EMDR Behandlung

Werbung
1
Leonardo - Wissenschaft und mehr
Sendedatum: 05. Juli 2012
EMDR Behandlung
Psychotherapeutisches Verfahren
von Detlef Kutz
Sprecher:
EMDR, das ist die Abkürzung für „Eye Movement Desensitization and
Reprocessing“: Augenbewegung-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung. Durch
Fingerbewegungen oder Lichtsignale regt der Therapeut den Patienten zu
rhythmischen Augenbewegungen an. Diese erleichtern es ihm, sich an traumatische
Erlebnisse zu erinnern und sie zu verarbeiten. Therapeuten arbeiten heute auch mit
akustischen Reizen oder sie tippen den Patienten abwechselnd links-rechts auf
Beine oder Hände. Bevor der Patient jedoch das Trauma verarbeiten kann, erlernt er
Techniken, sich zu stabilisieren und zu entspannen. Danach macht er sich im
Gespräch mit dem Therapeuten schrittweise die grauenhaften Erlebnisse bewusst.
Dabei hilft ihm das EMDR-Verfahren. Das beruht nämlich auf der Erfahrung, dass
bedrohliche Erinnerungen nicht mehr so belastend wirken, wenn die Augen schnell
und rhythmisch bewegt werden. Wie die wechselseitige Stimulation neurologisch
wirkt, ist noch nicht geklärt. Dass EMDR wirkt, ist aber wissenschaftlich erwiesen.
Heute setzen Therapeuten diese Methode auch ein, um Süchte zu behandeln,
Angststörungen, Depressionen oder Schmerzen. Dass auch in diesen Fällen EMDR
funktioniert, ist für Dr. Michael Hase, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie nur
logisch:
O-Ton:
„Wir können unsere Erkenntnisse da generalisieren. Wenn wir die schwerste
Störung behandeln können, dann können wir auch die leichteren aus dem
Spektrum behandeln.“
Sprecher:
Viele Psychotherapeuten haben gute Erfahrungen damit gemacht, EMDR zusätzlich
zur üblichen Behandlung einzusetzen. Denn wie bei der posttraumatischen
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder
vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
2
Belastungsstörung liegen die Ursachen vieler anderer Störungen darin, dass
Patienten sich an traumatische Erlebnisse nicht angemessen erinnern können:
O-Ton:
„Was wir mit der Methode erreichen können ist die Nachbearbeitung von
nicht ausreichend integrierter Erinnerung. Die ist Grundlage von vielen
Störungen. Sie spielt bei depressiven Menschen ein Rolle, bei ängstlichen
Menschen eine Rolle, als Suchtgedächtnis bei abhängigen Menschen,
abgesehen davon, dass die häufig auch traumatisiert sind.“
Sprecher:
Deshalb werden Drogenabhängige an der Fachklinik „Do It“ in Lübeck von zwei
Therapeuten betreut. Der eine behandelt die Suchterkrankung, der andere die
seelischen Verletzungen. Mit Hilfe von EMDR können sich die Patienten darüber klar
werden, welche unerträglichen Gefühle sie mit der Droge zu betäuben versuchten
und welche traumatischen Erlebnisse hinter diesen Gefühlen stecken. Denn diese
psychischen Verletzungen haben das Suchtverhalten häufig ja erst hervorgebracht.
Deshalb müssen diese Traumata dringend behandelt werden, erklärt die Leiterin der
Fachklinik, Diplompsychologin Viktoria Kerschl:
O-Ton:
„Bei uns machen die Patienten ein Parallelprozess von Sucht- und
Traumatherapie. Letztendlich denke ich, dass die Patienten, die komplex
traumatisch gestört sind, erst die Suchttherapie auch zu Ende machen
können, weil wir durch die Parallelität die Belastung aus den kritischen
Lebensereignissen runterfahren.“
Sprecher:
Die Trauma-Behandlung mit EMDR verbessert dann die Suchttherapie erheblich,
meint Viktoria Kerschl:
O-Ton:
„Meine Hypothese ist, dass früher sehr viele Patienten eine stationäre Reha
abgebrochen haben, weil sie diese inneren Zustände nicht aushalten
konnten.“
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder
vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
3
Sprecher:
Inzwischen versucht man sogar, körperliche Erkrankungen zusätzlich so zu
behandeln. Allergien zum Beispiel. Dr. Arne Hofmann, Facharzt für
Psychosomatische und Innere Medizin, räumt aber ein:
O-Ton:
„Wir würden zur Zeit mit Sicherheit noch nicht sagen, dass wir Belege dafür
haben, wissenschaftliche Belege, dass es bei Allergien effektiv ist. Wir
werden sehr zurückhaltend sein zu sagen, wir hätten Belege bei
Depressionen. Aber klinisch behandeln die erfahrenen Kolleginnen und
Kollegen – wir haben ja 1600 zertifizierte EMDR-Therapeuten in Deutschland
– die behandeln schon sehr viele Depressionen, einige behandeln schon
Allergien. Wir sind dabei, mit den Mitgliedern unserer Fachgesellschaft eben
auch Studien zu erstellen, um die entsprechenden wissenschaftlichen
Prüfverfahren einzuleiten, wir sind einfach neugierig.“
Sprecher:
Ob EMDR die Behandlung von Depressionen verbessern kann, wird bereits seit drei
Jahren untersucht: Sechs Arbeitsgruppen in Italien, Spanien, der Türkei und
Deutschland sind an dem Forschungsprojekt beteiligt. Ergebnisse werden
voraussichtlich Ende 2013 vorliegen. Im kommenden Herbst startet eine Studie, die
prüfen soll, ob Allergien mit EMDR erfolgreich behandelt werden können. Die
Diplompsychologin Claudia Erdmann hat ein spezielles EMDR-Protokoll für die
Allergiebehandlung entwickelt und damit gute Erfahrungen gemacht. An der Studie
werden Psychotherapeuten aus ganz Deutschland teilnehmen.
O-Ton:
„Vermutlich geht es um eine Blütenpollenallergie, das weiß ich noch nicht
ganz genau, worauf ich das ausrichte. Aber vermutlich das, was sich anbietet
im Herbst, da gibt es keine Blütenpollen, aber die Leute haben sogenannte
Kreuzallergien, also gleichzeitig Nahrungsmittelunverträglichkeiten, so dass
man, wenn man die Behandlung durchgeführt hat, durchaus an den
Kreuzallergien gucken kann, wie weit das wirksam war.“
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder
vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
4
Sprecher:
Gehirn und Psyche sind mit dem Immunsystem eng verknüpft. Deshalb erscheint
Michael Hase eine Allergiebehandlung mit EMDR auch naheliegend:
O-Ton:
„Was die Allergie angeht, bin ich sehr gespannt. Allein die PsychoneuroImmunologie, die Verknüpfung von Bindungsstörung, Trauma und Allergie
und Immunsystem ist sehr spannend, aber vielleicht auch die eines AllergieGedächtnisses, das wir bearbeiten können. Das ist eine Vision und ich bin
sehr gespannt, welches Ergebnis die Studie bringen wird.“
Sprecher:
EMDR wurde für die Trauma-Behandlung konzipiert. Die Methode scheint auch die
Therapie anderer Störungen deutlich zu verbessern. Ob und wie gut sie das tut,
werden die Studien bald zeigen.
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder
vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
Herunterladen