2. Sitzung

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2.
Theoretische Grundlagen der Sozialstrukturanalyse
2.1.
Sozialstruktur und soziale Ungleichheit
- Soziologie ist eine Wissenschaft, die kollektive (agreggierte) soziale
Phänomene beschreiben und erklären will
- Kollektive (aggregierte) soziale Phänomene lassen sich nur unter
Berücksichtigung individuellen sozialen Handelns erklären
- Was sind die Determinanten individuellen sozialen Handelns?
a) Situative Handlungsbedingungen à Handlungsrestriktionen
b) Ressourcen à Handlungsmittel
c) Wünsche, Bedürfnisse, Motive à Handlungsziele
d) Die „Anderen“ à Handlungspartner (Netzwerke)
Kollektive soziale Phänomene und individuelles soziales Handeln
(Badewanne nach James Coleman 1926 - 1995)
Kollektivt0
Kollektivt1
Logik der
Situation
Logik der
Aggregation
Individuumt0
Individuumt1
Restriktionen
Logik der
Entscheidung
Ressourcen
Selektion
Konsequenzen
Ziele
Partner
à Die Ungleichheitsforschung beschäftigt sich mit der Verteilung von
Restriktionen und Ressourcen in der Bevölkerung.
Definition: Soziale Ungleichheit ist die sozial erzeugte Verteilung von
knappen Ressourcen und Handlungsrestriktionen in der Bevölkerung.
Ressourcen und Handlungsrestriktionen sind die Grundlage für
individuelle Lebens- und Handlungschancen.
à Bedarf nach Typisierung: Strukturierte soziale Ungleichheit nach
Klasse (vertikale Dimension), Geschlecht, Ethnie, Region
à Die Sozialstrukturanalyse beschäftigt sich mit der Verteilung der
Bevölkerung auf die vier Handlungsdeterminanten:
Wie sind typische Handlungsrestriktionen auf soziale Gruppen verteilt?
Wie sind typische Handlungsressourcen auf soziale Gruppen verteilt?
à Kapitel 4: Strukturierte soziale Ungleichheit
Welche typischen Handlungsziele finden sich in unterschiedlichen
sozialen Gruppen?
à Kapitel 5: Lebensstile
Welche typischen Handlungspartner (Soziale Netzwerke) haben
unterschiedliche soziale Gruppen?
à Kapitel 6: Soziale Milieus
Ist der Nationalstaat die geeignete geographische Einheit für die
Ungleichheitsforschung und die Sozialstrukturanalyse?
• Interne regionale Variation à Nationalstaat zu heterogen
• Transnationalisierung macht Nationalstaat irrelevant
• EU übernimmt Aufgaben der Nationalstaaten
• Nationale soziale Ungleichheit irrelevant im Vergleich zu weltweiter
Ungleichheit
• Nationalstaat ist weiterhin sozial relevant: Basis für multinationale
Konzerne, Wohlfahrtsstaat, Bildungspolitik, Industrielle
Beziehungen
• Internationale Ungleichheit verringert sich im Vergleich zu
nationaler Ungleichheit (Firebaugh, Sala-I-Martin, Heidenreich)
à Sozialstrukturanalyse und Ungleichheitsforschung mit einem Fokus
auf den Nationalstaat ist weiterhin möglich, da der Nationalstaat
weiterhin eine zentrale Rolle für diese Phänomene spielt. Aber:
• Nationale soziale Ungleichheit und Sozialstrukturen sollten im
internationalen Vergleich betrachtet werden.
• Transnationale soziale Prozesse sollten als Quellen von sozialer
Ungleichheit und des Wandels der Sozialstruktur berücksichtigt
werden.
2.2.
Sozialstrukturanalyse und Theorien rationalen Handelns
Grundprinzipien der Theorie rationalen Handelns
• Methodologischer Individualismus
• Akteure haben gleichartige, stabile, geordnete, egoistische ökonomische
Präferenzen
• Akteure stehen in ihrem Handeln Restriktionen gegenüber
• Akteure haben Handlungsressourcen zu ihrer Verfügung
• Auf der Basis ihrer Präferenzen, ihrer Handlungsrestriktionen und ihrer
Ressourcenausstattung maximieren Akteure rational ihren Nutzen
• Weiterentwicklung: SEU Theorie
Welche Vorteile hat die Theorie rationalen Handelns für die
Sozialstrukturanalyse?
• Die Bedeutung von Präferenzen (Lebensstilen), Restriktionen und
Ressourcen kann in einem theoretischen Rahmen erklärt werden.
• Dies ermöglicht Prognosen über das Verhalten der Akteure
• Zahlreiche Prozesse der Entstehung von sozialen Ungleichheiten können als
rationale Entscheidungen modelliert werden (Bildung, Arbeitsmarkt).
•
2.3.
Bourdieus soziokulturelle Ungleichheitstheorie
• Das Fundamentaltheorem: Struktur à Habitus à Praxis
• Struktur = Klassenstruktur, basierend auf Kapitalsorten
• Ökonomisches Kapital: Eigentum, Vermögen, Einkommen
• Soziales Kapital: Beziehungen, Netzwerke, Gruppenzugehörigkeit
• Kulturelles Kapital: institutionalisiert, objektiviert, inkorporiert
• institutionalisiertes kulturelles Kapital: Bildungszertifikate
• objektiviertes kulturelles Kapital: kulturelle Güter
• inkorporiertes kulturelles Kapital: angeeignete Fertigkeiten, Wissen
• Die Klassenstruktur hat zwei Dimensionen: Kapitalvolumen, Kapitalstruktur
(ökonomisches Kapital/kulturelles Kapital)
• Die Position in der Klassenstruktur determiniert den Habitus
• Der Habitus ist ein System von Handlungs-, Wahrnehmungs- und
Klassifikationsdispositionen, das die Handlungen und Wahrnehmungen von
Akteuren in unterschiedlichen sozialen Kontexten erzeugt
• Bourdieu beschäftigt sich insbesondere mit dem Bereich der kulturellen
Lebensstile, da er diesen eine besondere Bedeutung für die Reproduktion der
Klassenstruktur zuweist à Theorie der kulturellen Reproduktion
• Unterschiede zu Theorie rationalen Handelns: Ressourcen, Habitus versus
Präferenzen, Rationale Wahl versus Handlungsdisposition
2.4.
Sozialstrukturanalyse und Zeitdiagnose
• Zeitdiagnose: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Überspitzung
bestimmter Merkmale oder Tendenzen
• Ärgernis Ungleichheit und Politikum Klassengesellschaft
• Marx: Kapitalistische Klassengesellschaft à Kapitalisten versus Proletariat
• Unterscheidungskriterium: Besitz von Produktionsmitteln
• Tendenz zur Polarisierung und Verelendung, Mittelklassen verschwinden
• à Klassenkampf und Revolution
Zeitdiagnosen in der Bundesrepublik
• Die Klassengesellschaft im Schmelztiegel (Theodor Geiger, 1949)
• Klassen differenzieren sich, keine Verelendung, Institutionalisierung des
Klassenkonflikts, differenzierte Konfliktlinien
• Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft (Helmut Schelsky 1953)
• Hohe Mobilität, Nivellierung der Lebensstandards
• Oder doch Klassengesellschaft? (PKA 1973/74)
• Individualisierte und differenziert-plurale Nachklassengesellschaft (Beck
1986, Hradil 1987)
• Fahrstuhleffekt und Mobilität, Risikolagen sind nicht mehr
klassenspezifisch, Klassen bilden keine Lebenszusammenhänge mehr -->
Milieus und Lebensstile
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