Prüfung

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Subvirale Agentien und Virusevolution
Hans-Georg Kräusslich, Abteilung Virologie
04. Juli 2006
¾ Subvirale Agentien
¾ Viroide:
¾ Satelliten-Viren
¾ Prionen:
Infektiöse RNA
Infektiöse Proteine
¾ Virusevolution
Prüfung
• Wegen mehrfacher Rückfragen zu Prüfungstermin
erfolgt Anmeldung erst nächste Woche
• Termin Prüfung: 4. August, 10:00 Uhr SR20 –
INF 326
• Vorgeschlagener Termin Wiederholungsprüfung:
13. Oktober, 10:00 Uhr; SR20 – INF 326
• Endgültige Festlegung in dieser Woche
• Mögliche Anmeldung zur Prüfung in den nächsten
beiden Wochen in der Vorlesung (11. Juli bzw.
18. Juli)
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Viroide
¾Viroide (entdeckt 1971) sind Infektionserreger von Pflanzen mit
sehr kleinem, einzelsträngigem, zirkulärem, kovalent verknüpften
RNA-Genom (246 – 401 Nukleotide)
¾Bisher sind ca. 30 Viroide bekannt
¾Das Genom wird frei übertragen, kein Proteinkapsid, keine Hülle
¾Replikation im Zellkern oder Chloroplasten der Pflanzenzelle,
autonome Replikation ohne Helferviren; systemische Ausbreitung
¾Keine Proteinsynthese, keine mRNA, kein ORF
¾Viroide sind in der Regel pathogen für die Wirtspflanze, der
pathogene Mechanismus ist unklar – vermutlich Interaktion mit
zellulären Proteinen
Viroide als Erreger von Pflanzenkrankheiten
Potato spindle tuber viroid
Kartoffel-Knollenspindelsucht
Hop stunt viroid
Kartoffel
Tomate
Pflaume
Chrysanthemum stunt viroid
Two major families:
Pospiviroidae (nuclear)
Avsunviroidae (chloroplast)
2
Potato spindle tuber viroid replication
Kovalent geschlossene, fast vollständig gepaarte RNA
Transkription durch zelluläre Pol II; a-Amanitin-sensitiv
RNA-Promoter für Pol II:
GC-Box -- 15 Nt. -- AGCGGG
Replikation über rolling circle (asymmetrisch):
Zirkulärer + Strang
Oligomerer - Strang
Oligomerer + Strang
Spaltung und Religation durch zelluläre RNase/RNA Ligase
(Avsunviroidae: hammerhead ribozyme)
Satelliten
(auch Viren habe ihre „Parasiten“)
Satelliten (meist bei Pflanzenviren):
Nukleinsäuremoleküle (RNA), die für ihre Vermehrung
Ko-Infektion mit einem Helfervirus benötigen
Die Nukleinsäure wird vom Helfervirus repliziert (RNAPol im Zytoplasma) und verpackt
Keine Verwandtschaft zum Helfervirus (Unterschied zu
DI-Partikel = Deletionsmutante des Helfers)
Satelliten-Virus:
Satellit, dessen Genom für ein Nukleokapsid kodiert
3
Satelliten-RNAs bei Pflanzen
¾ Ca. 200-1500 nt ssRNA, linear oder zirkulär, ausgeprägte
Sekundärstruktur
¾ Grössere Satelliten: zum Teil ORFs
¾ Modulieren oft die Replikation des Helfervirus:
Häufig Attenuation aber erhöhte Pathogenität möglich
Einsatz zur Viruskontrolle?
¾ Replikation über rolling circle - Self-Cleavage (Hairpin Ribozym)
Satellite tobacco mosaic virus
Arabis mosaic satellite RNA
Chicory yellow mottle satellite RNA
Cucumber mosaic satellite RNA
Grapevine fanleaf satellite RNA
Strawberry latent ringspot satellite RNA
Tobacco ringspot satellite RNA
Tomato bushy stunt satellite RNA
Hepatitis Delta Virus (HDV)
Satelliten-Virus beim Menschen
¾ Abhängig von HBV als Helfer für Replikation und Verpackung,
nur bei Koinfektion, keine Sequenzähnlichkeit zu HBV
¾ Genom 1.679 Nt. zirkuläre ssRNA; ca. 70% interne
Basenpaarung > stäbchenartig
¾ kodiert nur für δAg (small und large Form durch RNA editing)
> essentiell für Replikation und Verpackung
¾ Envelope Proteine vom Helfervirus HBV
¾ Genomreplikation über ‚rolling circle‘ Mechanismus
¾ Genome der vollständigen Länge entstehen durch RNA-selfcleavage (Ribozym), Ligation durch Enzyme der Wirtszelle
¾ Natürliche HDV-Infektion nur beim Menschen
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Satelliten-Virus:
Hepatitis Delta Virus (HDV)
Minus-Strang
Plus-Strang
PolyA-Signal wird
meist überlesen,
selten genutzt,
daher wenige
Kopien mRNA
Replikation über RNA Pol II:
Beispiel für RNA-abhängige RNA-Pol (RD-RP)
Aktivität in Säugern!
© Flint et al. Molecular Virology
Posttranskriptionelles RNA editing:
Hepatitis delta satellite virus
Grosses delta Antigen:
Notwendig für Virusassembly
Kleines delta Antigen:
Genomreplikation
+19 AS
Transkription
ReplikationsIntermediat
dsRNA Adenosin
Deaminase
I: Basenpaarung mit C
(U > C)
Editing
(50%)
© Flint et al. Molecular Virology
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Prionen
proteinaceous infectious particle
¾ Protein als infektiöse Einheit
¾ Auslöser von übertragbaren spongiformen
Enzephalopathien (TSE)
Transmissible spongiforme
Enzephalopathie
Symptome: Cerebellare Ataxie, Demenz, Tod
¾Verlust von Neuronen
¾Vakuolarisierung des
Gehirns
¾Dichte Proteinaggregate
(Amyloid-Plaques)
¾Gliosis, Astrocytosis
¾Langsamer Verlauf
¾Keine Immunantwort
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Transmissible spongiforme
Enzephalopathie
TSE bei Tieren:
Scrapie
Transmissible mink encephalopathy
Chronic wasting disease
BSE
Feline transmissible encephalopathy
Schafe, Ziegen
Nerze
Elche, Hirsche
Rinder
Katzen (=BSE)
TSE beim Menschen:
Kuru
Kannibalismus
Creutzfeld-Jacob-Syndrom (CJD)
Iatrogene CJD
Familiäre CJD
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
Fatale familiäre Insomnie
Spontanmutation
erworben
genetische Disp.
vererbt
vererbt
vCJD
‚BSE beim Menschen‘
Ursache der TSE Erkrankungen
Sporadisch (Spontanmutation)
Vererbbar (autosomal dominant)
Infektiös
Auch sporadische oder ererbte Formen können
übertragen werden
(experimentelle Injektion von Gewebehomogenat ins ZNS
von Versuchstieren oder iatrogene Übertragung)
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Charakterisierung der TSE-Erreger
¾ Filtrierbar
¾ Extrem stabil gegen Hitze, 20 min 135oC
¾ Stabil gegen UV, radioaktive Strahlung ( Genom < 80 Nt.)
¾ Resistent gegen Nukleasen (DNAse und RNAse)
¾ Inaktiviert durch Behandlung mit Harnstoff, SDS, Phenol,
Protein-denaturierende Reagentien
¾ Aufreinigen des
infektiösen Materials:
Protein PrPSc
¾ Amyloid-Plaques
bestehen aus PrPSc
Prionenhypothese
TSE werden nicht durch Viren, sondern durch infektiöse Proteine
ohne assoziiertes Nukleinsäure-Genom übertragen (Protein only
- Prusiner, 1982)
¾ Aminosäuresequenz von PrPSc entspricht der eines
normalen zellulären Proteins mit unbekannter Funktion (PrPc)
¾ Exprimiert in vielen Zelltypen, besonders im Nervensystem
¾ Mutationen in PrPc korrelieren mit Suszeptibilität für
Erkrankung; familiäre Formen tragen Mutationen in PrPc
Prionen-Hypothese:
Erreger ist eine aberrante Form eines normalen zellulären
Proteins
8
Beobachtungen im Tierversuch
unterstützen die PrP-Hypothese
¾ PrP-knockout Mäuse sind nicht suszeptibel für
Prionerkrankung
¾ Mäuse mit einzelner PrP-Genkopie zeigen
verzögerten Krankheitsverlauf
¾ PrP-ko-Mäuse transgen für PrP (gleiche bzw. andere
Spezies) sind wieder suszeptibel
¾ PrP-Überexpression verursacht Prionerkrankung
¾ Mäuse mit mutiertem PrP-Transgen (P102L) können
übertragbare Prionerkrankung entwickeln
Konformationelle Änderungen in PrP
35 kD Glykoprotein (254 Aminosäuren)
Transmembran, Membranassoziiert (GPI-Anker), sekretierte Form
¾ Zelluläres Protein PrPc : Protease-sensitiv
¾ Pathogene Form PrPSc : weitgehend Protease-resistent
Infektiöse Form „entsteht“ durch konformationelle Umlagerung vermittelt
durch Assoziation von PrPc mit PrPsc
© Cann, Molecular Virology
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Refolding (A) und Seeding (B) Modelle der Prionenkonversion
Normales PrPc:
Pathogenes PrPsc:
Grün
Rot
Prion Propagation in vitro und Nachweis der Infektiosität nach wiederholter
Konversion von PrPc durch geringe Menge PrPsc:
Protein Misfolding Cycling Amplification: Seeding – Sonication - Reseeding
Cell 121, 2005
Übertragung von Prionen durch
kontaminierte Metalloberflächen
Iatrogene Infektion durch Metallsonde
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Neue Variante der CJD (vCJD)
Besonderheiten der vCJD (seit 1996 aufgetreten)
(Juni 2005: 150 Todesfälle in UK, wenige außerhalb)
¾Klinisch:
Erkrankung in jungem Alter (im Mittel 27 J.)
Längerer Krankheitsverlauf (13 vs 3 Monate für CJD)
Symptomatik vor allem psychiatrisch (Depression,
Verhaltensänderungen etc.), später cerebelläre Ataxie
Fehlen typischer EEG - Veränderungen der CJD
¾Neuropathologisch:
Typ und Lokalisation der Veränderungen bei BSE und vCJD
weitgehend identisch
Infektion von Mäusen mit BSE- oder vCJD Erreger
induziert gleiche Veränderungen
¾Labor:
Homozygotie Met/Met in Codon 129
Muster der Protease-resistenten PrP-Spezies
Das Prionenprinzip in Hefe und anderen Pilzen
Verebbare Information gespeichert in Proteinkonformation
Hefezellen enthalten einen Prion-ähnlichen Faktor (PSI+), der
vererbt wird, wobei Kreuzung von PSI+ und psi- stets zu PSI+ führt
Der Faktor PSI+ entsteht durch Selbst-Aggregation des Proteins
Sup35p (Terminationsfaktor der Translation), das im psi- Zustand
nicht aggregiert und aktiv vorliegt
PSI+ wird durch Template-vermittelte Umfaltung von Sup35p
induziert und kann in vitro rekonstituiert werden – Transformation
von Hefezellen mit gereinigtem Protein induziert erblichen PSI+
Phänotyp
Proteinkonformation kann zur Langzeitspeicherung von
Information verwendet werden und die gespeicherte
Information kann an Tochterzellen „vererbt“ werden
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Virus-Evolution
Hohe Diversität (Quasispezies)
Sehr hohe Vermehrungsrate
schneller turnover
RNA-Viren: fehlerhafte Replikation
Rekombination, Komplementation
Dynamische Interaktion mit dem Wirt (Selektionsdruck)
a) Anpassung an einen Wirt, Ko-Evolution
b) Breiteres Wirtsspektrum, Interaktion mit
verschiedenen Wirtsorganismen
Mechanismen der Virusevolution
Mutation
Phänotyp. Mischen
Rekombination
Komplementation
X
X
Reassortierung
Mitnahme zellulärer Gene
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Mechanismen der Virusevolution
Schnelle
Vermehrung
SelektionsDruck
Hohe
Fehlerrate
Genetic
bottleneck
Quasispezies
Weitere Anpassung
durch Mutation/Selektion
(unterschiedliche
Replikationsfähigkeit)
Rasche Adaptation an veränderte Umweltbedingungen
durch Selektion vorbestehender Varianten
Einfluss von ‚bottlenecks‘ auf Viruspopulation
Akkumulation verschiedener
Mutationen durch fehlerhafte
Replikation > Quasispezies
Anreicherung bestimmter
Mutationen nach Passage
durch ein ‚bottleneck‘
Wiederholte
Passage kleiner
Population
Selektion
vorteilhafter
Mutationen
Mutationen
akkumulieren
Erhöhte
Fitness
Verringerte
Fitness
Konsensus-Sequenz
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Rasche Virusevolution
Viruspopulationen evolvieren mit sehr hoher Geschwindigkeit:
Populationsgrösse und Dynamik
Fehlerrate
¾Dauer eines Replikationszyklus. Stunden bis wenige Tage
¾Nachkommen pro Zyklus bis zu mehreren 1000
¾Virusnachkommen in einem infizierten Menschen:
109 – 1011 pro Tag
¾Turnover bis zu 90% der Population pro Tag
¾RNA-Polymerasen: fehlende proofreading-Funktion
(keine 3´ - 5´ Exonuklease-Aktivität)
¾1 Fehler pro 104-105 nt (106 mal mehr als euk. Zelle)
HIV: ca. 1 Fehler pro Runde der Genomreplikation
Bei jedem HIV-infizierten Patienten entsteht jede mögliche
Punktmutation und jede mögliche Kombination von 2 Mutationen in
kurzer Zeit (>109 Varianten pro Tag und Patient)
Rabbitpox-‚Experiment‘ veranschaulicht Virusevolution
Australien 1950er Jahre:
Freisetzung des Myxomatose-Virus zur Kontrolle der aus Europa eingeführten
Kaninchenpopulation
Durch Moskitos übertragen, 90-99% tödlich für europäische Kaninchen
1. Jahr: Mortalitätsrate 99,8%
Kaninchen werden effizient dezimiert
2. Jahr: Mortalitätsrate nur noch 25%
Schnelle Selektion von adaptiven
Mutationen bei Virus (und Wirt)
Attenuierte Virusvarianten innerhalb
weniger Jahre
Folgejahre: Mortalität geringer als
Vermehrungsrate der Kaninchen
Wirt und Virus haben sich aneinander
angepasst
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Theorien zur Entstehung von Viren
Regressive Evolution
Degeneriert aus unabhängiger Lebensform durch
Die Struktur eines thermophilen Virus aus Archaea (und Faltung
Verlust von Funktionen
seiner Strukturproteine) entspricht derjenigen des E. coli-Phagen
PRD1, des Algen-Virus PBCV und des menschlichen Adenovirus
Zellulärer Ursprung
Subzelluläre Organellen, die Funktionen zur
Verbreitung erworben haben
Gemeinsamer Vorläufer vor der Trennung
Unabhängige Entwicklung
zellulärer Lebensformen in Eukaryonten, Prokaryonten und
Evolution der Viren von Anfang an gemeinsam
Archaea vor ca 3 Milliarden Jahren?
mit Wirtszellen
Rice et al., PNAS 2004
Evolution der Retroviren
Protovirus-Hypothese: entstanden aus einfachen Retroelementen durch
Aufnahme zusätzlicher zellulärer Gene (H.Temin)
Euk. Zellen
Retroelemente
Verwandtschaft der
Retroelemente basierend
auf RT-Sequenzen
Viren
© Flint et al. Molecular Virology
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Emerging Viruses
Destabilisierung der Virus-Wirts-Interaktion
¾ Mutationen/Rekombinationen im Virusgenom
¾ Mutationen im Wirtsgenom (siehe Myxomatose)
¾ Wirtswechsel
¾ Industrialisierung/Urbanisierung
¾ Kolonialisierung
¾ Kriege
¾ Reisen, Tiertransporte
¾ Veränderte Hygienebedingungen
¾ Umweltveränderungen (Bewässerung, Schädlingsbekämpfung)
¾ Haustierhaltung
¾ Bluttransfusion, (Xeno)Transplantation
¾ Drogengebrauch, Veränderte Sexualgewohnheiten
¾ Impfung (Therapie)
Emerging Virus: Herkunft von HIV
SIVsm in Guinea-Bissao, 1940er Jahre
> HIV-2
Epidemieartige Ausbreitung korreliert
mit Bürgerkriegen
HIV-1 in USA
Einschleppung des Erregers Ende der 1960er Jahre
Erstes Auftreten von Erkrankungen Ende der 1970er Jahre
Erkennen von AIDS als neuartiger Infektionskrankheit: 1981
Identifizierung des Erregers: 1983
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Emerging Virus: Herkunft von HIV
Wirtswechsel: Übertragung vom Primaten (SIV) auf den
Menschen
Mehrere unabhängige Ereignisse, vermutlich in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts
¾HIV-1
Typ M
Typ O
Typ N
¾HIV-2
Isolat aus Zaire 1959: nahe am
vermuteten Ursprung
Neu aufgetretene virale Infektionskrankheiten seit 1976
1994 neue Variante des
Creutzfeldt-Jakob-Syndroms
1986 Bovine Spongiforme
Enzephalopathie
1980 Humanes T-ZellLeukämie-Virus
1999 West-Nil-Fieber
1980 Hepatitis D
2003 SARS
1977 Hantaan-Virus
1981 HIV/AIDS
1989 Hepatitis C
1976 Ebola-Fieber
1985 HIV/AIDS
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