniger als ε vom
Grenzwert 0 entfernt.
n
1
2.1.5 Satz (geometrische Nullfolge)
Ist |q| < 1, so ist die Folge (an ) mit den Folgengliedern an = q n eine
Nullfolge.
Beweis. Für q = 0 ist die Aussage klar. Sei also q 6= 0 und |q| < 1. Wir führen
zunächst eine Abschätzung mithilfe der Ungleichung von Bernoulli aus Satz
1.5.2 durch:
1
=
|q|n
1
|q|
!n
!!n
1
= 1+
−1
|q|
!
1
≥1+n
−1
|q|
1 − |q|
>n·
|q|
Hierfür wurde (1/|q| − 1) > 0 verwendet. Wir erhalten also die Abschätzung
|q|n <
1
|q|
· .
1 − |q| n
Nun zeigen wir, dass an → 0. Sei ε > 0 beliebig. Wähle dann n0 ∈ N so, dass
|q| 1
n0 ≥ 1−|q|
. Dann gilt für alle n ∈ N mit n ≥ n0
ε
|q|
1 − |q|
|q|
≤
1 − |q|
|q|
≤
1 − |q|
= ε.
|an − 0| = |q n − 0| = |q n | = |q|n <
1
n
1
·
n0
1 − |q|
·
·ε
|q|
·
Damit ist an eine Nullfolge.
2.1.6 Proposition (Eindeutigkeit des Grenzwerts)
Der Grenzwert einer Zahlenfolge ist eindeutig, d.h. wenn a und b Grenzwerte
der Folge (an ) sind, so gilt automatisch a = b.
Beweis. Für eine Folge (an ) gelte an → a und an → b. Angenommen a 6= b, so
ist ε := 12 |a − b| > 0. Da an gegen a konvergiert, gibt es ein n0 ∈ N, sodass
c Mario Laux
�
2.1 Folgen und Grenzwerte
17
für alle n ≥ n0 die Abschätzung |an − a| < ε gilt. Ebenso gibt es ein m0 ∈ N,
sodass |an − b| < ε für alle n ≥ m0 . Also müsste für alle n ≥ max(n0 , m0 )
Folgendes gelten:
|a − b| = |a − an + an − b| ≤ |a − an | + |an − b| < ε + ε = |a − b|
Dies ist ein Widerspruch und daher gilt a = b.
2.1.7 Schreibweise (Limes)
Ist (an ) eine Folge mit an → a, so schreibt man auch limn→∞ an = a.
2.1.8 Satz (Rechenregeln für Grenzwerte)
Seien (an ) und (bn ) konvergente Folgen mit limn→∞ an = a und limn→∞ bn =
b. Dann gelten:
lim (an + bn ) = a + b
n→∞
lim (an · bn ) = a · b
n→∞
Beweis. zur Addition: Sei ε > 0 beliebig. Setze γ = ε/2 > 0. Nach Voraussetzung gibt es für (an ) eine Nummer n0 und für (bn ) eine Nummer m0 , sodass
jeweils für alle nachfolgenden Folgenglieder |an − a| < γ bzw. |bn − b| < γ gilt.
Dann gilt für alle n ≥ max(n0 , m0 ):
|an + bn − (a + b)| = |an − a + bn − b| ≤ |an − a| + |bn − b| < γ + γ = ε
Demnach ist a + b der Grenzwert der Folge (an + bn ). Insbesondere konvergiert
die Summe zweier konvergenter Folgen. Die Regel für die Multiplikation lässt
sich ähnlich beweisen.
2.1.9 Definition (Monotonie)
Sei (an ) eine Folge. Gibt es ein N ∈ N, sodass für alle n ≥ N die Beziehung
an+1 ≥ an bzw. an+1 ≤ an gilt, so heißt (an ) monoton wachsend bzw. monoton
fallend. Ist eine Folge monoton wachsend oder fallend, heißt sie monoton.
2.1.10 Definition (Beschränktheit)
Sei (an ) eine Folge. Gibt es eine Schranke S ∈ R sodass |an | ≤ S für alle n ∈ N,
so heißt (an ) beschränkt.
2.1.11 Satz (Monotoniekriterium)
Ist eine Folge monoton und beschränkt, so ist sie konvergent.
c Mario Laux
�
18
2 Folgen, Summen und Reihen
an
S
s
s−ε
n ≥ n0
n
N n0
Abbildung 2.3 – Werden die Folgenglieder an
ab einer Nummer N immer größer und ist die
Folge beschränkt, so muss sie konvergent sein.
Man findet nämlich für jedes vorgegebene ε >
0 ein Folgenglied an0 , für das s − ε < an0 gilt.
Aufgrund der Monotonie gilt dies aber auch für
alle nachfolgenden Folgenglieder.
Beweis. Wir zeigen die Aussage für monoton wachsende Folgen (an ): Die Menge
aller Folgenglieder von (an ) mit n ≥ N ist nach oben durch eine Schranke S
beschränkt und natürlich nichtleer. Nach dem Supremumsaxiom aus Definition
1.2.6 existiert also das Supremum
s := sup {an mit n ≥ N }
(vgl. Abb. 2.3). Da s die kleinste obere Schranke von {an mit n ≥ N } ist, ist
s − ε für ein ε > 0 keine obere Schranke mehr. Für alle ε > 0 gibt es also ein
an0 mit n0 ≥ N , sodass s − ε < an0 . Mit der Monotonie folgt für alle n ≥ n0
s − ε < an0 ≤ an
⇒
s − an < ε
⇒
|an − s| < ε.
Damit ist (an ) konvergent (mit Grenzwert s).
2.2 Summen- und Produktschreibweise
2.2.1 Definition (Summenzeichen)
Man definiert das Summenzeichen für m, n ∈ Z mit m ≥ n durch
m
X
xk := xn + xn+1 + . . . + xm ,
k=n
wobei k Laufvariable oder Summationsindex genannt wird. Die xk sind hierbei
von k abhängige Summanden. Ist m < n, so spricht man von einer leeren
Summe; diese ergibt per Definition 0.
2.2.2 Beispiel (Verwendung des Summenzeichnes)
Wir betrachten nun einige Beispiele für den Umgang mit dem Summenzeichen:
• Die Summe der ersten n natürlichen Zahlen:
1 + 2 + ... + n =
n
X
k
k=1
• Die Summe der ersten n Quadratzahlen:
1 + 4 + 9 + . . . + n2 =
n
X
k=1
k2
c Mario Laux
�
2.2 Summen- und Produktschreibweise
19
• Eine Summe ist unabhängig vom Namen des Summationsindex’, denn in
ausgeschriebener Form taucht der Summationsindex nicht mehr auf:
1 + 4 + 9 + . . . + n2 =
n
X
`2 =
`=1
n
X
k2 =
n
X
j2 = . . .
j=1
k=1
• Die Summanden müssen nicht unbedingt vom Summationsindex abhängen:
n
X
k=0
1 = 1| + 1 +{z. . . + 1} = n + 1
n+1-mal
• Einzelne Summanden lassen sich von der Summe abspalten (sei n ≥ 1):
n+1
X
3
3
3
3
3
n
X
3
k = 1 + 2 + . . . + n + (n + 1) = 1 +
k=1
!
k
3
+ (n + 1)3
k=2
• Man kann den Summationsindex verschieben (Indexshift):
4
X
k 2 = 12 + 22 + 32 + 42 =
k=1
9
X
(k − 5)2
k=6
• Man kann Konstanten aus Summen ausklammern:
3
X
2k = 2 · 1 + 2 · 2 + 2 · 3 = 2 (1 + 2 + 3) = 2
3
X
k
k=1
k=1
• Summen lassen sich auf einzelne Summanden verteilen, wodurch sich
lediglich die Summationsreihenfolge verändert:
3
X
(k + k 2 ) = (1 + 1) + (2 + 4) + (3 + 9)
k=1
= (1 + 2 + 3) + (1 + 4 + 9)
=
3
X
k+
3
X
j2
j=1
k=1
• Summen lassen sich verschachteln:
2j
2 X
X
2·1
2·2
X
k2 X
k2
k2
=
+
j=1 k=1 j
k=1 1
k=1 2
12 22
=
+
1
1
= 20
!
12 22 32 42
+
+
+
+
2
2
2
2
!
c Mario Laux
�
20
2 Folgen, Summen und Reihen
• Sind die Summationsgrenzen verschachtelter Summen voneinander unabhängig, so kann man die Summen vertauschen. Hierdurch ändert sich
ebenso nur die Summationsreihenfolge:
2 X
4
X
4
4
k X
3 4
k X
k
3 4
=
+
=
+
+
+
1 1
2 2
j=1 k=3 j
k=3 1
k=3 2
4 4
3 3
+
+
+
=
1 2
1 2
2
2
X
3 X
4
=
+
j=1 j
j=1 j
=
4 X
2
X
k
k=3 j=1 j
• Manche Summen lassen sich durch geschickte Anwendung von Umformungsregeln vereinfachen, da sich Summanden gegenseitig herausheben
(sei n ≥ 1):
n X
1
k=1
k
−
n
n
X
1
1 X
1
=
−
k+1
k=1 k
k=1 k + 1
=
n
X
X 1
1 n+1
−
k=1 k
k=2 k
n
1 X
1
=
+
1 k=2 k
1
=1−
n+1
!
n
X
1
1
−
+
n+1
k=2 k
!
2.2.3 Satz (Gauß’sche Summenformel)
Es gilt für alle n ∈ N
n
X
1
k = n (n + 1).
2
k=1
Beweis. Man summiert die natürlichen Zahlen von 1 bis n zweimal auf und
halbiert anschließend das Ergebnis:
+
1
n
+
+
2
n−1
+
+
...
...
+
+
n
1
n+1
+
n+1
+
...
+
n+1
Damit gilt 1 + 2 + . . . + n = 21 n(n + 1) für alle n ∈ N.
=
n (n + 1)
c Mario Laux
�
2.2 Summen- und Produktschreibweise
21
2.2.4 Proposition (Summe der Quadratzahlen)
Es gilt für alle n ∈ N
n
X
k2 =
k=1
1
n (n + 1) (2n + 1).
6
Beweis. vollständige Induktion über n:
(IA) Wir zeigen die Gleichheit für n = 1:
1
X
k 2 = 12 = 1 =
k=1
1
· 1 · 2 · 3 ist wahr.
6
(IS) Gelte die Aussage für ein beliebiges aber festes n ∈ N. Damit:
n+1
X
k=1
2
k =
n
X
k 2 + (n + 1)2 = 16 n (n + 1) (2n + 1) + (n + 1)2
k=1
= 16 (n + 1) n (2n + 1) + 6(n + 1)
= 61 (n + 1) 2n2 + 7n + 6
= 61 (n + 1) (n + 2) (2n + 3)
2.2.5 Definition (Produktschreibweise)
Für m, n ∈ Z mit m ≥ n definiert man
m
Y
xk := xn · xn+1 · . . . · xm .
k=n
Das leere Produkt für m < n ergibt 1.
2.2.6 Definition (Fakultät)
Die Fakultät einer Zahl n ∈ N0 ist definiert durch
n! :=
n
Y
k.
k=1
Insbesondere gilt 0! = 1.
2.2.7 Beispiel (Rechnen mit Fakultäten)
Ist n eine natürliche Zahl, kann man schreiben
n! = 1 · 2 · 3 · . . . · n.
Für eine natürliche Zahl n erhält man also beispielsweise:
n!
1 · 2 · . . . · (n − 1) · n
=
= (n − 1)!
n
n
c Mario Laux
�
22
2 Folgen, Summen und Reihen
2.3 Der binomische Lehrsatz
2.3.1 Motivation (Binompotenzen)
Wir untersuchen Potenzen der Form (x + y)n für n ∈ N0 . Ausmultipliziert erhält
man beispielsweise:
(x + y)0
(x + y)1
(x + y)2
(x + y)3
(x + y)4
=1
= 1x + 1y
= 1x2 + 2xy + 1y 2
= 1x3 + 3x2 y + 3xy 2 + 1y 3
= 1x4 + 4x3 y + 6x2 y 2 + 4xy 3 + 1y 4
Eine Regelmäßigkeit in den x- und y-Potenzen erkennt man leicht, aber kann
man die Vorfaktoren auch berechnen ohne auszumultiplizieren? Wir betrachten
hierfür den letzten Ausdruck etwas systematischer: Man würde den Term
(x + y)4 = (x + y) · (x + y) · (x + y) · (x + y)
ausmultiplizieren, indem man aus jedem der vier Faktoren (x + y) entweder das
x oder das y auswählt, die so gewählten Elemente miteinander multipliziert
und dann die Ergebnisse aller derartigen Kombinationen aufsummiert.
Man hat beispielsweise vier Möglichkeiten, genau dreimal das x (und damit
einmal das y) zu wählen. Dementsprechend tritt der Term x3 y im Ergebnis
viermal auf. Man hat hingegen sechs Möglichkeiten, genau zweimal das x (und
damit zweimal das y) zu wählen; also tritt der Term x2 y 2 sechsfach auf.
Allgemein ist also die Frage zu klären, wie viele Möglichkeiten man hat, aus
n Objekten genau k auszuwählen. Intuitiv berechnen wir diese Anzahl N durch
N=
Mglk. das 1.
Objekt zu wählen
Mglk. das k.
Mglk. das 2.
· Objekt zu wählen · . . . · Objekt zu wählen
Anzahl der versch.
Wahl-Reihenfolgen
n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
k · (k − 1) · . . . · 1
n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1) · (n − k) · . . . · 1
=
k · (k − 1) · . . . · 1 · (n − k) · . . . · 1
n!
=
k! (n − k)!
=
Dieses Resultat motiviert die nachfolgende Definition.
2.3.2 Definition (Binomialkoeffizienten)
Die Binomialkoeffizienten sind für n, k ∈ N0 definiert durch

 n!
n
:=  k! (n−k)!
k
0
!
falls k ≤ n
falls k > n.
Insbesondere gilt also wegen 0! = 1 die Beziehung
!
!
n
n
= 1.
=
0
n
c Mario Laux
�
2.3 Der binomische Lehrsatz
1
n=3
1
1
1
1
6
=
k
1
2
3
4
5
2
1
1
1
3
1
6
10
15
4
10
20
23
1
5
1
15
6
1
Abbildung 2.4 – Das Pascal’sche Dreieck
konstruiert die Binomialkoeffizienten
n
rekursiv.
Zählt man in der n-ten Zeile
k
die (k − 1)-te und die k-te Zahl zusammen, erhält man stets den k-ten Eintrag
der darunterliegenden Zeile. Die Zählung
beginnt jeweils bei Null.
2.3.3 Proposition (Rekursionsgleichung für Binomialkoeffizienten)
Für n ∈ N0 und k ∈ N gilt die Rekursionsgleichung
!
!
!
n
n
n+1
+
=
.
k
k−1
k
Beweis. Für k ≤ n folgt zunächst:
!
!
n
n
n!
n!
+
=
+
k
k−1
k! (n − k)! (k − 1)! (n − k + 1)!
n! (n − k + 1)
n! k
=
+
k! (n − k + 1)! k! (n − k + 1)!
n! (n + 1)
=
k!(n − k + 1)!
!
n+1
=
k
Für k > n unterscheiden wir zwischen k = n + 1 und k > n + 1. Ist k = n + 1,
so folgt
!
!
!
n
n
n+1
+
=0+1=1=
.
n+1
n
n+1
Ist hingegen k > n + 1, so folgt schließlich
!
!
!
n
n
n+1
+
=0+0=0=
.
k
k−1
k
2.3.4 Bemerkung (Pascal’sches Dreieck)
Aus der Rekursionsgleichung ergibt sich ein rekursives Konstruktionsverfahren,
welches als Pascal’sches Dreieck bekannt und in Abb. 2.4 gezeigt ist. Wir
berechnen exemplarisch
!
3
3!
6
=
=
=3
2! (3 − 2)!
2·1
2
und sehen, dass dieses Ergebnis mit dem entsprechenden Eintrag des Pascal’schen Dreiecks übereinstimmt.
c Mario Laux
�
24
2 Folgen, Summen und Reihen
2.3.5 Satz (binomischer Lehrsatz)
Für alle x, y ∈ R und alle n ∈ N0 gilt:
n
(x + y) =
n
X
k=0
!
n k n−k
x y
k
Beweis. vollständige Induktion über n:
(IA) Wir rechnen für n = 0 nach:
0
0 0 0 X
0 k 0−k
(x + y) = 1 =
xy =
x y
0
k=0 k
!
!
0
(IS) Gelte (x + y)n =
Dann folgt:
Pn
k=0
n
k
ist wahr.
xk y n−k für ein beliebiges aber festes n ∈ N0 .
(x + y)n+1
= (x + y) · (x + y)n
= (x + y) ·
n
X
k=0
=
=
n
X
k=0
n−1
X
k=0
=y
n+1
!
n k n−k
x y
k
n
n k+1 n−k X
n k n−k+1
x y
+
x y
k
k=0 k
!
!
n
n k+1 n−k
n n+1 0
n 0 n+1 X
n k n−k+1
x y
+
x y +
xy
+
x y
k
n
0
k=1 k
!
!
n
X
+
!
k=1
n
n + 1 0 n+1 X
=
xy
+
0
k=1
=
k=0
!
n
X
n
n k n−k+1
xk y n−k+1 +
x y
+ xn+1
k−1
k
k=1
!
n+1
X
!
!
"
!
!#
n
n
+
k−1
k
!
k n−k+1
x y
n + 1 n+1 0
+
x y
n+1
!
n + 1 k (n+1)−k
x y
k
2.4 Reihen
2.4.1 Definition (Reihe, Partialsummenfolge)
Unter einer Reihe versteht man eine formal unendliche Summe
ak0 + ak0 +1 + ak0 +2 + ak0 +3 + . . . =: n→∞
lim
n
X
ak .
k=k0
Die Summen sn = nk=k0 ak nennt man Partialsummen und die Folge (sn ) heißt
dementsprechend Partialsummenfolge. Man schreibt für Reihen auch
P
lim
n→∞
n
X
k=k0
ak =:
∞
X
k=k0
ak .
c Mario Laux
�
2.4 Reihen
25
Existiert dieser Grenzwert, spricht man von einer konvergenten Reihe. Meistens
ist k0 = 0 oder k0 = 1.
2.4.2 Proposition (geometrische Summenformel)
Es gilt für q ∈ R und alle n ∈ N0
n
X
qk =
k=0

 1−qn+1
für q 6= 1
für q = 1.
1−q
n + 1
Beweis. Für q = 1 ist die Aussage offensichtlich. Sei also q 6= 1. Man erhält
zunächst
(1 − q) ·
n
X
qk =
k=0
=
=
n
X
k=0
n
X
k=0
n
X
qk − q ·
n
X
qk
k=0
qk −
qk −
k=0
=1+
n
X
q k+1
k=0
n+1
X
qk
k=1
n
X
q −
k=1
n+1
=1−q
k
n
X
!
k
q +q
n+1
k=1
.
Nach Division durch (1 − q) erhält man die Behauptung.
2.4.3 Satz (geometrische Reihe)
Ist |q| < 1, so konvergiert die geometrische Reihe, wobei
∞
X
k=0
qk =
1
.
1−q
Beweis. Um zu zeigen, dass eine Reihe konvergiert, muss nach Definition 2.4.1
die Konvergenz der zugehörigen Partialsummenfolge nachgewiesen werden. Hier
ergibt sich wegen |q| < 1
∞
X
k=0
q k = lim
n→∞
n
X
k=0
1 − q n+1
1
=
,
n→∞ 1 − q
1−q
q k = lim
wobei wir Satz 2.1.5 verwendet haben, nach dem q n+1 → 0 gilt.
c Mario Laux
�
26
2 Folgen, Summen und Reihen
E
p
1−
E
p
p
1−
E
p
Abbildung 2.5 – Wiederholt man ein Zufallsexperiment unendlich oft, so tritt ein mögliches Ereignis
(p > 0) »fast sicher« ein.
p
1−
p
2.4.4 Beispiel (periodische Dezimalzahl)
Mithilfe der geometrischen Reihe kann man beispielsweise die Dezimalzahl 0,3
in einen Bruch umwandeln:
0,3 = 0,333 . . . =
=
=
=
=
3
3
3
+
+
+ ...
10 100 1000
3
1
1
1+
+
+ ...
10
10 100
∞ X
3
1 k
10 k=0 10
3
1
·
1
10 1 − 10
1
3
Ähnlich lassen sich alle periodischen Dezimalzahlen behandeln. Dies beweist,
dass eine periodische Dezimalzahl stets rational ist.
2.4.5 Beispiel (Zufallsexperiment)
Auch in der Wahrscheinlichkeitsrechnung hat die geometrische Reihe Anwendung: Bei einem Zufallsexperiment trete das Ereignis E mit der Wahrscheinlichkeit 0 < p ≤ 1 ein, es sei also möglich. Dieses Experiment werde unendlich
oft wiederholt.
Wir berechnen nun mithilfe der Pfadregel (vgl. Abb. 2.5) die Wahrscheinlichkeit P dafür, dass E irgendwann eintritt:
P = p + (1 − p) · p + (1 − p)2 · p + . . .
= p 1 + (1 − p) + (1 − p)2 + . . .
=p·
∞
X
(1 − p)k
k=0
=p·
1
1 − (1 − p)
=1
2.4.6 Satz (harmonische Reihe)
P
1
Die harmonische Reihe ∞
k=1 k divergiert.
c Mario Laux
�
2.4 Reihen
27
Beweis. Die harmonische Reihe lässt sich folgendermaßen abschätzen:
∞
X
1
1 1 1 1 1 1 1
1 1 1
= 1 + + + + + + + +... > 1 + + + + ...
2 |3 {z 4} |5 6 {z 7 8}
2 2 2
k=1 k
> 2· 41
> 4· 18
Die Summanden für k = 2j + 1, . . . , 2j+1 mit j ∈ N0 lassen sich also jeweils
nach unten gegen 1/2 abschätzen und damit werden die Folgenglieder der
Partialsummenfolge beliebig groß.
2.4.7 Motivation (Konvergenzkriterien)
Oftmals interessiert der eigentliche Grenzwert einer Reihe weniger als die Frage,
ob die Reihe überhaupt konvergiert. Konvergenzkriterien erlauben es, aus
bestimmten Eigenschaften der Summanden auf Konvergenz oder Divergenz der
zugehörigen Reihe zu schließen. Im Folgenden betrachten wir stellvertretend
Summen, welche bei k0 = 1 beginnen. Für das Konvergenzverhalten einer
Summe ist die Wahl des Startindex’ aber natürlich unerheblich.
2.4.8 Satz und Definition (absolute Konvergenz)
P
P∞
Konvergiert die Reihe ∞
k=1 |ak |, so nennt man die Reihe
k=1 ak absolut
konvergent. Absolut konvergente Reihen sind konvergent.
Beweis. Nach Voraussetzung konvergiert B = ∞
k=1 |ak |. Wir zeigen nun, dass
P
damit auch ∞
a
konvergent
ist.
k=1 k
Nach Definition ist zu zeigen, dass die Partialsummenfolge (sn ) mit sn =
Pn
k=1 ak konvergiert. Wir definieren hierzu zunächst den Reihenrest
P
rn :=
∞
X
|ak | < ∞.
k=n+1
Nun zeigen wir in drei Schritten, dass die Folge (sn − rn )n∈N konvergent ist:
1. (sn − rn )n∈N ist monoton wachsend, denn
(sn+1 − rn+1 ) − (sn − rn ) = (sn+1 − sn ) + (rn − rn+1 )
= an+1 + |an+1 |
≥ 0.
2. (sn + rn )n∈N ist monoton fallend, denn
(sn+1 + rn+1 ) − (sn + rn ) = (sn+1 − sn ) − (rn − rn+1 )
= an+1 − |an+1 |
≤ 0.
3. (sn − rn )n∈N ist nach oben beschränkt, da für alle n ∈ N wegen rn ≥ 0 folgt,
dass
sn − rn ≤ sn + rn ≤ s1 + r1 = obere Schranke.
c Mario Laux
�
28
2 Folgen, Summen und Reihen
Also ist (sn − rn )n∈N konvergent. Da (rn ) wegen
lim rn = n→∞
lim B − (B − rn ) = n→∞
lim B −
n→∞
n
X
!
|ak | = 0
k=1
konvergent ist, muss (sn ) als Summe der konvergenten Folgen (sn − rn ) und
(rn ) nach Satz 2.1.8 konvergent sein.
2.4.9 Satz und Definition (Majorante, Majorantenkriterium)
P
Sei B = ∞
Gilt |an | ≤ bn für n groß genug,
k=1 bk eine konvergente Reihe.
P∞
so nennt man B eine Majorante von k=1 ak . Reihen, die eine Majorante
besitzen, konvergieren absolut.
∞
Beweis. Die Reihe S = ∞
k=1 ak besitze die Majorante B =
k=1 bk . Es gelte
also |an | ≤ bn für n ≥ n0 . Wir zeigen nun, dass S absolut konvergiert: Betrachte
P
die Partialsummen sn = nk=1 |ak |. Da alle Summanden positiv sind, ist (sn )
offensichtlich monoton wachsend. Wegen bn ≥ 0 für n ≥ n0 folgt
P
sn =
P
n
X
|ak | =
k=1
nX
0 −1
|ak | +
k=1
≤
nX
0 −1
nX
0 −1
|ak |
k=n0
|ak | +
k=1
≤
n
X
n
X
bk
k=n0
|ak | +
k=1
∞
X
bk
k=n0
< ∞.
Also ist (sn ) nach oben beschränkt. Insgesamt ist (sn ) somit konvergent. Dies
bedeutet nach Definition, dass die Reihe S absolut konvergiert.
2.4.10 Satz (Quotientenkriterium)
Besitzt die Folge (|an+1 /an |) einen Grenzwert und gilt
an+1 lim
n→∞ an
so ist die Reihe
P∞
k=1
< 1,
ak absolut konvergent.
Beweis. Wir zeigen in drei Schritten, dass die Reihe
besitzt:
P∞
k=1
ak eine Majorante
c Mario Laux
�
2.4 Reihen
29
1. Sei |an+1 /an | → g, wobei offenbar 0 ≤ g < 1. Nach Definition des Grenzwerts
> 0 eine Nummer n0 , sodass für alle n ≥ n0 die
gibt es zu ε := 1−g
2
Abschätzung
an+1 −g < ε
an
gilt. Sei nun n ≥ n0 . Wir erhalten folgende Abschätzung für den Quotienten:
an+1 an
=
an+1 −g
an
Wir setzen nun δ :=
1+g
,
2
+g ≤
an+1 −g+g
an
<ε+g =
1+g
2
sodass 0 < δ < 1. Es gilt also
an+1 an
≤ δ.
2. Wir können für n ≥ n0 obige Abschätzung umschreiben zu |an+1 | ≤ δ · |an |.
Dies erlaubt eine induktive Abschätzung des n-ten Folgenglieds:
|an | ≤ δ · |an−1 | ≤ δ 2 · |an−2 | ≤ . . . ≤ δ n−n0 · |an0 | =: bn
3. Wir wissen nun, dass |an | ≤ bn für alle n ab einer bestimmten Nummer n0 .
P
Außerdem ist die Reihe ∞
k=1 bk konvergent, denn mit der Formel für die
geometrische Reihe aus Satz 2.4.3 folgt
∞
X
bn =
n=1
∞
X
|an0 |
n=1
δn
δ n0
∞
|an | X
δn − 1
= n00
δ
n=0
|an0 |
1
= n0
−1 .
δ
1−δ
!
Also ist
P∞
k=1 bk
eine Majorante.
Nach dem Majorantenkriterium ist die Reihe
P∞
k=1
ak absolut konvergent.
2.4.11 Beispiel (Anwendung des Quotientenkriteriums)
Mithilfe des Quotientenkriteriums kann man beispielsweise die Konvergenz der
P
k2
Reihe ∞
k=1 2k nachweisen (ohne den Grenzwert kennen zu müssen!). Es gilt
nämlich:
an+1 lim
n→∞ an
=
(n+1)2
n+1
lim 2 n2
n→∞
2n
= n→∞
lim
(n + 1)2 2n
· n+1
n2
2
1
n2 + 2n + 1
lim
2 n→∞ n2
1
2
1
= lim 1 + + 2
2 n→∞
n n
1
=
2
=
c Mario Laux
�
30
2 Folgen, Summen und Reihen
2.4.12 Motivation (Umordnung von Reihen)
Wir hatten uns Reihen als »unendliche Summen« vorgestellt und diese Vorstellung durch eine Definition als Grenzwert präzisiert. Man würde vielleicht
annehmen, dass die Reihenfolge der Summanden wie im Fall endlicher Summen
keine Rolle für den Wert einer Reihe spielt. In der Tat kann die Reihenfolge
der Summanden aber eine Rolle spielen!
Um diese unintuitive Eigenschaft näher zu erläutern, betrachten wir das
Beispiel der alternierenden harmonischen Reihe
S :=
∞
X
1 1 1 1 1 1
(−1)k−1
1
= − + − + − ±... ≥ ,
k
2
k=1
|1 {z 2} |3 {z 4} |5 {z 6}
=
>0
1
2
>0
welche in der Tat konvergent ist, was wir hier aber nicht beweisen wollen. Wir
ändern die Summationsreihenfolge nun so, dass wir abwechselnd einen positiven
und dann zwei negative Summanden aufsummieren – dann kommt nach wie
vor jeder Summand genau einmal in der Summe vor. Es zeigt sich aber (obwohl
S 6= 0):
1
1 1 1 1 1
S
1
1 1 1 1 1 1 1
− − + − − + −
− + − ± ... =
− ± ... =
2 1 2 3 4
2
|1 {z 2} 4
|3 {z 6} 8
|5 {z 10} 12
=
1
2
=
1
6
=
1
10
Wir wissen, dass S nicht absolut konvergiert, da die harmonische Reihe divergiert. Wir werden feststellen, dass man bei absolut konvergenten Reihen den
Grenzwert durch eine Umordnung der Summanden nicht verändern kann.
2.4.13 Satz (Umordnungssatz)
Ist eine Reihe absolut konvergent, so konvergiert auch jede Umordnung
dieser Reihe absolut und hat denselben Grenzwert.
∞
Beweis. Es sei ∞
k=1 ak absolut konvergent mit S =
k=1 |ak |. Sei (σk ) eine
beliebige Umordnung, d.h. (σk ) sei eine Folge natürlicher Zahlen, die jede
natürliche Zahl genau einmal als Folgenglied hat.
P
P
1. Wir zeigen nun, dass die umgeordnete Reihe U =
Wir betrachten hierzu die Partialsummen
un :=
n
X
P∞
k=1
|aσk | konvergent ist.
|aσk | .
k=1
Da (un ) offensichtlich monoton wachsend ist, genügt es Beschränktheit
nachzuweisen: Sei n ∈ N beliebig. Wähle dann m ∈ N so groß, dass
{σ1 , σ2 , . . . , σn } ⊆ {1, 2, . . . , m}.
Damit folgt
un =
n
X
k=1
|aσk | ≤
m
X
k=1
|ak | ≤
∞
X
|ak | = S.
k=1
Da (un ) also auch beschränkt ist, gilt un → U für ein U ∈ R.
c Mario Laux
�
2.4 Reihen
31
2. Wir zeigen schließlich, dass die umgeordnete Reihe denselben Grenzwert hat:
P
Wegen obiger Ungleichung gilt U ≤ S. Wir setzen nun sn := nk=1 |ak | und
wählen m diesmal so groß, dass
{1, 2, . . . , n} ⊆ {σ1 , σ2 , . . . , σm }.
Dann folgt analog zu obiger Abschätzung
n
X
sn =
|ak | ≤
k=1
m
X
|aσk | ≤
k=1
∞
X
|aσk | = U.
k=1
Also gilt auch S ≤ U , sodass schließlich S = U gezeigt ist.
2.4.14 Satz (Cauchy-Produkt)
P∞
P
Sind die Reihen ∞
k=0 bk absolut konvergent, so gilt
k=0 ak und
∞
X
!
ak
k=0
∞
X
!
bk =
k=0
∞
X
ck
mit ck =
k
X
aj bk−j .
j=0
k=0
∞
Beweis. Seien a = ∞
k=0 |ak | und b =
k=0 |bk |. Wir betrachten nun das Produkt
zweier endlicher Summen; Abb. 2.6 zeigt, wie dieses zerlegt werden kann. Es
P
P
sind ck := kj=0 aj bk−j und dk := ak nj=n−k+1 bj . Mit diesen Definitionen gilt
dann für alle n ∈ N0
P
P
n
X
k=0
!
ak
n
X
!
bk =
k=0
n
X
ck +
k=0
n
X
dk .
k=1
Zeige nun, dass der »Rest« Rn := nk=1 dk für n → ∞ gegen 0 konvergiert: Sei
also ε > 0 beliebig. Sei γ > 0 so, dass γ · a < ε. Wir stellen nun fest, dass es
P
wegen n−k
j=0 |bj | → b stets ein n0 ∈ N gibt, sodass für alle n ≥ n0 die Beziehung
P
b−
n−k
X
|bj | < γ
j=0
gilt. Sei also n ≥ n0 . Dann folgt:
|dk | =
n
X
ak
bj j=n−k+1
n
X
≤ |ak |
≤ |ak |
|bj |
j=n−k+1
∞
X
|bj |
j=n−k+1

= |ak | b −
n−k
X
j=0
≤ |ak | · γ

|bj |
c Mario Laux
�
=
c2
=
=
c0
=
cn
2 Folgen, Summen und Reihen
c1
32
a0 b 0
a0 b 1
a0 b 2
···
a0 bn−1
a0 b n
a1 b 0
a1 b 1
a1 b 2
···
a1 bn−1
a1 b n = d 1
a2 b 0
a2 b 1
a2 b 2
···
a2 bn−1
a2 b n = d 2
..
.
..
.
..
.
..
..
.
an b 0
an b 1
an b 2
···
.
..
.
an bn−1
an b n = d n
Abbildung 2.6 – Die Terme, welche beim Ausmultiplizieren der endlichen
Summen (a0 + a1 + . . . + an ) und (b0 + b1 + . . . + bn ) entstehen, lassen sich in
die aus dem Cauchy-Produkt bekannten Summen ck und »Reste« dk aufspalten.
Dies liefert direkt eine Abschätzung für den »Rest«:
|Rn | =
n
X dk k=1
≤
n
X
|dk | ≤ γ ·
k=1
n
X
|ak | ≤ γ ·
k=1
∞
X
|ak | = γ · a < ε
k=1
|Rn | wird also für n ≥ n0 kleiner als jede vorgegebene positive Zahl und damit
gilt schließlich limn→∞ Rn = 0.
2.4.15 Beispiel (Erwartete Rundenzahl bei »Schere-Stein-Papier«)
Wir berechnen zunächst das Cauchy-Produkt einer geometrischen Reihe mit
sich selbst. Es seien also ak = bk = q k für ein q ∈ R mit |q| < 1. Damit erhält
man für die Summanden ck :
ck =
k
X
j=0
aj bk−j =
k
X
q j q k−j =
j=0
k
X
q k = (k + 1) q k
j=0
Bei der letzten Umformung ist zu beachten, dass die Summanden q k nicht
vom Summationsindex j abhängen. Hiermit ergibt sich schließlich folgende
Summenformel:
∞
X
1
1
1
=
·
=
qk
(1 − q)2
1−q 1−q
k=0
!
∞
X
k=0
!
qk =
∞
X
(k + 1) q k
k=0
Mithilfe dieser Formel lässt sich beispielsweise berechnen, wie oft man im
Durchschnitt »Schere-Stein-Papier« spielt, bis ein Sieger feststeht. Dies geschieht
wiederum durch die Pfadregel wie es in Abb. 2.7 gezeigt ist. Man erhält für die
c Mario Laux
�
2.4 Reihen
2
3
33
1×
2
3
1
3
Abbildung 2.7 – Ein Runde »Schere-Stein-Papier«
geht mit einer Wahrscheinlichkeit von q = 13 unentschieden aus. Um die zu erwartende Anzahl gespielter Runden zu bestimmen, müssen alle theoretisch
möglichen Anzahlen mit ihrer jeweiligen Wahrscheinlichkeit gewichtet und dann aufsummiert werden.
2×
2
3
3×
1
3
1
3
zu erwartende Rundenzahl:
2
3
2
=
3
2
=
3
2
=
3
hN i =
=
3
2
1 2 2
1 2
· ·2+
· · 3 + ...
3 3
3
3
!
2
1
1
1·1+2· +3·
+ ...
3
3
k
∞
X
1
(k + 1)
3
k=0
1
·1+
1−
1
3
2
c Mario Laux
�
Übungsblatt 2 – Folgen, Summen und Reihen
A2.1 – Zeigen Sie mithilfe der Grenzwertdefinition, dass die Folge (an ) mit den Folgengliedern an = 3/n eine Nullfolge ist.
A2.2 – Schreiben Sie die folgenden Summen mithilfe des Summenzeichens:
(a) 1 + 2 + 3 + . . . + n
(b) 2 + 4 + 6 + . . . + 20
(c) 1 − 2 + 3 − 4 ± . . . − 16 + 17
(d) 1 + 3 + 5 + . . . + 101
(e) 2 − 4 + 8 − 16 + . . . − 1024
(f) 16 + 15 + 14 + . . . + 3
A2.3 – Berechnen Sie jeweils den Wert der
Summe:
(a)
P9
(b)
P100
(c)
P1
k=3 (k
− 2)2
(d)
(e)
P∞
A2.7 – Zeigen Sie mit vollständiger IndukP
tion, dass nk=1 k 3 = 14 n2 (n + 1)2 für alle
n ∈ N gilt.
A2.8 – Dem Erfinder des Schachspiels wurde der Legende nach Reis als Belohnung
versprochen. Auf das erste Feld wurde ein
einzelnes Reiskorn gelegt. Die Anzahl der
Reiskörner sollte nun von Feld zu Feld verdoppelt werden, sodass auf dem zweiten
Feld zwei Körner liegen, auf dem dritten
vier usw. Wie viele Reiskörner müssten insgesamt auf den 64 Feldern des Schachbretts
liegen?
A2.9 – Zeigen Sie, dass 7100 − 1 ein Vielfaches von 6 ist.
`=0 2
Pk
k
k=0
`=−k ((−1)
P500
`=1 2 · `
dass für alle k, n ∈ N
A2.6 – Zeigen Sie,
die Beziehung k nk = n n−1
k−1 gilt.
+ 2`)
4k+1
k=0 9k
A2.4 – Stellen Sie eine Vermutung über die
Summe 1+3+5+. . .+(2n−1) der ersten n
ungeraden natürlichen Zahlen auf und beweisen Sie diese mithilfe von vollständiger
Induktion.
A2.5 – Notieren Sie zunächst die ersten
sieben Zeilen des Pascal’schen Dreiecks.
(a) Berechnen
Sie den Binomialkoeffizien
ten 53 . Stimmt Ihre Berechnung mit
dem entsprechenden Eintrag des Pascal’schen Dreiecks überein?
(b) Stellen Sie eine Vermutung über die
Summe aller Einträge innerhalb einer
Zeile auf und beweisen Sie diese Vermutung.
A2.10 – Wandeln Sie die periodische Dezimalzahl 0,037 in einen Bruch um.
A2.11 – Zeigen Sie, dass die Reihe
konvergent ist.
P∞
1
n=0 n!
A2.12* – Bestimmen Sie fürp
die Folge (an )
mit den Folgengliedern an = n(n + 1)−n
den Grenzwert für n → ∞.
A2.13* – Zeigen Sie für alle n ∈ N0
n
2
!
2
!
n+1
=3
.
4
A2.14* – Zeigen Sie für alle n ∈ N folgende
Ungleichung:
n
X
1
k=1
k2
≤
2n
n+1
c Mario Laux
�
3 Funktionen
3.1 Abbildungen
3.1.1 Definition (Abbildung)
Eine Abbildung f : A → B ordnet jedem Element der Menge A genau ein
Element aus der Menge B zu. Man nennt A die Definitionsmenge oder auch
den Urbildbereich von f . Die Menge B heißt Zielmenge oder auch Bildbereich.
Wird a ∈ A durch f auf b ∈ B abgebildet, so schreibt man f (a) = b.
3.1.2 Definition (Identität)
Es sei A eine beliebige Menge. Die Abbildung idA : A → A mit idA (a) = a für
alle a ∈ A bezeichnet man als Identitätsabbildung oder kurz Identität auf A.
3.1.3 Definition (Verkettung)
Sind g : A → B und f : B → C Abbildungen, so erhält man durch Einsetzen
eine neue Abbildung f ◦ g : A → C mit (f ◦ g)(a) = f (g(a)) für alle a ∈ A.
Man nennt f ◦ g die Verkettung von f und g.
3.1.4 Definition (Invertierbarkeit)
Eine Abbildung f : A → B heißt invertierbar, wenn es eine Abbildung g : B →
A gibt, sodass
f ◦ g = idB und g ◦ f = idA .
3.1.5 Satz und Definition (Inverse)
Ist f : A → B invertierbar, so gibt es genau eine Abbildung g : B → A mit
f ◦ g = idB und g ◦ f = idA . Diese Abbildung heißt Inverse von f und man
schreibt g = f −1 .
Beweis. Seien i1 , i2 : B → A Inverse von f : A → B. Dann gilt für b ∈ B:
i1 (b) = i1 (idB (b)) = i1 ((f ◦ i2 )(b))
= i1 (f (i2 (b)))
= (i1 ◦ f )(i2 (b))
= idA (i2 (b))
= i2 (b)
Also ist i1 (b) = i2 (b) für alle b ∈ B, sodass die Abbildungen i1 und i2 gleich
sind.
c Mario Laux
�
36
3 Funktionen
3.1.6 Satz (Charakterisierung der Inversen)
Seien f : A → B und g : B → A Abbildungen. Es gilt g = f −1 genau dann,
wenn
f (a) = b ⇔ a = g(b)
für alle a ∈ A, b ∈ B.
Beweis. Wir zeigen die Äquivalenz in zwei Schritten:
»⇒«: Es sei g = f −1 . Seien a ∈ A und b ∈ B jeweils beliebig. Gilt f (a) = b, so
folgt
g(b) = g(f (a)) = (g ◦ f )(a) = idA (a) = a.
Gilt umgekehrt a = g(b), so erhält man
f (a) = f (g(b)) = (f ◦ g)(b) = idB (b) = b.
»⇐«: Gelte nun obige Äquivalenz. Sei b ∈ B beliebig. Setze a := g(b) ∈ A.
Nach Voraussetzung gilt dann auch f (a) = b. Es folgt
(f ◦ g)(b) = f (g(b)) = f (a) = b,
also gilt f ◦ g = idB . Sei nun umgekehrt a ∈ A beliebig. Setze b := f (a) ∈
B. Nach Voraussetzung gilt dann a = g(b). Es folgt wiederum
(g ◦ f )(a) = g(f (a)) = g(b) = a,
sodass auch g ◦ f = idA . Damit gilt also g = f −1 .
3.2 Funktionen
3.2.1 Definition (Funktion)
Eine Funktion ist nichts anderes als eine Abbildung. Sind Definitions- und
Zielmenge Teilmengen der reellen Zahlen, also A, B ⊆ R, spricht man eher von
einer Funktion als von einer Abbildung. Man schreibt für eine Funktion
f : A → B, x 7→ f (x)
und liest »x wird abgebildet auf f (x)«. Man nennt f (x) ∈ B den Funktionswert
von x ∈ A.
3.2.2 Beispiel (invertierbare Funktion)
Wir betrachten die Mengen A = R+
0 und B = {x ∈ R : x ≥ −1} =: [−1, ∞)
und die Funktion
f : A → B, x 7→ x2 − 1.
Diese Funktion ist wohldefiniert, denn die Funktionswerte x2 − 1 liegen wirklich
in der Zielmenge B. Die Funktion f ist invertierbar.
c Mario Laux
�
3.2 Funktionen
37
y
f (x)
f −1 (x)
Abbildung 3.1 – Die Schaubilder von f und f −1
gehen durch Spiegelung an der ersten Winkelhalbierenden ineinander über.
x
O
y
y
f1 (x)
B
B
x
A
y
f2 (x)
f3 (x)
B
A
x
x
A
Abbildung 3.2 – Die Funktion f1 ist invertierbar, da jedes y ∈ B genau einmal
Funktionswert ist. f2 und f3 sind nicht invertierbar, da bei f2 manche y ∈ B gar
nicht und bei f3 manche y ∈ B mehrfach Funktionswert sind.
Beweis. Wir rechnen für beliebige x ∈ A und y ∈ B:
f (x) = y
⇔
x2 − 1 = y
⇔
x2 = y + 1
⇔
x=
√
y+1
√
Nach Satz 3.1.6 ist folglich f −1 : B → A mit f −1 (y) = y + 1 die Inverse von
f . Es ist zu beachten, dass f −1 wirklich nach A abbildet, da die Wurzel per
Definition nicht-negativ ist.
Trägt man x 7→ f (x) und y 7→ f −1 (y) in ein gemeinsames y-x-Schaubild ein,
erhält man zweimal dieselbe Kurve. Nur dadurch, dass man für gewöhnlich
die Urbilder aller eingezeichneten Funktionen nach rechts aufträgt – also bei
f −1 das Urbild »y« in »x« umbenennt – entsteht die in Abb. 3.1 gezeigte
Spiegelsymmetrie.
3.2.3 Bemerkung (Interpretation von Invertierbarkeit)
Ist eine Funktion f : A → B invertierbar, besitzt die Gleichung f (x) = y
für festes y ∈ B eine eindeutige Lösung in A, nämlich f −1 (y). Diese Beobachtung motiviert die in Abb. 3.2 gezeigte anschauliche Interpretation von
Invertierbarkeit.
3.2.4 Motivation (Grenzwertbegriff für Funktionen)
Wir wollen einen Grenzwertbegriff für Funktionen ähnlich zu dem von Folgen
definieren. Der wesentliche Unterschied ist, dass wir für Funktionen eine Annäherung an eine Stelle x0 ∈ R betrachten können, während bei Folgen nur ein
Grenzwert für n → ∞ sinnvoll ist. Abb. 3.3 illustriert eine Präzisierung eines
solchen Grenzwertbegriffs.
c Mario Laux
�
38
3 Funktionen
x 0 − δε
x0 + δε
f (x)
}
a+ε
{z
a
|
|f (x) − a| < ε
a−ε
|
{z
|x−x0 |<δε
}
x
x0
Abbildung 3.3 – Eine Funktion f konvergiert für x → x0 gegen den Grenzwert
a ∈ R, wenn für jeden vorgegebenen Abstand ε > 0 eine δε -Umgebung von x0
existiert, innerhalb derer alle Funktionswerte (außer möglicherweise an der Stelle
x0 selbst) um weniger als ε von a entfernt sind.
3.2.5 Definition (Grenzwerte von Funktionen)
Es seien A, B ⊆ R und f : A → B eine Funktion. x0 ∈ R liege in oder unendlich
nah an A. Existiert ein a ∈ R, sodass
∀ ε > 0 ∃ δε > 0 ∀ x ∈ A\{x0 } mit |x − x0 | < δε : |f (x) − a| < ε
gilt, so nennt man a den Grenzwert von f für x → x0 und man schreibt
lim f (x) = a.
x→x0
Funktionsgrenzwerte sind ebenso eindeutig wie Folgengrenzwerte; es gelten
analoge Rechenregeln wie für Folgengrenzwerte (ohne Beweis).
3.2.6 Beispiel (Grenzwert einer Funktion)
Beispielsweise hat die Funktion
f : R\{1} → R, x 7→
2 − 2x2
1−x
den Grenzwert limx→1 f (x) = 4.
Beweis. Es sei ε > 0 beliebig. Wähle δε = ε/2 > 0. Dann gilt für alle x ∈ R\{1}
mit |x − 1| < δε :
2 − 2x2
|f (x) − 4| =
− 4
1−x
2(1 − x)(1 + x)
− 4 =
1−x
= 2 |x − 1|
< 2 δε
=ε
Der Abstand von f (x) zum Grenzwert 4 wird also für x → 1 beliebig klein.
c Mario Laux
�
3.2 Funktionen
39
2 − δε
2 + δε
1+ε
f (2) = 1
1−ε
f (x) = 0
x 2
Abbildung 3.4 – Ist x0 eine Sprungstelle der Funktion f , so findet man – wenn ε
kleiner als die Sprunghöhe vorgegeben wird – keine Umgebung von x0 , innerhalb
derer alle Funktionswerte um weniger als ε von f (x0 ) entfernt sind.
3.2.7 Definition (Stetigkeit)
Für eine Funktion f : A → B definiert man:
f stetig in x0 ∈ A
⇔
lim f (x) = f (x0 )
x→x0
Eine Funktion f heißt stetig, wenn sie in jedem Punkt ihres Definitionsbereichs
stetig ist.
3.2.8 Bemerkung (anschauliche Bedeutung der Stetigkeit)
Der Begriff der Stetigkeit präzisiert die Vorstellung von »zusammenhängenden«
Funktionsgraphen. Wir weisen nun mithilfe der Definition nach, dass eine
Funktion wie beispielsweise f : R → R mit

1
für x ≥ 2
f (x) = 
0 für x < 2
an ihrer »Sprungstelle« nicht stetig ist – genauso wie es der Begriff der Stetigkeit
ausdrücken soll. Abb. 3.4 skizziert die Beweisidee.
Beweis. Wir zeigen, dass f für x → 2 nicht den Grenzwert f (2) besitzt. Es ist
also folgende quantorisierte Aussage zu zeigen:
∃ ε > 0 ∀ δε > 0 ∃ x ∈ R\{2} mit |x − 2| < δε : |f (x) − f (2)| ≥ ε
Wähle ε = 1/2. Sei nun δε > 0 beliebig. Setze x = 2 − δε /2, sodass |x − 2| < δε .
Nun gilt aber |f (x) − f (2)| = |0 − 1| = 1 ≥ ε.
3.2.9 Beispiel (stetige Funktion)
Ein Beispiel für eine stetige Funktion ist f : R → R, x 7→ x2 . Es gilt nämlich
für alle x0 ∈ R
lim x2 = x20 .
x→x0
Beweis. Sei x0 ∈ R beliebig. Sei ferner ε > 0 beliebig. Wähle δε > 0 so, dass
δε < 1 und δε <
ε
.
1 + 2 |x0 |
c Mario Laux
�
40
3 Funktionen
Dies ist immer möglich. Dann folgt für alle x ∈ R\{x0 } mit |x − x0 | < δε :
|f (x) − f (x0 )| = |x2 − x20 | = |x − x0 | |x + x0 |
= |x − x0 | |x − x0 + 2x0 |
≤ |x − x0 | (|x − x0 | + 2 |x0 |)
< δε (δε + 2 |x0 |)
ε
<
(1 + 2 |x0 |)
1 + 2 |x0 |
=ε
3.2.10 Bemerkung (Funktion und Grenzwertbildung vertauschen)
Stetige Funktionen haben die Eigenschaft, dass man Grenzwert und Funktion
vertauschen kann, da ja
lim f (x) = f (x0 ) = f
x→x0
lim x .
x→x0
3.3 Elementare Funktionen
3.3.1 Definition (Polynom)
Unter einem (reellen) Polynom P versteht man eine Funktion mit der Zuordnungsvorschrift
x 7→
n
X
ck x k
k=0
mit Koeffizienten ck ∈ R und einem n ∈ N0 .
3.3.2 Satz und Definition (Exponentialfunktion)
Die Exponentialfunktion exp : R → R ist über die Zuordnungsvorschrift
exp(x) :=
∞
X
xn
n=0 n!
definiert. Diese Reihe konvergiert für alle x ∈ R absolut.
Beweis. Für x = 0 ist die Konvergenz offensichtlich. Sei nun x 6= 0. Wir
verwenden das Quotientenkriterium, um die absolute Konvergenz zu zeigen:
an+1 lim
n→∞ an
=
=
n+1 x
(n+1)! lim
n
n→∞ x
n!
xn+1 n!
lim n ·
n→∞ x
(n + 1)!
= n→∞
lim
=0
|x|
n+1
c Mario Laux
�
3.3 Elementare Funktionen
41
3.3.3 Satz (Exponentialgesetz)
Für alle x, y ∈ R gilt:
exp(x) · exp(y) = exp(x + y)
k
k
Beweis. Sei ak := xk! und bk := yk! . Unter Verwendung des Cauchy-Produkts
aus Satz 2.4.14 und des binomischen Lehrsatzes aus Satz 2.3.5 erhält man:
exp(x) · exp(y) =
∞
X
!
ak
k=0
∞
X
!
bk =
k=0
∞
X

k
X

k=0

aj · bk−j 
j=0
∞
X

k
X
∞
X

k
X
∞
X


xj
y k−j 

=
·
(k − j)!
k=0 j=0 j!

1
k!

=
xj y k−j 
k!
j!
(k
−
j)!
k=0 j=0

k
1 X
k j k−j 

=
xy
k=0 k! j=0 j
!
∞
X
(x + y)k
=
k!
k=0
= exp(x + y)
3.3.4 Satz (Eigenschaften der Exponentialfunktion)
Die reelle Exponentialfunktion hat folgende Eigenschaften:
(E1) exp(0) = 1
(E2) exp(x) > 0 für alle x ∈ R
(E3) exp(−x) =
1
exp(x)
für alle x ∈ R
(E4) exp ist streng monoton wachsend
(E5) exp(x) → ∞ für x → ∞ und exp(x) → 0 für x → −∞
Beweis. Man findet nacheinander:
(E1) Die Eigenschaft exp(0) = 1 verifiziert man sofort anhand der Reihe,
P
0k
denn nur ein Summand ist von Null verschieden: exp(0) = ∞
k=0 k! =
1 + 0 + 0 + ... = 1
(E2) Für x ≥ 0 sind alle Summanden der Reihe nicht-negativ, sodass exp(x) =
P∞ xk
k=0 k! ≥ 1. Da das Produkt exp(x) · exp(−x) = 1 positiv ist, müssen
c Mario Laux
�
42
3 Funktionen
exp(x) und exp(−x) dasselbe Vorzeichen haben (und von Null verschieden
sein), weswegen auch exp(x) > 0 für alle x < 0 gilt.
(E3) Ist offensichtlich, da exp(x) 6= 0.
(E4) Ist x < y, so gibt es ein δ > 0 mit x + δ = y. Dann gilt wegen exp(δ) > 1
die Abschätzung exp(y) = exp(x + δ) = exp(x) exp(δ) > exp(x).
(E5) Aus der Reihendarstellung folgt für positive x die Abschätzung exp(x) =
P∞ xk
k=0 k! ≥ 1 + x. Also ist exp(x) → ∞ für x → ∞. Wegen (E3) ist
exp(x) → 0 für x → −∞.
3.3.5 Definition (Euler’sche Zahl)
Die Euler’sche Zahl e ist definiert als
e := exp(1) = 1 + 1 +
1
1 1
+ +
+ . . . = 2,71828 . . .
2 6 24
3.3.6 Schreibweise (Exponentialfunktion als Potenz)
Es gilt exp(0) = 1. Außerdem gilt für alle n ∈ N folgende Beziehung:
exp(n) = exp(1 + 1 + . . . + 1)
|
{z
n-mal
}
= exp(1) · exp(1) · . . . · exp(1)
|
{z
n-mal
}
= e · e · ... · e
|
{z
n-mal
}
= en
Schließlich gilt 1/ exp(n) = exp(−n). Die Exponentialfunktion verhält sich
also für ganzzahlige Exponenten wie die üblichen natürlichen Potenzen. Man
schreibt in Analogie ex := exp(x) für alle x ∈ R. In dieser Schreibweise gilt
dann intuitiv
ex · ey = ex+y
für alle x, y ∈ R. Man bezeichnet die Exponentialfunktion auch kurz als eFunktion.
3.3.7 Satz (Stetigkeit der Exponentialfunktion)
Die Exponentialfunktion exp : R → R+ ist stetig, d.h. es gilt für alle x0 ∈ R
lim ex = ex0 .
x→x0
c Mario Laux
�
3.3 Elementare Funktionen
43
Beweis. Zunächst gilt folgende Abschätzung:
x
x0
|e − e | =
x0 x−x0
e
e
− 1 x0
= |e
=
∞
X
| · (x − x0 )k
− 1 k!
k=0
∞
X
|ex0 | · |x − x0 | · (x − x0 )k−1
k!
k=1
|x − x0 |k
≤ |e | · |x − x0 | ·
k=0 (k + 1)!
∞
X
x0
≤ |ex0 | · |x − x0 | · e|x−x0 |
Sei nun ε > 0 beliebig. Wähle dann δε < 1 sowie δε < ε/(|ex0 | · e). Dann gilt
für alle x ∈ R\{x0 } mit |x − x0 | < δε aufgrund der Monotonie
|ex − ex0 | ≤ |ex0 | · |x − x0 | · e|x−x0 |
≤ |ex0 | · δε · eδε
ε
≤ |ex0 | · x0
· e1
|e | · e
= ε.
3.3.8 Satz und Definition (natürlicher Logarithmus)
Die Exponentialfunktion exp : R → R+ ist invertierbar. Die Inverse ln :
R+ → R heißt natürlicher Logarithmus.
ohne Beweis. Die strenge Monotonie von exp stellt sicher, dass jeder Wert
aus der Zielmenge R+ höchstens einmal Funktionswert ist. Das Verhalten im
Unendlichen und die Stetigkeit garantieren, dass tatsächlich jeder Wert aus R+
auch wirklich einmal Funktionswert ist.
3.3.9 Bemerkung (Exponentialfunktion und Logarithmus)
Nach Satz 3.1.6 gilt für x ∈ R und y ∈ R+ die Äquivalenz
ex = y
⇔
x = ln(y).
Ferner gelten nach der Definition der Inversen
eln(y) = y
und
ln(ex ) = x.
3.3.10 Bemerkung (Schaubilder von exp und ln)
Aus den Eigenschaften der Exponentialfunktion lassen sich die Schaubilder von
exp und ln erschließen. Man erhält die in Abb. 3.5 dargestellten Funktionsgraphen.
c Mario Laux
�
44
3 Funktionen
ex
1
ln(x)
x
An
ka
the
t
e
1
Abbildung 3.5 – Die Schaubilder von
Exponential- und natürlicher LogarithmusFunktion gehen durch Spiegelung an der ersten
Winkelhalbierenden ineinander über.
Ge
gen
ka
the
te
α
Hypotenuse
Abbildung 3.6 – In einem rechtwinkligen
Dreieck hängen die Seitenverhältnisse nicht
von der Größe des Dreiecks ab. Für einen
ausgesuchten Innenwinkel bezeichnet man
die Seiten wie angegeben.
3.3.11 Satz (Logarithmengesetz)
Es gilt für alle x, y ∈ R+
ln(x · y) = ln(x) + ln(y).
Beweis. Man erhält die Aussage nach zwei Zwischenschritten:
ln(x · y) = ln(eln(x) · eln(y) ) = ln(eln(x)+ln(y) ) = ln(x) + ln(y)
3.3.12 Motivation (trigonometrische Funktionen)
Die trigonometrischen Funktionen Sinus, Kosinus und Tangens werden oft
geometrisch als Seitenverhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken interpretiert
oder definiert. Mit den Bezeichnungen aus Abb. 3.6 setzt man:
Gegenkathete
Hypotenuse
Ankathete
cos(α) =
Hypotenuse
Gegenkathete
tan(α) =
Ankathete
sin(α) =
Diese anschaulichen Definitionen werfen allerdings einige Fragen auf: Was genau
ist unter einem Winkel α zu verstehen? Da man eine Seitenlänge nicht beliebig
genau abmessen kann, stellt sich aber sogar die Frage, wie man Funktionswerte
für gegebenes α bestimmen soll.
Wir werden im Folgenden einen mathematisch sauberen Zugang wählen
und erst später feststellen, dass unsere Definitionen das genannte anschauliche
Verhalten reproduzieren.
c Mario Laux
�
3.3 Elementare Funktionen
45
3.3.13 Satz und Definition (Sinus und Kosinus)
Die trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus sind für x ∈ R über
die Zuordnungsvorschriften
sin(x) :=
∞
X
x2n+1
x1 x3 x5
−
+
∓ ... =
(−1)n
1!
3!
5!
(2n + 1)!
n=0
cos(x) :=
∞
X
x2n
x0 x2 x4
−
+
∓ ... =
(−1)n
0!
2!
4!
(2n)!
n=0
definiert. Diese Reihen konvergieren für alle x ∈ R absolut.
Beweis. Wir zeigen die Aussage für die Kosinus-Reihe: Für x = 0 ist die
x2n
Konvergenz offensichtlich. Sei nun an := (−1)n (2n)!
und x 6= 0. Es folgt:
an+1 lim
n→∞ an
=
=
=
2n+2 x
(2n+2)! lim
x2n
n→∞ (2n)!
x2n+2 (2n)!
2n · lim
x
n→∞ (2n + 2)!
1
2
x · lim
n→∞
(2n + 2)(2n + 1)
=0
Nach dem Quotientenkriterium konvergiert die Reihe also absolut. Für den
Sinus funktioniert der Beweis analog.
3.3.14 Proposition (Symmetrien von Sinus und Kosinus)
Es gelten sin(0) = 0 und cos(0) = 1. Ferner gelten für alle x ∈ R die Beziehungen
sin(−x) = − sin(x)
und
cos(−x) = cos(x).
Beweis. klar.
3.3.15 Definition (Tangens)
Der Tangens ist definiert durch
tan(x) :=
sin(x)
cos(x)
für alle x ∈ R mit cos(x) 6= 0.
3.3.16 Proposition (Arkusfunktionen)
Die Funktionen
sin : [− π2 , π2 ] → [−1, 1]
cos : [0, π] → [−1, 1]
tan : (− π2 , π2 ) →
R
c Mario Laux
�
46
3 Funktionen
sind invertierbar. Die Inversen heißen Arkusfunktionen:
arcsin : [−1, 1] → [− π2 , π2 ]
arccos : [−1, 1] → [0, π]
arctan :
R
→ (− π2 , π2 )
ohne Beweis. Um die genannten Eigenschaften nachzuweisen, ist eine recht
langwierige Untersuchung der Reihen aus Satz und Definition 3.3.13 erforderlich,
auf die wir an dieser Stelle verzichten wollen. Wir verweisen stattdessen auf
Abb. 3.7
3.3.17 Satz und Definition (π)
cos besitzt im Intervall [0, 2] genau eine Nullstelle x0 . Man definiert π := 2x0 .
Es gilt π = 3,1415926 . . ..
ohne Beweis. Man kann zeigen, dass cos(0) > 0 und cos(2) < 0 und dass cos
im Intervall [0, 2] streng monoton fallend und stetig ist. Daraus kann man
schließen, dass cos genau eine Nullstelle in [0, 2] besitzt. Das Doppelte dieser
Nullstelle wird mit π bezeichnet.
3.3.18 Bemerkung (Schaubilder von sin, cos und tan)
Über die Reihendarstellungen können prinzipiell alle Funktionswerte von Sinus
und Kosinus beliebig genau ausgerechnet werden. Man erhält die in Abb. 3.7
gezeigten Schaubilder.
3.3.19 Definition (Hyperbelfunktionen)
Die Hyperbelfunktionen sind für alle x ∈ R folgendermaßen definiert:
ex − e−x
2
ex + e−x
cosh(x) :=
2
sinh(x)
tanh(x) :=
cosh(x)
sinh(x) :=
c Mario Laux
�
3.3 Elementare Funktionen
47
sin(x)
arcsin(x)
π
2
1
− π2
x
π
2
−1
1
x
−1
− π2
arccos(x)
cos(x)
π
1
π
−π
x
−1
−1
1
tan(x)
x
arctan(x)
π
2
− π2
π
2
x
x
− π2
Abbildung 3.7 – Die trigonometrischen Funktionen sind nur auf eingeschränktem Definitionsbereich invertierbar. Die Umkehrfunktionen heißen Arkusfunktionen. Die Zahl π wird üblicherweise als das Doppelte der kleinsten positiven
Nullstelle der Kosinusfunktion definiert.
c Mario Laux
�
Übungsblatt 3 – Funktionen
A3.1 – Gegeben sei eine Funktion f : R →
R mit f (x) = mx + c für Konstanten
c, m ∈ R. Zeigen Sie, dass f stetig ist.
A3.5 – Zeigen Sie mit vollständiger Induktion, dass für alle x ∈ R+ und alle n ∈ N0
die Beziehung ln(xn ) = n ln(x) gilt.
A3.2 – Gegeben sei eine Funktion mit den
Funktionswerten f (x) = x24−4 . Skizzieren
Sie das Schaubild von f mit maximalem
Definitionsbereich. Wählen Sie möglichst
große Mengen A, B ⊂ R so, dass f : A → B
invertierbar ist. Bestimmen Sie die Inverse
f −1 : B → A.
A3.6 – Zeigen Sie, dass die Sinusreihe absolut konvergiert.
A3.3 – Gewinnen Sie einen Näherungswert
für exp(1) = e, indem Sie die ersten sechs
Summanden der Exponentialreihe addieren.
A3.9* – Es seien A, B, C Mengen und
g : A → B sowie f : B → C invertierbare Abbildungen. Zeigen Sie, dass dann
auch f ◦ g invertierbar ist.
A3.4 – Zeigen Sie für x, y ∈ R+ die Rechenregel ln( xy ) = ln(x) − ln(y).
A3.10* – Zeigen Sie, dass sinh : R → R
invertierbar ist.
A3.7 – Skizzieren Sie die Schaubilder der
Hyperbelfunktionen sinh, cosh und tanh.
A3.8 – Zeigen Sie, dass für alle x ∈ R die
Beziehung cosh2 (x) − sinh2 (x) = 1 gilt.
c Mario Laux
�
4 Differentialrechnung
4.0.1 Vereinbarung (Definitionsbereiche)
Wir betrachten im Folgenden reellwertige Funktionen mit reellen Definitionsbereichen ohne isolierte Punkte und schreiben dafür f : I → R. Die Definitionsbereiche I sollen also beispielsweise Intervalle oder ganz R sein.
Sind für eine Funktion Definitions- und Wertebereich nicht angegeben, so
sind diese unerheblich oder aus dem Kontext ersichtlich.
4.1 Ableitungen
4.1.1 Motivation (Änderungsraten)
Als Maß für die lokale Änderungsrate einer Funktion kann man die Steigung
der Tangenten an das Schaubild der Funktion verwenden. In Abb. 4.1 wird
diese Überlegung präzisiert.
4.1.2 Definition (Differenzierbarkeit, Ableitung)
Sei f : I → R eine Funktion wie üblich und x0 ∈ I. Existiert der Grenzwert
f (x0 + h) − f (x0 )
,
h→0
h
f 0 (x0 ) := lim
so nennt man f an der Stelle x0 differenzierbar. Der Grenzwert f 0 (x0 ) heißt
Ableitung von f an der Stelle x0 . Eine Funktion heißt differenzierbar, wenn sie
an jeder Stelle ihres Definitionsbereichs differenzierbar ist. Ist f differenzierbar,
nennt man die Funktion f 0 : I → R, x 7→ f 0 (x) die Ableitung von f .
y
s
t
f (x0 + h)
f (x)
f (x0 + h) − f (x0 )
f (x0 )
h
x0
x0 + h
x
Abbildung 4.1 – Für h → 0
geht die Sekante s in die Tangente t über; deren Steigung ist ein
Maß für die Änderungsrate einer
Funktion f im Punkt x0 .
c Mario Laux
�
50
4 Differentialrechnung
4.1.3 Beispiel (Ableitung berechnen)
Wir betrachten die Funktion f : R → R, x 7→ x2 und wollen ihre Ableitung an
einer beliebigen Stelle x bestimmen:
f (x + h) − f (x)
h→0
h
(x + h)2 − x2
= lim
h→0
h
2xh + h2
= lim
h→0
h = lim 2x + h
f 0 (x) = lim
h→0
= 2x
Die Funktion f 0 : R → R, x 7→ 2x ist also die Ableitung von f .
4.1.4 Proposition (alternative Darstellung der Ableitung)
Sei f : I → R eine Funktion. f ist genau dann in x0 ∈ I differenzierbar, wenn
der Grenzwert
f (x) − f (x0 )
a = lim
x→x0
x − x0
0
existiert. In diesem Falle gilt a = f (x0 ).
Beweis. »⇒«: Sei f in x0 differenzierbar. Wir zeigen nun a = f 0 (x0 ): Sei ε > 0
beliebig. Nach Voraussetzung können wir dann ein δε > 0 finden, sodass
für alle h 6= 0 mit |h| < δε die Abschätzung
f (x
0
+ h) − f (x0 )
− f 0 (x0 ) < ε
h
gilt. Wähle also δε derart. Sei nun x ∈ I mit |x−x0 | < δε beliebig. Setzen
wir h := x − x0 , so gilt |h| < δε und wir erhalten direkt
f (x) − f (x )
0
x − x0
−f
0
(x0 )
=
f (x
0
+ h) − f (x0 )
− f 0 (x0 ) < ε.
h
»⇐«: analog.
4.1.5 Schreibweise (Leibniz-Notation)
Für die erste Ableitung einer Funktion f schreibt man auch
d
df
f 0 (x) =:
f (x) und f 0 =:
.
dx
dx
Für die n-fache Ableitung schreibt man dementsprechend f (n) (x) oder auch
dn
f (x).
dxn
Für die Ableitung nach einer Zeitvariablen t notiert man oft Punkte über dem
Funktionsnamen anstatt Striche:
f 0 (t) =: f˙(t) und f 00 (t) =: f¨(t)
f (n) (x) =:
d
Die Bruchnotation dx
ist hierbei symbolisch zu verstehen; sie soll lediglich an
die Definition der Ableitung erinnern.
c Mario Laux
�
4.2 Ableitungsregeln
51
4.1.6 Proposition (differenzierbar bedeutet stetig)
Ist eine Funktion an einer Stelle differenzierbar, so ist sie dort auch stetig.
Beweis. Es sei f : I → R in x0 ∈ I differenzierbar. Es folgt:
f (x) − f (x0 )
0
0
x − x0
!
f (x) − f (x0 )
= lim (x − x0 ) ·
x→x0
x − x0
= x→x
lim (f (x) − f (x0 ))
0 = 0 · f 0 (x0 ) = x→x
lim (x − x0 ) · x→x
lim
0
= x→x
lim f (x) − f (x0 )
0
Also gilt limx→x0 f (x) = f (x0 ), womit f an der Stelle x0 stetig ist.
4.1.7 Schreibweise (Funktion und Zuordnungsvorschrift)
In der praktischen Berechnung von Ableitungen ist die notationelle Unterscheidung zwischen Funktion und Funktionswerten oft unnötig aufwändig. Anstatt
»Die Ableitung der Funktion f : R → R, x 7→ x2 ist die Funktion
f 0 : R → R, x 7→ 2x«
sagen wir daher kurz
»Die Ableitung von x2 ist 2x«,
obwohl x2 keine Funktion, sondern nur eine Zahl ist (und daher keine Ableitung
besitzt). Entsprechend schreiben wir auch
(x2 )0 = 2x
oder
d 2
x = 2x.
dx
4.2 Ableitungsregeln
4.2.1 Proposition (konstante Funktionen)
Ist I ein Intervall und f : I → R eine differenzierbare Funktion, so gilt
f 0 (x) = 0 für alle x ∈ I
⇔
f konstant.
ohne Beweis. Man sieht leicht ein, dass die Ableitung konstanter Funktionen
verschwindet. Deutlich schwieriger ist der Beweis dafür, dass Funktionen mit
überall verschwindender Ableitung konstant sein müssen. Diese Eigenschaft ist
letztlich eine Konsequenz des zusammenhängenden Definitionsbereichs.
c Mario Laux
�
52
4 Differentialrechnung
4.2.2 Satz (allgemeine Ableitungsregeln)
Es seien f, g differenzierbare Funktionen und c ∈ R eine Konstante. Sofern
die angegebenen Funktionen existieren, gelten folgende Ableitungsregeln:
(c)0
(f + g)0
(c · f )0
(f · g)0
(f ◦ g)0
(f /g)0
(f −1 )0
=0
= f 0 + g0
= c · f0
= f 0 · g + f · g0
= (f 0 ◦ g) · g 0
= (f 0 · g − f · g 0 )/g 2
= 1/(f 0 ◦ f −1 )
(Konstantenregel)
(Summenregel)
(Faktorregel)
(Produktregel)
(Kettenregel)
(Quotientenregel)
(Inversenregel)
Insbesondere sind Summen, Produkte und Verkettungen differenzierbarer
Funktionen wieder differenzierbar.
Beweis. Konstanten-, Summen- und Faktorregel sind offensichtlich. Zu beweisen
sind nun die übrigen Regeln:
Produktregel: Seien f, g : I → R differenzierbar. Durch Einfügen einer »geschickten Null« erhält man für beliebiges x ∈ I:
(f · g)0 (x) = lim
f (x+h)g(x+h)−f (x)g(x)
h
= lim
f (x+h)g(x+h)−f (x)g(x+h)−f (x)g(x)+f (x)g(x+h)
h
= lim
f (x+h)−f (x)
h
= lim
f (x+h)−f (x)
h
h→0
h→0
h→0
h→0
0
· g(x + h) + f (x) ·
g(x+h)−g(x)
h
· lim g(x + h) + f (x) · lim
h→0
h→0
g(x+h)−f (x)
h
= f (x) · g(x) + f (x) · g 0 (x)
Im letzten Schritt wurde insbesondere die Stetigkeit von g verwendet.
Kettenregel: Seien I, J ⊆ R wie üblich und f : I → R sowie g : J → I
differenzierbar. Sei ferner z0 ∈ I eine beliebige Stelle. Wir definieren zu
diesem z0 die Hilfsfunktion Dz0 : I → R durch

 f (z)−f (z0 )
Dz0 (z) := 
z−z0
0
f (z0 )
falls z 6= z0
falls z = z0 .
Nun ist Dz0 auf ganz I stetig, denn außerhalb von z0 ist dies klar und an
der Stelle z0 selbst erhält man
lim Dz0 (z) = lim
z→z0
z→z0
f (z) − f (z0 )
= f 0 (z0 ) = Dz0 (z0 ).
z − z0
Außerdem gilt für alle z ∈ I (auch an der Stelle z0 selbst!)
(z − z0 )Dz0 (z) = f (z) − f (z0 ).
c Mario Laux
�
4.2 Ableitungsregeln
53
Nun können wir die Ableitung der Verkettung f ◦ g an einer beliebigen
Stelle x0 ∈ J berechnen. Mit den Bezeichnungen z0 := g(x0 ) und z := g(x)
erhalten wir:
lim
x→x0
(g(x) − g(x0 ))Dg(x0 ) (g(x))
f (g(x)) − f (g(x0 ))
= lim
x→x
0
x − x0
x − x0
g(x) − g(x0 )
· lim Dg(x0 ) (g(x))
= lim
x→x0
x→x0
x − x0
0
= g (x0 ) · Dg(x0 )
lim g(x)
x→x0
= g 0 (x0 ) · Dg(x0 ) (g(x0 ))
= g 0 (x0 ) · f 0 (g(x0 ))
Quotientenregel: Wir berechnen zunächst die Ableitung von q : R\{0} →
R\{0} mit q(x) = x1 :
q 0 (x) = lim
1
x+h
−
h
h→0
= lim
1
x
x−(x+h)
x (x+h)
h
−h
= lim
h→0 x (x + h) h
−1
= lim 2
h→0 x + x h
−1
= 2
x
h→0
Seien nun f, g : I → R differenzierbar und zudem g(x) 6= 0 in einer
Umgebung der betrachteten Stelle x0 ∈ I. Dann folgt mit Produkt- und
Kettenregel:
f
g
!0
(x) = (f · (q ◦ g))0 (x)
= f 0 (x) · q(g(x)) + f (x) · (q ◦ g)0 (x))
= f 0 (x) · q(g(x)) + f (x) · q 0 (g(x)) · g 0 (x)
1
−1
= f (x) ·
+ f (x) · 2
· g 0 (x)
g(x)
g (x)
0
0
f (x) · g(x) − f (x) · g (x)
=
g 2 (x)
!
0
Inversenregel: Seien I, J ⊆ R wie üblich und f : I → J invertierbar. Sei ferner
x ∈ J beliebig. Wir starten mit f (f −1 (x)) = x und bilden auf beiden
Seiten die Ableitung. Wir erhalten mit der Kettenregel
f (f −1 (x)) = x
⇒
f 0 (f −1 (x)) · (f −1 )0 (x) = 1.
c Mario Laux
�
54
4 Differentialrechnung
4.2.3 Proposition (Ableitung von Potenzreihen)
Sei f : R → R durch die konvergente Potenzreihe
f (x) =
∞
X
ck x k
k=0
definiert. Dann ist f differenzierbar und für die Ableitung gilt
f 0 (x) =
∞
X
(ck xk )0 .
k=0
Potenzreihen können also gliedweise differenziert werden.
ohne Beweis. Ausgeschrieben lautet die Aussage
n
n
X
d
d X
k
lim
c
ck x k .
k x = lim
n→∞ dx
dx n→∞ k=0
k=0
Es ist also zu beweisen, dass in diesem Fall Ableitung und Grenzwertbildung
vertauschen. Wir verzichten auf diesen recht aufwändigen Nachweis.
4.2.4 Satz (Ableitung elementarer Funktionen)
Es gelten jeweils auf dem gesamten Definitionsbereich:
(D1) (xn )0 = nxn−1 für alle n ∈ N
(D2) exp0 (x) = exp(x)
(D3) ln0 (x) = 1/x
(D4) sin0 (x) = cos(x)
(D5) cos0 (x) = − sin(x)
Beweis. (D1) vollständige Induktion über n:
(IA) Wir rechnen für n = 1:
(x + h) − x
= 1 = 1 · x1−1
h→0
h
(x1 )0 = lim
ist wahr.
(IS) Gelte (xn )0 = nxn−1 für ein beliebiges aber festes n ∈ N. Dann folgt
mit der Produktregel:
(xn+1 )0 = (x · xn )0 = 1 · xn + x · n xn−1 = (n + 1) · xn
c Mario Laux
�
4.2 Ableitungsregeln
55
(D2) Die Ableitung der Exponentialfunktion erhalten wir durch gliedweises
Differenzieren der Reihe:
∞
X
xn
exp (x) =
n=0 n!
0
!0
x1 x2 x 3 x4
= 1+
+
+
+
+ ...
1!
2!
3!
4!
!0
2x1 3x2 4x3
+
+
+ ...
=0+1+
2!
3!
4!
x1 x2 x3
+
+
+ ...
=1+
1!
2!
3!
= exp(x)
(D3) Mithilfe der Ableitungsregel für die Inverse aus Satz 4.2.2 lässt sich die
Ableitung des Logarithmus’ für x ∈ R+ bestimmen:
ln0 (x) =
1
1
1
=
=
exp0 (ln(x))
exp(ln(x))
x
(D4) wie (D5)
(D5) Durch Differentiation der Reihe ergibt sich:
∞
X
x2n
cos (x) =
(−1)
(2n)!
n=0
0
n
!0
x2 x4 x6
= 1−
+
−
± ...
2!
4!
6
!0
2x1 4x3 6x5
+
−
± ...
2!
4!
6!
x1 x3 x5
=− +
−
± ...
1!
3!
5!
=0−
= − sin(x)
4.2.5 Satz (trigonometrischer Pythagoras)
Es gilt für alle x ∈ R
sin2 (x) + cos2 (x) = 1.
Beweis. Wir betrachten die Funktion f (x) := sin2 (x) + cos2 (x) und berechnen
ihre Ableitung:
f 0 (x) = 2 sin(x) · cos(x) + 2 cos(x) · (− sin(x)) = 0
Nach Proposition 4.2.1 ist f also auf ganz R konstant. Wegen f (0) = 1 folgt
die Behauptung.
c Mario Laux
�
56
4 Differentialrechnung
t(x)
p(x)
y
f (x)
1
Abbildung 4.2 – Die Funktion f (x) =
√
x kann in einer Umgebung von 1 durch
die Funktionen t und p approximiert werden. t stimmt im Funktionswert und in
der ersten Ableitung mit f an der Stelle 1 überein, p zusätzlich in der zweiten
Ableitung.
x
4.2.6 Beispiel (Ableitung von arcsin)
Wir betrachten die Arkusfunktion arcsin : (−1, 1) → (− π2 , π2 ). Für die Ableitung
erhalten wir:
1
sin (arcsin(x))
1
=
cos(arcsin(x))
1
=q
1 − sin2 (arcsin(x))
1
=√
1 − x2
arcsin0 (x) =
0
Hierbei haben wir cos(y) > 0 für y ∈ (− π2 , π2 ) und Satz 4.2.5 verwendet.
4.3 Taylorpolynome und -reihen
4.3.1 Beispiel (Approximation der Wurzelfunktion)
√
Wir wollen die Wurzelfunktion f : R+ → R+ mit f (x) = x in der Nähe von
1√approximieren, um beispielsweise auf einfache Art einen Näherungswert für
1,1 zu erhalten. Hierfür machen wir uns zunutze, dass die Ableitung ein Maß
für die lokale Änderungsrate einer Funktion ist. Setzen wir
t(x) := f (1) + f 0 (1) · (x − 1),
so stimmt die Funktion t an der Stelle 1 in Funktionswert und Änderungsrate mit
f überein, denn es gilt ja t0 (x) = f 0 (1) und somit natürlich auch t0 (1) = f 0 (1).
Anschaulich beschreibt t die Tangente an das Schaubild von f an der Stelle 1.
Wir berechnen nun die Ableitung von f :
c Mario Laux
�
4.3 Taylorpolynome und -reihen
57
√
√
x+h− x
f (x) = lim
h→0
√ h
√ √
√
( x + h − x)( x + h + x)
√
= lim
√
h→0
h( x + h + x)
√
√ 2
2
x+h − x
= lim √
√
h→0 h( x + h +
x)
h
= lim √
√
h→0 h( x + h +
x)
1
= √
2 x
0
Demnach ist f 0 (1) =
1
2
und damit
t(x) = 1 +
1
· (x − 1).
2
√
Wir können nun t(1,1) = 1,05 als Näherungswert für f (1,1) = 1,1 verstehen.
Um eine noch bessere Näherungsformel zu erhalten, könnte man versuchen,
eine Funktion zu konstruieren, die zusätzlich in der Änderungsrate der Änderungsrate mit f übereinstimmt, sprich auch in der zweiten Ableitung an der
Stelle 1. Setzt man
p(x) := f (1) + f 0 (1) · (x − 1) +
f 00 (1)
· (x − 1)2 ,
2
so erreicht man genau dieses Ziel. Wir berechnen also noch die zweite Ableitung
von f :
!0
00
f (x) =
=
=
=
1
√
2 x
√
√
(1)0 · 2 x − 1 · (2 x)0
√
(2 x)2
0 − 2 · 2√1 x
√ 2
4 x
−1
√ 3
4 x
Also gilt f 00 (1) = − 14 . Damit wird dann
p(x) = 1 +
1
1
· (x − 1) − · (x − 1)2 .
2
8
Wir haben also eine Parabel gefunden, die sich dem Schaubild von f in der Nähe
von√
1 »anschmiegt«. Wir erhalten somit p(1,1) = 1,04875 als Näherungswert
für 1,1. In Abb. 4.2 sind die Funktionen t und p zusammen mit f dargestellt.
Das beschriebene Verfahren werden wir nun allgemein formulieren.
c Mario Laux
�
58
4 Differentialrechnung
Tn (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 ) (x − x0 ) +
···
+
Tn0 (x) =
···
+
0
+
f 0 (x0 )
+
f (n) (x0 )
n!
f (n) (x0 )
(n−1)!
(x − x0 )n
(x − x0 )n−1
..
.
Tn(n) (x) =
0
+
0
+
···
d
dx
n−1
f (n) (x0 )
+
Abbildung 4.3 – Durch k-faches Ableiten von Tn (x) verschwinden die ersten
k Summanden. Der (k + 1)-te Summand entspricht stets genau f (k) (x0 ). Alle
weiteren Summanden verschwinden an der Stelle x = x0 , da sie noch den Faktor
(x − x0 ) enthalten.
4.3.2 Definition (Taylorpolynom und Taylorreihe)
Sei f : I → R eine unendlich oft differenzierbare Funktion und x0 ∈ I. Dann
nennt man
n
X
f (k) (x0 )
Tn (x) =
(x − x0 )k
k!
k=0
das Taylorpolynom n-ten Grades von f zum Entwicklungspunkt x0 . Ferner
heißt T∞ die Taylorreihe oder Taylorentwicklung von f um x0 .
4.3.3 Satz (zentrale Eigenschaft des Taylorpolynoms)
Sei f : I → R unendlich oft differenzierbar und Tn das Taylorpolynom
n-ten Grades von f zum Entwicklungspunkt x0 ∈ I. Dann stimmen Tn und
f an der Stelle x0 im Funktionswert und den ersten n Ableitungen überein.
Beweis. Die Aussage lässt sich überprüfen, indem man allgemein die ersten n
Ableitungsfunktionen des Taylorpolynoms berechnet und dann deren Funktionswerte an der Stelle x0 bestimmt. Dies ist in Abb. 4.3 dargestellt.
4.3.4 Technik (Taylorpolynome berechnen)
Um das Taylorpolynom n-ter Ordnung einer Funktion f zu gegebenem Entwicklungspunkt x0 zu bestimmen, kann man folgendermaßen vorgehen:
1. Man berechne die Ableitungen f 0 , f 00 , . . . , f (n) .
2. Man berechne die Funktionswerte f (x0 ), f 0 (x0 ), f 00 (x0 ), . . . , f (n) (x0 ).
3. Das Taylorpolynom der entsprechenden Ordnung ist dann:
Tn (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 ) (x − x0 ) +
f 00 (x0 )
2!
(x − x0 )2 + . . . +
f (n) (x0 )
n!
(x − x0 )n
c Mario Laux
�
4.3 Taylorpolynome und -reihen
59
y
T2 (x)
O
−1
1
x
f (x)
Abbildung 4.4 – Die Approximation von f
durch T2 wird offenbar für zunehmenden Abstand zu x0 = 1 schlechter.
4.3.5 Beispiel (harmonische Näherung)
Gegeben sei die Funktion
f : R+ → R, x 7→
1
2
− .
2
x
x
Gesucht ist die quadratische (harmonische) Approximation von f an der Stelle
x0 = 1. Man findet zunächst die ersten beiden Ableitungen zu
f 0 (x) = −
2
2
+
x3 x2
und
f 00 (x) =
6
4
−
.
x4 x3
Damit gelten also f (1) = −1, f 0 (1) = 0 und f 00 (1) = 2. Das Taylorpolynom ist
demnach gegeben durch
T2 (x) = −1 + 0 (x − 1) +
2
(x − 1)2 = −1 + (x − 1)2 .
2!
In Abb. 4.4 sind die Schaubilder von f und T2 gezeigt.
4.3.6 Proposition (Taylorreihe der Exponentialfunktion)
Die Taylorreihe der Exponentialfunktion konvergiert unabhängig vom Entwicklungspunkt stets auf ganz R gegen die Exponentialfunktion.
Beweis. Wir berechnen die Taylorreihe der Exponentialfunktion exp : R → R+ ,
benötigen also zunächst alle Ableitungen. Es gilt trivialerweise
exp(k) (x) = exp(x)
für alle k ∈ N0 . Damit können wir nun die Taylorreihe zu einem beliebigen
Entwicklungspunkt x0 ∈ R bestimmen:
T∞ (x) =
∞
X
exp(k) (x0 )
(x − x0 )k
k!
k=0
= exp(x0 ) ·
∞
X
(x − x0 )k
k!
k=0
= exp(x0 ) · exp(x − x0 )
= exp(x)
c Mario Laux
�
60
4 Differentialrechnung
4.3.7 Beispiel (Konvergenz von Taylorreihen)
Wir betrachten die Funktion
f : R\{1} → R, x 7→
1
1−x
und berechnen ihre Taylorreihe zum Entwicklungspunkt x0 = 0. Berechnet man
einige Ableitungen von f , so gelangt man zur Vermutung, dass
f (k) (x) =
k!
(1 − x)k+1
für alle k ∈ N0 gilt. Auf einen Beweis verzichten wir an dieser Stelle. Folglich
sind die Funktionswerte an der Stelle x0 = 0 durch f (k) (0) = k! gegeben. Die
Taylorreihe ergibt sich zu
T∞ (x) =
=
∞
X
f (k) (0)
(x − 0)k
k!
k=0
∞
X
xk .
k=0
Wir erkennen T∞ als eine geometrische Reihe. Wir wissen aus Satz 2.4.3,
dass diese nur für |x| < 1 konvergiert und dass der Grenzwert in diesem Fall
tatsächlich T∞ (x) = f (x) ist. Während aber beispielsweise f (2) = −1 gilt,
existiert T∞ (2) nicht einmal. Im Allgemeinen muss eine Taylorreihe also nicht
(überall) gegen die entwickelte Funktion konvergieren.
4.3.8 Proposition (Taylorreihe eines Polynoms)
Die Taylorreihe eines Polynoms ist unabhängig vom Entwicklungspunkt stets
das Polynom selbst.
Beweis. Wir gehen von einem allgemeinen Polynom p(x) = nj=0 aj xj aus.
Bildet man nun die k-te Ableitung von p, so fallen die ersten k Summanden
(j = 0, . . . , k − 1) weg. Es gilt
P
p(k) (x) =
=
n
X
j=k
n
X
j=k
aj j (j − 1) · · · (j − k + 1) xj−k
aj
j!
xj−k
(j − k)!
für alle k ∈ N0 ; insbesondere ist p(k) = 0 für k > n. Sei nun x0 ∈ R beliebig.
Dann erhalten wir für die Taylorreihe um x0 mithilfe der binomischen Formel
aus Satz 2.3.5 und unter Vertauschung der Summationsreihenfolge (vgl. hierzu
Abb. 4.5):
c Mario Laux
�
4.3 Taylorpolynome und -reihen
j
k
=
61
j
n
..
.
2
1
0
k
0 1 2 ··· n
T∞ (x) =
∞
X
p(k) (x0 )
k=0
k!
Abbildung 4.5 – Markiert sind die Indexpaare,
P
Pn
Pn Pj
über die in ∞
k=0
j=k . . . =
j=0
k=0 . . . summiert wird. Die beiden Doppelsummen enthalten
genau dieselben Summanden (in unterschiedlicher
Reihenfolge).
k
(x − x0 ) =
=
∞
X
Pn
j=k
k=0
∞ X
n
X
=
=
=
j!
(j−k)!
xj−k
0
k!
!
aj
aj
j
(x − x0 )k xj−k
0
k
!
j=0 k=0
n
X
aj (x − x0 ) + x0
j=0
n
X
aj x j
j=0
= p(x)
(x − x0 )k
j
(x − x0 )k xj−k
0
k
k=0 j=k
j
n X
X
aj
j
c Mario Laux
�
Übungsblatt 4 – Differentialrechnung
A4.1 – Berechnen Sie jeweils die Ableitung
der Funktion an allen Stellen x ∈ R, an
denen sie existiert:
(a) f (x) = e2
(b) f (x) = x2 − 3 x5
(c) f (x) = cos3 (x)
(d) f (x) = e2 cos(x)
(e) f (x) =
x
2
− 12 sin(x) cos(x)
(f) f (x) = x ln(x) − x
A4.5 – Bestimmen Sie die Taylorreihe der
Funktion f : R → R mit f (x) = x2
zu einem allgemeinen Entwicklungspunkt
x0 ∈ R.
A4.6
– Betrachten Sie die Funktion f (x) =
√
x + 1 und berechnen Sie das zugehörige
Taylorpolynom zweiter Ordnung zum Entwicklungspunkt x0 = 0. Wie könnte man
mithilfe dieses Polynoms
√ einen brauchbaren
Näherungswert für 5 berechnen?
(g) f (x) = ln √xx2 +1
√
(h) f (x) = x2
A4.7* – Zeigen Sie, dass die Taylorreihe
von cosh um x0 = 0 auf ganz R gegen cosh
konvergiert.
A4.2 – Bestimmen Sie die Ableitung der
Tangensfunktion.
A4.8* – Berechnen Sie die Ableitung von
arctan und vereinfachen Sie das Resultat
so weit wie möglich.
A4.3 – Berechnen Sie die Ableitungen der
Hyperbelfunktionen sinh, cosh und tanh.
A4.4 – Es sei f : R → R eine stetige Funktion. Zeigen Sie, dass dann die Funktion
g : R → R, x 7→ x · f (x) an der Stelle x = 0
differenzierbar ist.
A4.9* – Finden Sie eine unendlich oft differenzierbare Funktion f : R → R mit
f (n) (0) = n für alle n ∈ N0 .
c Mario Laux
�
5 Die komplexen Zahlen
5.1 Erweiterung der reellen Zahlen
5.1.1 Motivation (Lösbarkeit von Gleichungen)
Die reellen Zahlen bilden nach Satz und Definition 1.2.8 einen vollständigen
angeordneten Körper. Wie wir in Satz und Definition 1.4.5 gesehen hatten,
garantiert dies beispielsweise, dass die Gleichung x2 = 2 reelle Lösungen hat;
dies ist letztlich ein Ausdruck der Lückenlosigkeit der reellen Zahlen.
Allerdings »fehlt« eine reelle Zahl, die die Gleichung x2 = −1 löst, was man
ja auch als Lücke verstehen könnte. Wir werden nun untersuchen, inwiefern
man diese Lücke schließen kann.
5.1.2 Motivation (imaginäre Einheit)
Wir wollen den reellen Zahlen eine Zahl i mit der Eigenschaft i2 = −1 hinzufügen. Betrachtet man i einfach als eine Art Variable, fallen Addition und
Multiplikation nicht schwer:
(2 + i) · (3 − 5i) = 6 − 10i + 3i − 5i2 = 11 − 7i
Diese naive Sichtweise wird sich später als berechtigt herausstellen. Um zu
garantieren, dass die Rechenregeln für Zahlen auf diese neuen Objekte anwendbar sind, müssen wir aber zunächst einen neuen Körper konstruieren. Hierzu
werden wir die neuen Zahlen als ein Paar aus reellen Zahlen auffassen, sodass
beispielsweise 11 − 7i dem Paar (11, −7) entspricht.
5.1.3 Satz und Definition (komplexe Zahlen)
Es sei C := {(a, b) mit a, b ∈ R} die Menge aller Paare aus zwei reellen
Zahlen. Innerhalb von C definieren wir Addition ⊕ und Multiplikation folgendermaßen:
(a, b) ⊕ (c, d) := (a + c, b + d)
(a, b) (c, d) := (ac − bd, ad + bc)
C ist ein Körper und heißt die Menge der komplexen Zahlen.
Beweis. Wir müssen nachweisen, dass die Rechenregeln für Zahlen aus Definition 1.2.3 für die neue Addition ⊕ und die neue Multiplikation erfüllt
sind:
c Mario Laux
�
64
5 Die komplexen Zahlen
• Die Kommutativgesetze sind offensichtlich erfüllt, da sie für die reellen
Zahlen erfüllt sind.
• (0, 0) hat die Rolle einer Null, denn es gilt für beliebiges (a, b) ∈ C
(a, b) ⊕ (0, 0) = (a + 0, b + 0) = (a, b).
Ferner hat (1, 0) die Rolle einer Eins, denn es gilt stets
(a, b) (1, 0) = (a · 1 − b · 0, a · 0 + b · 1) = (a, b).
• Zu (a, b) ∈ C ist (−a, −b) das Negative, denn
(a, b) ⊕ (−a, −b) = (a − a, b − b) = (0, 0).
a
−b
• Zu (a, b) ∈ C mit (a, b) 6= (0, 0) ist ( a2 +b
2 , a2 +b2 ) der Kehrwert, denn es
gilt
a
(a, b) ( a2 +b
2,
−b
)
a2 +b2
a
− b · a2−b
,
a2 +b2
+b2
2
2
, −ab+ba
)
( aa2 +b
+b2
a2 +b2
= (a ·
=
a·
−b
a2 +b2
+b·
a
)
a2 +b2
= (1, 0)
• Das Assoziativgesetz für ⊕ ist offensichtlich erfüllt. Für rechnen wir:
((a, b) (c, d)) (e, f )
= (ac − bd, ad + bc) (e, f )
= ((ac − bd)e − (ad + bc)f, (ac − bd)f + (ad + bc)e)
= (ace − bde − adf − bcf, acf − bdf + ade + bce)
Genau dasselbe Resultat ergibt sich, wenn man die zweite Multiplikation
zuerst ausführt:
(a, b) ((c, d) (e, f ))
= (a, b) (ce − df, cf + de)
= (a(ce − df ) − b(cf + de), a(cf + de) + b(ce − df ))
= (ace − adf − bcf − bde, acf + ade + bce − bdf )
• Schließlich ist auch das Distributivgesetz erfüllt:
(a, b) ((c, d) ⊕ (e, f ))
= (a, b) (c + e, d + f )
= (a(c + e) − b(d + f ), a(d + f ) + b(c + e))
= (ac + ae − bd − bf, ad + af + bc + be)
Die ausmultiplizierte Form liefert dasselbe Resultat:
(a, b) (c, d) ⊕ (a, b) (e, f )
= (ac − bd, ad + bc) ⊕ (ae − bf, af + be)
= (ac − bd + ae − bf, ad + bc + af + be)
Da C also ein Körper ist, sind die Elemente von C wirklich Zahlen.
c Mario Laux
�
5.2 Eigenschaften komplexer Zahlen
65
5.1.4 Schreibweise (kartesische Schreibweise komplexer Zahlen)
Man verwendet für Addition und Multiplikation in C die üblichen Symbole
»+« und » · «. Man schreibt abkürzend (x, 0) = x und (0, 1) = i. Die Zahl i
nennt man imaginäre Einheit. Es gilt
i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1.
Für eine beliebige komplexe Zahl (a, b) ergibt sich damit die Schreibweise
(a, b) = (a, 0) + (0, 1) · (b, 0) = a + ib.
5.1.5 Beispiel (Rechnen mit komplexen Zahlen)
Wir berechnen beispielhaft die dritte Potenz einer komplexen Zahl:
√
√
√
√
( 3 i − 1)3 = ( 3 i − 1)( 3 i − 1)( 3 i − 1)
√
√
√
= (−3 − 3 i − 3 i + 1)( 3 i − 1)
√
√
= (−2 − 2 3 i)( 3 i − 1)
√
√
= −2 3 i + 2 + 6 + 2 3 i
=8
Natürlich erhält man dasselbe Resultat in der Paar-Schreibweise:
√
√
√
√
(−1, 3)3 = (−1, 3) · (−1, 3) · (−1, 3)
√
√
√
= (1 − 3, − 3 − 3) · (−1, 3)
√
√
= (−2, −2 3) · (−1, 3)
√
√
= (2 + 6, −2 3 + 2 3)
= (8, 0)
Ab nun werden wir die Paar-Schreibweise nicht mehr verwenden.
5.1.6 Proposition (Anordnung komplexer Zahlen)
Der Körper C ist nicht angeordnet.
ohne Beweis. Man kann zeigen, dass in jedem angeordneten Körper a2 ≥ 0
für alle Zahlen a gelten muss. Dies steht im Widerspruch zu i2 = −1 < 0. Die
genannten Argumente sind Konsequenzen der grundlegenden Eigenschaften
einer Ordnungsrelation <.
5.2 Eigenschaften komplexer Zahlen
5.2.1 Definition (Real- und Imaginärteil, komplex konjugierte Zahl)
Sind a, b ∈ R und z = a + ib eine komplexe Zahl, so nennt man a den Realteil
und b den Imaginärteil von z. Man schreibt a = Re(z) und b = Im(z). Ferner
nennt man z := a − ib die zu z komplex konjugierte Zahl.
c Mario Laux
�
66
5 Die komplexen Zahlen
Im
b
z
|z |
Re
a
O
−b
z
Abbildung 5.1 – Eine komplexe Zahl z = a +
ib lässt sich mit einem Punkt der Gauß’schen
Zahlenebene identifizieren.
5.2.2 Definition (Betrag komplexer Zahlen)
Es sei z ∈ C. Dann heißt die nicht-negative reelle Zahl
|z| :=
q
Re2 (z) + Im2 (z)
der Betrag von z. Diese Definition ist nach Proposition 1.4.7 konsistent zum
Betragsbegriff für reelle Zahlen.
5.2.3 Bemerkung (Gauß’sche Zahlenebene)
Da eine komplexe Zahl durch ein Paar reeller Zahlen charakterisiert wird, lassen
sich die Punkte eines zweidimensionalen Koordinatensystems mit komplexen
Zahlen identifizieren wie es in Abb. 5.1 gezeigt ist. Der Betrag einer komplexen
Zahl entspricht anschaulich dem Abstand des entsprechenden Punktes vom
Ursprung.
5.2.4 Satz (Rechenregeln für komplexe Zahlen)
Für komplexe Zahlen z, z1 , z2 ∈ C gelten die folgenden Rechenregeln:
(C1) Re(z) = 12 (z + z)
(C2) Im(z) =
1
2i
(z − z)
(C3) |z|2 = |z 2 | = z z
(C4) z1 + z2 = z1 + z2 und z1 z2 = z1 · z2
(C5) |z1 z2 | = |z1 | · |z2 |
(C6) |z1 + z2 | ≤ |z1 | + |z2 |
Beweis. Es seien z = a + ib mit a, b ∈ R und z1 , z2 entsprechend. Man findet
durch Nachrechnen:
(C1)
1
2
(z + z) = 12 (a + ib + a − ib) = a = Re(z)
(C2)
1
2i
(z − z) =
1
2i
(a + ib − a + ib) = b = Im(z)
c Mario Laux
�
5.2 Eigenschaften komplexer Zahlen
67
(C3) Einerseits gilt:
|z 2 | = |(a + i b)2 | = |(a2 − b2 ) + i (2ab)| =
q
(a2 − b2 )2 + (2ab)2
=
q
(a2 + b2 )2
= |z|2
Andererseits erhält man:
z z = (a + ib)(a − ib) = a2 − i ab + i ab + b2 = |z|2
(C4) Die Aussage für die Addition ist offensichtlich. Für das Produkt erhalten
wir:
z1 z2 = (a1 + ib1 )(a2 + ib2 ) = (a1 a2 − b1 b2 ) + i (b1 a2 + a1 b2 )
= (a1 a2 − b1 b2 ) − i (b1 a2 + a1 b2 )
= (a1 − ib1 )(a2 − ib2 )
= z1 · z2
(C5) Für die Quadrate ergibt sich:
|z1 z2 |2 = z1 z2 z1 z2 = z1 z1 z2 z2 = |z1 |2 |z2 |2 = (|z1 | |z2 |)2
Demnach gilt auch |z1 z2 | = |z1 | |z2 |.
(C6) Wir zeigen zunächst, dass |z1 z2 | ≥ Re(z1 z2 ):
|z1 z2 |2 = |z1 z2 |2
= Re2 (z1 z2 ) + Im2 (z1 z2 )
≥ Re2 (z1 z2 )
Nun zeigen wir die Behauptung:
|z1 + z2 |2 = (z1 + z2 )(z1 + z2 )
= z1 z1 + z1 z2 + z2 z1 + z2 z2
= |z1 |2 + |z2 |2 + z1 z2 + z1 z2
= |z1 |2 + |z2 |2 + 2 Re(z1 z2 )
≤ |z1 |2 + |z2 |2 + 2 |z1 z2 |
= (|z1 | + |z2 |)2
Auch die komplexen Zahlen erfüllen also die Dreiecksungleichung.
5.2.5 Bemerkung (Übertragbarkeit der Grenzwertbegriffe)
Die komplexen Zahlen lassen sich nach Proposition 5.1.6 untereinander nicht
durch eine Ordnungsrelation vergleichen. Die Konvergenzbegriffe für Folgen
und Funktionen erfordern aber lediglich die Vergleichbarkeit von Beträgen bzw.
Abständen. Da der Betragsbegriff für komplexe Zahlen dieselben Abschätzungen
ermöglicht wie der für reelle Zahlen, behalten die wesentlichen Aussagen und
Beweise der vorangegangenen Kapitel auch für komplexe Zahlen ihre Gültigkeit.
c Mario Laux
�
68
5 Die komplexen Zahlen
5.2.6 Beispiel (komplexe Brüche)
Für jede komplexe Zahl z gilt zz = |z|2 . Insbesondere ist zz eine reelle Zahl. Dies
liefert eine Möglichkeit, Brüche aus komplexen Zahlen in Real- und Imaginärteil
zu zerlegen:
3+i
(3 + i)(1 + 2i)
3 + 6i + i − 2
1 + 7i
1 7
=
=
=
= + i
1 − 2i
(1 − 2i)(1 + 2i)
1 + 2i − 2i + 4
5
5 5
5.3 Die komplexe Exponentialfunktion
5.3.1 Bemerkung (komplexe Exponentialfunktion)
Die Exponentialfunktion ist über die Reihe
exp(x) =
∞
X
xk
k=0 k!
definiert (vgl. Satz und Definition 3.3.2). Natürlich lässt sich exp(x) damit auch
für x ∈ C berechnen. Das Exponentialgesetz und der zugehörige Beweis sind
auch für komplexe Zahlen gültig.
5.3.2 Proposition (Nullstellenfreiheit von exp)
Es gilt exp(x) 6= 0 für alle x ∈ C.
Beweis. Die Aussage ist wegen exp(x) · exp(−x) = 1 klar.
5.3.3 Satz (Euler-Formel)
Es gilt für alle x ∈ C
eix = cos(x) + i sin(x).
Beweis. Zum Beweis betrachtet man die Reihe der Exponentialfunktion und
sortiert deren Summanden um; da die Exponentialreihe absolut konvergiert, ist
dies nach Satz 2.4.13 erlaubt:
x2
x 3 x4
x5
−i
+
+i
∓ ...
2!
3! ! 4!
5!
!
x 2 x4
x3 x5
= 1−
+
∓ ... + i · x −
+
∓ ...
2!
4!
3!
5!
eix = 1 + i x −
= cos(x) + i sin(x)
5.3.4 Beispiel (versteckte Ästhetik)
Einen bekannten Spezialfall der Euler-Formel erhält man an der Stelle π.
Man findet einen einfachen Zusammenhang der bedeutenden mathematischen
Konstanten 0, 1, e, i und π:
eiπ + 1 = 0
c Mario Laux
�
5.3 Die komplexe Exponentialfunktion
69
5.3.5 Satz (Darstellungen für Sinus und Kosinus)
Es gelten für alle x ∈ C folgende Darstellungen:
1 ix
e + e−ix
2
1 ix
e − e−ix
sin(x) =
2i
cos(x) =
Beweis. Man erhält durch Nachrechnen für den Kosinus:
1
2
eix + e−ix =
1
2
cos(x) + i sin(x) + cos(−x) + i sin(−x)
=
1
2
cos(x) + i sin(x) + cos(x) − i sin(x)
= cos(x)
Für den Sinus funktioniert der Beweis analog.
5.3.6 Satz (trigonometrischer Pythagoras)
Es gilt für alle x ∈ C
sin2 (x) + cos2 (x) = 1.
Beweis. Einsetzen liefert:
sin2 (x) + cos2 (x) =
h
1
2i
eix − e−ix
i2
+
h 1
2
= − 14 e2ix − 2 + e−2ix +
= 12 +
=1
eix + e−ix
1
4
i2
e2ix + 2 + e−2ix
1
2
5.3.7 Proposition (Additionstheoreme)
Es gelten für alle x, y ∈ C die Additionstheoreme:
sin(x + y) = sin(x) cos(y) + cos(x) sin(y)
cos(x + y) = cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y)
Beweis. Wir zeigen das Additionstheorem für den Kosinus:
cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y)
eix + e−ix eiy + e−iy eix − e−ix eiy − e−iy
·
−
·
2
2
2i
2i
i(x+y)
i(x−y)
i(−x+y)
−i(x+y)
e
+e
+e
+e
+ ei(x+y) − ei(x−y) − ei(−x+y) + e−i(x+y)
=
4
ei(x+y) + e−i(x+y)
=
2
=
= cos(x + y)
c Mario Laux
�
70
5 Die komplexen Zahlen
Im
1
eiϕ
sin(ϕ)
ϕ
O
cos(ϕ) 1
Re
Abbildung 5.2 – Die Reihendefinitionen der
trigonometrischen Funktionen lassen sich mithilfe der Euler-Formel auf die Definitionen am
Einheitskreis zurückführen.
Für den Sinus funktioniert der Beweis analog.
5.3.8 Proposition (komplexer Einheitskreis)
Für alle reellen Zahlen ϕ ∈ R gelten:
eiϕ = e−iϕ
|eiϕ | = 1.
Beweis. Mit den Identitäten sin(−x) = − sin(x) und cos(−x) = cos(x) lässt
sich die komplex konjugierte Zahl zu eiϕ für ϕ ∈ R bestimmen:
eiϕ = cos(ϕ) + i sin(ϕ) = cos(ϕ) − i sin(ϕ) = cos(−ϕ) + i sin(−ϕ) = e−iϕ
Damit erhält man für das Betragsquadrat:
|eiϕ |2 = eiϕ · eiϕ = eiϕ · e−iϕ = eiϕ+(−iϕ) = e0 = 1
Da der Betrag nicht-negativ ist, gilt also |eiϕ | = 1.
5.3.9 Bemerkung (Sinus und Kosinus am Einheitskreis)
Trägt man eiϕ für vorgegebenes ϕ ∈ R in der Gauß’schen Zahlenebene ein,
so liegt der zugehörige Punkt stets auf dem Einheitskreis wie es in Abb. 5.2
gezeigt ist. Die reelle Zahl ϕ lässt sich als Winkel interpretieren.
5.3.10 Bemerkung (Winkel in Bogen- und Gradmaß)
Ein Winkel ist nichts anderes als eine reelle Zahl. Wie man anhand von Abb. 5.3
sehen kann, lässt sich ein Winkel ϕ als Länge eines Einheitskreisbogens zwischen
den Punkten e0 = 1 und eiϕ verstehen. Das historisch etablierte Gradmaß für
Winkel ist für die Anwendungen der Mathematik meistens ungünstig und wird
nur sehr selten verwendet.
5.3.11 Bemerkung (Funktionswerte von sin, cos und tan)
Durch geometrische Überlegungen am Einheitskreis können die Funktionswerte
der trigonometrischen Funktionen für bestimmte Winkel exakt angegeben
werden; eine Auswahl findet sich in Tab. 5.1.
c Mario Laux
�
5.3 Die komplexe Exponentialfunktion
71
Im
π
e2i
π
3π
1+i
√
2
e4i =
e4i
Bogenlänge π4
eπi
e0
Re
komplex
konjugieren
π
3π
e− 4 i
e− 4 i
Abbildung 5.3 – Einige Funktionswerte der komplexen Exponentialfunktion
π
e− 2 i
x
180◦
π
0
· x 0◦
sin(x)
0
cos(x)
1
tan(x)
0
π
6
◦
30
1
2
√
1
3
2
√
1
3
3
π
4
◦
45
√
1
2
2
√
1
2
2
1
π
3
◦
π
2
◦
60
√
1
3
2
90
1
0
√2
3
1
—
2π
3
◦
120
√
1
3
2
− 21
√
− 3
3π
4
◦
5π
6
◦
135
150
√
1
1
2
2
2
√
√
1
1
−2 2 −2 3
√
−1
− 13 3
π
180◦
0
−1
0
Tabelle 5.1 – Funktionswerte der trigonometrischen Funktionen für ausgewählte
Winkel
c Mario Laux
�
72
5 Die komplexen Zahlen
Im
z = |z| eiϕ
1
eiϕ
ϕ
O
1
|z|
Re
Abbildung 5.4 – Jede komplexe Zahl z besitzt
eine Darstellung der Form z = |z| eiϕ mit einem
geeigneten Winkel ϕ.
5.4 Polardarstellung komplexer Zahlen
5.4.1 Motivation (Darstellung komplexer Zahlen)
Bisher hatten wir komplexe Zahlen durch Angabe von Real- und Imaginärteil
charakterisiert. Die Lage eines Punktes in der Gauß’schen Zahlenebene lässt sich
aber auch durch einen Winkel sowie den Abstand zum Ursprung charakterisieren
wie dies in Abb. 5.4 gezeigt ist. Der Abstand zum Ursprung ist durch den Betrag
der komplexen Zahl gegeben. Der Winkel lässt sich aus Real- und Imaginärteil
berechnen.
5.4.2 Definition (Argument)
Seien x, y ∈ R und z = x + iy eine komplexe Zahl. Dann heißt


arctan( xy )






arctan( xy ) + π





arctan( y ) − π
arg(z) :=  π
x


2


 π

−


 2

0
falls
falls
falls
falls
falls
falls
x>0
x < 0, y
x < 0, y
x = 0, y
x = 0, y
x = 0, y
≥0
<0
>0
<0
=0
das Argument der komplexen Zahl z.
5.4.3 Proposition (Wertebereich des Arguments)
Es gilt arg(z) ∈ (−π, π] für alle z ∈ C.
Beweis. Sei a ∈ R. Ist a ≤ 0, so gilt − π2 < arctan(a) ≤ 0. Ist a > 0, so gilt
0 < arctan(a) < π2 . Dies zeigt die Behauptung.
5.4.4 Satz (Polardarstellung)
Für alle z ∈ C gilt
z = |z| ei arg(z) .
c Mario Laux
�
5.5 Quadratische Gleichungen
73
Beweis. Die Fälle mit x = 0 sind klar; sei also x =
6 0. Wir betrachten zunächst
π
π
allgemein einen Winkel ϕ ∈ R mit − 2 < ϕ < 2 . Man bestätigt leicht, dass
tan2 (ϕ)
sin (ϕ) =
1 + tan2 (ϕ)
1
cos2 (ϕ) =
1 + tan2 (ϕ)
2
gelten. Wir zeigen die Behauptung nun für den Fall x > 0, y ≥ 0. Sei dazu
ϕ = arg(z) = arctan( xy ), sodass nun 0 ≤ ϕ < π2 . Für diese Winkel sind sin, cos
und tan allesamt nicht-negativ. Mit tan(ϕ) = xy erhalten wir:
ei arg(z) = eiϕ = cos(ϕ) + i sin(ϕ)
1
tan(ϕ)
=q
+iq
1 + tan2 (ϕ)
1 + tan2 (ϕ)
=q
y
x
1
+iq
2
2
1 + xy 2
1 + xy 2
x
y
√
=√ 2
+
i
x + y2
x2 + y 2
x + iy
=√ 2
x + y2
z
=
|z|
Dies bestätigt die Aussage. Die übrigen Fälle beweist man analog.
5.4.5 Beispiel (Polardarstellung berechnen)
√
Wir betrachten nochmals die komplexe Zahl z = 3 i − 1. Der Betrag ergibt
sich zu
r
√ 2
|z| = (−1)2 + 3 = 2.
Das Argument erhalten wir zu
√ !
3
π
2π
arg(z) = arctan
.
+π =− +π =
−1
3
3
√
2π
Damit gilt z = 3 i − 1 = 2 e 3 i . Nun berechnet sich beispielsweise die dritte
Potenz von z sehr einfach:
2π
z3 = 2 e 3 i
3
= 23 e2πi = 23 · 1 = 8
5.5 Quadratische Gleichungen
5.5.1 Definition (quadratische Gleichung)
Unter einer quadratischen Gleichung versteht man eine Gleichung der Form
ax2 + bx + c = 0 mit Koeffizienten a, b, c ∈ C und a 6= 0.
c Mario Laux
�
74
5 Die komplexen Zahlen
5.5.2 Satz (Lösungsformel für quadratische Gleichungen)
Alle Lösungen der quadratischen Gleichung ax2 + bx + c = 0 sind gegeben
durch
q
i
b
b2 − 4ac
x± = − ± |Q| · e 2 ·arg(Q) wobei Q =
.
2a
4a2
Beweis. Es seien a, b, c ∈ C und a 6= 0. Wir stellen zunächst fest, dass
2
b
x+
2a
⇔
ax + bx + c = 0
!2
= Q.
Im Prinzip müssen wir nun alle komplexen Zahlen finden, deren Quadrat Q
ergibt. Dazu zeigen wir folgende Äquivalenz:
z2 = Q
⇔
q
i
z = ± |Q| · e 2
arg(Q)
Für Q = 0 ist die Aussage klar; betrachte nun den Fall Q 6= 0.
»⇐«: Wir erhalten durch Einsetzen
q
± |Q| · e
i
2
arg(Q)
2
= |Q| · ei arg(Q) = Q.
Es gibt für Q 6= 0 also mindestens zwei verschiedene Lösungen der
Gleichung.
»⇒«: Seien z1 , z2 ∈ C Lösungen der Gleichung z 2 = Q. Wegen 0 = z12 − z22 =
(z1 + z2 )(z1 − z2 ) muss entweder z1 = z2 oder z1 = −z2 gelten. Lösungen
können sich also nur im Vorzeichen unterscheiden, sodass es höchstens
zwei verschiedene geben kann – dies müssen also die beiden angegebenen
sein.
b
Setzen wir nun z = x+ 2a
, so erhalten wir die beiden Lösungen der quadratischen
Gleichung:
q
i
b
x± = − ± |Q| · e 2 arg(Q)
2a
Abb. 5.5 zeigt die Lage der Lösungen in der Gauß’schen Zahlenebene.
5.5.3 Bemerkung (Lösungsformel für reelle Koeffizienten)
Für den einfacheren Fall a, b, c ∈ R ist offenbar Q ∈ R. Ist Q ≥ 0, so ist
arg(Q) = 0; ist Q < 0, so gilt arg(Q) = π. Wegen
i
i
e 2 ·0 = 1 und e 2 ·π = i
haben die Lösungen der quadratischen Gleichung im Fall reeller Koeffizienten
die Darstellung
q
 Q
falls Q ≥ 0
b
x± = − ± q
2a i |Q| falls Q < 0.
c Mario Laux
�
5.6 Der komplexe Logarithmus
Im
75
x+
arg(Q)
2
b
− 2a
q
|Q|
x−
Re
Abbildung 5.5 – In der Gauß’schen Zahlenebene liegen die beiden Lösungen einer quadratischen
Gleichung einander
auf einem Kreis um −b/(2a)
p
mit Radius |Q| gegenüber.
5.5.4 Beispiel (quadratische Gleichung lösen)
Wir betrachten die quadratische Gleichung
2(1 + i)x2 + 4x + 3(i − 1) = 0.
Wir berechnen zunächst
Q=
b2 − 4ac
16 − 4 · 2(1 + i) · 3(i − 1)
64
=
=
= −2i.
2
2
4a
4 · 4(1 + i)
32i
Es gilt also |Q| = 2 und arg(Q) = − π2 . Damit ergeben sich die Lösungen der
quadratischen Gleichung zu
x± = −
√
π
4
± | 2 ·{ze− 4 ·i}
4(1 + i)
= 1−i
Zusammengefasst erhalten wir also die Lösungen x+ = 12 − 12 i und x− = − 32 + 32 i.
5.6 Der komplexe Logarithmus
5.6.1 Bemerkung (Periodizität der Exponentialfunktion)
Wir hatten gesehen, dass beispielsweise
1 = e0 = e2πi = e4πi = . . .
gilt. Demzufolge kann die komplexe Exponentialfunktion exp : C → C\{0}
nicht invertierbar sein. Ähnlich wie bei den trigonometrischen Funktionen kann
der Definitionsbereich so eingeschränkt werden, dass die Exponentialfunktion
invertierbar wird.
5.6.2 Satz und Definition (komplexer Logarithmus)
Sei S := {x ∈ C : −π < Im(x) ≤ π}. Dann ist exp : S → C\{0}
invertierbar. Die Umkehrfunktion heißt komplexer Logarithmus. Es gilt für
alle x ∈ C\{0}
ln(x) = ln(|x|) + i arg(x).
c Mario Laux
�
76
5 Die komplexen Zahlen
Beweis. Zunächst sind die Bildbereiche zu überprüfen. Offensichtlich bildet
exp auf C\{0} ab. Wegen ln(|x|) ∈ R und −π < arg(x) ≤ π bildet ln wirklich
nach S ab.
Nun ist nachzuweisen, dass ln wirklich die Inverse von exp ist. Sei dafür
zunächst x ∈ C\{0} beliebig:
eln(x) = eln(|x|)+i arg(x)
= eln(|x|) · ei arg(x)
= |x| ei arg(x)
=x
Also gilt exp ◦ ln = idC\{0} . Sei nun umgekehrt x ∈ S beliebig, wobei x = a + ib
mit a, b ∈ R gelte. Dann erhalten wir:
ln(ex ) = ln(|ea+ib |) + i arg(ea+ib )
= ln(|ea | · |eib |) + i arg(ea eib )
= ln(ea ) + ib
= a + ib
=x
Demnach gilt auch ln ◦ exp = idS .
5.6.3 Beispiel (Funktionswerte des komplexen Logarithmus’)
Aus der Definition erhält man leicht, dass
ln(1) = 0
e0 = 1
ln(i) = π2 i
ln(−1) = iπ
e2i = i
eiπ = −1
π
Es ist allerdings Vorsicht geboten, denn beispielsweise gilt e2πi = 1, aber
trotzdem ist ln(1) = 0.
5.6.4 Bemerkung (Schaubild des komplexen Logarithmus’)
Komplexe Funktionen lassen sich nicht wie üblich in einem zweidimensionalen
Schaubild darstellen. Abb. 5.6 zeigt die stattdessen gewählte Darstellungsform.
5.7 Potenzen
5.7.1 Satz und Definition (Potenz)
Seien x, a ∈ C. Ist x 6= 0 oder Re(a) > 0 oder a = 0, so setzt man:
a
x :=

a ln(x)


e



0
1
falls x 6= 0
falls x = 0 und Re(a) > 0
falls x = 0 und a = 0
Diese Definition ist konsistent zu den bisherigen.
c Mario Laux
�
5.7 Potenzen
77
Im
Im
exp
b
π
b
Re
O
−π
O
er
Re
r
ln
Abbildung 5.6 – Die Exponentialfunktion bildet einen 2π breiten Streifen der
Gauß’schen Zahlenebene invertierbar auf die komplexen Zahlen ohne 0 ab.
Beweis. Die Fälle für x = 0 sind klar. Sei also x =
6 0. Ist a ∈ N so gilt wie
bisher
xa = ea ln(x) = e| ln(x) · eln(x){z· . . . · eln(x)} = x
| · x ·{z. . . · x} .
a-mal
a-mal
Ferner gilt wie bisher
x−a = e−a ln(x) =
1
ea ln(x)
=
1
.
xa
Also stellt die Definition eine konsistente Verallgemeinerung des Potenzbegriffs
dar.
5.7.2 Proposition (Quadratwurzel als Potenz)
√
Es gilt x1/2 = x für alle x ∈ R+
0.
Beweis. Für x = 0 ist die Aussage klar; sei also nun x > 0. Dann ist auch
x1/2 > 0. Ferner gilt
(x1/2 )2 = x1/2 · x1/2 = eln(x)/2 · eln(x)/2 = eln(x) = x.
Aufgrund der in Satz und√Definition 1.4.5 gezeigten Eindeutigkeit der Quadratwurzel muss also x1/2 = x gelten.
5.7.3 Bemerkung (Wurzelschreibweise für komplexe Zahlen)
√
Man könnte für komplexe Zahlen x := x1/2 definieren
und so die Quadrat√
+
wurzel von R0 auf ganz C fortsetzen. Dann wäre −1 = eln(−1)/2 = eiπ/2 = i.
Allerdings würden für die so fortgesetzte Wurzel die Wurzelgesetze aus Satz
1.4.8 nicht mehr gelten, denn beispielsweise wäre
q
−1 ·
q
−1 = i · i = −1 6= 1 =
q
(−1) · (−1).
Es empfiehlt sich also, die Wurzelschreibweise nur für nicht-negative reelle
Zahlen zu verwenden.
c Mario Laux
�
78
5 Die komplexen Zahlen
5.7.4 Satz (Ableitung von Potenzfunktionen)
Die Ableitung der Funktion f (x) = xr für r ∈ C ist für alle x ∈ C\{0}
gegeben durch
f 0 (x) = r · xr−1 .
Ist Re(r) > 1 oder r = 1, so gilt dieser Zusammenhang auch für x = 0.
Beweis. Für x 6= 0 folgt zunächst mit der Kettenregel:
(xr )0 = (er ln(x) )0
= er ln(x) · (r ln(x))0
r
= er ln(x) ·
x
r
r ln(x)
=e
· ln(x)
e
(r−1) ln(x)
= re
= r xr−1
Sei nun r = a + i b mit a, b ∈ R und a > 1. Dann folgt für die Ableitung an der
Stelle x = 0:
|f 0 (0)| =
=
=
=
=
=
hr − 0r lim h→0
h hr lim h→0 h er ln(h) lim ln(h) h→0 e
lim e(r−1) ln(h) h→0
lim e(a−1+ib)(ln(|h|)+i arg(h)) h→0
"
#
(a−1) ln(|h|) −b arg(h) i(b ln(|h|)+(a−1) arg(h)) · e
lim e
· e
h→0 |
{z
} | {z } |
{z
}
→0
<∞
=1
=0
Also gilt f 0 (0) = 0 = r · 0r−1 , da Re(r − 1) > 0 wegen Re(r) > 1. Für r = 1 gilt
schließlich f 0 (0) = 1 = 1 · 00 .
c Mario Laux
�
Übungsblatt 5 – Die komplexen Zahlen
A5.1 – Berechnen Sie zu z =
plex konjugierte Zahl z.
1
1+i
die kom-
A5.2 – Bestimmen Sie Real- und Imaginär1+i
teil von z = 2−3i
. Berechnen Sie |z|.
A5.3 – Geben Sie z = 1 + i in Polardarstellung an und zeigen Sie, dass z 100 ∈ R.
A5.4 – Berechnen Sie die Polardarstellungen der folgenden komplexen Zahlen:
√
z1 = 12 (1 + 3 i)
z2 =
√1 (i
2
− 1)
Wo liegen z1 und z2 in der Gauß’schen Zahlenebene? Entscheiden Sie ohne Rechnung,
wo das Produkt z1 · z2 liegt.
A5.5 – Zeigen Sie, dass für alle x ∈ C folgende Beziehungen gelten:
sin(ix) = i sinh(x)
cos(ix) = cosh(x)
A5.6 – Zeigen Sie, dass
sin( π2 − i ln(2 +
√
3)) = 2.
A5.7 – Zeigen Sie die Halbwinkelformel
sin2 ( x2 ) = 12 (1 − cos(x))
für alle x ∈ C. Bestimmen Sie hiermit den
π
exakten Wert von sin( 12
).
A5.8 – Lösen Sie die quadratischen Gleichungen
x2 − 4x + 5 = 0 und x2 + 4x + 2 =
√
2i 3.
A5.9 – Gegeben sei die Funktion f : R+ →
R mit f (x) = xx . Bestimmen Sie f 0 .
A5.10* – Zeigen Sie, dass für alle x ∈ R
folgende Darstellung gilt:
1 − ix
i
ln
2
1 + ix
arctan(x) =
A5.11* – Gilt das reelle Logarithmengesetz ln(x · y) = ln(x) + ln(y) auch für alle
komplexen Zahlen x, y 6= 0?
c Mario Laux
�
c Mario Laux
�
6 Differentialgleichungen
6.1 Homogene lineare Differentialgleichungen
6.1.1 Vereinbarung (Formulierung von Differentialgleichungen)
Wir betrachten im Folgenden Gleichungen wie beispielsweise f 00 = f , die
Funktionen zu ihren Ableitungen in Beziehung setzen. Diese Gleichungen nennen
wir Differentialgleichungen (DGL). Die Lösungen von DGL sind demnach
Funktionen. Anstatt
»Eine Lösung f : C → C der DGL f 00 = f ist f = cosh«
sagt man oft
»f (x) = cosh(x) ist eine Lösung der DGL f 00 (x) = f (x)«
und unterdrückt die Angabe eines Definitionsbereichs und verzichtet auch auf
den Zusatz, dass die DGL an allen Stellen x des Definitionsbereichs erfüllt sein
soll.
6.1.2 Satz (homogene lineare DGL erster Ordnung)
Sei λ ∈ C. Alle Lösungen der DGL
f 0 (x) = λ · f (x)
sind von der Form f (x) = A · eλx , wobei A ∈ C eine beliebige Konstante ist.
Beweis. Dass f (x) = A eλx die DGL löst, sieht man leicht durch Einsetzen.
Zu zeigen bleibt, dass alle Lösungen von dieser Form sind. Sei hierzu f eine
beliebige Lösung. Wir leiten nun mithilfe der Produktregel (vgl. Satz 4.2.2) ab:
f (x) e−λx
0
= f 0 (x) e−λx − λ f (x) e−λx = (f 0 (x) − λ f (x)) e−λx = 0
Daher ist f (x) e−λx konstant, womit die Behauptung folgt.
c Mario Laux
�
82
6 Differentialgleichungen
6.1.3 Satz (homogene lineare DGL zweiter Ordnung)
Es sei zu a, b, c ∈ C, a 6= 0 die DGL
a f 00 (x) + b f 0 (x) + c f (x) = 0
gegeben. Man nennt aλ2 + bλ + c = 0 die charakteristische Gleichung der
DGL.
i. Hat die charakteristische Gleichung zwei verschiedene Lösungen λ1 und
λ2 , so sind alle Lösungen der DGL von der Form
f (x) = A eλ1 x + B eλ2 x ,
wobei A, B ∈ C beliebige Konstanten sind.
ii. Hat die charakteristische Gleichung nur eine Lösung λ1 , so sind alle
Lösungen der DGL von der Form
f (x) = (Ax + B) eλ1 x ,
wobei A, B ∈ C beliebige Konstanten sind.
Beweis. Wir zeigen zunächst, dass es sich jeweils unabhängig von der Wahl der
Konstanten A und B um Lösungen handelt:
i. Wir setzen f (x) = A eλ1 x + B eλ2 x in die DGL ein:
a f 00 (x) + b f 0 (x) + c f (x)
= a A λ21 eλ1 x + B λ22 eλ2 x + b A λ1 eλ1 x + B λ2 eλ2 x
+ c A eλ1 x + B eλ2 x
= (aλ21 + bλ1 + c) A eλ1 x + (aλ22 + bλ2 + c) B eλ2 x
|
{z
}
=0
|
{z
}
=0
ii. Nun setzen wir f (x) = (Ax + B) eλ1 x in die DGL ein; hierfür berechnen
wir die ersten beiden Ableitungen:
f 0 (x) = A eλ1 x + (Ax + B) λ1 eλ1 x
f 00 (x) = 2A λ1 eλ1 x + (Ax + B) λ21 eλ1 x
b
Wir wissen aus Satz 5.5.2, dass im Fall einer einzigen Lösung λ1 = − 2a
gelten muss. Damit erhalten wir:
a f 00 (x) + b f 0 (x) + c f (x)
= a 2A λ1 + (Ax + B) λ21 eλ1 x + b A + (Ax + B) λ1 eλ1 x
+ c Ax + B eλ1 x
h i
= A (aλ21 + bλ1 + c) x + 2aλ1 + b + B (aλ21 + bλ1 + c) eλ1 x
|
{z
=0
}
|
{z
=0
}
|
{z
=0
}
c Mario Laux
�
6.1 Homogene lineare Differentialgleichungen
83
Wir zeigen nun, dass alle Lösungen jeweils von der angegebenen Form sein
müssen. Es sei λ1 eine Lösung der charakteristischen Gleichung. Dann ist die
Funktion f1 (x) = eλ1 x in jedem Fall eine Lösung der DGL (im Fall i. für A = 1
und B = 0 und im Fall ii. für A = 0 und B = 1).
Sei f (x) nun eine beliebige Lösung der DGL. Da f1 (x) 6= 0 für alle x ∈ C,
können wir die Funktion z : C → C mit
z(x) :=
f (x)
f1 (x)
betrachten. Wir leiten nun her, von welcher Form die Funktion z in den beiden
Fällen ist: Es gilt f (x) = z(x) · f1 (x). Für die ersten beiden Ableitungen von f
erhalten wir damit (der Übersichtlichkeit wegen unterdrücken wir »(x)« in der
Notation):
f 0 = z 0 f1 + zf10
f 00 = z 00 f1 + 2z 0 f10 + zf100
Eingesetzt in die DGL erhalten wir:
0 = a f 00 + b f 0 + c f
= a(z 00 f1 + 2z 0 f10 + zf100 ) + b(z 0 f1 + zf10 ) + c zf1
= z 00 · (af1 ) + z 0 · (2af10 + bf1 ) + z · (af100 + bf10 + cf1 )
|
{z
}
= az 00 eλ1 x + z 0 (2aλ1 + b)eλ1 x
=0
Wir setzen nun u(x) = z 0 (x) und schließen, dass u die DGL
!
0
au (x) + (2aλ1 + b)u(x) = 0
⇔
b
u(x)
u (x) = − 2λ1 +
a
0
|
{z
=: p
}
erfüllen muss. u genügt also einer homogenen linearen DGL ersten Grades und
ist entsprechend Satz 6.1.2 also von der Form u(x) = k epx mit einer Konstanten
k ∈ C. Nun unterscheiden wir wieder die beiden Fälle:
i. Hat die charakteristische Gleichung zwei verschiedene Lösungen, so ist
b
λ1 6= − 2a
, weswegen p =
6 0. Wegen u(x) = z 0 (x) und p 6= 0 ist z also von
der Form
z(x) = B epx + A
mit B = k/p und einem A ∈ C. Also muss die Funktion f von folgender
Form sein:
f (x) = z(x) · f1 (x) = (B epx + A) · eλ1 x = B e(p+λ1 )x + A eλ1 x
Wir zeigen schließlich noch, dass λ2 := p + λ1 6= λ1 die zweite Lösung der
charakteristischen Gleichung ist; wir bestätigen dies durch Einsetzen:
aλ22 + bλ2 + c = a(p + λ1 )2 + b(p + λ1 ) + c
= aλ21 + bλ1 + c +p (ap + 2aλ1 + b)
|
{z
=0
}
|
{z
=0
}
c Mario Laux
�
84
6 Differentialgleichungen
ii. Hat die charakteristische Gleichung eine doppelte Lösung, so ist diese
b
λ1 = − 2a
, womit p = 0. In diesem Fall ist u(x) = k. Wegen u(x) = z 0 (x)
ist z also von der Form
z(x) = Ax + B
mit A = k und einem B ∈ C. Dies bedeutet für die Funktion f :
f (x) = z(x) · f1 (x) = (Ax + B) eλ1 x
6.2 Das gedämpfte Federpendel
6.2.1 Vereinbarung (Formelzeichen)
Wir verwenden im Folgenden die in Tab. 6.1 aufgeführten Symbole.
Symbol
Bedeutung
s
v
a
t
m>0
D≥0
k>0
τ >0
Q
s0
v0
ω>0
γ>0
Position des Pendelkörpers
Geschwindigkeit
Beschleunigung
Zeit seit Beobachtungsbeginn
Masse
Federkonstante
Dämpfungskonstante
Abklingzeit
Parameter der char. Gleichung
Startposition
Startgeschwindigkeit
Kreisfrequenz
Dämpfungsparameter
Einheit
m
m/s
m/s2
s
kg
kg/s2
kg/s
s
1/s2
m
m/s
1/s
1/s
Tabelle 6.1 – verwendete Symbole und deren Bedeutung zusammen mit der
jeweiligen physikalischen Einheit
6.2.2 Motivation (Bewegungsgleichung)
Wir suchen im Folgenden diejenige Funktion s(t), die die Position eines Pendelkörpers für alle Zeiten t beschreibt. Der Versuchsaufbau ist schematisch in
Abb. 6.1 gezeigt. Die Geschwindigkeit des Pendelkörpers sei mit v(t) bezeichnet,
D
m
s
s=0
Abbildung 6.1 – Ein Federpendel sei aus einem
Pendelkörper der Masse m > 0 und einer auf Zug
und Druck belastbaren Feder mit Federkonstante
D ≥ 0 aufgebaut. Der Schwerpunkt des Pendelkörpers liege in der Gleichgewichtslage bei s = 0.
die Momentanbeschleunigung mit a(t). Die Geschwindigkeit entspricht der
zeitlichen Änderung des Orts, also gilt v(t) = ṡ(t). Analog hierzu entspricht die
Beschleunigung der zeitlichen Änderung der Geschwindigkeit, sodass a(t) = s̈(t)
gilt.
c Mario Laux
�
6.2 Das gedämpfte Federpendel
85
Die Kraft F (t), die zum Zeitpunkt t auf den Pendelkörper wirkt, setzt sich
aus der rückstellenden Kraft FFeder und der Reibungskraft FReibung zusammen.
Es gilt demnach:
F (t) = m a(t) = FReibung + FFeder
Für die durch die Feder ausgeübte Kraft gilt FFeder = −D s(t). Die Reibung
nehmen wir als proportional zur Geschwindigkeit an; die Proportionalitätskonstante oder auch Dämpfungskonstante sei k > 0, sodass FReibung = −k v(t).
Die Kräfte müssen negatives Vorzeichen tragen, da sie der Auslenkung bzw.
der Geschwindigkeit entgegengerichtet sind. Durch Einsetzen erhält man eine
Differentialgleichung für s(t), welche auch Bewegungsgleichung des Federpendels
genannt wird:
m s̈(t) + k ṡ(t) + D s(t) = 0
6.2.3 Satz (Lösung der Bewegungsgleichung)
Seien m, k, D > 0, τ = 2m/k sowie s0 , v0 ∈ R gegeben. Dann gibt es genau
eine Lösung s : R → R der Bewegungsgleichung
m s̈(t) + k ṡ(t) + D s(t) = 0,
die s(0) = s0 und ṡ(0) = v0 erfüllt.
q
√
D
i. Ist k < 4mD (schwache Dämpfung), so gilt mit ω = m
−
k2
4m2
!
−t/τ
s(t) = e
ii. Ist k =
√
s0 /τ + v0
sin(ωt) .
s0 cos(ωt) +
ω
4mD (kritische Dämpfung), so gilt
−t/τ
s(t) = e
iii. Ist k >
s0
+ v0 · t .
s0 +
τ
q
√
k2
4mD (starke Dämpfung), so gilt mit γ = 4m
2 −
D
m
!
s(t) = e
−t/τ
s0 /τ + v0
s0 cosh(γt) +
sinh(γt) .
γ
Beweis. Wir führen den Beweis im Sinne einer Herleitung. Wir betrachten zur
Lösung der Bewegungsgleichung zunächst die charakteristische Gleichung
m λ2 + k λ + D = 0.
Wir definieren τ := 2m
und nennen τ die Abklingzeit der Pendelschwingung –
k
diese Bezeichnung wird später klar werden. Wir setzen außerdem wie in Satz
5.5.2
k 2 − 4mD
k2
D
Q :=
=
−
∈ R,
2
2
4m
4m
m
c Mario Laux
�
86
6 Differentialgleichungen
sodass die Lösungen der charakteristischen Gleichung gegeben sind durch
q
λ1,2
1  Q
falls Q ≥ 0
=− ± √
τ
i −Q falls Q < 0.
Damit kennen wir alle Lösungen der Bewegungsgleichung. Die beiden beliebig
wählbaren Konstanten werden durch die Startbedingungen s(0) = s0 und
v(0) = v0 festgelegt, sodass sich stets eine eindeutige Lösung ergibt. Nun
bringen wir die Lösung für die Fälle Q > 0, Q = 0 und Q < 0 noch auf eine
jeweils »schönere« Form.
√
i. (schwache Dämpfung) Sei Q < 0, d.h. k < 4mD. In diesem Fall lassen
sich die beiden Lösungen der charakteristischen Gleichung folgendermaßen
schreiben:
s
1
D
1
k2
= − ± iω
λ1,2 = − ± i
−
2
τ
m 4m
τ
{z
|
}
=ω
Es ist ω > 0 und natürlich λ1 6= λ2 . Für Ort und Geschwindigkeit ergeben
sich also folgende Lösungen:
s(t) = A eλ1 t + B eλ2 t
ṡ(t) = A λ1 eλ1 t + B λ2 eλ2 t
Die komplexe Exponentialfunktion lässt sich mithilfe der Euler’schen Identität (vgl. Satz 5.3.3) durch Sinus und Kosinus ausdrücken:
s(t) = e−t/τ A eiωt + B e−iωt
h
= e−t/τ A cos(ωt) + i sin(ωt) + B cos(ωt) − i sin(ωt)
h
= e−t/τ (A + B) cos(ωt) + i (A − B) sin(ωt)
i
i
Die Konstanten A, B ∈ C müssen wir nun noch an die Randbedingungen
s(0) = s0 = A + B und v(0) = v0 = Aλ1 + Bλ2 anpassen, was aber nicht
weiter schwierig ist. Man erhält dann die genannte Form für s.
√
ii. (kritische Dämpfung) Sei nun Q = 0, d.h. k = 4mD. In diesem Fall
besitzt die charakteristische Gleichung nur die Lösung λ1 = − τ1 . Für Ort
und Geschwindigkeit gelten also:
s(t) = (At + B) eλ1 t
ṡ(t) = A eλ1 t + (At + B) λ1 eλ1 t
Die Randbedingungen führen demnach auf s(0) = s0 = A sowie v(0) =
v0 = A + Bλ1 . Eingesetzt erhält man die genannte Darstellung für s.
√
iii. (starke Dämpfung) Sei schließlich Q > 0, d.h. k > 4mD. In diesem Fall
sind die Lösungen der charakteristischen Gleichung durch
λ1,2
1
=− ±
τ
s
|
k2
D
1
−
=− ±γ
2
4m
m
τ
{z
=γ
}
c Mario Laux
�
6.2 Das gedämpfte Federpendel
87
gegeben. Um die Lösung zu erhalten, müssen wir also lediglich in Teil i.
die Kreisfrequenz ω durch −iγ ersetzen. Einerseits gilt
ei(−iγt) + e−i(−iγt)
eγt + e−γt
cos(ωt) = cos(−iγt) =
=
= cosh(γt).
2
2
Andererseits ist
sin(ωt)
sin(−iγt)
ei(−iγt) − e−i(−iγt)
eγt − e−γt
sinh(γt)
=
=
=
=
.
ω
−iγ
2i · (−iγ)
2γ
γ
Durch diese Ersetzungen ergibt sich die genannte Form.
6.2.4 Bemerkung (Bewegung des Federpendels)
Zu den in Satz 6.2.3 berechneten Lösungen der Bewegungsgleichung bemerken
wir:
• Obwohl wir von vornherein eine rein reelle Funktion s(t) gesucht haben,
wurde komplex gerechnet. Durch die reellen Randbedingungen werden
die freien Parameter derart festgelegt, dass der Imaginärteil der Lösung
verschwindet.
• Alle Lösungen s(t) sind exponentiell durch den Faktor e−t/τ gedämpft. In
allen drei Fällen gilt s(t) → 0 für t → ∞.
• Nur bei schwacher Dämpfung tritt tatsächlich eine Schwingung auf. Für
kritische und starke Dämpfung ist jeweils (je nach Startbedingungen) nur
ein Durchgang durch die Gleichgewichtslage s = 0 möglich.
• Die Lösung für den Fall kritischer Dämpfung erhält man als Grenzfall ω →
0 aus i. bzw. γ → 0 aus iii. Über die Sinusreihe ergibt sich beispielsweise
3
ωt − (ωt)
± ...
ω 2 t3
sin(ωt)
3!
= lim
= lim t −
± . . . = t.
lim
ω→0
ω→0
ω→0
ω
ω
3!
!
In Abb. 6.2 sind die Lösungsfunktionen s(t) für die einzelnen Fälle skizziert.
c Mario Laux
�
88
6 Differentialgleichungen
a)
b)
s(t)
s0
2π
ω
s(t)
v0 > 0
s0
v0 = 0
v0 = −s0 /τ
v0 < −s0 /τ
O
t
O
t
Abbildung 6.2 – Qualitativer Verlauf der Weg-Zeit-Kurve eines a) schwach
und b) kritisch gedämpften Federpendels. Die kritische Dämpfung ist der Grenzfall zwischen periodischer und aperiodischer Bewegung. Ein stark gedämpftes
Pendel verhält sich qualitativ wie in b) gezeigt, kehrt jedoch langsamer zur
Gleichgewichtslage zurück. Die Kurven aus b) ergeben sich aus a) im Grenzfall
ω → 0.
c Mario Laux
�
Übungsblatt 6 – Differentialgleichungen
A6.1 – Finden Sie alle Lösungen der Differentialgleichung f 0 (x) + f (x) = 0.
A6.2 – Finden Sie alle Lösungen der Differentialgleichung f 00 (x) − 4f 0 (x) + 5f (x) = 0.
A6.3 – Finden Sie alle Lösungen der Differentialgleichung f 00 (x) + 2f 0 (x) + f (x) = 0.
A6.4 – Finden Sie diejenige Funktion, welche die Differentialgleichung f 00 (x)+f (x) =
0 unter den Randbedingungen f (0) = 1 und
f 0 (0) = 0 löst.
A6.5 – Finden Sie ein Polynom, welches
die Differentialgleichung p0 (x) + 2p(x) = x2
löst.
A6.6 – Betrachten Sie ein ungedämpftes
Federpendel mit Masse m > 0 und Federkonstante D > 0. Die Auslenkung s(t) genügt der DGL
ms̈(t) + Ds(t) = 0.
Zeigen Sie, dass die Energie
E(t) = 21 mṡ2 (t) + 12 Ds2 (t)
zeitlich konstant ist.
A6.7* – Betrachten Sie einen Körper der
Masse m > 0, welcher sich zu Beginn mit
der Geschwindigkeit v0 bewege. Diese Bewegung werde dann mit der Dämpfungskonstante k > 0 gebremst. Zeigen Sie, dass
sich der Körper nicht weiter als |v0 |m/k
vom Startpunkt entfernt.
c Mario Laux
�
c Mario Laux
�
7 Integralrechnung
7.0.1 Vereinbarung (Definitionsbereiche)
Im Folgenden bezeichne I ein reelles Intervall oder ganz R. Wir werden meist
stetige reellwertige Funktionen f : I → R betrachten.
7.1 Integrale stetiger Funktionen
7.1.1 Motivation (bestimmtes Integral stetiger Funktionen)
Wir wollen uns nun mit der Berechnung von Flächen beschäftigen, welche
durch Funktionsgraphen begrenzt werden. Die präzise Formulierung eines
Flächenbegriffs ist aufgrund der Vielfalt an Funktionen sehr kompliziert, was
in Abb. 7.1 illustriert wird. Wir machen daher direkt zu Beginn folgende
Vereinfachungen:
• Wir setzen anschauliche Eigenschaften von Flächen ohne Beweis oder
nähere Definition als gegeben voraus.
• Wir betrachten nur stetige reellwertige Funktionen, da unter »zusammenhängenden« Kurven eine anschauliche Fläche existiert.
7.1.2 Satz und Definition (bestimmtes Integral)
Seien f, g : I → R stetige Funktionen und a, b ∈ I. Für die Fläche A wie
sie in Abb. 7.1 gezeigt ist, verwenden wir die Integralschreibweise
Z b
A=
f (x) dx
a
und nennen A das bestimmte Integral von a bis b über f . Bestimmte Integrale
genügen den folgenden Rechenregeln:
(I1) Für alle Konstanten k ∈ R gilt
(I2) Es gilt
Rb
a (f (x)
+ g(x)) dx =
(I3) Ist c ∈ I, so gilt
Rb
a
Rb
f (x) dx =
a
Rb
a
k f (x) dx = k ·
f (x) dx +
Rc
a
Rb
f (x) dx +
a
Rb
a
f (x) dx.
g(x) dx.
Rb
c
f (x) dx.
ohne Beweis. Ohne eine präzise Definition können wir natürlich nichts beweisen.
Wir wollen die genannten Rechenregeln daher nur kommentieren:
c Mario Laux
�
92
7 Integralrechnung
f (x)
A
a
Abbildung 7.1 – Während unklar ist, ob bzw. wie man
der Dirichlet-Funktion d : R → R mit
x
b
(
d(x)
d(x) =
?
a
eine Fläche unter dem Graphen zuordnen kann, existiert
unter dem Graphen einer stetigen Funktion f stets eine
anschauliche Fläche A.
x
b
1 falls x ∈ Q
0 falls x ∈ R\Q
(I1) entspricht der Tatsache, dass das Strecken einer Fläche um einen Faktor
deren Inhalt um denselben Faktor ändert. Ferner legt diese Regel fest, dass
Flächen unterhalb der x-Achse negativ gezählt werden.
Die Regel (I2) spiegelt wider, dass sich ein Flächeninhalt als die Summe
zweier Teilflächen berechnen lässt. Ebenso verhält es sich mit Regel (I3), die
aber auch ein c ∈ I erlaubt, das nicht zwischen a und b liegt.
7.1.3 Proposition (Symmetrie des Integrals)
Sei f : I → R stetig und a, b ∈ I.
(I4) Es gelten
Ra
a
Rb
f (x) dx = 0 und
a
f (x) dx = −
Ra
b
f (x) dx.
Demnach zählen Flächen auch dann negativ, wenn sie »von rechts nach links«
überstrichen werden.
Beweis. Man erhält für c = a aus (I3)
Z b
f (x) dx =
a
womit also
Ra
a
Z a
f (x) dx +
a
Z b
f (x) dx,
a
f (x) dx = 0 gilt. Hiermit folgt die zweite Behauptung, da
0=
Z a
a
f (x) dx =
Z b
f (x) dx +
a
Z a
f (x) dx.
b
7.1.4 Definition (Stammfunktion)
Sei f : I → R stetig. Eine Funktion F : I → R heißt Stammfunktion von f ,
wenn F 0 = f .
7.1.5 Definition (Integralfunktion)
Sei f : I → R stetig und a ∈ I. Dann nennt man
Fa : I → R, x 7→
Z x
f (s) ds
a
eine Integralfunktion von f . Es gilt offensichtlich Fa (a) = 0.
c Mario Laux
�
7.1 Integrale stetiger Funktionen
f (s)
Abbildung 7.2 – Die Integralfunktion RFa ordnet jedem x den orientierten Flächeninhalt ax f (s) ds zu.
Anschaulich gesprochen ändert sich Fa (x) unter (unendlich kleiner) Variation von x gerade um eine »Linie« der Länge f (x).
Fa (x)
a
x
93
s
7.1.6 Satz (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung)
Sei f : I → R stetig und a ∈ I. Dann ist Fa eine Stammfunktion von f ,
d.h. es gilt Fa0 = f .
Beweisidee. Sei x0 ∈ I eine beliebige Stelle. Wir zeigen nun Fa0 (x0 ) = f (x0 ).
Sei hierzu zunächst h > 0 beliebig vorgegeben. Dann gilt
Fa (x0 + h) − Fa (x0 ) =
=
Z x0
f (s) ds +
a
Z x0 +h
Z x0 +h
f (s) ds −
x0
Z x0
f (s) ds
a
f (s) ds.
x0
Seien mh die größtmögliche untere und Mh die kleinstmögliche obere Schranke
für f im Intervall [x0 , x0 + h]; derartige reelle mh und Mh existieren, da f
beschränkt ist. Wie man anhand von Abb. 7.3 erkennen kann, gilt folgende
Mh
f (s)
x0 + h
x0
Abbildung 7.3 – Ist die Funktion f stetig im Punkt
x0 , so nähern sich für h → 0 sowohl die kleinste obere
Schranke Mh als auch die größte untere Schranke mh
dem Funktionswert f (x0 ) an.
mh
s
Abschätzung:
h · mh ≤
Z x0 +h
x0
f (s) ds ≤ h · Mh
Setzt man für das Integral ein und teilt durch h 6= 0, so ergibt sich:
mh ≤
Fa (x0 + h) − Fa (x0 )
≤ Mh
h
Diese Beziehung erhält man auch für h < 0 durch analoge Überlegungen. Bildet
man nun den Grenzwert h → 0, so folgt:
Fa (x0 + h) − Fa (x0 )
≤ lim Mh = f (x0 )
h→0
h→0
|
{z h
}
f (x0 ) = lim mh ≤ lim
h→0
= Fa0 (x0 )
Hierbei wurde die Stetigkeit von f ausgenutzt. Es gilt also Fa0 (x0 ) = f (x0 ).
c Mario Laux
�
94
7 Integralrechnung
7.1.7 Satz (Berechnung bestimmter Integrale)
Sei f : I → R stetig, a, b ∈ I und F : I → R eine Stammfunktion von f .
Dann gilt:
Z
b
f (x) dx = F (b) − F (a)
a
Beweis. Sei Fa die Integralfunktion von f . Es gilt Fa0 = f = F 0 nach dem
Hauptsatz. Wegen 0 = Fa0 − F 0 = (Fa − F )0 , ist Fa − F konstant. Es gibt also
ein c ∈ R, sodass Fa (x) − F (x) = c für alle x ∈ I. Insbesondere muss dies
also auch für x = a gelten, woraus c = Fa (a) − F (a) = −F (a) folgt. Für das
bestimmte Integral ergibt sich damit:
Z b
a
f (x) dx = Fa (b) = F (b) + c = F (b) − F (a)
7.1.8 Schreibweise (Auswertung von Funktionen)
Folgende Schreibweisen sind üblich:
F (b) − F (a) =: [ F (x) ]bx=a =: F (x)|bx=a
7.1.9 Beispiel (Berechnung einfacher bestimmter Integrale)
Unter Verwendung des Hauptsatzes erhält man:
• Polynome können direkt integriert werden:
Z 2
0
x2 dx =
h
i2
1 3
x
3
x=0
=
8
3
• Eine Stammfunktion zu f (x) = cos(x) ist F (x) = sin(x):
Z π
0
cos(x) dx = sin(x)|πx=0 = 0 − 0 = 0
• Die Exponentialfunktion ist ihre eigene Stammfunktion:
Z ln(5)
0
ex dx = ex |ln(5)
x=0 = 5 − 1 = 4
• Eine Stammfunktion des Kehrwerts ist für x > 0 der Logarithmus F (x) =
ln(x):
Z e2
2
dx
= ln(x)|ex=1 = 2
x
1
7.1.10 Schreibweise (unbestimmtes Integral)
Unter dem unbestimmten Integral einer Funktion f versteht man irgendeine
Stammfunktion von f und man schreibt
Z
f (x) dx = Stammfunktion + Konstante.
c Mario Laux
�
7.2 Integrationsverfahren
95
Insbesondere ist das unbestimmte Integral einer Funktion nicht eindeutig. Von
zwei Stammfunktionen einer Funktion f weiß man lediglich, dass sie sich
höchstens um eine Konstante C ∈ R unterscheiden können. Dies führt zu der
etwas unintuitiven Situation
Z
f (x) dx −
Z
f (x) dx = C.
Durch die Addition von C auf einer Seite einer Gleichung drücken wir im
Folgenden aus, dass es stets ein C ∈ R gibt, sodass die Gleichung korrekt ist.
7.2 Integrationsverfahren
7.2.1 Satz (partielle Integration)
Seien u, v : I → R differenzierbar. Es gilt:
Z
u0 (x) v(x) dx = u(x) · v(x) −
Z
u(x) v 0 (x) dx + C
Beweis. Die Technik der partiellen Integration basiert auf der Produktregel:
u(x) · v(x)
0
= u0 (x) v(x) + u(x) v 0 (x)
Bildet man auf beiden Seiten eine Stammfunktion, also das unbestimmte
Integral, so erhält man:
u(x) · v(x) =
Z
u0 (x) v(x) dx +
Z
u(x) v 0 (x) dx + C
Durch Umstellen ergibt sich die Behauptung.
7.2.2 Beispiel (Anwendung der partiellen Integration)
Mit partieller Integration lassen sich beispielsweise folgende unbestimmte Integrale berechnen:
• Gegeben ist ein Integrand der Form f (x) = x ex . Man wählt u0 (x) = ex
und v(x) = x und erhält:
Z
x
x
x e dx = x e −
Z
1 ex dx + C = (x − 1) · ex + C
Wir konstruieren nun noch eine Stammfunktion von f (x) = x2 ex . Wir
wählen wieder u0 (x) = ex und v(x) = x2 und erhalten:
Z
2 x
2 x
x e dx = x e −
Z
2 x ex dx + C = (x2 − 2x + 2) ex + C
• Nicht immer muss offensichtlich ein Produkt vorliegen; eine Stammfunktion des Logarithmus’ erhält man durch die Wahl u0 (x) = 1 und v(x) = ln(x).
Damit folgt:
Z
1 ln(x) dx = x ln(x) −
Z
x
1
dx + C = x ln(x) − x + C
x
c Mario Laux
�
96
7 Integralrechnung
• Auch für trigonometrische Integranden kann partielle Integration hilfreich
sein. Sei beispielsweise f (x) = sin2 (x) gegeben. Wähle u0 (x) = v(x) =
sin(x):
Z
2
sin (x) dx = − cos(x) sin(x) −
= − cos(x) sin(x) +
= − cos(x) sin(x) +
Z Z
− cos(x) cos(x) dx + C
cos2 (x) dx + C
Z 1 − sin2 (x) dx + C
= − cos(x) sin(x) + x −
Z
sin2 (x) dx + C
Umstellen nach dem gesuchten Integral liefert schließlich:
Z
sin2 (x) dx =
x 1
− cos(x) sin(x) + C
2 2
7.2.3 Satz (Substitutionsregel)
Sei f : I → R stetig und F : I → R eine Stammfunktion von f . Seien ferner
a, b ∈ R und h : [a, b] → I (bzw. h : [b, a] → I, falls b < a) differenzierbar
mit stetiger Ableitung. Dann gelten:
Z
Z b Z h(b)
f h(x) h0 (x) dx = F h(x) + C
f h(x) h0 (x) dx =
a
f (u) du
h(a)
Beweis. Die Substitutionsmethode basiert auf der Kettenregel:
0
F h(x)
= F 0 (h(x)) h0 (x) = f h(x) h0 (x)
Diese Aussage entspricht direkt der Aussage über das unbestimmte Integral.
Für das bestimmte Integral folgt mit dem Hauptsatz:
Z b a
b
f h(x) h0 (x) dx = F h(x) x=a
= F h(b) − F h(a)
h(b)
= F (u)|u=h(a)
=
Z h(b)
f (u) du
h(a)
7.2.4 Bemerkung (Substitution in Leibniz-Notation)
Man spricht von Substitution, da man in f (h(x)) die »innere« Funktion h(x)
effektiv durch eine Variable u ersetzt. Setzt man nämlich u = h(x), so gilt
symbolisch
du
= h0 (x) ⇒ du = h0 (x) dx.
dx
c Mario Laux
�
7.2 Integrationsverfahren
97
Eingesetzt reproduziert dies genau die korrekte Integrationsregel. Ist h invertierbar, so funktioniert diese Analogie zur Bruchrechnung auch für die Ersetzung
x = h−1 (u), denn
h0 (x)
dx
d −1
d
d
= h0 (h−1 (u))
h (u) =
h(h−1 (u)) =
u=1
du
du
du
du
führt ebenso auf du = h0 (x) dx. Diese »Umformungen« zeigen, dass mit den
Objekten dx und du unter dem Integralzeichen wie mit Brüchen gerechnet
werden darf. Diese Tatsache dient als Merk- und Anwendungshilfe für die formal
korrekte Substitutionsregel.
7.2.5 Beispiel (Anwendung der Substitutionsregel)
Wir betrachten nun Anwendungsbeispiele für die Integration durch Substitution:
• Sei f (x) = sin(3x + 1) gegeben. Substituiere u = 3x + 1, sodass du = 3 dx.
Z
sin(3x + 1) dx =
Z
sin(u)
du
+C
3
1
cos(u) + C
3
1
= − cos(3x + 1) + C
3
=−
Das Einsetzen von u nach der Integration nennt man Rücksubstitution.
• Gegeben sei f (x) = (1 − 2x)3 . Wir wollen nun das bestimmte Integral
von 0 bis 2 bestimmen und substituieren hierfür u = 1 − 2x, sodass
du = −2 dx. Es folgt:
Z 2
(1 − 2x)3 dx =
Z 1−2·2
u=1−2·0
x=0
"
1
=−
2
u4
4
u3
du
−2
#−3
u=1
= −10
Ist man zusätzlich an einer Stammfunktion interessiert, kann analog
zunächst das unbestimmte Integral berechnet werden.
• Sei ein Integrand der Form f (x) = sin2 (x) cos(x) gegeben. Substituiere
u = sin(x), sodass du = cos(x) dx. Für das unbestimmte Integral folgt
damit:
Z
sin2 (x) cos(x) dx =
|
{z
= du
Z
u2 du + C
}
u3
+C
3
1
= sin3 (x) + C
3
=
c Mario Laux
�
98
7 Integralrechnung
x
• Betrachte die Funktion f (x) = 1+x
2 . Der Zähler ist zur Ableitung von
2
1 + x proportional. Substituiere also den Nenner u = 1 + x2 , weswegen
du = 2x dx. Es folgt für das bestimmte Integral von 0 bis 1:
Z 1
x=0
Z 2
x
1 du
dx =
2
1+x
u=1 u 2
i2
1h
=
ln(u)
u=1
2
1
= ln(2)
2
• Wir berechnen die halbe Fläche des Einheitskreises, d.h. das Integral
Z 1
√
1 − x2 dx.
−1
Wir substituieren u = arccos(x) bzw. x = cos(u). Dies ist möglich, da
durch den Integrationsbereich −1 ≤ x ≤ 1 vorgegeben ist. Wir erhalten
dx = − sin(u) du. Damit folgt:
Z 1
√
1 − x2 dx = −
x=−1
=−
=
Z arccos(1)
q
1 − cos2 (u) sin(u) du
u=arccos(−1)
Z 0
|sin(u)| sin(u) du
Z π u=π
sin2 (u) du
u=0
π
u 1
=
− cos(u) sin(u)
2 2
π
=
2
u=0
Hierfür haben wir zum einen die Stammfunktion aus Beispiel 7.2.2 und
zum anderen die Beziehung sin(x) ≥ 0 für 0 ≤ x ≤ π verwendet. Diese
Technik wird trigonometrische Substitution genannt.
c Mario Laux
�
Übungsblatt 7 – Integralrechnung
A7.1 – Berechnen Sie die folgenden Integrale mithilfe des Hauptsatzes:
(a)
R3
(b)
(c)
R ln(2) −2x
e
dx
0
R2 2
(d)
R π/4
A7.5 – Berechnen Sie das Integral
Z 1 p
2
0 (x − 2x) dx
1 x2
0
dx
cos(2x) dx
R −5 dx
(e) −2
1−x
mithilfe der trigonometrischen Substitution
x = sin(u).
A7.6 – Begründen Sie mithilfe der Flächeninterpretation des Integrals für n ∈ N die
Ungleichung
A7.2 – Bestimmen Sie je eine Stammfunktion von f durch partielle Integration:
n
X
1
(a) f (x) = x e2x
k=1
(b) f (x) = x2 e2x
(c) f (x) = cos2 (x)
k
Z x
y(x) =
(e) f (x) = ln (x)
(a)
0
(4 −
(c)
sin (x) cos(x) dx
0
(d)
R
x3
1+x4
(e)
R
x2 sin(x3 ) dx
(f)
R ln(x)
x
Zeigen Sie, dass y 0 (x) = f (x) + y(x).
A7.8* – Berechnen Sie das Integral
3x)2 dx
R ln(2) 2x+1
(b) 0
e
dx
R π/2
2
dx
dx
Z
√
dx
x2 + 1
durch eine geeignete Substitution.
A7.9* – Es seien m, n ∈ Z mit m 6= n.
Zeigen Sie
Z π
cos(mx) cos(nx) dx = 0.
0
A7.4 – Bestimmen Sie eine Stammfunktion
von b : R → R mit b(x) = |x|.
f (t)ex−t dt.
0
2
R1
≥ ln(n + 1).
A7.7* – Es sei f : R → R stetig. Ferner sei
die Funktion y : R → R definiert durch
(d) f (x) = x ln(x)
A7.3 – Berechnen Sie die Integrale durch
eine geeignete Substitution:
1 − x2 dx
−1
c Mario Laux
�
c Mario Laux
�
Index
A
Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . 49, 50, 78
elementarer Funktionen . . . . . 54
Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Additionstheoreme . . . . . . . . . . . . . . 69
Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . 5, 65, 67
Approximation. . . . . . . . . . . . . . . . . .56
Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Argument. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72
Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Arkussinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Aussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 12
B
Beschränktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 66
Bewegungsgleichung . . . . . . . . . 84, 85
Binomialkoeffizient . . . . . . . . . . 22, 23
binomischer Lehrsatz . . . . . . . . 24, 41
Bogenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
C
Cauchy-Produkt . . . . . . . . . 31, 32, 41
D
Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Definitionsmenge . . . . . . . . . . . . . . . 35
Dezimalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Differentialgleichung . . . . . . . . 81, 82
Differenzierbarkeit. . . . . . . . . . .49, 51
Distributivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Dreiecksungleichung. . . . . . . . . . . . . .8
E
Euler-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Exponentialfunktion . 40–43, 59, 68
Eigenschaften der . . . . . . . . . . . 41
komplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Periodizität der . . . . . . . . . . . . . 75
Exponentialgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 41
F
Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Federpendel . . . . . . . . . . . . . . . . . 84, 87
Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 51
konstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
G
Gauß’sche Zahlenebene . . . . . . . . . 66
Gleichung
quadratische . . . . . . . . . . . . . 73–75
Gradmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Grenzwert . . . . . . . . . . . 15–17, 38, 67
H
Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . . . . 46
I
Identiät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Imaginärteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Implikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91, 92
bestimmtes . . . . . . . . . . . . . . 91, 94
unbestimmtes . . . . . . . . . . . . . . . 94
Integralfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 92
Integration
durch Substitution . . . . . . 96, 97
partielle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Intervall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Inverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 36
Invertierbarkeit . . . . . . . . . . . . . 35, 37
J
Junktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
K
Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 5, 63
Kettenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Kontraposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
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�
102
absolute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Konvergenzkriterium . . . . . . . . . . . . 27
Kosinus . . . . . . . . . . 45, 46, 55, 69, 70
L
Leibniz-Notation . . . . . . . . . . . . 50, 96
Limes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Logarithmengesetz . . . . . . . . . . . . . . 44
Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 76
komplexer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
natürlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
M
Majorante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Majorantenkriterium . . . . . . . . . . . . 28
Menge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2, 3
Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Monotoniekriterium . . . . . . . . . . . . . 17
N
Negation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2
Nullfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15
geometrische . . . . . . . . . . . . . . . . 16
harmonische . . . . . . . . . . . . . . . . 15
P
Partialsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Pascal’sches Dreieck . . . . . . . . . . . . 23
Π . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
π . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Polardarstellung . . . . . . . . . . . . 72, 73
Polynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 60
Potenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 77
allgemeine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
ganzzahlige . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
natürliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Produktregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52
Produktzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Q
Quantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 12, 13
All- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 13
Existenz- . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 13
Quotientenkriterium . . . . . . . . 28, 29
Quotientenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Index
R
Realteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Reihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24, 30, 58
geometrische . . . . . . . . . . . . 25, 26
harmonische . . . . . . . . . . . . . . . . 26
S
Σ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Sinus. . . . . . . . . . . . .45, 46, 55, 69, 70
Stammfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 42, 51
Summenformel
Gauß’sche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
geometrische . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Summenzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Supremumsaxiom . . . . . . . . . . . 5, 6, 9
T
Tangens . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 46, 70
Taylorpolynom. . . . . . . . . . . . . . . . . .58
Taylorreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58–60
Teilmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
U
Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Umordnungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Urbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
V
Verkettung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
vollständige Induktion . . . . . . . . . . 12
Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
W
Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . 10, 11, 56, 77
Z
Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 5
Euler’sche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
ganze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
komplexe . 63, 65, 66, 68, 70, 72
natürliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
rationale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
reelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6
Zielmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
c Mario Laux
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c Mario Laux
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