Diagnostik in der Hausarztpraxis, Chronische Herzinsuffizienz

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Fortbildung
Chronische Herzinsuffizienz
Diagnostik in der Hausarztpraxis
Dirk Wetzel
Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Erkrankungen des höheren
Lebensalters und einer der häufigsten Beratungsanlässe in der
Hausarztpraxis. Die Prognose der
chronischen Herzinsuffizienz – insbesondere bei fortgeschrittenem
NYHA-Stadium – ist schlecht.
Allerdings stehen medikamentöse
Therapien zur Verfügung, deren
Benefit evidenzbasiert ist und die
relativ kostengünstig sind (ACEHemmer, Betablocker, Diuretika
u. a.). Dennoch wird immer wieder
konstatiert, dass HerzinsuffizienzPatienten nicht ausreichend mit
den empfohlenen Medikamenten
versorgt sind. Ein entscheidender
Grund dafür ist die diagnostische
Unsicherheit aufgrund der unspezifischen Symptome.
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Viele Patienten mit Herzinsuffizienz stellen sich in der Hausarztpraxis mit den
Symptomen Müdigkeit, verminderte Belastbarkeit, Luftnot oder Knöchelschwellungen vor. Das typische Klientel eines
Hausarztes ist allerdings auch häufig
adipös, raucht und hat mannigfaltige
Vorerkrankungen wie COPD, Bluthochdruck, KHK oder Diabetes. So ist es eine
tägliche Herausforderung für uns Hausärzte, die Verdachtsdiagnose „Herzinsuffizienz“ zu differenzieren von der
Vielzahl anderer möglicher Ursachen für
die Beschwerden dieser Patienten. Die
Weichen für die weitere Diagnostik und
Therapie richtig zu stellen erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung sowohl
subjektiver (Beratungsanlass, Anamnese,
erfragte Symptome) als auch objektiver
Parameter (in der Hausarztpraxis vor
allem klinische Untersuchung, EKG und
Laborparameter).
Klinische Untersuchung und Anamnese
Eine rein klinische Diagnose der Herzinsuffizienz ist insbesondere im Anfangs-
stadium der Erkrankung sehr schwierig, da weder die „typischen“ Symptome
noch klinische Befunde ausreichend
sensitiv bzw. spezifisch sind.
So sind zum Beispiel Knöchelödeme
und pulmonale Rasselgeräusche relativ
häufige Befunde bei herzinsuffizienten
Patienten, sie sind jedoch keineswegs
spezifisch für eine Herzinsuffizienz. Die
Einleitung einer Therapie z. B. mit Diuretika allein aufgrund von solch „typischen“ Symptomen ist daher ausgesprochen problematisch. Bei Patienten mit
„typischen“ Symptomen einer Herzinsuffizienz (Dyspnoe, Orthopnoe, Müdigkeit,
reduzierte Belastbarkeit, Ödeme) sollte
zunächst die gründliche körperliche
Untersuchung im Vordergrund stehen.
Zu achten ist auf klinische Befunde wie
•• Jugularvenenstauung
•• lateralisierter Herzspitzenstoß
•• dritter Herzton
•• basale Rasselgeräusche
•• periphere Ödeme
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Mauritius
Fortbildung
Verdacht auf Herzinsuffizienz
Akute Beschwerden
Nicht akute Beschwerden
EKG, Rö-Thorax
EKG, nach Möglichkeit Rö-Thorax
BNP oder NT-proBNP
BNP oder NT-proBNP
EKG normal
und BNP < 100 pg/ml
oder
NT-proBNP < 300 pg/ml
EKG-Abweichungen
oder
BNP > 100 pg/ml
oder NT-proBNP > 300 pg/mlb
EKG-Abweichungen
oder
BNP > 35 pg/ml
oder NT-proBNP > 125 pg/mla
Echokardiographie
Herzinsuffizienz
unwahrscheinlich
EKG normal
und BNP < 35 pg/ml
oder
NT-proBNP < 125 pg/ml
Herzinsuffizienz
unwahrscheinlichc
Bei bestätigter Herzinsuffizienz Krankheitsursache bestimmen und
entsprechende Behandlung einleiten
Mc Murray et al. ESC Guidelines for he diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. European Heart
Journal; doi: 10. 1093/eurheart/ehs104/
Übersetzung Alere GmbH
a
Die zur Ausschlussdiagnostik verwendeten Cut-off-Werte für natriuretische Peptide wurden so gewählt, dass falsch-negative Ergebnisse minimiert und unnötige Echokardiographie-Empfehlungen vermieden werden.
Andere Ursachen für erhöhte natriuretische Peptide bei akuten Beschwerden sind akutes Koronarsyndrom, arterielle oder ventrikuläre Arrhythmien, Lungenembolie und schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit erhöhtem rechten Herzdruck, Nierenversagen und Sepsis.
Andere Ursachen für erhöhte natriuretische Peptide bei nicht akuten Beschwerden sind hohes Alter (> 75 Jahre), arterielle Arrhythmien, linksven­
trikuläre Hypertrophie, chronisch obstruktive Lungenerkrankung und chronische Nierenkrankheit.
b
c
Eine Behandlung kann die Konzentration der natriuretischen Peptide reduzieren. Bei Patienten mit HI und erhaltener Ejektionsfraktion ist die
Konzentration von natriuretischen Peptiden möglicherweise nicht deutlich erhöht.
Abb. 1: Diagnoseablauf bei Patienten mit V. a. Herzinsuffizienz (Algorithmus aus den ESC-Guidelines 2012)
Des Weiteren sollte in der Hausarztpraxis eine Basisdiagnostik eingeleitet werden. Außerdem sollte nach etwaigen Vorerkrankungen, die die Entstehung einer
Herzinsuffizienz begünstigen, gefahndet
werden (z. B. KHK, Hypertonie). Ebenso
sind wichtige Differentialdiagnosen je
nach Anamnese zu erwägen (z. B. COPD,
Depression).
www.allgemeinarzt-online.de Basisdiagnostik
Die Basisdiagnostik in der Hausarztpraxis sollte eine Laboruntersuchung und
ein 12-Kanal-EKG umfassen.
Die Laboruntersuchung sollte folgende
Parameter beinhalten:
•• Blutbild
•• Nüchternglukose
•• Natrium, Kalium, Kalzium
•• Harnstoff, Kreatinin
•• Leberenzyme
•• Ferritin
•• TSH
•• Urinstatus
Diese Laborwerte sollen einerseits dazu
dienen, eventuell reversible Ursachen
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der Symptome herauszufinden (Anämie,
Schilddrüsendysfunktion, Nierenfunktionsstörung …), aber auch die Eignung
des Patienten für eine Therapie z. B. mit
ACE-Hemmern abzuklären. Die eigentliche Diagnose „chronische Herzinsuffizienz“ lässt sich mit diesen Untersuchungen nicht stellen.
•• Vorhofflimmern
•• Linksschenkelblock
•• Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie
•• pathologische Q-Zacken
•• unspezifische ST- und/oder T-Wellenveränderungen.
Diese Veränderungen sind unspezifisch
und relativ häufig bei älteren Menschen,
Erwogen werden sollte ebenfalls die so dass EKG-Veränderungen die DiagBestimmung eines natriuretischen Pep- nose nicht beweisen können. Ein nortids (BNP oder NTmales EKG ist bei Patienten
proBNP), um eine
mit chronischer HerzinsufEin normales EKG ist
Herzinsuffizienz als
fizienz allerdings selten, so
bei chronischer HerzUrsache der Sympdass fehlende EKG-Verändeinsuffizienz selten,
tome weitgehend
rungen gegen die Diagnose
auszuschließen
sprechen.
fehlende EKG-Verändebzw. die Patienrungen sprechen daher
Weiterführende Untersuten zu identifiziegegen die Diagnose.
chungen
ren, bei denen als
nächster Schritt eiWenn nach Auswertung der
ne Überweisung zum Spezialisten ansteht, Untersuchungsergebnisse eine chroum mittels einer Echokardiographie die nische Herzinsuffizienz hinreichend
Diagnose zu verifizieren. Insbesondere für wahrscheinlich ist, sollte der Patient zur
Patientengruppen, bei denen eine Über- Echokardiographie weiter überwiesen
weisung zum Spezialisten schwierig ist werden. Diese Untersuchung ist unge(immobile Patienten, z. B. Bewohner von fährlich, relativ kostengünstig und in
Pflegeheimen), kann die Bestimmung von Deutschland flächendeckend verfügbar.
BNP bzw. NT-proBNP eine wertvolle Hilfe Außerdem ist es empfehlenswert, eine
sein, um Ressourcen gezielt einzusetzen. Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane
zu veranlassen, einerseits, um die DiagVor allem in Kombination mit einem nose in Kombination mit anderen Unter12-Kanal-EKG kann ein „normaler“ suchungsergebnissen zu stützen, aber
(nicht über den Cut-off-Wert erhöhter) auch, um andere Dyspnoe-Ursachen
BNP- bzw. NT-proBNP-Wert bei unbehan- auszuschließen.
delten Patienten ein guter Marker dafür
sein, dass z. B. eine Dyspnoe eher nicht- Weitergehende Untersuchungen wie
kardiale Ursachen hat (vgl. Abbildung), eine Koronarangiographie sind abhänauch wenn die Serumspiegel natriureti- gig vom Ergebnis der vorhergehenden
scher Peptide u. a. von Alter, Geschlecht Diagnostik.
▪
und Nierenfunktion abhängig sind. Ein
hilfreicher Algorithmus findet sich in der
Diesen Beitrag finden Sie auch unter
aktuellen Leitlinie der European Society
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of Cardiology (vgl. Abb. 1).
Bestimmung von Biomarkern
Da für die Messung der natriuretischen
Peptide sogenannte Point-of-care-Systeme zur direkten Messung in der (Hausarzt)Praxis zur Verfügung stehen, kann
dieser Test auch in der Alltagsroutine des
Hausarztes Anwendung finden.
Interessenkonflikte: Dr. Wetzel erhält ein Beraterhonorar von der Firma Alere GmbH
Dr. med. Dirk Wetzel
Facharzt für
Allgemeinmedizin
34289 Zierenberg
EKG-Veränderungen
Häufige EKG-Veränderungen bei chronischer Herzinsuffizienz sind:
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