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Alle Angaben entsprechen dem Kenntnisstand der Drucklegung.
Technische Änderungen vorbehalten. Stand: 06/2011
2 inhalt
inhalt
Vorwort
Vorwort 3
Grundlagen4
Neurogene Blasenfunktionsstörung bei MS
6
Neuro-Urologische Diagnostik
Untersuchungsverfahren7
Bildgebende Untersuchungen
8
Funktionsdiagnostik8
Behandlung der
Blasenfunktionsstörung 10
Der intermittierende
Selbstkatheterismus
11
Harnwegsinfektionen
14
Klinische Zeichen
14
Weitere Behandlungsmöglichkeiten16
Inkontinenz17
Darmentleerung19
Sexualität bei Multiple Sklerose
19
Lexikon der wichtigsten Begriffe
21
Weiterführende Literatur
22
Miktionsprotokoll23
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24
Wichtige Adressen/Selbsthilfegruppen26
Konzept & Design
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Multiple Sklerose wird in erster Linie als neurologische
Erkrankung verstanden, die vor allem die Fähigkeiten
zu körperlicher Tätigkeit beeinträchtigen bis hin zur
Rollstuhlpflichtigkeit der Patienten.
Die Störungen der Blasen- und Darmfunktion werden
dagegen von den Betroffenen zu Beginn häufig ver­­schwiegen oder gar nicht in Zusammenhang mit ihrer
neurologischen Grunderkrankung gebracht. Zwar
sind nicht alle MS-Patienten von einer Blasen-Darmfunktionsstörung betroffen, wenn sie dennoch vorhanden ist, sind die Patienten jedoch zum Teil schwer
beeinträchtigt, da das Leben dann nicht selten nach
der Blasenfunktion ausgerichtet wird, um Urinverlust
zu vermeiden. Das schränkt die Lebensqualität weiter
erheblich ein. Die Störung kann sogar zu schweren
körperlichen Folgen führen.
Weiterhin kann MS auch zu Störungen der Erektionsfähigkeit führen. Auch hierbei ist die Dunkelziffer
Vorwort3
groß, weil sich viele Männer schämen, darüber mit
dem Arzt zu sprechen.
Der vorliegende Ratgeber soll deshalb von BlasenDarm-Problemen und Erektionsstörungen betroffenen
MS-Patienten und ihren Angehörigen eine Informationsquelle sein über Zusammenhänge mit der Grunderkrankung, aber auch Hilfestellung bieten im Gespräch
mit dem Arzt, um eine optimale Zusammenarbeit zur
Linderung der Problematik zu ermöglichen.
Die medizinischen Möglichkeiten sind vielgestaltig und
führen in der Regel zum Erfolg, so dass die Beeinträchtigungen durch eine individuelle Therapie gering
gehalten werden können.
Dr. Walter Merkle
Fachbereich Urologie, DKD Wiesbaden
4 Grundlagen
Grundlagen5
Grundlagen
Unser Harntrakt wird in einen oberen und einen
un­teren Abschnitt unterteilt. Der obere Harntrakt
besteht aus den Nieren und den Harnleitern, zum
unteren Harntrakt gehören die Harnblase (Detrusor),
der Schließmuskel (Sphinkter), die Harnröhre, und beim
Mann auch die Vorsteherdrüse (Prostata). Die Nieren
produzieren den Urin, der über die Harnleiter in die
Harnblase transportiert wird. Der untere Harntrakt
hat zwei Aufgaben: Urinspeicherung und Blasenentleerung.
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen nicht
nur die einzelnen Organe intakt sein, sondern
deren Zusammenspiel muss kontrolliert und koordiniert werden. Diese Funktionen werden vom
Nervensystem wahrgenommen.
leitet diese Informationen über die Nerven im kleinen
Becken ins Rückenmark und von hier aus in den Hirnstamm. Hier werden die verschiedenen eingehenden
Informationen verschaltet und von Zentren im Großhirn kontrolliert und gesteuert. Die Arbeitsanweisungen
gehen den umgekehrten Weg (Hirnstamm – Rückenmark – Nerven im kleinen Becken) zum unteren Harn­trakt zurück und lösen die gewünschten Aktionen
aus. Somit liegen die Zentren für die willkürliche Kontrolle (Großhirn) und für die Koordination der eingehenden Signale (Hirnstamm) oberhalb des Rückenmarks.
Da MS-Herde sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark liegen können, unterscheiden sich die dadurch
hervorgerufenen Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion zum Teil erheblich.
Gesund verlaufende
Nervenimpulse
im Rückenmark
Koordinationsstörungen des unteren Harntrakts treten
auch infolge anderer Grunderkrankungen auf und
werden von dieser mitbestimmt: Beispielsweise einer
Rückenmarkschädigung (durch Verletzung oder angeboren = Spina bifida), Bandscheibenvorfällen mit
Druck auf das Rückenmark, Diabetes mellitus oder MS.
Harnblase
Das Nervensystem (s. Abb. rechts) empfängt Impulse
aus der Blase (z. B. den aktuellen Füllungszustand),
Harntrakt bei Frauen
Liegen die MS-Herde im Bereich des Großhirns einschließlich des Stammhirns, kann es geschehen,
dass Blasenimpulse gar nicht mehr wahrgenommen
werden oder die Willkürfunktion der Blasenentleerung
auf der Toilette nicht erfolgreich umgesetzt werden
kann.
Harntrakt bei Männern
Bei einem MS-Herd im Rückenmark ist die Position
in Abhängigkeit zum sakralen Miktionszentrum entscheidend: Dieses Zentrum schaltet die Impulse aus
dem Gehirn zwar um, kann sie aber nicht koordinieren.
Liegt der MS-Herd unterhalb dieses Zentrums, entsteht
eine unkoordinierte Aktivität von Blase und Schließmuskel, die zum Teil eine Inkontinenz bzw. eine unvollständige Entleerung mit sich bringen kann.
Nierenbecken
Harnleiter
Blase
äußerer
Schließmuskel
Blasenhals
Harnröhre
Harnröhrenmündung
Prostata
äußerer Schließmuskel
Penis
Organe mit ein. Die Füllmenge der Blase führt hier zu
einer Blutdrucksteigerung (volle Blase – hoher Blutdruck; leere Blase – normaler Blutdruck). Diese Blutdrucksteigerung kann durch normale blutdrucksenkende Arzneimittel nicht zufriedenstellend eingestellt werden.
Bei einem Herd oberhalb des sakralen Miktionszentrums ist die Lagebeziehung zu den Nervenbahnen
relevant, die zum sogenannten Grenzstrang ziehen.
Liegt der MS-Herd darunter, also unterhalb des
Rückenmarksegments TH8 (8. Brustwirbel), dann erfolgen Wasserlassen und -speichern zwar autonom,
also von der Gehirnkontrolle unabhängig, aber meist
restharnarm.
Liegt der Herd dagegen oberhalb TH8, ist die Störung
in der Regel gravierender: Sie bezieht dann auch
die Steuerung des Blutdrucks und anderer vegetativer
Weiterhin ist es wichtig zu wissen, dass die Darmfunktion sehr ähnlich wie die Blasenfunktion gesteuert wird. Störungen des Darms, wie Durchfall und
Verstopfung oder auch der Wechsel zwischen beiden,
finden sich bei einer neurogenen Blasenfunktionsstörung oft parallel, vor allem chronische Verstopfung.
Beim Mann kann auch die Erektion durch einen MSHerd, der eine der Rückenmarksbahnen betroffen hat,
gestört sein. Die Behandlung hängt von gegebenenfalls vorhandenen Begleitbefunden ab, unterscheidet
sich aber prinzipiell wenig von den bekannten Methoden zur Behebung einer Erektionsstörung.
Da es sich hier um einen Ratgeber für MS-Patienten
handelt, wird nachfolgend »nur« auf die bei der MS
vorkommenden Erkrankungsmuster der Blase Bezug
genommen.
Dies bedeutet natürlich nicht, dass eine MS-Patientin
nicht auch eine (nicht-neurogene) Belastungsharninkontinenz bekommen kann, weil sie z. B. mehrere Kinder
geboren hat, oder ein MS-Patient nicht eine vergrößerte, obstruktive Prostata aufweisen kann, die nur
durch eine Operation adäquat behandelt werden kann.
Bezüglich des Auftretens dieser nicht-neurogenen Erkrankungen unterscheiden sich MS-Betroffene nicht
von Nicht-Betroffenen. Der einzige Unterschied ist,
dass bei der Behandlung dieser »alltäglichen« Erkrankungen auf die spezielle MS-Situation Rücksicht
genommen werden muss, sowohl in der Diagnostik
als auch in der Therapie.
6 Neurogene Blasenfunktionsstörung bei MS
Neurogene Blasenfunktionsstörung bei MS
Leider ist es jedoch so, dass es im Rahmen der
MS-bedingten neurogenen Inkontinenz zu einer weiteren Störung im Rahmen der »Neuro-Kommunikation«
kommt, nämlich zu einer sogenannten DetrusorSphinkter-Dyssynergie, kurz DSD genannt.
Subjektiv wird eine Blasenfunktionsstörung, die
durch die MS verursacht wird, vor allem als un­
willkürlicher Urinverlust wahrgenommen, also als
Inkontinenz.
Gelegentlich ist sogar die Inkontinenz das erste Symptom einer bis dahin nicht diagnostizierten MS.
Meist tritt aber die neurogene Harninkontinenz erst
nach Jahren auf und beginnt schleichend mit zunehmendem Harndrang, der schließlich so stark wird, dass
Urin unwillkürlich entleert wird.
gebunden. Die Herde einer MS können überall im
Gehirn und Rückenmark liegen. Folglich auch in den
Strukturen, die für die Steuerung der Blasenfunktion
verantwortlich sind. Dies ist nicht bei allen MS-Patienten der Fall, so dass MS nicht zwangsläufig bedeutet,
inkontinent werden zu müssen.
Wenn allerdings ein MS-Herd in den Blasensteuerbahnen liegt, funktioniert die autonome Kommunikation
zwischen Blase und Gehirn nicht mehr.
Dabei kann jedoch sehr einfach geholfen werden:
Nach korrekter Detaildiagnostik ist es nicht schwierig,
wieder für zuverlässige Kontinenz zu sorgen.
Das Gehirn mit seinem pontinen Miktionszentrum (ein
Bereich im Hirnstamm; von Pons = die Brücke) ist
darauf angewiesen, von der Blase Rückmeldung über
den Füllungszustand zu erhalten. Da die Blase seit
dem frühkindlichen Sauberkeitstraining durch das Gehirn überwacht wird und bis zur Kapazitätsgrenze
durch zentralnervöse Befehle daran gehindert wird, sich
unwillkürlich zu entleeren, muss es zwangsläufig zu
Störungen kommen, wenn ein MS-Herd in dieser
Arbeitskette entsteht.
Sollten Sie, als MS-Betroffene(r) unwillkürlich Urin
verlieren, sprechen Sie mit Ihrem Arzt, der Sie gerne
an einen spezialisierten Neurologen weiterleiten wird.
Heilt ein solcher MS-Herd z. B. nach einer Kortisontherapie ab, wird die gestörte Funktionskette oft wiederhergestellt.
Warum nun kommt es zum
Urinverlust bei MS?
Durch die Reizleitungsunterbrechung zwischen Gehirn
und Blase wird diese wieder, wie zu Säuglingszeiten,
autonom und entleert sich ab einer bestimmten Füllungsmenge unkontrolliert.
Dieser Urinverlust wird in der Regel als heftiger
Harndrang gespürt, der jedoch nicht unterdrückt
werden kann.
Vielen MS-Betroffenen ist dies peinlich und sie sprechen darüber nicht mit ihrem Arzt.
Wie dargestellt, ist die Fähigkeit, Urin zu halten, an
eine intakte neurologische Anatomie und Funktionalität
Wenn dies restharnfrei geschähe, wäre die Inkontinenz
zwar symptomatisch belastend, aber nicht gefährlich.
Neuronenfunktion
Myelin (Nervisolation)
Axon/Nervenfaser
Bei der Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie öffnet sich
der Schließmuskel (Sphinkter) nicht koordiniert
(= synerg), wenn sich der Blasenmuskel kontrahiert.
Im Gegenteil: Der Sphinkter zieht sich bei Blasenmuskelkontraktion stärker zusammen (arbeitet also
dyssynerg). Dies führt dazu, dass die Blase Muskelmasse aufbaut, um den Zusatzwiderstand zu überwinden. Leider gelingt dennoch keine vollständige
Entleerung: Restharn bleibt bestehen. Diese Zunahme
an Muskelmasse verstärkt den Urinverlust und die
subjektive Harndrangstärke zusätzlich.
Restharn ist ferner ein Risiko für Harnwegsinfekte.
Diese wiederum verstärken den Harndrang erneut.
Eine typische Erstuntersuchung umfasst ein ausführliches Gespräch (Anamnese), eine körperliche
Untersuchung, eine Urinuntersuchung, eine Sonographie von Nieren und Blase sowie eine Uroflowmetrie (Harnstrahlmessung). Ob weitere Untersuchungen notwendig werden, ergibt sich aus den
Ergebnissen dieser »Basisabklärung«. Meist schließt
sich eine Video-Urodynamik an (Blasenfunktionsmessung, s. u.). Zusätzlich sollte die Nierenfunktion mittels
Blut- und Urinuntersuchungen oder durch eine Nierenfunktionsuntersuchung (nuklearmedizinische Clearance-Untersuchung) bestimmt werden. Was bedeuten
diese Fachbegriffe im Einzelnen?
Anamnese
Soma/Zellkörper
Zerstörtes Myelin
Eingeschränkte/unterbrochene
Reizleitung bei MS
Zudem führt der zunehmende Blasendruck zu folgender Situation: Früher oder später können auch die
Mündungen der Harnleiter in die Blase, die normalerweise beim Wasserlassen geschlossen sind, so dass
kein Urin in die Nieren hochgedrückt wird, dem massiven Blasendruck nicht mehr widerstehen. So passiert
es, dass dann Urin mit hohem Druck in die Nieren gepresst wird. Dieser sogenannte Reflux schädigt die
Nieren binnen weniger Monate so, dass sie zerstört
werden können. Die Dialyse droht.
Auch deshalb ist es unbedingt notwendig, dass der
MS-Patient seinem Arzt über das Symptom »unwillkürlicher Urinverlust« sofort berichtet.
Ähnliche Symptome betreffen den Darm, wobei ein
Wechsel zwischen Verstopfung und Durchfall vorkommen kann.
Manchmal sind auch die Sexualfunktionen wie Gliedversteifung, Samenerguss, Befeuchtung der Scheide
oder Orgasmusfähigkeit beeinträchtigt.
Neuro-Urologische Diagnostik –
Untersuchungsverfahren
Synapsen
Gesund verlaufende Reizleitung
Neurogene Blasenfunktionsstörung bei MS | Neuro-Urologische Diagnostik 7
In einem Gespräch zwischen Neuro-Urologen und Betroffenen wird genau erfasst, welche Probleme mit
der Blasenfunktion (z. B. Inkontinenz, Harnwegsinfekte) aufgetreten sind, welche Medikamente eingenommen werden und wie zufrieden die Person mit
der aktuellen Behandlung ist. Die Auswirkung der Blasenprobleme auf die Lebensqualität kann z. B. mit
Hilfe von Fragebögen erfasst werden. Auch die Form
der Darmentleerung und die Sexualfunktion sowie
ein eventuell bestehender Kinderwunsch sollten miteinander diskutiert werden.
Da sich viele der angesprochenen Punkte zwischen
zwei Kontrolluntersuchungen verändern können,
ist es außerordentlich wichtig, dass diese Gespräche
regelmäßig bei jeder Kontrolluntersuchung erfolgen.
Da zwischen den Kontrolluntersuchungen meist
mehrere Monate oder Jahre liegen, ist es sinnvoll, zu
Hause ein Protokoll über die Häufigkeit von Harnwegsinfekten zu führen und sich eventuelle Fragen aufzuschreiben.
Neben dem Neurologen ist der spezialisierte (Neuro-)
Urologe der wichtigste Partner für einen Menschen
mit Multipler Sklerose.
8 Neuro-Urologische Diagnostik
Bildgebende Untersuchungen
Röntgendarstellung der Harnröhre mit
Kontrastmittel (Urethrographie)
Bildquelle: SPZ Nottwil
Durch Einbringen von Kontrastmittel in die männliche
Harnröhre können Verengungen, Narben oder Verletzungen der Harnröhre dargestellt werden. Bei Frauen
ist diese Untersuchung nur in sehr seltenen Ausnahmen erforderlich. Eine Kontrastmittelallergie ist kein
Hinderungsgrund für diese Untersuchung.
Neuro-Urologische Diagnostik 9
modernen Röntgenanlagen sehr gering. Durch die kontinuierliche Messung der Druckverhältnisse in der
Harnblase während Füllung und Entleerung in Kombination mit der Prüfung auf Reflux, erlaubt die
Messung als einziges Verfahren eine genaue Klassifizierung der Blasenfunktionsstörung und eine
Risikoabschätzung für die Nierenfunktion.
Nicht bei jeder Kontrolluntersuchung muss die Blasendruckmessung mit einer Röntgenuntersuchung kombiniert werden. Die Untersuchung ohne Röntgen wird als
Urodynamik oder Zystomanometrie bezeichnet.
Blasenspiegelung (Zystoskopie)
Bildquelle: SPZ Nottwil
Ultraschallbild der Harnblase mit Restharn.
Sonographie (Ultraschall)
Durch Ultraschall können ohne Strahlenbelastung Lage
und Aussehen von Nieren und Blase beurteilt werden. Diese Technik kann Steine in den Harnwegen, eine
Abflussstörung (= Harnstauung), Narben am Nierengewebe oder Nierentumore nachweisen. Bei gefüllter
Blase können Steine oder Tumore gefunden werden.
Zudem kann mittels Sonographie einfach und schnell
der nach Entleerung verbliebene Urin (Restharn)
bestimmt werden. Durch spezielle Sonden, die in den
Enddarm eingeführt werden, können bei besonderen
Fragestellungen auch die Größe und das Aussehen der
Prostata sonographisch bestimmt werden.
Ultraschall kann zwar das Aussehen, aber nicht die
Funktion der Nieren erfassen. Daher ist neben dem
Ultraschall noch eine Bestimmung der Nierenfunktion (s. u.) erforderlich.
Funktionsdiagnostik
Video-Urodynamik
(Röntgenzystomanometrie)
Die Video-Urodynamik (Blasendruckmessung), auch
als Röntgenzystomanometrie bezeichnet, erlaubt es,
die Funktion der Harnblase zu überprüfen und gleichzeitig zu prüfen, ob Urin zu den Nieren zurückfließt
(Reflux). Dazu wird über die Harnröhre ein Druckmesskatheter in die Harnblase eingebracht und die Blase
langsam mit sterilem Kontrastmittel gefüllt. Damit die
Druckmessung nicht von Druckschwankungen im
Bauchraum verfälscht wird, misst ein weicher Katheter
gleichzeitig die Druckwerte im Enddarm. Zusätzlich
registrieren Klebeelektroden die Muskelaktivität des
Schließmuskels. Die Strahlenbelastung ist bei den
Mit der Zystoskopie wird das Innere der Harnröhre und
der Harnblase direkt inspiziert. Dazu wird ein dünnes
optisches Gerät durch die Harnröhre in die Harnblase
geschoben. Dadurch werden die Innenwände von
Harnblase und Harnröhre sichtbar. Narben, Steine,
Tumore, Entzündungsherde und andere krankhafte
Veränderungen werden direkt erkannt. Durch diese
Sichtprüfung werden Veränderungen frühzeitig
diagnostiziert, die durch andere bildgebende Verfahren nicht feststellbar sind.
Urinuntersuchung
Eine Urinuntersuchung kann mit einem Teststreifen
oder unter dem Mikroskop erfolgen. Der Teststreifen
ist nur als Laien-Test geeignet. Eine genaue Untersuchung erfordert die Zählung der weißen und roten
Blutkörperchen unter dem Mikroskop sowie eine Prüfung, ob Bakterien im Urin vorhanden sind. Zum
Bakteriennachweis wird eine Urinkultur angelegt. Dabei
werden die Bakterien im Labor genau klassifiziert
und das passende Antibiotikum getestet.
Teststreifen zur Urinuntersuchung.
Funktionsszintigraphie der Nieren
Diese Untersuchung ist das genaueste Verfahren zur
Messung der Nierenfunktion. Dabei wird ein radioaktives Medikament in die Vene gespritzt und anschließend die Verteilung der Radioaktivität in den Nieren
gemessen. Die dabei wirkende Radioaktivität bzw.
Strahlung ist extrem gering.
Idealerweise werden Blut- und Urinuntersuchung
und Funktionsszintigraphie im Wechsel eingesetzt,
so dass die Untersuchung mit radioaktiven Stoffen
höchstens alle 2–5 Jahre erforderlich ist.
10 Behandlung der Blasenfunktionsstörung
Der intermittierende Selbstkatheterismus 11
Behandlung der Blasenfunktionsstörung
Der intermittierende Selbstkatheterismus (ISK)
Die Hauptsorge der Patienten, die den Selbstkatheterismus erlernen sollen, ist die Frage, ob es nicht
dadurch zu Verletzungen der Harnröhre und Entzündungen der Blase kommt.
Das Gegenteil ist der Fall – allerdings setzt der unproblematische Selbstkatheterismus voraus, dass er
korrekt mit optimalem Material durchgeführt wird.
Dies bedeutet: Der Selbstkatheterismus muss
erlernt werden. Ferner muss er »steril« durchgeführt werden, weshalb er auch als SIC (Sterile
Intermittent Catheterization) bezeichnet wird.
Es ist extrem wichtig, beim Katheterisieren bestimmte
Grundregeln strikt einzuhalten:
Normale Blasenkapazität bei gesunden Menschen
mit gleicher Entleerungsfrequenz.
Gestiegener Restharn, Herabsetzung
der Blasenmuskelkraft.
Blasenkapazität
Das Prinzip der Behandlung einer neurogenen,
MS-bedingten Harninkontinenz ist medikamentös.
Man verordnet sogenannte Anticholinergika, die die
Druckerzeugung im Blasenmuskel reduzieren, so
dass der Verschlussdruck in der Harnröhre wieder
ausreicht, auch bei Harndrang die Kontinenz zu
erhalten, bis die Toilette aufgesucht werden kann.
Wenn dies erreicht ist, wird auch eine eventuell vorhandene Blutdruckdysregulation verschwinden.
Problem der anticholinergen Therapie ist jedoch
eine bestehende Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie.
Sie führt dazu, dass vorhandener Restharn steigt,
gegebenenfalls auch erst Restharn entsteht, weil
die Kraft des Blasenmuskels künstlich herabgesetzt
wird.
Restharn ist jedoch die Hauptursache für Harnwegsinfekte, die wiederum MS-Schübe auslösen können,
aber auch auf Dauer eine Schädigung der Nieren durch
Aufsteigen des Infektes bewirken kann (beim Mann
zusätzlich noch die Prostataentzündung).
Gelegentlich kann dieser Restharn durch zusätzliche
Gabe von Alpha-Blockern (auch bei Frauen!) gesenkt
bzw. beseitigt werden, oft gelingt dies jedoch nicht.
In diesen Fällen werden die Patienten angeleitet,
sich mit speziellen Kathetern regelmäßig selbst zu
katheterisieren.
Dadurch wird der vorhandene Restharn beseitigt, was
die funktionelle Blasenkapazität vermehrt, so dass
die Kontinenz weiter gefördert wird.
In der Regel muss man 3–5 mal pro Tag den Restharn
entleeren, bei bestehenden Infekten auch öfter.
Letztlich gilt es, eine ausgewogene Bilanz zwischen
Trinkmenge und Ausscheidungsmenge herzustellen.
Bei notwendiger 1,5 bis 2 l Trinkmenge muss deshalb
(auch unter individueller Berücksichtigung der Blasenfunktion, wie sie sich in der Urodynamik gezeigt hat)
eine regelmäßige Entleerung stattfinden; bei einer normalen Blasenkapazität von ca. 400 ml ist deshalb die
gleiche Entleerungsfrequenz wie bei Gesunden notwendig!
Hände und Harnröhrenmündung werden gereinigt
(gewaschen) und mit einem Desinfektionsmittel desinfiziert.
Für jede Katheterisierung MUSS ein neuer steriler
Katheter verwendet werden. Beim Einführen darf
der Teil des Katheters, der in Harnröhre und Blase
eingeführt wird, auf keinen Fall angefasst werden
oder mit der Umgebung in Kontakt kommen (sogenannte Non-Touch-Technik). Dies kann auch durch
einen Katheterismus aus der Hülle erreicht werden:
der Katheter wird in der Hülle belassen und dort
während des Vorschiebens festgehalten. Im Zweifel
lieber einen Katheter wegwerfen und den Vorgang mit
einem neuen Katheter wiederholen!
Wann immer möglich, sollte dem ISK der Vorzug
gegeben werden, da beim Selbstkatheterismus
weniger Verletzungen der Harnröhre und weniger
Harnwegsinfekte auftreten als beim Fremdkatheterismus. Außerdem schafft der Fremdkatheterismus
Abhängigkeiten von anderen Personen und ist oft
logistisch schwierig.
Die normale Blasenfüllmenge (400 ml) darf nicht überschritten werden. Bei zu seltener Katheterisierung
oder Überdehnung der Harnblase steigt die Infekthäufigkeit; ferner sind auf lange Sicht hin Nierenschädigungen die Folge.
Die verwendeten Katheter sollten nicht zu dick sein,
um die Harnröhre nicht zu verletzen. Allerdings erhöhen auch zu dünne, spitze Katheter das Verletzungsrisiko, außerdem dauert es sehr lange, bis der Urin
über einen extrem dünnen Katheter aus der Blase abgeflossen ist. Bei Erwachsenen haben sich Katheter mit
einer Größe von 12–14 Charrière (3 Charrière = 1 mm)
bewährt.
Erlernen der Technik
Klinische Untersuchungen zeigen, dass geschulte Patienten kaum Verletzungen der Harnröhre befürchten
müssen und weniger Infekte haben als Patienten, die
mit der Technik nicht gut vertraut sind (durchschnittlich weniger als 1 Infekt pro Jahr bei 5 mal ISK pro Tag).
Daher ist eine sorgfältige Schulung entscheidend für
eine geringe Komplikationsrate und eine langfristige
Zufriedenheit mit dem Verfahren.
Im Rahmen einer Schulung sollte auf die individuellen
Bedürfnisse der Betroffenen eingegangen werden.
Dabei geht es neben der Vermittlung der Technik auch
darum, Ängste und Unsicherheiten abzubauen.
Einige Personen stellen erst beim praktischen Üben
fest, dass das Katheterisieren meistens schmerzlos möglich ist.
Speziell verpackte Katheter ermöglichen das diskrete
Mitführen mehrerer Exemplare in der Hand- oder
Hosentasche, so dass der befürchtete Transportaufwand kleiner als gedacht ist. Für das Katheterisieren
am Arbeitsplatz oder im Urlaub stehen Katheter mit integrierten Ablaufbeuteln zur Verfügung. Wichtig ist, daran zu denken, jeweils genügend Katheter mitzunehmen.
12 Der intermittierende Selbstkatheterismus
Verschiedene Arten von
Katheter-Köpfen:
Die Beschichtung sollte ihre Gleitfähigkeit während
der Anwendung nicht verlieren – man sollte den
Katheter, auch wenn die Entleerung etwas länger
dauert, genauso einfach herausziehen wie einführen können.
Ergothan-Kopf
Der intermittierende Selbstkatheterismus 13
Während Männer den Penis mit einer Hand greifen
können, so dass die andere Hand den Katheter
einführen kann, haben Frauen es etwas schwerer.
Nelaton-Kopf
Tiemann-Kopf
Aber auch sie können das Selbstkatheterisieren problemlos erlernen und durchführen.
Sie müssen darauf achten, die Schamlippen optimal zu
spreizen, so dass die Harnröhrenmündung oberhalb
der Scheidenöffnung frei liegt.
Katheterauge in der Vergrößerung. Hier ein Beispiel eines innen
und außen weich abgerundeten Auges (SafetyCat®).
Intermittierender Katheterismus
In der Anleitphase kann es sinnvoll sein, einen Spiegel zu verwenden, um den Genitalbereich und die
Harnröhrenöffnung besser zu sehen.
Nach einer Lern- und Übungsphase sind aber die meisten Frauen in der Lage, »blind«, also nach Gefühl,
ihre Harnröhrenmündung ohne Spiegeldarstellung zu
finden und korrekt zu katheterisieren.
In der Anlernphase, bis alle Abläufe perfekt und hygienisch einwandfrei beherrscht werden, besteht ein
gewisses Infektrisiko.
Es existieren heute eine Vielzahl verschiedener Katheter, die sich zum Teil erheblich voneinander unterscheiden.
Grundsätzlich unterscheidet man beschichtete, gleitfähige (hydrophile) Katheter von Kathetern, die
mit Hilfe eines sterilen Gleitgels eingeführt werden.
Heute bieten fast alle Hersteller hydrophile Katheter
an, weil diese bessere Gleiteigenschaften haben.
Zudem sind sie einfacher zu handhaben, weil kein zusätzliches Gleitgel erforderlich ist. Dennoch gibt es
bestimmte Situationen, in denen die Verwendung von
Gleitgel Vorteile haben kann.
Ein weiterer grundsätzlicher Unterschied ist die Katheterlänge. Es existieren kurze Katheter für Frauen
und längere Katheter für Männer. Aufgrund der deutlich längeren Harnröhre benötigen Männer einen
längeren Katheter.
Es existieren gerade Katheterspitzen und gebogene,
sog. Tiemann-Spitzen. Letztere sind z. B. bei Männern
mit einer Prostatavergrößerung besser geeignet, um
die Krümmungen der männlichen Harnröhre zu überwinden.
Bei der Anwendung eines Tiemann-Katheters ist es
wichtig, dass die Biegung des Katheterkopfes
immer nach oben zeigt und somit der Anatomie der
Harnröhre folgt. Ansonsten kann es zur Verletzung
der Harnröhre kommen.
Die Technik des IK wird von den Betroffenen für eine
lange, unbestimmte Zeit mehrfach täglich angewendet; daher müssen die Katheter gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen, um Sicherheit auch bei langfristiger
Anwendung zu garantieren.
Die Öffnungen im Katheter, über die der Urin abläuft,
die sogenannten Katheteraugen, müssen abgerundet und geglättet sein, um keine Verletzungen zu
verursachen.
Deshalb ist es empfehlenswert, in der ersten Woche
des sterilen Selbstkatheterismus täglich 250 mg
Ciprofloxacin einzunehmen. Danach ist eine Antibiotikaeinnahme entbehrlich.
Das Risiko, bei korrekt durchgeführtem sterilen Selbstkatheterismus einen Harnwegsinfekt zu erleiden, ist
untersucht worden. Es liegt bei täglich 5-maligem
Katheterisieren bei dem statistischen Wert von 0,7
Infekten pro Jahr.
Damit ist das Risiko eines Infekts sehr gering.
Das Risiko, bei Anlage eines Dauerkatheters, der in
der Blase verbleibt, einen Infekt zu erleiden, ist
dagegen sehr viel höher. In der Regel ist die Blase
nach 48 bis 72 Stunden von Bakterien besiedelt,
wenn ein Katheter dauerhaft in der Blase liegt. Dauerkatheter sind deshalb, auch nicht in der Sonderform
eines sogenannten Bauchdeckenkatheters (Cystostomie), zur Behandlung von Restharn kontraindiziert.
Suprapubischer Fistelkatheter (Bauchdeckenkatheter)
Dauerkatheter
14 Harnwegsinfektionen
Harnwegsinfektionen 15
Harnwegsinfektionen
Wenn sich in den Harnwegen (Harnblase, Harnröhre,
Niere und Prostata) Bakterien (oder andere Mikroorganismen) vermehren, bezeichnet man dies als Keimbesiedelung. Da diese Mikroorganismen die Schleimhäute angreifen, rufen sie eine Abwehrreaktion des
Körpers hervor. Deshalb gelangen weiße und eventuell
rote Blutkörperchen in den Urin. Sobald eine Keimbesiedelung klinische Symptome hervorruft, wird sie
als Harnwegsentzündung bezeichnet. Besonders
gefährlich ist eine Nierenbeckenentzündung, da Entzündungen der Nieren ein schweres Krankheitsbild
mit Schüttelfrost und Fieber hervorrufen, darüber hinaus
auch Narben am Nierengewebe hinterlassen können.
Harnwegsinfektionen können bei MS-Patienten gehäuft auftreten. Restharn, eine nicht ausreichend
behandelte Blasenspastik und der Katheterismus
stellen Risikofaktoren für Infekte dar. Dabei ist
das Infektrisiko bei Dauerkathetern um ein Vielfaches
größer als beim IK.
Klinische Zeichen
Nicht jede Keimbesiedelung der Harnblase muss
behandelt werden. Daher ist es auch nicht sinnvoll,
regelmäßig den Urin, z. B. mit Teststreifen, zu
kontrollieren, wenn man keine Beschwerden hat.
Klinische Zeichen eines Harnwegsinfektes können
Fieber ohne andere Ursache, neu aufgetretener unfreiwilliger Urinverlust, plötzliche Verkleinerung der
Blasenkapazität, Schmerzen im Unterbauch und der
Harnröhre, verstärkte Spastik, allgemeines Unwohlsein oder Leistungsverlust sein. Fieber deutet auf
eine ausgeprägte Entzündung hin, die im Extremfall
bis zur Blutvergiftung oder Nierenschädigung fortschreiten kann und daher dringend und schnell weiter
abgeklärt werden muss.
Ein veränderter Geruch des Urins oder trüber Urin
können erste Zeichen eines Harnwegsinfekts sein,
müssen jedoch als alleinige Symptome nicht behandelt
werden, wenn sie die Betroffenen nicht massiv beeinträchtigen.
Diagnostik
Bei Verdacht auf einen Harnwegsinfekt sollte der Urin
mittels Teststreifen oder besser durch eine Untersuchung mit dem Mikroskop (Urinsediment) untersucht
werden. Finden sich Bakterien und weiße Blutkörperchen (die Abwehrzellen des Körpers; vermehrte
weiße Blutkörperchen im Urin zeigen an, dass der
Körper die Bakterien bekämpft; bei Nachweis von Bakterien ohne weiße Blutkörperchen kann man von
einem »friedlichen Nebeneinander« ausgehen) wird
eine Urinkultur angelegt, um die Art der Bakterien
und die Antibiotika zu ermitteln, gegen die diese Keime
empfindlich sind.
Erweiterte Diagnostik
Bei schweren, fieberhaften Harnwegsinfekten oder
bei immer wiederkehrenden (rezidivierenden) Infekten
sollte zum Ausschluss einer Organbeteiligung immer
eine körperliche Untersuchung und eine Ultraschalluntersuchung von Nieren, Blase und beim Mann
gegebenenfalls auch der Prostata erfolgen.
Behandlung
Die Behandlung des akuten Harnwegsinfektes hängt
von dessen Stärke ab. Infekte ohne Fieber und mit
nur wenig Beschwerden können mit einer erhöhten
Trinkmenge (> 1,5 Liter/Tag) behandelt werden.
Auch Preiselbeersaft oder – tabletten sind eine Therapiemöglichkeit. Weitere pflanzliche Behandlungsmöglichkeiten sind der Bärentraubenblättertee, den
man jedoch nur über eine gewisse Zeit und nicht in
zu hohen Dosen (nicht mehr als 3 Tassen/Tag) zu sich
nehmen sollte, und eine Mischung aus Kapuzinerkresse und Meerrettich. Auch homöopathische Medikamente stellen eine Alternative dar, man sollte sich
in diesem Fall jedoch von einem gut ausgebildeten
Homöopathen beraten lassen und auf eine Selbstmedikation verzichten.
Standardbehandlung ist die Therapie mit Antibiotika.
Ein Antibiotikum ist ein Medikament, das im Körper
die Bakterien tötet bzw. ihr Wachstum und ihre Vermehrung so stark verhindert, dass sie sich nicht
mehr ausbreiten können. Nicht alle Bakterien sind
gegen alle Antibiotika sensibel. Daher sollte vor jeder
Therapie eine Keimtestung erfolgen, um zu wissen,
welches Antibiotikum verabreicht werden muss. Eine
Behandlung sollte bei nicht fieberhaften Infekten
5–7 Tage, bei fieberhaften Infekten 10–14 Tage lang
durchgeführt werden. In dringenden Fällen kann mit
der Behandlung bereits vor Eingang der Keimbestimmung begonnen werden. Sollte sich dann im Ergebnis zeigen, dass die Bakterien durch dieses Antibiotikum nicht absterben, muss gegebenenfalls ein Wechsel
des Präparates erfolgen.
Antibiotika sind nicht in der Lage, zwischen von
außen eingedrungenen Erregern und den körpereigenen Bakterien zu unterscheiden. Daher können
Antibiotika Nebenwirkungen wie Durchfall (durch das
Absterben der schützenden Darmbakterien) oder
Pilzbefall von Scheide, Penis, Mundraum oder Darm
(ebenfalls durch das Vernichten der Standortflora)
hervorrufen. Bakterien können es lernen, sich gegen
bestimmte Antibiotika zu schützen. Zudem kann
man gegen Antibiotika Allergien entwickeln. Da Allergien im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein
können, sollte man sich bei bekannter Allergie einen
Allergiepass ausstellen lassen und diesen bei dem
behandelnden Arzt vorlegen.
Ohne Zweifel sind Antibiotika extrem wichtige Medikamente, um uns Menschen das Überleben von
Infektionskrankheiten zu ermöglichen – ohne sie
wären viele Krankheiten nicht behandelbar.
Gefährlich ist ein zu breiter Einsatz dieser Medikamente. Unnötig gegebene Antibiotika provozieren die
Entstehung unempfindlicher (resistenter) Keime, die
nur noch erschwert zu behandeln sind; zudem können
sie Nebenwirkungen haben. Daher sollten Antibiotika
gezielt und sparsam eingesetzt werden.
Immer wiederkehrende/rezidivierende
Harnwegsentzündungen
Ab vier Harnwegsentzündungen pro Jahr spricht
man von rezidivierenden Infekten. Da diese Infekte
belastend und subjektiv störend sind, sollte ab dieser
Infekthäufigkeit eine Vorbeugung (Prophylaxe)
diskutiert werden.
Prophylaxe
Bevor eine Prophylaxe eingeleitet wird, sollten zunächst
alle Ursachen abgeklärt werden, die häufige Harnwegsinfekte begünstigen: eine schlecht eingestellte
Blasenspastik, Steine oder Fremdkörper in den Harnwegen, eine chronische Prostataentzündung und eine
nicht perfekte Kathetertechnik. Bei Patienten, die
nicht mittels Katheterismus entleeren, stellt Resturin
eine Infektquelle dar.
Sind diese Faktoren ausgeschlossen, bestehen
folgende Prophylaxemöglichkeiten:
Pflanzliche Medikamente:
Eine Möglichkeit ist die regelmäßige Einnahme einer
Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich.
Bei extrem hoher Dosierung und langer Einnahme sind
selten Nebenwirkungen (Leberschäden) möglich.
Preiselbeer- oder Cranberry-Produkte können ebenfalls
die Häufigkeit von Harnwegsinfekten reduzieren,
aber sie scheinen nur bei bestimmten Bakterienarten
(z. B. E. coli) zu wirken. Gleiches gilt für einen Zucker
(D-Mannose) der im Urin Bakterien bindet und diese inaktiviert. Die Wirkung der sogenannten »Blasen- und
Nierentees« ist nicht nachgewiesen.
Urin ansäuern:
Durch L-Methionin kann der Säurewert des Urins gesenkt werden. Die Wirkung dieser Ansäuerung ist
jedoch beschränkt, da viele Bakterien unabhängig vom
Säuregrad des Urins leben können. Eine nicht-medikamentöse Alternative zur Ansäuerung ist Apfelessig.
16 Harnwegsinfektionen
Homöopathische Mittel:
Zur Prophylaxe von Harnwegsinfekten ist eine Selbstmedikation (»homöopathische Hausapotheke«) nicht
zu empfehlen. Generell gilt für homöopathische Medikamente, dass sie, wenn sie gegen eine chronische
Erkrankung (wie Vorbeugung von Harnwegsinfekten)
eingesetzt werden sollen, in die Hände von gut ausgebildeten Experten (Homöopathen oder homöopathisch
ausgebildeten Ärzten) gehören: niemand würde sich
sein Antibiotikum ohne Fachkenntnis einfach aus dem
Internet bestellen, und Gleiches gilt auch für homöopathische Medikamente.
Antibiotika:
Eine Prophylaxe mit Antibiotika darf nur im Ausnahmefall und auf ausdrückliche ärztliche Anweisung
über einen kurzen Zeitraum erfolgen, z. B. in den ersten
Tagen der Anlernphase zum Selbstkatheterismus.
Sonst hat eine Antibiotikaprophylaxe zu unterbleiben.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Es gibt darüber hinaus noch zwei weitere Möglichkeiten
der Behandlung einer neurogenen Harninkontinenz:
Es ist dies einmal die Einspritzung eines Nervengifts
(Botulinumtoxin) in den Blasenmuskel, zum Zweiten
die Implantation eines Blasenschrittmachers (Neuromodulation).
Botulinumtoxin A
Botulinumtoxin ist hocheffektiv und unterbindet fast
immer die ungehemmten Blasenkontraktionen, die
den Urinverlust bewirken. Allerdings hat es den Nachteil, dass es schwierig zu dosieren ist. Deshalb entsteht oft als Nebenwirkung eine (vorübergehende)
Blasenlähmung, die den regelmäßigen Selbstkatheterismus erforderlich macht.
Ferner muss es mittels Blasenspiegelung direkt in den
Blasenmuskel gespritzt werden. Die Intervalle betragen etwa 3 Monate, da dies die Wirkdauer des Präparates ist.
Bildquelle: SPZ Nottwil
Blasenspülung:
Die regelmäßige Spülung der Blase mit desinfizierenden Lösungen oder Wasser eignet sich nicht zur Infektvermeidung, wenn man die Blase durch IK entleert.
Inkontinenz
Botulinumtoxin-Injektion
Das Medikament wird zwar seit mehr als 10 Jahren
eingesetzt, ist aber bis heute für die Behandlung
der Blasenfunktionsstörung nicht zugelassen, was zu
Problemen mit der Kostenerstattung führen kann.
Neuromodulation
Die Neuromodulation ist ein Verfahren, das äußerlich
einem Herzschrittmacher ähnelt. Neben den Blasennerven im Kreuzbeinbereich werden Elektroden implantiert, die mit einem Steuergerät, dem Neuromodulator, verbunden werden. Dieser kann mit einem kleinen
Handgerät (Handygröße) gesteuert werden, so dass
programmiert, quasi auf Knopfdruck, Wasserhalten und
Wasserlassen möglich werden. Nachteilig ist, dass
der Harndrang nicht mehr gespürt wird, weshalb ein
gutes Flüssigkeitsmanagement unabdingbar ist.
Ferner muss dieser Neuromodulator durch eine Operation in Narkose eingesetzt werden. Weiterhin ist die
Batterie je nach erforderlicher Stromstärke nach einigen
Jahren erschöpft, so dass ein Wechsel, durch eine
erneute Operation, erforderlich wird.
Inkontinenz
Die Harninkontinenz, also der ungewollte, nicht kontrollierbare Abgang von Urin, stellt ein medizinisches
und soziales Problem dar. Urinverlust (Inkontinenz)
kann zu Blasenentzündungen und Hautveränderungen
(Pilzbefall, Entzündung) führen; zudem wirken sich
Geruchsbelästigung, die Notwendigkeit Inkontinenzhilfsmittel benutzen zu müssen und die daraus entstehende Unsicherheit negativ auf die Lebensqualität aus.
Inkontinenz kann einmal als Folge einer überaktiven
Blase auftreten, die den Urin durch den eigentlich
intakten Schließmuskel presst. Diese Form der Inkontinenz bezeichnet man als Dranginkontinenz. Eine
Sonderform, gerade bei MS-Betroffenen, ist die (neurogene) Reflexinkontinenz. Sie lässt sich durch eine
Ruhigstellung der Blasenspastik behandeln.
Eine weitere Form ist die Belastungsinkontinenz,
die durch einen zu schwachen Schließmuskel
verursacht wird.
Eine Belastungsinkontinenz (Urinverlust beim Husten,
Sport, Heben von Lasten etc.) lässt sich je nach
Ausprägung konservativ durch ein schließmuskeltonuserhöhendes Medikament (Duloxetin), eine biofeedbackgesteuerte Beckenbodengymnastik und in
vielen Fällen operativ behandeln.
Welche Form der Harninkontinenz vorliegt, und welche
Therapie am sinnvollsten durchgeführt werden sollte,
kann in der Regel durch eine Videourodynamik mit
sogenanntem Harnröhrendruckprofil herausgefunden
werden. Sie ist vor jeder Therapie einer Harninkontinenz notwendig, um Fehlbehandlungen, die auch
negative Folgen haben können, zu vermeiden; so darf
z. B. bei einer Reflexinkontinenz keine Schließoperation erfolgen, weil sonst Blase und später Nieren geschädigt werden.
Hinzu kommen hohe Kosten.
Nicht jeder MS-Patient ist für diese prinzipiell elegante
Methode der Neuromodulation geeignet. Ausschließlich Patienten mit einer stabilen MS kommen infrage.
Bei einer (auch langsamen) progredienten MS scheidet das Verfahren aus, da es dieser Progredienz nicht
ausreichend angepasst werden kann.
17
Bei den Operationsmethoden gibt es mehrere Verfahren; prinzipiell sollen sie den Auslasswiderstand der
Blase erhöhen, wenn es sich um eine Belastungsharninkontinenz handelt. Bei Frauen gibt es hierzu die
sogenannte Kolposuspension nach Burch, bei der der
Blasenhals angehoben wird; dies ist die am weitesten
verbreitete Methode.
Je nach Ergebnis des Harnröhrendruckprofils kommen
auch eine Faszienzügelplastik, künstliche Bänder
oder sogar in Ausnahmefällen ein künstlicher »Schließmuskel« infrage.
Bei einem künstlichen Schließmuskel wird eine Plastikmanschette um den Blasenausgang gelegt, die mit
einem Ballon und einer Pumpe verbunden sind. Alle
Anteile werden in den Körper eingebracht; die Pumpe
liegt im Hodenfach bzw. in den großen Schamlippen,
um von außen bedienbar zu sein. Die mit Flüssigkeit
gefüllte Manschette sorgt dafür, dass kein Urinverlust
auftritt. Bei der Blasenentleerung wird die Manschette
mit der Pumpe entleert; nach einigen Minuten füllt
sich die Manschette automatisch wieder mit Flüssigkeit,
die Blase ist wieder »dicht«.
Reservoir
Blase
Schließmuskelmanschette
Künstlicher Schließmuskel nach Scott
Pumpballon
18 Inkontinenz
Risiken der Operation sind die typischen Komplikationen jedes Eingriffs, bei dem Fremdkörper eingebracht werden: So kann ein Materialdefekt auftreten,
sowie die Infektion des Implantats. Etwa 30 % der
Patienten muss innerhalb von 5 Jahren ein zweites Mal
operiert werden.
Die Burch, Fazienzügelplastik und künstliche Bänder
werden über einen kleinen Hautschnitt und je nach
Methode durch einen Schnitt in der Scheide gelegt.
Wenn die Diagnostik sorgfältig erfolgt ist, haben alle
OP-Methoden eine gute Erfolgsrate.
Da beide Inkontinenzformen auch gemeinsam auftreten können, ist unbedingte Voraussetzung einer
erfolgreichen Behandlung, zunächst genau zu prüfen,
welche Form der Inkontinenz vorliegt. Nicht selten
werden dann OP und medikamentöse Therapie kombiniert. Eine falsche Therapie ist dabei nicht nur frustrierend, sondern birgt auch medizinische Risiken bis
hin zur Nierenfunktionsschädigung.
Urinalkondome und Urinablaufbeutel
Bei medikamentös nicht behandelbaren Formen der
Reflexinkontinenz kommen die BotulinumtoxinEinspritzung in den Blasenmuskel bzw. eine Neuromodulation infrage. Auch hier ist die sorgfältige
urodynamische Diagnostik Voraussetzung.
Darmentleerung
Hilfsmittel für Harninkontinenz
Eine ausgewogene Therapie mit Ballaststoffen, die
regelmäßig eingenommen werden, ist deshalb
wichtig. Konventionelle Abführmittel sind dagegen
nicht für den Dauergebrauch, sondern nur für
besondere Einzelfälle bestimmt, da sie bei Dauereinnahme zu einer Schädigung des Darmes führen,
und damit das Gegenteil dessen bewirken, wozu sie
dienen sollten.
Dabei handelt es sich um Urinauffangsysteme. Effektive
Urinauffangsysteme gibt es nur für Männer, sogenannte Kondom-Klebe-Urinale. Neuerdings gibt es auch
eine spezielle Unterhose mit eingearbeitetem Auffangsystem, das lange Zeit ohne Geruchsbelästigung
benutzt werden kann.
Die Harninkontinenz bei Frauen kann, bis eine der oben
genannten definitiven Therapien erfolgt ist, nur mit
Windeln »versorgt« werden. Effektive Urinauffangsysteme gibt es nicht. Wenn Windeln mit einem Rezept
verordnet werden, ist für die Kostenübernahme durch
die Krankenkassen eine »Zusatzdiagnose« (z. B. Hautschäden durch Inkontinenz« oder »zur Teilnahme am
öffentlichen Leben«) erforderlich.
Bei MS kann es parallel – aufgrund der in vielen
Teilen ähnlichen Nervenstörung – zu einer
chronischen Verstopfung (Obstipation) kommen.
Darmentleerung | Sexualität bei Multiple Sklerose 19
Hilfsmittel für Stuhl-Inkontinenz
Wenn nicht eine völlig schlaffe Lähmung des Beckenbodens und damit des Schließmuskels vorliegt,
kann ein Versuch mit sogenannten »Anal-Tampons«
gemacht werden. Diese entfalten sich im Enddarm
und verschließen ihn. Besser jedoch ist eine Beeinflussung durch Quellstoffe und andere darmbeeinflussende Stoffe. Diese müssen meist individuell ausprobiert
werden.
Je nach Detailbefund gibt es auch operative Maßnahmen, wozu auch die Neuromodulation gehört.
Sexualität bei Multiple Sklerose
Die Nervenversorgung des Genitales läuft über dieselben Nerven wie diejenige der Blase; besteht also
eine Blasenlähmung, muss auch mit einer Störung der
Sexualfunktion gerechnet werden.
Zu Sexualfunktionsstörungen gehören Störungen der
Wahrnehmung, der Orgasmusfähigkeit und der Fruchtbarkeit. Bei Frauen kann zusätzlich die Befeuchtung
der Scheide, beim Mann die Gliedversteifung und der
Samenerguss gestört sein.
Befeuchtung der Scheide
Bei mangelnder Befeuchtung der Scheide können Gleitmittel (Öle, z. B. Olivenöl extra virgine; Vaseline
oder Gleitmittel auf Wasserbasis) verwendet werden.
Samenerguss
Bei einem zu frühen Samenerguss kann man mit einer
leicht betäubenden Creme auf der Eichel oder durch
Medikamente eine Besserung erzielen.
Wird eine lokal betäubende Creme (z. B. Emla®) eine
Stunde vorher aufgetragen, hat sie eine zuverlässige
Wirkung.
Auch bestimmte Psychopharmaka sind wirksam, sie
weisen jedoch eine hohe Rate an Nebenwirkungen
auf. Ferner kann man mit Priligy® eine Verzögerung
des Samenergusses herbeiführen. Das Stopp-StartSqueeze-Training kann ebenfalls hilfreich sein, braucht
aber etwas Übung.
Bei einem Samenerguss in die Blase kann man ebenfalls einen medikamentösen Behandlungsversuch
unternehmen (z. B. Midodrin).
Bei ausbleibendem Erfolg können die Spermien, z. B.
zur Befruchtung, aus dem Urin gewonnen werden.
Bei ausbleibendem Ejakulat ist eine Elektrostimulation
zur Samengewinnung möglich. Diese kann durch eine
Art Vibrostimulation erreicht werden; bei fehlendem
Erfolg kann eine Elektrostimulation durch eine in den
Enddarm eingeführte Sonde versucht werden. Die beiden Verfahren sind nur unabhängig vom Geschlechtsverkehr durchführbar und dienen lediglich der Samengewinnung für eine Befruchtung; besonders das
letztgenannte Verfahren kann mit erheblichen Nebenwirkungen (Blutdruckkrise, massive Spastik, Schmerzen) einhergehen und sollte nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.
20 Sexualität bei Multiple Sklerose
Fertilität (Fruchtbarkeit) der Frau
Eine Schwangerschaft bei MS ist wie bei jeder gesunden
Frau möglich. Deshalb muss auch für Empfängnisverhütung gesorgt werden, wenn man keine Kinder
bekommen will. Grundsätzlich kommen zur Verhütung die Pille oder die Spirale (»IUP«) in Frage. Ein
Diaphragma (eine Kappe auf dem Muttermund) ist
weniger zuverlässig.
Einige Medikamente zur Unterdrückung der Blasenspastik sind in der Schwangerschaft nicht zugelassen.
Daher sollte jede Schwangere mit Blasenfunktionsstörung, die medikamentös behandelt werden muss,
unbedingt so früh wie möglich einen Urologen kontaktieren.
Erektionsstörung
Die Erektionsstörung bei MS ist in der Regel durch eine
Nervenfunktionsstörung bedingt (aber der rauchende
MS-Patient kann auch eine vaskulär bedingte Erektionsstörung aufweisen). Sie lässt sich meist gut mit einem
der neuen PDE5-Hemmer behandeln, die in Tablettenform zur Verfügung stehen und vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden müssen.
Sexualität bei Multiple Sklerose | Lexikon der wichtigsten Begriffe
Da es für sie Kontraindikationen gibt, muss die Einnahme mit einem erfahrenen Arzt besprochen werden.
Die heutzutage mögliche Bestellung dieser Medikamente
über das Internet als Selbstmedikation ist hochgefährlich. Zudem ist bekannt, dass viele dieser (gegenüber den Originalpräparaten billigeren) Pillen Fälschungen sind, also ohne Wirksubstanz verkauft werden, und zum Teil sogar schädliche Stoffe enthalten.
Hilfsmittel für die Sexualität
Falls diese PDE5-Hemmer nicht wirken oder kontraindiziert sind, gibt es noch die Möglichkeit von SKAT,
Erektionspumpe und Penisprothese.
Lexikon der wichtigsten Begriffe
Bei der Schwellkörper-Auto-Injektionstherapie (SKAT)
lernt der Patient, sich selbst eine erektionsauslösende
Substanz in den Penis zu spritzen, wenn er Verkehr
haben möchte.
Anticholinergika:
Medikamente, die den Blasenmuskel beeinflussen, so
dass er sich nicht so stark kontrahiert.
Die Erektionspumpe erzeugt einen Unterdruck und
fördert die Blutfülle im Penis; sie kann die SKATMethode unterstützen.
Eine Penisprothese ist als letzte Möglichkeit für Ausnahmefälle gedacht; sie ist ein Implantat, das unter
Umständen auch vom Körper nicht angenommen wird
bzw. sich infizieren kann. Diese Methode will sehr
gut überlegt sein.
Hier gibt es eine Vielzahl verschiedener Hilfsmittel.
Scheuen Sie sich nicht, Ihren Arzt gezielt darauf
anzusprechen und entsprechende Kataloge von Versand-Firmen anzufordern. Die dort angebotenen
Sie kommen bei unwillkürlichem Urinverlust infolge
Blasenkrämpfen zum Einsatz (Urgeinkontinenz).
Typische Nebenwirkungen sind ein trockener Mund,
selten auch Sehstörungen. Weitere Nebenwirkungen
sind dagegen sehr selten.
Im Alter kann es gelegentlich – und abhängig von dem
verwendeten Medikament – zu Merkfähigkeitsstörungen und ähnlichem kommen.
Botulinumtoxin:
Medikament, das bei MS-Patienten benutzt werden
kann, wenn Anticholinergika bei krampfartigem
Urinverlust nicht ausreichen. Nachteil ist, dass Botulinumtoxin dazu mittels einer Blasenspiegelung in
den Blasenmuskel injiziert werden muss.
Detrusor:
Der Detrusor ist der kugelförmig gestaltete Blasenmuskel, der sich kontrahiert, wenn sich die Blase entleert.
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD):
Hierbei handelt es sich um das fehlende Zusammenspiel von Blasenmuskel und Blasenschließmuskel.
Sie müssen synerg funktionieren, wenn die Blase entleert
werden soll. Bei der DSD kontrahiert sich der Schließmuskel anstatt sich zu entspannen, um den Urinfluss
durchzulassen, wenn die Blase sich kontrahiert. DSD ist
bei vielen MS-Patienten mit Rückenmarksherden typisch.
Kontinenz/Inkontinenz:
Kontinenz ist die Fähigkeit, den Urin zu halten, Inkontinenz bezeichnet die Unfähigkeit, Urin zu halten.
21
Produkte sind erheblich preiswerter als entsprechende
»medizinische« Artikel.
In Frage kommen zum Beispiel Saugpumpen zur Unterstützung der Gliedversteifung (gegebenenfalls in
Kombination mit SKAT) und Gleitcremes.
Es gibt mehrere Formen der Harninkontinenz. Die durch
MS-Herde ausgelöste Form ist die Urge(= Drang)Inkontinenz. Sie kann je nach Lokalisation der Herde
mit oder ohne DSD vorkommen.
Neuromodulator:
Sogenannter »Blasenschrittmacher«. Er ist ein unter die
Haut implantiertes elektronisches Gerät, das mittels
Elektroden, die an die Nervenwurzeln im Kreuzbeinbereich gelegt werden, die Blasensteuerung größtenteils
übernehmen kann. Die Indikation bei MS-Patienten
ist selten gegeben und neuro-urologischen Zentren vorbehalten.
PDE5-Hemmer:
Medikamente zur Förderung der Erektionsfähigkeit. Sie
werden in Tablettenform etwa eine halbe Stunde vor
dem geplanten Geschlechtsverkehr eingenommen.
Es gibt dabei Unterschiede in der Wirkungsdauer.
Welches der Medikamente zum Einsatz kommt, muss
der Urologe entscheiden.
Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Herzmedikamenten:
PDE5-Hemmer sind verboten bei Männern, die sogenannte Nitrate oder Molsidomin einnehmen müssen.
Penisprothese:
Sie wird in die Penisschwellkörper implantiert. Es gibt
sogenannte rigide Systeme, die permanent eine Verdickung des Penis bewirken. Sie werden »gesteuert«,
in dem der eingebaute Metalldraht je nach Bedürfnis
gebogen wird. Sie finden nur noch selten Verwendung.
In der Regel wird heute eine flexible, das heißt aufblasbare Penisprothese implantiert. Sie kann bei Bedarf
durch Umpumpen einer Flüssigkeit aus einem im Bauchraum liegenden Reservoir »aufgeblasen« werden, so
dass eine künstliche Erektion entsteht.
22 Lexikon der wichtigsten Begriffe | Weiterführende Literatur
Reflux:
Dies ist der (krankhafte) Urinrückfluss in den Harnleiter, ggf. bis zur Niere. Er kann bei MS-Patienten auftreten, wenn eine Blasenfunktionsstörung vorliegt, die
zu hohem Druck in der Blase führt, so dass der natürlich vorkommende Refluxschutz zerstört wird. Auf
Dauer kann ein Reflux zu einer schweren Nierenfunktionsstörung führen.
SKAT:
Dieses Akronym steht für Schwellkörperautoinjektionstherapie. Hierzu wird in den Penisschwellkörper
ein Medikament vom Patienten (nach Anlernen durch
den Arzt) gespritzt, wodurch eine künstliche Erektion
erzeugt wird, die den Geschlechtsverkehr ermöglicht.
Sie darf nur nach Verordnung eines Arztes erfolgen.
Sphinkter:
Dies ist der Blasenschließmuskel, der in die Harnröhre
integriert ist und durch seine vorwiegend ringförmigen Muskelfasern den Harnfluss willkürlich unterbrechen kann. Daneben enthält er auch Fasern, die
»autonom« gesteuert werden, also in Ruhe die Kontinenz gewährleisten.
Miktionsprotokoll23
Sterile Intermittent Catherisation (SIC):
Steriler Selbstkatheterimus
MiktionsProtokoll
Urethraverschlussdruck:
Die Messung dieses Druckes ist Bestandteil der urodynamischen Untersuchung und besonders wichtig,
wenn Urinverlust auftritt.
Name: Datum:
Urgeinkontinenz:
Dranginkontinenz, das bedeutet, dass die Blase unwillkürliche Druckwellen erzeugt, die so stark sein können,
dass man Urin verliert. Diese Form der Harninkontinenz
wird mittels Urodynamik diagnostiziert.
ZeitTrinkmengeUrinmenge
Nasse Trockene VorlageVorlage
Urodynamik:
Untersuchungstechnik, mit der mittels einer dünnen
Messsonde in der Blase der Druck gemessen wird.
Aus der Übertragung des Drucks auf einer Zeitskala
kann man Rückschlüsse über die vorliegende Störung
der Blasenfunktion und ihre Ursache gewinnen.
Weiterführende Literatur
Physiologie und Pathophysiologie
der Miktion
W. Merkle; Herausgeber: W. Jost: Neurologie des
Beckenbodens. Chapman u. Hall, Weinheim, 1997.
Neurogene Blasenfunktionsstörung,
neurogene Sexualstörung.
Herausgeber: M. Stöhrer, H. Madersbacher,
H. Palmtag, Springer-Verlag, 1997
Urologie (Harnwege, Darm, Sexualität).
Fragen und Antworten zur urologischen Situation.
Prof. Dr. A. Gross, ASbH-Ratgeber 12
Kinderwunsch
F. H. Fischl, Verlag für Medizin und Wirtschaft, 1995
Manual. Neuro-Urologie und
Querschnittlähmung.
Farco-Pharma GmbH, Köln 2003
Sexualität und Behinderung.
Herausgeber: Hans-Peter Färbe, Attempto Verlag, 1998
© Medical Service 2011
Die medizinischen Informationen wurden uns freundlicherweise
von Herrn Dr. med. Merkle, DKD Wiesbaden, zur Verfügung gestellt. Änderungen aufgrund neuerer medizinischer Kenntnisse
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Summe
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Inkontinenz-Selbsthilfe e.V.
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Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V. Geschäftstelle
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MS-Ratgeber 2011
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