Pulmonale Hypertonie Forschung Selbsthilfe

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Eine Publikation des Reflex Verlages zum Thema
Seltene
Krankheiten
Pulmonale Hypertonie
Atemnot und Abgeschlagenheit können
ihre Ursache bei vielen Erkrankungen
haben, Lungenhochdruck wird häufig
nicht in Betracht gezogen – was
dramatische Folgen haben kann.
Seite 6
Forschung
Für einen Großteil der Seltenen
Erkrankungen fehlen noch Diagnose- und
Therapieverfahren. Damit es schneller zu
Ergebnissen kommt, wird Wissen nun in
Forschungskooperationen gebündelt.
Seite 11
Selbsthilfe
Sie geben sich gegenseitig Halt, sind
häufig wichtigste Informationsquelle
für ihre Erkrankungen – von
Betroffenen organisierte Gruppen.
Seite 13
dezember 2014
grusswort
Wissend machen
Stellen Sie sich vor, Sie fühlen sich über Jahre krank – und kein
Arzt kann Ihnen sagen, worunter Sie leiden. Er findet auch kein
probates Mittel, um die Beschwerden abzustellen oder zumindest
zu reduzieren. Eher zufällig wird bei Ihnen eine Seltene Erkrankung diagnostiziert. Nur: Zu Ihrer Krankheit gibt es äußerst spärliche Informationen, viele davon erschreckend negativ. Häufig ist
dann zu lesen von „rasche Verschlechterung des Gesundheitszustands“, „nicht mehr arbeitsfähig“ oder „innerhalb von drei Jahren
tödlich“. Sie denken, diese Geschichte ist konstruiert? Leider nicht:
In Deutschland leben mehr als vier Millionen Menschen mit einer
Seltenen Erkrankung. Noch immer gibt es eine große Unsicherheit
bei diesem Thema, sowohl bei Betroffenen als auch bei Angehörigen, Ärzten und allgemein in der Bevölkerung. Mit der Ihnen vorliegenden Publikation möchten wir zum besseren Verständnis der Thematik beitragen, Ihnen auch
von einigen Hoffnung bringenden Fortschritten
berichten. Wir wünschen Ihnen eine spannende
Lektüre.
Mike Paßmann
Chefredakteur
krankheitsbilder
3
Leitartikel
Was ist eigentlich das Besondere an den
Seltenen Erkrankungen, unter denen in Deutsch­
innovation
9
organisation
Diagnostik
Diagnoseverfahren sind bei den meisten Seltenen
Erkrankungen extrem aufwendig und setzen explizites
13
Selbsthilfe
Die seelische Belastung durch eine schwere
Erkrankung ist für die Betroffenen hoch, nachvoll­
land vier Millionen Menschen leiden? Nicht
Fachwissen voraus. Wissenschaftler forschen nun
ziehbar ist das vor allem für Menschen, die ebenfalls
nackte Zahlen stehen im Vordergrund, sondern der
gemeinsam an vereinfachten Verfahren.
unter ihr leiden. Selbsthilfegruppen geben Halt.
10
14
Mensch.
6
Pulmonale Hypertonie
Auch wenn in den vergangenen Jahren
Anästhesie
Bei bestimmten Seltenen Erkrankungen können
Anästhetika schwere Nebenwirkungen auslösen. Eine
Abrechnung
Das liebe Geld spielt auch bei der Frage nach
der Übernahme von Aufwendungen für umfangreiche
große Fortschritte in der Erforschung des Lun­
gründliche Anamnese ist daher noch wichtiger, als bei
Diagnose- und Therapiemöglichkeiten eine wichtige
genhochdrucks gemacht wurden, bleibt er noch
„normalen“ Patienten.
Rolle.
immer häufig unerkannt. Das fortgeschrittene
Wissen um diese Erkrankung hat sich noch nicht
herumgesprochen.
7
Forschung
Wissen
innerhalb
Deutschlands
und
auch
international zu verknüpfen – das macht gerade bei
Seltene Krebserkrankungen
den forschungsintensiven „Seltenen“ Sinn. Denn meist
Krebs ist in Deutschland weit verbreitet, einige
können belastbare Studien nur so realisiert werden.
Unterarten gelten als Seltene Erkrankung. Bei der
Therapie ist höchste Vorsicht geboten, da sie ein
verstärktes Wachstum des Tumors auslösen kann.
8
11
12
Arzneimittelzulassung
Vereinfachte europäische Zulassungsverfahren
sollen zum schnelleren Einsatz von Orphan Drugs
Cystische Fibrose
Funktionseinschränkungen
führen. Doch seit dem Jahr 2000 sind erst Medikamente
verschiedener
gegen 44 Erkrankungen zugelassen worden. Organe sind typisch für die angeborene Stoff­
wechselkrankheit Mukoviszidose. Eine Genotypi­
sierung gibt Aufschluss über Mutationsart und
Therapiemöglichkeiten.
Das Papier der Publikation, die im aufgeführten Trägermedium erschienen ist, stammt aus verantwortungsvollen Quellen.
Partner und Sponsoren
krankheitsbilder3
leitartikel
Den Menschen
Perspektiven
bieten
Insgesamt viele Patienten, kaum Wissen über Entstehung, Ausbreitung und
Zusammenhänge und trotzdem verwaist: Die Seltenen Erkrankungen haben
einen schweren Stand in der Medizin, die Betroffenen häufig wenig Aussicht
auf Heilung oder zumindest Linderung der Beschwerden. Doch so langsam
tut sich etwas. Ein Überblick.
Von Mike Paßmann
E
s sind die Waisen der Medizin, die wir Ihnen mit
der vorliegenden Publikation näher bringen möchten. Verwaist sind sie, weil
es meist nur wenige Betroffene einer
spezifischen Seltenen Erkrankung gibt
und sie damit häufig wenig Beachtung
von Forschern und Pharmaunternehmen erhalten. Aus finanzieller Sicht
klingt das zunächst logisch: Mit Medikamenten für die vielen Millionen Diabetes- oder Krebspatienten lassen sich
die erheblichen Kosten für Forschung,
Entwicklung, Zulassung und Marketing
eher wieder einfahren, als nur mit wenigen hundert oder tausend Menschen,
die von einer Seltenen Erkrankung betroffen sind. Doch so einfach ist es dann
auch nicht. Denn auch diese Menschen
haben ein Recht auf eine optimale medizinische Versorgung, auf ein möglichst
beschwerdefreies und selbstbestimmtes Leben. Durch das Raster unseres
Gesundheitssystems dürfen sie ebenso
wenig fallen, wie sie sich auch nicht mit
ihren Problemen alleingelassen fühlen
sollten.
Hohe Gesamtzahl
Dabei lässt uns alle eine Zahl aufhorchen: vier Millionen. So viele Menschen
leiden allein in Deutschland an einer
Seltenen Erkrankung. Von den über
30.000 bekannten Krankheiten zählen
6.000 bis 8.000 zu den seltenen, genaue
Zahlen gibt es bezeichnenderweise
nicht. In der eu gilt eine Erkrankung
als selten, wenn nicht mehr als fünf
von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Auf Deutschland heruntergebrochen macht das immerhin bis zu
40.000 Menschen je Erkrankung. Doch
meist sind es deutlich weniger, ab und
zu nur eine Handvoll. Zwei Beispiele:
Von der genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung Zystinose gibt es bei
uns unter einhundert bekannte Fälle,
weltweit sind es nur etwa 2.000. Von
Lungenhochdruck hingegen sind in
Deutschland zwischen 2.000 und 6.000
Menschen betroffen, weltweit leiden viele Millionen Menschen an einer
der verschiedenen Formen der pulmonalen Hypertonie.
Seltenes Aufeinandertreffen
Anhand des Lungenhochdrucks lässt
sich die „Misere“ vieler Seltener Erkrankungen gut verdeutlichen: Zu den typischen Symptomen zählen beispielsweise Atemnot, rasche Erschöpfung und
ein schneller Herzschlag. Allerdings
treffen diese unspezifischen Symptome auch auf eine große Zahl anderer
Erkrankungen zu, weshalb die Diagnose sehr schwer zu stellen ist und meist
erst in einem fortgeschrittenen Stadium
erfolgt. Doch je früher die Diagnose,
um so besser sind die Behandlungsoptionen, die zu einer Linderung der
Beschwerden und einem verlangsamten Fortschreiten führen. Unbehandelt
führt sie innerhalb von drei Jahren zum
Tod, geheilt werden kann sie nicht. Vielen Medizinern fehlt schlicht das vertiefte Wissen um diese Krankheit, zum
Beispiel welche anderen bekannten
Erkrankungen mit Lungenhochdruck
einhergehen. Die Chance, auf einen entsprechenden Patienten während eines
Hausarztlebens zu treffen, ist naturgemäß relativ gering. Ähnlich geht es
auch den über 10.000 Kinderärzten: Sie
diagnostizieren im Jahr nur
III
werbebeitrag – interview
„Zehn Jahre eine Stimme der Seltenen“
Die Allianz Chronischer
Seltener Erkrankungen,
kurz ACHSE, ist ein Netzwerk von Patientenorganisationen von und für
Menschen mit Seltenen
Erkrankungen. Sie vertritt
ihre Anliegen und ist die
einzige krankheitsübergreifende Anlaufstelle für
Betroffene und ihre Angehörigen. Dr. Andreas Reimann ist ehrenamtlicher
Vorsitzender der ACHSE.
Was hat sich in den letzten zehn Jahren für Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland getan? Vor zehn
Jahren waren der Begriff „Seltene Erkrankungen“ und die spezifische Problematik
kaum bekannt, geschweige denn die Nöte
und Anliegen der Betroffenen, die sich
hinter diesem Begriff verbergen. Heute
sind „die Seltenen“ im Bewusstsein der
Fachöffentlichkeit, auf der politischen
Agenda und in Teilen der Gesellschaft an-
gekommen. Die ACHSE hat mit ihrer Beratung für Betroffene, aber auch für Ärzte
eine bundesweite Anlaufstelle geschaffen. Es gibt einen Nationalen Aktionsplan
für Seltene Erkrankungen, den die ACHSE
maßgeblich vorangetrieben hat. Jetzt gilt
es aber, den Aktionsplan umzusetzen.
Denn: Nur tatsächliche Fortschritte sind
für Kinder und Erwachsene mit Seltenen
Erkrankungen von Bedeutung. Papier allein genügt nicht.
Welche Motivation eint die Menschen,
die die ACHSE tragen? Obwohl die Krankheitsbilder ganz verschieden sind, eint
uns die gleiche Vision: Wir wollen, dass
Betroffene einer Seltenen Erkrankung
nicht länger die „Waisen der Medizin“
sind, wir wollen einen gleichberechtigten
Zugang zu medizinischer Versorgung und
mehr Forschung. Damit wir unsere verschiedenen Projekte weiter voranbringen
können, sind wir auf Unterstützung angewiesen. Jeder kann helfen – mit Knowhow oder mit einer Spende!
www.achse-online.de
4krankheitsbilder
III
bei drei bis fünf Kindern Zystinose – zu wenig, um die Erkrankung frühzeitig beziehungsweise
überhaupt erkennen zu können.
Die Eiswasser-Aktion
Doch wie kann das Wissen um Entstehung, Verlauf, Symptome, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten für die
vielen tausend Seltenen Erkrankungen
gewonnen werden? In erster Linie: mit
viel Geduld. Darauf folgen: Engagierte
Forscher, Pharmaunternehmen, Ärzte, Betroffene und deren Familien, gut
verständlich „verpackte“ Informationen, die von einer breiten Masse wahrgenommen werden – und natürlich das
liebe Geld. Ein positives Beispiel dafür,
wie es eine Seltene Erkrankung in das
Bewusstsein der Menschen schafft, war
die sogenannte „Ice bucket challenge“,
bei der es auf den ersten Blick darum
ging, sich einen Eimer Eiswasser über
den Kopf zu schütten, sich dabei filmen
lassen und dann drei weitere Personen
zu nominieren, die genau das gleiche
tun sollen. Auf den zweiten Blick hat
diese Aktion zu weltweiter Beachtung
der seltenen neurodegenerativen Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose
(als) und zu vielen Millionen Dollar
Spendengeldern geführt, die dringend
für die Erforschung der Erkrankung
gebraucht wurden und werden. Der zu-
nächst vermutete „Quatsch“ hatte also
einen ernsthaften Hintergrund und
hat die Problematiken der Seltenen Erkrankungen zumindest kurzfristig in
die Köpfe der Menschen gebracht – und
den an als erkrankten Menschen auf
der ganzen Welt Mut gemacht und Hoffnung auf eine Perspektive.
Endlich ein Plan
Das Ziel des Nationalen Aktionsbündnis
Seltene Erkrankungen, kurz: namse,
ist langfristig ausgerichtet. Gegründet
wurde das Bündnis im Jahr 2010 gemeinsam vom Bundesministerium für
Gesundheit, dem Bundesministerium
für Bildung und Forschung und der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (achse), um Kräfte und Wissen zu
bündeln, die Lebenssituation für die
Betroffenen sowie die öffentliche Wahrnehmung zu verbessern. Im Jahr 2013
wurde dann ein Maßnahmenkatalog
mit 52 Punkten vorgestellt, der konkrete Handlungsempfehlungen zum Informationsmanagement, zu möglichen
Diagnosewegen, zu Versorgungsstrukturen und zur Erforschung der Seltenen
Erkrankungen enthält. Aktuell wird
der „se-atlas“ erstellt, der Versorgungseinrichtungen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen kartographiert. Das
Besondere an dem Angebot: Es werden
– sofern vorhanden – konkret für die
anzeige
einzelnen Seltenen Erkrankungen alle
verfügbaren Informationen zur Krankheit selbst, zu Diagnostik und Therapie,
zur Selbsthilfe, zu Versorgungszentren,
zur Forschung, Registern, etc. erreichbar sein. Der offizielle Start ist für Anfang 2015 geplant.
Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme“ heraus und dient den
Kassen als Basis für die Erstattung von
ärztlichen Leistungen. Gibt es keinen
Code, kann auch nicht abgerechnet werden beziehungsweise kommt es darüber
immer wieder zu Streitigkeiten. Wichtig
sind die Codes auch, um Patientenwege
Forschung wichtig
sichtbar zu machen und die DiagnoseAuch in die Erforschung von grundleund Therapiewege aufzuzeichnen und
genden Vorgängen im Körper sowie von
um Auffälligkeiten zu erkennen.
Diagnostik- und Therapieverfahren werWeiteren Klärungsbedarf gibt es in
den dank namse viele Millionen Euro in
diesem Zusammenhang auch mit der
diverse Projekte investiert. In erster LiÜbernahme der zum Teil immensen
nie ist hier vor allem Geduld gefragt, vor
Arzneimittelkosten. Es kommen schnell
allem seitens der Betroffenen. Die Wahrein paar Tausend Euro pro Patient und
scheinlichkeit ist leider recht hoch, dass
Monat zusammen, um Symptome zu
sie mögliche Durchbrüche in diesem
lindern. Derzeit geben die gesetzliBereich
mitunchen Kassen in
ter nicht mehr
Deutschland laut
erleben werden.
aktueller Zahlen
Die Ice bucket Challange
Dennoch ist ihre
gut 890 Millionen
hat mit reichlich Quatsch Euro im Jahr für
Mitwirkung
an
auf als hingewiesen.
ForschungsproArzneimittel diejekten
immens
ser Patientengrupwichtig: Ohne sie
pe aus; bei rund
ist die Erprobung neuer Wirkstoffe in
300 Milliarden Euro Gesamtkosten
klinischen Studien nicht möglich und
für das Gesundheitssystem ist das ein
die meist kleine Zahl an potenziellen
überschaubarer Betrag. Doch das PoTestpersonen generell eine große Hetenzial ist gegeben, dass hierdurch die
rausforderung. Die Wirksamkeit muss
in diesem Bereich engagierten Kassen
nicht nur im „Mausmodell“ bewiesen
finanziell gefordert sein können. Der
werden, sondern auch beim Menschen.
sogenannte morbiditätsorientierte RiDieser Schritt ist immens wichtig und
sikostrukturausgleich, kurz Morbi-rsa,
kommt spätestens künftigen Beregelt die Höhe an Zuweisungen, die
troffenen zugute.
die Kasse für einen bestimmten Versicherten erhält. Alter und GesundheitsDas liebe Geld
zustand werden hier berücksichtigt, die
Die Seltenheit der Erkrankungen
Seltenen Erkrankungen jedoch überstellt Ärzte und Kliniken auch
wiegend nicht. Folge: Die Mittel reichen
beim Thema Honorierung durch
nicht zur Deckung der tatsächlichen
die Krankenkassen gehörig auf
Kosten.
die Probe. Nur ein paar Hundert
Noch gibt es viel im Sinne der Betrofder vielen Tausend Seltenen Erfenen zu tun, doch die aktuellen Projekkrankungen können tatsächte zeigen auf, dass das Thema mittlerlich nach den sogenannten icd
weile ernster genommen wird, als noch
10-Codes abgerechnet werden.
vor ein paar Jahren. Die Perspektiven
Die Weltgesundheitsorganisatisind nicht mehr ausschließlich negativ,
on who gibt die „Internationale
sondern werden endlich besser.
●
statistische Klassifikation der
„
Quelle: vfa, 2009
Ausgewählte Seltene Erkrankungen in
der EU nach Anzahl der Erkrankten
400
4.000
46
22.500
37.500
Vertex entwickelt neue Therapieoptionen
mit dem Ziel, Erkrankungen zu heilen und
die Lebensqualität zu verbessern.
185.000
95.000
Die Lebensperspektiven von Menschen mit schwerwiegenden
Erkrankungen und deren Familien zu verbessern ist unsere Vision.
Um diese zu verwirklichen, arbeiten wir mit führenden Forschern,
Ärzten, Gesundheitsexperten und anderen Spezialisten zusammen.
97.900
115.500
Vertex Pharmaceuticals (Germany) GmbH · Josephspitalstr. 15 / 4. St. · 80331 München
© 2012 Vertex Pharmaceuticals Incorporated.
VXR-DE-00-00003
102.000
Narkolepsie mit Kataplexie
bei Erwachsenen
Nierenzellkrebs
Eisenüberladung
Ductus arteriosus
bei Frühgeborenen
Lungenhochdruck
Leberzellkrebs
Akromegalie
(Riesenwuchs)
Nebennierenrindenkarzinom
Mukopolysaccharidose II
(Hunter-Syndrom)
Hyperammonämie
(Harnstoffzyklusstörung)
krankheitsbilder5
werbebeitrag – unternehmensporträt
Lungenhochdruck – häufig nicht erkannt
Lungenhochdruck, auch pulmonale Hypertonie (PH) genannt, gehört zu den Seltenen
Erkrankungen. Der Beginn ist
meist schleichend mit unspezifischen Beschwerden wie Atemnot
bei Belastung oder Müdigkeit verbunden. Solche Symptome treten
jedoch auch bei vielen anderen
Erkrankungen wie Asthma oder
chronischer Bronchitis auf. Daher
bleibt Lungenhochdruck häufig
lange unerkannt. Eine schnelle und
korrekte Diagnose ist jedoch für die
Betroffenen überlebenswichtig.
Eine große Herausforderung bei
Lungenhochdruck ist die korrekte Diagnose. Weil bei den mit Lungenhochdruck verbundenen Beschwerden so
viele Krankheiten infrage kommen,
kann die Diagnose meist nicht direkt
durch zielgerichtete Untersuchungen
gestellt werden, sondern erfolgt als
Ausschlussdiagnose. Das heißt, andere
mögliche Krankheitsursachen werden
durch verschiedene diagnostische Maßnahmen konsequent ausgeschlossen.
Diese Abklärung findet in der Regel beim
Hausarzt beziehungsweise Internisten,
beim Lungenfacharzt und beim Kardiologen statt. Erhärtet sich der Verdacht, sollte der Patient in ein Experten-Zentrum
für Lungenhochdruck, ein sogenanntes
PH-Zentrum, überwiesen werden. Die
PH-Zentren sind häufig großen Unikliniken angeschlossen; eine Übersicht gibt
die Selbsthilfeorganisation Pulmonale
Hypertonie e.V. In den PH-Zentren können aufgrund der großen Erfahrung eine
gezielte Abschluss-Diagnostik und die
therapeutische Versorgung optimal erfolgen. Die weitere medizinische Betreuung erfolgt üblicherweise anschließend
in Wohnortnähe.
Risikofaktor Lungenembolie
Als Risikofaktor für eine Form des Lungenhochdrucks gilt die Lungenembolie.
Dabei wird ein Lungengefäß durch ein
Blutgerinnsel verstopft. Wenn sich das
Lungenhochdruck-Patienten leiden beim Trep­
pensteigen oft unter Atemnot.
Gerinnsel nicht auflöst, kann es zu einer
chronischen Verstopfung und Verengung
des Lungengefäßes kommen – es entsteht die sogenannte chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie
(CTEPH, im Bild rechts). Die operative
Entfernung des Thrombus ist hier die Behandlung der Wahl, denn sie ist die einzige Möglichkeit der Heilung. Daher ist es
sehr wichtig, bei bestehender Atemnot
und einer vorangegangenen Lungenembolie oder Thrombose schnellstmöglich
den Facharzt zu konsultieren und die Erkrankung CTEPH abzuklären. Die Operation ist allerdings bei bis zu 40 Prozent der
Betroffenen nicht möglich. Bei bis zu 35
Prozent der operierten Patienten bleibt
der Lungenhochdruck bestehen oder tritt
erneut auf. Für diese Patienten steht heute eine medikamentöse Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung.
Lungenhochdruck überlastet das Herz
Der Lungenhochdruck ist durch eine Verengung der Blutgefäße gekennzeichnet,
die sauerstoffarmes Blut vom rechten
Herzen zur Sauerstoffanreicherung in die
Lungen leiten (Lungenarterien). Hintergrund ist eine Fehlfunktion der Gefäßwände, die verschiedene Ursachen haben kann. Mit der Gefäßverengung steigt
der Widerstand und in der Folge auch der
Blutdruck in diesen Gefäßen. Die Sauer-
Die chronisch thromboembolische
pulmonale Hypertonie (CTEPH) kann
durch eine Operation geheilt werden.
stoffaufnahme ins Blut ist gestört
und das rechte Herz muss gegen
den krankhaft erhöhten Druck
arbeiten. Durch die zunehmende
Belastung kommt es zu einer Vergrößerung und Schwächung des
rechten Herzens, was letztendlich
zum Herzversagen und in der Folge
zum Tod führen kann.
www.gesundheit.bayer.de
werbebeitrag – interview
„Der lange Weg zum Spezialisten“
Trotz ausreichender Zahl an Spezialisten und Fachzentren dauert der Weg bis dorthin immer noch viel zu lang.
Eine höhere Aufmerksamkeit für die Erkrankung Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie, PH) könnte diesen Weg für die Patienten erheblich verkürzen und damit deren Chance auf eine verbesserte Lebensqualität
und Lebenserwartung erhöhen. Im Interview erläutert
Hans Dieter Kulla, erster Vorsitzender der Selbsthilfeorganisation Pulmonale Hypertonie e.V., worauf es dabei
ankommt.
Warum muss stärker über Lungenhochdruck aufgeklärt werden? Entscheidend beim
Lungenhochdruck sind die Früherkennung und die damit verbundene gezielte Behandlung. Das erhöht die Chancen der Betroffenen wesentlich. Leider vergehen heute bis
zur Diagnosestellung immer noch zwischen zwei und drei Jahre. Die meisten Patienten
kennen die Erkrankung nicht und sehen auch nicht immer krank aus. Die Symptome
lassen sich vielen potenziellen Ursachen zuordnen. Oft werden auch nur wegen der
Symptome Medikamente verschrieben, die zunächst Entlastung für die Betroffenen
schaffen. Das verzögert dann die Diagnosestellung. Mit einer entsprechenden Aufklärung und damit mehr Bewusstsein, könnte die Zeit bis zur Diagnose erheblich verkürzt
werden. Welche Rolle können Angehörige spielen? Die Angehörigen können eine entscheidende Rolle im Rahmen der Diagnostik spielen, da diese oft eine realistischere Einschätzung der Symptome des Patienten haben als dieser selbst. Aber auch wenn die
Diagnose steht, ist neben dem psychischen Beistand die aktive Unterstützung der Patienten durch die Angehörigen gefordert.
Was können Patienten mit unklaren Atembeschwerden selbst tun? Wichtig ist, dass
die Patienten zum Facharzt gehen, um ihre Beschwerden klären zu lassen. Dort sind
sie an der richtigen Stelle und werden, wenn es erforderlich ist, auch frühzeitig an ein
PH-Zentrum überwiesen. Wenn die Diagnose Lungenhochdruck steht, ist es wichtig,
aktiv zu bleiben und sich unter ärztlicher Aufsicht weiter zu bewegen. Dadurch lässt
sich die körperliche Belastbarkeit deutlich steigern und die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen.
Welche Unterstützung können Patienten und ihre Angehörigen von der Selbsthilfeorganisation erwarten? Der Verein wurde 1996 von seinem Gründer, der selbst von der
pulmonalen Hypertonie betroffen war, mit dem Ziel ins Leben gerufen, Wege zur Lebensverlängerung bei dieser Erkrankung zu finden. Wir können beraten und den Patienten ihren Leidensweg erleichtern. Seit 2001 verfügen wir über eine Stiftung, mit der wir
die Forschung unterstützen und Preise für entsprechende Verbesserungen ausloben.
Der Verein hat inzwischen ein großes Netzwerk. Die Erfahrungen aus diesem Netzwerk
können wir an unsere Mitglieder weitergeben – das reicht von der Krankenkasse über
die Rentenversorgung, Kontakt zu den PH-Zentren, bis zur Beratung bezüglich Ausbildung und Beruf. Die Nähe zu den Betroffenen schaffen wir über unsere Landesverbände, die jeweils zwischen drei und fünf Patiententreffen im Jahr organisieren. Zusätzlich
verfügen wir über eine europäische und sogar weltweite Vernetzung.
Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH
www.phev.de
6krankheitsbilder
pulmonale hypertonie
Unterversorgt
Von Mike Paßmann
Wenn einem die Luft bei geringen Anstrengungen wegbleibt, kann das viele Ursachen haben. Häufig vergeht ein langer Zeitraum, bis
Mediziner dahinter Lungenhochdruck vermuten. Dahinter steht vielfach – unbeabsichtigt – mangelndes Wissen über die Erkrankung.
Frühzeitig begonnene Therapien können die Symptome über Jahre lindern, heilbar ist die pulmonale Hypertonie jedoch nicht.
I
m Laufe des Jahres 2003 bekommt Inge Meier immer schlechter Luft, sie fühlt sich müde und abgeschlagen, ihr ist ständig schwindelig. Ihr Arzt
führt die Beschwerden auf mangelnde Bewegung und
den beruflichen Stress zurück. Die Therapieempfehlung: Viel frische Luft, lange Spaziergänge und bei der
Arbeit etwas langsamer machen. Doch das alles hilft
nichts. Als sie zu dieser Zeit im Fernsehen zufällig
eine Reportage über Pulmonale Hypertonie, kurz: ph,
schaut, ist sie sicher, an dieser Krankheit zu leiden. Sie
lässt sich nun gezielt auf ph hin untersuchen – und bekommt ihren Verdacht bestätigt. Prognostizierte Lebenserwartung: zwei bis drei Jahre. Viel mehr können
ihr die Ärzte nicht sagen, es gibt kaum Informationen
zum Verlauf, zu Therapien.
Gefährlicher Rückstau
Elf Jahre später führt sie noch immer ein halbwegs
eigenständiges Leben. „Ich hatte Glück“, erzählt sie,
„weil ich recht bald nach der Diagnose an klinischen
Studien teilgenommen habe und medikamentös optimal versorgt wurde. Die Therapien wurden seit meiner
Diagnose massiv verbessert.“ So viel Glück wie Inge
Meier haben längst nicht alle Menschen, denn bis die
entzündliche Autoim­munkrankheiten, die das Bindekorrekte Diagnose gestellt wird, vergehen meist ein
gewebe im Körper angreifen, angeborene Herzfehler
paar Jahre. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, schreimit Überlastung der Lunge sowie ein lang anhaltentet sie weiter fort und kann zu Herzversagen führen.
der Sauerstoffmangel bei Lungenerkrankungen. Tritt
Der Grund dafür liegt in einer Überlastung des HerAtemnot während geringer Alltagsbelastungen auf
zens durch verengte Lungenarterien, wodurch das
und werden Lungen- sowie Linksherzerkrankungen
Blut nicht mehr richtig
ausgeschlossen, befließt. Blutdruck und
steht meist der VerIn den letzten zwölf Jahren haben sich
Widerstand in den
dacht auf Pulmonadie Therapiemöglichkeiten bei pulmonaler
Lungenarterien
steile Hypertonie. Eine
Hypertonie massiv verbessert.
gen an, es kommt zu
Rechtsherzkathetereinem Blutrückstau auf
untersuchung bringt
der rechten Herzseite und somit zu einer verminderdann Klarheit. Erfolgt die Differenzialdiagnostik frühten Pumpleistung (Rechtsherzinsuffizienz). Dieser Teil
zeitig – möglichst in einem der derzeit 27 spezialisierdes Herzens sorgt jedoch dafür, dass das Blut durch
ten Zentren für diese Erkrankung –, bremsen chirurdie Lungen gepumpt und mit Sauerstoff angereichert
gische Eingriffe und Medikamente den Verlauf. Zum
wird. Die Folge: Sauerstoffunterversorgung sowie eine
Einsatz kommen hier unter anderem Gerinnungshemmitunter lebensbedrohliche Vergrößerung der rechten
mer und Entwässerungsmittel, aber auch eine ganze
Herzkammer.
Reihe spezifischer Wirkstoffe, die einzeln genommen
oder kombiniert werden können. Derzeit befinden sich
Frühe Differenzialdiagnostik wichtig
einige Erfolg versprechende Arzneimittel in der kliEine Vielzahl von Erkrankungen kann zu unterschiednischen Erprobung. Geheilt werden kann die Erkranlichen Formen von ph führen. Das sind zum Beispiel
kung jedoch nicht.
„
Wissen verbreiten
Damit die Diagnose pulmonale Hypertonie in einem
frühen Stadium gestellt werden kann, muss es bei
Haus- und Fachärzten zu einer vermehrten Wahrnehmung dieser Erkrankung kommen. Nur dann ist meist
eine erhebliche Reduzierung der Symptome möglich.
Kommt ein Hausarzt bei einem Patienten, der über
lange Zeit über Atemnot, klagt nicht weiter, sollte er
ihn unbedingt zu einem Lungenfacharzt überweisen.
Pharmaunternehmen und Patientenverbände leisten
hier wichtige Informationsarbeit – damit in Zukunft
Betroffene wie Inge Meier ihre Diagnose nicht selbst
per tv stellen.
●
Erste Hinweise auf Probleme mit der Lunge lassen sich beim Ab­
hören feststellen. Für die Diagnose von Lungenhochdruck kom­
men noch ekg und Rechtsherzkatheteruntersuchung infrage.
werbebeitrag – verbandsporträt
Unser Ziel ist Ihre Heilung
Was geschieht in der Pathologie? Wenn wir Ihnen das
Stichwort „Pathologie“ geben, an was denken Sie? Vermutlich spontan an eine Leiche und die Autopsie im Krimi. Richtig? Nein – Obduktionen machen weniger als fünf
Prozent unserer Tätigkeit aus.
Was geschieht also in der Pathologie? Wir Pathologen
sind Ärzte und für Sie, als Lebende, wichtig. Wir sehen
uns selten direkt und sprechen kaum miteinander. Und
doch sprechen wir oft mit Ihrem Arzt über Sie und beraten mit ihm Ihre Therapie. Wir befassen uns in jedem
Einzelfall mit Ihnen individuell und ganz persönlich. Vielleicht eher im Hintergrund, aber oft mit den entscheidenden Hinweisen für Ihre Behandlung mit dem Ziel der
Heilung.
Jede Krebsdiagnose wird vom Pathologen gestellt
Höchstpersönlich mit seinen zwei Augen. Individuell für
jede Patientin und jeden Patienten. Der Facharzt für Pathologie beurteilt immer selbst Ihre Gewebe oder Zellen.
Das Mikroskop ist sein wichtigstes Arbeitsmittel. Mit
ihm sucht er die Muster, die auf Krankheiten wie Krebs
hinweisen könnten. Er ist derjenige, der zum Beispiel
das eventuelle Vorliegen von Krebs definitiv feststellt
oder ausschließt. Aber Krebs ist nicht gleich Krebs. Er
kann beispielsweise mehr oder weniger bösartig sein.
Die Gewebemuster und Genanalysen erzählen uns von
dem „Charakter“ Ihres Tumors. Auch wenn die Diag-
nose Krebs gestellt wurde, besteht häufig berechtigte
Hoffnung auf Heilung. Ob mögliche Therapien bei Ihnen
anschlagen werden, kann von uns in zahlreichen Fällen
vorausschauend (prädiktiv) untersucht werden.
www.pathologie.de
krankheitsbilder7
seltene krebserkrankungen
Individuell lebensgefährlich
Von Helge Denker
A
Unter den Seltenen Erkrankungen tauchen auch etwa hundert seltene Formen von Krebs auf. Diese unterscheiden
sich sehr stark, was Heilungschancen, Behandlungsmöglichkeit und die Neigung zur Bildung von Metastasen
betrifft. Doch immer mehr Ärzte sind auch auf Patienten mit seltenen Krebsformen gut vorbereitet.
ussagen von Ärzten, wie
„Diese Krebserkrankung
kommt äußerst selten
vor“ oder „Das haben wir
hier noch nie gesehen“,
werfen bei Krebspatienten und Angehörigen viele Fragen auf. Laut dem
Krebsinformationsdienst berichten betroffene Patienten dann oft von ihrer
Angst, dass möglicherweise keine Behandlungsansätze für ihre Erkrankung
existieren könnten.
Doch in der Praxis greifen Ärzte auch
bei der Behandlung Seltener Erkrankungen auf vorhandene Erfahrungen
zurück und nutzen eine bei ähnlichen
Erkrankungen übliche und bewährte
Therapie. Für einige seltene Tumorerkrankungen existieren sogar eigene
medizinische Leitlinien, an denen sich
Ärzte bei der Behandlung orientieren
können.
Selten heißt dabei nicht nur, dass von
einer Erkrankung nur relativ wenige
Menschen betroffen sind: Unter Umständen ist der diagnostizierte Tumor
an sich gar nicht selten, sondern lässt
sich einer häufigeren Krebsart zuordnen – er ist nur an einem ungewöhnlichen Organ oder Gewebe entstanden.
Krebserkrankung während der
Schwangerschaft
Auch andere, schon vorher bestehende
Erkrankungen können dazu führen,
dass für einen Tumorpatienten nicht
jede der üblichen Krebsbehandlungen
infrage kommt, sondern individuelle
Lösungen gefunden werden müssen.
Eine besondere Situation ist zum Beispiel eine Krebserkrankung während
der Schwangerschaft. Es gibt viele weitere Faktoren, die eine eigentlich nicht
ungewöhnliche
Krankheitssituation
besonders machen. So wachsen einige
Tumoren unter bestimmten Therapien
sogar, oder sie entstehen an anderen
Stellen neu.
Ein anderes Beispiel sind Weichteilsarkome, also Krebserkrankungen des
Binde- und Stützgewebes. Von den etwa
80,5 Millionen Menschen in Deutsch-
land erkranken pro Jahr knapp 4.000
daran, also etwas weniger als fünf von
100.000 Einwohnern. Weichteilsarkome sind damit wesentlich seltener als
beispielsweise Brustkrebs mit mehr als
70.000 neuen Patientinnen oder Prostatakrebs mit mehr als 65.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Die Gruppe der
Weichteilsarkome umfasst zahlreiche
Unterformen, wie beispielsweise Liposarkome, Rhabdomyosarkome oder
Leiomyosarkome. Es gibt zudem Tumorarten, die zwar im weitesten Sinn
Weichteilsarkome sind, in Statistiken
aber meist als eigenständige Krebsart
erfasst werden, etwa Mesotheliome.
Hinzu kommt: Weichteilsarkome treten an ganz unterschiedlichen Stellen
im Körper auf, etwa an Armen, Beinen,
im Bauchraum, oder in verschiedenen
Organen.
Es kann daher vorkommen, dass ein
Arzt zwar viele Patienten mit Weichteilsarkomen behandelt hat, aber eine bestimmte Weichteilsarkom-Unterart oder
die Erkrankung an einem bestimmten
Körperteil erst wenige Male gesehen
hat. Dennoch ist ein Patient mit einem
Weichteilsarkom in der Regel kein „medizinischer Einzelfall“. Ärzte in größeren Kliniken wissen meist genau, welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Sie
können laut Krebsinformationsdienst
auf eine große Anzahl veröffentlichter
Studien und Behandlungsempfehlungen zugreifen – und im Zweifel an ein
Bei seltenen Krebserkrankungen ist
bei der Therapie Vorsicht geboten, da
durch sie unter Umständen weitere
Tumoren entstehen können.
fokusinterview
„Gezielte Suche nach
Mutationen rettet Leben“
Kommt ein Mensch mit
einer Keimbahnmutation
in einem Tumorgen zur
Welt, sind alle Zellen im
Körper davon betroffen.
Dadurch besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, an
Krebs zu erkranken. „Eine
Identifizierung der Gen-
veränderung sowie gezielte Früherkennungsprogramme sind überlebenswichtig“, weiß Prof. Dr. med. Brigitte
Schlegelberger, Direktorin des Instituts für Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover.
Worin liegt die Problematik in der Diagnose erblicher
Krebserkrankungen? Häufig werden sie übersehen und
als normale Krebserkrankung oder Leukämie betrachtet.
Tritt beispielsweise eine Brustkrebserkrankung im Zusammenhang mit dem Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) auf,
kann eine Bestrahlung zu weiteren Krebserkrankungen
führen. Hat man durch eine genetische Untersuchung
ein LFS gesichert, wird nach Möglichkeit auf die Bestrahlung verzichtet.
Zusätzlich kann bei Verwandten gezielt nach dieser
Genmutation gesucht werden. Diejenigen, die die Genveränderung nicht tragen, haben kein erhöhtes Erkran-
spezialisiertes Zentrum für Seltene Erkrankungen überweisen.
Nur 750 Patienten erkrankten an
Knochen- und Knorpelkrebs
Wie oft einzelne Krebserkrankungen
auftreten, werten in Deutschland die
Krebsregister aus. Sie fassen in ihren
statistischen Erhebungen Zahlen zu
Tumorlokalisationen zusammen und
orientieren sich dabei am jeweiligen
Oberbegriff für die Erkrankungen. In
den Registern werden auch Krebserkrankungen aufgeführt, die nur wenige
Menschen betreffen: an Morbus Hodgkin, einer Lymphomform, erkrankten
2010 nur etwa 2.200 Patienten.
Unter dem Punkt „seltene Lokalisationen“ finden sich in der Krebsregister-Broschüre „Krebs in Deutschland
2014” auch erstmals Zahlen zu weiteren
seltenen Tumorarten: Dazu zählen beispielsweise Tumoren des Dünndarms,
etwa 1.830 Menschen erkrankten 2010
neu daran; oder Tumoren in Knochen
und Knorpel, etwa 750 Menschen waren
2010 erstmals betroffen.
Neue molekularbiologische Verfahren ermöglichen es, immer mehr individuelle Eigenschaften eines Tumors
zu identifizieren. Dadurch lassen sich
auch mehr und mehr Unterformen einer Krebsart beschreiben. Mediziner
hoffen, Patienten auf dieser Basis in
Zukunft zielgerichtete Behandlungen
anbieten zu können, die genau auf
die Eigenschaften ihres Tumors zugeschnitten sind.
●
kungsrisiko. Bei denen, die die Genveränderung tragen,
können Tumoren frühzeitig erkannt und somit Leben
gerettet werden.
Können Sie uns ein Beispiel für den Verlauf von LFS
geben? Ja. Ein Kind mit einem Li-Fraumeni-Syndrom hat
mit vier Monaten einen Hirntumor bekommen, mit vier
Jahren eine Leukämie und mit fünf Jahren einen Nierentumor. Dank optimaler Therapie hat das Kind überlebt
und geht nun in den Kindergarten.
Wie kann eine optimale Versorgung von Patienten mit
erblichen Krebserkrankungen aussehen? Wir brauchen
Zentren mit hoher Expertise, in denen interdisziplinär
zusammengearbeitet wird. Vor allem müssen wir Entstehung und Verlauf der Erkrankungen besser verstehen
lernen. Und die zum Teil sehr aufwendigen und speziellen
Früherkennungsuntersuchungen sollten endlich vollständig von den Kassen übernommen werden.
8krankheitsbilder
cystische fibrose
Was für ein Schleimer
Von Eva Herzog
Mukoviszidose ist eine gefürchtete Krankheit unter den Seltenen Erkrankungen, vor allem weil sie bisher meist
nur symptomatisch behandelt wird. Um die Krankheit genau zu klassifizieren, hilft ein Gentest. Der Test kann je
nach Genotyp individuell feststellen, ob eventuell eine neue Therapiemöglichkeit infrage kommt.
I
n Deutschland leiden derzeit 8.000
Menschen an Mukoviszidose, die
auch Cystische Fibrose (cf) genannt
wird. Für Eltern, die gerade erfahren haben, dass ihr Kind daran erkrankt ist,
gehören Ratlosigkeit und Betroffenheit
zu den ersten Reaktionen. Die Menge
an Informationen über die angeborene Stoffwechselkrankheit und deren
Verlauf ist mitunter überwältigend und
verwirrend, und die nach heutigem Wissen angenommene, verkürzte Lebenserwartung beunruhigt die jungen Eltern
zutiefst.
Gekennzeichnet ist die Erkrankung
dadurch, dass die Drüsensekrete der
exokrinen Drüsen, also die der Lunge
und des Magen-Darm-Trakts, extrem
zähflüssig sind und dadurch nicht mehr
richtig abfließen können. Hervorgerufen wird dieser Zustand durch einen
Gendefekt, der eine Rückresorption
von Chloridionen unmöglich macht
oder stark erschwert. Dadurch, dass
die Sekrete so dickflüssig sind, entstehen ganz unterschiedliche Funktionseinschränkungen oder Störungen und
Entzündungen an ganz verschiedenen
Organen. Umso wichtiger ist es daher,
dass die Krankheit früh diagnostiziert
wird, was allerdings häufig gar nicht so
einfach ist, gerade weil die Symptome
sehr unterschiedlich ausfallen können.
Eine genaue Diagnostik bestimmt
die Genmutation
Bei Neugeborenen kann schon sehr
früh durch eine Blutprobe festgestellt
werden, ob weitere Untersuchungen zur
Abklärung nötig sind. Wird das kindliche Blut zweifach positiv getestet,
wird ein Schweißtest durchgeführt, der
misst, ob der Chloridgehalt erhöht ist.
Damit kann eine sehr sichere Aussage
getroffen werden, ob Mukoviszidose als
Krankheit infrage kommt. Um eine genaue Differenzierung der Krankheit zu
treffen, gibt es inzwischen einen Gentest, der in 90 Prozent der Fälle feststellen kann, um welche Genmutation es
sich handelt. Dafür wird Blut im Labor
auf die entsprechenden Parameter hin
untersucht und der entsprechende Genotyp ermittelt.
Zwar beginnt Mukoviszidose häufig
mit recht harmlos klingenden Lungenbeschwerden wie rezidivierenden Atemwegsinfekten bei Säuglingen; doch es
sind auch Erstsymptome wie ein lebensgefährlicher Darmverschluss bei der
Cystischen Fibrose möglich. Dieser wird
lerweile aber wurden Medikamente
häufig dadurch hervorgerufen, dass der
entwickelt, die eine enorm positive
erste, zähe Stuhlgang der Säuglinge den
Wirkung auf die Krankheit haben, weil
Darm verstopft und nicht ausgeschiesie in der Lage sind, den Chloridfluss zu
den werden kann. Sind die Patienten älverbessern, indem sie die Funktion der
ter, kommt es neben einer chronischen
Kanäle in der Zellwand optimieren oder
Bronchitis häufig zu schweren Lungenweitere Kanäle zur Verfügung stellen.
entzündungen, die für die Patienten
Damit kann beispielsweise die Verflüssiohne Transplantatigung von Schleim in
on meist tödlich ender Lunge bewirkt
Die Bestimmung
det. Die Betroffenen
werden, oder dass
des Genotyps kann
leiden in der Regel
sich die Bauchspeiaufzeigen, welche
an Magen-Darm-Becheldrüse
soweit
Medikamente wirken. entspannt,
schwerden, wobei die
dass
Bauchspeicheldrüse
den Patienten eine
extrem stark von den
Verbesserung ihres
Störungen betroffen ist, weil die VerKörpergewichts möglich ist. Diese Medauungssäfte nur unzureichend für den
dikamente wirken allerdings nicht pauNahrungsstoffwechsel zur Verfügung
schal bei jedem, der an Mukoviszidose
stehen. Dadurch können wiederum weierkrankt ist, sondern beziehen sich häutere Erkrankungen entstehen, wie zum
fig auf einen speziellen Genotyp und gelBeispiel Diabetes mellitus oder auch
ten als mutationsspezifische Therapien.
schwere Gedeihstörungen bis hin zu
Auch wenn die Krankheit damit noch
Cor pulmonale.
nicht komplett geheilt werden kann, so
ist es mit den neuen Medikamenten oft
Die medikamentöse Versorgung
möglich, das schwere Krankheitsbild
hat sich verbessert
abzumildern oder soweit zu modulieBisher konnte Mukoviszidose nur symp­
ren, dass sich der bisher oft schwere
tomatisch behandelt und die KrankKrankheitsverlauf positiv beeinflussen
heitssymptome gelindert werden. Mittlässt.
●
„
Quelle: IGES, 2014
Umsatzzuwachs auf dem deutschen Arzneimittelmarkt im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr
(in Millionen Euro)
Rheumatoide Arthritis und andere Systemerkrankungen 113
Multiple Sklerose (Immuntherapie) 91
Erhöte Thrombozytenaggregationsneigung 77
Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensinsystem (Hypertonie) 51
Säure bedingte Erkrankungen 47
Bakterielle Infektionen 39
Verschiedene Krebserkrankungen 36
Asthma, COPD 35
HIV/AIDS 32
Makuladegeneration 29
Diabetes mellitus (Teststreifen) 28
Neuropathische Schmerzen 24
Mukoviszidose 21
Lipidsenker Psoriasis Antidepressiva 18
16
15
innovation9
W
issenschaftliche Forscher in Europa, den usa und Australien wollen gemeinsam neue Standards
auf dem Gebiet der Diagnose und
Therapie seltener Erkrankungen
setzen. Ihre Forschung wird von der Europäischen
Kommission mit zwölf Millionen Euro finanziert.
Die Forschung am Projekt Neuromics (Integrated
European project on omics research of rare neuromuscular and neurodegenerative diseases), wird von
Professor Olaf Riess vom Institut für Medizinische
Genetik und Angewandte Genomik der Universität Tübingen koordiniert. Es konzentriert sich auf die seltene
neurodegenerative und neuromuskuläre Erkrankungen. In ganz Europa sind etwa eine halbe Million Menschen von diesen Krankheiten betroffen. Laut Global
Genes-Projektleiden 350 Millionen Menschen weltweit
an einer Seltenen Erkrankung, während die Europäische Organisation für Seltene Erkrankungen Eurordis
schätzt, dass 5.000 bis 7.000 Seltene Erkrankungen
existieren, die etwa sechs bis acht Prozent der Bevölkerung in der Europäischen Union betreffen.
Den ganzen Heuhaufen auf einmal untersuchen
Das Forschungsteam, das aus akademischen Einrichtungen und Unternehmen besteht, will mithilfe neuester Technologien die Diagnose dieser Krankheiten
verbessern und neue Therapien auf der Basis der Me-
diagnostik
In Zukunft
besser
erkennen
Für viele Seltene Erkrankungen gibt es immer
noch keine sichere Diagnostiklösungen. Doch
ein internationales Team von Wissenschaftlern
arbeitet gemeinsam an neuen Methoden, um
Seltene Erkrankungen in Zukunft besser erkennen
und bekämpfen zu können. Eine Schwerpunkt
liegt dabei auf seltenen neurodegenerativen und
neuromuskulären Erkrankungen.
Von Helge Denker
chanismen jeder einzelnen Krankheit entwickeln. Der
Fokus liegt dabei auf zehn Seltenen Erkrankungen, darunter Ataxie, spastische Paraplegie, Morbus Hunting-
Durch deutlich verbesserte Analysemethoden
können menschliche Gene erheblich schneller
als zuvor untersucht werden.
ton, Muskeldystrophie oder spinale Muskelatrophie.
Die Ergebnisse sollen sofort in der Praxis angewendet
werden können und so einen unmittelbaren Nutzen
für die Patienten schaffen.
Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit, die 2012 gestartet ist und bis 2017 dauern soll, stehen die seltenen
neurologischen Erkrankungen. Sie bietet laut Professor Riess die Chance, für die Mehrzahl der Erkrankungen eine Diagnostik zu etablieren und für einige eine
Therapie zu entwickeln.
Da rund 80 Prozent der Seltenen Krankheiten genetisch bedingt sind, liegt ein Schwerpunkt der Forschung auf der Genotypisierung. Durch modernste
Sequenziertechnik besteht neuerdings die Möglichkeit, eine Vielzahl von Genen beziehungsweise Genabschnitten gleichzeitig zu untersuchen. Das Finden von
bereits bekannten und neuen genetischen Veränderungen wird dadurch deutlich einfacher, schneller und
preiswerter. Für die seltenen neurodegenerativen und
neuromuskulären Erkrankungen bedeutet das, dass
die Diagnostik, die bisher oft der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen glich, in der Lage sein wird, den
gesamten Heuhaufen in seinen einzelnen Bestandteilen auf einmal zu untersuchen.
Zentren für unerkannte Krankheiten gibt es in einigen großen Krankenhäusern und Uni-Kliniken. Bei
der Einbindung von Medizinstudenten ist laut dem
Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (namse) Frankfurt der Vorreiter.
Aber auch Kliniken in Bonn und Ulm arbeiten mit Studierenden als Gesundheitsfahnder – Fernseharzt Dr.
House lässt grüßen.
●
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Schmittgall Werbeagentur
werbebeitrag – interview
„Diagnose und Therapie bei Sklerodermie“
Systemische Sklerose (SSc) ist eine besonders tückische Autoimmunerkrankung,
die Haut, Bindegewebe und innere Organe betreffen kann. Ein mögliches Anzeichen für eine beginnende SSc ist das Raynaud-Phänomen (Weißfingerkrankheit).
Da schwere Fälle der SSc auch zum Tode
führen können, werden neue Konzepte für
Diagnose und Therapie benötigt.
Was ist das Einzigartige an den Entwicklungen von Protagen? Blut basierte
Tests auf einzelne Autoantikörper sind in
der Autoimmun- und SSc-Diagnostik etabliert. Protagen ermöglicht nun erstmals
die Identifizierung aller krankheitsspezifischen Autoantikörper. Diese sind dann
die Basis für eine verbesserte, frühere
Diagnose von SSc und anderer Autoimmunerkrankungen. Zudem können wir so den
Verlauf der Erkrankungen prognostizieren und erstmalig die Wirksamkeit von Medikamenten voraussagen.
Warum nun einen neuen Test für SSc? Bei SSc gibt es individuell sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe und die richtige Diagnose ist generell schwierig. Eine optimale
Therapie von Patienten mit Organschädigungen ist hingegen nur durch eine möglichst
frühe Diagnose möglich. Hier setzt unser Test an.
Wann wird Ihr SSc Test zur Verfügung stehen? Mit unseren Partnern in Europa und
Nordamerika ist der diagnostische Test in der finalen klinischen Erprobung und wird
2015 für Patienten und Ärzte verfügbar sein.
WIR
BITTEN UM
AUFMERKSAMKEIT
Josephine hat das Williams-Beuren-Syndrom
Wer hilft, wenn niemand helfen kann?! Rund 4 Mio. Menschen in Deutschland leiden an einer
chronischen, seltenen Krankheit. Ein großer Teil der Kranken sind Kinder. Die „Seltenen“
fallen durch das Raster unseres Gesundheitssystems. Die ACHSE springt ein, berät Kranke
und ihre Angehörigen im Umgang mit der Krankheit, fördert das Netzwerk, und gibt den
„Seltenen“ eine Stimme. Helfen Sie uns, zu helfen. Mit Ihren Ideen, Ihrem Know-how oder
mit Ihrer Spende!
Schirmherrin: Eva Luise Köhler
Spendenkonto: ACHSE e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
BIC: BFS WDE 33
IBAN: DE89 3702 0500 0008 0505 00
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10innovation
anästhesie
Leicht zu übersehen
Von Helge Denker
Ein Problem bei Patienten mit Seltenen Erkrankungen ist, dass Anästhetika bei Operationen unerwünschte
Nebenwirkungen auslösen können. In einigen Fällen verschlimmert sich dadurch sogar das Krankheitsbild. Doch
immer mehr Anästhesisten wissen, wie sie sich auf diese Art von Patienten einstellen müssen.
P
rofessor Dr. Peter Tonner, Chefarzt am Klinikum Links der Weser in Bremen und von Haus
aus Anästhesist und Intensivmediziner, warnt:
„Seltene Erkrankungen werden schnell übersehen”
Wichtig sei es bei einer Operation, dass die Anästhesie
darauf achte, dass die Atemwege des Patienten frei bleiben, was zum Beispiel bei Missbildungen im Gesicht
problematisch sein kann. Auch sei es wichtig, einen
Patienten mit einer Seltenen Erkrankung zu fragen,
welche Medikamente er einnimmt, um unerwünschte
Wechselwirkungen ausschließen zu können.
Oft werden bestimmte Arzneimittel für die Narkose
von Patienten nicht vertragen, sodass andere eingesetzt werden müssen. Bei der sogenannten Malignen
Hyperthermie zum Beispiel reagiert der Patient auf ein
bestimmtes Narkosemittel mit einem erhöhten Stoffwechsel sowie mit Fieber. Gleichzeitig wird der Körper
nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und es
besteht Lebensgefahr. Doch dagegen gibt es ein sehr
gutes Medikament. „Das weiß heute jeder Anästhesist”, so Tonner, der mit zwei Co-Autoren ein medizinisches Fachbuch über „Anästhesie und Begleiterkrankungen” verfasst hat. Diese Seltene Erkrankung kann
einerseits von den Eltern vererbt werden, sie kann
andererseits auch im Mutterleib durch eine Mutation
entstehen. Der Arzt kann die Erbform der Krankheit
bei der Anamnese feststellen, indem er nachfragt, ob
Todesfälle in der Familie unter Narkoseeinwirkung
bekannt sind. Ist die Krankheit durch Mutation entstanden, wird es erheblich schwieriger, hier hilft unter
Umständen ein Labortest mit einer Muskelgewebeprobe bei der Erkennung der Krankheit.
Symptome behandeln, ohne die Krankheit zu kennen
Doch auch wenn eine Seltene Erkrankung im Vorfeld
nicht erkannt wird, können viele Symptome behandelt
werden, zum Beispiel ein erhöhter Hirndruck. Dieser
lässt sich gezielt senken, unabhängig von der aktuellen Ursache. In vielen Fällen unterscheidet sich eine
Narkose bei Patienten mit einer Seltenen Erkrankung
nicht von einer üblichen Narkose, die mit großer Sorgfalt durchgeführt wird.
Grundsätzlich müsse man bei Narkosen immer die
Risiken abschätzen und so weit wie möglich reduzieren. Das gilt besonders bei Notfällen, wenn eine Anamnese nicht oder nur eingeschränkt möglich ist und die
Narkose quasi „ohne Vorkenntnisse“ erfolgt. Bei der
Überwachung des Patienten helfen auch technische
Innovationen: So werden mithilfe einer kleinen Elektrode auf der Stirn des Patienten laufend seine Gehirnströme gemessen und überwacht. Der Computer zeigt
dem Anästhesisten dabei einen Wert zwischen 0 und
100, wobei 100 für den Wachzustand steht. Liegt dieser
Wert zwischen 40 und 60, ist die Narkose optimal, bewegt sich der Wert aus diesem Bereich, könne gezielt
nachdosiert werden. Das Ziel sei es, so viel wie nötig
und so wenig wie möglich zu dosieren. ●
werbebeitrag – interview
Damit bei der Narkose für eine Operation alles
gutgeht, sind eine umfangreiche Anamnese
und ständige Überwachung notwendig.
„Sichere Anästhesie“
OrphanAnesthesia ist ein Projekt
der Deutschen Gesellschaft für
Anästhesiologie und Intensivmedizin. Projektleiter Professor Dr. med.
Tino Münster erklärt, warum das Projekt einen wichtigen Schritt für die
Erhöhung der Patientensicherheit
darstellt.
Welches Ziel verfolgt Ihr Projekt?
Ziel des Projektes ist die Veröffentlichung von Handlungsempfehlungen zur Durchführung
von Narkosen bei Patienten mit Seltenen Erkrankungen.
Das Problem dabei ist, dass es in den meisten Fällen nur
wenig gesicherte Erkenntnisse darüber gibt, welche
Schwierigkeiten auftreten können und wie die Narkose
sicher durchgeführt werden kann.
Wie möchten Sie dieses Ziel erreichen? Unsere Handlungsempfehlungen werden von erfahrenen Anästhesisten erstellt und von Fachexperten begutachtet. Damit
stellen wir sicher, dass unsere Empfehlungen den neuesten Wissensstand wiedergeben.
Wie werden die Handlungsempfehlungen publiziert?
Die Sprache unserer Handlungsempfehlungen ist Englisch. Somit können wir die Empfehlungen allen Ärzten,
Patienten und interessierten Organisationen weltweit
zur Verfügung stellen. Unser Angebot ist kostenfrei.
Wie kann man OrphanAnesthesia unterstützen?
Nehmen Sie per E-Mail Kontakt mit uns auf (info@
orphananesthesia.eu) oder unterstützen Sie uns in
Form einer Spende. Spendenkonto: Stiftung Deutsche
Anästhesiologie, IBAN: DE11 3006 0601 0007 9274 79
BIC: DAAEDEDD.
www.orphananesthesia.eu
werbebeitrag – produktportät
Brückenbauer für
betroffene Kinder
Tanja war ein 13-jähriges aufgewecktes und lebenslustiges Mädchen und liebte ihre Gymnastikstunden. Eines
Tages zeigte sich eine plötzliche Lähmung ihres rechten
Beines. Später kamen auch Sprachprobleme dazu.
Der Kinderarzt hatte keine Erklärung für diese Symptome und schickte die Familie wieder nach Hause. Wenige Monate später und dem erneuten Auftreten der
Lähmungen und Sprachstörungen stand die Diagnose
fest. Es war Moyamoya, eine der über 7.000 inzwischen
bekannten Seltenen Krankheiten, englisch auch als
Orphan Disease bekannt.
Bis vor Kurzem konnten so ein Verschluss der Gehirn­
arterien mit bleibenden Schäden wie bei einem Schlaganfall nur in den USA operiert werden. Heute ist dies
auch in wenigen Zentren in Europa möglich, weil Seltene
Krankheiten immer häufiger Unterstützer finden. Medikamente, um Tanjas Gefässe im Hirn offen zu halten, gibt
es aber bis heute noch keine.
Tanja geht es heute, nach mehreren Operationen, wieder besser. Sie bekam ihr Selbstvertrauen zurück und
geht wieder auf andere Kinder zu. Dazu beigetragen hat
auch das Comicbuch für Kinder und der Hund, der Stiftung Orphanbiotec. Über 20 Millionen Kinder leben mit
einer Seltenen Krankheit in Europa. Damit sich das ändert, forscht die Schweizer Stiftung Orphanbiotec und
bietet mit ELFEN HELFEN® ein Gesundheitsförderprogramm für betroffene Kinder und Familien an. Um noch
erfolgreicher agieren zu können, sucht die Stiftung dringend Gönner und Patrons.
www.orphanbiotec-foundation.com
innovation11
forschung
Mit Geduld und Spucke
Von Mike Paßmann
Die Forschung für Seltene Erkrankungen erfolgt meist in sehr kleinen Schritten, umsetzbare Ergebnisse lassen Jahre auf sich warten, dafür ist
die Materie schlicht meist Neuland für die Mediziner. Ohne die Forschung jedoch gäbe es für (künftige) Betroffene kaum mehr Perspektiven.
M
ichael Müller wird
mit dem Verdacht
auf eine Endokarditis, also einer
Entzündung
der
Herzinnenhaut, ins Krankenhaus eingeliefert. Symptomatik und Bildgebung
weisen auf einen schweren Verlauf hin,
der einer umgehenden Operation bedarf. Doch während der op zeigt sich
bereits, dass die ursprüngliche Diagnose wahrscheinlich nicht korrekt ist.
Die Pathologie bringt Klarheit: Müller
leidet an einem Systemischen Lupus
erythematodes, kurz sle, einer seltenen
Autoimmunkrankheit, die auch Organe
angreifen und unbehandelt zum Tode
führen kann. Für den Patienten bedeutet die eher zufällig gestellte Diagnose
Glück im Unglück, der behandelnden
Uni-Klinik bringt sie einen wirtschaft-
lichen Schaden von mehreren Tausend
Euro. Der Grund dafür liegt am Honorierungssystem, nach dem Krankenhäuser medizinische Leistungen fallbezogen abrechnen können – Seltene
Erkrankungen sind dort jedoch nicht
vorgesehen. Statt der entstandenen Kosten in Höhe von 9.000 Euro werden nur
3.500 Euro vergütet.
Uni-Kliniken in Not
Dabei sind es zurzeit vor allem die
Uni-Kliniken, die Seltene Erkrankungen
behandeln, da dort am ehesten nach
Ursprüngen, Verläufen, Diagnose- und
Therapiemethoden bestimmter seltener Krankheitsbilder geforscht wird.
Denn anderswo wurden die Patienten
längst aufgegeben. Doch diese Forschungsarbeit wird nicht ausrechend
honoriert: 2013 haben 17 der 33 Kliniken
rote Zahlen geschrieben, insgesamt ist
ein Minusbetrag von 161 Millionen Euro
aufgelaufen. In der Folge könnte die
Entwicklung neuer Therapien dem Rotstift zum Opfer fallen, weil beispielsweise für die Durchführung von klinischen
Tests kein Geld mehr vorhanden ist.
Den Patienten wäre damit nicht gedient.
geforscht werden kann und es schnellstmöglich zu am Patienten umsetzbaren
Ergebnissen kommt – auch wenn nur
wenige Menschen überhaupt für Forschungszwecke zur Verfügung stehen.
Zurzeit gibt es zwölf dieser Forschungsverbünde, beispielsweise das Netzwerk
für Mitochondriale Erkrankungen, das
Netzwerk für Autoinflammatorische
Syndrome bei Kindern und Jugendlichen oder das Netzwerk für Erbliche
Netzhauterkrankungen. Über einen
Zeitraum von drei Jahren gibt es für die
unter der Bezeichnung „Research For
Rare“ zusammengefassten Netzwerke
vom bmbf eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 20 Millionen Euro.
Wissen verknüpfen
Doch es gibt auch viele positive Impulse, durch immer mehr forschende Pharmaunternehmen, aber auch unter anderem durch den „Nationalen Aktionsplan
für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“, kurz namse. Die 2010 gemeinsam
von der Bundesregierung und den im
Bereich Seltene Erkrankungen tätigen
Selbsthilfeorganisationen entwickelte
Schnell mal ausgelesen
Initiative verfolgt als eines seiner wichViele Seltene Erkrankungen haben ihren
tigsten Ziele die Forschungsförderung
Ursprung in einem genetischen Defekt.
für diesen Bereich und möchte nationaHier setzt das „next generation sequenle und internationale Experten miteinzing“ an: Eine neue Methode reduziert
ander vernetzen. Das BundesministeAufwand und Kosten, in dem Millionen
rium für Bildung und Forschung, kurz
der winzigen dna-Abschnitte parallel
bmbf,
beteiligt
ausgelesen und nach
sich unter andebestimmten Fehlern
Wenn Forscher sich
rem an deutschen
untersucht werden.
vernetzen und Wissen
und europäischen
Sind sie lokalisiert,
austauschen, geht es
Forschungskoopemüssen ihre Funktietwas schneller voran. onsweisen erforscht
rationen mit bis zu
27 Millionen Euro
werden;
Behandbis zum Jahr 2018,
lungsansätze gibt es
bei denen zum Beispiel Krankheitsmejedoch meist nur wenn klar ist, unter
chanismen und genetische Ursachen
welchen Bedingungen die Zellen mutieergründet werden.
ren und was zum Auslösen der SymptoWichtig ist auch die Zusammenme führt. Ein beschwerlicher Weg also –
führung von Wissen zu spezifischen
der den Betroffenen über kurz oder lang
Erkrankungen, damit systematisch
Nutzen bringen kann. ●
„
Wichtig für die Erforschung Seltener Erkrankungen ist der Austausch der gewonnenen Daten.
werbebeitrag – interview
„Auch für kleine Patientengruppen
Therapien ermöglichen“
Meist ist der Forschungsaufwand für Therapien für Seltene Erkrankungen immens groß, der Kundenkreis jedoch
besteht nur aus wenigen Patienten. Für das italienische
Pharmaunternehmen Sigma-Tau steht diese Patientengruppe jedoch im Fokus. Dr. Marc-Oliver Rauch, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung, erläutert im
Gespräch Hintergründe und Ziele des Unternehmens.
Warum engagiert sich Sigma-Tau so stark bei der Erforschung nach therapeutischen Lösungen für Seltene
Erkrankungen? Wir sind der Überzeugung, dass auch die meist sehr kleinen Patientengruppen einzelner Seltener Erkrankungen eine Therapie und eine Linderung ihrer Symp­
tome erhalten sollten. Viele Pharmaunternehmen scheuen die hohen Forschungskosten in diesem Bereich im Vergleich zum erwartenden Gewinn. Das ist bei uns nicht der
Fall, in unserem seit 1957 bestehenden Unternehmen in Familienbesitz sind 220 der
circa 2.000 Mitarbeiter an Lösungen für die sogenannten Rare Diseases tätig.
Für welche Erkrankungen bieten Sie bereits Therapien an? Unter anderem für die
akute lymphatische Leukämie (ALL), von der häufig Kinder betroffen sind. Unser Produkt baut den Asparaginspiegel im Blut ab, wodurch den Tumorzellen ein Wachstumsfaktor entzogen wird. Für ein anderes Präparat konnten wir in diesem Jahr die Indikation für die seltene Hirntumorart, das anaplastische Oligodendrogliom, erhalten. Für den
seltenen, vererbten Carnitin-Transporter-Defekt bieten wir L-Carnitin an.
Was ist künftig von Sigma-Tau zu erwarten? Wir haben unter anderem ein verbessertes ALL-Therapeutikum mit längerer Halbwertzeit in der Pipeline sowie Produkte, die
bei seltenen Stoffwechselerkrankungen zum Einsatz kommen könnten. Wir arbeiten
zudem an der Zulassung für ein Präparat bei schweren kombinierten Immun­defekten.
www.sigma-tau.de
12innovation
arzneimittelzulassung
Vereinfachter Markteintritt
Von Mike Paßmann
Hohe Entwicklungs- und Vermarktungskosten, aber nur eine überschaubare Zielgruppe – für Pharmaunternehmen bedeuten Arzneimittel, die bei
Seltenen Erkrankungen zum Einsatz kommen, ein hohes wirtschaftliches Risiko. Eine europäische Verordnung bietet den Unternehmen Anreize
zur Entwicklung der Medikamente. Derzeit gibt es nur für 44 Seltene Erkrankungen Zulassungen – bei mehr als 7.000 Krankheitsbildern.
A
rzneimittel für Seltene Erkrankungen werden auch als Orphan Drugs bezeichnet. Der englische Begriff orphan, übersetzt „die Waise“, trifft die Situation sehr genau, denn nur für einen verschwindend geringen Teil der
bekannten seltenen Erkrankungen gibt es überhaupt Arzneimittel. Die Mehrheit jedoch spielt für die pharmazeutische Industrie eine untergeordnete oder auch keine
Rolle. Sogenannte „Blockbuster“, also Umsätze mit einem Medikament jenseits der
Milliarden-us-Dollar-Marke, sind hier noch seltener, als das bei Volkskrankheiten
wie Diabetes oder Bluthochdruck der Fall ist. Allerdings gibt es durchaus Potenzial,
zum Beispiel durch die sehr große Gruppe an seltenen Krebserkrankungen. Aber
auch wegen der für die Pharmaunternehmen reizvollen Möglichkeit, die hohen Entwicklungs- und Vermarkungskosten durch entsprechend hohe Arzneimittelpreise
zu überkompensieren.
Langer Weg bis zur Zulassung
Seit dem Jahr 2000 gibt es eine europäische Verordnung, die den Pharmaunternehmen die Zulassung neuer Arzneimittel für Diagnose, Prävention und Behandlung
bei Seltenen Erkrankungen erleichtert. Denn nur dadurch – so war die Überlegung
– können auch diese Patienten vom medizinischen Fortschritt profitieren. Zunächst
müssen die Wirkstoffe als Orphan-Medizinprodukt vom Committee for Orphan
Medicinal Products (comp), das zur europäischen Arzneimittelagentur ema gehört, zugelassen werden. Wichtige Voraussetzungen dafür: Es sind nicht mehr als
fünf von 10.000 Menschen in der eu von der Erkrankung betroffen, die Krankheit
ist chronisch, lebensbedrohlich oder führt zur Invalidität und es existiert keine zuverlässige Alternative. Die Pharmaunternehmen müssen den Antrag wissenschaftlich belastbar begründen, wobei sich die Forschungsarbeit entweder noch in den
Kinderschuhen befindet, der Wirkstoff noch nicht an Menschen getestet wird oder
aber die Wirksamkeit bereits in klinischen Studien am Menschen überprüft wird.
Erteilt wird die endgültige Zulassung nach eingehender Prüfung von Risiken, Wirksamkeit und Qualität durch das Committee for Medicinal Products for Human Use
(chmp), also dem Ausschuss für Humanarzneimittel. Sie erfolgt nicht eu-weit, sondern muss auch noch von den einzelnen Länderkommissionen erteilt werden. Und:
Sie kann auch unter der Bedingung erfolgen, dass bestimmte Daten nachgeliefert
werden müssen. Häufiges Problem: Es gibt nur wenige Betroffene für die Durchführung belastbarer Studien. Das sorgt einerseits für eine frühe Zulassung, damit den
Menschen rasch geholfen werden kann, andererseits aber auch für eine ständige
Erfolgsüberprüfung durch die Behörden.
Garantierte Entlastung
Für ihr Engagement erhalten die Pharmaunternehmen unter anderem eine attraktive Marktexklusivität für zehn Jahre. Wird der Wirkstoff auch bei Kindern eingesetzt,
verlängert sie sich auf zwölf Jahre. Zusätzlich bekommen sie beispielsweise günstige
oder auch kostenlose organisatorische Unterstützung, eine deutliche Reduzierung
der Gebühren für das Zulassungsverfahren und die jährlichen Inspektionen sowie
mitunter beschleunigte Verfahrenszeiten. Insgesamt ergeben sich schnell Einsparungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Allerdings belaufen sich Forschungs- und Entwicklungskosten meist auf zweistellige Millionenbeträge.
Die Vorteile des Orphan Drug-Status‘ könnte Pharmahersteller dazu verleiten,
Wirkstoffe als elementar für die Behandlung Seltener Erkrankungen auszugeben –
um unterm Strich eine schnellere Zulassung für abweichende und finanziell reizvollere Indikationen zu erhalten. Die aktuellen Zahlen sprechen jedoch eher gegen diese Vermutung: Derzeit sind nur 75 Medikamente als Orphan Drug gelistet, 35 weitere
haben den Status nach Ablauf der zehn beziehungsweise zwölf Jahre wieder verloren. In der Prüfung befinden sich derzeit immerhin mehr als 1.250 Arzneimittel, viele
von ihnen für onkologische Erkrankungen. Welche Präparate zugelassen und somit
Hoffnung für die Patienten bringen werden, ist völlig unklar – das Engagement der
Unternehmen stimmt jedoch positiv.
●
Der Zulassungsprozess dauert bei Arzneimitteln meist einige
Jahre, bei Seltenen Erkrankungen kann er verkürzt werden.
trie übernimmt hier schon länger Verantwortung und
hat in der EU bislang mehr als 100 Orphan Drugs auf den
Markt gebracht.
gastbeitrag
Orphan Drugs fördern
Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck genießen in der Öffentlichkeit eine hohe Aufmerksamkeit. Von
Seltenen Erkrankungen hört man dagegen nicht so häufig. Dabei leiden allein in Deutschland rund vier Millionen
Men­schen unter einer der rund 6.000 bekannten Erkrankungen. Dazu schreibt Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Pharmazeutischen
Industrie.
Viele von ihnen haben eine jahrelange Irrfahrt durch
unzählige Arztpraxen hinter sich, bevor ihr Leiden überhaupt diagnostiziert wird. Und dann gibt es für die Krank-
Menschen mit Seltenen Erkrankungen hoffen auf Forschungs­
erfolge.
heit möglicherweise noch gar keine Therapie. Deshalb
hoffen Patienten auf Forschungserfolge bei den Orphan
Drugs, den Arzneimitteln gegen Seltene Erkrankungen.
Wir dürfen sie nicht enttäuschen, denn die Betroffenen
haben das Recht, gleichermaßen mit wirksamen und sicheren Arzneimitteln versorgt zu werden, wie Patienten,
die an einer Volkskrankheiten leiden. Die Pharmaindus-
Forschungsanreize nötig
Das kann aber nur ein Anfang sein, denn die Forschung
und Entwicklung muss auch in Deutschland noch weiter
intensiviert werden. So sieht es auch der Aktionsplan
des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit
Seltenen Erkrankungen (NAMSE) vor, der 2013 verabschiedet worden ist. Neben Verbesserungen der Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten muss es aus Sicht
des BPI aber auch darum gehen, nationale Anreize zum
Beispiel durch die Forschungsförderung zu schaffen und
die Gebühren für die Beantragung klinischer Studien zu
senken. Nicht zuletzt braucht die langfristig angelegte
Forschung an Orphan Drugs unbedingt verlässliche Rahmenbedingungen bei der Erstattung.
organisation13
selbsthilfe
Hilf dir selbst,
aber wie?
Menschen mit einer Seltenen Erkrankung stehen plötzlich vor der Frage
nach der geeigneten Therapie oder dem passenden Medikament. Doch allzu
häufig gibt es (noch) keine geeigneten Verfahren um die Krankheit zu heilen
oder zu lindern. Wer den Austausch mit anderen Betroffenen sucht, ist mit
Selbsthilfeorganisationen gut beraten.
K
Von Charlotte Klingenthal
opfschmerz,
Migräne,
Bauchweh – wer davon
betroffen ist, findet in
der Regel Verständnis für
die Beschwerden, ganz
einfach deshalb, weil sie jeder kennt.
Für solche gängigen Krankheiten haben die meisten von uns das passende
Mittelchen im Arzneischrank zuhause. Anders geht es den Betroffenen von
Seltenen Erkrankungen: Sie haben
häufig überhaupt niemanden in ihrem
Bekanntenkreis, der ihre Krankheit
kennt, versteht oder weiß, wie hoch der
Leidensdruck ist, mit dem sie zurechtkommen müssen. Sich immer wieder
erklären zu müssen, ist dabei für viele
eine zusätzliche Last zur eigentlichen
Erkrankung, bei der häufig nur die
Symp­tome gelindert werden können.
Mitgefühl tut gut
Um dennoch Menschen zu haben, die
mitempfinden können, wie es sich anfühlt an einer Krankheit zu leiden, die
nur wenige Menschen haben und die
zudem häufig als nicht heilbar gilt,
finden viele ein Forum in eigens dafür
eingerichteten Selbsthilfegruppen, Patientenvereinigungen oder in verständnisvollen Gesprächen mit einem Psychologen. Häufig sind es nämlich nur
die Ärzte, Physiotherapeuten oder anderes medizinisches Personal, die den
Weg der Betroffenen kreuzen und annähernd nachvollziehen können, was die
Erkrankung bedeutet. Sie können wertvolle Ansprechpartner sein, wenn es darum geht, geeignete Selbsthilfegruppen
oder Stiftungen zu finden, oder sogar
selbst zu gründen, um sich mit anderen
Patienten und der jeweiligen Krankheit
auseinanderzusetzen.
Patientenvereinigungen und Stiftungen bieten nicht nur einen verständnisvollen Austausch mit anderen Betroffenen, sondern sind häufig durch eigens
finanzierte Forschungsprojekte maßgeblich daran beteiligt, neue Erkenntnisse über die Krankheit und geeignete
Therapiemöglichkeiten zu erlangen und
unter den Patienten zu verbreiten.
Ziel: Seltenen Erkrankungen
Gehör verschaffen
Durch die geringe Dichte an Betroffenen steht für forschende Pharmafirmen
der Aufwand ein neues Medikament zu
entwickeln häufig in keiner Relation
zum finanziellen Gewinn, der mit dem
Medikament erzielt werden kann. Da ist
der gewöhnliche Migränepatient besser dran, weil die Krankheit in der Bevölkerung einfach häufiger auftritt. Der
Anreiz an neuer Medizin oder besseren
Behandlungsmethoden für die Seltenen
Erkrankungen zu forschen, ist somit aus
ökonomischer Sicht für die Konzerne
einfach zu gering, obwohl in Deutschland insgesamt circa vier Millionen
Menschen davon betroffen sind. Umso
wichtiger ist es daher, sich über die vorhandenen Organisationen ein Gehör
bei der Öffentlichkeit zu verschaffen.
Als übergeordnete Organisation ist hier
beispielsweise der Verein achse e. V. (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) tätig, der unter anderem mithilfe
von breiter Öffentlichkeitsarbeit und
Gesprächen mit Verantwortlichen dabei hilft, dass sich die Lebensumstände
und Behandlungsmaßnahmen für Menschen mit den Seltenen Erkrankungen
verbessern.
●
Wichtig ist die Vernetzung unter den Betroffenen
und
mit ihr das Gefühl, verstanden zu werden.
Bildunterschrift
werbebeiträge
selbsthilfekompass
Standbein e. V.
Morbus Osler Selbsthilfe
Deutsche Huntington-Hilfe e. V.
PFFD, Fibula- oder Tibiadefekte sind
angeborene Fehlbildungen, die bei
nicht angemessener Versorgung zu
starken
Bewegungseinschränkungen führen. In Deutschland werden
jährlich fünf bis zehn Kinder mit diesen Anomalien geboren. Umso wichtiger ist es, die Informationslage zu
verbessern und Kinder aus Entwicklungsländern medizinisch zu unterstützen. Standbein e.V. hilft den Betroffenen und deren Familien.
Es ist nicht immer Nasenbluten – es
kann auch Morbus Osler sein, eine
seltene, erbliche Erkrankung der
Blutgefäße und des umliegenden
Gewebes. Eine bundesweite aktive
Selbsthilfegruppe sowie eine Stiftung konnten ins Leben gerufen
werden. Lebenshilfe und der Ausbau der wissenschaftlichen Forschung ist unser Ziel. Bitte helfen Sie!
IBAN: DE 18370501981901037034,
BIC: COLDSDE33XXX, Sparkasse
Köln-Bonn.
ist die Selbsthilfeorganisation für die
Huntington-Krankheit (HK). Sechs
Landesverbände, 40 Selbsthilfegruppen und 50 Kontaktpersonen stehen
für die circa 10.000 Betroffenen und
ihre Familien zur Verfügung. Durch
Informationsmaterial und Informationsveranstaltungen auf Bundes- und
Landesebene können Familienmitglieder und Pflegepersonal über die
HK lernen und Erfahrungen austauschen.
www.standbein-ev.com
www.morbus-osler.de
www.huntington-hilfe.de
Galaktosämie Initiative
Deutschland e. V.
Galaktosämie ist eine sehr seltene
Stoffwechselerkrankung des Kohlenhydrathaushaltes. Aufgrund eines
genetischen Defektes fehlt dem Körper ein Enzym, das für den normalen
Stoffwechsel benötigt wird. Da nur
etwa eines von 40.000 Kindern mit
Galaktosämie geboren wird, ist das
Wissen zu dieser Krankheit nicht
ausreichend verbreitet. Unsere Website, unsere Treffen und unser wissenschaftlicher Beirat sorgen für aktuelle
Informationen zur Erkrankung, ihren
Folgen und der erforderlichen Diät.
Damit bieten wir betroffenen Familien Hilfe zur Selbsthilfe.
www.galid.de
14organisation
abrechnung
Kostenübernahme vorab klären
Von Mike Paßmann
Das Gesundheitssystem in Deutschland gehört zu den besten der Welt – und dennoch gibt es auch bei uns nur wenige Therapien bei Seltenen
Erkrankungen. Einziger Hoffnungsschimmer sind häufig nicht evidenzbasierte Arzneimittel sowie die indikationsfremde Verabreichung
von Medikamenten. Diese Möglichkeiten sieht der Gesetzgeber explizit vor. Doch die Tücke steckt vor allem in Abrechnungsfragen.
D
ie gute Nachricht ist, dass laut
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
Paragraf 1, die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft die
Aufgabe hat, „die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen
oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.“ Zusätzlich ist geregelt, dass die
gesetzlich versicherten Patienten einen
Anspruch auf Behandlung nach dem
allgemein anerkannten Stand haben
und Arzneimittel erstattungsfähig sind,
sofern sie für die entsprechende Indikation zugelassen sind.
Für die meisten seltenen Krankheitsbilder existieren jedoch keine in medizinischen Leitlinieren beschriebenen
anzeige
Therapien. Dementsprechend fehlen sie
auch im Honorierungssystem der Ärzte.
Es lebe die Therapiefreiheit
Immer wieder zeigt sich bei bereits etablierten Arzneimitteln, dass sie auch
bei anderen Indikationen wirken, zu
denen sie jedoch nicht zugelassen sind.
Der Gesetzgeber ermöglicht Ärzten im
Rahmen ihrer Therapiefreiheit die Verschreibung dieser Medikamente – sogenannter Off-Label-Use –, sofern es sich
beispielsweise um eine unerforschte
oder Seltene Erkrankung handelt und
der Nutzen die Risiken überwiegt.
Die Krankenkassen sträuben sich
häufig, die Therapiekosten zu überneh-
men. Einige Urteile des Bundessozialgerichts haben hier in der Vergangenheit
jedoch die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit bestätigt.
ten mit Seltenen Erkrankungen in der
Regel eine der seltenen Möglichkeiten
dar, überhaupt therapiert zu werden.
Die Durchführung ist streng reglementiert und muss akribisch dokumentiert
Teilnahme an klinischen
werden. Für die Kosten kommen in der
Studien kostenlos
Regel Forschungszentren und PharmaWirkstoffe, die sich noch in der Erforhersteller auf, der Patient muss für die
schung befinden
Therapie
nichts
und Beschwerbezahlen.
Eine
Medikamente dürfen auch Übersicht aktueller
den erleichtern
bei Indikationen für die
oder eine komForschungsarbeisie nicht zugelassen sind
plette Heilung in
ten und Studien
verschrieben werden.
Aussicht stellen,
liefert unter andemüssen letztlich
rem die Webseite
am Menschen getestet werden. Diese
orpha. net, die von der eu-Kommission
klinischen Studien stellen für Patienzur Verfügung gestellt wird. ●
„
zu guter letzt, aber nicht das letzte. ein kommentar.
Unsere nächste
Ausgabe
Dankbar sein
Tropfen für 800 Euro je Woche, Tabletten
für 70.000 Euro im Jahr – pro Patient. Medikamente für Menschen mit Seltenen Erkrankungen sind meist teuer. Dabei versprechen
sie vielfach keine Heilung, sondern sorgen
„nur“ für einen Aufschub des Unvermeidbaren. Die Lebensverlängerung ist teuer erkauft
und kann von starken Nebenwirkungen begleitet werden, die letzten Lebenswochen
geraten mitunter zur Qual. Es ist
legitim, wenn sich Patienten in
diesem Stadium gegen ein
aggressives
Medikament
entscheiden. Wer sich
jedoch für ein solches
Medikament entscheidet, hat vielleicht das
sprichwörtliche Glück
in letzter Sekunde und
darf einige Zeit länger
mit seinen Liebsten verbringen. Möglich ist die
Wahl zwischen den Op-
tionen nur, wenn weiterhin an Entstehungsmechanismen der Erkrankungen sowie an
Diagnose- und Therapieoptionen interdisziplinär geforscht wird. Und dass es letztlich zu
einer sinnvollen Anwendung am Patienten
kommt. Die Kosten für diesen Aufwand sind
immens hoch, entsprechend viel kosten auch
die Medikamente. Doch der Preis darf nie
ausschlaggebend sein, wenn es um die Erhaltung eines Menschenlebens geht. Wir
können dankbar sein, in einem
Land mit einem Gesundheitssystem zu leben, dass auch die
kostenintensive Versorgung
dieser Menschen sicherstellt – denn vielleicht sind
wir selbst eines Tages davon betroffen.
Eine Publikation des Reflex Verlages zum Thema
Investment
Ratgeber
Themenschwerpunkt
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Seite 12
dezember 2014
Investmentratgeber
Institutionelle wie auch vermögende private Anleger sind in der
aktuellen Marktlage teilweise
verunsichert und investieren ihr
Geld nur zurückhaltend.
Mike Paßmann
Chefredakteur
impressum
Projektmanager
Ingo Schulz
[email protected]
Inhalte von Werbebeiträgen wie Unternehmens- und Produktporträts, Interviews,
Anzeigen sowie Gastbeiträgen und Fokus­
interviews geben die Meinung der beteiligten
Unternehmen wieder. Die Redaktion ist für die
Richtigkeit der Beiträge nicht verantwortlich.
Die rechtliche Haftung liegt bei den jeweiligen
Unternehmen.
Weitere Informationen:
Sascha Bogatzki
[email protected]
Redaktion
Helge Denker, Eva Herzog, Charlotte Klingenthal, Mike Paßmann,
Reflex Verlag GmbH
Hackescher Markt 2–3
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T 030 / 200 89 49-0
Art Direktion
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Verständlich aufbereitet und sorgfältig
recherchiert für Leser, die eine unabhängige
Redaktion zu schätzen wissen.
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Eine Publikation der Reflex Verlag GmbH
am 11. Dezember 2014 im Handelsblatt.
Druck
BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH
Der Reflex Verlag und die Verlagsgruppe
Handelsblatt sind rechtlich getrennte und
redaktionell unabhängige Unternehmen.
V.i.S.d.P.
Redaktionelle Inhalte:
Mike Paßmann
[email protected]
Der Investmentratgeber zeigt auf,
welche Anlageformen sie in ihr
Portfolio aufnehmen sollten, um
ausgeglichen zwischen Ertrag und
Risiko erfolgreiches Investment
zu betreiben.
Mehr am 17. Dezember unter anderem in Die Zeit. Und für alle, die
nicht warten möchten, ab dem
16. Dezember in unserer
„Reflex Verlag“ App.
Zum Download
einfach den
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wir sind dabei
Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V.
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c/o DRK-Kliniken Berlin-Mitte Drontheimer Straße 39
13359 Berlin
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Vertex Pharmaceuticals (Germany) GmbH
Protagen AG
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Josephspitalstraße 15
80331 München
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Bayer Vital GmbH
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Robert-Koch-Platz 9
10115 Berlin
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Einsiedlerstrasse 31 A
8820 Wädenswil, Schweiz
[email protected]
sigma-tau Arzneimittel GmbH
11
Liebherrstraße 22
80538 München
[email protected]
9
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.
10
10
Standbein e.V.– European Association for PFFD, Fibula-und Tibiadefect
12
13
Oberneulander Landstraße 134 C
28355 Bremen
[email protected]
Morbus-Osler Selbsthilfe e.V.
Lessingstraße 13
41372 Niederkrüchten
[email protected]
Galaktosämie Inititiative Deutschland e.V
13.
Orchideenstraße 9
24811 Owschlag
[email protected]
Friedrichstraße 148
10117 Berlin
[email protected]
Roritzerstraße 27
90419 Nürnberg
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Forschungsstiftung Orphanbiotec 6
7
Otto-Hahn-Straße 15
44227 Dortmund
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Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.
Jutta Schulze, Unternehmenskommunikation
51366 Leverkusen
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Bundesverband Deutscher Pathologen e.V.
Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
Carl-Neuberg-Straße 1
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13
Deutsche Huntington-Hilfe e.V. Falkstraße 73 – 77
47058 Duisburg
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