Nostra aetate – der inter religiöse Dialog in „unserer Zeit”

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Nachrichten
Ausgabe 4
Dezember 2016
INTERRELIGIÖSER DIALOG
Nostra aetate – der
inter­religiöse Dialog
in „unserer Zeit”
Dr. Birgit S. Moser-Zoundjiekpon
Leiterin der Abteilung für Rechtsangelegenheiten
Erzbischöfliches Amt für Unterricht und Erziehung
„In unserer Zeit, da […] die Beziehungen unter den verschiedenen Völkern
sich mehren, erwägt die Kirche mit um
so größerer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie zu den nichtchristlichen Religionen steht. Gemäß ihrer
Aufgabe, Einheit und Liebe unter den
Menschen und damit auch unter den
Völkern zu fördern, faßt sie vor allem
das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft
untereinander führt.“ 1
Der interreligiöse Dialog zieht sich als
Schlagwort seit Jahren durch gesellschaftliche Debatten, die letztlich im politischen Diskurs auf ein wesentliches
Ziel hinauslaufen: den gesellschaftlichen Frieden zu sichern.
Wie steht die katholische Kirche zum interreligiösen Dialog? Wie kann er in der
Praxis umgesetzt werden? Eine Spurensuche in der Bildungslandschaft der
Erzdiözese Wien.
„Unsere Zeit“ – aktueller
gesellschaftlicher Kontext
Der interreligiöse Dialog in Europa steht
derzeit insbesondere im politischen
Kontext von Integration. Der zunehmende Aufschwung rechtspopulistischer Parteien in Europa verschärft die
Rahmenbedingungen insofern, als „zugewanderte“ Religionen häufig negativ
dargestellt werden. Umso mehr besteht die Herausforderung, den Dialog
zu intensivieren.
Voraussetzung für den inter­
religiösen Dialog
„Der Dialog entsteht aus einer respektvollen Haltung einer anderen Person gegenüber, aus der Überzeugung, dass der
andere etwas Wertvolles zu sagen hat.“ 2
Neu an der Haltung gegenüber den anderen Religionen war in „Nostra aetate“,
dass die Begegnung mit ihnen als „po14
tentielle Begegnung mit Gott“ 3 wahrgenommen wird und damit der Anspruch,
dass dies allein in der katholischen Kirche möglich sei, fiel.
Nostra aetate versteht den Dialog als
Auftrag für KatholikInnen: „Der christliche Dialog mit den Religionen […] entspringt dem Wesen und dem Auftrag der
Kirche, […] der Einheit und dem Wohl
der Menschen zu dienen“. 4 Aufgerufen
ist aber nicht zu einem blauäugig-naiven
Dialog: „Bei der Darstellung einer Religion gilt es, […] Kritik an Anderen stets
mit Selbstkritik zu verbinden […]“. 5
Aspekte des interreligiösen Dialogs
im Blick auf Bildung
Der interreligiöse Dialog ist ein Dialog…6
1)… des alltäglichen Zusammenlebens
[…]
2)… des religiösen und theologischen
Austauschs
3)… des partnerschaftlichen Handelns
zum Wohl anderer
4)… der spirituellen Erfahrung
Dialog beginnt im Alltag, wenn VertreterInnen unterschiedlicher Religionen – andere Weltanschauungen müssen im säkularen Umfeld ebenso mit gedacht werden
– sich begegnen. Hier spiegelt sich die oft
gestellte Anforderung an Schule, die multireligiöse Situation in der Klasse positiv
zu nutzen, wieder. Auf einer zweiten Ebene geht es darum, ins Gespräch einzutreten – von der grundlegenden Auskunftsfähigkeit über den eigenen Glauben bis
hin zum wissenschaftlichen Diskurs. Im
„Handeln“ wird der Dialog auf einer dritten Ebene in der praktischen Umsetzung,
zum Beispiel in gemeinsamen Sozialprojekten, gelebt. Die Ebene der spirituellen
Erfahrung schließlich hat im schulischen
Kontext ihren Anwendungsbereich etwa
in gemeinsamen Feiern. Gerade hier ist
es notwendig, Unterschiede zu respektieren, ohne sie als trennend in den Vordergrund zu stellen.
Interreligiöser Dialog in der Praxis –
die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems
Die KPH Wien/Krems7 fördert vermehrt
den interreligiösen Dialog. Sie vereint in
Trägerschaft bzw Kooperation nicht nur
acht christliche Kirchen, sondern kooperiert auch mit der Israelitischen Religionsgesellschaft, der Islamischen Glaubensgemeinschaft sowie der Alevitischen
Glaubensgemeinschaft. Es ist zu hoffen,
dass der institutionalisierte und gelebte
Dialog Folgewirkungen hinein ins Schulsystem und damit die Gesellschaft zeitigt:
• für die LehrerInnen aller Gegenstände in einem durch die konkrete Begegnung mit den anderen Religionen
und entsprechende Ausbildung geprägten tieferen Verständnis, das sie
dazu befähigt, mit der multireligiösen
Realität in den Schulen gezielter umgehen zu können
• für die ReligionslehrerInnen im bereits in der Ausbildung verankerten
und gelebten Dialog als – aus Sicht
der katholischen Kirche – Wesenszug
der eigenen Religion
Literatur:
Renz, Andreas, Die katholische Kirche
und der interreligiöse Dialog. 50 Jahre „Nostra aetate“ – Vorgeschichte,
Kommentar, Rezeption. Kohlhammer,
Stuttgart 2014.
Langenhorst, Georg, Trialogische Religionspädagogik, Interreligiöses Lernen
zwischen Judentum, Christentum
und Islam. Herder, Wien 2016.
1 Erklärung Nostra aetate über das Verhältnis der
Kirche zu nichtchristlichen Religionen vom 28.
Oktober 1965; http://www.vatican.va/archive/hist_
councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_
decl_19651028_nostra-aetate_ge.html [12.7.2016]
2Siehe Dr. Heike Wendt u. a., „Subject-specific
Papst Franziskus, Über Himmel und Erde. Jorge
Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham
Skorka. Zitiert nach: Renz, S 208.
3 Renz, S 223.
4 Renz, S 209.
5 Kuschel, Juden, Christen, Muslime. Herkunft und
Zukunft. Zitiert nach: Langenhorst, S 19.
6 Vgl Renz, S 209.
7 www.kphvie.ac.at
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